Vier Perspektiven zur Entstehung und Entwicklung der ... - MPIfG
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Schäfer: <strong>Vier</strong> <strong>Perspektiven</strong> <strong>zur</strong> „Europäischen Beschäftigungspolitik“ 23<br />
coordination of monetary and fiscal policy at the European level and the character<br />
of collective bargaining within its member states. The success of EMU will ultimately<br />
depend on this wi<strong>der</strong> process. (Hall 1998: 529–530) 24<br />
In den vergangenen Jahren haben die Mitgliedstaaten eine Reihe von Verfahren<br />
institutionalisiert, die dem Ziel stärkerer Abstimmung ihrer Politik dienen <strong>und</strong><br />
für den Neofunktionalismus die folgerichtige Antwort auf den erhöhten Koordinierungsbedarf<br />
darstellen. Zu nennen ist die vertraglich abgesicherte, multilaterale<br />
Abstimmung <strong>und</strong> Überwachung <strong>der</strong> Wirtschafts- <strong>und</strong> Haushaltspolitik (Art.<br />
99–104, EGV Amsterdam), die stabilitätskonformes Verhalten <strong>der</strong> Mitgliedstaaten<br />
gewährleisten soll. Weiter verstärkt wurde dieses Instrumentarium durch den<br />
„Stabilitäts- <strong>und</strong> Wachstumspakt“. Hierin verpflichten sich die Mitgliedstaaten,<br />
ihre Haushaltsdefizite in engen Grenzen zu halten <strong>und</strong> mittelfristig zu einem<br />
ausgeglichenen Haushalt zu kommen. Formal besteht die Möglichkeit, Verstöße<br />
mit Bußgel<strong>der</strong>n zu ahnden. Die erhoffte Wirkung besteht jedoch in einer präventiven<br />
Disziplinierung. Durch ihr commitment entstehen für die Mitgliedstaaten bei<br />
Zuwi<strong>der</strong>handlung folgende „Kosten“: (a) Sie müssen ihr Verhalten im Rat rechtfertigen,<br />
(b) sie verstoßen gegen eine von ihnen unterzeichnete Vereinbarung,<br />
<strong>und</strong> (c) sie verlieren ihre stabilitätspolitische Glaubwürdigkeit gegenüber den<br />
Märkten (vgl. Schrö<strong>der</strong> 1998: 179).<br />
Dienen Geld- <strong>und</strong> Haushaltspolitik im Wesentlichen <strong>der</strong> makroökonomischen<br />
Stabilität, werden sie durch die koordinierte Politik des „Europäischen Beschäftigungspaktes“<br />
ergänzt. Dieser Name wurde auf dem Kölner Gipfel (3.-4. Juni<br />
1999) gewählt, um drei Elemente, den Luxemburg-, Cardiff- <strong>und</strong> Köln-Prozess, in<br />
ein umfassendes Gesamtkonzept einzubinden: 25<br />
1. Der Luxemburg-Prozess, Kern <strong>der</strong> Europäischen Beschäftigungspolitik, beruht<br />
auf einer Abstimmung <strong>der</strong> nationalen (Arbeitsmarkt-)Politik auf europäischer<br />
Ebene. Er besteht darin, dass <strong>der</strong> Rat auf Vorschlag <strong>der</strong> Kommission jedes Jahr<br />
beschäftigungspolitische Leitlinien verabschiedet, die von den Mitgliedstaaten<br />
in „Nationalen Aktionsplänen“ (NAP) umgesetzt werden. Die NAPs werden<br />
in <strong>der</strong> Folge gemeinschaftlich bewertet <strong>und</strong> <strong>der</strong> Rat kann mit qualifizierter<br />
Mehrheit Empfehlungen an die Mitgliedstaaten verabschieden. Ziel ist es, ein<br />
mehrjähriges („benchmarking“-)Verfahren in Gang zu setzten, in dem bewährte<br />
24 Eine ausführliche Darstellung, wie das Zusammenspiel von Geld-, Lohn- <strong>und</strong> Fiskalpolitik<br />
aussehen könnte, bieten Kasten/Soskice (1999).<br />
25 Die „Europäische Beschäftigungspolitik“ (EBP) ist damit nur ein Teil des umfassen<strong>der</strong>en<br />
„Beschäftigungspakts“, <strong>der</strong> aus allen drei Teilprozessen besteht, nämlich <strong>der</strong><br />
Luxemburg-Prozess. Hier wird deutlich, dass sowohl <strong>der</strong> Betrachtungszeitraum als<br />
auch <strong>der</strong> Themenbereich ausgeweitet werden muss, um eine kohärente neofunktionalistische<br />
Darstellung zu erhalten. Betrachtet man hingegen die EBP isoliert, hat <strong>der</strong><br />
Neofunktionalismus wenig zu ihrer Erklärung beizutragen.