Vier Perspektiven zur Entstehung und Entwicklung der ... - MPIfG
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Schäfer: <strong>Vier</strong> <strong>Perspektiven</strong> <strong>zur</strong> „Europäischen Beschäftigungspolitik“ 35<br />
tionspläne zu erstellen, aber diese sagen über die tatsächliche Politik mitunter<br />
wenig aus <strong>und</strong> garantieren keine neuen Initiativen. 38 Im Unterschied <strong>zur</strong> Haushaltspolitik<br />
(Art. 104, EGV Amsterdam) gibt es kein abgestuftes Sanktionsinstrumentarium,<br />
das angewandt wird, falls ein Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen<br />
nicht nachkommt. Die Regierungen kontrollieren das Verfahren in seinen wesentlichen<br />
Punkten. Das einzige Druckmittel gleicht eher dem Verfahren bezüglich<br />
<strong>der</strong> „Gr<strong>und</strong>züge <strong>der</strong> Wirtschaftspolitik“ (Art. 99, EGV Amsterdam), in dem<br />
<strong>der</strong> Rat Empfehlungen an die Mitgliedstaaten aussprechen <strong>und</strong> diese gegebenenfalls<br />
veröffentlichen kann. Die Veröffentlichung <strong>der</strong> Empfehlungen ist als zusätzliche<br />
Stufe <strong>der</strong> Sanktionierung in <strong>der</strong> Wirtschaftspolitik explizit vorgesehen, die<br />
bei Bedarf angewandt werden kann. Der Beschäftigungstitel sieht hingegen zwar<br />
vor, dass Empfehlungen ausgesprochen werden können, aber nicht, dass diese<br />
veröffentlicht werden. 39<br />
Betrachtet man jedoch den „Gemeinsamen Bericht“ von Rat <strong>und</strong> Kommission,<br />
<strong>der</strong> auf einem Vorschlag <strong>der</strong> Kommission beruht, wird deutlich, dass die Kommission<br />
auch in <strong>der</strong> Beschäftigungspolitik eine wichtige Rolle spielen kann – <strong>und</strong><br />
auch versucht, dies geltend zu machen. In diesem Bericht finden sich seit 1999 für<br />
alle Mitgliedstaaten Empfehlungen für das darauf folgende Jahr. Das bedeutet,<br />
Empfehlungen werden nicht nur in Ausnahmefällen an einzelne Mitgliedstaaten<br />
ausgesprochen, son<strong>der</strong>n jedes Jahr für alle Mitgliedstaaten, <strong>und</strong> werden noch dazu<br />
veröffentlicht. Dies kann als ein Beispiel dafür angesehen werden, wie die<br />
Kommission eine unklare Vertragsgr<strong>und</strong>lage aus Eigeninteresse weit auslegt. 40<br />
Sie nutzt den trotz <strong>der</strong> Vorsicht <strong>der</strong> Regierungen verbleibenden Spielraum, um<br />
dem Verfahren Schärfe zu verleihen. Dieses Anliegen <strong>der</strong> Kommission spiegelt<br />
sich auch in <strong>der</strong> praktischen Umsetzung <strong>der</strong> Beschäftigungspolitik wi<strong>der</strong>, wo sie<br />
versucht, weitere Akteure zu mobilisieren <strong>und</strong> in die Programmgestaltung zu<br />
integrieren.<br />
Die Kommission hebt zunehmend die Bedeutung <strong>der</strong> lokalen Dimension <strong>der</strong> Beschäftigungsstrategie<br />
hervor. So verweist sie darauf, dass in mehreren Mitgliedstaaten<br />
die NAPs um regionale sowie lokale Aktionspläne ergänzt werden. Sie<br />
unterstützt diese Dezentralisierung <strong>und</strong> versucht sie voranzutreiben (Kommission<br />
2001b: 7). Entscheidend für ihre Vernetzungsstrategie sind aber vor allem die<br />
Mittel des Europäischen Strukturfonds, insbeson<strong>der</strong>e des Sozialfonds. Hier ste-<br />
38 Wally <strong>und</strong> Blümel (2000) vergleichen den Inhalt <strong>der</strong> NAPs <strong>und</strong> die tatsächliche Politik<br />
von Großbritannien <strong>und</strong> Deutschland. Während für jene vielfach Übereinstimmungen<br />
gef<strong>und</strong>en werden, unterscheidet sich diese jedoch weiterhin deutlich.<br />
39 Genau genommen sagt <strong>der</strong> entsprechende Artikel (128, EGV Amsterdam) nichts<br />
hierzu. Das heißt, er untersagt es zwar nicht, aber im Vergleich zu den Bestimmungen<br />
<strong>der</strong> Haushalts- <strong>und</strong> Wirtschaftspolitik muss davon ausgegangen werden, dass<br />
die Empfehlungen ursprünglich nicht veröffentlicht werden sollten.<br />
40 Kritisch zu dieser Praxis Biagi (1998: XXXI).