147-Lebe RZ
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Shutterstock<br />
Christine* ist Kindergärtnerin. Ihre vierjährige Tochter besucht<br />
den Kindergarten, während sie halbtags in einem anderen<br />
Kindergarten arbeitet.<br />
Zu Beginn des Lockdowns fiel mir regelrecht<br />
die Decke auf den Kopf. Mein<br />
Partner konnte weiterarbeiten, während<br />
ich mit meiner vierjährigen Tochter allein zu<br />
Hause war. Ich beschäftige mich ja gerne mit<br />
meiner Kleinen, aber den ganzen Tag, tagtäglich,<br />
ohne Kontakt mit Erwachsenen, das war<br />
sehr schwer für mich. Ich muss dazu sagen,<br />
dass unsere Beziehung von Anfang an etwas<br />
schwierig war. Aufgrund<br />
traumatischer Ereignisse<br />
bei der Geburt war ich drei<br />
Monate im Krankenhaus<br />
und nachher noch lange<br />
nicht besonders fit. So<br />
hat sich unsere Tochter<br />
zu einem richtigen „Papa-<br />
Kind“ entwickelt. So sehr<br />
ich mich auch bemühte, ich kam nicht wirklich<br />
an sie ran. Das war schwer für mich. Nun kam<br />
Corona. Zunächst war ich sehr genervt über<br />
diese unfreiwillige „soziale Askese“. Nach zwei<br />
bis drei Wochen stellte sich aber so langsam<br />
eine Veränderung ein. Meine Tochter und ich<br />
sind richtig zusammengewachsen. Sie fragte<br />
kaum nach ihren Freunden und ich erlangte<br />
eine innere Ruhe und Zufriedenheit, die ich bislang<br />
so nicht kannte. Dies wirkte sich sehr positiv<br />
auf unsere Beziehung aus. Dadurch, dass<br />
es für uns keine „Ablenkung“ gab, ist sie viel<br />
enger geworden. Dafür bin ich dankbar.<br />
Ein besonderes lieb gewonnenes Ritual, welches<br />
ich mir mit meiner Kleinen erhalten möchte,<br />
ist unser „Kaffeekränzchen“. Ich hatte es<br />
wirklich vermisst, mich hin und wieder mit einer<br />
Freundin auf einen Kaffee zu treffen. Also musste<br />
meine „große“ Kleine herhalten. Sie bekam<br />
ihren geliebten „Schaum“ und ich genoss meinen<br />
Cappuccino. So saßen wir ein Weilchen<br />
zusammen und plauderten über dies und jenes<br />
oder spielten auch mal<br />
Karten. Diese intensive Zeit<br />
Ich erlangte eine innere<br />
Ruhe und Zufriedenheit,<br />
die ich so bislang nicht<br />
kannte<br />
zu zweit genossen wir beide.<br />
Wenn ich nun mal nicht<br />
mehr dran denke, erinnert<br />
mich meine Tochter daran<br />
und fragt: „Wia schaugs<br />
aus mitn Kaffeele“? Wie<br />
„groß“ ist sie eigentlich<br />
geworden. Und was kann man alles schon mit<br />
ihr machen! Meine Tochter erinnert sich besonders<br />
gerne an die gemeinsame Spielzeit.<br />
Ein außergewöhnliches Erlebnis war für mich<br />
außerdem die Öffnung des Recyclinghofes.<br />
Das klingt banal, aber es war so. Ich kann mich<br />
nicht daran erinnern, wann ich mich das letzte<br />
Mal so gefreut habe. Auch diese Erfahrung<br />
macht mich dankbar und zufrieden. Ich habe<br />
gemerkt, dass wirklich kleine Dinge mich wieder<br />
glücklich machen können.<br />
<br />
* der Name wurde von der Redaktion geändert<br />
LEBE <strong>147</strong>/2020<br />
23<br />
<strong>147</strong>-<strong>Lebe</strong> <strong>RZ</strong> 23 02.09.20 15:54