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Bearbeitung von Jugendsachen - Leseprobe

Einsatzkräfte der Polizei kommen im täglichen Dienst ständig aus vielfältigen Anlässen mit jungen Menschen in Kontakt. Das dabei notwendige Einfühlungsvermögen, das sichere rechtlich fundierte Einschreiten sowie die Durchführung der erforderlichen präventiven und repressiven Maßnahmen setzen fundierte Kenntnisse sowohl zur Phänomenologie, zu den Ursachen und der Entwicklung der Kinder- und Jugenddelinquenz als auch zu den spezifischen Bestimmungen des Jugendgerichtsgesetzes und der entsprechenden Polizeidienstvorschrift (PDV 382) voraus. Mit diesem Studienbrief stellen die Autoren die wesentlichen Tätigkeitsfelder polizeilicher Jugendarbeit – Kriminalprävention, Jugendschutz durch Gefahrenabwehr, Strafverfolgung von Jugendkriminalität – dar und rüsten Polizeibeamte mit dem dazu notwendigen Grundwissen aus. Der praxisorientierte Schwerpunkt dieses Studienbriefes liegt in der Bereitstellung von Handlungsanleitungen für die im operativen Dienst und im Ermittlungsdienst der Polizei tätigen Beamtinnen und Beamten.

Einsatzkräfte der Polizei kommen im täglichen Dienst ständig aus vielfältigen Anlässen mit jungen Menschen in Kontakt. Das dabei notwendige Einfühlungsvermögen, das sichere rechtlich fundierte Einschreiten sowie die Durchführung der erforderlichen präventiven und repressiven Maßnahmen setzen fundierte Kenntnisse sowohl zur Phänomenologie, zu den Ursachen und der Entwicklung der Kinder- und Jugenddelinquenz als auch zu den spezifischen Bestimmungen des Jugendgerichtsgesetzes und der entsprechenden Polizeidienstvorschrift (PDV 382) voraus.

Mit diesem Studienbrief stellen die Autoren die wesentlichen Tätigkeitsfelder polizeilicher Jugendarbeit – Kriminalprävention, Jugendschutz durch Gefahrenabwehr, Strafverfolgung von Jugendkriminalität – dar und rüsten Polizeibeamte mit dem dazu notwendigen Grundwissen aus.
Der praxisorientierte Schwerpunkt dieses Studienbriefes liegt in der Bereitstellung von Handlungsanleitungen für die im operativen Dienst und im Ermittlungsdienst der Polizei tätigen Beamtinnen und Beamten.

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Lehr- und Studienbriefe<br />

Kriminalistik / Kriminologie<br />

Herausgegeben <strong>von</strong><br />

Horst Clages, Leitender Kriminaldirektor a.D.,<br />

Klaus Neidhardt, Präsident der Deutschen Hochschule der Polizei<br />

Band 12<br />

<strong>Bearbeitung</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Jugendsachen</strong><br />

Von<br />

Horst Clages<br />

und<br />

Prof. Dr. Reingard Nisse<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

VERLAG DEUTSCHE POLIZEILITERATUR GMBH<br />

Buchvertrieb<br />

Forststraße 3a • 40721 Hilden • Telefon 0211/71 04-212 • Fax -270<br />

E-mail: vdp.buchvertrieb@VDPolizei.de • Internet: www.VDPolizei.de<br />

1


Vorwort<br />

Vorwort<br />

Die Entwicklung der Kinder- und Jugenddelinquenz ist ein wichtiger Indikator<br />

dafür, inwieweit es gelingt, junge Menschen auf die Herausforderungen der Gegenwart<br />

und der Zukunft vorzubereiten. Kinder und Jugendliche befinden sich<br />

in einem Prozess der Persönlichkeitsentwicklung und -reifung. Dieser wird im<br />

besonderen Maße im Verlauf der Sozialisierung durch die Einflüsse <strong>von</strong> Familie,<br />

Schule und Gesellschaft, immer mehr auch der Medien, gestaltet.<br />

Für die Kriminologie war seit jeher die Jugendkriminalität <strong>von</strong> besonderem Interesse,<br />

da sich in der Lebensphase <strong>von</strong> der Fremd- zur Selbstbestimmung jene<br />

Faktoren besonders gut erforschen lassen, die normabweichendes Verhalten befördern<br />

bzw. verhindern.<br />

Immer wieder rücken aktuelle Ereignisse, wie Amokläufe <strong>von</strong> Schülern, brutale<br />

Raubüberfälle durch jugendliche Gruppen oder fremdenfeindliche Gewaltstraftaten,<br />

Jugendkriminalität in den Fokus der Öffentlichkeit. Häufig kommt es zu<br />

verzerrten und überzogenen Schilderungen und es mangelt an einer sachlichen<br />

Darstellung.<br />

Aber auch die Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik wiesen in den letzten<br />

Jahren steigende Kriminalitätsbelastungen bei jungen Menschen und höhere<br />

Anteile <strong>von</strong> Gewaltstraftaten aus. In Deutschland sind Forscher darum bemüht,<br />

insbesondere durch Dunkelfeldforschungen ein wirklichkeitsnahes Abbild des delinquenten<br />

Verhaltens junger Menschen darstellen zu können.<br />

Sowohl die Erkenntnisse aus diesen Forschungen als auch die Daten aus Kriminalstatistiken<br />

bilden eine wesentliche Grundlage für die Konzipierung <strong>von</strong> Prävention<br />

und Intervention auf dem Gebiet der Kinder- und Jugenddelinquenz.<br />

Die Kriminalitätskontrolle in diesem Bereich, verstanden als die Gesamtheit aller<br />

Maßnahmen zur Verhinderung und Verfolgung <strong>von</strong> strafbewehrtem Verhalten<br />

junger Menschen, stellt an die Polizei spezifische Anforderungen. Sie ergeben<br />

sich aus der bereits erwähnten besonderen Lebenssituation der Kinder und Jugendlichen,<br />

die <strong>von</strong> deren physischen und psychischen Reifeprozessen sowie vom<br />

Einfluss verschiedener Akteure geprägt ist.<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

Die Polizei nimmt im Rahmen der Kriminalitätskontrolle gegenüber delinquentem<br />

Verhalten <strong>von</strong> Kindern und Jugendlichen die ihr in Gesetzen übertragenen<br />

Aufgaben wahr, agiert aber auch unterstützend mit anderen Verantwortungsträgern<br />

zusammen.<br />

Der Polizeibeamte kommt in seiner täglichen Dienstverrichtung ständig aus vielfältigen<br />

Anlässen mit jungen Menschen in Kontakt.<br />

Das dabei notwendige Einfühlungsvermögen, das sichere rechtlich fundierte<br />

Einschreiten, die Einbeziehung der jeweils verantwortlichen Partner sowie die<br />

Durchführung der erforderlichen präventiven und repressiven Maßnahmen, setzen<br />

vertiefte Kenntnisse sowohl zu den Ursachen und der Entwicklung der Kinder-<br />

und Jugenddelinquenz als auch zu den spezifischen Bestimmungen des Jugendgerichtsgesetzes<br />

und der entsprechenden Polizeidienstvorschrift (PDV 382)<br />

voraus. Darüber hinaus gilt es nicht nur, strafbares Verhalten <strong>von</strong> jungen Menschen<br />

zu verhindern bzw. zu verfolgen, sondern diese vor Übergriffen, wie z.B.<br />

Misshandlungen, Vernachlässigungen, sexuellen Missbräuchen, zu schützen.<br />

3


Vorwort<br />

Mit diesem Studienbrief bezwecken die Autoren, die wesentlichen Tätigkeitsfelder<br />

polizeilicher Jugendarbeit – Kriminalprävention, Jugendschutz durch<br />

Gefahrenabwehr, Strafverfolgung <strong>von</strong> Jugendkriminalität – darzustellen und<br />

Polizeibeamte mit dem dazu notwendigen kriminologischen, straf-, polizei-, strafprozessrechtlichen<br />

und kriminalistischen Grundwissen auszurüsten.<br />

Der Schwerpunkt der nachfolgenden Darlegungen liegt in der Bereitstellung <strong>von</strong><br />

Handlungsanleitungen für die im operativen Dienst und im Ermittlungsdienst<br />

der Polizei tätigen Beamten.<br />

Horst Clages, Prof. Dr. Reingard Nisse Overath und Bernau, im August 2009<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

4


Inhaltsverzeichnis<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort ............................................................................................................. 3<br />

1 Jugendkriminalität – Definitionen und Begriffsbestimmungen<br />

.................................................................................... 9<br />

1.1 Jugend – eine demografische, soziale und rechtliche<br />

Kategorie ............................................................................................... 9<br />

1.2 Jugendkriminalität – Definition und Beschreibung ........................... 12<br />

1.2.1 Definition ............................................................................................... 12<br />

1.2.2 Struktur und Bewegung der Jugendkriminalität ............................... 14<br />

1.2.3 Charakterisierung der Jugendkriminalität ........................................ 18<br />

2 Täter- und Opferstrukturen, jugendtypische<br />

Deliktsfelder ....................................................................................... 19<br />

2.1 Täterstrukturen .................................................................................... 19<br />

2.1.1 Intensivtäter ......................................................................................... 19<br />

2.1.2 Jugendgruppen und Kriminalität ........................................................ 22<br />

2.2 Minderjährige als Opfer ....................................................................... 25<br />

2.3 Jugendspezifische Deliktsfelder ........................................................... 27<br />

2.3.1 Jugend und Gewalt ............................................................................... 27<br />

2.3.2 Jugend und Drogen ............................................................................... 30<br />

2.3.3 Jugend und Eigentumsdelikte ............................................................. 32<br />

2.3.4 Jugend und politisch motivierte Kriminalität .................................... 33<br />

3 Ursachen <strong>von</strong> Jugendkriminalität, ausgewählte<br />

präventive Ansätze ........................................................................... 35<br />

3.1 Ursachen <strong>von</strong> Jugendkriminalität ....................................................... 35<br />

3.2 Präventionsstrategien .......................................................................... 36<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

4 Jugendstrafverfahren ...................................................................... 41<br />

4.1 Allgemeine Rechtsgrundlagen ............................................................. 41<br />

4.1.1 Rechtstellung <strong>von</strong> Minderjährigen und Heranwachsenden ............... 41<br />

4.1.1.1 Besonderheiten im Strafermittlungsverfahren ................................... 41<br />

4.1.1.2 Besonderheiten im Bürgerlichen Recht ............................................... 42<br />

4.2 Grundlagen des Jugendstrafverfahrens .............................................. 43<br />

4.3 Institutionen im Jugendstrafverfahren ............................................... 45<br />

4.3.1 Jugendgericht, Jugendstaatsanwalt, Jugendrichter .......................... 45<br />

4.3.2 Jugendgerichtshilfe, Jugendhilfe ......................................................... 46<br />

4.4 Verfahrensabschnitte ........................................................................... 47<br />

4.4.1 Vorverfahren ......................................................................................... 47<br />

4.4.2 Hauptverfahren .................................................................................... 48<br />

4.4.3 Diversionsverfahren im Jugendrecht .................................................. 49<br />

4.4.4 Diversionsverfahren nach § 45 JGG .................................................... 51<br />

4.5 Rechtsfolgen nach dem Jugendgerichtsgesetz .................................... 52<br />

5 Polizeiliche Jugendarbeit ............................................................... 58<br />

5.1 Polizeiliche Tätigkeitsfelder ................................................................. 59<br />

5


Inhaltsverzeichnis<br />

5.2 Konzepte polizeilicher Jugendarbeit ................................................... 60<br />

5.2.1 Organisation der polizeilichen Jugendarbeit ..................................... 61<br />

5.2.1.1 Grundsatzentscheidungen ................................................................... 62<br />

5.2.1.2 Bildung <strong>von</strong> Jugendkommissariaten .................................................. 63<br />

5.2.1.3 Dezentraler Einsatz <strong>von</strong> Jugendsachbearbeitern .............................. 63<br />

5.2.1.4 Einsatz <strong>von</strong> Jugendbeauftragten ........................................................ 64<br />

5.2.1.5 Flankierende Maßnahmen .................................................................. 64<br />

5.3 Zusammenarbeit mit anderen Behörden und Institutionen ............. 65<br />

5.3.1 Jugendämter ......................................................................................... 66<br />

5.3.2 Jugendgerichtshilfe .............................................................................. 66<br />

5.3.3 Ordnungsbehörden ............................................................................... 67<br />

5.3.4 Bewährungshilfe .................................................................................. 67<br />

5.3.5 Gesundheitsbehörden/Drogenberatung .............................................. 67<br />

5.3.6 Schule .................................................................................................... 67<br />

5.4 Jugendschutz durch Gefahrenabwehr ................................................ 68<br />

5.4.1 Gefahrenkatalog ................................................................................... 68<br />

5.4.2 Polizeiliche Maßnahmen bei Gefährdung Minderjähriger ................ 71<br />

5.4.3 Inobhutnahme nach dem SGB VIII .................................................... 73<br />

5.4.4 Gefahrenabwehr nach den Jugendschutzgesetzen ............................ 73<br />

6 Polizeiliche Ermittlungen in <strong>Jugendsachen</strong> ............................. 73<br />

6.1 Umfang und Ziel der Ermittlungen in <strong>Jugendsachen</strong> ....................... 73<br />

6.1.1 Anforderungen an die Jugendsachbearbeitung .................................. 74<br />

6.1.1.1 Allgemeine Grundsätze ........................................................................ 74<br />

6.1.1.2 Verfahrensvorschriften ........................................................................ 75<br />

6.2 Ermittlungsmaßnahmen ..................................................................... 76<br />

6.2.1 Einleitung der Ermittlungen ............................................................... 76<br />

6.2.2 Behandlung <strong>von</strong> Strafanzeigen in <strong>Jugendsachen</strong> .............................. 77<br />

6.2.2.1 Aufnahme <strong>von</strong> Strafanzeigen gegen Kinder ....................................... 77<br />

6.2.2.2 Aufnahme <strong>von</strong> Antragsdelikten .......................................................... 77<br />

6.2.2.3 Verfolgung <strong>von</strong> Privatklagedelikten ................................................... 78<br />

6.2.3 Ermittlungsumfang bei jugendlichen Tatverdächtigen ..................... 79<br />

6.2.4 Ermittlungsumfang bei verdächtigen Kindern .................................. 80<br />

6.3 Eingriffsmaßnahmen gegenüber Minderjährigen .............................. 81<br />

6.3.1 Maßnahmen im ersten Zugriff ............................................................ 81<br />

6.3.1.1 Freiheitsentziehung bei Minderjährigen ............................................ 81<br />

6.3.1.2 Vorläufige Festnahme, Untersuchungshaft........................................ 81<br />

6.3.1.3 Besonderheiten bei Freiheitsentziehung ............................................ 82<br />

6.3.2 Erkennungsdienstliche Behandlung <strong>von</strong> Minderjährigen ................. 84<br />

6.3.3 Durchsuchung bei Kindern und Jugendlichen ................................... 85<br />

6.3.4 Benachrichtigungspflichten ................................................................. 85<br />

6.4 Vernehmung in <strong>Jugendsachen</strong> ............................................................ 86<br />

6.4.1 Allgemeine Grundsätze und Hinweise ................................................ 86<br />

6.4.2 Vernehmungstaktische Grundsätze und Verfahrensregeln .............. 87<br />

6.4.3 Belehrung ............................................................................................. 90<br />

6.4.3.1 Grundsätze ........................................................................................... 90<br />

6.4.3.2 Besonderheiten der Belehrung minderjähriger<br />

Tatverdächtiger .................................................................................... 91<br />

6.4.3.3 Besonderheiten der Belehrung minderjähriger Zeugen .................... 91<br />

6.4.4 Durchführung der Vernehmung........................................................... 93<br />

6<br />

<strong>Leseprobe</strong>


Inhaltsverzeichnis<br />

6.4.4.1 Vernehmungsatmosphäre .................................................................... 93<br />

6.4.4.2 Vorgespräch .......................................................................................... 93<br />

6.4.4.3 Vernehmung zur Person ...................................................................... 94<br />

6.4.4.4 Vernehmung zur Sache ........................................................................ 94<br />

6.4.4.5 Dokumentation der Vernehmung ....................................................... 95<br />

6.5 Gegenüberstellung/Wiedererkennungsverfahren .............................. 96<br />

6.5.1 Arten <strong>von</strong> Gegenüberstellungen .......................................................... 96<br />

6.5.2 Rechtsgrundlagen ................................................................................ 97<br />

6.5.3 Verfahrensweisen ................................................................................. 97<br />

7 Abschluss der Ermittlungen .......................................................... 98<br />

7.1 Zuführung in die Obhut der Erziehungsberechtigten ....................... 98<br />

7.2 Auswertung der Ermittlungsergebnisse ............................................. 98<br />

7.3 <strong>Bearbeitung</strong>shinweise nach Abschluss der Ermittlungen ................. 99<br />

7.3.1 Kennzeichnung ..................................................................................... 99<br />

7.3.2 Schlussbericht ...................................................................................... 99<br />

8 Minderjährige als Vermisste .......................................................... 100<br />

8.1 Vermisstenstatus ................................................................................. 101<br />

8.2 Schutzzweck der Bestimmung ............................................................ 101<br />

8.3 Aufnahme der Vermisstenanzeige ...................................................... 101<br />

8.4 Beurteilung <strong>von</strong> Vermisstensachen .................................................... 102<br />

8.5 Ausreißen, Streunen, Vagabundieren ................................................. 103<br />

8.6 Fahndung nach vermissten Minderjährigen ...................................... 103<br />

8.6.1 Fahndungsausschreibung .................................................................... 103<br />

8.6.2 Öffentlichkeitsfahndung ...................................................................... 104<br />

8.7 Erledigung des Vermisstenfalles ......................................................... 104<br />

Literatur ............................................................................................................ 105<br />

Stichwortverzeichnis ..................................................................................... 111<br />

Die Autorin/Der Autor ................................................................................... 117<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

7


Jugendkriminalität – Definition und Begriffsbestimmungen<br />

1 Jugendkriminalität – Definitionen und Begriffsbestimmungen<br />

1.1 Jugend – eine demografische, soziale und rechtliche Kategorie<br />

Ein Blick in die Polizeiliche Kriminalstatistik verdeutlicht es eindringlich: Junge<br />

Menschen unter 21 Jahren bestimmen wesentlich die Struktur und Bewegung der<br />

Kriminalität im Hellfeld. Sie bilden jahrzehntelang ca. ein Drittel der Tatverdächtigen.<br />

Sie sind es, mit denen sich Polizeibeamte bei der Prävention und Repression<br />

der Massenkriminalität in erster Linie auseinandersetzen müssen. Polizeibeamte<br />

sind in ihrer täglichen Arbeit demzufolge in einem hohen Maße mit der Delinquenz<br />

junger Menschen befasst.<br />

Bereits im 19. Jahrhundert entdeckte der Franzose Andre-Michel Guerry de<br />

Champneuf (1802-1866), Justizstaatssekretär, die Grundzüge der altersmäßigen<br />

Verteilung der Kriminalität. Er stellte fest, dass die Kriminalität ihren Gipfel im<br />

Altersbereich <strong>von</strong> 25 bis 30 Jahren erreicht. 1<br />

Diese Aussage trifft auch für die gegenwärtigen Kriminalstatistiken zu. „Dies<br />

kann in allen westlichen Ländern seit der Einführung <strong>von</strong> Kriminalstatistiken,<br />

mithin seit mehr als hundert Jahren beobachtet werden.“ 2 Jugendkriminalität<br />

wird heute ganz selbstverständlich sowohl in Rechtsverordnungen, in den Kriminalstatistiken<br />

wie auch in sozialwissenschaftlichen Betrachtungen als separater<br />

Teil der Gesamtkriminalität angesehen.<br />

Da im Gegensatz zur Bezeichnung gegenstandsbezogener Kriminalität, wie Eigentums-,<br />

Wirtschafts- und Umweltkriminalität, sich der Begriff Jugendkriminalität<br />

am Alter der Täter orientiert, lässt sich diese Kategorie nur hinreichend erörtern,<br />

wenn das Verständnis für die Besonderheiten des Jugendalters Beachtung findet.<br />

Welche Besonderheiten sind es, die letztlich in den rechtlichen Bestimmungen ihre<br />

Entsprechung finden und die Arbeit der Polizei mit delinquenten jungen Menschen<br />

taktisch und inhaltlich bestimmen?<br />

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich der Begriff der Jugenddelinquenz, der auf<br />

Ergebnissen soziologischer Forschungen zum abweichenden Verhalten <strong>von</strong> Kindern<br />

und Jugendlichen fußte und Straftaten Jugendlicher als ein soziokulturelles<br />

Phänomen erfasste.<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

Jugendstrafrecht basiert auf der Erkenntnis der Entwicklungsphase junger<br />

Menschen, die insbesondere durch Identitätsfindung in einem gesellschaftlich<br />

normierten Zeitraum geprägt ist.<br />

In der Literatur herrscht weitgehend Einigkeit bezüglich der Auffassung, das Jugendalter<br />

sei durch ein Spannungsfeld widersprüchlicher, zumindest vielfältiger<br />

Erwartungen, Anforderungen und Angebote gekennzeichnet. 3<br />

Jugend ist gemeinhin als Übergangsphase <strong>von</strong> der Kindheit zum Erwachsensein zu<br />

verstehen. Eine eher simple, dennoch allgemeine Beschreibung einer Bevölkerungspopulation,<br />

die sich aus sehr unterschiedlichen Individuen mit den vielfältigsten<br />

Bindungen und Milieus zusammensetzt.<br />

„Bekanntlich ist die Jugend die Zeit des Übergangs zu neuen Bezugsgruppen, eine<br />

Phase der gesteigerten Aktivität und des Kräftezuwachses sowie der Selbstfindung,<br />

1 Schneider 1987, S. 329.<br />

2 Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht 2006 (Kurzfassung), S. 57.<br />

3 Kaiser 1996, S. 566.<br />

9


Jugend – eine demographische, soziale und rechtliche Kategorie<br />

der Überprüfung überlieferter Werte, der Lebensplanung und Integration.“ 4 So<br />

werden im Wesentlichen folgende jugendtypische Momente als Zeichen für die<br />

Unreife und damit mögliche Basisfaktoren für abweichendes Verhalten angesehen:<br />

Fehlen <strong>von</strong> Zielstrebigkeit, planloses impulsives Handeln, Nachahmungstrieb,<br />

Geltungsbedürfnis, Leichtsinn, Unbekümmertheit, Anlehnungsbedürftigkeit, naivvertrauensseliges<br />

Verhalten, spielerische Einstellung zur Arbeit, Erlebnishunger<br />

und Geschwindigkeitsrausch.<br />

Die besonderen Merkmale, die junge Menschen in ihrem Selbstfindungsprozess<br />

kennzeichnen, bilden die Anknüpfungsmöglichkeiten für kriminalpolitische Strategien.<br />

Das spiegelt sich insbesondere in der Intention des Jugendstrafrechts wider,<br />

das Erziehung statt Strafe postuliert.<br />

Die Jugend als demografische Gruppe ist vorrangig abhängig da<strong>von</strong>, inwieweit<br />

ihr <strong>von</strong> der Gesellschaft ein eigenständiger Status zugestanden wird. Diese Eigenständigkeit<br />

der Jugend hat sich historisch entwickelt. Erwachsen wurde man in<br />

der Geschichte auf immer andere Art und Weise – in Lehr- und Wanderjahren, in<br />

Lehrausbildung unterschiedlicher Zünfte, als Student, als Wehrdienstleistender<br />

u.a. 5<br />

Gegenwärtig wird deutlich, wie sich die Größenordnung dieser Bevölkerungsgruppe<br />

in Abhängigkeit <strong>von</strong> den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen bewegt.<br />

Wirtschaftliche Umbruchsituationen, aber auch das Streben nach ungetrübtem<br />

Wohlstand haben in Deutschland zu einer rückläufigen Geburtenentwicklung und<br />

Überalterung der Bevölkerung geführt.<br />

Soziologisch betrachtet geht es um die vorrangige Charakterisierung der Jugend<br />

hinsichtlich Ihres Platzes in der Gesellschaft.<br />

Dieser lässt sich wie folgt beschreiben:<br />

Jugendliche sind noch nicht völlig sozialisiert. Trotz psychischer und materieller<br />

Abhängigkeit <strong>von</strong> der Familie vollzieht sich ein Wechsel der Bezugsgruppen, der<br />

Prozess des Ablösens aus der Ursprungsfamilie.<br />

„Die Jugendphase ist in dieser Sicht ein Lebensabschnitt, der durch ein Nebeneinander<br />

<strong>von</strong> noch unselbständigen, quasi kindheitsgemäßen, und selbständigen,<br />

quasi schon erwachsenengemäßen Handlungsanforderungen charakterisiert ist.“ 6<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

Widersprüche erwachsen in diesem Prozess insbesondere aus dem Bestreben nach<br />

mehr Selbstständigkeit und der weiteren Notwendigkeit des Erziehungseinflusses<br />

der Eltern. Letztere werden, wie insgesamt die Erwachsenen, durch die Jugendlichen<br />

kritischer bewertet.<br />

„Jugendzeiten werden durch die jeweilige Dauer der Schuljahre, des Wehrdienstes,<br />

durch längere oder kürzere Ausbildungszeiten, die Zuerkennung <strong>von</strong> Wahlrechten<br />

u. a. m. gesellschaftlich festgelegt.“ 7<br />

Jugendliche orientieren sich wesentlich auch außerhalb des Elternhauses, vor allem<br />

an Gleichaltrigen, in der Peergroup. Neue Verhaltensstile werden entwickelt.<br />

Zunehmend ist die Jugend Zielgruppe ganzer Industriezweige geworden, die jugendspezifische<br />

Interessen ansprechen oder auch wecken wollen.<br />

4 Ebenda.<br />

5 Vgl. Walter 2005, S. 102.<br />

6 Hurrelmann 1995, S. 46.<br />

7 Walter 2005, S. 102.<br />

10


Jugend – eine demographische, soziale und rechtliche Kategorie<br />

Jugendliche überprüfen überlieferte Werte der Erwachsenenwelt, sie entwerfen<br />

ihre Lebensplanung und besetzen eigenständige Interessenfelder, streben nach<br />

eigenständiger Verantwortungswahrnahme. Dieser Prozess verläuft nicht konfliktfrei,<br />

da Jugendliche aus der Sicht der Erwachsenen beurteilt und an deren Maßstäben<br />

gemessen werden. Vor allem in der Familie fällt es den Eltern oft schwer,<br />

Fürsorge zurückzunehmen und das „Kind“ als gleichberechtigt anzuerkennen.<br />

In Betrachtung der körperlich-biologischen Merkmale wird das Jugendalter als<br />

Adoleszenz bezeichnet. Ein Begriff, der Jugend aus entwicklungsphysiologischer<br />

Sicht charakterisiert.<br />

Die Adoleszenz wird durch die körperliche Geschlechtsreifung (Pubertät) geprägt,<br />

die bei der Mehrzahl der Menschen im Altersbereich zwischen 11 und 20 Jahren<br />

stattfindet, wobei erhebliche Unterschiede des Verlaufs, zum einen zwischen Jungen<br />

und Mädchen zum anderen zwischen den einzelnen Personen, auftreten. Oft<br />

entsteht eine Diskrepanz zwischen dem äußeren, oft schon erwachsen wirkenden<br />

Erscheinungsbild und der Persönlichkeitsreife.<br />

Das in den letzten Jahrzehnten zu beobachtende höhere Körperwachstum, wird<br />

mit dem Begriff Akzeleration (Beschleunigung) gekennzeichnet.<br />

Neben den bereits erwähnten soziologischen Bezügen ergeben sich aus diesen<br />

biologischen Abläufen gleichsam zum Teil erhebliche seelische Konflikte. 8<br />

Eine neue Beziehung zum anderen Geschlecht, eine andere Rolle in der Familie,<br />

höhere Sensibilität gegenüber der Annahme durch andere Bezugspersonen<br />

begleiten diese Phase der körperlichen und geistigen Umgestaltung, die in der<br />

Jugendzeit beschleunigt abläuft.<br />

Während in der Kindheit emotionales Grundvertrauen aufgebaut wird, Intelligenz,<br />

motorische und sprachliche Fähigkeiten sowie grundlegende soziale Kompetenz<br />

entwickelt werden, entstehen im Jugendalter Fähigkeiten zur selbstständigen<br />

Leistungserbringung und Gestaltung der Sozialkontakte, wie intellektuelle und<br />

soziale Kompetenz, eigene Geschlechtsrolle sowie Partnerfähigkeit und Entwicklung<br />

eines Norm- und Wertesystems, auch Selbstkonzept genannt. 9<br />

Trotz dieser, das Jugendalter kennzeichnenden Merkmale darf nicht übersehen<br />

werden, dass der Begriff „Jugend“ nur ein vager Sammelbegriff für eine bestimmte<br />

Lebensphase darstellen kann. Die Jugendlichen und Heranwachsenden „sind keine<br />

einheitlichen Gruppen, die für alle Zeiten gleich bleiben. Es gibt keine festen,<br />

klar erkennbaren Entwicklungsetappen, sondern nur eine alles andere als gleichmäßige<br />

fortlaufende Entwicklung jedes einzelnen Menschen.“ 10 Insofern ist eine<br />

altersmäßige Eingrenzung fußend auf biologischen Prozessen oder bezüglich der<br />

Sozialisation als „Erwachsener“ nur im Einzelfall feststellbar.<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

„Der Prozess des Erwachsenwerdens hat je nach der sozialen Stellung des Jugendlichen<br />

und der seiner Eltern … den psycho-sozialen Bedingungen und Belastungen<br />

und je nach der gesamten örtlichen und zeitgeschichtlichen Situation eine sehr<br />

unterschiedliche Gestalt.“ 11 Im Wechsel <strong>von</strong> Bezugsgruppen und Lebensfeldern<br />

erfolgt die Suche nach Halt und Orientierung. In diesem Prozess nehmen die be-<br />

8 Brunner/Dölling 1996, S. 18.<br />

9 Hurrelmann 1995, S. 47.<br />

10 Brunner/Dölling 1996, S. 38.<br />

11 Walter, 2005, S. 101.<br />

11


Jugend – eine demographische, soziale und rechtliche Kategorie<br />

reits erwähnten Gleichaltrigengruppen (Peergroups) eine zentrale Rolle ein, <strong>von</strong><br />

denen durchaus positive Wirkungen ausgehen.<br />

Labile Entwicklungen während der Adoleszenzphase brauchen nicht unbedingt<br />

zu einer Adoleszenzkrise zu führen. Die meisten Jugendlichen sind mit ihrem<br />

Status sehr zufrieden. 12<br />

Das persönliche Leistungsvermögen, der familiäre Rückhalt und die sozialstrukturellen<br />

Bedingungen sind beim Einzelnen höchst unterschiedlich. Er muss jedoch<br />

einen sozial akzeptablen Weg suchen, gesetzeskonform seine individuellen psychischen,<br />

physiologischen und intellektuellen Fähigkeiten seinem Leistungsvermögen<br />

entsprechend auf dem Weg in das Erwachsensein einzusetzen.<br />

Das Ende der Jugendphase ist somit offen, kann mit Einstieg in das Beschäftigungssystem<br />

und Aufbau einer stabilen Partnerbeziehung bis zum Alter <strong>von</strong> 21<br />

oder sogar bis zu 30 Jahren dauern. 13<br />

1.2 Jugendkriminalität – Definition und Beschreibung<br />

1.2.1 Definition<br />

Der Begriff „Kriminalität“ umfasst die Summe aller mit Strafe bedrohten Handlungen<br />

in einer bestimmten Zeit und in einem bestimmten Gebiet.<br />

Das deutsche Strafrecht kennt keine Straftatbestände, die besonders auf Jugendliche<br />

ausgerichtet sind. Zwar werden einige Delikte, wie Graffiti-Sprayen,<br />

Vandalismus, „Abziehen“, Konsum <strong>von</strong> Drogen insbesondere <strong>von</strong> jungen Menschen<br />

begangen, finden ihre strafrechtliche Entsprechung aber in den Normen<br />

Sachbeschädigung, Raub bzw. räuberische Erpressung und Verstöße gegen des<br />

Betäubungsmittelgesetz.<br />

Der Begriff Jugendkriminalität setzt zunächst voraus, dass das abweichende<br />

Verhalten junger Menschen unter einen allgemeinen Straftatbestand subsumiert<br />

werden kann und letztlich zur Anzeige bei den Strafverfolgungsbehörden gelangt.<br />

Die Unterscheidung findet in der Sanktionierung statt. Das Jugendstrafrecht<br />

verfügt über ein geschlossenes eigenes Sanktionssystem, das bevorzugt auf erzieherische<br />

Maßnahmen ausgerichtet ist.<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

„Wegen der – teilweisen – Abkoppelung <strong>von</strong> Strafen, jedoch der gleichzeitigen<br />

Anbindung an die strafrechtlichen Deliktstatbestände spricht man auch <strong>von</strong> dem<br />

Jugendkriminalrecht.“ 14<br />

Es weist dadurch eine enge Verknüpfung mit dem Jugendhilferecht, dem Sozialrecht<br />

und teilweise mit dem Ausländerrecht auf.<br />

Da die Bezeichnung „Jugend“ <strong>von</strong> der Beschreibung spezifischer Persönlichkeitsmerkmale<br />

ausgeht, müssen diese in die Definition der Jugendkriminalität einfließen.<br />

Kerner beschreibt in dem Lehr- und Studienbrief „Jugendkriminalität“ 15 ,<br />

wesentliche historische Eckpfeiler der Entwicklung des Jugendkriminalrechts.<br />

Hier wird das Bemühen deutlich, in die jugendstrafrechtliche Betrachtung die<br />

12 Befragungsergebnis <strong>von</strong> Endephols 1995, S. 377 ff.<br />

13 Joas 2007, S. 172.<br />

14 Walter 2005, S. 27.<br />

15 Kerner 1996, S. 8 ff.<br />

12


Definition<br />

Besonderheiten des jugendlichen Rechtsbrechers einfließen zu lassen und neben<br />

der Tat vor allem die Täterpersönlichkeit zu berücksichtigen.<br />

Kreuzer führt dazu aus: „Gerade in dieser Altersstufe (14 bis 21, der Verf.) muss es<br />

darum gehen, junge Menschen behutsam an die Strafrechtsordnung für Erwachsene<br />

heranzuführen, den Übergang in die volle strafrechtliche Verantwortlichkeit<br />

gleitend zu gestalten, Erziehung an die Stelle des Strafens treten zu lassen oder<br />

mit diesem bestmöglich zu verbinden. Die Verquickung vorrangig jugendhilferechtlicher<br />

mit strafenden Bestandteilen in Verfahren und Rechtsfolgen hat sich<br />

bewährt.“ 16<br />

Die Definition des Jugendalters durch Altersgrenzen ist rechtlich geboten, aber<br />

sie gibt nicht ausreichend Antwort auf die Frage nach der Entwicklungsreife der<br />

Person.<br />

So kann zum Beispiel das „Alter der Person“ vom eigentlichen „Lebensalter“ erheblich<br />

abweichen, da der Prozess der biologischen Entwicklung des Menschen<br />

individuell verschieden abläuft.<br />

Diese Betrachtungsweise führte zu abgestuften juristischen Reaktionsmöglichkeiten<br />

auf Kinder- und Jugenddelinquenz.<br />

Eine untere Altersbegrenzung findet die Jugendkriminalität mit der Regelung des<br />

§ 19 Strafgesetzbuch (StGB): „Schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch<br />

nicht vierzehn Jahre alt ist.“<br />

Des Weiteren verweist das StGB mit § 10 auf Sondervorschriften für Jugendliche<br />

und Heranwachsende. Diese Sondervorschriften sind im Jugendgerichtsgesetz<br />

(JGG) als Spezialgesetz hinsichtlich der Rechtsfolgen und einiger Voraussetzungen<br />

bezüglich der Schuldfähigkeit verankert.<br />

Gemäß den §§ 1, 3 und 105 JGG sind strafrechtlich folgende Altersgruppen zu<br />

unterscheiden:<br />

14 bis unter 18 Jahre: Jugendliche,<br />

18 bis unter 21 Jahre: Heranwachsende.<br />

(Siehe auch die Ausführungen zu Kapitel IV, Jugendstrafverfahren.)<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

Streng genommen dürfte sich der Begriff Jugendkriminalität nur auf die Gesamtheit<br />

der jungen Menschen im Altersbereich zwischen 14 bis unter 18 Jahren<br />

beziehen. Das Jugendgerichtsgesetz lässt durch § 105 aber die Anwendung des<br />

Jugendstrafrechts unter bestimmten Voraussetzungen auch für Heranwachsende<br />

zu. Jugendkriminalität im engeren Sinne bezieht sich somit auf alle strafbaren<br />

Handlungen der 14- bis unter 18-Jährigen. In Statistiken und Analysen zur Jugendkriminalität<br />

werden die Heranwachsenden mit einbezogen, da deren Straftaten<br />

häufig als Jugendverfehlungen bewertet werden.<br />

Kinder und Jugendliche bis unter 18 Jahre gelten als Minderjährige. Ab dem<br />

vollendeten 18. Lebensjahr gilt die Volljährigkeit, Deliktsfähigkeit und volle Geschäftsfähigkeit<br />

(§§ 2, 828 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 3 JGG).<br />

Bei der <strong>Bearbeitung</strong> <strong>von</strong> <strong>Jugendsachen</strong> ist die strafrechtliche Verantwortungsreife<br />

(§ 3 JGG) der Jugendlichen zu prüfen und festzustellen, ob in der Tat schädliche<br />

Neigungen hervorgetreten sind (§ 17 JGG).<br />

16 Kreuzer 2008, S. 124.<br />

13


Jugend – eine demographische, soziale und rechtliche Kategorie<br />

Bei Heranwachsenden findet das Jugendstrafrecht gem. § 105 JGG Anwendung,<br />

wenn<br />

„ 1. die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch<br />

der Umweltbedingungen ergibt, dass er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen<br />

und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleich stand oder<br />

2. es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine<br />

Jugendverfehlung handelt.“<br />

(Weitergehende Ausführungen enthält Kapitel IV, Jugendstrafverfahren, Ziff.<br />

4.1.1.1, Besonderheiten im Strafermittlungsverfahren).<br />

Obwohl Kinder nicht strafmündig sind, ist es aufgrund der unterschiedlichen<br />

Persönlichkeitsentwicklungen junger Menschen erforderlich, die Begehung <strong>von</strong><br />

Straftaten durch Kinder, soweit sie überhaupt in der Polizeilichen Kriminalstatistik<br />

erscheinen können, mit zu analysieren. Zweckmäßigerweise beziehen sich<br />

polizeiliche Analysen immer komplex auf Kinder- und Jugenddelinquenz.<br />

1.2.2 Struktur und Bewegung der Jugendkriminalität<br />

Wirksame Kontrolle der Jugendkriminalität bedarf der Kenntnis ihrer Quantität<br />

und Qualität.<br />

Aussagen zur Kinder- und Jugenddelinquenz sind jedoch insofern problematisch,<br />

als einerseits gerade in diesem Bereich das Dunkelfeld sehr hoch ist.<br />

Andererseits begehen Kinder und Jugendliche bevorzugt Straftaten, die der Straßenkriminalität<br />

angehören, d.h. in einem für die Polizei leicht zugänglichen öffentlichen<br />

Raum. Junge Menschen sind, soweit sie erstmalig Straftaten begehen, eher<br />

geständig und einfacher zu überführen. Steigende Aufklärung kann demzufolge<br />

einen Anstieg gerade im Bereich der registrierten Kinder- und Jugenddelinquenz<br />

bewirken, zumal höhere Aufklärungsquoten insbesondere bei Ladendiebstahl und<br />

gefährlichen sowie schweren Körperverletzungen zu verzeichnen sind, Straftaten,<br />

die durch Täter aus diesem Altersbereich dominiert werden.<br />

Die neunziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts waren <strong>von</strong> einem deutlichen<br />

Anstieg der durch Kinder, Jugendliche und Heranwachsende begangenen Straftaten<br />

gekennzeichnet.<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

Während die Tatverdächtigenbelastungszahlen (TVBZ) bei den Erwachsenen seit<br />

1984 fast konstant geblieben sind, stiegen die der jungen Menschen in allen drei<br />

Altersbereichen seit 1990 stark an.<br />

So betrug die TVBZ im Jahr 1987 für die deutschen Kinder 1 185,8, erreichte im<br />

Jahr 1998 mit 2 416,9 ihren Höhepunkt und sank allmählich bis zum Jahr 2008<br />

auf 1 878,5 ab. Bei den deutschen Jugendlichen lag die TVBZ 1987 bei 3 476,9,<br />

stieg abgesehen <strong>von</strong> leichten Schwankungen bis zum Jahr 2001 auf 7 416,3 an. Seit<br />

dem sinkt sie ungleichmäßig und erreichte im Jahr 2008 den Wert 6 972,8. Die<br />

deutschen Heranwachsenden verzeichneten im Jahr 1987 eine TVBZ <strong>von</strong> 4 227,9.<br />

Diese steigerte sich bis zum Jahr 2004 auf 7 921,2. Danach setzte eine Rückläufigkeit<br />

ein. Im Jahr 2008 betrug die TVBZ der Heranwachsenden 7 362,1. 17 Für die<br />

Erwachsenen wurde im Jahr 2008 eine TVBZ <strong>von</strong> 2 159,7 registriert.<br />

17 Bka.de: Zeitreihen Tatverdächtigenbelastung. Wiesbaden 2009.<br />

14


Struktur und Bewegung der Jugendkriminalität<br />

Der Verlauf der Tatverdächtigenbelastungszahlen Jugendlicher und Heranwachsender<br />

zeigt bei den Diebstahlsdelikten seit Ende der neunziger Jahre einen<br />

deutlich rückläufigen Trend. Bei den Drogendelikten ist für die Heranwachsenden<br />

eine starke Steigerung zu erkennen. Jugendliche und Heranwachsende weisen<br />

nach wie vor steigende Tendenzen bei Körperverletzungsdelikten, vor allem im<br />

Bereich der Gewaltkriminalität (schwere und gefährliche Körperverletzungen)<br />

auf. Dunkelfeldforschungen hatten zum Ergebnis, dass die Statistik offensichtlich<br />

aufgrund erhöhter Anzeigenbereitschaft eine Zunahme der Gewaltkriminalität<br />

signalisiert, die eine stärkere Aufhellung des Dunkelfeldes darstellt und nicht<br />

einen tatsächlichen Anstieg <strong>von</strong> Gewalt beinhaltet.<br />

Für langfristige Entwicklungen der Tatverdächtigenbelastungszahlen spielen<br />

unter anderem demografische Entwicklungen eine Rolle.<br />

Kinder- und Jugenddelinquenz ist überwiegend männlich. Der Anteil der weiblichen<br />

Tatverdächtigen ist bei den Kindern mit 28,7 % und den Jugendlichen mit 28,8 %<br />

im Jahre 2008 deutlich höher als bei den Heranwachsenden mit 21,2 % (bei den<br />

Erwachsenen liegt er bei 24,4 %).<br />

Im Jahr 2008 betrug der Anteil der tatverdächtigen Kinder, Jugendlichen und<br />

Heranwachsenden an der Gesamtzahl der Tatverdächtigen 26,8 %. Im Jahre 2001<br />

bezifferte sich dieser Anteil noch auf 30 %, wobei sich die Gesamtzahl der Tatverdächtigen<br />

<strong>von</strong> 2007 zu 2008 um 1,7 % verringerte (2 255 693).<br />

Tatverdächtige der Altersgruppen bei Tatverdächtigen insgesamt<br />

Jugendliche 11,8 %<br />

Heranwachsende 10,5 %<br />

Kinder 4,5 %<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Erwachsene 73,2 %<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

Abbildung 1: Tatverdächtige der Altersgruppen bei Tatverdächtigen insgesamt<br />

Quelle: Bundesministerium des Innern: Polizeiliche Kriminalstatistik 2008, S. 32<br />

Bei Betrachtung im mittelfristigen Vergleich ist in allen drei Altersgruppen in den<br />

letzten vier Jahren eine rückläufige Tendenz erkennbar.<br />

Im Jahr 2008 betrug der Anteil der Kinder an den Tatverdächtigen 4,5 % (101 389).<br />

Bei Kindern dominiert eindeutig der Ladendiebstahl, der im Jahr 2008 einen<br />

Anteil <strong>von</strong> 40,6 % (deutsche Kinder) aufwies.<br />

54,7 % der durch tatverdächtige Kinder begangenen Straftaten beziehen sich auf<br />

Diebstahlsdelikte.<br />

15


Jugend – eine demographische, soziale und rechtliche Kategorie<br />

PKS Berichtsjahr 2007<br />

Tatverdächtige ‚Alters- und Geschlechtsstruktur‘<br />

PKS Berichtsjahr 2007<br />

Tatverdächtige ‚Alters- und Geschlechtsstruktur‘ 75<br />

An zweiter und dritter Stelle der Häufigkeit befinden sich laut Statistik bei tatverdächtigen<br />

G11 Kindern Sachbeschädigungen und Körperverletzungsdelikte.<br />

75<br />

Entwicklung tatverdächtiger Kinder<br />

G11<br />

Entwicklung<br />

Entwicklung<br />

tatverdächtiger<br />

tatverdächtiger<br />

Kinder<br />

Kinder<br />

160 000<br />

Anzahl<br />

150 000<br />

160 000<br />

140 000<br />

150 000<br />

130 000<br />

140 000<br />

120 000<br />

130 000<br />

110 000<br />

120 000<br />

100 000<br />

110 000<br />

90 000<br />

100 000<br />

80 000<br />

90 000<br />

70 000<br />

80 000<br />

60 000<br />

70 000<br />

50 000<br />

60 000<br />

40 000<br />

50 000<br />

30 000<br />

40 000<br />

20 000<br />

30 000<br />

10 000<br />

20 000<br />

0<br />

10 000<br />

0<br />

1984-1990 alte Länder; 1991-1992 alte Länder mit Gesamt-Berlin; ab 1993 Bundesgebiet insgesamt<br />

16<br />

Anzahl<br />

<strong>Leseprobe</strong>2008<br />

1984<br />

1985<br />

1986<br />

1987<br />

1988<br />

1989<br />

1990<br />

1991<br />

1992<br />

1993<br />

1994<br />

1995<br />

1996<br />

1997<br />

1998<br />

1999<br />

2000<br />

2001<br />

2002<br />

2003<br />

2004<br />

2005<br />

2006<br />

2007<br />

1984<br />

1985<br />

1986<br />

1987<br />

1988<br />

1989<br />

1990<br />

1991<br />

1992<br />

1993<br />

1994<br />

1995<br />

1996<br />

1997<br />

1998<br />

1999<br />

2000<br />

2001<br />

2002<br />

2003<br />

2004<br />

2005<br />

2006<br />

2007<br />

insgesamt<br />

deutsche insgesamt<br />

nichtdeutsche<br />

nichtdeutsche<br />

1984-1990 alte Länder; 1991-1992 alte Länder mit Gesamt-Berlin; ab 1993 Bundesgebiet insgesamt<br />

Abbildung Entwicklung 2: Entwicklung tatverdächtiger tatverdächtiger Kinder in Kinder einzelnen Deliktsbereichen<br />

Quelle: Bereich:<br />

Entwicklung Bundeskriminalamt: Bundesgebiet<br />

tatverdächtiger<br />

insgesamt Polizeiliche Kinder Kriminalstatistik in einzelnen Deliktsbereichen<br />

2007, S. 75 mit der Ergänzung aus der Polizeilichen<br />

T35 Bereich:<br />

Kriminalstatistik 2008 (Bundesministerium des Innern), S. 11<br />

Bundesgebiet insgesamt<br />

Schlüs- Straftaten(gruppe)<br />

deutsche Kinder Veränderung nichtdeutsche Kinder Veränderung<br />

Der T35<br />

sel<br />

Anteil der Jugendlichen<br />

2007<br />

an den<br />

2006<br />

Tatverdächtigen<br />

absolut in %<br />

insgesamt<br />

2007 2006im Jahr<br />

absolut<br />

2008<br />

in %<br />

Schlüs- Straftaten(gruppe)<br />

deutsche Kinder Veränderung nichtdeutsche Kinder Veränderung<br />

betrug ---- 11,8 Straftaten % (265 insgesamt 771) und weist 84 361 damit 82 931 wie <strong>von</strong> 1 430 20061,7 zu 2007 17 651eine 17 sinkende 556 95Ten-<br />

denz 6740 auf Sachbeschädigung (- 4,2 % gegenüber dem 17 801 Vorjahr). 15 613 2 188 14,0 2 583 2 197 386 17,6<br />

0,5<br />

sel 2007 2006 absolut in % 2007 2006 absolut in %<br />

---- Straftaten insgesamt 84 361 82 931 1 430 1,7 17 651 17 556 95 0,5<br />

2240 (Vorsätzliche leichte)<br />

8 411 7 417 994 13,4 2 301 2 094 207 9,9<br />

Bei den 6740<br />

Körperverletzung<br />

Jugendlichen Sachbeschädigung bilden 17 2008 801 die 15 613 Eigentumsdelikte 2 188 14,0 2 den 583 höchsten 2 197 Anteil 386 17,6<br />

2240 (Vorsätzliche leichte)<br />

8 411 7 417 994 13,4 2 301 2 094 207 9,9<br />

(42,4 2220 %), Gefährliche insbesondere und schwere Ladendiebstähle 7 114 6 432 (22,9 %), 682 und 10,6 die 2 Körperverletzungsdelikten<br />

(24,4 Körperverletzung %).<br />

272 2 163 109 5,0<br />

Körperverletzung<br />

2220 Gefährliche und schwere 7 114 6 432 682 10,6 2 272 2 163 109 5,0<br />

4*** "schwerer" Diebstahl 5 501 5 167 334 6,5 1 171 1 164 7 0,6<br />

Erfreulicherweise 6730 Beleidigung<br />

Körperverletzung setzte sich der 2 953 Anstieg 2 620 der Gewaltkriminalität 333 12,7 644 Jugendlicher 574 70 im 12,2<br />

4*** "schwerer" Diebstahl 5 501 5 167 334 6,5 1 171 1 164 7 0,6<br />

Jahre 64002008 Brandstiftung nicht fort (- 5,9 %). 1 674 1 722 -48 -2,8 155 161 -6 -3,7<br />

6730 Beleidigung 2 953 2 620 333 12,7 644 574 70 12,2<br />

7300 Rauschgiftdelikte BtMG 528 678 -150 -22,1 53 65 -12 -18,5<br />

Die Rangfolge 6400 Brandstiftung ist bei den nichtdeutschen 1 674 1 722 Jugendlichen -48 -2,8 ebenso, 155 allerdings 161 liegen -6 -3,7<br />

*26* Ladendiebstahl insges. 33 786 36 587 -2 801 -7,7 6 707 7 272 -565 -7,8<br />

sie mit 7300einem Rauschgiftdelikte Anteil <strong>von</strong> BtMG29,2 % (2007) 528 bei 678der Gewaltkriminalität -150 -22,1 53 höher 65 als -12 ihre -18,5<br />

Der *26* starke Ladendiebstahl Anstieg der Anzahl insges. tatverdächtiger 33 786 Kinder 36 587 seit 1993 -2 801 hat sich -7,7 zwischen 6 70719997 und 272 2006 -565 nicht mehr -7,8<br />

deutschen Altersgenossen. (Eine differenzierte Aussage zur Gewaltkriminalität<br />

fortgesetzt. Ihre Zahl stieg 2007 gegenüber 2006 wieder leicht an, und zwar um 1,5 Prozent (2006: -2,6 %,<br />

erfolgt Der starke in 2.3.1) Anstieg der Anzahl tatverdächtiger Kinder seit 1993 hat sich zwischen 1999 und 2006 nicht mehr<br />

2005: -10,9 %, 2004: -8,4 %): Die Anzahl der tatverdächtigen deutschen Kinder nahm um 1,7 Prozent und<br />

fortgesetzt. Ihre Zahl stieg 2007 gegenüber 2006 wieder leicht an, und zwar um 1,5 Prozent (2006: -2,6 %,<br />

16,9 die der nichtdeutschen um 0,5 Prozent zu.<br />

2005: % der -10,9 tatverdächtigen %, 2004: -8,4 %): Jugendlichen Die Anzahl der tatverdächtigen besaßen im deutschen Jahr 2008 Kinder nicht nahm die um deutsche 1,7 Prozent und<br />

Staatsangehörigkeit Der Anstieg der registrierten Kinderdelinquenz betraf vor allem die Sachbeschädigung und die Körperverletzung.<br />

Bei den tatverdächtigen Kindern dominiert der Ladendiebstahl eindeutig. Hier wurde bei den tatver-<br />

die der nichtdeutschen um (- 2,5 0,5 Prozent zum Vorjahr). zu.<br />

Der Anstieg der registrierten Kinderdelinquenz betraf vor allem die Sachbeschädigung und die Körperverletzung.<br />

Bei den tatverdächtigen Kindern dominiert der Ladendiebstahl eindeutig. Hier wurde bei den tatver-<br />

Gegenüber dächtigen deutschen dem Vorjahr Kindern allerdings zeichnet ein sich Rückgang bei den um 7,7 Tatverdächtigenzahlen Prozent, bei den nichtdeutschen deutscher ein Rückgang<br />

und <strong>von</strong> 7,8 Prozent registriert. Bei Ladendiebstahl wird die Entwicklung der ermittelten Tatverdächtigen vom<br />

dächtigen nichtdeutscher deutschen Kindern Jugendlicher allerdings ein ein Rückgang Rückgang um 7,7 im Prozent, Bereich bei der den nichtdeutschen Rauschgiftdelikte ein Rückgang<br />

(- Kontroll- 7,1 und Anzeigeverhalten im Einzelhandel beeinflusst.<br />

<strong>von</strong> %) 7,8 ab. Prozent Nichtdeutsche registriert. Bei tatverdächtige Ladendiebstahl wird Jugendliche die Entwicklung weisen der ermittelten bei den Tatverdächtigen Rohheitsdelikten<br />

Kontroll- und den Anzeigeverhalten Straftaten im gegen Einzelhandel die persönliche beeinflusst. Freiheit (35 %), bei leichtem<br />

vom<br />

Diebstahl (33,3 %) und bei Körperverletzungsdelikten (28,6 %) höhere Anteile als<br />

die deutschen Jugendlichen auf. Die Gruppe der nichtdeutschen tatverdächtigen<br />

Jugendlichen war mit einem fast gleich hohen Anteil wie die der deutschen am Ladendiebstahl<br />

beteiligt (22,2 %). Allerdings handelt es sich hier um Kontrolldelikte,<br />

deren Anzahl wesentlich <strong>von</strong> den Aktivitäten der Kriminalitätskontrolle abhängt.


20051997 284 450 292 518-4,3 5,4 12,3 12,9 236 042 230 469 -4,3 13,2 5,6 4814,1 408 62 -4,0049 17,0 4,9 9,321,2 9,8<br />

20061998 278 447 302 413-2,1 3,4 12,2 13,0 232 736 240 400 -1,4 13,1 4,3 4514,2 711 62 -5,6013 16,4-0,1 9,120,5 9,9<br />

2007 277 447 -0,4 12,1 231 419 -0,6 12,8 46 028 0,7 16,6 9,4<br />

1999 296 781 -1,9 13,1 237 909 -1,0 14,3 58 872 -5,1 19,8 9,8<br />

2000 294 467 -0,8<br />

Struktur<br />

12,9<br />

und Bewegung<br />

238 990<br />

der Jugendkriminalität<br />

0,5 14,1 55 477 -5,8 18,8 9,4<br />

2001 Tatverdächtige 298 983‚Alters- und 1,5 Geschlechtsstruktur‘ 13,1 245 746 2,8 14,4 53 237 PKS -4,0 Berichtsjahr 17,8 2007 9,4<br />

2002 78 297 881 -0,4 12,8 246 643 0,4 14,0 51 238 -3,8 17,2 9,0<br />

G122003 293 907 -1,3 12,5 244 098 -1,0 13,6 49 809 -2,8 16,9 9,0<br />

2004 297 087 1,1 12,5 246 679 1,1 13,4 50 408 1,2 17,0 9,2<br />

G13 Entwicklung tatverdächtiger Jugendlicher<br />

2005 Entwicklung 284 450 -4,3 12,3 236 042 -4,3 13,2 48 408 -4,0 17,0 9,3<br />

Entwicklung tatverdächtiger tatverdächtiger Jugendlicher Heranwachsender<br />

2006 278 447<br />

Anzahl<br />

-2,1 12,2 232 736 -1,4 13,1 45 711 -5,6 16,4 9,1<br />

2007 277 447 -0,4 12,1 231 419 -0,6 12,8 46 028 insgesamt 0,7 16,6 9,4<br />

320 000<br />

Anzahl<br />

300 000<br />

deutsche<br />

insgesamt<br />

280 000<br />

255 000<br />

nichtdeutsche<br />

240 000<br />

deutsche<br />

260 000<br />

225 000<br />

240 000<br />

nichtdeutsche<br />

210 000<br />

220 000 G12<br />

195 000<br />

200 000<br />

180 000 Entwicklung tatverdächtiger Jugendlicher<br />

180 000<br />

165 000<br />

160 000<br />

Anzahl 150 000<br />

140 000<br />

135 000<br />

insgesamt<br />

120 000<br />

320 000<br />

120 000<br />

300 000<br />

deutsche<br />

100 000<br />

105 000<br />

80 000 280 000 90 000<br />

nichtdeutsche<br />

60 000 260 000 75 000<br />

40 000 240 000 60 000<br />

20 000 220 000 45 000<br />

0 30 000<br />

200 000<br />

15 000<br />

180 000<br />

0<br />

1984-1990 160 000 alte Länder; 1991-1992 alte Länder mit Gesamt-Berlin; ab 1993 Bundesgebiet insgesamt<br />

140 000<br />

Abbildung 120 000 3: Entwicklung 1984-1990 alte Länder; tatverdächtiger 1991-1992 alte Länder Jugendlicher<br />

mit Gesamt-Berlin; ab 1993 Bundesgebiet insgesamt<br />

Quelle: 100 Bundeskriminalamt: 000<br />

Polizeiliche Kriminalstatistik 2007, S. 77 mit der Ergänzung aus der Polizeilichen<br />

80 000 Entwicklung Kriminalstatistik tatverdächtiger 2008 (Bundesministerium Heranwachsender in des einzelnen Innern), Deliktsbereichen<br />

S. 11 -12<br />

60 000 Bereich: Bundesgebiet insgesamt<br />

Heranwachsende 40 T39 000<br />

wiesen im Jahr 2008 einen Anteil <strong>von</strong> 10,5 % an den Tatverdächtigen<br />

20 000<br />

deutsche<br />

nichtdeutsche<br />

insgesamt auf (237 190). Dieser hat damit gegenüber dem Vorjahr um<br />

Schlüs- Straftaten(gruppe)<br />

Heranwachsende Veränderung Heranwachsende Veränderung<br />

0<br />

2,3 Tatverdächtige % abgenommen, sel ‚Alters- und Geschlechtsstruktur‘ nachdem 2007 im Jahr 20062007 absolut gegenüber in % 2007 den zwei PKS 2006 Berichtsjahr Vorjahren absolut 2007 in mit %<br />

rückläufiger 78 ---- Straftaten<br />

Tendenz,<br />

insgesamt<br />

eine leichte 198 778Steigerung 196 710 2 068 aufgetreten 1,1 44 100 war. Heranwachsende<br />

45 115 -1 015 -2,2<br />

Tatverdächtige 2200 Körperverletzung ‚Alters- und insges. Geschlechtsstruktur‘ 50 270 47 877 2 393 5,0 9 788 9 PKS 510Berichtsjahr 278 2007 2,9<br />

sind 1984-1990 vor allem alte Länder; tatverdächtig 1991-1992 alte Länder bei mit Gesamt-Berlin; Diebstahl ab 1993 <strong>von</strong> Bundesgebiet Mopeds insgesamt<br />

78<br />

und Krafträdern (20,5 %),<br />

G13<br />

6740 Sachbeschädigung 28 015 26 849 1 166 4,3 2 529 2 434 95 3,9<br />

Rauschgiftdelikten 4*** "schwerer" Diebstahl (18,2 %) und 17 380 gef. und 16 385schwere 995 Körperverletzungen 6,1 3 789 3 676 (16,7 113 %). 3,1<br />

Entwicklung tatverdächtiger Heranwachsender<br />

18<br />

G13 2323 Bedrohung 7 278 6 638 640 9,6 1 541 1 448 93 6,4<br />

5400<br />

Anzahl<br />

Entwicklung Urkundenfälschung Entwicklung tatverdächtiger 3 118 tatverdächtiger 2 Heranwachsender<br />

686 432 Heranwachsender<br />

16,1 1 391 1 531 -140 -9,1<br />

*26* Ladendiebstahl insges. 15 491 16 932 -1 441 -8,5 4 978 5 473<br />

insgesamt<br />

-495 -9,0<br />

255 000 7300 Anzahl Rauschgiftdelikte BtMG 34 178 37 280 -3 102 -8,3 6 026 6 450 -424 -6,6<br />

240 000<br />

deutsche<br />

7318 -Cannabis und<br />

26 689 29 315 -2 626 -9,0 4 961 5 272 insgesamt -311 -5,9<br />

225 000 255 000<br />

+7328 Zubereitungen<br />

nichtdeutsche<br />

210 000 240 000<br />

deutsche<br />

+7338<br />

195 000 225 000<br />

nichtdeutsche<br />

180 000 210 000<br />

Nach<br />

165 000<br />

195 000leichten Rückgängen 2005 und 2006 ist die Anzahl deutscher tatverdächtiger Heranwachsender 2007<br />

150 000angestiegen. 180 Bei den nichtdeutschen setzte sich der Rückgang der Vorjahre fort. Bei den deutschen tatver-<br />

165 Heranwachsenden wurden Anstiege unter anderem in den Deliktsbereichen Körperverletzung ins-<br />

135 000dächtigen<br />

120 000gesamt, 150 Sachbeschädigung und „schwerem“ Diebstahl registriert. Starke Rückgänge gab es sowohl bei den<br />

105 000deutschen 135 als auch bei den nichtdeutschen tatverdächtigen Heranwachsenden bei Rauschgiftdelikten i.Z.m.<br />

90 000Cannabis 120 und Zubereitungen sowie beim Ladendiebstahl insgesamt.<br />

105 000<br />

75 000<br />

90 000<br />

60 000<br />

75 000<br />

45 000<br />

60 000<br />

30 000<br />

45 000<br />

15 000<br />

30 000<br />

0<br />

15 000<br />

0<br />

1984-1990 alte Länder; 1991-1992 alte Länder mit Gesamt-Berlin; ab 1993 Bundesgebiet insgesamt<br />

1984-1990 alte Länder; 1991-1992 alte Länder mit Gesamt-Berlin; ab 1993 Bundesgebiet insgesamt<br />

Abbildung Entwicklung 4: Entwicklung tatverdächtiger tatverdächtiger Heranwachsender Heranwachsender<br />

in einzelnen Deliktsbereichen<br />

Quelle: Bereich: Bundeskriminalamt: Entwicklung Bundesgebiet tatverdächtiger insgesamt Polizeiliche Heranwachsender Kriminalstatistik in einzelnen 2007, Deliktsbereichen<br />

S. 78 mit der Ergänzung aus der Polizeilichen<br />

T39 Bereich: Kriminalstatistik Bundesgebiet insgesamt 2008 (Bundesministerium des Innern), S. 32<br />

deutsche<br />

nichtdeutsche<br />

18 Schlüs- Bka.de:<br />

T39<br />

Zeitreihen Straftaten(gruppe) Aufgliederung der Heranwachsende Tatverdächtigen, Wiesbaden Veränderung 2009.<br />

deutsche<br />

Heranwachsende<br />

nichtdeutsche<br />

Veränderung<br />

sel Schlüs- Straftaten(gruppe) 2007 Heranwachsende 2006 absolut Veränderung in % 2007 Heranwachsende 2006 absolut Veränderung in %<br />

---- Straftaten sel insgesamt 198 7782007 196 7102006 2 068absolut 1,1 in % 44 100 2007 45 115 2006 -1 015 absolut -2,2 in %<br />

17<br />

2200 Körperverletzung ---- Straftaten insgesamt insges. 50 270 198 77847 877 196 7102 393 2 0685,0 1,1 9 788 44 100 9 510 45 115 278 -1 0152,9<br />

-2,2<br />

6740 Sachbeschädigung 2200 Körperverletzung insges. 28 01550 27026 84947 8771 166 2 3934,3 5,0 2 5299 788 2 4349 510 95 2783,9<br />

2,9<br />

4*** "schwerer" 6740 Sachbeschädigung Diebstahl 17 38028 01516 38526 849 995 1 166,1 4,3 3 7892 529 3 6762 434 113 953,1<br />

3,9<br />

2323 Bedrohung 4*** "schwerer" Diebstahl 7 27817 3806 63816 385 640 9959,6 6,1 1 5413 789 1 4483 676 93 1136,4<br />

3,1<br />

5400 Urkundenfälschung 2323 Bedrohung 3 118 7 2782 686 6 638 432 640 16,1 9,6 1 3911 541 1 5311 448 -140 93-9,1<br />

6,4<br />

1984<br />

1985<br />

1986<br />

1987<br />

1988<br />

1989<br />

1990<br />

1991<br />

1992<br />

1993<br />

1994<br />

1995<br />

1996<br />

1997<br />

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2000<br />

2001<br />

2002<br />

2003<br />

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2008<br />

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1993<br />

1994<br />

1995<br />

1996<br />

1997<br />

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2000<br />

2001<br />

2002<br />

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2007<br />

1984<br />

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2002<br />

2003<br />

2004<br />

2005<br />

2006<br />

2007<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

1984<br />

1985<br />

1986<br />

1987<br />

1988<br />

1989<br />

1990<br />

1991<br />

1992<br />

1993<br />

1994<br />

1995<br />

1996<br />

1997<br />

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2000<br />

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2004<br />

2005<br />

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2008<br />

1984<br />

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1990<br />

1991<br />

1992<br />

1993<br />

1994<br />

1995<br />

1996<br />

1997<br />

1998<br />

1999<br />

2000<br />

2001<br />

2002<br />

2003<br />

2004<br />

2005<br />

2006<br />

2007


Jugend – eine demographische, soziale und rechtliche Kategorie<br />

Die tatsächliche Belastung <strong>von</strong> in Deutschland lebenden Nichtdeutschen ist im<br />

Vergleich zu den Deutschen kaum bestimmbar, da hierzu ein doppeltes Dunkelfeld<br />

besteht und die nichtdeutschen Tatverdächtigen einen hohen Anteil ausländerspezifischer<br />

Delikten begehen sowie in der Alters-, Geschlechts- und Sozialstruktur<br />

Unterschiede zu deutschen Tatverdächtigen aufweisen.<br />

So bereitet auch die Bewertung der Belastung bei den nichtdeutschen Kindern,<br />

Jugendlichen und Heranwachsenden Schwierigkeiten.<br />

Ein Auszug aus der PKS Berlin (2005) verdeutlicht eine höhere Belastung bei<br />

den genannten Altersgruppen <strong>von</strong> nichtdeutschen Tatverdächtigen: „Während<br />

im Jahr 2005 annähernd jeder achte männliche deutsche Jugendliche mit einer<br />

Straftat in Erscheinung trat, war dies bei männlichen nichtdeutschen Jugendlichen<br />

fast jeder dritte. Männliche nichtdeutsche Jugendliche traten, bezogen auf<br />

ihren Bevölkerungsanteil, insgesamt 2,3mal so oft in Erscheinung wie männliche<br />

deutsche Jugendliche.“ 19<br />

Bei Gewaltdelikten lag dieser Faktor mit 3,4 noch höher. Allerdings sind bei der<br />

Bewertung die Besonderheiten der Großstadt und der Lebensbedingungen für<br />

nichtdeutsche junge Menschen in Berlin zu berücksichtigen.<br />

1.2.3 Charakterisierung der Jugendkriminalität<br />

Es gehört zu den gesicherten kriminologischen Erkenntnissen, dass Jugenddelinquenz<br />

ubiquitär (allgemein verbreitet) ist. „Nahezu jeder junge Mensch – überwiegend<br />

des männlichen Geschlechts – begeht im Laufe des Heranwachsens eine<br />

oder mehrere strafrechtlich relevante Taten – vor allem aus dem Bereich der<br />

Eigentumsdelikte.“ 20<br />

Nur wenige Straftaten im Bereich der Kinder- und Jugenddelinquenz werden den<br />

formellen Kontrollinstanzen überhaupt bekannt. Auch ohne staatliche Reaktion<br />

verhalten sich viele junge Menschen, die Straftaten begangen haben, nach einiger<br />

Zeit wieder gesetzeskonform. In einer aktuellen Längsschnittstudie wurden die<br />

Entstehung und der Verlauf der Jugendkriminalität im Dunkelfeld untersucht. 21<br />

Die Probanden wurden vom Alter <strong>von</strong> 13 Jahren bis zum Durchschnittsalter <strong>von</strong><br />

20 Jahren im Verlauf <strong>von</strong> bisher acht Jahren (ab 2000) sowohl zu selbst begangenen<br />

Straftaten als auch zu ihren Erfahrungen als Kriminalitätsopfer (Dunkelfeld)<br />

befragt. Es bestätigten sich die drei Grundphänomene <strong>von</strong> Jugenddelinquenz:<br />

Ubiquität, Spontanabbruch sowie die auf einen nur kleinen Anteil konzentrierte<br />

Intensivtäterschaft. „So berichten in Duisburg 71 % der Jungen und 53 % der Mädchen,<br />

zwischen dem 13. und 17. Lebensjahr zumindest schon einmal ein Delikt<br />

begangen zu haben.“ 22<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

Durch diese Dunkelfelduntersuchungen konnte festgestellt werden, dass der<br />

Rückgang bereits im 15. Lebensjahr einsetzt.<br />

Hauptgründe für abweichendes Verhalten sind Abenteuerlust, gruppendynamische<br />

Prozesse, Neugierde und Imponiergehabe.<br />

Aus diesem Grund handelt es sich bei Fehlverhalten <strong>von</strong> Kindern, Jugendlichen<br />

und Heranwachsenden überwiegend um Bagatelldelikte, die sich vor allem in den<br />

19 Jugenddelinquenz in Berlin 2006, S. 15.<br />

20 Hübner/Kerner/Kunath/Planas 1997, S. 27.<br />

21 Boers et al 2009, S. 14 ff.<br />

22 Ebenda, S. 14.<br />

18


Intensivtäter<br />

Bereichen Eigentum, geringfügige Gewalt und Drogen bewegen. Insofern werden<br />

diese Kriminalitätsbereiche häufig als jugendgemäße Form des Auslotens <strong>von</strong><br />

Verhaltensgrenzen angesehen. Allerdings besteht grundsätzlich die Erwartung<br />

an einen über 14-Jährigen, dass er das Unrecht seiner Tat erkennen und danach<br />

handeln kann.<br />

Im Hell- und Dunkelfeld kommen schwere Delikte junger Menschen nur im geringen<br />

Ausmaß vor.<br />

Verglichen mit der Erwachsenenkriminalität wiegt die Jugenddelinquenz nach<br />

Begehungsweisen und Schadensfolgen weniger schwer. Die Straftaten entstehen<br />

meistens spontan, ungeplant und impulsiv.<br />

Junge Menschen verfolgen mit ihren Straftaten überwiegend keine wirtschaftlichen<br />

Zwecke, sondern ihre Motive sind im Statussymbol, der gruppeninternen<br />

Anerkennung sowie der Ansehenserlangung unter Gleichaltrigen zu finden.<br />

„Der Grad der Verfügbarkeit über geeignete Statusgüter der Freizeit- und Konsumkultur<br />

(Kleidung, Schmuck, Fahrzeuge, Medienausstattung etc.) spielt dabei<br />

eine wichtige Rolle. Solche Güter nicht oder nur bedingt in die Waagschale des<br />

sozialen Austausches werfen zu können, begründet „Enttäuschungen“, die als<br />

Quelle sozial devianten Verhaltens im Jugendalter angesehen werden müssen.“ 23<br />

Im Hellfeld werden Straftaten in erster Linie <strong>von</strong> jungen Männern begangen. Beinahe<br />

80 % der tatverdächtigen Jugendlichen und Heranwachsenden sind männlich.<br />

Typisch für Gewaltstraftaten der unter 21-Jährigen ist des Weiteren, dass sich<br />

Täter und Opfer weitgehend im selben Altersbereich befinden.<br />

Eine weitere Besonderheit der unter 21-jährigen Tatverdächtigen besteht in der<br />

starken Tendenz, ihre Straftaten aus dem Gruppenverband heraus zu begehen.<br />

Bei Gewaltstraftaten bewirken die gruppendynamischen Prozesse in Einzelfällen<br />

Exzesse der Gewalt, wie sie vor allem bei fremdenfeindlichen Straftaten zu<br />

beobachten sind.<br />

Die überwiegende Mehrheit wird lediglich ein- bis höchstens zweimal polizeilich<br />

auffällig. Eine Minderheit <strong>von</strong> 5 bis 7 % begeht 25 bis 30 % aller amtlich bekannt<br />

gewordenen Jugendstraftaten. 24<br />

2 Täter- und Opferstrukturen, jugendtypische Deliktsfelder<br />

2.1 Täterstrukturen<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

2.1.1 Intensivtäter<br />

Das Bedürfnis, sich den Intensivtätern polizeilich verstärkt zuzuwenden, ergibt<br />

sich aus der Häufigkeit und teilweise auch hohen kriminellen Energie ihres strafrechtlich<br />

relevanten Tätigwerdens.<br />

Der Begriff steht im engen Zusammenhang mit den Kategorien „Rückfalltäter“<br />

und „Mehrfachtäter“.<br />

Der Ausdruck Rückfalltäter ist auf solche Straftäter zugeschnitten, die mehrfach<br />

und in verhältnismäßig knappen Abständen wegen der Verwirklichung <strong>von</strong><br />

23 Hurrelmann 1995, S. 204.<br />

24 Feltes 1995, S. 80.<br />

19

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