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Häusliche Gewalt - Leseprobe

Kaum eine Woche vergeht, in der nicht tödlich verlaufende Gewalttaten zwischen Beziehungspartnern Schlagzeilen machen. In vielen Fällen haben diese Taten eine gewaltbelastete Vorgeschichte – häusliche Gewalt. Aus dem Arbeitsalltag der Polizei ist das Thema nicht wegzudenken. Es stellt gerade im Zusammenhang der Handlungsmaxime „Wer schlägt, der geht“ an das polizeiliche Handeln in Gefahrenabwehr und Strafverfolgung hohe Anforderungen. Der vorliegende Lehr- und Studienbrief vermittelt komprimiert das erforderliche Grundlagenwissen für das polizeiliche Handeln in Fällen häuslicher Gewalt. Im ersten Teil beschreibt er unter Berücksichtigung europäischer, nationaler und länderspezifischer Studien, Statistiken und Daten den aktuellen Wissensstand zum Thema. Er vermittelt kompakt die für die Beurteilung der polizeilichen Lage bedeutsamen Kenntnisse über Art und Ausmaß von häuslicher Gewalt, Schweregrade und Muster, typische Entwicklungsverläufe sowie besondere Risikofaktoren. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten der spezifischen Lebens- und rechtlichen Situation der von häuslicher Gewalt Betroffenen vermittelt der zweite Teil das erforderliche Grundlagenwissen für die Anwendung des gesetzlichen Handlungsrepertoires. Einen Schwerpunkt der Darstellung bilden Aspekte der Gefahrenprognose sowie die Behandlung der zentralen Vorschriften von Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot. Ergänzt werden die Ausführungen mit Hinweisen auf vertiefende Literatur sowie im Anhang durch klausurtypische Fragestellungen mit Lösungsbemerkungen und Fallvarianten.

Kaum eine Woche vergeht, in der nicht tödlich verlaufende Gewalttaten zwischen Beziehungspartnern Schlagzeilen machen. In vielen Fällen haben diese Taten eine gewaltbelastete Vorgeschichte – häusliche Gewalt. Aus dem Arbeitsalltag der Polizei ist das Thema nicht wegzudenken. Es stellt gerade im Zusammenhang der Handlungsmaxime „Wer schlägt, der geht“ an das polizeiliche Handeln in Gefahrenabwehr und Strafverfolgung hohe Anforderungen.

Der vorliegende Lehr- und Studienbrief vermittelt komprimiert das erforderliche Grundlagenwissen für das polizeiliche Handeln in Fällen häuslicher Gewalt. Im ersten Teil beschreibt er unter Berücksichtigung europäischer, nationaler und länderspezifischer Studien, Statistiken und Daten den aktuellen Wissensstand zum Thema. Er vermittelt kompakt die für die Beurteilung der polizeilichen Lage bedeutsamen Kenntnisse über Art und Ausmaß von häuslicher Gewalt, Schweregrade und Muster, typische Entwicklungsverläufe sowie besondere Risikofaktoren.

Unter Berücksichtigung der Besonderheiten der spezifischen Lebens- und rechtlichen Situation der von häuslicher Gewalt Betroffenen vermittelt der zweite Teil das erforderliche Grundlagenwissen für die Anwendung des gesetzlichen Handlungsrepertoires. Einen Schwerpunkt der Darstellung bilden Aspekte der Gefahrenprognose sowie die Behandlung der zentralen Vorschriften von Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot. Ergänzt werden die Ausführungen mit Hinweisen auf vertiefende Literatur sowie im Anhang durch klausurtypische Fragestellungen mit Lösungsbemerkungen und Fallvarianten.

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Gesellschaftliche Wahrnehmung, gesellschaftspolitische Initiativen und staatliches Handeln<br />

Mit der zunehmenden Enttabuisierung und Ächtung von Beziehungsgewalt<br />

und dem wachsenden Bewusstsein um ihre gesellschaftliche Dimension und<br />

schädliche Wirkung begann ein Umdenken. Dies und der Wandel der rechtlichen<br />

Rahmenbedingungen führten Ende der 1990er-Jahre auch zu einer deutlich<br />

veränderten staatlichen Intervention bei häuslicher <strong>Gewalt</strong>. Dies galt zunächst<br />

insbesondere für die Polizei, die bei Einsätzen häuslicher <strong>Gewalt</strong> häufig das Ausmaß<br />

der <strong>Gewalt</strong> und die schwierige Situation der Opfer und betroffener Kinder<br />

erlebte. 32)<br />

Als erster wichtiger Schritt wurde in Nordrhein-Westfalen seit 1996 in allen Fällen<br />

häuslicher <strong>Gewalt</strong> die Strafverfolgung immer von Amts wegen durch Anzeige<br />

der Polizei eingeleitet, unabhängig von dem Strafantrag eines Opfers. 33) Zudem<br />

hat das Innenministerium NRW die Bearbeitung von Strafanzeigen häuslicher<br />

<strong>Gewalt</strong> im „Vereinfachten Verfahren zur Bearbeitung Ausgewählter Delikte“ 34) ,<br />

das eine Äußerung der Verfahrensbeteiligten im schriftlichen Anhörungsverfahren<br />

vorsieht, ausgeschlossen. Ähnliche Regelungen ergingen in anderen Ländern.<br />

Für die Justiz waren die in Fällen häuslicher <strong>Gewalt</strong> anzuwendenden Voraussetzungen<br />

für die Strafverfolgung in den Richtlinien für das Strafverfahren und<br />

das Bußgeldverfahren (RiStBV) geregelt. Danach soll der Verweis auf den Privatklageweg<br />

bei entsprechenden Delikten im öffentlichen Interesse unterbleiben<br />

bzw. bei Körperverletzungsdelikten ein besonderes öffentliches Interesse an der<br />

Strafverfolgung auch ohne Strafantrag bestehen, wenn der verletzten Person<br />

aufgrund ihrer persönlichen Beziehung zum Täter nicht zuzumuten ist, die Privatklage<br />

zu erheben 35) oder Strafantrag zu stellen. 36) Zunehmend ging die Justiz<br />

dazu über, diese Vorschrift in Fällen häuslicher <strong>Gewalt</strong> anzuwenden.<br />

Für die Polizei vollzog sich seit 2002 mit dem Inkrafttreten der polizeilichen Befugnisse<br />

zu Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot unter der Maxime „Wer<br />

schlägt, der geht“ ein Paradigmenwechsel in der Handlungspraxis. Unterstützt<br />

wurde er durch eine immer enger werdende Kooperation mit dem Unterstützungs-<br />

und Hilfenetzwerk für von häuslicher <strong>Gewalt</strong> betroffene Frauen bzw. Personen.<br />

Mit der Durchsetzung von Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot ging das<br />

klare Signal an den gewalttätigen Partner, dass <strong>Gewalt</strong> in Beziehungen keine<br />

Privatangelegenheit ist und er zur Rechenschaft gezogen wird. Opfer häuslicher<br />

<strong>Gewalt</strong> wurden in dem Bewusstsein gestärkt, dass staatliche Stellen Hilfe leisten.<br />

Damit wurde den Opfern erstmals die Möglichkeit eröffnet, zur Ruhe zu kommen<br />

und ggf. nach Beratung und Unterstützung weitere Schritte zu unternehmen, um<br />

sich – oftmals mit Kindern – aus einer dauerhaft gewaltbelasteten Beziehung zu<br />

lösen.<br />

Vor dem Hintergrund immer wieder im Rahmen häuslicher <strong>Gewalt</strong> verübter<br />

schwerwiegender Misshandlungen oder Tötungen initiierte die Ständige Konferenz<br />

der Innenminister und -senatoren der Länder im Jahr 2005 u.a. zeitnahe<br />

Situations- und Gefährdungsanalysen sowie konsequente Gefährderansprachen,<br />

32) BMFSFJ, 2004a.<br />

33) Innenministerium NRW, 2007.<br />

34) Innenministerium NRW, 1994.<br />

35) RiStBV, Nr. 86 II.<br />

36) RiStBV, Nr. 234 I.<br />

14<br />

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