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Geschichte und Geschichten - Richter-Richard

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Die Südstraße<br />

<strong>und</strong> das Reumont-Viertel<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n


Die Südstraße<br />

<strong>und</strong> das Reumont-Viertel<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

aufgezeichnet von<br />

Walter Holtzhausen<br />

<strong>und</strong><br />

Jochen <strong>Richard</strong><br />

sowie<br />

vielen (ehemaligen) Bewohnern der Südstraße <strong>und</strong><br />

Studenten der Fachhochschule<br />

mit Beiträgen von<br />

Jochen Buhren (Tuchfabrik Nickel&Müller)<br />

Heiner Grysar (Reumont-Viertel)<br />

Frank Suttner (Frühgeschichte <strong>und</strong> Römerzeit)<br />

<strong>und</strong><br />

Hildegard Van de Braak (Durchführung Erzähl-Cafés)<br />

9. ergänzte Ausgabe<br />

Aachen, Dezember 2009


I N H A L T S V E R Z E I C H N I S<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

VORWORT - ODER DIE GESCHICHTE DER GESCHICHTEN DER SÜDSTRASSE 1<br />

1. ENTWICKLUNG DER SÜDSTRASSE<br />

1.1 Die Frühgeschichte <strong>und</strong> Römerzeit ........................ 5<br />

1.2 Vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution ............. 8<br />

1.3 Nach der französischen Revolution ....................... 20<br />

1.4 Die Gründerzeit von 1864 - 1918 ........................ 22<br />

1.5 Die Zeit von 1918 - 1945 .............................. 33<br />

1.6 Die Zeit nach 1945 ................................... 36<br />

2. BESONDERHEITEN DER SÜDSTRASSE<br />

2.1 Die Bäche Pau <strong>und</strong> Paunelle ............................ 43<br />

2.2 Die Straßenbahn..................................... 46<br />

2.3 Die Fabriken ........................................ 49<br />

2.4 Franckenhoff´sche Fabrik <strong>und</strong> ehemalige Fachhochschule ..... 58<br />

2.5 Volksschule Reumontstraße ............................ 73<br />

2.6 Tattersall <strong>und</strong> Bunker ................................. 79<br />

2.7 Das Geschäftsleben................................... 85<br />

2.8 Ehemaliges Finanzamt <strong>und</strong> Priesterseminar ................ 90<br />

2.9 Eisenbahnlinie <strong>und</strong> Marschiertorbahnhof .................. 96<br />

2.10 Die Bedeutung der Straßennamen ...................... 105<br />

3. HISTORIE DER EINZELNEN GEBÄUDE<br />

ANLAGE<br />

3.1 Übersicht ......................................... 109<br />

3.2 Ungerade Hausnummern ............................. 117<br />

3.3 Gerade Hausnummern ............................... 137<br />

I Literaturverzeichnis.................................. 157


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

VORWORT -<br />

ODER DIE GESCHICHTE DER GESCHICHTEN DER SÜDSTRASSE<br />

Es begann mit der Frage: Wie war das früher hier in der Südstraße? Zunächst unabhängig voneinander<br />

gingen Walter Holtzhausen <strong>und</strong> Jochen <strong>Richard</strong> dieser Frage nach, bis ein Zufall dazu<br />

führte, dass beide von den Aktivitäten des Nachbarn erfuhren <strong>und</strong> nunmehr seit dem Jahr 2000<br />

die <strong>Geschichte</strong> der Südstraße gemeinsam erforschen. Dazu fanden sich Hildegard van de Braak<br />

mit ihrer Erfahrung in der Gemeinwesenarbeit, Frank Suttner <strong>und</strong> Jochen Buhren mit ihrem<br />

Interesse für die Frühgeschichte Aachens <strong>und</strong> die <strong>Geschichte</strong> der Tuchfabriken in Aachen sowie<br />

Heiner Grysar mit weiteren Unterlagen über das Reumont-Viertel. Wir möchten die gelebte <strong>und</strong><br />

lebende <strong>Geschichte</strong> der Südstraße wiederentdecken. Dinge, die vielleicht für unwichtig gehalten<br />

<strong>und</strong> deshalb in Gefahr sind, vergessen zu werden.<br />

Der betrachtete Raum umfasst<br />

den Bereich im engeren Umfeld<br />

der Südstraße von der<br />

Eisenbahnlinie bis zur ehemaligen<br />

Stadtmauer, von der Mozartstraße<br />

bis zur Mariabrunnstraße.<br />

Es gibt jedoch<br />

häufig Bezüge bis zur Jakobstraße<br />

<strong>und</strong> Burtscheider Straße,<br />

vom Alten Klinikum bis<br />

zum Graben. Darüber hinaus<br />

gehend werden Ereignisse nur<br />

dann beschrieben, wenn sie<br />

die Entwicklung im Umfeld der<br />

Südstraße beeinflusst haben.<br />

Im Winter 2002 gingen wir<br />

mit unserer Idee zum ersten<br />

Mal in die Öffentlichkeit: Plakate<br />

hingen im Viertel in einem<br />

Kneipenfenster, einer<br />

Sparkassenfiliale <strong>und</strong> in einer<br />

Arztpraxis. Viele blieben vor<br />

den Plakaten stehen, doch nur<br />

wenige konnten etwas zur<br />

Chronik beisteuern. Trotzdem<br />

haben uns auch die wenigen<br />

Hinweise auf neue Spuren geführt.<br />

Das Straßenfest in der Südstraße<br />

haben wir im Sommer<br />

2002 genutzt, mit einem eigenen<br />

Stand den nächsten<br />

Schritt in die Öffentlichkeit zu<br />

gehen.<br />

Abb. 1: Der engere <strong>und</strong> erweiterte Untersuchungsraum der Chronik.<br />

Abb. 2: Die beiden Seiten des ersten...<br />

Abb. 3: ...Werbeplakats für die Chronik.<br />

1


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 4: Der Stand auf dem Straßenfest 2002.<br />

Auf dem Straßenfest fanden wir wieder großes Interesse.<br />

Hier kündigten wir ein "Erzähl-Café" für den 16.<br />

September 2002 an. Auch die Presse war beim Straßenfest<br />

auf unsere Aktivitäten aufmerksam geworden<br />

<strong>und</strong> wies auf das "Erzähl-Cafe" mit einem ausführlichen<br />

Artikel hin.<br />

Es war eine muntere R<strong>und</strong>e, wenn die "Alten" erzählten<br />

<strong>und</strong> teilweise die Kinder, selbst schon im reiferen<br />

Alter, von der eigenen Jugend <strong>und</strong> von ihren Eltern<br />

erzählten. Es gab viele neue Hinweise, denen nachgegangen<br />

werden musste, <strong>und</strong> das eine oder andere<br />

interessante Foto wurde gleich mitgebracht. Am<br />

Schluss war es keine Frage, ob das "Erzähl-Café" wieder<br />

stattfinden sollte, es war nur die Frage: wann?<br />

Die nächsten "Erzähl-Cafés" fand statt am 29. November<br />

2002, 6. November 2003 <strong>und</strong> 22. Juli 2004.<br />

Abb. 5: Das erste "Erzähl-Café" am 16. September 2002 im Café Bebop.<br />

2<br />

Abb. 6: Artikel Aachener Nachrichten (14. September 2002).<br />

Abb. 7: Ankündigung des zweiten<br />

Erzähl-Cafés (AZ, 13. November<br />

2002).


Abb. 8: Artikel über die Veröffentlichung der Chronik (AN, 12. Juni<br />

2003).<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Die erste Auflage<br />

wurde im Juni<br />

2003 mit einer<br />

Auflage von 250<br />

Exemplaren veröffentlicht.<br />

Das in<br />

der Südstraße<br />

ansässige Planungsbüro<strong>Richter</strong>-<strong>Richard</strong><br />

hat zu<br />

seinem 25-jährigen<br />

Bestehen<br />

die Veröffentlichungunterstützt.<br />

Die erste<br />

Auflage war bereits<br />

nach wenigen<br />

Wochen vergriffen.<br />

Neue Hin- Abb. 9: AZ, 5. Dezember 2003<br />

weise <strong>und</strong> Quellen<br />

veranlassten uns, Ende 2003 eine zweite,<br />

überarbeitete <strong>und</strong> erweiterte Auflage zu veröffentlichen,<br />

die 130 Mal verkauft wurde. Da<br />

es immer noch neue <strong>Geschichte</strong>n über die <strong>Geschichte</strong><br />

der Südstraße gab, erschien Ende<br />

2004 eine wiederum stark erweiterte dritte<br />

Auflage. Die Broschüre hat damit bisher eine<br />

Auflage von insgesamt 380 Exemplaren. Seit<br />

Anfang 2006 werden die ergänzten Auflagen<br />

jeweils als pdf-File ins Internet gestellt<br />

(www.prr.de) <strong>und</strong> können dort kostenlos heruntergeladen<br />

werden.<br />

Die vorliegende Fassung umfasst 158 Seiten<br />

mit 353 Abbildungen. Die Quellen sind jeweils<br />

vermerkt. Sofern nicht anders erwähnt, stammen<br />

die Fotos von Walter Holtzhausen <strong>und</strong><br />

Jochen <strong>Richard</strong>.<br />

Eine solche Arbeit ist nie abgeschlossen. Wir<br />

wissen auch, dass eine solche Arbeit von<br />

"Geschichts-Amateuren" wissenschaftlich nicht<br />

immer exakt sein kann, vielleicht auch den einen<br />

oder anderen Fehler enthält. Hinweise<br />

nehmen wir deshalb gerne entgegen.<br />

Die "<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n des Südstraßenviertels" waren nur möglich, weil viele uns mit<br />

Hinweisen, Chroniken <strong>und</strong> Fotos unterstützt haben. Hierfür sei allen ausdrücklich gedankt.<br />

Walter Holtzhausen <strong>und</strong> Jochen <strong>Richard</strong><br />

Südstraße 46 Südstraße 52<br />

3


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 10-17: Die Teilnehmer des zweiten "Erzähl-Cafés" am 29. November 2002.<br />

4


1. ENTWICKLUNG DER SÜDSTRASSE<br />

1.1 Die Frühgeschichte <strong>und</strong> Römerzeit<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Mit jungsteinzeitlichem Feuerstein-Bergbau auf dem Lousberg wurden weit über den eigenen<br />

Bedarf hinaus Beilklingen aus Feuerstein hergestellt <strong>und</strong> im Umkreis von etwa 200 km gegen<br />

andere Waren getauscht. Unten im Tal, etwa dort, wo seit ca. 1200 Jahren der Aachener Dom<br />

steht, befindet sich eine der heißen Quellen. Eine frühgeschichtliche Siedlung befand sich ganz<br />

in der Nähe.<br />

Durch die heutige Mörgensgasse <strong>und</strong> Krakaustraße<br />

führte ein Weg ins Tal der Pau, die vermutlich<br />

erst später von den Römern zum<br />

Markt umgeleitet wurde. Der hier verbliebene<br />

Bach wurde deshalb später "kleine Pau", Paunelle<br />

genannt. 2009 wurde bei Straßen- <strong>und</strong><br />

Kanalarbeiten im Boxgraben der ursprüngliche<br />

Pau-Kanal entdeckt. Da keine F<strong>und</strong>stücke geborgen<br />

werden konnten, bleibt die Datierung<br />

des Kanals offen. Die Verwendung von durch<br />

Ziegelmehl rot gefärbtem Mörtel könnte für<br />

römische oder karolingische Zeit sprechen.<br />

Künftige naturwissenschaftliche Analysen<br />

(C14) müssen Klarheit bringen.<br />

Der aus dem Lager der Römer herausführende Weg querte zur damaligen Zeit im Bereich der<br />

heutigen Südstraße die Pau mit einer Furt <strong>und</strong> ging auf der anderen Talseite in sanftem Anstieg<br />

auf ein ausgedehntes Waldgebiet zu, etwa dort entlang, wo sich heute Habsburger Allee <strong>und</strong><br />

Maria-Theresia-Allee befinden. Eberburgweg <strong>und</strong> Revierweg zeigen den weiteren Verlauf des<br />

frühgeschichtlichen Weges bis zu "Sieben Wege", einer alten Passstraße mit Wegekreuzung im<br />

Aachener Wald. Auf dem nahegelegenen Klausberg lebten in der Bronzezeit Menschen, die ihre<br />

Toten in Grabhügeln bestatteten.<br />

Abb. 20: Die Militärdomäne von Aachen (Abbildung:<br />

Axel Hausmann: "Aachen zur Zeit der Römer", Aachen<br />

1994).<br />

Abb. 18: Der am Boxgraben ausgegrabene Pau-Kanal<br />

Der Bereich des Reumont-Viertels ist der Militärdomäne<br />

dieses Lagers zuzurechnen, die die Aufgabe hatte, die<br />

Lagerbewohner zu versorgen. Hierzu wurden etwa 60<br />

villae rusticae, landwirtschaftliche Güter, jeweils mit ca.<br />

300 ha Land im Umfeld der Domäne angesiedelt.<br />

5


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Ab 54 v. Chr. hatte zunächst eine<br />

römische Legion Caesars ihr Winterlager<br />

in Aachen. Die Straßen <strong>und</strong><br />

Wege liefen auf die vier Tore zu.<br />

Vom südwestlichen Tor ging vermutlich<br />

eine Verbindung in Richtung<br />

Südstraße (in der Abbildung<br />

der nach unten verlaufende Strich<br />

links der 13) [1].<br />

In einem späteren, größeren <strong>und</strong><br />

gegenüber dem Lager 1 leicht in<br />

seiner Achse gedrehte Lage (etwa<br />

ab 39 v. Chr.) waren drei Legionen<br />

untergebracht (etwa 30.000 Mann).<br />

Abb. 21: Die engere Umgebung des Tripellagers mit den<br />

Römerstraßen. Nr. 18 vermutlich Gut Schavemunt bzw.<br />

Schaumunt, das über die historische Südstraße zu<br />

erreichen gewesen wäre (Abbildung: Axel Hausmann:<br />

"Aachen zur Zeit der Römer", Aachen 1994).<br />

6<br />

Abb. 19: Das Lager I, 54 v. Chr. Die heutige Südstraße befindet sich in Verlängerung der<br />

Wegeverbindung rechts der Pau (Abbildung: Axel Hausmann: "Aachen zur Zeit der<br />

Römer", Aachen 1994).<br />

Abb. 22: Das größere <strong>und</strong> gegenüber dem Lager I leicht gedrehte Lager (Abbildung: Axel<br />

Hausmann: "Aachen zur Zeit der Römer", Aachen 1994.


Der Colynshof im Quellgebiet des<br />

Paubaches ist eines dieser Landgüter,<br />

ebenso wie der Name "Gut<br />

Kamp" (campus = Feld) einen römischen<br />

Ursprung andeutet. Die<br />

Kamper Straße hat von diesem Gut<br />

ihren Namen erhalten. Noch im<br />

Stadtplan von 1925 ist das Gut<br />

Kamp an der nordöstlichen Ecke<br />

Habsburger Allee/ Kamper Straße,<br />

also im engeren Umfeld des<br />

Reumont-Viertels, verzeichnet.<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 23: Ansicht Burtscheids von Nordwesten, Gouachebild vermutlich von P.F. Jansen,<br />

1796. In Bildmitte die alte Burtscheider Straße mit dem Landgut Schouemont (Foto:<br />

Stadtarchiv Aachen, sowie in: Will Hermanns, 4000 Jahre Aachen).<br />

Axel Hausmann skizziert in seinen Büchern eine römische Straße, die vom südwestlichen Tor des<br />

Lagers "Aachen l" in etwa im Verlauf der heutigen Südstraße zum Gut "Schavemunt" (lat. scaevo<br />

montis = günstig am Berg gelegen) führt. Das Landgut Schouemont befand sich noch 1796 an<br />

der alten Burtscheider Straße, die vom Aachener Marschiertor zum Burtscheider Obertor führte.<br />

Heute sind hier die Bahnanlagen mit der Burtscheider Brücke zu finden. Das Landgut lag in etwa<br />

dort, wo sich das Stellwerk befindet. Die Südstraße hatte damit bereits in römischer Zeit eine<br />

lokale Erschließungsfunktion.<br />

7


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

1.2 Vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution<br />

Nach Auflösung des römischen Reiches führte<br />

von der karolingischen Pfalzanlage Karls des<br />

Grossen die Scherpstraße (heute: Annastraße)<br />

durch das fränkische Dorf Ahha. Außerhalb<br />

teilte sich die Straße <strong>und</strong> nach Süden führte<br />

der bereits beschriebene Weg ins Tal der Paunelle.<br />

Es war ein wasserreiches <strong>und</strong> fruchtbares<br />

Tal. Die Böden ermöglichten Ackerbau <strong>und</strong><br />

Viehzucht, zu Teichen angestaute Bäche dienten<br />

dem Fischfang <strong>und</strong> dem Betrieb mehrerer<br />

Mühlen. Im Bereich der heutigen Südstraße<br />

kreuzte die Paunelle den Weg, westlich lagen<br />

Wiesen <strong>und</strong> Weiden zum Teil mit Obstbäumen<br />

bepflanzt, östlich gab es bewirtschaftete Felder.<br />

Aus dem fränkischen Dorf <strong>und</strong> dem Pfalzbezirk<br />

erwuchs die Stadt Aachen. Die erste, von Barbarossa<br />

1171 den Aachener Bürgern befohlene<br />

Stadtmauer verlief in etwa im Zuge des heutigen<br />

Grabenrings. Sie wurde bereits drei Jahre<br />

später 1174 fertiggestellt. In ihr befand sich in<br />

Höhe der heutigen Annastraße das "Scherptor".<br />

Von hier aus verlief vermutlich bereits im 12.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert eine Wegeverbindung durch die<br />

heutige Krakaustraße in Richtung Südstraße.<br />

1260 begann der Bau der zweiten Stadtmauer, der sich etwa bis 1330 hinzog. Der Verlauf zeichnet<br />

sich im Stadtgr<strong>und</strong>riss in etwa durch den Straßenring der Alleen, Wallstraße <strong>und</strong> Boxgraben,<br />

Junkerstraße <strong>und</strong> Turmstraße ab. Der Zugang zu den südlich vor der Stadtmauer gelegenen<br />

Höfen im Umfeld der heutigen Südstraße war vermutlich nur noch auf Umwegen durch das<br />

Marschiertor oder das westlich gelegene Rostor möglich, da umstritten ist, ob der Große Paunellenturm<br />

oder auch der Karlsturm zumindest zeitweise kleine Toranlagen besaßen.<br />

Fast 600 Jahre bis zur Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts beschrieb der Verlauf der Stadtmauer unverändert<br />

die Grenze der Aachener Innenstadt. Das Marschiertor <strong>und</strong> das Jakobstor gehörten zu den<br />

wichtigsten Toren der Stadt, da sie bedeutende Einfallstraßen absperrten. Auf den ältesten<br />

Stadtplänen wird das Burtscheider Tor (porta Porchetensis) bereits Messierstor genannt. Wie das<br />

italienische Wort Monsignore oder das französische Monseigneur so kennzeichnet auch Messiers<br />

ursprünglich hohe Geistliche von fürstlichem Stand. Durch Verfälschung entstand aus dem Namen<br />

Messierstor das Marschiertor. Überwiegend landwirtschaftlichen Zwecken diente das Rostor<br />

als Zugang zu den Höfen in der Aachener Heide <strong>und</strong> zum Reichswald. Der Name Rostor stammt<br />

von einer lateinischen Wurzel ab: Aus via rupta entstand via rotta, dann ros <strong>und</strong> meinte unterbrochener<br />

Weg.<br />

8<br />

Abb. 24: Aachen als fränkisches Königsgut. Südlich des Schriftzuges<br />

"Schaumunt" befindet sich der Bereich der heutigen Südstraße. [2]


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 25: Gr<strong>und</strong>riss der spätmittelalterlichen Stadt mit den beiden Mauerringen. Am unteren Bildrand bezeichnen: E = Rostor, h = Karlsturm (hier setzt<br />

heute die Südstraße an), g = Großer Paunellenturm, f = Kleiner Paunellenturm, D = Marschiertor [2].<br />

9


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Karlsturm<br />

Die Stadtmauer unterbrach die Wegebeziehung<br />

zwischen Krakaustraße <strong>und</strong> heutiger<br />

Südstraße. Zur Sicherung dieser Schwachstelle<br />

<strong>und</strong> zur Überwachung des Paunellen-Tals wurde<br />

der Karlsturm (h) errichtet. Er lag in der<br />

"Krak-Au" oder "Kraken-Au" ("Krähen-Aue" oder<br />

"Krake", wie man in Aachen ein abgemagertes<br />

Pferd bezeichnete). Dieser im Gr<strong>und</strong>riss halbkreisförmige<br />

Turm hatte eine Breite von 14<br />

Metern <strong>und</strong> eine Tiefe von 10 Metern (Katasterplan<br />

von 1820). Der zweigeschossige mächtige<br />

Turm war unten mit Schießscharten <strong>und</strong><br />

oben mit Schießluken versehen. Im westlichen<br />

Teil der Mauer befand sich eine 80 cm breite<br />

Treppe, die nur vom Wall aus in das Obergeschoss<br />

führte. Gleich unter dem Spitzdach befanden<br />

sich eine Reihe kleiner Öffnungen, die<br />

sowohl der Beobachtung wie auch der Verteidigung<br />

dienten. Der Karlsturm wurde auch<br />

"Krakauturm" genannt. Im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

nannte man ihn "Mareelenturm", denn hier<br />

wohnte über längere Zeit eine Familie Mareel.[3]<br />

Außer bei Merian ist auch bei Bertius (1616)<br />

ein Tor zu erkennen. Ob der Karlsturm zeitweise<br />

auch als Tor diente oder ob es sich nur um<br />

eine ungenaue historische Darstellung handelt,<br />

ist nicht abschließend zu beantworten.<br />

Beim Ausbau des Boxgrabens im Jahr 2008<br />

wurden bei der archäologischen Begleitung<br />

der Leitungsbauarbeiten der STAWAG in der<br />

Krakaustraße, Haus-Nr. 29, 0,70 m unter der<br />

heutigen Straßenoberfläche Reste des Turms<br />

angetroffen <strong>und</strong> dokumentiert. Es handelt sich<br />

um einen R<strong>und</strong>- oder Halbr<strong>und</strong>turm, von dem<br />

auf einer Strecke von etwa drei Meter noch<br />

drei Lagen des sauber gearbeiteten Quadermauerwerks<br />

erhalten waren. Die Mauerstärke<br />

konnte in dem Ausschnitt des Leitungsgrabens<br />

nicht ermittelt werden, die F<strong>und</strong>amentunterkante<br />

war bei 1,50 m unter Oberfläche noch<br />

nicht erreicht. Die F<strong>und</strong>e wurden kartiert <strong>und</strong><br />

die Grube dann wieder zugeschüttet. Neben<br />

diesen Überresten fanden die Archäologen<br />

auch Keramikfragmente aus dem 14. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

<strong>und</strong> Abfallprodukte von Steinzeugtöpfereien<br />

aus dem 15. <strong>und</strong> 16. Jahrh<strong>und</strong>ert.<br />

10<br />

Abb. 26: Der Karlsturm [3].<br />

Abb. 27: Dokumentation der Ausgrabung des Karlsturms 2008 (Quelle:<br />

http://stadtgeschichte.isl.rwth-aachen.de/wiki/Portal:Stadtarch%C3%A4<br />

ologie


Großer Paunellenturm<br />

Ein weiterer Turm, der Große Paunellenturm<br />

(g), befand sich an der Stelle, wo die heutige<br />

Kasernenstraße, der damalige Weg nach Burtscheid,<br />

auf die Mauer trifft. Hier endete früher<br />

die heute nicht mehr existierende Paunellengasse.<br />

Unter dem Turm floss die Paunelle in<br />

die Stadt. Der Turm wird 1444 erstmals schriftlich<br />

erwähnt. Im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert befand sich<br />

unweit des Turms eine Kupfermühle in der<br />

Paunellengasse, sie wurde durch das Wasser<br />

des Bachs angetrieben. Dieser große Wachturm<br />

war 13,50 m breit <strong>und</strong> 12,30 m tief. Im<br />

Erdgeschoss sollen sich drei Räume mit Tonnengewölbe<br />

bef<strong>und</strong>en haben. Der Turm war<br />

dreigeschossig.[3]<br />

Zwischen 1611 <strong>und</strong> 1614 wurde der Turm bis<br />

auf die Höhe der Stadtmauer abgebrochen.<br />

Diese Steine wollte niemand haben <strong>und</strong> so<br />

schenkte ein schlauer Stadtrat sie den Jesuiten.<br />

Diese bauten von den Steinen eine Schule <strong>und</strong><br />

den Turm der Jesuitenkirche. Die alten Steine<br />

kann man dort heute noch leicht erkennen.[3]<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

Abb. 28: Der Große Paunellenturm [3].<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 29: Der Turm der Jesuitenkirche im Jahr 2004. Die Steine aus dem<br />

früheren Großen Paunellenturm sind leicht zu erkennen.<br />

11


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Kleiner Paunellenturm<br />

Etwas über h<strong>und</strong>ert Meter entfernt vom "Großen<br />

Paunellenturm" stand der "Kleine Paunellenturm"<br />

(f). Vom Marschiertor etwa 90 m entfernt,<br />

in der Mitte zwischen dem Tor <strong>und</strong> der<br />

Karmeliterstraße, stand die "Kleine Paunell",<br />

wie der Turm auch genannt wurde. Der Turm<br />

wird unter anderem in der Wachordnung aus<br />

dem Jahre 1696 erwähnt. Er hatte einen halbkreisförmigen<br />

Gr<strong>und</strong>riss. Seine Breite wird mit<br />

10,60 m <strong>und</strong> die Tiefe mit 7,20 m angegeben.<br />

Dieser kleine, eingeschossige Turm hatte auf<br />

dem konisch zugehenden Dach eine Kugel als<br />

Zierde. In die r<strong>und</strong>e Außenseite waren drei<br />

Schießscharten eingelassen.[3] Aufgr<strong>und</strong> älterer<br />

Darstellungen, die zum Teil in dieser<br />

Südstraßen-Chronik enthalten sind (z.B. Stadtbrand<br />

1656, sowie Maubach), ist nicht auszuschließen,<br />

dass der Turm ursprünglich einmal<br />

mehrgeschossig war.<br />

Die nächstgelegenen großen Toranlagen waren das Marschiertor <strong>und</strong> das Rostor in Höhe des<br />

Hubertusplatzes:<br />

Marschiertor<br />

Das Marschiertor (D) war der südlichste Punkt<br />

der ehemaligen Stadtbefestigung. Es ist eine<br />

der größten Torburgen Europas <strong>und</strong> bis heute<br />

erhalten. Das Doppelturmtor wurde wahrscheinlich<br />

kurz nach 1300 fertiggestellt. Seine<br />

Gesamtbreite beträgt 23,80 m. Die beiden im<br />

Durchmesser unterschiedlichen Türme haben<br />

fünf Geschosse, während der Mittelbau über<br />

vier Geschosse verfügt. Die Durchfahrtbreite<br />

des Tores beträgt 4,80 m. Jeder der R<strong>und</strong>türme,<br />

die den vierkantigen Mittelbau flankieren,<br />

ist mit einer holprigen Wendeltreppe ausgestattet.<br />

Über diese Treppenaufgänge erreicht<br />

man auch den großen Waffensaal. Unten in<br />

den Türmen befinden sich die beiden Wachstuben<br />

<strong>und</strong> unter diesen die Gefängniszellen.<br />

Von der Wachstube im westlichen Turm gelangt<br />

man durch eine Falltür im Fußboden mit<br />

einer Leiter oder einem Seil in einen verließartigen<br />

Raum. An der Ostseite des Tores ist<br />

außen ein Abort angebracht, wie man ihn an<br />

vielen Toren <strong>und</strong> Türmen des Mittelalters findet.<br />

Ehemals hatte das Marschiertor auch eine<br />

Vorburg, ähnlich wie wir sie beim Ponttor finden.[3]<br />

12<br />

Abb. 30: Der Kleine Paunellenturm [3].<br />

Abb. 31: Das Marschiertor [3].


Rostor<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Das Rostor (E) befand sich im Bereich des heutigen<br />

Hubertusplatzes. Es war für die Stadtverteidigung<br />

von geringerer Bedeutung <strong>und</strong><br />

wurde wie die meisten anderen Tore im ersten<br />

Viertel des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts abgerissen. Das<br />

Rostor hatte einen Gr<strong>und</strong>riss von 11,60 m Breite<br />

<strong>und</strong> 6,70 m Tiefe. Der kleine Vierkantbau<br />

hatte einen vorkragenden Holzaufbau gleich<br />

unter dem Dach. Dieser war mit Luken zur Beobachtung<br />

<strong>und</strong> zur Verteidigung versehen. Die<br />

kleine Barbakane war gleichfalls ein viereckiger<br />

Bau, <strong>und</strong> an seiner rechten Seite war ein R<strong>und</strong>türmchen<br />

angebaut, in dem sich wohl der<br />

Treppenaufgang zum Obergeschoss befand.<br />

An der Ostseite des Haupttors stand, mit der<br />

Stadtmauer verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> überragend, ein<br />

Wachhaus von über 11 Metern Länge mit ei- Abb. 32: Das Rostor [3].<br />

nem niedrigen Obergeschoss. Hier war die Unterkunft<br />

der Wachmannschaft, die nicht nur<br />

das Tor, sondern vor allen Dingen den Einlauf des Paubachs in die Stadt zu überwachen hatte.<br />

Etwa 10 Meter westlich des Rostors floss dieser Bach durch eine stark vergitterte, bogenartige<br />

Öffnung in die Stadt. Durch ein Holzwehr, wie bei einer Wassermühle, konnte man das Wasser<br />

in den terrassenartigen Graben vor der Stadtmauer umleiten. Dieser mit dem Wasser der Pau<br />

gespeiste Graben reichte bis zum Großen Paunellenturm <strong>und</strong> entwässerte hier in die Paunelle.<br />

Der Graben wurde "Busen-" oder "Bosengraben" (heute Boxgraben) genannt (Busen = Binsen) -<br />

es ist eine der verschiedenen Erklärungen für die Herkunft des Straßennamens.[3]<br />

Aus dem 17. Jahrh<strong>und</strong>ert gibt es verschiedene Kupferstiche, für die in verschiedenen Quellen<br />

unterschiedliche Urheber genannt werden. Sie zeigen zum einen, wie die Kupferstecher voneinander<br />

"abgekupfert" haben, <strong>und</strong> zum anderen, dass sich vor der Stadtmauer in fast 100 Jahren<br />

nichts verändert hat <strong>und</strong> auch im Bereich der heutigen Krakaustraße sich die Felder nur langsam<br />

baulich auffüllen.<br />

In der Nähe des Rostores wurden beim Ausbau<br />

der Boxgrabens 2008 Bei der archäologischen<br />

Begleitung der Kanalbauarbeiten der STAWAG<br />

in Hausanschlüssen für das Luisenhospital<br />

(Haus-Nr.99) ca. 0,80 m unter der heutigen<br />

Straßenoberfläche die gut erhaltene Kontramauer<br />

des mittelalterlichen Stadtgrabens angetroffen.<br />

Die Mauer hat die erstaunliche Breite<br />

von 2,35 m. Ihre Unterkante wurde bei 2,80<br />

m unter Oberfläche noch nicht erreicht. Sie ist<br />

nach Süden gegen den gewachsenen Boden<br />

gesetzt <strong>und</strong> zeigt auf der Stadtseite Sichtmauerwerk<br />

aus sauber gemauerten Blausteinquadern.<br />

Abb. 33: Ausgrabung der Stadtmauer im Bereich Luisenhospital (Quelle:<br />

http://stadtgeschichte.isl.rwth-aachen.de/wiki/Portal:Stadtarch%C3%A4<br />

ologie<br />

13


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

In der Darstellung historischer Kupferstiche sind im Umfeld der heutigen Südstraße interessante<br />

Details zu erkennen:<br />

Oben in der Mitte der Abbildung<br />

das Marschiertor, rechts davon Kleiner<br />

<strong>und</strong> Großer Paunellenturm sowie<br />

Karlsturm, anschießend das<br />

Rostor. Vom Karlsturm führt die<br />

heutige Krakaustraße in Richtung<br />

Altstadt. Bis zur Mitte des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

liegen hier lediglich zwei<br />

Häuser in den umgebenden Feldern.<br />

Auf dem Abschnitt der Stadtmauer<br />

vor dem Karlsturm befand sich, wie<br />

oben bereits beschrieben, ein Wassergraben,<br />

der bei Bedarf von der<br />

Pau gespeist <strong>und</strong> über die Paunelle<br />

entwässert wurde. Jenseits dieses<br />

Grabens ist die heutige Südstraße<br />

nur als Hecke zwischen zwei Feldern/Weiden<br />

in Verlängerung der<br />

Krakaustraße zu erahnen.<br />

Das kleine Tal der Paunelle mit dem<br />

Durchlass am Großen Paunellen-<br />

Turm ist deutlich zu erkennen, doch<br />

ist ihr Verlauf vor der Stadtmauer<br />

weiter östlich dargestellt als im 19.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert. Inner-halb der Stadtmauer<br />

fließt sie offen durch die<br />

heutige Karmeliterstraße, die deshalb<br />

früher Ponellgasse hieß. Auch<br />

die Pau mit dem Durchlass an der<br />

Rospforte ist am rechten Bildrand<br />

gut zu erkennen. Die Straße am<br />

oberen Bildrand ist die Eupener<br />

Straße, die von der Burtscheider<br />

Straße abzweigt.<br />

14<br />

Abb. 34: Stadtplan von 1613, Kupferstich von Guicciardini (Das alte Aachen, Albert<br />

Hyskens, Aachen 1953). Oben in der Mitte das Marschiertor, rechts davon Kleiner <strong>und</strong><br />

Großer Paunellenturm, dann Karlsturm, anschießend die Rospforte. Vom Karlsturm führt<br />

die heutige Krakaustraße in Richtung Altstadt, nach außen würde sich die Südstraße<br />

anschließen.<br />

Abb. 35: Ausschnitt aus einem Kupferstich vermutlich von J. Blaeu aus dem Jahr 1638<br />

mit dem Bereich der heutigen Südstraße (rechts vor dem Karlsturm mit Wassergraben).<br />

Abb. 36: Merians Kupferstich mit der Ansicht der Stadt Aachen (1647): Mitte links das<br />

Marschiertor, anschließend der Kleine <strong>und</strong> Große Paunellenturm, dann Karlsturm im<br />

Bereich der heutigen Südstraße <strong>und</strong> das Rostor.


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Im Kupferstich von Merian befindet sich im Vordergr<strong>und</strong> links das Marschiertor, links daneben<br />

perspektivisch verzerrt der Kleine <strong>und</strong> Große Paunellenturm, Karlsturm <strong>und</strong> Rospforte. Im Vergleich<br />

mit dem Foto aus dem Jahr 2002 erkennt man, dass es Merian mit der Topografie nicht so<br />

genau genommen hat (z.B. das "Gebirge" mit dem Langen Turm am linken Bildrand Merians).<br />

Abb. 37: Kupferstich von Merian mit der Ansicht der Stadt Aachen aus Richtung Süden (1647).<br />

Abb. 38: Der Merianblick über die Altstadt <strong>und</strong> den Lousberg im Jahr 2002, aufgenommen aus einem Gebäude an der Kasinostraße.<br />

15


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 39: Der Aachener Stadtbrand am 2. Mai 1656, Ölgemälde, 1656. Vorne das Marschiertor, links daneben der Kleine <strong>und</strong> Große Paunellenturm<br />

sowie der Karlsturm, von dem heute die Südstraße ausgehen würde (Museum Frankenburg).<br />

Abb. 40: Ausschnitt westlich des Marschiertores mit dem Bereich der heutigen Südstraße.<br />

Am 2. Mai 1656 suchte ein großer Stadtbrand die Stadt Aachen heim. Der vergrößerte Bildausschnitt<br />

zeigt die vor dem Brand durch das Marschiertor flüchtenden Bewohner. Sie suchen außerhalb<br />

der Stadtmauer auf den Wiesen <strong>und</strong> Feldern im Umfeld der heutigen Südstraße Schutz.<br />

16


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 41: Stadtplan von Franziskus Blondels von 1688: oben in der Mitte das Marschiertor, denn rechts der große Paunellenturm <strong>und</strong> Karlsturm (im<br />

Bereich der heutigen Südstraße) <strong>und</strong> die Rospforte.<br />

Auch 1688 ist die Struktur im Umfeld der heutigen Südstraße unverändert, lediglich in der Krakaustraße<br />

sind einige Gebäude hinzu gekommen.<br />

Eine alte Sage erzählt folgende <strong>Geschichte</strong> über die Stadtmauer im Bereich des Boxgrabens:<br />

Der Teufel im Paunellenturm<br />

Eine alte Sage erzählt: In der Nähe des Paunellenturms trieb sich der Teufel herum <strong>und</strong><br />

lauerte auf die Seelen sündiger Pilger, die nach Aachen kamen. Seine Fre<strong>und</strong>in, wahrscheinlich<br />

die Hexe Marie Brucks, wurde 1526 aus der Stadt verbannt. Darüber war der Teufel so erzürnt,<br />

dass er in den Paunellenturm fuhr, <strong>und</strong> zwar mit so viel Getöse, dass der alte Turm zusammenbrach<br />

<strong>und</strong> den Teufel begrub. Man hörte es unter den Trümmern, die zum Teil im kalten Paunellenbach<br />

lagen, stöhnen <strong>und</strong> wimmern.<br />

Die ähnliche Version einer alten Ortssage [4], verzeichnet durch den Humanisten Agricola<br />

im Jahre 1537, berichtet, wie ehemals der Teufel im Paunellenturm "mit viel W<strong>und</strong>ers, Geschrey,<br />

Glockenklingen <strong>und</strong> anderm Unfug" umgegangen sei. Die Art dieser teuflischen Erscheinung<br />

entspricht den Auftritten eines "Wilden Heeres" in alter Zeit.<br />

Zu den einstmals geheimen Jugendweihen <strong>und</strong> Mannbarkeitsriten gehörte das Auftreten<br />

<strong>und</strong> der Umzug eines Wilden oder Wotans-Heeres. Diese auch als Wilde Jagden durch Sagen wie<br />

durch geschichtliche Überlieferungen bekannten Aufzüge, von denen man noch an vielen Orten<br />

der Eifel <strong>und</strong> Ardennen weiß, entstammten uraltem Totenkult in geheimen Männerbünden.<br />

Schon Tacitus berichtet von einem nächtlichen Gespensterheer, der Harier (oder Einherjer), bei<br />

den Germanen; an seine Spitze trat vielerorts, mindestens seit der Völkerwanderungszeit, der<br />

Germanengott Wotan, der Schimmelreiter oder Wilde Jäger. Dass Kultumzüge dieser Art noch<br />

bis weit in das Mittelalter hinein stattgef<strong>und</strong>en haben, ist vielerorts bekannt.<br />

17


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Dass der Teufel nach demselben Bericht in den Paunellenturm "bis an den jüngsten Tag"<br />

verbannt sein soll, zeigt, wie man damals in Aachen hoffte, den nächtlichen Spuk solcher Umzüge<br />

durch die Stadtmauer auf ewig unterb<strong>und</strong>en zu haben. Das Wilde Heer pflegte in seinen<br />

herbst- <strong>und</strong> winterlichen Auftritten bei Fackelschein unter Lärmen <strong>und</strong> Schellengeläut stets den<br />

gleichen Weg zu nehmen; hier aber am alten Paunellenturm war ihm der Weg durch die Stadtmauer<br />

versperrt. Vielerorts kennt oder nennt man sogar noch die Fährten dieser heidnischen<br />

Kultumzüge als "Heerwege".<br />

Die Teufelsmär vom Paunellenturm gibt nun im Verein mit weiteren Ortssagen deutliche<br />

Hinweise, einem solchen Heerweg auch in Aachen nachzuspüren. Dabei entpuppt sich dieser<br />

Pfad als ein Verbindungsweg, der schon in grauer Vorzeit von den Siedlungsplätzen des Lousberges<br />

<strong>und</strong> der Totenkultstätte auf dem Salvatorberg zu den Kult- <strong>und</strong> auch Wohnbezirken im Aachener<br />

Wald hinübergeführt hatte. Seine Spur im heutigen Stadtbild lässt sich noch verfolgen:<br />

Von der Höhe der Kupferstraße, einer alten Gracht (Schluchtweg) als Verbindung zwischen<br />

dem Aachener <strong>und</strong> dem Soerser Tal zwischen beiden Bergen, lief einst der Vorzeitweg in ziemlich<br />

gerader Richtung zunächst südwärts zur Niederung des Johannisbaches hinab. Die ehemalige<br />

Kühgasse, also eine alte Viehtrift quer über den jetzigen Veltmanplatz zur Kreuzherrnstraße<br />

hin, dann die Südwestseite des Pontdriesches <strong>und</strong> schließlich eine Sackgasse beim früheren<br />

Gesellschaftshaus an der mittleren Pontstraße, auch Beginenwinkel genannt, sind noch in neuerer<br />

Zeit deutlich erkennbare Teilstrecken seiner Fährte. An der heutigen Straße Augustinerbach<br />

überquerte er den Johannisbach. Der Weg stieg nun in geradem Fortgang seiner alten Richtung<br />

zum Markthügel hinauf, wie das Stück Pontstraße von der Neupforte bis zum Straßenknick an<br />

der Augustinerkirche deutlich zeigt. Den oberen Teil der Pontstraße aber hat die spätere Pfalzanlage<br />

sichtlich abgebogen; denn die alte Wegrichtung wies, westlich am Rathaus vorbei, zum<br />

Fischmarkt <strong>und</strong> zur Annastraße hin, quer durch das Gelände des späteren Münsterkreuzgangs<br />

(dessen zwei alte Ein- <strong>und</strong> Ausgänge bezeichnend genug "Drachenloch" heißen <strong>und</strong> damit auf<br />

eine altheidnische Wegespur deuten können). Die Annastraße aber ist es, die mit ihrem früheren,<br />

altdeutschen Namen "Scherpstraße" <strong>und</strong> in dem merkwürdig schlängelnden Verlauf ihrer beiderseitigen<br />

Fluchtlinien deutlich ihren Ursprung in einem natürlichen Flurweg recht hohen Alters<br />

bek<strong>und</strong>et.<br />

Von ihr aus lief nun der Vorzeitweg weiter über die Mörgensgasse <strong>und</strong> durch die heutige<br />

Kasernenstraße zu dem Punkt hin, wo später der Paunellenturm gestanden hat. Der Weg kreuzte<br />

hier die Paunelle <strong>und</strong> stieg dann, etwa entlang der heutigen Friedlandstraße, durch eine auch<br />

urk<strong>und</strong>lich erwähnte alte Gracht vor dem Paunellenturm zur Höhe des Krugenofens hinauf. Dort<br />

bog er nach Süden ab; sein Verlauf über den Höhenrücken wurde seit 1018 zur Grenze zwischen<br />

dem Aachener <strong>und</strong> Burtscheider Gebiet. Letzte Spuren des weiteren Weges sind schließlich im<br />

Höfchensweg <strong>und</strong> Grindelweg zu suchen, bevor sich der alte Pfad, vorbei am Wachtturm Linzenshäuschen,<br />

im Walde verliert.<br />

Verdächtig war also der Weg <strong>und</strong> manches, was von Zeit zu Zeit darauf geschah. Es ist<br />

deshalb nicht von ungefähr, dass beide Stadtmauern ihn abriegelten <strong>und</strong> mit Türmen zu unterdrücken<br />

versuchten. Es ist auch ein Stück mittelalterliche Religionsgeschichte zu Aachen.<br />

Noch zu Anfang des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts ging das Gerücht vom lärmenden Umhertoben eines<br />

nächtlichen Gespenstes auf dem Wall zwischen Marschier- <strong>und</strong> Jakobstor um. Einige wollen darin<br />

"den lebendigen Höllenh<strong>und</strong>", andere "einen vor Jahren Ermordeten", wieder andere "einen flammenspeienden<br />

Drachen im Roseturm" oder den Teufels- oder Werwolf gesehen, viele "ein furchtbares<br />

Gebrüll auf dem Walle", "heulend <strong>und</strong> mit Ketten rasselnd" gehört haben.<br />

Das Wesen jener heidnischen Kultumzüge lebt auch heute noch im Brauchtum weiter, sei<br />

es in den verchristlichten Formen der abendlichen Martins- <strong>und</strong> Nikolausumgänge oder als letzter<br />

Überrest rein heidnischen Treibens im Karneval.<br />

18


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Bis zum Jahr 1777, dem Jahr der ersten Erstellung eines Stadtplans von Aachen, hat sich vor den<br />

Stadtmauern nicht viel verändert. Das Umfeld der Südstraße entspricht noch den Darstellungen<br />

aus der Zeit Merians, nun allerdings kartographisch dargestellt, wobei offen ist, ob die bei Merian<br />

dargestellte Hecke zwischen Stadtmauer <strong>und</strong> Paunelle hier nun als Wegedarstellung aufzufassen<br />

ist (rechte Bildmitte). Interessant sind darüber hinaus die Bezeichnungen der Straßen <strong>und</strong><br />

Wege sowie der Mühlen <strong>und</strong> Höfe.<br />

Abb. 42: Ausschnitt aus dem Copzoo-Plan von 1777, mit dem Bereich der heutigen Südstraße (östlich der Pau) vor der Stadtmauer bis zur "Aachener<br />

Heide" (Stadtarchiv Aachen).<br />

19


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

1.3 Nach der französischen Revolution<br />

Mit der Besetzung des Rheinlandes durch französische Truppen im Jahr 1794 wurden die Aachener<br />

Stadtmauern geöffnet. Mit Datum 10. September 1804 fordert ein Dekret Napoleons die<br />

innere Stadtmauer abzureißen, die äußere Instand zu setzen, die Gräben zuzuschütten <strong>und</strong> Promenaden<br />

anzulegen.<br />

Die voranschreitende Industrialisierung forderte ihren Platz <strong>und</strong> so begann Aachen über die<br />

Stadtmauer hinauszuwachsen. Laut Bekanntmachung des Aachener Oberbürgermeisters vom 7.<br />

Januar 1823 wurde der Auftrag zum Abbruch des Karlsturms gegeben, die aber offensichtlich,<br />

wie spätere Stadtpläne belegen, nicht ausgeführt wurde.<br />

Abb. 43: Ausschnitt aus der Tranchot-Karte von 1820: auf der Karte ist gut zu erkennen, wie sich das Gebiet um die Südstraße (schmaler Weg<br />

unmittelbar von der südlichen Stadtmauer abgehend) zwischen mittelalterlicher Stadt <strong>und</strong> den hügeligen Ausläufern des Aachener Waldes<br />

erstreckt.<br />

20


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 44: Ausschnitt aus dem Rappard-Plan von 1860: Die Stadtmauer ist im Bereich des Bahnhofs (rechter Bildrand) um 1860 bereits geschleift, aber<br />

zwischen Marschiertor <strong>und</strong> Jakobstor noch erhalten. Gut zu erkennen sind das Rostor mit der Pau (links), der Karlsturm mit der Wegeverbindung zur<br />

Paunelle (heutige Südstraße, Mitte links von der Fabrik Waldhausen), der Große Paunellenturm mit der Paunelle (Mitte rechts), der Kleine<br />

Paunellenturm <strong>und</strong> das Marschiertor (rechts).<br />

21


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Das Vorfeld vor der Mauer war, wie auch auf älteren Darstellungen zu sehen ist, bis zur Aachener<br />

Heide von jeher durch Felder, etwas Buschwerk <strong>und</strong> schmale Wege geprägt. Mit der Pau <strong>und</strong><br />

Paunelle flossen zwei Bäche hindurch. Die frühen Industriestandorte waren auf natürliche Wasservorkommen<br />

angewiesen, so dass auch das Umfeld der heutigen Südstraße für solche Ansiedlungen<br />

interessant war.<br />

Im Rappard-Plan von 1860 sind die ersten Fabriken im heutigen Reumont-Viertel eingetragen,<br />

doch sind die Flächen überwiegend noch landwirtschaftlich genutzt (Ackerflächen, auch Obstwiesen).<br />

Auf dem Abschnitt entlang des heutigen Boxgrabens war die Stadtmauer noch nicht<br />

geschleift. Die Paunelle floss offen entlang der heutigen oberen Südstraße. Die Karlsgasse als<br />

Vorgänger der heutigen Südstraße verläuft als leicht gew<strong>und</strong>ener Weg bis zur Paunelle, ohne<br />

dort einen erkennbaren Übergang als Furt oder Steg zu haben.<br />

Doch die neue Zeit wirft bereits ihre Schatten voraus <strong>und</strong> bringt das Reumont-Viertel in eine<br />

Insellage: Im Norden begrenzt durch die Stadtmauer, im Süden durch den Bogen der neuen<br />

Bahnlinie Aachen - Düsseldorf.<br />

Abb. 45: Von der Mitte nach links: Der Rheinische Bahnhof (heute Hauptbahnhof) mit früherem Empfangsgebäude <strong>und</strong> Bahnhofsplatz, Marschiertor<br />

<strong>und</strong> vor der Stadtmauer das Gelände der Tuchfabrik <strong>und</strong> Färberei Waldthausen mit parkähnlich bepflanzter Umgebung, ca. 1869. [24]<br />

1.4 Die Gründerzeit von 1864 - 1918<br />

Das Jahr 1864 kann man als das Jahr des Beginns der städtebaulichen Entwicklung des Reumont-<br />

Viertels bezeichnen. Die Promenade entlang der (ehemaligen) Stadtmauer erhielt den Namen<br />

Boxgraben, möglicherweise - als eine der vielen Erklärungen - hervorgegangen aus einer seit<br />

langem überlieferten Bezeichnung "an Bocksgraff", was sich auf eine hier irgendwo ansässig<br />

gewesene begüterte Patrizierfamilie Buck bezieht.<br />

1868 bezeichnet das Aachener Adressbuch die heutige Südstraße als "extra muros" (außerhalb<br />

der Mauer) gelegene "2. Seitenstraße des Boxgrabens" mit drei unbewohnten Häusern. 1872<br />

werden das 1.-5. Haus <strong>und</strong> die Tuchfabrik "Franckenhoff" (ohne Nummer) in der späteren Blockinnenfläche<br />

erwähnt.<br />

22


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

Abb. 46: Der sog. Capellmann-Plan zeigt den Bestand aus der Zeit 1873-1876 (Quelle: Stadtarchiv Aachen).<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

23


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Der Capellmann-Plan aus Zeit 1873 - 1876 zeigt mit interessanten Details den Zustand des<br />

Reumont-Viertels zu Beginn dieser Entwicklung: Die Stadtmauer steht noch weitgehend einschließlich<br />

des Karlsturms zwischen Krakaustraße <strong>und</strong> späterer Südstraße, ist aber bereits im<br />

Bereich der Stephanstraße <strong>und</strong> der Kasernenstraße beseitigt. Der Boxgraben wird als Boxgrabenstraße<br />

bezeichnet. Im nördlichen Teil der Südstraße <strong>und</strong> auf er Südseite des Boxgrabens sind die<br />

ersten Häuser errichtet. Die Erschließung deutet sich erst mit Teilabschnitten im Verlauf der Südstraße<br />

<strong>und</strong> der Reumontstraße an. Man kann noch sehr deutlich verfolgen, wie der Ponellbach<br />

in seinem Lauf verschiedenen Mühlen <strong>und</strong> Fabriken dient. Insbesondere im Bereich der Schleifmühle<br />

sind hierzu interessante Details zu erkennen. Die Eisenbahnlinie ist bereits mit einem<br />

Durchlass für die Paunelle <strong>und</strong> einem Übergang im Bereich des heutigen Fußgängertunnels in<br />

Verlängerung der Mariabrunnstraße dargestellt.<br />

1876 wurden weitere Teile der Stadtmauer vom Marschiertor bis zur Stephanstraße abgebrochen.<br />

Bis zu diesem Zeitpunkt verlief die städtebauliche Entwicklung, nicht nur im Bereich der<br />

Südstraße, weitgehend planlos.<br />

Am 15. August 1876 übernahm Hermann Josef Stübben als Stadtbaurat die Leitung des Bauamtes<br />

[6]. Stübben war später einer der wichtigsten Theoretiker <strong>und</strong> Praktiker des sich zu diesem<br />

Zeitpunkt entwickelnden modernen Städtebaus (u.a. durch seine späteren Planungen für die<br />

Kölner Stadterweiterung zwischen Stadtmauer- <strong>und</strong> Eisenbahnring), der in Aachen den Gr<strong>und</strong>stein<br />

seiner Karriere legte.<br />

Abb. 47: Der Boxgraben, vom Hubertusplatz aus gesehen [5].<br />

1879 arbeitete Stübben einen Plan für das ganze Stadtgebiet, "Neuer Bebauungsplan von Aachen"<br />

aus, ein heute selbstverständlicher, für die damalige Zeit ungewöhnlicher Planungsansatz.<br />

Dieser Plan regelte primär die Entwicklung nördlich <strong>und</strong> östlich der Altstadt, aber auch die zukünftige<br />

Entwicklung des "Boxgrabenviertels", wie Stübben das Umfeld der Südstraße bezeichnete<br />

[6]. Hier kritisierte er ausdrücklich die einseitig parzellierende Stadtplanung als "Baustellen-<br />

Fabrikation", bei der Verkehr <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit zu wenig berücksichtigt waren.<br />

24


Abb. 48: "Neuer Bebauungsplan von Aachen 1879" aufgestellt von Hermann Josef Stübben.<br />

In diesem Plan Stübbens sind die Gr<strong>und</strong>züge<br />

für die Erschließung dieses Gebiets mit Südstraße,<br />

Reumontstraße, Mariabrunnstraße <strong>und</strong><br />

Beethovenstraße erstmals zu finden. Die städtebauliche<br />

Struktur der Südstraße geht also<br />

direkt auf die Stübben´schen Planungsvorstellungen<br />

zurück.<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 49: Ausschnitt des Südstraßen-Viertels aus dem "Neuen Bebauungsplan<br />

für Aachen 1879" von Hermann Josef Stübben.<br />

25


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Offenbar parallel zur Aufstellung des "Neuen Bebauungsplans von Aachen" wurde 1878 für die<br />

Südstraße <strong>und</strong> die Straßen in ihrem Umfeld der "Bebauungs-Plan 132a für das Terrain zwischen<br />

der Bergisch-Maerkischen Eisenbahn <strong>und</strong> dem Boxgraben, Marschirsteinweg <strong>und</strong> der Mariabrunnstrasse<br />

zu Aachen" aufgestellt. Bebauungspläne <strong>und</strong> damit das moderne Stadtbaurecht<br />

waren erst durch das preußische Fluchtliniengesetz von 1875 möglich, das den Kommunen gegenüber<br />

privaten Investoren mehr Rechte verschaffte.<br />

Die persönliche Mitwirkung Stübbens<br />

an diesem Plan zeigen zwei<br />

Unterschriften: unter den textlichen<br />

Festsetzungen des Bebauungsplans<br />

am 5. Dezember 1878 <strong>und</strong> am 4.<br />

Juli 1879 unter eine Änderung der<br />

Festsetzungen für den Straßenzug,<br />

der die Blockinnenfläche Südstraße<br />

/ Mariabrunnstraße parallel zu diesen<br />

Straßen teilen sollte <strong>und</strong> den<br />

Namen Händelstraße geführt hätte.<br />

Auch hier wieder ein für die damalige<br />

Zeit ungewöhnliches, heute<br />

selbstverständliches Vorgehen, in<br />

einem zweistufigen Verfahren zunächst<br />

die groben Züge der Bebauungsplanung<br />

zu bestimmen, um<br />

dann in einem zweiten Schritt die<br />

Details einzelner Stadtviertel festzulegen.<br />

Bis heute bestimmt das<br />

Baugesetzbuch, dass Bebauungspläne<br />

aus dem Flächennutzungsplan<br />

zu entwickeln sind. Stübben<br />

hat mit seinem Bebauungsplan für<br />

die Südstraße in der damals noch<br />

sehr jungen <strong>Geschichte</strong> des Stadtbaurechts<br />

auch ein wenig Stadtbaugeschichte<br />

geschrieben.<br />

In der Planunterlage <strong>und</strong> den Festsetzungen des Bebauungsplans kann man interessante Details<br />

entdecken:<br />

# Der Verlauf der alten Stadtmauer ist noch enthalten, der ursprüngliche Verlauf der<br />

Paunelle, die ersten Gebäude der Südstraße, insbesondere aber das völlig andere<br />

Erschließungssystem, das damals geplant war.<br />

# Die Südstraße bildet die Haupterschließung, die Mozartstraße ist eine nachgeordnete<br />

Straße, der heute von der Beethovenstraße hinter dem ehemaligen Finanzamt<br />

abgehende Wohnweg ist eine durchgehende Straße.<br />

# Insbesondere ist aber die Blockinnenfläche zwischen Südstraße <strong>und</strong> Mariabrunnstraße<br />

stärker geteilt, was erklärt, weshalb so lange eine Baulücke gegenüber der<br />

Einmündung Beethovenstraße bestand: Die Beethovenstraße sollte bis zur Mariabrunnstraße<br />

durchgezogen <strong>und</strong> von einer Straße parallel zur Mariabrunnstraße gekreuzt<br />

werden, die vom Boxgraben auf den heutigen Fußweg unter der Eisenbahn<br />

treffen sollte. Da diese Erschließung nie gebaut wurde, befindet sich heute zwischen<br />

Südstraße <strong>und</strong> Mariabrunnstraße die weite Blockinnenfläche.<br />

26<br />

Abb. 50: Von Stübben unterzeichnete Festsetzungen des Bebauungsplans.<br />

Abb. 51: Die von Stübben vorgenommene Änderung der Festsetzung im Bebauungsplan.


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

Abb. 52: Bebauungsplan Nr. 132a von 1878 mit handschriftlichen Vermerken von Hermann Josef Stübben.<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

27


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Dem Bebauungsplan sind die Baufluchten <strong>und</strong> der Straßenquerschnitt zu entnehmen, für die<br />

Südstraße war das ein Querschnitt von 15 m Breite mit 9 m Fahrbahn <strong>und</strong> jeweils 3 m breiten<br />

Trottoirs. Darüber hinaus wird 1889 festgesetzt: "Eckabstumpfungen der Straßenfluchtlinien von<br />

je 3 Meter Länge in der Schrägen gemessen an folgenden Stellen: zwei Ecken an dem Punkte M<br />

(Südstraße/Boxgraben), zwei Ecken an dem Punkte N (Südstraße/Beethovenstraße), zwei Ecken<br />

an dem Punkte E (Südstraße/Reumontstraße)." Diese gebrochenen Ecken sind bis heute an den<br />

Gebäuden zu erkennen.<br />

Die Akte für den Ausbau der Südstraße beginnt mit einem Schreiben vom 25. November 1886<br />

<strong>und</strong> wird erst mit einem Enteignungsvollzug am 8. Juni 1931, also nach einem Verfahren von 45<br />

Jahren Dauer geschlossen! Die Ursache liegt darin, dass es ein langwieriges Kauf-/Enteignungsverfahren<br />

über Straßenflächen auf der westlichen Straßenseite der Südstraße an der Einmündung<br />

Boxgraben mit einer juristischen Auseinandersetzung über mehrere Instanzen gab.<br />

Finanziert wurde der Straßenbau durch<br />

die "Südend-Straßenbau GmbH". Neben<br />

den Terraingesellschaften "AG Frankenberg:<br />

Rehm-Viertel <strong>und</strong> Steffens-Viertel"<br />

gab es unter anderem auch die am 14.<br />

Juni 1905 gegründete "Südend Straßenbau<br />

GmbH", die sich um den Ausbau im<br />

Bereich der Südstraße kümmerte. Gebaut<br />

wurde bereits ab 1903 das südliche<br />

Ende der Südstraße als Verbindung mit<br />

der Goethestraße <strong>und</strong> Schillerstraße sowie<br />

der Viadukt der Eisenbahn. Die Kosten<br />

hierfür wurden durch Schuldverschreibungen<br />

zu 4,5 % gedeckt. Hierzu<br />

wurden in den Jahren 1905, 1906, 1908,<br />

1913 <strong>und</strong> 1914 jeweils 400 Schuldverschreibungen<br />

zu je 1.000 Mark ausgestellt,<br />

die dann von 1920 bis 1922 vollständig<br />

in Teilbeträgen zurückgezahlt<br />

wurden. Das Kapital betrug 1905 40.000<br />

Mark <strong>und</strong> 1920 noch 20.000 Mark. Den<br />

ersten Vorstand bildeten die Herren Alfred<br />

Heusch, Carl Delius, Louis Beissel<br />

<strong>und</strong> <strong>Richard</strong> Capellmann. Am 21. Mai<br />

1938 wurde die GmbH in eine KG umgewandelt.<br />

Eine dieser als "sehr selten" eingestuften Schuldverschreibungen über 1.000 Mark zugunsten von<br />

Herrn Regierungsrat L. Beissel zu Aachen vom 31. Juli 1905 wurde im Jahr 2007 im Internet für<br />

125 EUR als historisches Wertpapier zum Kauf angeboten. Durch weitere Urk<strong>und</strong>enangebote im<br />

Internet ist bekannt, dass am 30. September 1905 L. Beissel zumindest eine weitere Schuldverschreibung<br />

über 1.000 Mark zeichnete.<br />

28<br />

Abb . 53: Schuldverschreibung der "Südend-Straßenbau GmbH".


Die Stadtpläne vom Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

bis in die 30er Jahre des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts haben<br />

etwas voreilig diese ursprünglich geplante<br />

Erschließung des Viertels übernommen. So<br />

sollte beispielsweise die Unterführung Mariabrunnstraße<br />

als Händelstraße auf die verlängerte<br />

Beethovenstraße treffen <strong>und</strong> der östliche<br />

Teil der Beethovenstraße den Namen Villenstraße<br />

führen. Der heutige, nie in ganzer Länge<br />

ausgebaute Wohnweg hinter dem ehemaligen<br />

Finanzamt sollte Karmeliterstraße heißen, die<br />

heutige Karmeliterstraße hieß statt dessen Ponellstraße.<br />

In der Mariabrunnstraße (neben der ehemaligen<br />

Bäckerei Röhlen) gab es schon immer ein<br />

kurzes Stück Straßeneinmündung (jetzt wurde<br />

daraus der breite Zugang zur 1998/99 erbauten<br />

Kindertagesstätte). Die Baulücke in der<br />

Südstraße als Gegenstück dazu ist beim Bau<br />

des Bunkers verloren gegangen. Die Verbindung<br />

war lange Zeit ein Trampelpfad.<br />

Die Zeit nach 1900 war für das Reumont-Viertel<br />

eine Zeit mit einer aufregenden Entwicklung:<br />

# Am 21. Dezember 1905 ist der<br />

Neubau des Hauptbahnhofs an<br />

der Stelle des Rheinischen Bahnhofs<br />

nach achtjähriger Bauzeit<br />

fertiggestellt. In Verbindung mit<br />

dem Bahnausbau steht die Anlage<br />

der heutigen Straßenzüge Hackländerstraße,<br />

Zollamtstraße, Reumontstraße,<br />

Mozartstraße, Weberstraße<br />

<strong>und</strong> Habsburger Allee.<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

Abb. 54: Stadtplan von 1906<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 55: Stadtplan von 1910, in dem die Punkte die damaligen<br />

Fabrikstandorte <strong>und</strong> Gewerbebetriebe bezeichnen.<br />

# Durch den Umbau der Bahnanlagen mit den neuen niveaufreien Gleisquerungen im<br />

Zuge der Südstraße (1905) <strong>und</strong> Weberstraße (1907) wurde das Reumont-Viertel aus<br />

der Randlage befreit <strong>und</strong> der Weg war frei für die Erschließung des Südviertels. In<br />

den Jahren 1903 bis 1910 erfolgt die Aufschließung des Südviertels mit südlicher<br />

Südstraße, Goethestraße <strong>und</strong> Schillerstraße (1903), Körnerstraße <strong>und</strong> Limburger<br />

Straße (1904), Arndtstraße (1906), Kaiser-Friedrich-Allee (1906/09), Kanalisierung<br />

Maria-Theresia-Allee <strong>und</strong> Anlage Salierallee (1909).<br />

# Am 2. Oktober 1896 hatte die Stadt an der Goethestraße das Gelände um Mariabrunn<br />

erworben <strong>und</strong> 1905 begann der Bau des St. Elisabeth-Krankenhauses. 1903<br />

wurde das Hotel-Restaurant "Barbarossa" erbaut. An der jenseits der Bahnlinie verlaufenden<br />

Goethestraße entstanden die Bergschule (1904) <strong>und</strong> die Maschinenbauschule<br />

(1907). An der Südstraße eröffnete die Kunstgewerbeschule ihre Pforten<br />

(1908), dann die neu errichtete Volksschule an der Reumontstraße (1909).<br />

29


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Der Ursprung der Reumontstraße war der 1858 fertiggestellte Bahnhofsvorplatz des Marschiertorbahnhofs.<br />

Noch in der Stadtkarte von 1925 heißt die östliche Reumontstraße Marschiertorbahnhofs-Platz.<br />

In einem Stadtplan von 1877 ist gegenüber dem Marschiertorbahnhof ein Gebäude<br />

mit der Bezeichnung Telegraphen-Bau-Anstalt zu finden. Es dient später als Wohnhaus.<br />

Nachdem die Reumontstraße ausgebaut war, wurde das Gebäude komfortabel ausgebaut <strong>und</strong><br />

diente bis zu seiner Zerstörung im 2. Weltkrieg den Bahndirektoren als Dienstwohnung. Das<br />

parkähnliche Gr<strong>und</strong>stück umfasste das gesamte Gelände der 1954 errichteten <strong>und</strong> heute modernisierten<br />

Eisenbahner-Miethäuser an der Reumontstraße.<br />

Abb. 56: Aachener Nachrichten, 27. Juli 2004.<br />

Bei Erzählungen wird immer wieder das Phänomen der Abgrenzung zwischen "oberer" (von der<br />

Eisenbahnunterführung bis zur Beethovenstraße) <strong>und</strong> "unterer" Südstraße (von der Beethovenstraße<br />

bis zum Boxgraben) deutlich, das man auch heute noch als Hinzugezogener empfindet.<br />

Früher "kämpften" die Jugendlichen von oberer <strong>und</strong> unterer Südstraße gegeneinander, heute<br />

findet das Straßenfest nur in der oberen Südstraße statt. Der Unterschied erklärt sich in keinem<br />

Fall aus der Pfarrgrenze, denn diese teilt die Südstraße in Nord-Süd-Richtung (westlich St. Jakob<br />

später Heilig Geist, östlich St. Marien).<br />

Der Ursprung erklärt sich vermutlich aus sozialen Unterschieden, die zurückgehen in die Gründerzeit<br />

der Straße <strong>und</strong> seitdem tradiert werden:<br />

30


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

# Interessant ist die Verteilung der Ersterrichtungsjahre in der oberen <strong>und</strong> unteren<br />

Südstraße: In der unteren Südstraße wurden 21 Gebäude (= 70 %) vor 1900 errichtet,<br />

in der oberen Südstraße 19 (= 86 %) 1900 oder später. Die Gebäude in der<br />

oberen Südstraße sind damit deutlich jünger <strong>und</strong> waren deshalb auch besser <strong>und</strong><br />

großzügiger ausgestattet (z.B. breitere 3-Fenster-Häuser, höhere Geschossdecken in<br />

den oberen Etagen, größere Hofflächen).<br />

# Die neuen Wohngebiete jenseits der Bahnanlagen hatten für die weitere Entwicklung<br />

der Straße eine erhebliche Bedeutung. Die Südstraße wurde zur Einkaufsstraße<br />

des vornehmen Südviertels. Und da hier gutbetuchte Bürger einkauften, gab es<br />

immer wieder auch entsprechend hochwertige Läden, vor allem in der oberen Südstraße,<br />

dem Einfallstor aus dem Südviertel: Buchbinder, Druckerei <strong>und</strong>, nicht zu<br />

vergessen, auch eine Wäscherei mit Heißmangel, da man selbstverständlich nicht<br />

selber wusch, sondern waschen ließ. Auch die auffallend vielen Schneider, die in der<br />

oberen Südstraße wohnten <strong>und</strong> arbeiteten, erklären sich möglicherweise hieraus.<br />

Und an der Ecke Reumontstraße/Südstraße gab es einen Tennisplatz - ein Sport der<br />

damals nicht gerade zum populären Breitensport zählte.<br />

# Der massive Ausbau der öffentlichen Einrichtungen im Umfeld der Südstraße taten<br />

ein Übriges für den guten Ruf, aber auch die Teilung der Südstraße. Die Kunstgewerbeschule<br />

mit ihren eigenwilligen Schülern <strong>und</strong> Professoren war mit ihrem Zugang<br />

auf die obere Südstraße orientiert, große öffentliche Einrichtungen lagen jenseits<br />

der Bahn, so dass auch hier die obere Südstraße einen Lagevorteil für dieses<br />

bessere Publikum hatte.<br />

Hierin liegt vermutlich die Erklärung für die bis heute spürbare soziale Trennung zwischen oberer<br />

<strong>und</strong> unterer Südstraße: In der oberen Südstraße gab es die besseren Wohnungen, hier verkehrte<br />

das wohlhabendere, "bessere" Publikum (von der unteren, eher kleinbürgerlichen Südstraße gerne<br />

als "Bohemien" bezeichnet), hier gab es die "besseren" Geschäfte. "Oben" <strong>und</strong> "unten" zu sein,<br />

hatte somit in der Südstraße schon immer eine ganz besondere Bedeutung.<br />

Ein Vergleich des Stadtplans von 1925 mit dem Rappard-Plan von 1860 zeigt sehr deutlich die<br />

dargestellte rasante Entwicklung, die das Reumont-Viertel in der Gründerzeit genommen hat:<br />

# Die Stadtmauer ist bis auf das Marschiertor geschleift.<br />

# Der Eisenbahndamm bildet die später durchbrochene neue Zäsur zwischen "Innenstadt"<br />

<strong>und</strong> "Vorstadt".<br />

# Die Bebauung der Südstraße ist bis auf die Baulücke gegenüber der Einmündung<br />

Beethovenstraße abgeschlossen.<br />

# Die Paunelle verschwand verrohrt unter der Erde.<br />

# Nach Osten setzt sich die Reumontstraße von der Südstraße mit einem kleinen Platz<br />

fort, der die heutige Baustruktur an der Ecke Südstraße/Mozartstraße mit der baumbestandenen<br />

Vorfläche als verbliebenem Rest dieses Platzes erklärt. An diesen Platz<br />

schloss sich zum Bahndamm hin zwischen der Mozartstraße <strong>und</strong> dem Kindergarten<br />

am Dossing-Platz ein Sportplatz (Tennisplatz) an.<br />

# Die Mozartstraße ist noch nicht durchgebaut, die Südstraße bildet die Hauptverbindung<br />

aus dem Süden, wo sich unter anderem das Städtische Elisabeth-Krankenhaus<br />

(später Klinikum) angesiedelt hat, in die Innenstadt. Dies erklärt, weshalb heute<br />

noch die Gebäude auf der westlichen Seite vor der Eisenbahnunterführung postalisch<br />

zur "Südstraße" <strong>und</strong> nicht zur "Mozartstraße" gehören.<br />

31


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 57: Ausschnitt des Stadtplans von 1925, überlagert mit dem Rappard-Plan von 1860.<br />

32


1.5 Die Zeit von 1918 - 1945<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs passiert in der Südstraße <strong>und</strong> ihrem Umfeld nicht viel<br />

Neues. Lediglich einzelne Bauten wurden in den 30er Jahren ergänzt (z.B. im Bereich der Beethovenstraße).<br />

Abb. 58: Das Haus Beethovenstraße 1, errichtet<br />

Anfang der 30er Jahre, im Jahr 1960 in seinem<br />

noch weitgehend ursprünglichen Zustand<br />

<strong>und</strong> nach der Modernisierung (Fotos: Karl).<br />

Abb. 59<br />

Über die Jahre der Nazi-Herrschaft ist bisher aus dem<br />

Reumont-Viertel (noch) nicht viel bekannt. In dem Gebäude am<br />

Boxgraben gegenüber der Stephanstraße (Nr. 59 oder 61) war<br />

wohl ein Teil der Ortsgruppenleitung der NSDAP untergebracht,<br />

deren eigentlicher Sitz in der ehemaligen Augenklinik in<br />

der Stephanstraße war.<br />

Abb. 60<br />

Abb. 61<br />

Der 11. April 1944 ist so etwas wie die Schicksalsnacht der Südstraße: In einem Großangriff der<br />

Engländer mit dem Schwerpunkt Burtscheid (<strong>und</strong> vermutlich auch Hauptbahnhof) wurden in nur<br />

21 Minuten von 22.40 bis 23.01 Uhr von ca. 350 Flugzeugen in Bombenteppichen 19 Minen,<br />

4.047 Spreng-, 34.200 Brand- <strong>und</strong> 8.685 Phosphorbrandbomben, also insgesamt fast 47.000<br />

Sprengkörper abgeworfen. Die Folge: 1.525 Tote <strong>und</strong> 969 Verletzte. [7] Nur im letzten Augenblick<br />

erreichten viele Bewohner den Bunker in der Südstraße. Die große Zerstörung der Häuser<br />

entstand durch den kombinierten Einsatz von Sprengbomben, die die Häuser zunächst aufrissen<br />

<strong>und</strong> den nachfolgenden Brandbomben die Nahrung gaben. Viele Bewohner haben in mancher<br />

Nacht furchtlos <strong>und</strong> unter Lebensgefahr sich für den Erhalt der Anwesen eingesetzt, indem sie<br />

versuchten, die Brandbomben unschädlich zu machen.<br />

33


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 62: Eines der wenigen Kriegsbilder, die von der Südstraße existieren. Neben dem zerstörten Haus Nr. 9 sind auf dem Foto die stark<br />

beschädigten Häuser Nr. 11 (rechts ), 7, 5 <strong>und</strong> 3 (links) abgebildet. (Foto: Kuck)<br />

Später wurden die Kinder schulweise aus der Stadt evakuiert, dann auch die Erwachsenen. Am<br />

6. Oktober 1944 wurde amtlich mitgeteilt: "Aus der unter feindlichem Artilleriebeschuss liegenden<br />

Kaiserstadt Aachen ist die Zivilbevölkerung in Sicherheit gebracht worden."<br />

34


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 63: Die untere Südstraße, angesichts der erheblichen Zerstörungen vermutlich im Winter 1945 oder 1946 aufgenommen. Blick in Richtung<br />

Boxgraben, rechts das zerstörte Haus Nr. 9 anschließend die Häuser Nr. 7, 5, 3 <strong>und</strong> 1, links die zerstörten Häuser im Bereich Nr. 14. (Foto Staat)<br />

Am 16. Oktober, als der Riegel der Amerikaner um Aachen geschlossen war, zerstörte ein<br />

Sprengkommando der SS neben weiteren Brücken die Eisenbahnbrücke an der Südstraße. Am<br />

21. Oktober 1944 eroberte nach einer 19-tägigen Schlacht die 9. US-Armee die Stadt Aachen, in<br />

der noch 6.000 Menschen lebten.<br />

Die Bombardierungen haben bis heute noch Folgen, wie die Bauarbeiten am Boxgraben im Jahr<br />

2009 wieder einmal gezeigt haben. So wurde unter anderem an der Weberstraße Ecke Boxgraben<br />

eine verrostete Gasflasche, vermutlich aus den 1930er Jahren, entdeckt. Die Flasche befand<br />

sich in den Resten eines alten Kellers, der zu einem Haus gehörte, das im 2. Weltkrieg ausgebombt<br />

<strong>und</strong> danach nicht wieder aufgebaut wurde. Archäologen fanden in unmittelbarer Nähe<br />

auch zerschmolzenes Glas, was zeigt, welch enorme Hitze in dem Keller nach der Bombardierung<br />

geherrscht haben muss. Im gleichen Bereich wurde auch ein Blindgänger gef<strong>und</strong>en.<br />

35


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 64: Aachener Nachrichten, 4. April 2009<br />

36


1.6 Die Zeit nach 1945<br />

Wiederaufbau<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Die kriegsbedingten Zerstörungen haben das Bild der Südstraße nachhaltig verändert. Mit den<br />

vier Eckhäusern der Südstraße zum Boxgraben <strong>und</strong> zur Reumontstraße fielen in der Südstraße<br />

insgesamt 23 Häuser den Bomben zum Opfer. Viele Häuser hatten Teilschäden. Die Kriegszerstörungen<br />

haben die Südstraße viel von ihrer gründerzeitlichen Substanz gekostet.<br />

Der Wiederaufbau der Häuser ist im Kapitel "Historie der einzelnen Gebäude" detailliert beschrieben.<br />

In den 50er Jahren wurden fast alle Baulücken, teilweise unter Zusammenfassung benachbarter<br />

Gr<strong>und</strong>stücke wieder bebaut.<br />

Zwischen den Häusern Südstraße Nr. 25 <strong>und</strong> 27 war bis Ende der 1950er Jahre die Straßeneinmündung<br />

Beethovenstraße mit einem Zaun abgesperrt. Im Herbst 1959 fiel die Absperrung an<br />

der Einmündung der heutigen Beethovenstraße weg <strong>und</strong> es wurden die Häuser an diesem Teil<br />

der neu entstehenden Beethovenstraße zwischen Südstraße <strong>und</strong> Mozartstraße erbaut. Seither<br />

gibt es den neuen Teil der Beethovenstraße, deren Fortsetzung bis zur Reumontstraße (Gottfried-<br />

Dossing-Platz) es schon Jahrzehnte vorher gab.<br />

In den 60er Jahren hat sich der Bereich Mozartstraße/ Reumontstraße am stärksten verändert.<br />

Dieser Bereich gehörte noch zur Südstraße, da die Mozartstraße als Seitenstraße in die Reumontstraße<br />

mündete <strong>und</strong> eine ruhige Wohnstraße war. Erst seit dem Umbau 1961/62 mit der heutigen<br />

Verkehrsführung gehört diese Seite mit ihren Neubauten postalisch zur Mozartstraße.<br />

Abb. 65: Ausschnitt aus dem amtlichen Plan der Stadt Aachen von 1953.<br />

Die Mozartstraße <strong>und</strong> die Beethovenstraße sind noch nicht<br />

durchgeb<strong>und</strong>en.<br />

Vermeintliche Modernisierungsmaßnahmen in den 1960er <strong>und</strong> 1970er Jahren haben mancher<br />

historischen Fassade, die den Krieg überstanden hat, das Leben genommen. 1983 wurden deshalb<br />

21 noch aus der Gründerzeit erhaltene Gebäude unter Denkmalschutz gestellt.<br />

Kinderspiel in der Nachkriegszeit<br />

Abb. 66: Die alte Straßenbeziehung in die Südstraße (links) <strong>und</strong> die<br />

1961/62 ausgebaute neue Straßenflucht mit Vorrang für die<br />

Mozartstraße. (2002)<br />

In der ersten Nachkriegszeit war die Straßenfläche für die Kinder der Nachbarschaft ein guter<br />

Spielplatz (aber auch in den Trümmern), <strong>und</strong> das blieb so bis etwa zum Ende der 50er Jahre, als<br />

der Autoverkehr immer mehr zunahm. Das Spielen in den Trümmern der zerstörten Häusern<br />

lockte, gut konnte man darin klettern <strong>und</strong> sich verstecken. Es gab Hüpfspiele (z. B. "Himmel <strong>und</strong><br />

Erde" oder "Mutter, wie viele Schritte darf ich tun?") quer über die gepflasterte Straße oder es<br />

wurde mit dem Ball oder Reifen gespielt, <strong>und</strong> natürlich Knicker, auch Roller in verschiedenen<br />

Arten waren im Gebrauch.<br />

37


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Kinder spielten in erster Linie auf den Bürgersteigen <strong>und</strong> auf der Straße, aber es gab noch das<br />

Gelände um den Weiher an der heutigen Beethovenstraße. An der Mozartstraße ging es hinter<br />

einem Gitter über einen kurzen Hang zum östlichen Ufer. Die Uferränder waren begehbar <strong>und</strong><br />

von Bäumen <strong>und</strong> Buschwerk umstanden. Am westlichen Ufer befand sich als Rohr der Überlauf<br />

zur Paunelle. Hier betrug der Abstand zu den rückwärtigen Hofmauern der Häuser der Südstraße<br />

27-31 noch etwa 1,50 Meter. Eine Erinnerung an den Weiher haben noch die älteren Bewohner<br />

der Südstraße: Im Sommer waren in Verbindung mit einer kleinen Insel in der Mitte des Teichs<br />

"Wasserschlachten" zu gewinnen <strong>und</strong> im Winter wurde Schlittschuh gelaufen. Eine besondere<br />

Mutprobe bestand darin, soweit wie möglich in das Überlaufrohr in Richtung Paunelle zu kriechen.<br />

An der Ecke Mozartstraße/ Reumontstraße bot der ehemalige Tennisplatz Kindern jede Möglichkeit<br />

zu spielen. Abgestellte Gerätschaften <strong>und</strong> aufgeschüttete Schuttberge boten genügend<br />

Raum <strong>und</strong> Abwechslung zum Spiel.<br />

Bevor die Beethovenstraße bebaut wurde - der Zaun war inzwischen auch nicht mehr so stabil -<br />

fanden die Jungens der Straße den Weg zu dem tiefer gelegenen Brachgelände am "Weiher"<br />

hinter dem ehemaligen Finanzamt. Dort entstanden sogenannte "Lägerchen" <strong>und</strong> auch im Winter,<br />

bei Schnee, war dort ein beliebtes Gelände zum Spielen.<br />

Als dann der Autoverkehr zunahm <strong>und</strong> das Ballspielen in der Südstraße nicht mehr möglich war<br />

(der "Tennisplatz" existierte da schon nicht mehr), mussten Ersatzflächen her. Eine bot sich neben<br />

dem Priesterseminar in der Beethovenstraße (zwischen Mozartstraße <strong>und</strong> Reumontstraße). Das<br />

störte aber die Beschäftigten des Seminars. Sie verboten es <strong>und</strong> setzten das Verbot auch mit<br />

Hilfe der Polizei durch. Gleich anschließend an die Beethovenstraße, Ecke Reumontstraße, liegt<br />

der Leonhardplatz, heute Gottfried-Dossing-Platz; der "Knubbel", ein lange Zeit dort gelagerter,<br />

hoher Schutthaufen, war damals auch ein beliebter Spielplatz.<br />

Bebauungsplan 841 "Mariabrunnstraße"<br />

Im Sommer 2002 hat der Rat den von Stübben aufgestellten Fluchtlinienplan 132a für den Bereich<br />

der Südstraße aufgehoben <strong>und</strong> den Bebauungsplan 841 "Mariabrunnstraße" zur Satzung<br />

beschlossen. In der Begründung zum Bebauungsplan wird unter anderem ausgeführt:<br />

Städtebauliche Situation<br />

Die Blockrandbebauung ist geprägt durch gründerzeitliche, meist 4- bis 5-geschossige Wohnbebauung,<br />

von der 21 Gebäude unter Denkmalschutz stehen. In den Erdgeschossen befinden sich<br />

z.T. Läden, kleinere Handwerksbetriebe oder Dienstleister. Die Ausstattung mit Einrichtungen für<br />

den täglichen Bedarf ist im direkten Umfeld sehr gut, genau wie die Versorgung mit öffentlicher<br />

Infrastruktur, wie Kindergärten <strong>und</strong> Schulen. Die Südstraße stellt für den Bereich ein Nahbereichszentrum<br />

dar. Im Blockinnenbereich dominiert die altindustrielle, dreischiffigen Shedhalle,<br />

die ehemals von der Fachhochschule für Design genutzt wurde. Nach jahrelangem Leerstand ist<br />

sie nun in einem abbruchreifen Zustand. Die an der Reumontstraße <strong>und</strong> Mariabrunnstraße liegenden<br />

öffentlichen Einrichtungen, die städtische katholische Gr<strong>und</strong>schule, die Montessori-Gr<strong>und</strong>schule<br />

mit dem Kinderhaus an der Reumontstraße 52, die städtischen Kindergärten<br />

Reumontstraße 52 <strong>und</strong> Mariabrunnstraße 17 verfügen im Blockinnenbereich über einen Restteil<br />

der Freiflächen.<br />

Planungsrechtliche Situation<br />

Im Flächennutzungsplan der Stadt Aachen von 1980 ist das Blockinnere zu einem großen Teil als<br />

Grünfläche für die Entwicklung einer Spielfläche der Kategorie A mit zentraler Versorgungsfunktion,<br />

die umgebenden Randbereiche als Wohnbaufläche dargestellt. Eine Verbindung der Grünfläche<br />

mit den umgebenden Straßen soll hergestellt werden.<br />

38


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Anlass der Planung<br />

Die im Planungsgebiet vorhandenen Schulen <strong>und</strong> Kindergärten haben einen erheblichen Bedarf<br />

an zusätzlichen Freiflächen <strong>und</strong> Räumlichkeiten (Turnhalle). Durch den Kauf des landeseigenen<br />

Gr<strong>und</strong>stücks der ehemaligen Werkkunstschule, das bereits seit langem brachliegt, besteht die<br />

Möglichkeit diesen Bedarf weitgehend zu realisieren. Weiterhin kann das Ziel des Flächennutzungsplanes,<br />

die Schaffung eines Kinderspielplatzes, in diesem Bereich umgesetzt werden.<br />

Allgemeine Ziele<br />

Vorrangiges Ziel des Bebauungsplans ist die Umsetzung der Vorgaben des Flächennutzungsplanes.<br />

Die Schaffung einer öffentlichen Grünfläche im Blockinnenbereich dient der Bedarfsdeckung<br />

von Spielbereichen für die angrenzenden Kindergärten <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulen <strong>und</strong> der Behebung<br />

des erheblichen Defizits an öffentlichen Spielflächen in diesem hoch verdichteten Wohnbereich.<br />

Zusätzlich ist vorgesehen, die Freiflächen der Schulen <strong>und</strong> Kindergärten zu erweitern<br />

<strong>und</strong> die Schulhoffläche der Gr<strong>und</strong>schule so zu vergrößern, dass auch der Neubau einer Turnhalle<br />

ermöglicht werden kann. Von der Südstraße zur Mariabrunnstraße wird eine Fußwegverbindung<br />

durch den Blockinnenbereich geschaffen, um die Spielflächen <strong>und</strong> öffentliche Einrichtungen<br />

anzubinden.<br />

Was sonst noch geschah<br />

Am 11. März 1973 verkehrte zwischen Hauptpost <strong>und</strong> Goethestraße, <strong>und</strong> damit auch in der<br />

Südstraße, die letzte Straßenbahn. Im August 1973 wurde nach Stilllegung der Straßenbahn das<br />

Pflaster der Fahrbahn der Südstraße gegen Asphalt ausgetauscht <strong>und</strong> auch der Gehweg erhielt<br />

anstelle des Pflasters einen Plattenbelag. Ein Jahr später, zum 1. August 1974, wurde die Südstraße<br />

von der Reumontstraße in Richtung Boxgraben zur Einbahnstraße.<br />

Am 1. Februar 1989 wurde zur Parkraumbewirtschaftung<br />

"Anwohnerparken" eingeführt.<br />

1991/92 wurde die Südstraße mit Parkstreifen<br />

<strong>und</strong> Baumpflanzung umgestaltet <strong>und</strong> die Einbahnstraßenregelung<br />

mit Ausnahme des Einmündungsbereichs<br />

Boxgraben (für Radfahrerfrei)<br />

aufgehoben - doch bis heute wird überwiegend<br />

auf beiden Straßenseiten in der ehemaligen<br />

Einbahnrichtung geparkt <strong>und</strong> es traut<br />

sich kaum jemand, entgegen der ursprünglichen<br />

Richtung zu fahren.<br />

Seit 1994 findet in der oberen Südstraße fast<br />

jedes Jahr ein Straßenfest statt.<br />

Abb. 67: Aushub für die Baumscheibe vor Haus Nr. 50/52 (1992).<br />

Abb. 68: Straßenfest in der Südstraße 1994<br />

39


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 69<br />

40


Abb. 70: Luftbild mit dem südlichen Bereich der Südstraße, Reumontstraße<br />

im Vordergr<strong>und</strong>, Beethovenstraße im rechten Bildhintergr<strong>und</strong>.<br />

Abb. 72: Luftbild mit dem Bereich der Südstraße (rechts von der Bildmitte) vom 15. Mai 1998.<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 71: Luftbild mit dem südlichen Bereich der Südstraße <strong>und</strong> den<br />

Hallen der ehem. Fachhochschule.<br />

41


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Lärmminderungsplanung<br />

Nach B<strong>und</strong>es-Immissionsschutzgesetz war die Stadt Aachen als Ballungsraum verpflichtet, Lärmkarten<br />

für das Stadtgebiet zu erstellen <strong>und</strong> zu veröffentlichen. Sie zeigen einen der Gründe,<br />

weshalb die Südstraße als Wohnstandort so attraktiv ist: Es herrscht dafür, dass man sich mitten<br />

in der Großstadt befindet, weitgehend so etwas wie Ruhe.<br />

Abb. 73: Lärmkarte ganztags Abb. 74: Lärmkarte nachts<br />

Ganztags gelten 65 dB(A) als Grenze zu ges<strong>und</strong>heitsschädigenden Wirkungen des Lärms. Massiv<br />

betroffen ist der Boxgraben <strong>und</strong> auch die Mozartstraße. Teilweise strahlt der Lärm tief in die<br />

einmündenden Straßen ein (Reumontstraße/ Südstraße). Immer noch erstaunlich laut, aber unterhalb<br />

der ges<strong>und</strong>heitsgefährdenden Schwelle sind die Südstraße, Reumontstraße <strong>und</strong> Beethovenstraße.<br />

Nachts gelten 55 dB(A) als ein Maß, bei dem Schlaf massiv gestört wird <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsgefährdungen<br />

nicht ausgeschlossen werden können. Hier ist das gleiche Bild wie beim<br />

Ganztags-Pegel zu finden: Extrem laut der Boxgraben <strong>und</strong> auch die Mozartstraße, verträglich die<br />

drei inneren Straßen außerhalb der Einmündungen zum Boxgraben <strong>und</strong> zur Mozartstraße.<br />

42


2. BESONDERHEITEN DER SÜDSTRASSE<br />

2.1 Die Bäche Pau <strong>und</strong> Paunelle<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Das Quellgebiet der Pau/Paunelle liegt im Gebiet um den Colynshof. Nach Meinung verschiedener<br />

Autoren floss die Pau ursprünglich durch das Bett der heutigen Paunelle, doch bereits in<br />

römischer Zeit sei die Pau zum Stadtkern umgeleitet worden [8], um Frischwasser in den Innenstadtbereich<br />

(Markt) zu leiten. Ein Teil des Wassers der Pauquelle floss weiterhin im alten Bachbett.<br />

Gestärkt durch kleine Zuläufe trug dieser Bach fortan den Namen Paunelle oder Ponellbach,<br />

was so viel wie "Kleine Pau" bedeutet. Andere Autoren gehen davon aus, dass beide Bäche, Pau<br />

<strong>und</strong> Paunelle, immer unabhängig voneinander bestanden haben, aufgr<strong>und</strong> der Topografie ist das<br />

jedoch eher unwahrscheinlich.[9]<br />

Abb. 75: Die Bäche <strong>und</strong> Teiche im Umfeld der Südstraße in ihrem<br />

ursprünglichen Verlauf (Plan: Stadt Aachen).<br />

Abb. 76: Früherer Verlauf der Bäche (durchgezogene Linien) <strong>und</strong><br />

heutiger, überwiegend unterirdischer Verlauf (gestrichelte Linien) (Plan:<br />

Stadt Aachen).<br />

An der Paunelle lagen zwischen Hangeweiher <strong>und</strong> Adalbertstraße drei Mühlen:<br />

# "Schleifmühle" (oberschlächtig) mit ihren Mühlenteichen in etwa auf dem Gelände<br />

der FH an der Goethestraße als Ölmühle, später Wollspinnerei,<br />

# "Pulvermühle" zwischen Beethovenstraße <strong>und</strong> Boxgraben <strong>und</strong> die<br />

# Kupfermühle an der Karmeliterstraße (heute Geschäftshaus Karmeliterstraße / Franzstraße),<br />

die früher Paunellengasse hieß.<br />

Von der Pau gibt es heute nur noch ein offenes Teilstück an der Kaiser-Friedrich-Allee, das am<br />

"Wassermann" beginnt. Sie bildet den Zufluss zum Hangeweiher, der schon zur Zeit der Mühlen<br />

(ab ca. 12. Jahrh<strong>und</strong>ert) die Funktion eines Rückhaltebeckens hatte.<br />

43


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Ein exzellent erhaltenes Teilstück des Paubachkanals<br />

ist im Jahr 2009 beim Ausbau des Boxgrabens<br />

dicht unter der Straßenoberfläche der<br />

Weberstraße freigelegt worden. Archäologen<br />

haben inmitten des heutigen Straßenverlaufs<br />

an der Einmündung zum Boxgraben unter anderem<br />

das Mauerwerk eines Absetzbeckens<br />

entdeckt, das vermutlich aus dem 15. oder 16.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert stammt. Es enthielt Verfüllungsmaterial<br />

aus dem 19. Jahrh<strong>und</strong>ert, so dass der<br />

Kanal vermutlich bis in diese Zeit noch benutzt<br />

wurde. Der Kanal selbst entspricht dem Verlauf<br />

der Pau seit dem frühen 14. Jahrh<strong>und</strong>ert. Die<br />

Pau floss damals offen <strong>und</strong> nicht wie heute in<br />

einem unterirdischen Kanal.<br />

R<strong>und</strong> zehn Meter weiter östlich in Richtung<br />

Hubertusplatz <strong>und</strong> in vier Metern Tiefe wurde<br />

bei den gleichen Bauarbeiten Überreste eines<br />

sehr alten Paubachkanals entdeckt, die möglicherweise<br />

aus karolingischer oder sogar römischer<br />

Zeit stammen. Der rötliche Mörtel<br />

deutet auf diese Epochen hin. Das eingewölbte<br />

F<strong>und</strong>ament ist mit 70 cm Innendurchmesser<br />

außergewöhnlich massiv <strong>und</strong> entspricht beinahe<br />

der Größe, mit der im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert Kanäle<br />

gebaut worden sind. Möglicherweise<br />

wurde durch den Kanal Brauchwasser transportiert,<br />

das zum Betrieb von Mühlen verwendet<br />

wurde. Die Verwaltung prüft zz. noch, ob<br />

dieser Kanal in Form eines archäologischen<br />

Fensters dauerhaft sichtbar bleiben soll.<br />

Der unter dem Namen "Wassermann" bekannte<br />

Tritonenbrunnen - Triton war der Sohn des<br />

griechischen Meeresgotts Poseidon <strong>und</strong> der<br />

Göttin Amphitride - stand früher am Hauptbahnhof.<br />

Er wurde dort nach einem Entwurf<br />

von Prof. Carl Burger, Lehrer an der Zeichen<strong>und</strong><br />

Kunstgewerbeschule in der Südstraße, in<br />

den Jahren zwischen 1906 <strong>und</strong> 1910 errichtet.<br />

Wegen des Neubaus des jetzigen Verwaltungsgebäudes<br />

(Hochhaus) am Bahnhofsplatz musste<br />

der Brunnen weichen. 1923 wurde er im<br />

Originalzustand an der Kaiser-Friedrich-Allee<br />

wieder aufgebaut.<br />

44<br />

Abb. 77: Paubachkanal in der Weberstraße,<br />

Aachener Zeitung, 17. 9. 2009<br />

Abb. 78: Der Paukanal am Hubertusplatz, Foto Aachener Zeitung?)<br />

Abb. 79: Der "Wassermann" an der Kaiser-Friedrich-Allee.


Bisher wenig bekannt ist die Tatsache, dass der<br />

Thermalwasserbereich aus dem alten Kurbereich<br />

um den Elisenbrunnen bis zur Reumontstraße<br />

reicht. Dort, wo das neue Schulgebäude<br />

auf dem Gelände der ehemaligen Werkkunstschule<br />

entstanden ist, hätte man auch ein<br />

Thermalbad bauen können.<br />

Abb. 79: Der frühere Verlauf der Paunelle im Umfeld der Südstraße<br />

(Quelle: Stadtarchiv Aachen).<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 80: Blau gepunktet der 17° C-Bereich des Aachener Thermalwassers<br />

(AN, 2008-02-016)<br />

Im Bereich der Südstraße wurde die Paunelle<br />

etwa um 1873 ein Stück verlegt, um eine Bebauung<br />

des Flurstücks "Heusch" zu ermöglichen,<br />

vielleicht auch um die Wasserversorgung<br />

der Spinnerei zu sichern. Vor Ort<br />

kann man sich den damaligen Verlauf ungefähr<br />

in der Linie von der äußeren Kante der<br />

Gewerbehalle im Hof Südstraße 56 zur nördlichen<br />

Ecke des Gr<strong>und</strong>stücks Nr. 48 vorstellen.<br />

Von Bedeutung für den Bereich der Südstraße ist weiterhin der Bodenhofbach. Er entspringt am<br />

ehemaligen Gut Bodenhof (unterhalb der heutigen Weißhausstraße, wo heute das Philips-Zentrallabor<br />

steht). Er kam früher als schmales Bächlein in die Gegend von Gut Trappen, dann in die<br />

Nähe des einstigen Gutes Kamp (an der Ecke der heutigen Kamper Straße zur Habsburger Allee,<br />

südliche Seite). Zu diesem Gut gehörten drei Teiche, die er nach einander durchfloss. Der dritte,<br />

kleinere Teich lag unter der Halle der Kfz-Werkstatt, Kamper Straße 22. Schließlich erreichte der<br />

Bodenhofbach den ehemaligen Weiher an der heutigen Beethovenstraße <strong>und</strong> mündete bis nach<br />

dem Zweiten Weltkrieg als Überlauf des Teiches in die Paunelle. Auf seinem Weg wurde er beim<br />

Bau der Eisenbahnanlagen sowohl durch den Bahndamm auf der Strecke in Richtung Ronheide<br />

nach Belgien als auch von dem höher angelegten Bahngelände in der Nähe der Reumontstraße<br />

überbaut.<br />

45


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

2.2 Die Straßenbahn<br />

Seit dem 17. November 1898 fuhr die Straßenbahn vom Theater bis zum Boxgraben [10], in etwa<br />

bis in Höhe Stephanstraße. Am 6. Dezember 1905 wurde die Strecke vom Boxgraben durch die<br />

Südstraße bis zur Goethestraße, Höhe Haus Mariabrunn, eröffnet <strong>und</strong> am 4. Mai 1910 bis Ronheide<br />

verlängert. Die damalige Linie 3 führte über Franzstraße - Ponellstraße (auch Ponellgasse,<br />

heute Karmeliterstraße) - Boxgraben - Südstraße - Goethestraße. Dort bestand schon seit 1900<br />

das Josephinum (städt. Pflegeanstalt) <strong>und</strong> zwischen 1905 bis 1914 wurde das Elisabethkrankenhaus<br />

gebaut (später Städtische Krankenanstalten <strong>und</strong> von 1966 bis 1982 Klinikum der RWTH<br />

Aachen).<br />

Abb. 81: Der Boxgraben 1905. Die Straßenbahn endet noch im Bildhintergr<strong>und</strong> in Höhe der Stephanstraße. [5]<br />

Abb. 82: Die Straßenbahn auf dem Boxgraben unmittelbar vor der<br />

Einmündung Südstraße am 22. Februar 1970 (Foto: Günter Peters).<br />

46<br />

Abb. 83: Die Straßenbahn biegt am 4. Februar 1973, fünf Wochen vor<br />

Stilllegung der Strecke, vom Boxgraben in die Südstraße ein (Foto:<br />

Günter Peters).


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Die stadtauswärtigen Gleise verliefen in der Südstraße direkt am Bordstein, in etwa dort, wo sich<br />

heute auf der westlichen Straßenseite der Parkstreifen befindet. In der ersten Zeit, solange es<br />

noch größere Baulücken gab, war die Oberleitung an eigens dafür errichteten kunstvollen Masten<br />

befestigt.<br />

Abb. 84: Die Straßenbahn im unteren Teil der Südstraße im März 1963<br />

(Foto: Günter Peters).<br />

Abb. 85: Die Straßenbahn verlässt die Südstraße durch die Eisenbahnunterführung.<br />

An der Brücke ein Toilettenhäuschen. Am rechten Bildrand<br />

die Shell-Tankstelle mit altem Logo. Abb. 86: Straßenbahnbegegnung in Höhe Reumontstraße.<br />

Abb. 87: Die Haltestelle am unteren Ende der Südstraße. [11]<br />

Abb. 88: Die Straßenbahn verlässt am 4. Februar 1973 die Haltestelle<br />

Reumontstraße in Richtung Südstraße (Foto: Günter Peters).<br />

Die Haltestellen im Bereich Südstraße lagen vor der Einmündung in den Boxgraben <strong>und</strong> an der<br />

Ecke Reumontstraße.<br />

47


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Die durch die Südstraße fahrende Straßenbahnlinie war die vorletzte Linie, die am 11. März 1973<br />

zwischen Hauptpost <strong>und</strong> Goethestraße eingestellt wurde, nachdem bereits am 17. August 1970<br />

die letzte Straßenbahn zwischen Goethestraße <strong>und</strong> Ronheide verkehrte.<br />

Abb. 89: Erhaltener Abspannhaken<br />

der Straßenbahnoberleitung<br />

an Haus Nr.<br />

47.<br />

48<br />

Von der Oberleitung<br />

sind in den Fassaden in<br />

ca. fünf Meter Höhe<br />

noch einige Abspannhaken<br />

zu finden. In der<br />

Kreuzung Südstraße/<br />

Boxgraben konnte man<br />

bis zum Umbau des Boxgrabens<br />

im Herbst 2008<br />

die Schienen gut an den<br />

Brüchen im Asphalt erkennen.<br />

Abb. 90: An den Brüchen im Asphalt des Boxgrabens konnte man an<br />

der Einmündung Südstraße die unter der Fahrbahn liegenden<br />

Straßenbahnschienen erkennen (2002).


2.3 Die Fabriken<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Die Fabriken im Umfeld der späteren Südstraße entstanden überwiegend wegen der hier verlaufenden<br />

Bäche Pau, Paunelle <strong>und</strong> Bodenhofbach. Sie boten das notwendige Wasser für bestimmte<br />

Fabrikationsverfahren (z.B. Färberei) oder das Wasser wurde genutzt, Maschinen anzutreiben.<br />

Ursprünglich waren es zumeist Mühlenstandorte, die sich in der Industrialisierung zu<br />

Fabriken entwickelten. Erst später folgten den Arbeitsplätzen die Wohnungen.<br />

Tuchfabrik Waldthausen<br />

Auf dem Gelände der einstigen<br />

Pulvermühle (zeitweilig<br />

Lohmühle <strong>und</strong> auch<br />

Schauermühle genannt), die<br />

das Wasser der Paunelle <strong>und</strong><br />

des Bodenhofbaches nutzte,<br />

gründete am 1. Juli 1850<br />

Robert Waldthausen eine<br />

Tuchfabrik mit Färberei, die<br />

sich zu einem beachtlichen<br />

Betrieb entwickelte. Sie befand<br />

sich am Boxgraben auf<br />

dem heutigen Gelände des<br />

Plus-Supermarkts. 1911 wurde<br />

die Fabrik zur Jülicher<br />

Straße 118 verlagert.<br />

Auf der östlichen Seite der Fabrik entstand die prunkvolle "Villa Waldthausen" mit einer weitläufigen,<br />

von einem schmiedeeisernen Gitter umgebenen Parkanlage. Zwischen Villa <strong>und</strong> Fabrik gab<br />

es ein schmuckes Kutscherhaus mit Stall <strong>und</strong> Remise.<br />

Der Rappard-Plan von 1860<br />

zeigt einen mehreckigen Gasometer<br />

am südlichen Kopf<br />

des Gr<strong>und</strong>stücks <strong>und</strong> einen in<br />

einem unregelmäßigen Viereck<br />

angelegten Teich (ca.<br />

2.800 m², etwa anstelle der<br />

heutigen Gr<strong>und</strong>stücke Mozartstraße<br />

12 <strong>und</strong> 12a, bzw.<br />

Beethovenstraße 11-15). Dieser<br />

Teich staute das Wasser<br />

des Bodenhofbachs mit einem<br />

Überlauf in die angrenzende<br />

Paunelle <strong>und</strong> diente<br />

der Tuchfabrik als Wasserspeicher.<br />

Im Zweiten Weltkrieg<br />

wurde er noch als<br />

Löschweiher genutzt.<br />

Abb. 91: Blick auf die Tuchfabrik Erasmus (links), vermutlich etwa 1910. Im Vordergr<strong>und</strong> die<br />

Parkanlage der Villa Delius. Diagonal durch das Bild verläuft der Boxgraben (Foto: Stadtarchiv<br />

Aachen).<br />

Abb. 92: Der Boxgraben 1907: Links die Villa Waldthausen (heute Gebäude der Apotheke), davor<br />

befindet sich heute die Einmündung Mozartstraße.[5]<br />

49


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 93: Annonce in [12].<br />

50


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

1884 hatten die Gebrüder Fritz <strong>und</strong> Albert Erasmus eine "Weberei, Spinnerei, Appretur – Fabrikation<br />

von Woll- <strong>und</strong> stückfarbigen Kammgarnstoffen" gegründet <strong>und</strong> 1911 oder später auf das<br />

freigezogene Fabrikgelände der Firma Waldthausen zum Boxgraben 35-41 verlegt. Um diese Zeit<br />

ist auf dem Fabrikgelände auch noch eine Firma Otto Thywissen, Tuchfabrik, eingetragen. Ein<br />

Herr Otto war der letzte Direktor der Firma "Gebr. Erasmus". Er übernahm den Betrieb <strong>und</strong> gründete<br />

1930 die Firma "Otto&Vogel, vormals Erasmus". Um diese Zeit etwa war auf dem Betriebsgelände<br />

auch das Speditionsunternehmen "Allgemeine Transport Gesellschaft ATG, vormals<br />

Gondrand&Mangili" angesiedelt. In das ehemalige Kutscherhaus zog etwa 1934 die Glaserei<br />

Bayer ein.<br />

Abb. 94: Glaserei Bayer: Das Haus war zuvor die Remise mit Pferdestall <strong>und</strong> Kutscherwohnung, die<br />

Fabrik befand sich rechts. Foto aus den 30er Jahren des vorigen Jahrh<strong>und</strong>erts. (Foto: Quadflieg).<br />

Abb. 96: Innenhof der Tuchfabrik Erasmus<br />

Abb. 95: Innenhof zwischen Wohnhaus<br />

(Remise) <strong>und</strong> Villa Waldthausen im August<br />

1942 (Foto: Quadflieg).<br />

Im Krieg erlitt die Fabrik durch Bomben große Schäden.<br />

So wurde das Kutscherhaus am 4. April 1944 durch<br />

Bomben zerstört. Den Krieg überstand nur die Villa, in<br />

der während des Krieges der Oberbürgermeister Dr.<br />

Lürken wohnte. Später wurde sie abgerissen <strong>und</strong> durch<br />

einen Neubau (heute Mozart-Apotheke) ersetzt.<br />

Die Glaserei Bayer nahm im neu errichteten Gebäude<br />

anstelle des verlorenen Kutscherhauses ihren Betrieb<br />

wieder auf. Nach einigen Jahren übernahm sie der<br />

Schwiegersohn Franz Quadflieg, seit 1984 dessen Sohn<br />

Alfred. Seit 2009 heißt der Inhaber Michael Schmid.<br />

Die Tuchfabrik wurde soweit instand gesetzt, dass für<br />

einige Jahre wieder produziert werden konnte. 1956<br />

kam das Ende <strong>und</strong> in die Gebäude <strong>und</strong> Hallen zog die<br />

anfangs britisch geführte Spedition "Continental Express"<br />

ein. Ihr folgte 1968 der Discounter "Nutzkauf"<br />

(Lebensmittel, Textilien, Schuhe <strong>und</strong> Möbel) <strong>und</strong> die Fa.<br />

BEGECA (Beschaffungsgesellschaft mbH für kirchliche,<br />

caritative <strong>und</strong> soziale Vorhaben in Missionsgebieten<br />

<strong>und</strong> Entwicklungsländern).<br />

51


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

1978/79 erfolgt der gr<strong>und</strong>le<br />

gende Umbau mit Abbruch<br />

von Gebäuden auf dem westlichen<br />

Teil des Gr<strong>und</strong>stücks<br />

zur Vergrößerung des Parkplatzes<br />

<strong>und</strong> Erweiterung der<br />

Halle, die seitdem von der Supermarktkette<br />

Plus genutzt<br />

wird.<br />

Im Dezember 2005 schloss die<br />

Fa. Plus vorübergehend, um<br />

Anfang 2006 die bestehenden<br />

Gebäude abzubrechen <strong>und</strong> als<br />

Neubau einen modernen Supermarkt<br />

auf dem Gelände zu<br />

errichten - einen städtebaulichen<br />

Fortschritt bietet der<br />

Neubau nicht, eher im Gegenteil.<br />

Abb. 101: Ladenhalle der Fa. Plus am<br />

Boxgraben (2004)<br />

Abb. 104: Neubau für eine Bäckerei (2007)<br />

52<br />

Abb. 97: Das ehemalige Nutzkaufgebäude, das<br />

dem Plus-Neubau gewichen ist, 6. Oktober<br />

1978 (Foto: Schlachet)<br />

Abb. 99: Die erhaltene gebliebene Halle, die<br />

heute als Getränkemarkt genutzt wird, 6.<br />

Oktober 1978 (Foto: Schlachet).<br />

Abb. 102: Getränkemarkt im hinteren Teil des<br />

Gr<strong>und</strong>stücks (2004).<br />

Abb. 105: Der schaufensterlose Neubau (2007)<br />

Abb. 98: Ehemalige Verkaufshalle der Fa.<br />

Nutzkauf auf dem heutigen Plus-Parkplatz, 6.<br />

Oktober 1978 (Foto: Schlachet)<br />

Abb. 100: Abbruch der Verkaufshalle am 13.<br />

November 1978 (Foto: Schlachet)<br />

Abb. 103: Parkplatz mit Getränkemarkt (2004)<br />

Abb. 106: Parkplatz bleibt Parkplatz (2007)


Tuchfabrik Nickel & Müller<br />

In der Mariabrunnstraße, unweit des Boxgrabens<br />

(Hausnummer 9) wurde im Jahre 1868<br />

durch Hugo Nickel <strong>und</strong> C. H. Müller die Tuchfabrik<br />

Nickel & Müller GmbH, "Fabrik einfarbiger<br />

feinster Herrenkammgarnstoffe, Meltons,<br />

Strichkammgarne, glatte Kammgarne" 1 [12]<br />

[13] gegründet. Die beiden Gründer leiteten<br />

den Betrieb bis zu ihrem Ausscheiden 1890.<br />

Ab diesem Jahr stand der Betrieb unter der<br />

Leitung des ehemaligen Direktors der Tuchfabrik<br />

"Süßkind <strong>und</strong> Sternau", Hermann Simons.<br />

In jener Zeit waren r<strong>und</strong> 60 Webstühle<br />

im Einsatz. Zudem war der Weberei ein Appreturbetrieb<br />

(für die Veredelung <strong>und</strong> Oberflächenbehandlung<br />

der Rohgewebe) angeschlossen.<br />

Zur Wasserversorgung der Appretur<br />

wurde der Pau Wasser entnommen.<br />

Der Erste Weltkrieg führte im Jahre 1916 zur<br />

Schließung des Betriebs - ein Schicksal, das<br />

dieses Unternehmen mit den meisten Aachener<br />

Tuchfabriken teilte.<br />

Abb. 108: Foto der Mitarbeiter vor dem auf dem linken Bild abgebildeten<br />

Gebäude, vermutlich vor dem Ersten Weltkrieg (Foto: Nachlass Fa.<br />

"Dechamps Textil AG")<br />

1<br />

Quelle: Gespräch mit Herrn Fritz Heusch am 21. März 2001<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 107: Lageplan der Fa. Nickel & Müller, Jahr unbekannt (Quelle:<br />

Nachlass Dechamps AG).<br />

Abb. 109: Ansicht der Betriebsgebäude von Süden, vor 1925. [12]<br />

Erst 1922 gelang es, die Produktion wieder aufzunehmen. In den 1920er- <strong>und</strong> 1930er-Jahren<br />

entwickelte sich das Unternehmen erfreulich. Wegen der Enge wurden in den 1930er Jahren<br />

Betriebsteile in die nahegelegene Stromgasse ausgelagert.<br />

53


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb.110: Blick in die Spinnerei, ca. 1925. [12]<br />

1942 musste die Firma aufgr<strong>und</strong> des Krieges zum zweiten Mal geschlossen werden, da man<br />

nicht zu den Unternehmen gehörte, die Uniformtuchaufträge bekamen, <strong>und</strong> für die Fertigung<br />

ziviler Ware gab es nicht genügend Garne. Große Schäden an beiden Betriebsteilen richteten die<br />

Bomben im Zweiten Weltkrieg an (ca. 70 % Zerstörung). Da die Firma als Folge der Auftragsprobleme<br />

Kapital frei bekam <strong>und</strong> noch vor den Bombenangriffen ca. 20.000 m fertige Ware<br />

nach Monschau auslagern konnte, hatte man nach dem Krieg gute Ausgangsvoraussetzungen<br />

für den Wiederaufbau.<br />

Wie bei vielen anderen Tuchfabriken in Aachen mussten dazu zunächst die Kriegsschäden beseitigt<br />

werden. Erst 1947 wurde die Produktion mit nur fünf Webstühlen aufgenommen; die Appretur<br />

lief erst Ende 1948 wieder an. Die Zeit des Neuanfangs wurde von dem aus einer angesehenen<br />

Aachener Familie stammenden Geschäftsmann Fritz Heusch geprägt. Fritz Heusch, ein<br />

Sohn von Dr. phil. August Heusch, trat im Januar 1948 in die Firma ein. Seine Tante, Frau<br />

Dittmann-Heusch, verheiratet mit Karl Heusch, besaß zu diesem Zeitpunkt 50 % der Anteile an<br />

der Firma (neben der Familie Simons, die die andere Hälfte besaß) <strong>und</strong> trug ihm die Geschäftsführung<br />

an, da er kaufmännisch sehr versiert war. Als zweiter Geschäftsführer agierte Friedrich<br />

Eduard Hartmann, der für technische Fragen zuständig war.<br />

Nach dem Kriegsende begann der Wiederaufbau<br />

<strong>und</strong> führte durch eine Produktion nach<br />

neuesten Kenntnissen der Technik <strong>und</strong> mit<br />

modernsten Maschinen zu einem florierenden<br />

Betrieb, doch gab es in Aachen große Konkurrenz,<br />

was sich auf die Preise auswirkte. So entstand<br />

mehr <strong>und</strong> mehr die Notwendigkeit, den<br />

Betrieb zu modernisieren. Für den Kauf neuer<br />

Webstühle benötigte man viel Kapital, zumal<br />

es für die leistungsfähigen Sulzer-Webstühle<br />

eine Abnahmeverpflichtung von mindestens<br />

acht Maschinen gab. Da das Kapital nicht erhöht<br />

werden konnte, entschied sich die Geschäftsführung<br />

gegen den Kauf neuer Webstühle.<br />

Andere Schwierigkeiten ergaben sich daraus, dass es nicht möglich war, die Produktion auf<br />

einen Drei-Schichtbetrieb umzustellen, da man auf die direkt angrenzende Nachbarschaft Rücksicht<br />

nehmen musste, der das Geratter der Webstühle nachts nicht zuzumuten war.<br />

54<br />

Abb. 111: Blick in eine der Werkhallen, ca. 1925. [12]<br />

Abb. 112: Blick in den 1950er Jahren aus Richtung Westen von der<br />

Weberstraße (Fotos: Fritz Heusch).


Der Geschäftsführung wurde klar, dass die<br />

Firma unter diesen Rahmenbedingungen alleine<br />

nicht länger überleben konnte. Als Herr<br />

Kronenwerth von der Firma "Dechamps &<br />

Drouven" Ende der 1960er-Jahre mit der Idee<br />

einer Fusion an die Firma herantrat, zeigte<br />

man sich interessiert. Herr Vahle, Bergwerksdirektor<br />

im Ruhestand, übernahm die Schirmherrschaft<br />

bei allen Verhandlungen. Zu diesem<br />

Zeitpunkt waren ca. 120 Mitarbeiter bei "Nickel&Müller"<br />

tätig, darunter alleine in der<br />

Stopferei ca. 50 Frauen.<br />

1969 erfolgte die Fusion mit den Tuchfabriken<br />

"G., H. & I. Croon" <strong>und</strong> "Dechamps & Drouven".<br />

Der Firmensitz wurde nach Aachen-Brand verlegt,<br />

wobei zunächst Teile der Weberei mit<br />

umzogen. Die Abteilung Tuchausrüstung blieb<br />

bis 1971 in der Mariabrunnstraße, bis eine<br />

neue moderne Ausrüstung – Dutch Finish, eine<br />

Tochter der Dechamps Textil AG – in Kerkrade<br />

(NL) eröffnet wurde.<br />

Nach 1971 wurde die Fabrik vollständig<br />

abgebrochen. Ein provisorischer Parkplatz bot<br />

ein unschönes Bild bis 2000 der eingezäunte<br />

Parkplatz für die Mitarbeiter des Luisenhospitals<br />

entstand. Im September 2009 begann der<br />

Bau eines Parkhauses für das Luisen-Hospital.<br />

Abb. 115: Aachener Nachrichten, 4. April 2009<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 113: Blick auf das Firmengelände (1950er Jahre)<br />

Abb. 114: Parkplatz auf dem ehemaligen Firmengelände der Tuchfabrik<br />

Nickel&Müller (2004).<br />

Abb. 116: Baustelle des Parkhauses (Dezember 2009)<br />

55


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Tuch- <strong>und</strong> Buckskin-Fabrik Franckenhoff<br />

Sie wird im nachfolgenden Kapitel im Zusammenhang mit der ehemaligen Fachhochschule behandelt.<br />

"Lederlackirfabrik <strong>und</strong> Gerberei Gebr. Gerst"<br />

Im Adressbuch von 1881 sind für das Gr<strong>und</strong>stück Boxgraben Nr. 73 als Eigentümer die Gebr.<br />

Gerst mit einer Lederlackierfabrik <strong>und</strong> Gerberei eingetragen. Ende der 1890er Jahre geht der<br />

Besitz auf Carl Stern über, der Betrieb gehört aber weiterhin den Gebr. Gerst. Für einige Zeit gab<br />

es noch ein Tuchlager von Carl Bleeker <strong>und</strong> eine Lederverarbeitung von Fa. Kamp & Cie. war auch<br />

vorübergehend eingetragen. Nur die Lederfirma der Gebr. Gerst blieb ununterbrochen bis zur<br />

zweiten Hälfte der 1920er Jahre. Inzwischen wurde vermutlich auf dem Gr<strong>und</strong>stück auch das<br />

Wohnhaus am Boxgraben errichtet. 1930 ist keine Firma verzeichnet, es bewohnen aber 13 Mietparteien<br />

das Haus (möglicherweise sind hierunter auch Firmen).<br />

Ab 1935 heißen die Eigentümer Sternsche Erben, die vermutlich auch weitere Gr<strong>und</strong>stücke am<br />

Boxgraben besaßen. Unter den 28 Mietern des Hauses Nr. 73 sind genannt: de Lange, Baugeschäft;<br />

Ortmanns, Vulkanisieranstalt; B. Vincken, Automobile. 1937 kam noch J. Keller, Elektrische<br />

Anlagen, dazu.<br />

Es gibt nicht von der Hand zu weisende Vermutungen, dass die jüdische Familie Stern ihr Eigentum<br />

Ende der 1930er Jahre illegal durch die Nazis verloren hat. Die Tochter ist nach der Scheidung<br />

von ihrem deutschen Ehemann <strong>und</strong> der Wiederheirat mit einem Belgier in Stavelot (Belgien)<br />

untergetaucht <strong>und</strong> hat die Juden-Verfolgung überlebt, sie wurde 102 Jahre alt.<br />

Ab 1938 ist Carl Kalde der Eigentümer, der bald seine Firma hierher verlegt, denn 1940 ist im<br />

Adressbuch eingetragen: C. Kalde, Elektrogroßhandlung, außerdem B. Kriescher, Karosseriebau,<br />

sowie Licht <strong>und</strong> Kraft <strong>und</strong> weiterhin Ortmanns, Vulkanisieranstalt, <strong>und</strong> B. Vincken, Automobile.<br />

1942 firmiert Carl Kalde mit Elektrotechnische Fabrik & Elektrogroßhandlung.<br />

Nach Schilderung von Arno Vincken (Sohn von Bernhard Vincken) nutzte die Vulkanisieranstalt<br />

das Erdgeschoss des Gebäudes auf der rechten Hofseite, darüber lagen die Räume der Firma<br />

Keller <strong>und</strong> später der Licht <strong>und</strong> Kraft (u.a. Fertigung von Elektrozählern). Es folgte das ehemalige<br />

Kesselhaus, jetzt "Neue Halle" genannt, die Werkstatt für Automobile (Vincken). Dahinter stand<br />

quer die "Alte Halle" zum Abstellen der Autos. Darüber, im oberen Stockwerk, das nur über eine<br />

schmale Außentreppe erreichbar war, lag ein schon länger nicht mehr benutzter größerer, eigenartiger<br />

Raum. Reste einer vermutlich religiösen Nutzung fanden Kinder beim Spielen (wahrscheinlich<br />

war es ein privater jüdischer Gebetsraum). Auf der linken Hofseite befanden sich eine<br />

Art Remisen <strong>und</strong> eine Schmiede. Außerdem war in dem Gebäude auch der Karosseriebau <strong>und</strong> die<br />

Stellmacherei der Fa. Kriescher untergebracht. Arno Vincken kann sich noch an den Zusammenbau<br />

größerer Mengen von Freileitungsisolatoren in den Räumen der Fa. Kalde erinnern. Vom<br />

Ende des Hofs führte ein Fußweg am Fabrikgelände von Nickel&Müller entlang zur Mariabrunnstraße,<br />

zur dortigen Bäckerei. Noch vor dem Krieg, etwa 1938/39, wurde das Wohnhaus an der<br />

Straße wegen Baufälligkeit abgerissen. Von 1939 bis 1942 dauerte der bis heute erhaltene Neubau.<br />

Am 11. April 1944 zerstörten Bomben die rückwärtigen Gebäude dieses Hofraums.<br />

Der Wiederaufbau der Gebäude im Hof erfolgte bereits 1945/46. Dort war für kürzere Zeit zunächst<br />

noch die Firma Ortmanns (Vulkanisieranstalt) untergebracht. Bald aber nutzte ausschließlich<br />

die Firma Kalde die Gebäude im Hof. Das Fertigungsprogramm umfasste nun elektrische<br />

Verteilungssysteme in Blech- <strong>und</strong> vor allem in gusseisernen Normgehäusen. Dazu gab es eine<br />

eigene Gießerei (Grauguss) mit allen Nebenbetrieben (Formerei, Putzerei, Schleiferei usw.) in den<br />

56


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

am Hofende gelegenen Gebäuden, eine Montagehalle auf der rechten Hofseite <strong>und</strong> ihr gegenüber<br />

(linke Seite) das Konstruktionsbüro mit der Verwaltung. Daran schloss sich der Verkaufs<strong>und</strong><br />

Lagertrakt für den Großhandel an. Sohn Hans-Rolf Kalde war einer der ersten Aachener<br />

Karnevalsprinzen nach dem Krieg.<br />

In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre wurde als erstes die Gießerei stillgelegt. Die Gussaufträge<br />

für die Gehäuse führte die Gießerei J. G. Vonderhecken, Jülicher Straße 71, aus. Die Fertigung<br />

ging noch bis Ende 1980. Danach zog die Firma Simco (Holz <strong>und</strong> Möbel) in die Räume rechts<br />

<strong>und</strong> am Ende des Hofes. Dazu kamen dann Büros von Misereor. Schließlich endete auch der<br />

Großhandel am 31. Dezember 1985 mit Löschung der Firma zum 21. Februar 1986. Jetzt ist<br />

schon länger nur noch eine Abteilung von Misereor hier ansässig (Medienproduktion <strong>und</strong> Vertriebsgesellschaft<br />

mbH).<br />

Abb. 117: Blick auf das Gelände der ehemaligen<br />

Kalde-Fabrik (2004).<br />

Abb. 118: Blick in den Hof des ehemaligen<br />

Fabrikgeländes (2004).<br />

Abb. 119: Blick auf den Uhrturm im hinteren<br />

Teil des Hofes (2004).<br />

57


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

2.4 Franckenhoff´sche Fabrik <strong>und</strong> Fachhochschule<br />

Tuch- <strong>und</strong> Buckskin-Fabrik Franckenhoff<br />

Nach der Familienchronik schied 1861 Friedrich Franckenhoff als Teilhaber aus der Fa. Johann<br />

Arnold Sauerbier, Buckskin-Fabrik, in Monschau aus <strong>und</strong> gründete im gleichen oder im Folgejahr<br />

mit seinen Söhnen Robert <strong>und</strong> Albert eine "Tuch- <strong>und</strong> Buckskin-Fabrik". Im Adressbuch 1868 <strong>und</strong><br />

1869/70 wird die Fabrik noch mit der Adresse Löhergraben 23 angegeben.<br />

Um 1872 erwarb Friedrich Franckenhoff das Gelände im noch unbebauten Feld südlich des Boxgrabens<br />

an der Paunelle zwischen späterer Südstraße <strong>und</strong> Mariabrunnstraße. Im Adressbuch von<br />

1872 wird als Adresse "Ende der zweite Seitenstraße des Boxgrabens" (ohne Nummer) angegeben.<br />

Friedrich Franckenhoff wohnte in dem von ihm erbauten Haus Boxgraben Nr. 63, das äußerlich<br />

eher unscheinbar im Innern für die damalige Zeit luxuriös ausgestattet wurde. 1875 wird Franckenhoff<br />

im Adressbuch als Rentner geführt.<br />

Spätestens ab 1875 lautet der neue Besitzer H.O. Werner, der vermutlich die Tochter des früheren<br />

Partners von Franckenhoff in Monschau, Arnold Sauerbier, heiratete. Der Schwiegersohn<br />

betreibt keine Tuchfabrik, sondern eine Streichgarnspinnerei, "Specialität Tricotagengarne". Erste<br />

noch vorhandene Unterlage in der Bauakte ist eine Bauzeichnung auf Zeichenkarton für eine<br />

geplante Ergänzung der Fabrikanlage von 1873.<br />

Eine Zeichnung vom 9. September 1886 nach<br />

einem Plan von Architekt C. Rhoen (siehe Folgeseite)<br />

gibt einen Einblick in den damaligen Aufbau<br />

der Spinnerei. Der Plan zeigt im nordlichen<br />

Teil des Hauptbaues vier kleinere Büros (Comptoir),<br />

die spätere Hausmeisterwohnung war<br />

damals die Trocknerei. Daran südlich anschließend<br />

stand das damals noch kleinere Kesselhaus<br />

<strong>und</strong> daran der Kamin. Direkt neben dem<br />

Kesselhaus stand innerhalb der Shedhalle die<br />

Dampfmaschine.<br />

Vom 18. März 1891 stammt die Projektierung<br />

des neuen, etwas höheren Kesselhauses, das<br />

bis zum Abbruch im Jahr 2005 erhalten blieb.<br />

Dass das ursprüngliche Kesselhaus niedriger<br />

war, belegt die erst beim Abriss erkennbare<br />

Architektur mit Schmuckelementen der Südwand<br />

der Trocknerei. In dieser Wand befand<br />

sich auch ein bei dem Umbau zugemauertes<br />

Fenster. Aus dem gleichen Jahr stammt das<br />

Baugesuch der Firma H.O. Werner zur Errichtung<br />

einer Hofmauer zur Abgrenzung nach Osten,<br />

die bis heute besteht.<br />

Am 12. Mai 1896 gab es in der Wolferei (Reißwolf)<br />

einen kleinen Brand, der aber von den<br />

Arbeitern bereits gelöscht war, als die herbeigerufene<br />

Feuerwehr eintraf.<br />

58<br />

Abb. 120: Das engere Umfeld der Streichgarnspinnerei H.O. Werner<br />

mit Südstraße, <strong>und</strong> angedeutet die zukünftige Reumontstraße <strong>und</strong><br />

Mariabrunnstraße (Quelle: Stadtarchiv Aachen).


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

Abb. 121: Gr<strong>und</strong>riss <strong>und</strong> Nutzungszuordnung des Spinnereigebäudes. (Quelle: Bauaufsichtsamt Stadt Aachen)<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

59


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Der Betrieb bestand bis H.O. Werner starb. Vermutlich um 1900 wird die Nutzung aufgegeben<br />

<strong>und</strong> die Gebäude von einer Firma Phil. Ludwig Funke, Commissionsgeschäft, genutzt. 1906 kauft<br />

die Stadt Aachen für 200.000 Mark von der Witwe Hulda Werner, geb. Sauerbier, deren gesamte<br />

Besitzungen zwischen Südstraße, Reumontstraße, Mariabrunnstraße <strong>und</strong> der geplanten Beethovenstraße.<br />

1907 zieht die Firma Funke aus den Räumen der ehemaligen Fabrik aus. Ab 1908 sind<br />

in den Werkhallen die Lehrwerkstätten <strong>und</strong> Zeichensäle der Kunstgewerbeschule untergebracht.<br />

Den Gr<strong>und</strong>stücks- <strong>und</strong> Bauakten des Stadtarchivs zur Werkkunstschule ist auch zu entnehmen,<br />

dass 1914 Kinder aus den Häusern Südstraße 40 <strong>und</strong> 42 mit kieselgroßen Steinen Fenster der<br />

Schule einwarfen.<br />

Bauliche Entwicklung der Zeichen- <strong>und</strong> Kunstgewerbe<br />

1904 wurde die "Zeichen- <strong>und</strong> Kunstgewerbeschule<br />

Aachen" (KGSA) gegründet, die zunächst<br />

im Verb<strong>und</strong> der städtischen gewerblichen<br />

Schulen in der Martinstraße untergebracht<br />

war. [14] Am 4. November 1908 wird<br />

der Umbau der Werner´schen Fabrikgebäude<br />

für die Zeichen- <strong>und</strong> Kunstschule (unter anderem<br />

Anhebung des nördlichen Shed-Daches,<br />

um zur Außenseite ein Vollgeschoss zu gewinnen)<br />

fertiggestellt. Einen Monat später, am 4.<br />

Dezember, erfolgt die feierliche Eröffnung.<br />

Bis zum Zweiten Weltkrieg hat sich an der<br />

Schule baulich nicht viel verändert. Im Krieg<br />

wurde sie jedoch erheblich beschädigt. Die<br />

Stadt Aachen fordert deshalb am 21. Juli 1948<br />

die Wiedereinrichtung der früheren Handwerker-<br />

<strong>und</strong> Kunstgewerbeschule, die am 1.<br />

Oktober 1948 ihren Betrieb wieder aufnahm.<br />

Nur wenige Räume ließen sich notdürftig Instand<br />

setzen, der hintere Teil in Richtung Mariabrunnstraße<br />

lag noch länger in Trümmern.<br />

Die Gebäude waren nur zum Teil unter Dach,<br />

aber sie genügten den Mindestanforderungen<br />

für einen Lehrbetrieb nach den in der stark<br />

zerstörten Stadt gegebenen Möglichkeiten <strong>und</strong><br />

Maßstäben. Abb. 123: Kriegsschäden an den Gebäuden der ehem. Fachhochschule<br />

1944/45. Blick in etwa aus Richtung der Gewerbehalle (ehem. Breier).<br />

Abb. 124: Studenten werkeln auf dem Freigelände, 7. April 1987.<br />

60<br />

Abb. 122: Die "Städtische gewerbliche Zeichen- <strong>und</strong> Kunstgewerbeschule".<br />

Foto aufgenommen in etwa vom östlichen Kopf des heutigen Bunkers.<br />

[5]<br />

Abb. 125: Außenklasse der FH Ende der 80er Jahre.


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Mit der Bildung der Fachhochschulen 1971 geht der Gr<strong>und</strong>besitz am 1. August 1971 auf das<br />

Land Nordrhein-Westfalen über. 1972 gibt es erste Überlegungen, einen Neubau zu errichten -<br />

ohne Standortüberlegungen. 1975 gibt es ein erstes Raumprogramm für Umbaumaßnahmen im<br />

Gebäudekomplex Boxgraben, der ehemaligen Textilingenieur-Schule, die 1979 beschlossen werden<br />

<strong>und</strong> 1982 fertig sein sollten. Doch erst im Sommer 1992 zog die Fachhochschule zum Boxgraben<br />

um. Anschließend standen die Hallen leer <strong>und</strong> verfielen nach <strong>und</strong> nach.<br />

Abb. 126: Blick über das ehem. FH-Gelände in Richtung Maria-Brunn-<br />

Straße.<br />

Für die Fläche gibt es seit Juli 2002 einen<br />

rechtskräftigen Bebauungsplan, der die Ausweitung<br />

des Schulhofes mit dem Bau einer<br />

Sporthalle <strong>und</strong> eine Durchwegung von der<br />

Südstraße zur Mariabrunnstraße, also die Aufnahme<br />

der ursprünglich geplanten Wegebeziehung,<br />

vorsieht.<br />

Über Jahre zogen sich die Verhandlungen mit<br />

dem Land Nordrhein-Westfalen als Eigentümer<br />

der Fläche über den Kauf des Geländes durch<br />

die Stadt Aachen hin. Im Sommer 2004 ging<br />

das Gelände mit einer Fläche von 5.700 m² in<br />

den Besitz der Stadt Aachen über.<br />

Abb. 127: Blick über das FH-Gelände vom Gebäude der Gr<strong>und</strong>schule in<br />

Richtung Südstraße (2004).<br />

Abb. 128: Der ehemalige Zugangsbereich der Fachhochschule.<br />

In 13 Jahren Leerstand hatte sich das Gelände ohne jegliche Pflege in eine grüne Oase verwandelt.<br />

Die Freiräumung des Geländes <strong>und</strong> der Abbruch der Gebäude begann im Januar 2005 <strong>und</strong><br />

war Anfang März abgeschlossen. Trotz vielfacher Versprechungen der Stadt Aachen passierte<br />

erst einmal nichts <strong>und</strong> statt auf eine grüne Oase zu blicken, beherrschte seit 2005 eine öde<br />

Brachfläche die Blockinnenfläche.<br />

61


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 129: Bericht in den Aachener Nachrichten vom 21. August 2004 über die geplante Neugestaltung der Blockinnenfläche der Südstraße.<br />

Abb. 130: Aachener Nachrichten13. September 2005<br />

Fotos nächste Seite: Abb. 131-139 mit der Chronologie des Abbruchs<br />

62


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

63


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Die Neugestaltung der Fläche mit Schulhof <strong>und</strong> Park wurde im Sommer 2004 für das Frühjahr<br />

2005 angekündigt. Im September 2005 wurde immerhin zugegeben, was Anwohner schon immer<br />

vermutet haben: Der verseuchte Boden muss ausgetauscht werden. Im Frühjahr 2007 begannen<br />

überraschend die Bauarbeiten für ein neues Schulgebäude mit Aufenthaltsräumen für<br />

die Ganztagsbetreuung <strong>und</strong> einer Turnhalle. Nach 133 Jahren Bebauung bildet der Abbruch der<br />

Gebäude der ehemaligen Fachhochschule <strong>und</strong> die Neubebauung des Geländes eine der größten<br />

Veränderungen im Umfeld der Südstraße.<br />

Der Bau des lange versprochenen <strong>und</strong><br />

immer wieder verschobenen "Parks"<br />

("Werk-Kunst-Hof") auf der verbleibenden<br />

Restfläche von ca. 3.400 m² verzögerte<br />

sich immer wieder. Nicht zuletzt,<br />

weil die Bürger mit den vorgestellten<br />

Planungen der Stadt nicht einverstanden<br />

waren <strong>und</strong> auch wiederholte<br />

Überarbeitungen die Zustimmung<br />

kaum erhöhten. Die Bauarbeiten begannen<br />

schließlich im Oktober 2009 -<br />

ohne dass die Stadt mit ihrer Planung<br />

nennenswert auf die Wünsche der Anlieger<br />

eingegangen wäre.<br />

64<br />

Abb. 140: Bericht Aachener Nachrichten, März 2009


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Chronologie des Schulneubaus von April bis Januar 2008 <strong>und</strong> Anlage des "Werk-Kunst-Hofes" von Oktober bis Dezember 2009 (Abb. 141-146)<br />

65


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Der Lehrbetrieb an der Schule nach der Gründung<br />

Gründungsdirektor der "Zeichen- <strong>und</strong> Kunstgewerbeschule Aachen", später "Handwerker- <strong>und</strong><br />

Kunstgewerbeschule", war Eberhard Abele.<br />

Das Kollegium 1912: Direktor E. Abele, Architekt; H.<br />

Arnold, Architekt; Carl Burger, Bildhauer (Schöpfer des<br />

"Wehrhaften Schmieds", 1909, <strong>und</strong> des "Wassermanns",<br />

1906-1910); R. Gercke, Maler; G. Giesbert, Kunstschlosser;<br />

J. Gollrad, Maler; O. Karow, Architekt; A. Letailleur,<br />

Maler; H. Anetsberger, Maler; Lehraufträge: G. Engau-<br />

Meyrather, Museumsdirektor Dr. Schweitzer. Ausgebildet<br />

wurde in den Bereichen: Bautechnik, Maler, Bildhauer,<br />

Kunstschlosser, Lithografen, Zeichner, textile<br />

Berufe, Zeichenlehrer.<br />

Später kommen Richtungen wie Buchdruck <strong>und</strong> -binden<br />

sowie Porzellanmalerei hinzu. Professoren im Jahr 1924:<br />

Hans Anetsberger, Hermann Arnold, Wilhelm Giesbert,<br />

Josef Gollrad, Karl Jordan, Otto Karow, Alfons Letailleur.<br />

Die KGSA von 1927 bis zur Schließung 1934 [15]<br />

Dr. Rudolf Schwarz bewarb sich 1927 um das seit 1913<br />

verwaiste Direktorat der Handwerker- <strong>und</strong> Kunstgewerbeschule<br />

Aachen. Obwohl der Dreißigjährige der jüngste<br />

unter den 25 Bewerbern war (<strong>und</strong> obendrein unverheiratet!),<br />

setzte Schwarz sich dank seines Konzepts,<br />

seiner persönlichen Wirkung <strong>und</strong> seiner vorzüglichen<br />

Zeugnisse durch. Am 8. März 1927 wurde Schwarz in<br />

der Sitzung des Schulvorstands einstimmig gewählt,<br />

drei Tage später von der Stadtverordnetenversammlung<br />

bestätigt. Für fast sieben Jahre leitete Schwarz die<br />

Aachener Handwerker- <strong>und</strong> Kunstgewerbeschule, in<br />

der Ära Schwarz "KGSA" abgekürzt. Nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg beeinflusste er maßgeblich den Wiederaufbauplan<br />

für die Stadt Köln.<br />

Den trostlosen Eindruck, den die Schule auf Schwarz<br />

bei seiner Amtsübernahme machte, hat der junge Direktor<br />

in einer an den Oberbürgermeister adressierten<br />

Denkschrift "personell hochgradig überaltert" genannt.<br />

Sie habe die Entwicklung im Kunstgewerbe versäumt,<br />

erteile die Lehre als reinen Zeichenunterricht <strong>und</strong> gebe<br />

den Schülern keinerlei Chance, selbst Werkstücke anzufertigen.<br />

Als festangestellte Lehrer mit lebenslangem Vertrag<br />

<strong>und</strong> Professorentitel hatte Schwarz die Maler Hans<br />

Anetzberger, Josef Gollrad <strong>und</strong> Alfons Letailleur zu<br />

übernehmen, den Kunstschlosser Wilhelm Giesbert, mit<br />

dem Schwarz auch bei eigenen Bauaufträgen zusammenarbeitete,<br />

sowie die Architekten Hermann Arnold<br />

66<br />

Abb. 147<br />

Abb. 148: Rudolf Schwarz<br />

Abb. 149: Briefkopf des Direktors der Kunstgewerbeschule<br />

Aachen.


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

<strong>und</strong> Otto Karow. Die Planstellen ließen zwei Neuberufungen <strong>und</strong> weitere Neueinstellungen bei<br />

den nebenberuflich beschäftigten Künstlern zu. So etwas wie ein Neuanfang wurde möglich.<br />

Schwarz forcierte den Ausbau von Werkstätten, wie es der fortschrittlichen Pädagogik im Kunst<strong>und</strong><br />

Entwurfsbereich bereits seit der Jahrh<strong>und</strong>ertwende entsprach. Als erste neue Werkstatt<br />

richtete Schwarz ein Atelier für Monumentalmalerei ein, worunter auch Glasfenster, Mosaik <strong>und</strong><br />

Fresko verstanden wurden. Es folgte eine keramische Werkstatt. Metall <strong>und</strong> Edelmetall, Bildhauerei,<br />

Porzellanmalerei, Satz <strong>und</strong> Druck, Bucheinband, Paramentenstickerei <strong>und</strong> Schreinerarbeit<br />

waren weitere handwerkliche Tätigkeitszweige. In bescheidenem Umfang sollte die Schule Aufträge<br />

von außen übernehmen dürfen, um der Arbeit der Schüler einen konkreten Sinn zu geben.<br />

Die neu begründete "Fachabteilung Baukunst" teilte<br />

sich Rudolf Schwarz mit Hans Schwippert (1899-1973).<br />

Während ihrer gemeinsamen Zeit an der KGSA entstanden<br />

bis heute in der Architektur anerkannte Bauten<br />

[27], viele ihrer Möbelentwürfe wurden ausgeführt.<br />

Später wurde er neben anderen Projekten durch die<br />

Erweiterung der Pädagogischen Akademie Bonn zum<br />

Haus des B<strong>und</strong>estages (1949) bekannt. Für Schwippert<br />

wie für Schwarz lag in der KGSA der Ausgangspunkt<br />

ihres späteren Schaffens.<br />

Abb. 151: Entwürfe für Kindermöbel von Schwarz <strong>und</strong> Schwippert, unterzeichnet mit<br />

Datum 5. April1929, also in der gemeinsamen Zeit an der KGSA<br />

Abb. 150: Hans Schwippert<br />

Abb. 152: "Neuer Hausrat" - Kunstgewerbeschule Aachen,<br />

vermutlich 1927/28<br />

67


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

1927 verpflichtete Schwarz den Maler Anton Wendling (1891-1965), der nach einer Probezeit<br />

1929 auf die Dauer von fünf Jahren als Professor eingestellt wurde. Die Stelle eines Bildhauers<br />

besetzte Schwarz 1929 mit Hein Minkenberg (1889-1968). Zu den nebenberuflich verpflichteten<br />

Lehrern gehörte Maria Eulenbruch (1899-1972), eine Bildhauerin. Wilhelm Giesbert aus dem<br />

alten Lehrerstamm der Schule (1881-1951) <strong>und</strong> Anton Schickel führten in den Metall- <strong>und</strong> Goldschmiedewerkstätten<br />

das liturgische Gerät auf seine Gr<strong>und</strong>formen zurück. Anton Schickel bildete<br />

unter anderem den bekannten Aachener Juwelier Gerhard Thewis zum Goldschmiedemeister aus.<br />

Wilhelm Rupprecht (1886-1963) in der Textilklasse fasste das liturgische Gewand "als Gewand<br />

von uniformhafter Bedeutung" auf. Kirchliche Aufträge überwogen eindeutig, obwohl Schwarz<br />

seine Mitarbeiter ermutigte, weltliche Aufgaben anzunehmen. Die Reform der Aachener Schule<br />

entsprach der Neuorientierung vieler Kunstgewerbeschulen <strong>und</strong> Kunstakademien auf ein Ideal<br />

gemeinsamen Handelns <strong>und</strong> Lebens hin.<br />

Bauten in Aachen, deren Entwürfe aus KGSA in der Ära Schwarz kamen:<br />

# Haus der Jugend, Aachen-Burtscheid, Abteistraße,<br />

zusammen mit Hans Schwippert<br />

(1928),<br />

# Pfarrkirche St. Fronleichnam mit Pfarrhaus,<br />

Aachen-Rothe Erde, Düppelstraße/Leipziger<br />

Straße, Mitarbeiter: Hans<br />

Schwippert, Johannes Krahn (1929-1930),<br />

ein wegen seiner Architektur bedeutendes<br />

Bauwerk seiner Zeit,<br />

# Soziale Frauenschule, Aachen, Robert-<br />

Schuman-Straße/Bayern-Allee, Mitarbeiter:<br />

Johannes Krahn, Hans Schwippert (1929-<br />

1930).<br />

Entsprechend der Idee der Werkgemeinschaft beschäftigte<br />

Schwarz die Aachener Kollegen bei seinen Architekturaufträgen.<br />

Auch für die Aachener Fronleichnamskirche<br />

wurden Aufträge für die Inneneinrichtung <strong>und</strong><br />

sakrale Gegenstände an Meister der Schule vergeben,<br />

Ornamentscheiben für die Fenster an Wendling (eingesetzt<br />

wurde allerdings einfaches Industrieglas), Gewänder<br />

<strong>und</strong> die textilen Kreuzweg-Darstellungen an Rupprecht,<br />

Monstranz <strong>und</strong> Vortragekreuz an Schickel <strong>und</strong><br />

Giesbert, weiteres liturgisches Gerät an Schüler der<br />

Gold- <strong>und</strong> Metall-Klasse.<br />

Schwarz hat von den vielen Querelen gesprochen, denen<br />

er in Aachen ausgesetzt war: "Aachen ist ein ganz<br />

kümmerliches Dorf, <strong>und</strong> die Dorfbewohner stellen uns<br />

nach, indem dass wir ihnen doch gar nichts getan haben...<br />

Ja, das Licht leuchtet hier in der Finsternis, aber<br />

die Finsternis will es nicht begreifen", schreibt er launig<br />

an Böhm.<br />

Ein später für Aachen bedeutsam gewordener Schüler<br />

der KGSA ist der 1912 geborene Walther Benner. Von<br />

1930 bis 1933 studierte er an der Werkkunstschule.<br />

Einfluss auf seine Entwicklung der Glasmalerei übten<br />

68<br />

Abb. 153: Haus der Jugend<br />

Abb. 154: Soziale Frauenschule<br />

Abb. 155: Sankt. Fronleichnam


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

die Künstler Rudolf Schwarz, Anton Wendling <strong>und</strong> Wilhelm Rupprecht, bei dem er Meisterschüler<br />

war. Seit 1934 arbeitet er als freischaffender Künstler. Sein bekanntestes Werk sind die 1949-51<br />

mit Anton Wendling entworfenen Chorfenster des Aachener Domchores, mit ca. 27 Meter die<br />

höchsten Fenster Europas. Die ornamentalen Fenster stammen von Anton Wendling, die Fenster<br />

mit figürlichen Darstellungen von Walther Benner. In den 50er Jahren regten die Fenster zu heftigen<br />

Diskussionen über die Darstellbarkeit christlicher Themen an. Dieser Auftrag schuf die Basis<br />

für seine künstlerische Existenz. Weitere Werke Benners finden sich in Würselen, Rheine, Geilenkirchen,<br />

Neuss, Düsseldorf, Dortm<strong>und</strong>, Herten, Münster <strong>und</strong> Bonn.<br />

Zum Teil zeitgleich wie Walther Benner besuchte Marga Roué ab 1931 die KGSA. Sie wurde 1917<br />

geboren <strong>und</strong> wohnte bei Ihren Eltern in der Südstraße Nr. 31. Beide blieben bis zur Schließung<br />

der KGSA an der Schule. 1938 heirateten sie Walther Benner. Unter dem Namen Benner-Royé hat<br />

sie als Dichterin <strong>und</strong> Malerin ein umfangreiches literarisches Werk mit Gedichten, Märchen, Romanen,<br />

Novellen <strong>und</strong> Theaterstücken geschaffen, das bisher nur teilweise veröffentlicht wurde.<br />

Beide starben kurz nach einander im Dezember 2005 an ihrem Wohnort in Kelmis/Belgien.<br />

Abb. 156: Das Buch erschien im Eigenverlag 1981.<br />

Abb. 157: Artikel in den Aachener Nachrichten, 17. Juli 2004.<br />

Im Wintersemester 1933/34 hatte sich die Zahl der Tagesschüler gegenüber 1928 halbiert. Die<br />

wirtschaftliche Zwangslage der Rechtsträger - im Falle Aachen die Stadt neben dem Land Preußen<br />

- boten nach der Machtübernahme am 30. Januar 1933 durch die NSDAP dem nationalsozialistischen<br />

Regime den Anlass, die Schule zu schließen. Das preußische Wirtschaftsministerium<br />

ordnete eine Neustrukturierung der Schule an, die zu ihrem Ruin führen musste. Es sollten Fachabteilungen<br />

eingerichtet werden, in denen nur noch handwerklicher Nachwuchs ausgebildet <strong>und</strong><br />

mit der Meisterprüfung entlassen wurde. Als sich in Aachen nicht genügend Schüler für das neue<br />

Programm meldeten, wurde der Schule zum 1. April 1934 die Genehmigung für den weiteren<br />

Lehrbetrieb versagt.<br />

Die Stadtverwaltung vermietete 1935 einen Teil der Räume an das Arbeitsamt <strong>und</strong> an die Deutsche<br />

Angestelltenschaft. In den Räumen fanden staatlich finanzierte Sonderlehrgänge für Maler,<br />

Tischler, Setzer, Drucker usw. statt. Augenzeugen berichten, dass in dem Gebäude während des<br />

69


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Krieges zumindest für eine kurze Zeit junge Männer für eine Art vormilitärische Ausbildung untergebracht<br />

waren.<br />

Im Obergeschoss des Hauptgebäudes wurde ein Kindergarten eingerichtet. Feine Leute aus dem<br />

Südviertel ließen ihre Kinder mit Auto <strong>und</strong> Chauffeur hierher bringen. Leiterin war Frl. Oppenhoff.<br />

Die Zeit nach 1945<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg übernimmt Albert<br />

Strickmann das Direktorium der "Meisterfachschule",<br />

später "Werkkunstschule". Er soll<br />

bei Mitarbeitern <strong>und</strong> Kollegen unbeliebt gewesen<br />

sein. 1949 gehören neben ihm zu den teilweise<br />

später über Aachen hinaus bekannten<br />

Lehrenden: Willi Kohl, Maler; Carl Schneiders,<br />

Maler; Josef Zeller, Bildhauer; sowie 15 Lehrbeauftragte.<br />

Schritt für Schritt nahmen die<br />

Klassen die Ausbildung wieder auf: Malen <strong>und</strong><br />

Zeichnen, Grafik, Bildhauerei, Dekorationsmalerei;<br />

Lehrgänge für Schmiede, Tischler, Schneider.<br />

Der Maler Carl Schneiders erlangte über Aachen<br />

hinaus Bekanntheit. 2 [16] 1905 in Aachen<br />

geboren erhält er 1948 das Angebot, in der<br />

Aachener Meisterfachschule die Leitung der<br />

Klasse Malen <strong>und</strong> Zeichnen zu übernehmen. Er<br />

folgt diesem Ruf aus seiner Heimatstadt <strong>und</strong><br />

bleibt bis 1964 an dieser Schule. Er starb 1975.<br />

70<br />

2<br />

Abb. 158: Das erste Logo der Werkkunstschule in der Nachkriegszeit.<br />

1950 führt die Schule den Namen Aachener Meisterfachschule ("Ameifa") <strong>und</strong> wird 1951 als<br />

öffentliche Fachschule anerkannt. 1952 kommen eine Weberei, Buchbinderei <strong>und</strong> Schreinerei<br />

hinzu. 1953 wird der Neubau von drei Werkstätten begonnen. Die Schule wird durch die Beteiligung<br />

an verschiedenen Ausstellungen <strong>und</strong> Modeschauen über Aachen hinaus bekannt. 1957<br />

erhält sie die Anerkennung als höhere Fachschule.<br />

Bonifatius Stirnberg, am 20. Februar 1933 in Freienohl/Sauerland geboren, studierte von 1953<br />

bis 1959 an der Werkkunstschule Aachen im Bereich Raumgestaltung <strong>und</strong> Bildhauerei. In Aachen<br />

wurde er vor allem durch den Puppenbrunnen bekannt.<br />

In den 50er Jahren war die Meisterfachschule auch der kulturelle Mittelpunkt des Viertels: Es gab<br />

in der großen Aula regelmäßig Dia- <strong>und</strong> Dokumentarfilmvorführungen. Die Karnevalsfeten in der<br />

"Ameifa" sollen wegen ihrer großzügigen Offenheit beliebt <strong>und</strong> berüchtigt gewesen sein <strong>und</strong><br />

haben deshalb wohl nur zwei Mal stattgef<strong>und</strong>en. Da der Spielbetrieb für das "Öcher Schängchen"<br />

in der Peterstraße nur ein Provisorium war, beschloss der Rat der Stadt 1952 das "Schängchen"<br />

in der Werkkunstschule unterzubringen, wo die Aula mit einem bereits vorhandenen Bühnenpodium<br />

<strong>und</strong> Vorhang die Möglichkeit zum Aufbau der Stockpuppenbühne <strong>und</strong> zu Vorstellungen<br />

gab. Aber Schulbetrieb <strong>und</strong> Theaterunternehmen unter einem Dach <strong>und</strong> ebenfalls auf engstem<br />

Raum ergaben mehr Reibungsflächen, als man ursprünglich voraussah. So übersiedelte die Puppenbühne<br />

1954 in das Jugendheim Kalverbenden im Stadtteil Burtscheid. [17]<br />

AVZ, 21.12.1985: Ein Maler der Stille - eine Carl-Schneiders-Ausstellung zum Gedenken in Bonn


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

Abb. 159: Bericht über die Ausstellungsbeteiligung der<br />

Werkkunstschule in den Aachener Nachrichten vom 27.<br />

Mai 1955.<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Die Lehrenden 1959: Direktor Albert Strickmann, G. Göbbels, W. Hansen, H. Kink, W. Kohl, Carl<br />

Schneiders, F. Ullrich, J. Zeller sowie Lehrbeauftragte. Berufungen 1960 für künstlerische <strong>und</strong><br />

wissenschaftliche Bereiche: E. Anastasiadis, geb. Reinhard; I. Cram, geb. Boris; Dr. H. Reitz; J.<br />

Richstätter; Dr. W. Schroeder; E. Wille; für handwerklich technische Fächer: P. Esser, H. Honnef,<br />

H. Koch, B. Sedelmeier, M. Laugs. Lehrende 1969: Direktor Albert Strickmann, ständige Vertreterin<br />

Dr. H. Reitz, C.H. Bauer, W. Bergmann, P. Esser, W. Hansen, H. Honnef, M. Laugs ; A. Pracht,<br />

J. Richstätter, H. Ruiters, D. Sauerländer, K.L. Schmitz, B. Sedelmeier, G. Strech, F. Ulrich, E. Wille,<br />

J. Zeller.<br />

Ab 1967 ist der Fortbestand der städtischen Werkkunstschule<br />

durch einen Ratsbeschluss massiv gefährdet<br />

<strong>und</strong> wird erst mit der Verabschiedung des Fachhochschulgesetzes<br />

am 8. Juni 1971 gesichert. Seitdem<br />

führt die Werkkunstschule den Namen Fachbereich Design<br />

der FH Aachen. Fachbereichsleiterin zu diesem<br />

Zeitpunkt: Dr. Hildegard Reitz.<br />

Abb. 160: Das Logo der FH in den 70er Jahren.<br />

71


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Fachhochschullehrer <strong>und</strong> Professoren 1979: C.H. Bauer, Modegrafik; Dr.-Ing. Boeminghaus,<br />

Design-Theorie; K.W. von Borries, Objekt-Design/Formgebung; K. Endrikat, Zeichnen; Dr. U. Hegewald,<br />

Methoden der zeichnerischen Gestaltung; S. Ijewski, Gestaltlehre/Farbe; G. Knipp, Zeichnen,<br />

D. Rheder, Grafik-Design, Dr. H. Reitz, Kunstwissenschaft; E. Wille, Objekt-Design/Farbe.<br />

In den ersten Jahren hatte die Schule 40 bis 50 Schüler. Mitte der 20er Jahren gab es 103 Tagesschüler<br />

<strong>und</strong> 735 Abend- <strong>und</strong> Sonntagsschüler, Ende der 20er Jahre wuchs die Zahl der Tagesschüler<br />

auf bis zu 160. Anfang der 30er Jahre ging die Zahl, vermutlich auch wegen politischer<br />

Repressionen, deutlich zurück. Nach dem Krieg startete die Schule mit 153 Schülern, Mitte der<br />

50er Jahre lernten hier 110 bis 120 Schüler. Ab 1961 nimmt die Zahl der Studierenden kontinuierlich<br />

zu: 154 (1961), 177 (1964), 277 (1971, nach Gründung der FH), 329 (1973) <strong>und</strong> 429<br />

(1978).<br />

Die Schule hat weiterhin bekannte Schüler hervorgebracht: Albert Sous, der hier studierte <strong>und</strong><br />

hier auch seine Frau kennen lernte. In Aachen unter anderem bekannt durch den Kugel-Brunnen.<br />

72


2.5 Die Volksschule Reumontstraße<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Die nachfolgenden Ausführungen beruhen zu wesentlichen Teilen auf der Chronik zum 75-jährigen<br />

Bestehen der Schule.[19]<br />

Die Gründung der städtischen Volksschule Aachen, Schule St. Jakob<br />

Als um die Jahrh<strong>und</strong>ertwende der Tuchfabrikant C. Delius sein Unternehmen vergrößern wollte,<br />

trat er an die Stadt mit der Bitte heran, das an seine Fabrik angrenzende Schulgebäude der Pfarre<br />

St. Jakob in der Mauerstraße aufkaufen zu dürfen. Die planmäßige Anlage des neuen Wohnviertels<br />

im Umfeld der Südstraße machte dort den Bau einer zentral gelegenen Schule notwendig.<br />

Als Ersatzgr<strong>und</strong>stück erwarb die Stadt Aachen deshalb von der Witwe Werner das Gr<strong>und</strong>stück<br />

der Spinnerei zwischen Südstraße <strong>und</strong> Mariabrunnstraße, das an der Ecke Reumontstraße/<br />

Mariabrunnstraße für den Schulneubau genutzt wurde.<br />

Abb. 161: Die städtische Volksschule, Foto vermutlich aus dem Zeitraum der Fertigstellung.<br />

Am 8. Juni 1909 nahm die Schule Reumontstraße ihre Arbeit auf. In dem modernen Schulbau<br />

wurden zwei vollständige, siebenklassige Schulsysteme untergebracht: der Knabenflügel, auch<br />

Knabenschulhaus genannt, <strong>und</strong> der Mädchenflügel oder das Mädchenschulhaus. An die beiden<br />

Schulsysteme wurden angegliedert: ein Kinderhort, eine Schulküche, ein Schülerbad <strong>und</strong> eine<br />

Turnhalle.<br />

73


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 162: Der Flügel mit dem Kinderhort. Die beiden Schilderhäuser deuten<br />

darauf hin, dass die Aufnahme während der belgischen Besatzung 1920/21<br />

entstanden ist.<br />

Die Zeit bis zum Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

Die Kaiserzeit <strong>und</strong> der Erste Weltkrieg brachten für die Schule kaum Veränderungen, wohl aber<br />

die Zeit zwischen 1921 <strong>und</strong> 1924. Das Kaiser-Wilhelm-Gymnasium in der Lothringer Straße wurde<br />

für Kinder belgischer Besatzungsangehöriger requiriert. Daher musste das Gymnasium zum<br />

9. Oktober 1921 das eigene Schulgebäude räumen <strong>und</strong> wurde nach einer Zwischenstation ab 21.<br />

Dezember 1921 im Ostflügel (Mädchenschulhaus) der Volksschule Reumontstraße untergebracht.<br />

Das Mädchenschulhaus musste zuvor gründlich erneuert werden, da es als Kaserne gedient<br />

<strong>und</strong> darunter sehr gelitten hatte. Bis zum Beginn des Jahres 1924 verblieb das Kaiser-Wilhelm-Gymnasium<br />

im Ostflügel der Volksschule Reumontstraße.<br />

Von ihrer Gründung im Jahr 1909 bis Ostern 1931 trug die zur Pfarre St. Jakob gehörige Schule<br />

auch deren Namen: Volksschule St. Jakob. Mit Beginn des Schuljahres 1931/32 führte die Schule<br />

dann den Namen der neu errichteten Kirche Heilig Geist <strong>und</strong> wurde dieser Pfarre zugeordnet. Im<br />

Zuge der nationalsozialistischen Namensgebung wurde die Volksschule Heilig Geist 1937 in<br />

Hans-Schemm-Schule umbenannt. 3<br />

Von ehemaligen Schülern wird berichtet, dass vor dem Frankreich-Feldzug die Wehrmacht in der<br />

Schule einquartiert wurde <strong>und</strong> der Unterricht in der Schule Hanbrucher Straße stattfand. In der<br />

Chronik der Gr<strong>und</strong>schule ist dieser Hinweis nicht enthalten. Im Jahr 1944 wurde die Schule stark<br />

zerstört.<br />

Die Jahre von 1950 bis 1984<br />

Nach dem Krieg gingen die Kinder wegen der Zerstörung der Volksschule zunächst in die Volksschule<br />

Hanbruch. Nach Vollendung des ersten Bauabschnitts nimmt die Schule am 21. November<br />

1950 als vierte Volksschule in Aachen in dem östlichen, in Anlehnung an den alten Stil wiederhergestellten<br />

Flügel mit acht Klassenräumen die Ausbildung wieder auf. Sie führt nun den Namen<br />

Volksschule Reumontstraße. 353 Kinder besuchten die neue Schule. Mit Beginn des Schuljahres<br />

1951/52 kamen zusätzlich die Kinder der Schule Beeckstraße (Pfarre St. Marien) in die<br />

Schule Reumontstraße. Dadurch wuchs die Schülerzahl beträchtlich: 587 Kinder besuchten nun<br />

die Schule Reumontstraße. Die Schülerzahl in den einzelnen Klassen lag zwischen 42 <strong>und</strong> 60<br />

Kindern. Da nur acht Klassenräume zur Verfügung standen, war Schichtunterricht notwendig.<br />

74<br />

3<br />

Abb. 163: Kochunterricht - es ist nicht gesichert, dass es die Küche<br />

der Schule Reumontstraße ist, aber es wird sicher sehr ähnlich<br />

ausgesehen haben.<br />

Hans Schemm war ursprünglich Volkschullehrer, später Gauleiter <strong>und</strong> Staatsminister sowie Führer des NS-Deutschen Lehrerb<strong>und</strong>es<br />

<strong>und</strong> Leiter des Hauptamtes für Erziehung bei der Reichsleitung der NSDAP. Nach einem tödlichen Flugzeugunglück im März 1935<br />

wurden mehrere Schulen nach ihm benannt.


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 164: Die im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigte Schule nach Fertigstellung des ersten Bauabschnitts im Oktober 1950.<br />

Die Schülerzahl wuchs im Schuljahr 1953/54 weiter: Nun besuchten 616 Kinder die Schule. Im<br />

Schuljahr 1954/55 erfolgte der Wiederaufbau des mittleren Traktes. Mit Beginn des Schuljahres<br />

1955/56 besuchten 689 Kinder die katholische Volksschule Reumontstraße. Noch immer gab es<br />

jahrgangsübergreifende Klassen, noch immer fand Schichtunterricht statt. Am 15. Dezember<br />

1956 konnte auch der westliche Trakt bezogen werden. Nach sechsjähriger Behelfszeit bot das<br />

Schulgebäude nun genügend Platz zur Durchführung eines ordnungsgemäßen Unterrichtes,<br />

Schichtunterricht war nun nicht mehr notwendig.<br />

Mit Beginn des Schuljahres 1957/58 erfolgte die Trennung der katholischen Volksschule Reumontstraße<br />

in zwei gesonderte Schulsysteme. Auf Initiative Pfarrers von den Driesch wurde die<br />

katholische Volksschule St. Marien wieder gegründet <strong>und</strong> in einem Trakt der Reumontstraße<br />

untergebracht. Bis 1965 verblieb diese Schule in der Reumontstraße.<br />

Der am 20. Februar 1958 beginnende Turnhallenbau machte die Schule wieder zur Baustelle. In<br />

der Schule Reumontstraße Heilig Geist wurden 1958/59 384 Kinder von neun Lehrern unterrichtet.<br />

Der zunehmende Verkehr <strong>und</strong> die damit vor allem Kindern drohenden Gefahren machten<br />

Verkehrserziehungsmaßnahmen notwendig. Die Stadt beschritt neue Wege, indem sie in der<br />

Hohenstaufenallee einen Verkehrserziehungsgarten einrichtet. Bei dessen Übergabe im Mai 1958<br />

waren Schüler der Schule Reumontstraße an Vorführungen beteiligt. Am 8. Januar 1959 wird die<br />

Turnhalle fertiggestellt, an der Lehrküche wurde noch gearbeitet. Damit waren die letzten Schäden<br />

14 Jahre nach Kriegsende beseitigt.<br />

75


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 165: Zeitungsbericht über den dritten Bauabschnitt der Wiederherstellung der Schule.<br />

Am Ende der Mariabrunnstraße hatte es früher schon einen kleinen Fußgängertunnel durch den<br />

Bahndamm gegeben. Wahrscheinlich durch Beschädigung im Krieg wurde er verfüllt. 1962 wurde<br />

er wieder hergestellt, was von der Leitung <strong>und</strong> der Elternvertretung der Schule seit langem<br />

gefordert wurde. Für einen Teil der Kinder war der Schulweg nun wesentlich kürzer <strong>und</strong> der<br />

direkte Weg von der Schule zum 1958 eingerichteten "Verkehrserziehungsgarten" an der Hohenstaufenallee<br />

sicherer.<br />

Das Schuljahr 1963/64 brachte große Veränderungen. In den Sommerferien räumte die Volksschule<br />

St. Marien das Schulgebäude <strong>und</strong> bezog das Gebäude in der Franzstraße. Einen Teil der<br />

freiwerdenden Räume erhielt die Volksschule Heilig Geist <strong>und</strong> konnte damit die Raumsituation<br />

günstiger gestalten. Die übrigen Räume bezogen zuerst zwei ausgelagerte Klassen der evangelischen<br />

Volksschule Annastraße, die im Laufe der Zeit zu einem eigenen Schulsystem erweitert<br />

wurde, das bis zur Auflösung der Volksschule in der Reumontstraße verblieb.<br />

Das Schuljahr 1968/69 brachte eine einschneidende Reform des Volksschulwesens: die Auflösung<br />

der Volksschule <strong>und</strong> die Konstituierung von Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Hauptschule. Die evangelische Volksschule<br />

zog um in das Gebäude Eintrachtstraße, an der Reumontstraße wurden eine katholische<br />

Gr<strong>und</strong>schule <strong>und</strong> eine Gemeinschaftshauptschule untergebracht. Die katholische Gr<strong>und</strong>schule<br />

bezog den zur Mariabrunnstraße hin gelegenen Flügel. 304 Schüler stellten sich am 1. Schultag<br />

in der Gemeinschaftshauptschule ein.<br />

76


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Im Schuljahr 1971/72 waren die Neuanmeldungen an der katholischen Gr<strong>und</strong>schule mit 112<br />

Kindern so hoch, dass drei erste Schuljahre gebildet werden konnten. Am Ende des Schuljahres<br />

wurde der in der Südstraße allseits bekannte, seit 1952 an der Schule Reumontstraße tätige <strong>und</strong><br />

seit 1968 erblindete Hausmeister Peter Braunleder verabschiedet.<br />

Im Schuljahr 1972/73 macht der starke Zuzug<br />

türkischer Gastarbeiter die Einrichtung zweier<br />

Klassen mit Schülern türkischer Nationalität an<br />

der Hauptschule Reumontstraße erforderlich.<br />

An der Hauptschule Reumontstraße wurde<br />

1973/74 kurzfristig Nationalunterricht für jugoslawische<br />

Kinder erteilt. Im Schuljahr<br />

1974/75 wurde an der Gr<strong>und</strong>schule die Regelung<br />

eingeführt, dass an zwei Samstagen im<br />

Monat unterrichtsfrei ist. Ab September 1975<br />

wurde an der Hauptschule Reumontstraße die<br />

"Einrichtung einer Klasse für jugendliche Arbeitslose<br />

zwecks Vorbereitung auf die Fremdenprüfung<br />

zur Erlangung des Hauptschulabschlusses"<br />

vorgenommen.<br />

Wieder einmal platzte die Schule aus allen Nähten, so dass sich der Schulträger nach langem<br />

Zögern endlich entschloss, die inzwischen geräumte Hausmeisterwohnung im Kellergeschoss in<br />

Klassenräume umzuwandeln.<br />

Seit dem Schuljahr 1978/79 gilt für beide Schulsysteme die Fünf-Tage-Woche. Auf der Sitzung<br />

des Schulausschusses im März 1979 wurde dem Antrag der Schule stattgegeben, in dem kommenden<br />

Schuljahr ein freiwilliges 10. Schuljahr einzurichten.<br />

Die Katholische Gr<strong>und</strong>schule hat 1980/81 den<br />

Gr<strong>und</strong>schulhof in einen Spielplatz umgestalten<br />

lassen. Durch das Aufmalen farbiger Spielfelder,<br />

das Anbringen von Kletter- <strong>und</strong> Turngeräten,<br />

das Aufstellen von Bänken, Blumenkübeln<br />

<strong>und</strong> einer Tischtennisplatte erhielt der Gr<strong>und</strong>schulhof<br />

einen neuen Charakter. Das 10. Schuljahr<br />

wird obligatorisch eingeführt.<br />

Im Herbst 1987 zog die Hauptschule zur Malmedyer<br />

Straße um. In dem Gebäude befindet<br />

sich weiterhin die Gr<strong>und</strong>schule ("Alfred von<br />

Reumont-Schule"), in den östlichen Teil (ehem.<br />

Mädchenflügel) ist die Montessori-Schule mit<br />

Kindergarten eingezogen.<br />

Abb. 166: Das Schulgebäude in den 1970er Jahren.<br />

Abb. 167: Der Schulhof im Jahr 1984 mit den Gebäuden der ehemaligen<br />

Firma Kalde im Hintergr<strong>und</strong>.<br />

77


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Eine wesentliche Veränderung ergab sich erst<br />

wieder mit dem Bau des neuen Schulgebäudes<br />

für die Ganztagsbetreuung der Schüler im Jahr<br />

2007 auf dem Gelände der ehemaligen Fachhochschule.<br />

78<br />

Abb. 168: Artikel in den AN, 16. August 2007


2.6 Tattersall <strong>und</strong> Bunker<br />

Der Tattersall<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Ein Tattersall ist ein nach dem britischen Stallmeister R. Tattersall (*1724, +1795) benanntes<br />

"geschäftliches Unternehmen für reitsportliche Veranstaltungen, für Verleihen <strong>und</strong> Einstellen von<br />

Pferden; Reitbahn, Reithalle". [25]<br />

Nach den Adressbüchern hat zumindest seit 1872 in der Südstraße ein Reitstall bestanden, die<br />

Bernhard´sche Reitbahn, auf der unter anderem der Tuchfabrikant Frankenhoff reiten ging. Die<br />

Beschäftigten des Reitstalls wohnten teilweise in der Südstraße, zum Beispiel im Jahr 1872: Nr.<br />

12 Bernard, Reitlehrer; Terkatz, Pferdehändler; im Jahr 1881: Nr. 14 Schluszat, Stallknecht, oder<br />

im Jahr 1893 in Nr. 14: Schöbitz, Kutscher; Daniels, Kutscher <strong>und</strong> in Nr. 16: Henry Kaufmann,<br />

Pferdehändler.<br />

Der Zugang führte über einen Durchgang mit grobem Pflaster. Das mit Gras bewachsene Freigelände<br />

umfasste die Fläche in der Länge bis zum Zugang zur Werkkunstschule <strong>und</strong> in der Tiefe bis<br />

zur Gr<strong>und</strong>stücksgrenze "Kalde" (Boxgraben 73), eine Fläche von ca. 100 a. Es lag durch eine<br />

Stützmauer getrennt etwas höher als die Südstraße. Die Ställe für etwa 20 Pferde <strong>und</strong> die Reithalle<br />

befanden sich an der Nordseite parallel zum Boxgraben in Verlängerung des Durchgangs<br />

von der Südstraße. Am Kopf des Gr<strong>und</strong>stücks stand die große Reithalle, deren Längsausrichtung<br />

nach Süden, zur Werkkunstschule, wies. Man konnte sich hier auch Pferde leihen, was nicht allzu<br />

teuer gewesen sein soll, um in Richtung Aachener Wald auszureiten.<br />

Abb. 169: Südstraße 16, das Wohnhaus des Reitlehrers Dibbert, ca. 1910.<br />

Links ist der Torbogen des Zugangs zum Tattersall im Ansatz zu erkennen.<br />

(Foto: Stadtarchiv Aachen).<br />

Abb. 170: Katasterauszug der vom Tattersall genutzten<br />

Gr<strong>und</strong>stücke. Am rechten Bildrand die Südstraße mit dem<br />

noch erkennbaren ursprünglichen Verlauf der Straße.<br />

79


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Das Gelände war verb<strong>und</strong>en mit dem Gr<strong>und</strong>stück Boxgraben 55 <strong>und</strong> hatte hier einen eigenen<br />

Zugang. In diesem Bereich waren die Kutschen in Remisen untergebracht. Eigentümer beider<br />

Gr<strong>und</strong>stücke war Jakob Kaufmann, ab 1911 mit der zusätzlichen Bezeichnung "Pferdehandlung".<br />

Die Straßenfront am Boxgraben bestand aus einer etwa vier Meter hohen Mauer <strong>und</strong> einem<br />

breiten Eingangstor, vom Firmenschild überspannt, das von zwei Pferdeköpfen flankiert war (den<br />

Zugang von der Südstraße muss man sich ähnlich vorstellen).<br />

Abb. 171: Zugang zur Reitbahn am Boxgraben, ca. 1910.<br />

Die Gr<strong>und</strong>stücke Südstraße 16 <strong>und</strong> 18 verkaufte Jakob Kaufmann an Heinrich Dibbert, der in das<br />

Haus Nr. 16 einzog <strong>und</strong> vermutlich ab 1909 auf dem Gr<strong>und</strong>stück Nr. 18 den Tattersall mit der im<br />

Adressbuch eingetragenen Nutzung "Aachener Reitinstitut" betrieb. Als Reitlehrer gab es Heinrich<br />

Dibbert, Herrn Rensing <strong>und</strong> für das Voltigieren Herrn Limburg. Bekannt war der Reitstall auch<br />

durch seine von Herrn Limburg geleitete Kindervoltigiergruppe.<br />

Für einen Besuch von Kaiser Wilhelm II, vermutlich im Oktober 1911, der hier auch ritt, war sein<br />

Pferd aus Berlin nach Aachen geschafft worden (auf einem fremden Pferd wollte er wohl nicht<br />

reiten). Sein Pferd war für die Dauer des Besuches im Tattersall Dibbert untergebracht.<br />

Aus den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg gibt es den Eintrag: Belgisches Pferdedepot. Von<br />

1922 bis 1926 bewohnte die belgische Besatzung das Haus Nr. 16 <strong>und</strong> auch belgische Offiziere<br />

aus dem Wohnkomplex auf dem Gr<strong>und</strong>stück des leerstehenden Finanzamtsgebäudes nutzten<br />

den Tattersall. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Reitbahn durch Posten in Schilderhäuschen bewacht.<br />

Anlässlich eines Besuchs des Reichspräsidenten von Hindenburg in Aachen im Oktober 1930 gab<br />

es einen Festumzug vieler Vereine, so auch des Gardevereins, zu dem Heinrich Dibbert eine Gruppe<br />

Pferde mit voltigierenden Kindern beisteuerte.<br />

80


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Nach der Heirat mit der Stern´schen Tochter wird der Teil des Gr<strong>und</strong>stücks am Boxgraben 55 von<br />

Herrn Laurency zunächst für eine Tankstelle, später für eine Autoreparaturwerkstatt (vermutlich<br />

ab 1935) genutzt. Davon existiert noch die Werkhalle, die heute als Garagenhalle dient. Diese<br />

grenzt an den Oebelschen Garagenhof. Spätestens zu diesem Zeitpunkt dürfte die Verbindung<br />

zum Dibbert´schen Tattersall unterbrochen worden sein. Das Ehepaar Laurency ließ sich scheiden.<br />

Ein Arzt in Eupen versteckte die Jüdin Ende der 30er Jahre unter anderem im Kloster Stavelot.<br />

Nach dem Krieg bekam sie nach einem Prozess eine Entschädigung.<br />

In den 30er Jahren, evtl. auch noch in den ersten Kriegsjahren, hat auf der Fläche des Tattersalls<br />

jeweils im Frühjahr eine Kirmes mit Kettenkarussell <strong>und</strong> verschiedenen Buden stattgef<strong>und</strong>en.<br />

Diese Tradition wurde nach dem Krieg auf dem ehemaligen Tennisplatzgelände an der Reumontstraße<br />

fortgeführt.<br />

Nach dem Adressbuch von 1936 befand sich auf den unmittelbar angrenzenden Gr<strong>und</strong>stücken<br />

Südstraße 20-38 das Außengelände des Tattersalls, das zumindest bis 1926 dem "Aachener Verein<br />

zur Beförderung der Arbeitsamkeit" gehörte. Im März 1936, zur Zeit der Rheinlandbesetzung<br />

durch deutsche Truppen, standen auf dem Reitplatz Militärfahrzeuge mit angehängten Kanonen.<br />

Zu Karneval gab es ein Kostüm-Reiten. Hier traf sich über lange Zeit der "Aachener Reiterverein<br />

1910 Prinzengarde Aachen". In der Chronik zum 70-jährigen Bestehen der Prinzengarde [18] ist<br />

der Tattersall mehrfach erwähnt:<br />

"In den schweren Jahren nach dem Ersten Weltkrieg <strong>und</strong> in der Zeit der Inflation <strong>und</strong> des Separatismus<br />

war nicht daran zu denken, die Vereinstätigkeit in gewohnter Weise aufleben zu lassen.<br />

Die Mitglieder trafen sich zwar schon wieder auf der Reitbahn Dibbert in der Südstraße <strong>und</strong><br />

führten einmal pro Woche (mittwochs) Reitst<strong>und</strong>en durch...<br />

In der Reithalle Dibbert in der Südstraße finden (in der Session 1937) wöchentlich Reitst<strong>und</strong>en<br />

statt <strong>und</strong> zum Abschluß traf man sich dann im Hotel Gabriel, Ecke Krakaustraße <strong>und</strong> Boxgraben,<br />

zu einem Umtrunk...<br />

Dienstbefehl für die Karnevalstage!!!<br />

...Rosenmontag, 20.2.1939, Abmarsch ab Reitbahn Dibbert, Südstraße, Punkt 10.45 Uhr, es<br />

reiten im Zuge mit... es folgen 19 Namen.<br />

In den Wochen vor Beginn des Frankreich-Feldzuges hatte eine Kavallerieeinheit hier ihr Quartier.<br />

Eines Nachts waren alle Soldaten mit ihren Pferden verschw<strong>und</strong>en, der Feldzug hatte begonnen.<br />

Im Verlauf des Krieges, vermutlich 1940, spätestens 1942 (in diesem Jahr gibt es keine Eintragung<br />

mehr als Reitinstitut), wurde der Betrieb des Tattersalls eingestellt <strong>und</strong> später nicht mehr<br />

aufgenommen.<br />

Zwischen dem Tattersall <strong>und</strong> dem Gr<strong>und</strong>stück der Kunstgewerbeschule befand sich etwa ab<br />

1934 bis in den Krieg hinein die Gärtnerei Bakker. Die Fläche darf man sich nicht als klassische<br />

Gärtnerei vorstellen, sondern eher als einen großen Schrebergarten mit einigen Treibhäusern <strong>und</strong><br />

einer Bude, in der Bakker wohnte. Er verkaufte vermutlich das, was er zur Selbstversorgung nicht<br />

brauchte. Als Entschädigung, möglicherweise im Zusammenhang mit dem Bau des Bunkers,<br />

erhielt er einen Teil der Fläche des ehemaligen Tennisplatzes an der Reumontstraße/ Südstraße<br />

<strong>und</strong> hatte dort auch nach dem Krieg noch seine Gärtnerei (siehe dort).<br />

81


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Der Bunker<br />

Mit den immer heftiger werdenden Bombenangriffen auf Aachen begann man im Januar 1941<br />

mit den Arbeiten für den Bau einer ersten Welle von zehn Luftschutzbunkern. Der Bunker Südstraße,<br />

auf einer Teilfläche des Tattersalls, gehörte mit der lfd. Nr. 13 zur zweiten Welle. Er entstand<br />

nur wenige Meter vom Gehweg zurückgesetzt <strong>und</strong> bot 400 Liege- <strong>und</strong> 50 Sitzplätze, die<br />

tatsächliche Belegung bei Luftalarm wird häufig darüber gelegen haben. Er hat drei Eingänge:<br />

auf der Nord- <strong>und</strong> Südseite je ein größerer, an der Straße ein etwas kleinerer.<br />

Für die Betonherstellung wurden große Berge Kies auf der Außenfläche des ehemaligen Tattersalls<br />

gelagert. Es gab nur wenige Baumaschinen, fast alles geschah in Handarbeit. Ab August<br />

1941 arbeiteten auf den Luftschutzbaustellen in Aachen bis zu 200 Kriegsgefangene, zumeist<br />

Franzosen. Soweit die Aufzeichnungen über den Einsatz der Kriegsgefangenen [Akte 12222 des<br />

Stadtarchivs] vorliegen, wurden auf der Baustelle Südstraße etwa zehn Kriegsgefangene eingesetzt.<br />

Diesen Aufzeichnungen zufolge erstreckte sich die Bauzeit zumindest vom 25. April 1942<br />

bis zum 20. Februar 1943. Die Arbeiten gingen nur schleppend voran. Es fehlte kriegsbedingt an<br />

Baumaterialien wie Stahl, Kies <strong>und</strong> Zement.<br />

Abb. 172: Einsatzplan für den Einsatz von Kriegsgefangenen im<br />

Bunkerbau, Bericht vom 18.10.1941. Der Bunker Südstraße ist mit einem<br />

Strich versehen, da er sich noch nicht in Bau befand.<br />

Nach Augenzeugenberichten soll der Bunker von einer Bombe schwer getroffen worden sein<br />

(1943?), wodurch die westliche Rückwand auf einer Fläche von etwa fünf Mal fünf Meter<br />

schwer eingedrückt wurde <strong>und</strong> innen Ziegelmauern umfielen. Ein Schuppen mit Schimmel an<br />

der Außenwand des Bunkers waren völlig verschw<strong>und</strong>en. Die Mauer wurde provisorisch mit<br />

einer sandgefüllten Holzschalung wiederhergestellt. Bei dem großen Luftangriff auf Aachen am<br />

11. April 1944 gerieten die erst während des Krieges auf der freien Fläche erbauten provisorischen<br />

Holzbauten (Baracken) in Brand, wodurch die Flieger den Bunker leicht erkennen konnten.<br />

Dies führte zum verstärkten Bombardement der Südstraße, die ohnehin wegen der Nähe zum<br />

82<br />

Abb. 173: Blick aus Haus Nr. 3 auf das Freigelände des ehem.<br />

Tattersalls (der Eingangsbogen ist am rechten Bildrand zu sehen) im<br />

Jahr 1943: Im Vordergr<strong>und</strong> die Südstraße, im Hintergr<strong>und</strong> der Bunker,<br />

das Gebäude der ehem. Kunstgewerbeschule <strong>und</strong> die bereits stark<br />

zerstörte Gr<strong>und</strong>schule Reumontstraße.


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Bahnhof stark gefährdet war. In den letzten Kriegstagen war der Koloss noch so intakt, dass die<br />

Städtischen Krankenanstalten von der Goethestraße ein Lazarett im Bunker einrichten konnten.<br />

Im ersten Nachkriegsjahr wurden in seiner Nähe Tote unbekannter Herkunft exhumiert <strong>und</strong><br />

ordnungsgemäß bestattet.<br />

Als Notunterkunft hat er noch einige Jahre gedient, vor allem als Notquartier für rückkehrende<br />

Aachener, deren Wohnungen anderweitig belegt waren (1.549 Personen waren 1948 in den 18<br />

Bunkern untergebracht!). Später diente er bis ins Jahr 1950 noch als so genannter Übernachtungsbunker<br />

für Obdachlose. Danach benutzte die Fa. Kalde den leerstehenden Bunker als Materiallager.<br />

Anschließend stand er leer.<br />

Die Bebauung der Baulücke an der Südstraße (Haus Nr. 20 bis 38) erfolgte 1952 durch C. Kalde<br />

auf der bis dahin freien Fläche unter Einbeziehung des zerstörten Hauses Nr. 42. Geschickt wurde<br />

der Bunker in den Komplex einbezogen, so dass dieser Klotz von der Straße aus nicht mehr sichtbar<br />

ist. Nachteil: Die Geschäfte im Haus 34/34a haben keine eigenen Nebenräume. Erst in jüngster<br />

Zeit erhielt der Geschäftsteil Nr. 34a des aus beiden Teilen zusammengelegten Ladens einen<br />

straßenseitigen Zugang zum Bunker <strong>und</strong> verfügt nun durch einen abgemauerten Gang über vier<br />

bis fünf Lagerräume im ehemaligen Bunker.<br />

Abb. 174: Der Bunker von Süden im Jahr 2004.<br />

Im Frühjahr 2004 steht der Bunker zum Verkauf<br />

<strong>und</strong> wird für die Mindestgebotssumme<br />

von 30.000 EUR an einen Aachener verkauft.<br />

Über seine zukünftige Nutzung ist bisher<br />

nichts bekannt.<br />

Abb. 175: Auktionsanzeige<br />

Abb. 177 -184 (Folgeseite): Innenansichten des Bunkers Südstraße im Jahr 2003.<br />

Abb. 176: Aachener Nachrichten, 7. April 2004<br />

83


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

84


2.7 Das Geschäftsleben<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Schon gleich zu Anfang <strong>und</strong> für eine lange Zeit war die Südstraße eine gute Wohngegend mit<br />

einer großen Anzahl von Geschäften <strong>und</strong> Gaststätten. Bis 1939/40 gab es in der Straße 25 Geschäfte<br />

<strong>und</strong> eine Gastwirtschaft, um 1980 waren es 28 Geschäfte <strong>und</strong> sechs Gastwirtschaften.<br />

Zumindest bis dahin war die Südstraße die Einkaufsstraße des sich anschließenden Südviertels<br />

bis weit über die Gegend um den Hangeweiher hinaus, einschließlich der früher üblichen Anlieferung<br />

zu den K<strong>und</strong>en. Alles, was man zum Leben braucht, konnte man in der Südstraße kaufen:<br />

Es gab die Bäckereien Gerda Schnurr <strong>und</strong> Hans Heinrichs, den Milch- <strong>und</strong> Lebensmittelladen<br />

Jakob Laschet, den Lebensmittelladen Peter Leisten (später Franz Corsten, Frau Müller <strong>und</strong> dann<br />

der Türke Hakan, später den "Südmarkt" vom Haidar Yoncali, der im Sommer 2002 nach Nr. 2A<br />

umzog), Annelene Kallas, <strong>und</strong> nicht zu vergessen einige Zeit an der Ecke Boxgraben den Obst<strong>und</strong><br />

Gemüseladen der Familie Günther, dann gab es drei Metzgereien (Theodor Wagemann –<br />

zuletzt sein Sohn Walter, Gerhard Giesbertz - später Neu <strong>und</strong> zuletzt Heinz Leppak [bis 13. Oktober<br />

2001], sowie Peter Lennartz), weiterhin drei Drogerien (O. Pützer, später Karl Havemann,<br />

Irene Bauer, Frau Reinartz <strong>und</strong> ab 1958 Gottfried Kahlen), eine Zeit lang den Fischladen Frohn,<br />

ebenso für etliche Jahre die Sonnen-Apotheke von Marianne Zaun, den Kaffeeladen von Karl Jansen,<br />

Kurzwaren Franken <strong>und</strong> den Blumenladen Förster, Papier- <strong>und</strong> Schreibwaren Prickartz.<br />

Eine Elektrofirma war Heinrich Berners <strong>und</strong> später Ludwig Gröner bzw. Rolf Mohren, <strong>und</strong> für sanitäre<br />

Installation gab es (bis Mai 2000) die Firma Ernst Breier GmbH. Dann gibt es noch das<br />

Geschäft für Zeitschriften, Tabak- <strong>und</strong> Schreibwaren von Rolf Held (vorher Beiss, ursprünglich vor<br />

dem Krieg Südstraße 5). Auch zwei Schuster hat es gegeben. Im Hinterhof des Hauses Nr. 37 befindet<br />

sich ein niedriges Gebäude, das einige Zeit der Zuckerwaren-Firma Esser als Verkaufsraum<br />

diente, jetzt ist schon länger eine Papierverarbeitung darin. Alle kann man nicht aufzählen <strong>und</strong><br />

nicht immer waren alle gleichzeitig.<br />

Die Gaststätten waren vor dem Krieg die Schankwirtschaft Kistermann bzw. Dautzenberg, das<br />

Hotelrestaurant "Barbarossa" <strong>und</strong> zwei Konditoreien (Pick bzw. Schnurr <strong>und</strong> Heinrichs). Heute<br />

sind es noch das "New Salsa" (vorher "Beethoveneck" <strong>und</strong> "Café Salsa"), dann noch das "Parkside"<br />

(zuvor "Südklause" als Nachfolger der Bäckerei Heinrichs <strong>und</strong> dann für lange Zeit das legendäre<br />

"BeBop"), sowie "Palmyra" (zuvor Athenee, für kurze Zeit "Culinarius", davor für lange Zeit das<br />

"Agora", früher "Barbarossa"). Schließlich gibt es noch seit längerer Zeit das griechische Restaurant<br />

"Lefkada", direkt vor der Bahnunterführung. Und dann war noch der "Südhof", seine<br />

Wiederbelebung mit einem "Internet-Café" <strong>und</strong> dann mit der Gaststätte "el Sur" scheiterten, wie<br />

auch die Karolusstuben im Haus Nr. 1.<br />

Die Gewerbetreibenden in der Südstraße haben immer wieder besondere "Typen" hervorgebracht.<br />

So führte seit 1942 Jakob Laschet das Geschäft in der Südstraße 47 (links), nach dem<br />

Krieg mit dem Verkauf von Milch <strong>und</strong> Lebensmitteln. Herr Laschet führte es mit seiner Frau, <strong>und</strong><br />

sie war die Seele des Geschäfts. Es gab Kinder aus mehreren Ehen, die sich teilweise auch am<br />

Laden beteiligten. Interessant war insbesondere das Leben von Marliese, einer jüngeren Tochter.<br />

Sie war befre<strong>und</strong>et mit Willi Strauch, als dieser 1957 als einer der ersten einen Lottogewinn mit<br />

mehr als einer Million DM machte. Er war damals im Bauhandwerk tätig, verschwand dann aber<br />

spurlos. Er vertraute seinen Gewinn einem ihm treu gesonnenen Geschäftsmann an, die damit<br />

begründete Firma (Wohnbau- <strong>und</strong> Finanzinstitut) vermehrte das Geld noch wesentlich. Herr<br />

Strauch hielt Marliese die Treue <strong>und</strong> heiratete sie später (viel zu früh starb er in den 80er Jahren<br />

bei einem Ausflug in einem Hotel in Paris).<br />

1978 übernahm Karin Krämer, nach ihrer Verheiratung Karin Müller, das Obst- <strong>und</strong> Gemüsegeschäft<br />

im Haus Nr. 41. Sie verstand sie es bestens, mit der K<strong>und</strong>schaft umzugehen, so dass sie<br />

nicht zu Unrecht im Dezember 1991 bei einer launigen Verleihung im "Rittersaal" des Marschiertores<br />

den "Mullefluppet-Orden" wegen ihrer Schlagfertigkeit erhielt.<br />

85


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb.185: Artikel in der AZ, 3. Dezember 2004.<br />

Das Haus Südstraße Nr. 41 erhält einen gewissen Be<br />

kanntheitsgrad, weil sich hier seit Anfang 2003 ein umstrittenes<br />

Bordell angesiedelt hatte - angeblich das erste,<br />

das in einem Wohngebiet zugelassen wurde. Doch<br />

begleitet von einem Aufschrei in der Presse hielt diese<br />

Episode nur bis zum Frühjahr 2005.<br />

Doch auch sonst hat die Presse wird immer wieder<br />

über Menschen aus der Südstraße berichtet:<br />

Abb.187: Super Mittwoch, 21. Mai 2003<br />

86<br />

Abb. 186: AN, 3. Mai 2005<br />

Bis im Boxgraben 35 erst die Firma<br />

"Nutzkauf" (etwa Anfang der 70er<br />

Jahre) <strong>und</strong> danach "Plus" als Discounter<br />

eröffneten, war die Südstraße eine<br />

belebte Geschäftsstraße. Danach verloren<br />

alle Geschäfte durch weitere<br />

Discounter im Umfeld an Umsatz. Seit<br />

den 80er Jahren gaben zunehmend<br />

Geschäfte aus wirtschaftlichen Gründen<br />

auf, aber zunächst zogen meistens<br />

noch neue Nutzer in die Läden<br />

ein. Seit dem Jahr 2000 war die Südstraße<br />

allerdings von leerstehenden<br />

Ladenlokalen stark geprägt.


Abb. 188: Aachener Nachrichten vom 3. August 2004.<br />

Abb. 189: Aachener Nachrichten vom 14. Juli 2007<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Im Sommer 2006 gab es in wenigen Wochen<br />

noch einmal einen Schub mit Leerständen:<br />

Die Kneipen Salsa <strong>und</strong> Karolusstuben gaben<br />

auf wie auch das Reisebüro Vacancia <strong>und</strong> der<br />

esoterische Kunsthandel. Im gleichen Jahr<br />

ersetzt die Fa. PLUS ihr Gebäude am Boxgraben<br />

durch einen Neubau, entsteht an der<br />

Schillerstraße ein neuer großer Einkaufsbereich<br />

mit zwei Discountern. Das einstmals<br />

lebendige Nebenzentrum Südstraße entwickelte<br />

sich immer mehr zur Wohnstraße.<br />

Der erschreckende Substanzverlust wurde im<br />

Sommer 2006 sogar zum Thema in der Lokalpresse.<br />

87


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 190: Aachener Zeitung, August 2006<br />

88


Seit Herbst 2006 geht es mit der Südstraße langsam bergauf,<br />

weil die Nachfrage nach Ladenlokalen wieder steigt. Es<br />

macht zwar der eine oder andere nach kurzer Zeit wieder<br />

zu, aber insgesamt ist ein Gewinn an Substanz zu erkennen.<br />

Insbesondere die Entwicklung hin zu trendigen Spezialgeschäften<br />

könnte der Südstraße wieder das junge <strong>und</strong> etwas<br />

flippige Image zurückgeben, dass sie in den 70er <strong>und</strong> 80er<br />

Jahren hatte. Zum Straßenfest 2007 haben sich die Einzelhändler<br />

aus der Südstraße <strong>und</strong> der Krakaustraße sogar zu<br />

einer Werbekooperation zusammengeschlossen <strong>und</strong> der<br />

Klenkes philosophiert in seiner Ausgabe 08/2007: "Südstraßenfest<br />

- auf dem Weg zum Ku-Ku-Kiez: vielleicht hat die<br />

Südstraße irgendwo genug Potenzial für eine Entwicklung<br />

zum Aachener Kunst- <strong>und</strong> Kultur-Kiez..."<br />

Doch dann kam im August 2008 die<br />

Straßenbaustelle auf dem Boxgraben, im<br />

Herbst dann noch die Wirtschaftskrise<br />

<strong>und</strong> schon war die kurze Blüte wieder zu<br />

Ende. Seit 2009 nehmen die Leerstände<br />

wieder deutlich zu.<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

Abb. 192: Aachener Nachrichten, 23. Juni 2009<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 191: Plakat der Werbekooperation zum<br />

Straßenfest 2007<br />

89


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

2.8 Ehemaliges Finanzamt <strong>und</strong> Priesterseminar<br />

Das frühere Zusammentreffen von Finanzamt, Klerus <strong>und</strong> Polizei an der Kreuzung Boxgraben/<br />

Mozartstraße führte im Volksm<strong>und</strong> zu der Bezeichnung "Dreiräubereck", da Besucher dieser drei<br />

Einrichtungen meistens Geld lassen mussten.<br />

Von Besatzungswohnungen zum Finanzamt<br />

An der Stelle des bis Dezember 2005 dort untergebrachten<br />

Finanzamts stand eine in den<br />

20er Jahren des vorigen Jahrh<strong>und</strong>erts erbaute<br />

"Besatzungswohnhausgruppe", in der Offiziere<br />

der belgischen Besatzungstruppen wohnten.<br />

Nach dem Abzug der Besatzung im November<br />

1929 konnten Aachener die Wohnungen beziehen.<br />

Die Gebäude wurden im Zweiten Weltkrieg<br />

schwer getroffen <strong>und</strong> nach dem Krieg<br />

abgebrochen.<br />

Abb. 194: Ecke Beethovenstraße/Mozartstraße, Anfang der 20er Jahre.<br />

Am linken Bildrand die Einfriedigung des Teiches an der<br />

Beethovenstraße (Foto: Stadtarchiv Aachen).<br />

Abb. 196: Auch hier die gleiche Situation wie oben, 1944/45 (Foto:<br />

Stadtarchiv Aachen)<br />

90<br />

Abb. 193: Mittlerer Abschnitt der Besatzungshausgruppe (Foto: Kerz,<br />

Neue Stadtbaukunst Aachen, Berlin ca. 1928).<br />

Abb. 195: Besatzungswohnhausgruppe an der Mozartstraße, vom<br />

Boxgraben gesehen (Foto: Kerz, Neue Stadtbaukunst Aachen, Berlin ca.<br />

1928).<br />

Abb. 197: Die gleiche Situation wie oben, 1944/45 (Foto: Stadtarchiv<br />

Aachen)


Am 26. Januar 1952 wird auf dem 5.690 m²<br />

großen Gelände Mozartstraße 2-10 nach den<br />

Plänen des Finanzbauamtes Aachen mit dem<br />

Bau eines neuen Dienstgebäudes begonnen. 4<br />

Bereits am 22. Juli 1952 ist Richtfest an der<br />

Mozartstraße <strong>und</strong> im Mai 1953 wird das neue<br />

Dienstgebäude bezogen <strong>und</strong> am 7. Juli in einem<br />

feierlichen Festakt durch den Oberfinanzpräsidenten<br />

Professor Aprath dem Finanzamt<br />

Aachen-Stadt übergeben.<br />

Am 9. April 1963 muss das Dienstgebäude<br />

geräumt werden, weil auf der Baustelle Ecke<br />

Mozartstraße / Beethovenstraße eine englische<br />

Fünfzentner-Bombe gef<strong>und</strong>en wird <strong>und</strong> entschärft<br />

werden muss. Der Parkplatz an der<br />

Beethovenstraße wird 1975 angelegt.<br />

2004 begann der Neubau des Finanzzentrums<br />

an der Krefelder Straße <strong>und</strong> Ende 2005 fand<br />

der Umzug statt. Zum 1. Januar 2006 hat die<br />

Stadt Aachen das Gelände übernommen <strong>und</strong><br />

mehrere Abteilungen der Stadtverwaltung untergebracht.<br />

Von der Villa Delius [20] zum Priesterseminar [21]<br />

Abb. 200: Luftbild des Finanzamts <strong>und</strong> seiner Umgebung, etwa 1963.<br />

4<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 198: Der Lageplan zum Neubau des Finanzamtes: In der Mitte der<br />

Neubau, darunter das Priesterseminar, auf der linken Seite der<br />

ehemalige Weiher an der Beethovenstraße, oben rechts die Villa<br />

Waldthausen (heute Apothekengebäude) <strong>und</strong> unten rechts die<br />

ehemalige Villa Delius (Abbildung: Finanzamt Aachen-Innenstadt).<br />

Abb. 199: Der Rohbau des Finanzamtes von der Mozartstraße gesehen<br />

(1953) (Foto: Finanzamt Aachen-Innenstadt).<br />

Der Aachener Tuchfabrikant Carl Delius d. J.<br />

(1846 -1914) beauftragte im Spätherbst 1888<br />

den Kgl. Reg.-Baumeister Professor Georg<br />

Frentzen (1854-1923) mit dem Entwurf für ein<br />

"freiliegendes Wohnhaus". Die Erschließung<br />

des Baugeländes, das im Nordwesten durch<br />

die in den späten 80er Jahren angelegte Mozartstraße<br />

begrenzt wurde, erfolgte über die<br />

heutige Friedlandstraße, die nach 1850 als Verbindungsweg<br />

zwischen dem Boxgraben <strong>und</strong><br />

dem Marschiersteinweg entstand. Die Baugenehmigung<br />

wurde im März 1889 erteilt <strong>und</strong><br />

nach einer Bauzeit von über zwei Jahren konnte<br />

das Wohnhaus, dessen Baukosten sich auf<br />

ca. 350.000 Mark beliefen, im Mai 1891 von<br />

der Familie Delius bezogen werden.<br />

Diese wie auch die weiteren Informationen <strong>und</strong> Abbildungen zum Bau des Finanzamtes sind einer Ausstellung entnommen, die das<br />

Finanzamt Aachen-Innenstadt im August 2003 zum 50-jährigen bestehen durchgeführt hat. Das Finanzamt hat die Unterlagen<br />

fre<strong>und</strong>licherweise für die Chronik der Südstraße zur Verfügung gestellt.<br />

91


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 201: Villa Delius, Blick von der<br />

Friedlandstraße<br />

Die Villa Delius erhob sich über einem etwa 22,80 x 20,60 m großen Rechteck, das durch einoder<br />

mehrgeschossige Anbauten auf allen vier Hausseiten erweitert wurde. Die äußere Gestaltung<br />

des dreigeschossigen Baukörpers der Villa Delius konzentrierte sich im wesentlichen auf die<br />

zwei Fassaden, die von der Mozartstraße <strong>und</strong> dem Boxgraben eingesehen werden konnten. Die<br />

beiden drei- bzw. fünfachsigen Schauseiten vermittelten durch eine Vielfalt architektonischer<br />

<strong>und</strong> dekorativer Mittel, durch Terrassen <strong>und</strong> Balkone sowie Säulen <strong>und</strong> Balustraden den Eindruck<br />

repräsentativer Prachtentfaltung.<br />

Abb. 204: Die am 30. November 1929 aus der Villa Delius<br />

abrückende belgische Besatzung. [20]<br />

92<br />

Abb. 202: Das Vestibül der Villa.<br />

Abb. 203: Quelle der Abbildungen [20]<br />

In der Mittelachse eines von Säulen getragenen Portikus<br />

führte der Hauseingang über einen 3,00 m breiten<br />

Flurraum in das um vier Stufen höher gelegenen Vestibül,<br />

das zusammen mit dem großen Treppenhaus einen<br />

Raum von imposanter, monumentaler Wirkung<br />

bildete. Um dieses fast 60,00 m² große Vestibül, das<br />

ebenso wie der gesamte übrige Innenausbau des Hauses<br />

im Rokokostil bei Verwendung von fast durchweg<br />

echtem Material ausgestattet war, gruppierten sich die<br />

repräsentativen Wohn- <strong>und</strong> Empfangsräume sowie ein<br />

großes Speisezimmer, das in einer direkten Verbindung<br />

mit der Anrichte, der Küche <strong>und</strong> der Dienstbotentreppe<br />

stand. Obwohl die Gr<strong>und</strong>risszeichnungen der übrigen<br />

Geschosse zur Zeit nicht aufzufinden sind, darf man<br />

davon ausgehen, das die Nutzung dieser Etagen dem<br />

üblichen Schema des zeitgenössischen Villenbaues entsprach;<br />

so waren wahrscheinlich in der Beletage die<br />

Schlafzimmer des Hausherrn <strong>und</strong> seiner Familie untergebracht,<br />

während in dem Mansardgeschoss die Fremdenzimmer<br />

<strong>und</strong> Aufenthaltsräume des Hauspersonals<br />

lagen.


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

In der Zeit der belgischen Besatzung nach dem Ersten Weltkrieg diente die Villa Delius dem jeweiligen<br />

Stadtkommandanten als Residenz. Am 30. November 1929 verließen die letzten belgischen<br />

Besatzungstruppen Aachen <strong>und</strong> der belgische Stadtkommandant General Pouleur gab die<br />

Villa Delius frei.<br />

Da für die Unterbringung der Verwaltung des neu gegründeten Bistums in Aachen ein Gebäude<br />

benötigt wurde, erwarb die Bistumsleitung im Mai 1931 das Haus von der Stadt Aachen, um in<br />

dem Wohnhaus die Diensträume des Generalvikariats einzurichten. Am 1. Juli 1931 begann das<br />

bischöfliche Generalvikariat seinen Dienstbetrieb in der Villa.<br />

Bei dem schweren Angriff am 11. April 1944 wurde des Gebäude durch drei Fliegerbomben<br />

schwer beschädigt. Der Dienstsitz des Bistums musste anschließend verlegt werden. Erst nach<br />

verschiedenen Aufbauarbeiten am Gebäude konnte die Verwaltung des Bistums am 4. Juli 1947<br />

ihre Tätigkeit in der Villa wieder aufnehmen.<br />

Da die Räume nach Auffassung der<br />

Nutzer für eine Verwaltung zu klein<br />

<strong>und</strong> ungeeignet waren, wurde<br />

1958/59 ein neues Verwaltungsgebäude<br />

am Klosterplatz errichtet. Die Villa<br />

Delius wurde nach der am 14. September<br />

1960 erteilten Abbruchgenehmigung<br />

Ende 1960/Anfang 1961 abgebrochen,<br />

die prächtige Gittereinfassung<br />

der alten Villa blieb erhalten.<br />

Statt dessen wurde ein Wohngebäude<br />

für den Bischof errichtet. Heute ist in<br />

den Räumen das Offizialat des Bistums<br />

untergebracht.<br />

Das Priesterseminar war im März 1932 provisorisch im Mutterhaus der Alexianer errichtet worden.<br />

Bischof Vogt betrieb den Neubau des Priesterseminars <strong>und</strong> bevorzugte einen Bau in dem<br />

großen Park hinter dem bischöflichen Generalvikariat an der Mozartstraße.<br />

Dem anfänglichen Bearbeiter der Pläne, Regierungsbaumeister Wildt, wurde mit dem Architekten<br />

Peter Salm ein Mitarbeiter gegeben, der die weitere Gestaltung des Projekts maßgebend beeinflusste.<br />

Aus alter bewährter Bauerfahrung <strong>und</strong> aus (damals) neuzeitlich gerichtetem Raum- <strong>und</strong><br />

Massenempfinden heraus (das Gebäude kann seine besondere Entstehungszeit nicht ganz verleugnen)<br />

entstand der endgültige Bauplan, der im November 1934 vorgelegt wurde <strong>und</strong> ohne<br />

wesentliche Abänderung zur Ausführung bestimmt wurde. Anlässlich der Dechantenkonferenz<br />

am 20. März 1935 konnte der Diözesanbischof, umgeben vom Domkapitel <strong>und</strong> den Dechanten,<br />

den ersten Spatenstich tun, am 14. Juli 1935 fand unter großer Anteilnahme des Klerus <strong>und</strong> der<br />

Gläubigen aus der ganzen Diözese das Fest der Gr<strong>und</strong>steinlegung statt.<br />

Schon am 21. Dezember 1935 konnte ein Polier vom hohen Dachstuhl herunter seinen Richtspruch<br />

sagen. Der Rohbau war vollendet. Beteiligt waren auch Handwerker aus dem Reumont-<br />

Viertel, so der Schreiner Josef Baguette aus der Reumontstraße 48 oder der Glaser M. Bayer<br />

(heute Quadflieg) vom Boxgraben 33. Am 25. Oktober 1936 eröffnete Bischof Vogt das Haus<br />

<strong>und</strong> übergab es seiner Bestimmung.<br />

Die Beschreibung des Gebäudes im damaligen Duktus:<br />

Abb. 205: Lageplan des neuen Priesterseminars an der Mozartstraße. [21]<br />

93


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

"Wenn wir uns, vom Marschiertor kommend,<br />

dem Gebäude des Generalvikariates nähern,<br />

das in der alten Villa Delius seine Heimstätte<br />

gef<strong>und</strong>en, dann zieht zunächst ein zierlicher<br />

R<strong>und</strong>turm, der mit dem Marienzeichen geschmückt<br />

ist, unsere Aufmerksamkeit auf sich.<br />

Bald aber fesselt uns ein mit dem Christuszeichen<br />

gekrönter mächtiger Baukörper, der sich<br />

wie eine schützende Wand hinter dem Bau des<br />

Generalvikariates erhebt <strong>und</strong> mit seinen<br />

schlichten sachlichen Bauformen einen wohltuenden<br />

Gegensatz zu den überw<strong>und</strong>enen neuzeitlich-barocken<br />

Formen des Generalvikariates<br />

bildet. Wir erblicken den Neubau des Priesterseminars<br />

der Diözese Aachen, der von den Aachener<br />

Architekten Regierungsbaumeister<br />

Franz Wildt <strong>und</strong> Peter Salm geschaffen wurde.<br />

Wir treten näher durch die Mozartstraße; der<br />

Bau gliedert sich; ein zweigeschossiger Bautrakt,<br />

der Bibliothekflügel, schiebt sich im Winkel<br />

zur Mozartstraße vor <strong>und</strong> steigert den<br />

Maßstab des fünfgeschossigen Hauptbaues.<br />

Der schon genannte R<strong>und</strong>turm am Magazingebäude<br />

der Bibliothek, den eine köstliche Plastik<br />

der Madonna mit dem Kinde von Peter Terkatz,<br />

Honnef, schmückt, die hoheits- <strong>und</strong> liebevoll<br />

auf uns herabblickt, während das Christuskind<br />

segnend seine Hand hebt, bildet den<br />

Anschluss an die in einem Bogen zum Bau verlaufende<br />

Straßenflucht.<br />

Gewaltig ragt der senkrecht zur Mozartstraße<br />

stehende Hauptbau über einem fünfbogigen<br />

Portikus auf, in dem der Haupteingang liegt.<br />

Ein dreigeschossiger Baukörper schließt sich<br />

nach der Beethovenstraße an, der in seinem<br />

letzten Teile an der Mozartstraße die ebenfalls<br />

von Peter Terkatz stammende eindrucksvolle<br />

Plastik eines Reiterreliefs Karls des Großen<br />

zeigt, der des Sieges gewiss das Kreuz mit seiner<br />

Rechten umspannt. Klar <strong>und</strong> einfach ist die<br />

Linienführung, die sich dem Rahmen der Architektur<br />

anpasst <strong>und</strong> sie künstlerisch steigert.<br />

Ein Zweckbau steht vor uns, der nach außen klar das innere Leben zum Ausdruck bringt, aber ein<br />

Zweckbau, der durch seine glückliche Gesamtgliederung, durch die wohlabgewogenen Verhältnisse,<br />

durch die reizvolle Verwendung von Muschelkalk in der roten Ziegelsteinarchitektur, die<br />

an alte Aachener Bauweise anklingt, <strong>und</strong> endlich durch seine schönen Gitter <strong>und</strong> wertvollen<br />

Plastiken außerordentlich harmonisch <strong>und</strong> befriedigend wirkt. Der Zweck hat eine sinnvolle Form<br />

gef<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> so kann dieser Bau als ein in gutem Sinne moderner Bau bezeichnet werden, der<br />

den Geist neuer deutscher Baugesinnung atmet..."<br />

94<br />

Abb. 206: Baustelle des neuen Priesterseminars. Die Arkaden des<br />

Haupteingangs an der Mozartstraße sind bereits gut zu erkennen. [21]<br />

Abb. 207: Blick durch die Mozartstraße nach Süden auf den<br />

Haupteingang des Priesterseminars, ca. 1937. [21]<br />

Abb. 208: Blick aus der Beethovenstraße auf das Priesterseminar, ca.<br />

1937. [21]


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Ab 1940 musste das Priesterseminar einen Divisionsgefechtsstand einschließlich des für die Region<br />

zuständigen Kriegsgerichts aufnehmen, dessen Todesurteile laut Bericht der Aachener Nachrichten<br />

vom 12. November 2005 auf einem Gelände neben dem Friedhof Lintert vollstreckt wurden.<br />

Ab 1942 war hier ein Lazarett untergebracht, das bei dem großen Bombenangriff vom 11.<br />

April 1944 schwer getroffen wurde. Bis 1954 dauerten die Wiederaufbauarbeiten.<br />

Ab 1954 nutzte das Gebäude des Priesterseminars auch der Diözesancaritasverband, ab 1958<br />

Misereor.<br />

95


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

2.9 Eisenbahnlinie <strong>und</strong> Marschiertorbahnhof<br />

Die Entwicklung der Eisenbahn hat das Reumont-Viertel stärker beeinflusst als man es auf den<br />

ersten Blick annehmen könnte: Die ursprüngliche Eisenbahntrasse hatte kaum Bahnübergänge,<br />

so dass sich die Stadt zunächst nicht nach Süden über das Reumont-Viertel hinaus ausdehnen<br />

konnte, das Bahnbetriebswerk des Hauptbahnhofs, früher der Bahnhof der Bergisch-Märkischen<br />

Eisenbahn, bildet das Bindeglied zwischen dem Reumont-Viertel <strong>und</strong> Burtscheid <strong>und</strong> wegen der<br />

Bahnhofsnähe fanden auch einige Eisenbahner hier ihre Wohnung.<br />

Entwicklung des Eisenbahninfrastruktur<br />

Am 1. April 1838 begann die Rheinische Eisenbahngesellschaft mit dem Bau der Strecke Köln -<br />

Aachen. Der erste Zug rollte offiziell am 1. September 1841 von Köln kommend in Aachen ein.<br />

Der Rheinische Bahnhof (an der Stelle des heutigen Hauptbahnhofs) wurde wenige Tage später<br />

am 6. September in Betrieb genommen. Von hier gab es zunächst nur die Strecke in Richtung<br />

Welkenraedt (Belgien); die Südstraße <strong>und</strong> ihr Umfeld waren von den Bahnlinien noch nicht betroffen.<br />

Der Aufbau des Schienennetzes der Eisenbahn erfolgte damals durch verschiedene Eisenbahngesellschaften.<br />

Nach dem 21. August 1846 beginnt der Bau der Strecke in Richtung Düsseldorf<br />

durch die Bergisch-Märkischen-Eisenbahngesellschaft [22], nach finanziellen Schwierigkeiten<br />

wird der letzte Teilabschnitt der Strecke zwischen Herzogenrath <strong>und</strong> Aachen erst am 17. Januar<br />

1853 in Betrieb genommen.<br />

Ab diesem Zeitpunkt beginnt für das Reumont-Viertel das Eisenbahnzeitalter, allerdings war<br />

dieser Bereich südlich der alten Stadtmauer noch weitgehend unbebaut. Wegen der wenigen<br />

Bahnübergängen wirkte die Bahnlinie mit ihrem Damm wie eine neue Stadtmauer. So sind im<br />

Rappard-Plan von 1860 im Bereich des Reumont-Viertels niveaugleiche Bahnübergänge im Zuge<br />

eines Wegs entlang der Pau (frühere Führung der Mariabrunnstraße) <strong>und</strong> am Marschiersteinweg.<br />

Durchlässe im Bereich des heutigen Tunnels der Mariabrunnstraße <strong>und</strong> westlich der Brücke an<br />

der Mozartstraße lassen Pau <strong>und</strong> Ponelle in die Stadt ein.<br />

Von Seiten der Stadtverwaltung<br />

gab es Eingaben <strong>und</strong> Gutachten. So<br />

wurde von der Stadtverwaltung<br />

1892 eine Verkehrszählung veranlasst<br />

(Akte No. I 5929 vom 12. Juli<br />

1892 - Seite 4 u. 5), deren Ergebnis<br />

beachtliche Zahlen erbrachte: Marschiersteinweg<br />

(später Burtscheider<br />

Straße) 13.858 Personen <strong>und</strong> 697<br />

Fuhrwerke an einem Tag, Mariabrunnstraße<br />

2.421 Personen <strong>und</strong><br />

143 Fuhrwerke. Der Bahnbetrieb<br />

war so stark angewachsen, dass der<br />

Straßenverkehr durch die langen<br />

Schließzeiten der Bahnschranken<br />

stark behindert wurde. Eine Höherlegung<br />

der Bahnanlagen war notwendig,<br />

um den Straßenverkehr<br />

niveaufrei kreuzen zu lassen.<br />

96<br />

Abb. 209: Der niveaugleiche Bahnübergang am Marschiersteinweg (heute Burtscheider<br />

Brücke) des Verbindungsgleises zwischen Rheinischem <strong>und</strong> Marschiertor-Bahnhof, 1884<br />

oder später.


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

In einer Petition der Stadt Aachen an Staatsminister Thielen in Berlin vom 14. Dezember 1893<br />

wurden sechs niveaugleiche Bahnübergänge aufgezählt, die mit Höherlegung der Gleise beseitigt<br />

werden sollten, die Südstraße wird zu diesem Zeitpunkt nicht erwähnt, sie endete noch an der<br />

Reumontstraße, jedoch war eine Zunahme des Verkehrs durch die Südstraße mit der geplanten<br />

Aufschließung des Südviertels zu erwarten.<br />

Oberbürgermeister Pelzer hat am 5. Februar 1896 mit der Königlichen Eisenbahn-Direktion verhandelt<br />

(Niederschrift vom 14. Februar1896) <strong>und</strong> erstmalig die Forderung nach einer Unterführung<br />

Südstraße beim Umbau der Bahnstrecke erhoben. In der Petition vom 14. April 1896 wird<br />

auch die Behinderung der Ausdehnung der Stadt nach Südwesten durch die Bahnanlagen beklagt.<br />

In einem Schriftsatz an Oberbürgermeister Veltman vom 2. Juni 1896 (seit 15. März1896 neu im<br />

Amt) findet sich folgende Formulierung: "Die im Schreiben der Königl. Eisenbahn Direktion zu<br />

Cöln vom 14. Februar dieses Jahres gegebene Erklärung, daß die von der Stadt Aachen aufzuwendenden<br />

Kosten für die Unterführung Südstraße auch bei einer späteren Umgestaltung der<br />

Bahnhofsanlagen nicht vergeblich aufgewendet sein werden <strong>und</strong> daher kein Gr<strong>und</strong> vorliegt, die<br />

Herstellung dieser Unterführung, die später nur möglicherweise zu verlängern sein wird, weiter<br />

hinaus zu schieben, trifft auch gegenwärtig noch zu. Ebenso die ebenda abgegebene Erklärung,<br />

daß bei dem weiteren Umbau der Bahnanlagen - eine entsprechende Betheiligung der Stadt an<br />

den Kosten vorausgesetzt - die Beseitigung aller vorhandenen Planübergänge erfolgen wird."<br />

Am 27. April 1897 kam es zu einem Vertrag zwischen der Stadt Aachen <strong>und</strong> der Königlichen-<br />

Eisenbahndirektion Köln über den Umbau der Aachener Bahnanlagen vom Rheinischen Bahnhof<br />

bis Templerbend. In den folgenden Monaten werden die Planungsparameter für das Brückenbauwerk<br />

festgelegt: Ausführung als Steingewölbe, lichte Höhe 5,00 m über der Mitte der Fahrbahn,<br />

4,40 m über die gesamte 9,00 m breite Fahrbahn, 15,00 m Gesamtbreite des Bauwerks.<br />

Das Stück Südstraße von der Reumontstraße zum Bahndamm wird erstmals im Katasterplan von<br />

1899 als öffentlich genutzt gekennzeichnet. Auch wird erstmalig 1899 im Adressbuch im Anschluss<br />

an die Südstraße die Goethestraße genannt.<br />

1901 begannen die Bauarbeiten zur Höherlegung der Strecke. Die Anhebung des Niveaus erfolgte<br />

auf dem Abschnitt zwischen Schanz <strong>und</strong> Bahnhof Templerbend. Zwischen der Schanz <strong>und</strong><br />

dem Märkischen bzw. Rheinischen Bahnhof wurde das Niveau beibehalten, da hier der Bahndamm<br />

mit einer Höhe von etwa 9,90 m eine ausreichende Höhe hatte, um die Unterführungen<br />

an der Südstraße <strong>und</strong> Mariabrunnstraße zu errichten. Allerdings wurde die Lage des Hauptgleises<br />

verschoben. Die Bauarbeiten erfolgten neben der in Betrieb befindlichen alten Gleisanlage, so<br />

dass der Bahnbetrieb aufrecht erhalten werden konnte.<br />

Die Unterführung Südstraße muss spätestens Anfang Dezember 1905 fertiggestellt worden sein,<br />

da ab 6. Dezember 1905 die Straßenbahnlinie vom Boxgraben bis zur Goethestraße verlängert<br />

wurde. In verschiedenen Quellen (z.B. [24]) wird dagegen 1910 genannt. Wie lässt sich dieser<br />

Widerspruch erklären?<br />

97


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 210: Der Plan zeigt anschaulich die Zeit der Aufgabe der äußeren Stadtmauer. Es gibt erste Planungen zur Erschließung des Vorbereichs der<br />

Stadtmauer. Die Südstraße ist in diesem Plan zum ersten Mal in ihrem späteren Verlauf skizziert (rechts des Kleinen Paunellenturms, in Planrichtung<br />

am unteren Rand). Nach Fertigstellung das Bahnhofs Templerbend im Jahr 1853 plante die Stadt, in Höhe des Ponttors einen neuen Bahnhof<br />

anzulegen, der jedoch nie verwirklicht wurde. Der Plan bezieht sich zwar auf das Jahr 1820, wegen der vorhandenen Trasse nach Düsseldorf <strong>und</strong> der<br />

geplanten Trasse im Bereich Ponttor stammt der Plan eher aus der Zeit nach 1853. Quelle: Dr. Hyskens, Aachener Heimatgeschichte.<br />

98


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Vielleicht bietet folgende Überlegung die Lösung: Die neue Gleistrasse lag parallel zur alten Strecke<br />

auf der stadtabgewandten, südlichen Seite. Nach Fertigstellung der Unterführung für die<br />

neue Trasse wurde an der Südstraße der alte Damm soweit geöffnet, dass die Straßenbahn hindurch<br />

fahren konnte. Danach begann der Umbau der Nordseite, der 1910 fertiggestellt wurde.<br />

Für diese Theorie spricht, dass die durchgehenden Gleise der Strecke Hauptbahnhof - Aachen<br />

West noch heute über die südliche Hälfte der Brücke verlaufen, während zwei Abstell- <strong>und</strong> Rangiergleise<br />

auf der nördlichen Hälfte der Brücke liegen <strong>und</strong> kurz dahinter enden. Diese Gleise<br />

würden dann die Lage der alten Trasse markieren. Die Breite der Unterführung entsprach bereits<br />

dem heutigen Querschnitt.<br />

Meyer beschreibt die Brücke wie folgt [24]:<br />

"Die südliche Wange einschließlich der Flügelmauern<br />

wurde in Bruchstein ausgeführt <strong>und</strong><br />

erhielt eine obere Abdeckung aus Basalt, auf<br />

Konsolsteinen auskragend, mit verziertem<br />

Schmiedeeisengeländer. Die Stabenden der<br />

Geländerstäbe verzierten Rosetten. Die Pfeiler,<br />

der Sockel <strong>und</strong> die Gliederung waren aus Basalt.<br />

Der als Wappen ausgebildete Schlussstein<br />

wurde besonders betont. Die Durchfahrt bekleidet<br />

ein Sockel aus glasierten Ziegeln."<br />

Im Oktober 1907 wurde die Brücke der Weberstraße über die Eisenbahn fertiggestellt.<br />

Bis in die Jahre des 2. Weltkriegs blieb die Situation<br />

unverändert. Bombenangriffe richteten<br />

große Schäden an den Bahnanlagen an. Am<br />

16. Oktober 1944 ist der Ring der amerikanischen<br />

Truppen um Aachen geschlossen.<br />

Sprengkommandos der SS-Abteilung Rinks<br />

sprengen Eisenbahn- <strong>und</strong> Straßenbrücken, unter<br />

anderem Burtscheider Straße (Wiederherstellung<br />

30. April 1953 mit gebrauchten Teilen<br />

einer Kölner Rheinbrücke), Weberstraße (25.<br />

Mai 1957) <strong>und</strong> An der Schanz (14. Januar<br />

1950). Zu diesen Brücken gehörte auch die<br />

Bahnunterführung Südstraße, doch wurde nur<br />

der nördliche Teil der Brücke zerstört. Nach der<br />

Besetzung durch die Amerikaner wurde der<br />

Schutt nur provisorisch an die Straßenränder<br />

geräumt, um die Befahrbarkeit wiederherzustellen.<br />

Der Schutt türmte sich etwa zwei Meter<br />

hoch auf. In das angrenzende Haus konnte<br />

man nur über den Schuttberg hineinklettern,<br />

wobei der Schutt bis in den Hausflur lag. Der<br />

Wiederaufbau des nördlichen Brückenteils erfolgte<br />

1951.<br />

Abb. 211: Ansicht des Brückenbauwerks Südstraße von Norden mit<br />

ausgeprägten Eckpfeilern. [24]<br />

Abb. 212: Lageplan mit dem Zustand vom 1. April 1950 als Gr<strong>und</strong>lage<br />

für den Wiederaufbau der Brücke, oben der gesprengte <strong>und</strong><br />

wiederherzustellende Teil der Brücke. (Quelle: DB Netz)<br />

99


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 213: Die Unterführung Südstraße mit dem im Krieg gesprengten nördlichen Teil des Bauwerks, ohne<br />

Datum, möglicherweise zu Beginn der Arbeiten 1951 (Quelle: DB Netz).<br />

Abb. 214: Blick von Norden auf die fast fertiggestellte Unterführung,<br />

schlichter als in der ursprünglichen Fassung, z.B. ohne Betonung der<br />

Brückenpfeiler. Aufnahme vermutlich Ende 1951. (Quelle: DB Netz)<br />

100<br />

Abb. 215: Blick von Süden auf die Unterführung am 1. August 1951. Im<br />

hinteren Teil des Brückenbauwerks erkennt man die eingebaute<br />

Holzlehre, um den Gewölbebogen zu mauern. Vorne rechts das<br />

Toilettenhäuschen, an der Stelle der heutigen Tankstelle noch<br />

Schrebergärten. (Quelle: DB Netz)<br />

Abb. 216: Brücke Südstraße - Blick von Süden 1986, mit ein paar<br />

kleinen, aber wesentlichen Veränderungen: Rechts vorne steht ein<br />

Toilettenhäuschen, die Straßenbahnanlagen sind abgebaut, die<br />

Eisenbahnstrecke ist elektrifiziert, die Schmuckelemente auf den<br />

äußeren Pfeilern entfernt. [24]


Rheinischer Bahnhof <strong>und</strong> Marschiertorbahnhof<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 217: In der Mitte links das Marschiertor, im Graben nach rechts das Betriebswerk der Rheinischen Eisenbahn, heute Teil des Hauptbahnhofs.<br />

Wegen des Geometers <strong>und</strong> der Bauarbeiter vermutlich zum Zeitpunkt der Verlängerung der Bahnlinie über den Rheinischen Bahnhof hinaus gemalt,<br />

also nach 1846 (oder später nachempf<strong>und</strong>en?). In der Bildmitte der erste Lokschuppen der Rheinischen Eisenbahn: Ein polygonaler Ringlokschuppen<br />

mit 13 Ständen <strong>und</strong> innenliegender Drehscheibe. Bild eines unbekannten Künstlers. (Quelle: Alte Aachener Stadtansichten, Hrsg. Helmut A. Crous)<br />

Abb. 218: Hauptwerkstatt Aachen von 1841, Ausschnitt eines Aquatinta-Blattes von Anton Ditzler. [24]<br />

Abb. 219: Lageplan des Rheinischen Bahnhofs Aachen, um 1843. [24]<br />

Für den Betrieb der Rheinischen Eisenbahn<br />

wurde 1841 in Aachen die Hauptwerkstatt errichtet.<br />

Sie wurde nach 1850 durch Erweiterung<br />

des Bahnnetzes <strong>und</strong> durch Übernahme<br />

anderer Gesellschaften verlegt. Hier waren<br />

Werkstattgebäude, ein R<strong>und</strong>lokomotivschuppen,<br />

ein Wagenschuppen, eine Schiebebühne<br />

<strong>und</strong> eine Drehscheibe vorhanden.<br />

101


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Der Streckenbau durch verschiedene Eisenbahngesellschaften führte dazu, dass zunächst jede<br />

Eisenbahngesellschaft für ihre Strecke eigene Bahnhöfe errichtete. 1851 kam es deshalb zu einem<br />

Rechtsstreit zwischen der Stadt Aachen <strong>und</strong> der Aachen-Düsseldorfer-Eisenbahngesellschaft<br />

wegen des Standorts des Endbahnhofs für die Aachen-Düsseldorfer-Eisenbahn.<br />

Die Stadt Aachen forderte als Endbahnhof den Bahnhof Templerbend in Höhe des Ponttors, die<br />

Bahngesellschaft hingegen bestand auf einem vollwertigen Bahnhof am Marschiertor mit Anschluss<br />

an die Anlagen der Rheinischen Eisenbahn. Daher wurden vorläufig nur provisorische<br />

Gebäude auf dem Templerbend <strong>und</strong> am Marschiertor errichtet.<br />

Erst nachdem die Stadt den Prozess verloren<br />

hatte, konnte die Eisenbahndirektion den Bau<br />

der festen Gebäude in Angriff nehmen. Für<br />

den Bau der Verbindung zwischen dem Marschiertorbahnhof<br />

<strong>und</strong> dem Rheinischen Bahnhof<br />

verschwand der erste Teil des Betriebswerks<br />

der Rheinischen Eisenbahn, unter anderem<br />

der Lokomotivschuppen.<br />

1858 wurde das Empfangsgebäude das Bahnhofs<br />

Marschiertor westlich der heutigen Burtscheider<br />

Brücke fertiggestellt.[22] Das Empfangsgebäude<br />

hatte einen 4 1/2-geschossigen<br />

Mittelrisalit, der die 3 1/2-geschossigen Seitenflügel<br />

<strong>und</strong> die Seitenrisalite überragte. Neben<br />

dem Empfangsgebäude war ein ähnlicher 2geschossiger<br />

Pavillon entstanden. Beide Gebäude<br />

waren durch ein Glasdach, vermutlich<br />

auf Gusssäulenunterstützung, verb<strong>und</strong>en.<br />

Wenn die Strecke nach Belgien nicht vorher<br />

abzweigen würde, hätte das imposante Empfangsgebäude<br />

den späteren Hauptbahnhof<br />

sicher aufnehmen können. Die Bauweise des<br />

Gebäudes erinnert stark an den noch erhaltenen<br />

Bahnhof von Elberfeld.[24]<br />

Abb. 221: Blick von der Burtscheider Brücke auf das Gelände des Marschiertorbahnhofs mit dem imposanten Empfangsgebäude im rechten<br />

Bildhintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Werkstattgebäuden <strong>und</strong> Güteranlagen im Vordergr<strong>und</strong>. Im linken Bildhintergr<strong>und</strong> ist das noch unbebaute, freie Feld des<br />

Südviertels gut zu erkennen, um 1890. (Foto: Stadtarchiv Aachen)<br />

102<br />

Abb. 220: Ausschnitt aus dem Rappard-Plan von 1860 mit dem Marschiertorbahnhof<br />

südwestlich des Marschiersteinwegs (heute Burtscheider<br />

Brücke) <strong>und</strong> dem Rheinischen Bahnhof, heute Hauptbahnhof, nordöstlich<br />

des Marschiersteinwegs.


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Für die Verbindung der beiden Bahnhöfe lief das Gleis direkt am Empfangsgebäude vorbei. Daneben<br />

befanden sich noch drei weitere Gleise. An die Gleise schlossen sich langgestreckte Güterschuppen<br />

aus zweifarbigen Ziegeln an. Diese Schuppen hatten weit auskragende Überdächer auf<br />

den Traufseiten zum geschützten Be- <strong>und</strong> Entladen. Neben der Ladestraße lagen noch drei Freiladegleise<br />

mit Dreibein-Ladekran. Den Anschluss Richtung Burtscheid bildeten die Werkstätten <strong>und</strong><br />

der durch die Dachlaterne deutlich erkennbare Lokomotivschuppen. Die Gleisharfe statt der<br />

Drehscheibenerschließung macht die gegenüber dem Rheinischen Bahnhof modernere Bauweise<br />

deutlich. In der Achse des Empfangsgebäudes erhob sich ein Werkstattbau, vor dem ein Lademaß<br />

aufgestellt war. [24]<br />

Abb. 222: Werkstatt auf dem Marschiertor-Bahnhof, um 1900. [24]<br />

Der Bahnhof diente zunächst auch als Güterbahnhof. Im April 1895 wurde der Moltkebahnhof<br />

fertiggestellt, so dass der Marschiertor-Bahnhof zum reinen Personenbahnhof wurde.<br />

Im Zusammenhang mit der oben dargestellt Höherlegung<br />

der Bahnstrecken wurde gleichzeitig der Plan gefasst,<br />

einen zentralen Hauptbahnhof zu schaffen. 1897<br />

wurde nach langen Verhandlungen der Vertrag geschlossen,<br />

einen neuen Hauptbahnhof an der Stelle des<br />

Rheinischen Bahnhofs zu errichten <strong>und</strong> den Marschiertorbahnhof<br />

aufzugeben. Das alte Gebäude des Rheinischen<br />

Bahnhofs wurde am 18. April 1902 geschlossen<br />

<strong>und</strong> anschließend abgebrochen.<br />

Abb. 224: Bahnbetriebswerk Marschiertor-Bahnhof - Lageplan aus der Planung von<br />

1902. [24]<br />

Abb. 223: Direktionsgebäude der Aachen-Düsseldorfer-Ruhrorter<br />

Eisenbahn am Marschiertor. [24]<br />

Abb. 225: Der Wasserturm des Betriebswerks Marschiertorbahnhof.<br />

[24]<br />

103


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Noch vor dem Umbau der Bahnstrecke wurde auf dem frei gewordenen Gelände des<br />

Marschiertor-Güterbahnhofs das neue Bahnbetriebswerk Marschiertor-Bahnhof für den zukünftigen<br />

Hauptbahnhof angelegt. An der Kamperstraße entstand ein 25-ständiger Ringlokomotivschuppen<br />

mit Drehscheibe, Kohlenbühne <strong>und</strong> Wasserturm. Das Wasser für den Wasserturm<br />

wurde aus Brunnen im Aachener Wald herangeschafft. Eine Reserveleitung zweigte Wasser von<br />

der Pau in Höhe der Weberstraße an. In einer Rohrleitung auf der südlichen Seite des Bahndamms<br />

wurde das Wasser dem Wasserturm zugeführt.<br />

Im 2. Weltkrieg wurde das Betriebswerk stark getroffen. Mit der Aufgabe des Dampflokbetriebs<br />

in den 70er Jahren des vorigen Jahrh<strong>und</strong>erts wurde es stillgelegt <strong>und</strong> danach abgebrochen.<br />

1905 wurde der neue Hauptbahnhof in Betrieb genommen, gleichzeitig verlor das Empfangsgebäude<br />

des Marschiertorbahnhofs seine Funktion <strong>und</strong> wurde fortan als Verwaltungsgebäude<br />

genutzt. Erst 1944 wurde das Gebäude durch Kriegseinwirkungen zerstört <strong>und</strong> anschließend<br />

abgebrochen. Seit 1963 befand sich hier das Verwaltungsgebäude der DB, das heute von der<br />

Stadt Aachen (Umweltamt) genutzt wird.<br />

Abb. 226: Das frühere Postgebäude an der Burtscheider Brücke. [5]<br />

104<br />

Abb. 227: Blick auf das kriegszerstörte Bahnbetriebswerk Marschiertor-<br />

Bahnhof mit Lokomotivschuppen <strong>und</strong> Wasserturm in Bildmitte. [24]


2.10 Die Bedeutung der Straßennamen<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Die Bedeutung der Straßennamen Mozartstraße <strong>und</strong> Beethovenstraße erklärt sich von selbst. Bei<br />

den Straßennamen Südstraße, Reumontstraße, Mariabrunnstraße <strong>und</strong> Boxgraben gibt es einige<br />

interessante Hintergründe der Namengebung.<br />

Südstraße<br />

Die Südstraße führte nicht immer diesen Namen.<br />

Im Bereich der heutigen Krakaustraße<br />

befand sich in der äußeren Stadtmauer der<br />

Karlsturm (siehe oben). Er gab dem hier nach<br />

Süden bis zur Paunelle verlaufenden Weg den<br />

Namen Karlsgasse. In den Adressbüchern wird<br />

die Straße ab 1868 bis 1880 als "2. Seitenstraße<br />

des Boxgrabens" bezeichnet. Erst etwa 1880<br />

mit der beginnenden Bebauung wurde aus der<br />

Karlsgasse offiziell die Südstraße. Da die Straße<br />

genau nach Süden verläuft, bedarf es keiner<br />

weiteren Erläuterung des Namens.<br />

Reumontstraße<br />

Sie hat ihren Namen von dem Aachener Ehrenbürger<br />

Alfred von Reumont (1808 – 1887), der<br />

sich in Wissenschaft <strong>und</strong> im preußischen<br />

Staatsdienst einen Namen machte. Die Reumontstraße<br />

verbindet die Mariabrunnstraße<br />

mit der Burtscheider Straße.<br />

Im Bebauungsplan von 1878 ist sie – noch ohne<br />

Namen – eingezeichnet. 1883 erhielt sie<br />

ihren heutigen Namen. Damals führte sie vom<br />

Stationsgebäude der Rheinisch-Märkischen<br />

Bahn (das heutige Gelände um das Stellwerk<br />

des Hauptbahnhofes) am Gottfried-Dossing-<br />

Platz vorbei bis zur Mariabrunnstraße.<br />

Abb. 228<br />

Abb. 229<br />

In dem Teil zwischen Burtscheider Straße <strong>und</strong> Südstraße standen auf der südlichen Seite über<br />

lange Zeit nur einige Gebäude der Eisenbahn. Im Krieg wurde da auch ein noch heute erhaltener<br />

Bunker gebaut. Wohl erst in den 1930er Jahren entstanden weiter westlich Wohnhäuser bis zum<br />

Rand des ehemaligen Tennisplatzes. Im Stadtplan von 1925 ist zunächst das so genannte "Marien<br />

Kinderheim" eingezeichnet (Haus Nr. 7 in Höhe Gottfried-Dossing-Platz). Die Häuser des Teils<br />

zwischen Südstraße <strong>und</strong> Mariabrunnstraße stammen wohl aus der Zeit nach 1900, dazu gehört<br />

auch die Schule von 1909, sicher das wichtigste Gebäude in diesem Bereich der Straße.<br />

105


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Das an Alfred von Reumont erinnernde Denkmal<br />

steht nicht in der Reumontstraße, wie man<br />

vermuten sollte, sondern im Grünzug an der<br />

Ludwigsallee.<br />

Mariabrunnstraße<br />

Vorweg zur Erläuterung: Mariaberg bezeichnet<br />

auf dem Gelände des alten Klinikums den Gebäudekomplex<br />

westlich der Schillerstraße -<br />

später Josephinum genannt - der inzwischen<br />

abgebrochen wurde. Mariabrunn ist der heute<br />

noch bestehende Gebäudekomplex an der<br />

Goethestraße.<br />

Im Gebiet der einstigen Aachener Heide lag<br />

unweit der Paunelle, auf seiner östlichen Seite,<br />

ein altes Landgut, "Die Flatt" genannt. 200 m<br />

nördlich befand sich die Schleifmühle. Es war<br />

ein Anwesen mit Äckern, Wiesen <strong>und</strong> zwei Abb. 231<br />

Gärten, 28 Morgen groß. Nach einer Ausführung<br />

von Prof. Dr. Will Hermanns lässt sich dieser Name vom keltischen Wort fladnä für ein Königsgut<br />

ableiten. Um 1865 war das Gut im Besitz der Witwe Michels, der Besitzerin des Gasthofes<br />

"Zum König von Spanien".<br />

Die Alexianerbrüder kauften das Gr<strong>und</strong>stück 1865 für 16.000 Taler, um eine Irrenanstalt zu errichten.<br />

Die ersten Kranken brachten sie in den Gebäuden des Gutes unter. Daraus entstand im<br />

Aachener Wortschatz der Begriff Flatt für Irrenanstalt. Auf dem Gelände wurde eine ergiebige<br />

Quelle freigelegt, als Brunnen gefasst <strong>und</strong> mit einer Muttergottes-Statue geschmückt. So kam es<br />

zum Namen "Mariabrunn" für den Brunnen als auch für den 1868 fertiggestellten Neubau.<br />

106<br />

Abb 230: Das Reumont-Denkmal an der Ludwigsallee


Zum Gut Flatt gelangte man früher nur von<br />

Burtscheid über Krugenofen - Eupener Straße -<br />

Weißhausgasse bis zum Gut Neuenzapp, das<br />

sich etwa 350 m südlich (heute auf der südlichen<br />

Seite der Maria-Theresia-Allee) befand.<br />

Von dort führte eine Gasse zum Gut Flatt hinunter.<br />

Über Jahrzehnte hinweg war das Gut<br />

Neuenzapp eine Ruine, bis im Jahr 2003 auf<br />

dem Gelände Neubauten entstanden.<br />

Um einen direkten Weg aus Aachen zu erhalten,<br />

vereinbarten die Brüder mit den Eigentümern<br />

der Ländereien vom Boxgraben, den Eheleuten<br />

Baumeister Klausener, den Privatweg<br />

vom Boxgraben (also vom Rostor) am Paubach<br />

entlang bis zur "Gebrannten Mühle" (nahe dem<br />

heutigen Barbarossaplatz) für ewige Zeiten<br />

benutzen zu dürfen. Von der "Gebrannten<br />

Mühle" bis zum Gut Flatt legten die Brüder<br />

einen fünf Meter breiten Weg auf eigene Kosten<br />

an (heute Schillerstraße zwischen Barbarossaplatz<br />

<strong>und</strong> Goethestraße). Als Gegenleistung<br />

für die oben genannte Wegenutzung<br />

mussten die Brüder anstelle der Notkapelle<br />

eine geräumige Kapelle errichten <strong>und</strong> dort<br />

Messen abhalten.<br />

Den ersten Teil dieser Verbindung zwischen Rostor <strong>und</strong> Barbarossaplatz<br />

bildet in etwas anderer Lage die 1878 angelegte<br />

Mariabrunnstraße (deshalb der Name!). Mit Verfestigung<br />

der neuen Erschließung des Südstraßen-Viertels wurde<br />

1900 diese Bezeichnung für den durchgehenden Straßenzug<br />

unter Einbeziehung eines Teils der Reumontstraße<br />

übernommen. Zu dieser Zeit hatte der Abschnitt der Mariabrunnstraße<br />

zum Boxgraben im Volksm<strong>und</strong> den Spitznamen<br />

"Kammesoelsjaaß", zu deutsch Jackengasse. Ob dies<br />

mit der früher dort ansässigen Tuchfabrik Nickel & Müller<br />

zusammenhängt, ist nicht geklärt.<br />

Die Gebäude des alten Landgutes Flatt standen bis etwa<br />

1905. Sie wurden abgetragen, als 1905 bis 1914 auf dem<br />

erweiterten Gelände das Städtische Krankenhaus entstand.<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 232: Unterhalb der Bildmitte der Gebäudekomplex "Mariabrunn",<br />

rechts davon das Gut Flatt, rechts unten das Gut Neuenzapp.<br />

Abb. 233: Kapelle Mariabrunn 2001, heute von<br />

Missio genutzt.<br />

107


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Boxgraben<br />

Für die Namensgebung des Boxgrabens gibt es verschiedene Erklärungen:<br />

Möglicherweise ist er hervorgegangen aus einer seit langem überlieferten Bezeichnung "an<br />

Bocksgraff", was sich auf eine hier irgendwo ansässig gewesene begüterte Patrizierfamilie Buck<br />

bezieht.<br />

Eine andere Erklärung leitet sich daraus ab, dass der Graben "Busen-" oder "Bosengraben" genannt<br />

wurde (Busen = Binsen).<br />

108


3. DIE HISTORIE DER EINZELNEN GEBÄUDE<br />

3.1 Übersicht<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Die Südstraße hat 57 Gebäude (nach Hausnummern), davon sind 31 reine Wohngebäude, 26<br />

verfügen über Ladenlokale oder Gaststätten <strong>und</strong> eines (Nr. 37) hat im Hof Gewerberäume. 25<br />

Gebäude haben ungerade Hausnummern, 32 gerade. Dazu kommen, oben nicht eingerechnet,<br />

der Bunker (Nr. 30) <strong>und</strong> die ehemaligen Fabrik, später Fachhochschule (Nr. 40).<br />

Ab 1872 gibt es in den Adressbüchern den Boxgraben mit einer "ersten Seitenstraße" (wahrscheinlich<br />

die spätere Mozartstraße) <strong>und</strong> eine "zweite Seitenstraße" (später Südstraße) mit den<br />

Eintragungen:<br />

links - "noch nicht angebaut", rechts:<br />

1. Haus später Nr. 6 Neubau<br />

2. Haus später Nr. 8 Palm, Restauration <strong>und</strong> zwei Mieter<br />

3. Haus später Nr. 10 Herwartz, H.N., Dr.med. pract. Arzt<br />

4. Haus später Nr. 12 Bernard‘sche Reitbahn<br />

Bernard, Alex, Reitlehrer<br />

Terkatz, Aug., Pferdehändler<br />

<strong>und</strong> ein weiterer Mieter<br />

5. Haus später Nr. 14 vier Mieter <strong>und</strong> Möltgen, A., Handschuh-, Jacken- <strong>und</strong> Joppenfabrik<br />

(oder die Wohnung von A. Möltgen?)<br />

o. Nr. freier Platz<br />

o. Nr. Franckenhoff, Friedr., Tuch- <strong>und</strong> Buckskin-Fabrik<br />

Auch 1874 ist auf der linken Seite noch kein Haus gebaut <strong>und</strong> zum 1. Haus rechts (die spätere<br />

Nr. 6) ist nun als Eigentümer eingetragen: Mengelbier, E., Tuchfabrik(ant oder Wohnung?). In<br />

diesem Adressbuch ist im Namensregister verzeichnet: Franckenhoff, Friedr., Fabrik Boxgraben,<br />

Ende der zweiten Seitenstraße, Privatwohnung Boxgraben 63.<br />

1875 steht noch immer die Bezeichnung "zweite Seitenstraße", deren linke Seite noch unbebaut<br />

ist. Rechts beginnen die Eintragungen (hier nur verkürzt) nun mit Hausnummern:<br />

Nr. 4 mit zwei Mietern<br />

Nr. 6 Mengelbier<br />

Nr. 8 mit zwei Mietern<br />

Nr. 10 Dr. Herwartz<br />

Nr. 12 Bernard’sche Reitbahn<br />

Nr. 14 mit vier Mietern <strong>und</strong> Möltgen (Fabrik oder Wohnung?)<br />

Nr. 16 Küpper, Theod., Fabrikdirektor<br />

Vonachten, Hermann, Commis<br />

Fabriklokal von H.O. Werner (Spinnerei), in diesem Jahr hat vermutlich ein Besitzerwechsel<br />

stattgef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> aus der Tuchfabrik ist eine Spinnerei geworden.<br />

Im Adressbuch von 1881 wird die Südstraße mit ihrem Namen aufgeführt <strong>und</strong> folgende Hauseigentümer<br />

<strong>und</strong> Mieterzahlen genannt:<br />

Nr. 2 Reisdorff (Boxgraben) 3 Mieter<br />

Nr. 4 de Villeneuve (Rentner) 2 Mieter<br />

Nr. 6 Thyssen & Cie. Mülheim/Ruhr 2 Mieter<br />

Nr. 8 Palm 2 Mieter<br />

Nr. 10 Dr. Herwartz (pract. Arzt) ohne Mieter<br />

Nr. 12 Reisdorff (Boxgraben) 2 Mieter (Bernard <strong>und</strong> Terkatz)<br />

109


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Nr. 14 Esser (Rentner) 1 Mieter (Schluszat, Stallknecht)<br />

Nr. 16 Küpper (Kaufmann) 2 Mieter<br />

o. Nr. Werner, Streichgarnspinnerei<br />

Im Jahr 1895 sind im Adressbuch die ersten Häuser auf der linken Seite verzeichnet:<br />

Nr. 1 Jolie (Burtscheid) 6 Mieter<br />

Nr. 3 Toussaint 6 Mieter<br />

Nr. 5 Clemens (Neubau)<br />

Nr. 7 Closset (Neubau)<br />

Nr. 53 Hugo Heusch (Harscampstraße 7)<br />

In den folgenden Jahren wurde auf der rechten Seite als erstes die Häuser Nr. 2 <strong>und</strong> 4, die bereits<br />

1875 bzw. 1881 entstanden, dann das Haus Nr. 2a des Eigentümers Pauque mit vier Mietparteien,<br />

sowie später im oberen Teil der Südstraße die Häuser Nr. 58 <strong>und</strong> 60 errichtet. Die linke Seite<br />

wurde anschließend zügig ausgebaut. 1901 verzeichnet das Adressbuch den Beginn der Neubauten<br />

des Eigentümers Schauff mit den Hausnummern 48, 50 <strong>und</strong> 52, auch 54 <strong>und</strong> 56 werden als<br />

Bauplätze aufgeführt. Nr. 52 wurde 1902, Nr. 48 <strong>und</strong> 50 wurden 1903 fertiggestellt <strong>und</strong> bezogen.<br />

Laut Adressbuch von 1912 gab es auf der rechten Seite Häuser bis zur Nr. 16. In diesem Adressbuch<br />

sind die Gr<strong>und</strong>stücke der Hausnummern 20-38 als Bauplätze ausgewiesen, dann kam der<br />

Zugang zur oben genannten Spinnerei, <strong>und</strong> die Nummern 42-46 galten auch noch als Bauplätze.<br />

Die Häuser Nr. 48-52 standen bereits.<br />

Die Häuserfronten - meist die in Aachen typischen Dreifenster-Häuser <strong>und</strong> alle mit annähernd<br />

gleicher Traufenhöhe - sind typisch für die Gründerzeit, weshalb die verbliebenen Gebäude heute<br />

unter Denkmalschutz stehen. Es gab außer dem Wechsel von Ziegel-, Naturstein- <strong>und</strong> Putzflächen<br />

mit Stuck keine Farbe. Diese Dreifenster-Häuser wurden im Anfang, so in den 1870er Jahren,<br />

noch für einen Nutzer gebaut: das Erdgeschoss im Hauptgebäude <strong>und</strong> im Anbau für eine<br />

berufliche Nutzung (z.B. Büro oder Geschäftsräume), darüber im 1. Stock die Wohnräume, im 2.<br />

Stock die Schlafräume, der Anbau mit Küche <strong>und</strong> darüber Stuben für das Personal. Erst später<br />

wurden Dreifenster-Häuser mit abgeschlossenen Etagen als Mietwohnungen gebaut.<br />

Im Adressbuch von 1914 sind als Eigentümer <strong>und</strong> Baujahre bezeichnet:<br />

Nr. 42 Thomas, Wilhelm, ohne Gewerbe (das Haus erbaut 1914/15)<br />

Nr. 44 Thomas, Karl, Schneidermeister (das Haus erbaut 1913/14)<br />

Nr. 46 Hirtz, Hubert, Schneidermeister (bezogen Ende 1912)<br />

Die gegenüberliegende Straßenseite (mit den ungeraden Nummern) war 1912 schon durchgehend<br />

bis zur Ecke Reumontstraße bebaut.<br />

Nach dem Adressbuch von 1920 sind alle Gr<strong>und</strong>stücke bebaut. Nur die Gr<strong>und</strong>stücke der Nummern<br />

20-38 sind nach wie vor als unbebaut genannt.<br />

Die bauliche Entwicklung der Südstraße lässt sich somit in vier Phasen gliedern:<br />

1. Phase Die ersten Gebäude wurden 1880 oder früher errichtet (2, 4, 6, 8, 10, 12, 14, 16).<br />

Es sind die Gebäude vom Boxgraben ausgehend auf der westlichen Straßenseite.<br />

110


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

2. Phase An diese Phase schließt sich die für die Südstraße bestimmende Bauperiode von<br />

1894 bis 1910 an. Bis auf die Jahre zwischen 1903 <strong>und</strong> 1907 wurde in der Südstraße<br />

mehr oder weniger kontinuierlich gebaut. Diesen Zeitraum kann man deshalb<br />

noch einmal unterteilen in eine frühe (1894-1903) <strong>und</strong> eine späte "Boom-Phase"<br />

(1907-1910):<br />

" frühe Phase (1, 3, 5, 7, 9, 11, 13, 15, 17, 19, 21, 23, 25, 27, 29, 31, 33, 35,<br />

37, 39, 41, 53, 55, 2a, 48, 50, 52, 58, 60, 62, 64), fast die gesamte Ostseite<br />

<strong>und</strong> der obere Teil der Westseite.<br />

" späte Phase (45, 47, 49, 57, 18, 68, 70), überwiegend Gebäude am Kopf der<br />

"oberen" Südstraße.<br />

Zu diesem Zeitpunkt war die östliche Straßenseite bis auf den südlichen Kopf weitgehend<br />

bebaut. Auf der westlichen Straßenseite gab es einen vollständig bebauten<br />

Abschnitt am nördlichen Kopf, erste Gebäude mit Baulücken am südlichen Kopf <strong>und</strong><br />

eine großen Baulücke im mittleren Abschnitt der Straße.<br />

3. Phase Bauliche Ergänzungen im Vorfeld des Ersten Weltkriegs von 1912 bis 1914 (43, 59,<br />

42, 44, 46, 54, 56) als Schließung der verbliebenen Baulücken überwiegend auf der<br />

Westseite der oberen Südstraße.<br />

4. Phase Schließung der Baulücke gegenüber der Beethovenstraße 1952/53(20, 22, 24, 26,<br />

28, 32, 34, 36, 38).<br />

Die Südstraße wurde nicht, wie viele andere Viertel der Gründerzeit, durch Baukonsortien, große<br />

Bauunternehmungen oder von "Großgr<strong>und</strong>besitzern" bebaut. Es war <strong>und</strong> ist eine vielfältige,<br />

bürgerliche Eigentümerstruktur, die die Südstraße bis heute auszeichnet. Nur vier Eigentümer<br />

haben mehr als zwei Gebäude in der Südstraße errichtet:<br />

# Kalde (20, 22, 24, 26, 28,32, 34, 36, 38, 42), die Ziegelbauten gegenüber der Beethovenstraße,<br />

# Jolie (1, 7, 9, 11, 21, 27, 31) auf der unteren <strong>und</strong> mittleren Ostseite der Südstraße,<br />

# Benoit (37, 39, 41) im Zusammenhang mit der Fabrik in Haus Nr. 37,<br />

# Schauff (48, 50, 52) in der oberen westlichen Südstraße.<br />

Im Zweiten Weltkrieg fielen mit den vier Eckhäusern der Südstraße zum Boxgraben <strong>und</strong> zur Reumontstraße<br />

in der Südstraße insgesamt 23 Häuser den Bomben zum Opfer. Der Wiederaufbau<br />

erfolgte bei fast allen Häusern in den 50er Jahren. Nur die beiden Gr<strong>und</strong>stücke Nr. 60 <strong>und</strong> 62<br />

wurden erst viel später in den Jahren 1968 <strong>und</strong> 1970 wieder errichtet.<br />

Die Kriegszerstörungen haben die Südstraße viel von ihrer gründerzeitlichen Substanz gekostet.<br />

Doch auch vermeintliche Modernisierungsmaßnahmen in den 60er <strong>und</strong> 70er Jahren haben mancher<br />

historischen Fassade das Leben genommen. 1983 wurde das noch erhaltene Erbe der Gründerzeit<br />

unter Denkmalschutz gestellt. 21 Gebäude stehen seitdem unter Denkmalschutz, es sind<br />

die Haus-Nummern 2a, 2, 4, 5, 11, 13, 15, 17, 27, 29, 31, 39, 43, 44, 46, 47, 48, 49, 50, 52 <strong>und</strong><br />

54. Insbesondere im Bereich der Haus-Nummern 2a bis 17 kann das Straßenbild der frühen Bauphase<br />

<strong>und</strong> von Haus-Nr. 39 bis 54 der späteren Bauphase noch ein wenig nachempf<strong>und</strong>en werden.<br />

111


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 234: Karte mit den Kriegszerstörungen in Aachen (Quelle: Privatbesitz, Ursprung unbekannt)<br />

Der Kartenausschnitt für das Südstraßen-Viertel zeigt folgende Zerstörungsgrade:<br />

# hellgrün (Darstellung etwas fleckig bzw. gelb mit grüner Umrandung) 0 - 25 %,<br />

# blau 25 - 40 %,<br />

# gelb 40 - 60 %,<br />

# rot 60 - 100 %.<br />

Nachfolgend eine Zusammenstellung der wichtigsten Gebäudedaten, die überwiegend den<br />

Adressbüchern entnommen wurden. Das Baujahr bezeichnet teilweise auch das Jahr des Erstbezuges,<br />

bei Zerstörung im Zweiten Weltkrieg das Jahr des Wiederaufbaus:<br />

112


Haus-<br />

Nr.<br />

Baujahr/<br />

Wiederaufbau<br />

Denkmalschutz<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

Bauherr Nutzung<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

1 1894/95 / 1956 Jolie / Fernschild Laden, Gaststätte (nach Wiederaufbau),<br />

Wohnen<br />

3 1894/95 / 1959 Toussaint / Schaberger Laden, Wohnen<br />

5 1896/97 D Clemens Laden, Wohnen<br />

7 1896/97 Jolie Wohnen<br />

9 1896/97 Jolie Laden, Wohnen<br />

11 1896/97 D Jolie Wohnen<br />

13 1896/97 D Corr Laden, Wohnen<br />

15 1898/99 D Palm Wohnen<br />

17 1898/99 D Rombach Wohnen<br />

19 1898/99 Gebr. Fassin Wohnen, zeitw. Arztpraxis<br />

21 1898/99 / 1954 Jolie / Giesbertz Wohnen, Laden (nach Wiederaufbau)<br />

23 1898/99 / 1954 Schönfeld /Giesbertz Laden, Wohnen<br />

25 1900 / 1957 Latten / Dautzenberg Gaststätte, Wohnen<br />

27 1900 D Jolie zwei Läden, Wohnen<br />

29 1900 D Gebr. Fassin Wohnen<br />

31 1900 D Jolie Wohnen<br />

33 1898/99 / 1957 Willems / v. Schwartzenberg Wohnen<br />

35 1898/99 / 1957 Stein / v. Schwarzenberg Wohnen<br />

37 1899 Benoit Wohnen, Fabrik, Lager<br />

39 1899 D Benoit Wohnen<br />

41 1898/99 Benoit Wohnen, später Laden<br />

43 1914 D Windorps Wohnen<br />

45 1907/08 Contzen Laden, Wohnen<br />

47 1907/08 D Lanser 2 Läden, Wohnen<br />

49 1907/08 D Lanser Laden, Wohnen<br />

51 Haus-Nr. nicht vergeben<br />

53 1894/95 / 1953 Heusch / Bauer Laden, Wohnen<br />

55 1896/97 / 1953 Stein / Bauer Wohnen<br />

57 1905/06 / 1957 Krumbach / Beeck Wohnen<br />

59 >1914 -


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Haus-<br />

Nr.<br />

114<br />

Baujahr/<br />

Wiederaufbau<br />

Denkmalschutz<br />

Bauherr Nutzung<br />

2a 1896/97 D Pauque Laden, Wohnen<br />

2 1876 D Reisdorff? Wohnen<br />

4


Haus-<br />

Nr.<br />

Baujahr/<br />

Wiederaufbau<br />

Denkmalschutz<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

Bauherr Nutzung<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

58 1898/99 /1958 Corr / Breier Wohnen, nach Wiederaufbau Laden/Büro<br />

60 1898/99 / 1968 Corr / Lennartz Laden, Wohnen<br />

62 1900 / 1970 Pohl / Kallas Wohnen, nach Wiederaufbau Laden<br />

64 1901 / 1954 Lenz / unbekannt Laden<br />

66 Haus-Nr. nicht vergeben<br />

68 1905/06 unbekannt, ab 1908 Eigentümer<br />

Weinand<br />

Wohnen<br />

70 1907/08 Weinand Laden/Gaststätte, Wohnen<br />

Fotos 235-242, folgende Seite: Die Südstraße im Jahr 2002.<br />

115


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

116


3.2 Ungerade Hausnummern<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Nr. 1<br />

Erbaut 1894 oder 1895, Eigentümer Ludwig Jolie, Burtscheid.<br />

In den ersten Jahren nach der Errichtung sind unter den<br />

Bewohnern bis 1901 genannt: Müller (Kaufmann), Wöllgens<br />

(Kleinhändler), Franz Graff (Schreiner), aber es ist nicht sicher,<br />

wer hier ein Geschäft führte. Erst als 1901/02 Johann Fernschild<br />

das Haus kaufte, gab es auch seine "Colonialwaren-<br />

Handlung". Schon vorher wohnte ein Massonet (ohne Gewerbe)<br />

im Haus, der ab 1903 einen Schuhwarenhandel betrieb<br />

(hier?). Anstelle von Herrn Müller taucht 1908 für wenige Jahre<br />

ein Kaspar Vilvoye, Kaufmann, auf. 1910 scheint er schon gestorben<br />

zu sein, es ist nur noch seine Witwe verzeichnet. 1913<br />

gibt es keinen dieser oben genannten Namen <strong>und</strong> Bezeichnungen<br />

mehr, nur Herr Fernschild verkaufte Kolonialwaren. Daraus<br />

wurde 1922 ein Delikatessengeschäft, 1924 eine Feinkosthandlung<br />

<strong>und</strong> ab 1926 Gemüsehandlung. Erst kurz vor der Zerstörung<br />

wurde 1942 eine Obst- <strong>und</strong> Gemüsehandlung daraus. Im<br />

Krieg völlig ausgebrannt.<br />

1956 errichteten R. Fernschild <strong>und</strong> Miteigentümer den Abb. 243: Südstraße 1, 2002<br />

Neubau mit einem Eck-Ladenlokal (mit einer Wendeltreppe<br />

nach oben) <strong>und</strong> nebenan einem zweiten Laden. Es begann mit der Kunststube von Herrn Fernschild,<br />

dem Tabakwarengeschäft von Jentges-Fernschild <strong>und</strong> es wird der Gastwirt F. Wolf genannt<br />

(Karolusstuben?). 1959/60 gibt es auch noch den Eintrag "Blumen Flora" von E. Taschen,<br />

ab 1966/67 bis Anfang der 70er Jahre von E. Schmidt. 1961/62 wird die Gaststätte von Frau G.<br />

Lindau geführt, es folgte danach Frau Mruck. Es ist nicht sicher, ab wann die Gaststätte den<br />

Namen "Karolusstuben" trägt. Ende Juni 2006 gaben die "Karolusstuben" auf, seitdem mit einer<br />

kurzen Zwischennutzung Leerstand. Etwa ab 1966 gab es an der Ecke die Drogerie O. Pützer, etwa<br />

1975 übernahm sie Karl Havermann (bis 1988). Nach längerer Pause gab es einen Eissalon,<br />

dem nach einer weiteren Pause ein Öko-Laden folgte. Seit 1999 hat sich der Second-Hand-Laden<br />

von Tamara Claessen etabliert. Etwa 1972/73 ging der Besitz des Hauses von der Erbengemeinschaft<br />

Fernschild auf Frederic Haas über.<br />

Nr. 3<br />

Seit dem Bau des Hauses 1894/95 durch den Schreinermeister<br />

Toussaint <strong>und</strong> auch nach seinem Verkauf 1897 an den<br />

Kaufmann H. Kranzhoff gab es keinen Eintrag, der auf ein Geschäft<br />

schließen lässt. 1906 ist ein Installationsgeschäft Büschgens<br />

erwähnt, 1908 eine Schweinemetzgerei Hansen, die 1910<br />

für ein paar Jahre Josef Dilschneider führte. 1913 eröffnete Alfons<br />

Noben ein Eier- <strong>und</strong> Käsegeschäft, 1924 wurde daraus<br />

eine Milchhandlung, die ab 1934 bis zur Zerstörung von Herrn<br />

Noben als Milchproduktehandlung geführt wurde. 1920 nennt<br />

das Adressbuch Peter Schaberger (Gemüsehändler) als Besitzer.<br />

Und 1936 muss wohl im hinteren Teil des Hauses J. Eßlinger<br />

eine Weingroßhandlung eröffnet haben, die ab 1940 nur noch<br />

Weinhandlung genannt wird.<br />

Nach starken Beschädigungen des Hauses im Krieg betrieb<br />

1953/54 im wieder etwas hergerichteten Erdgeschoss W.<br />

Noben den Verkauf von Lebensmitteln. Der Wiederaufbau des<br />

Hauses erfolgte 1959 durch J. Schaberger <strong>und</strong> Miteigentümer,<br />

weiter mit dem Geschäft von Herrn Noben (ab 1966/67 für<br />

Molkereiprodukte) bis 1969. Dann richtete sich ein griechisches<br />

Abb. 244: Südstraße 3, 2002<br />

117


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Ehepaar eine Wäscherei mit Heißmangel ein, die 1978 Frau Trillen übernahm, <strong>und</strong> die noch heute<br />

zusätzlich mit einer Annahmestelle in anderer Regie weiter existiert. Seit Anfang der 70er Jahre<br />

gehört das Haus Anna-Maria Förster <strong>und</strong> Miteigentümern.<br />

Nr. 5<br />

1896/97 vom Maler<br />

<strong>und</strong> Anstreichermeister Clemens<br />

erbaut, gibt es keinen<br />

Hinweis auf einen Laden, ein<br />

Handwerker seines Berufs<br />

wird damals kein Geschäftslokal<br />

unterhalten haben.<br />

1899 heißt der Eigentümer<br />

Clemens jr. mit der gleichen<br />

Berufsbezeichnung. Ab 1902<br />

gibt es unter den Bewohnern<br />

für ein paar Jahre einen Laurency,<br />

Wollhandlung (im<br />

Haus?). 1912 heißt der Eigentümer<br />

Heinrich Wilhelmy<br />

<strong>und</strong> für zwei Jahre unterhält<br />

hier Frau Degueldre ein Zigarrengeschäft.<br />

Das Geschäft<br />

verlegte sie später in das Eckhaus<br />

Reumontstraße 36.<br />

1914 lesen wir von einem Polsterer <strong>und</strong> Dekorationsmeister Karl Frantzen (hier im Ladenlokal?).<br />

1920 gab es wieder ein Zigarrengeschäft von Engelbert Rödiger (bis 1936), ihm gehörte inzwischen<br />

das Haus. 1938 hat Helene Paque das Haus gekauft <strong>und</strong> das Zigarrengeschäft an J. Beiß<br />

vermietet (nach Kriegsende in Nr. 49). Bald nach 1945 gab es bis 1956/57 den Gemüse-handel<br />

Paul Jansen bis etwa 1962, dann bot Frau A. Reimer dort Strickwaren an. Nach einiger Zeit gab<br />

es Imbiss-Lokale, ab 1980 den "Südgrill" <strong>und</strong> danach etliche Jahre das "Botan-Grillhaus", das<br />

Anfang 2009 aufgab. Das Ladenlokal wurde anschließend zu einer Wohnung umgebaut. Helene<br />

Paque besaß das Haus bis Anfang der 70er Jahre, dann erbte ihre Nichte Auguste Wertz, Ehefrau<br />

des Schusters Mathias Wertz, der seit 1959/60 im Haus wohnte, das Haus.<br />

Im Krieg nahm die Hausfront nur geringen Schaden. Das Gebäude steht seit dem 14. Juni<br />

1983 unter Denkmalschutz: "4-geschossig in 3 Achsen, Klinker-Putz-Fassade, weiß geschlämmt,<br />

mit Neurenaissance-Schmuckformen, im 1. Obergeschoss Mittelbalkon mit erneuerter Brüstung,<br />

Erdgeschoss durch Ladeneinbau teilweise umgestaltet."<br />

118<br />

Abb. 245: Südstraße 5, 1980 (Foto: Stadt<br />

Aachen, Denkmalpflege)<br />

Abb. 246: Südstraße 5, 2002


Nr. 7<br />

Im Jahr 1896/97 auch von Herrn Jolie als Wohnhaus gebaut,<br />

1903 wurde es von Johann Creutz, einem Bäckermeister<br />

aus der Jakobstraße 90, gekauft, in dessen Besitz bzw. im Besitz<br />

seiner Erben es bis 1942 blieb.<br />

In der Folgezeit wechseln Bierfert <strong>und</strong> Creutz als Namen<br />

der Eigentümer, wobei es zuletzt zwei ältere Schwestern<br />

Creutz waren. In den 50er Jahren wuchs Peter Offermanns,<br />

später der Kommandant der Prinzengarde, hier auf. Er wohnte<br />

bis 1976 im Haus.<br />

Der gründerzeitliche Schmuck besteht nur noch im Bereich<br />

des Erdgeschosses.<br />

Nr. 9<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 247: Südstraße 7, 2002<br />

Auch dieses Haus ließ Herr Jolie 1896/97 wohl als Wohnhaus<br />

bauen. Unter den Mietern lassen sich immer wieder<br />

Handwerker finden (Blumenbinder, Schuhmacher, Schneider<br />

usw.), aber von einem Geschäft ist keine Rede. Ab 1903 heißt<br />

der Besitzer Johann Sacré <strong>und</strong> ab 1906 Josef Grimbach, ab<br />

1938 seine Witwe. Das Haus wurde am 11. April 1944 bei einem<br />

Fliegerangriff vollständig zerstört. Nur zwei Bewohner<br />

haben überlebt.<br />

Nach dem Krieg wurde es in schlichter Bauweise wieder<br />

aufgebaut. Ab 1953/54 ist Gerhard Grimbach Eigentümer. Ab<br />

diesem Zeitpunkt war das Elektrogeschäft Zimmermann o.H.G.<br />

der erste Laden, 1975 (bis 1977) von Fa. Berners weitergeführt.<br />

1983 ist eine Immobilienfirma als Eigentümer eingetragen. In<br />

den Räumen befand sich dann bis 1985 eine Filiale der Central-<br />

Krankenversicherung. Nach einer längeren Pause versuchte sich<br />

1991 eine Fa. INTAKT mit dem Verkauf von Musikinstrumenten,<br />

auch ein Reisebüro (Karibik) probierte es. Seit 1996 bietet<br />

Tina Töller ihre Schmuckwaren an. Abb. 248: Südstraße 9, 2002<br />

Abb. 249: Südstraße 9, "Sonne für alle - jetzt",<br />

1997 (Foto: Dreßen-Schümmer).<br />

119


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Nr. 11<br />

Ein weiteres Gebäude<br />

von Herrn Jolie, erbaut<br />

1896/97. Wohl keiner der<br />

Mieter mit einem Handwerksberuf<br />

(ähnlich wie bei Nr. 9)<br />

hatte hier seinen Laden. Auch<br />

dieses Haus ging 1903 auf<br />

Herrn Sacré über <strong>und</strong> 1906<br />

an Jean Bollmann. 1934 erwarb<br />

es O. Schiff. Doch nur<br />

für kurze Zeit, denn 1936<br />

heißt der Besitzer Marcel<br />

Cremer-Chapé.<br />

Nach dem Krieg wohnte<br />

Josef Mohr hier. Als Kommandant<br />

der Öcher Penn<br />

wurde er mit allem Pomp von<br />

der kompletten Mannschaft<br />

<strong>und</strong> dem Musikzug zum<br />

Kommandantenfrühstück <strong>und</strong> zum Rosenmontagszug abgeholt. Weil man sich im Haus über den<br />

schlechten Zustand der Fassade schämte, wurde sie mit Unmengen von Luftschlangen behängt.<br />

Ab 1955/56 ist die Witwe von Marcel Cremer-Chape Eigentümerin. 1970 heißt der neue Eigentümer<br />

Hubert Meyers, seit 1975 Kaspar Rick.<br />

Das Haus steht seit 24. Mai 1983 unter Denkmalschutz: "4-geschossig in 3 Achsen, Fassade<br />

verputzt mit Neurenaissance-Schmuckformen, Erdgeschoss verändert."<br />

Nr. 13<br />

Ein weiteres Haus aus<br />

dem Jahr 1896/97, von Maurermeister<br />

Heinrich Corr erbaut.<br />

Außer einem Schreinermeister<br />

(Gommel) ist kein<br />

Mieter für die Nutzung eines<br />

Geschäfts zu erkennen. 1903<br />

kauft es Leonhard Wöllgens,<br />

er ist Kleinhändler. Ab 1908<br />

betreibt er hier eine Kolonialwarenhandlung.<br />

Ab 1914 ist<br />

außerdem als Mieter verzeichnet:<br />

Wilhelm Wöllgens, Vergolder.<br />

1934 wird Leonhard<br />

Wöllgens nur noch Hausbesitzer<br />

(ohne Gewerbe) genannt<br />

<strong>und</strong> Wilhelm Wöllgens ist Bilderrahmer.<br />

Das blieb so bis 1955/56, da hieß der Eigentümer H.W. Wöllgens <strong>und</strong> Miteigentümer <strong>und</strong><br />

Wilhelm Wöllgens rahmte weiter Bilder. Alle kannten ihn in seiner lustigen Art als ein Original.<br />

Aus Altersgründen gab er 1997 auf. Als Hausbesitzerin ist seit 1959/60 Freya van Deel eingetragen.<br />

Seit 1998 befand sich hier der Frisiersalon "Ex=Akt", der Ende 2006 schloss <strong>und</strong> zum Theaterplatz<br />

umzog. Seitdem Leerstand.<br />

Das Haus steht seit 19. Mai 1983 unter Denkmalschutz: "4-geschossig in 3 Achsen, Fassade<br />

verputzt mit Neurenaissance-Schmuckformen, Mittelbalkon im 1. Obergeschoss entfernt, Erd-<br />

120<br />

Abb. 250: Südstraße 11, 1980 (Foto: Stadt<br />

Aachen, Denkmalpflege) Abb. 251: Südstraße 11, 2002<br />

Abb. 252: Südstraße 13, 1980 (Foto: Stadt<br />

Aachen, Denkmalpflege) Abb. 253: Südstraße 13, 2002


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

geschoss verändert." Der schöne alte Zustand der Fassade erhielt Ende der 1990er Jahre einen<br />

Anstrich z.T. in starken blauen Tönen.<br />

Nr. 15<br />

Das Wohnhaus wurde 1898/99 gebaut, Bauherr war Herr<br />

Palm, siehe auch Beschreibung des nächsten Hauses. Bezeichnend<br />

für die damaligen Berufe hier die Mieter der ersten Jahre:<br />

Zugrevisor, Postsekretair, Postillon, Schneider <strong>und</strong> auch ein<br />

Schutzmann. Im übernächsten Jahr gehörte das Haus jemandem<br />

namens Lentz, 1902 verwaltete es das Königliche Amtsgericht<br />

Aachen. 1903 erwarb es für die nächsten Jahre ein Herr<br />

Theißen <strong>und</strong> ab 1908 Alfons Kessel, der im Haus Nr. 21 wohnte<br />

(schon seit 1903 auch in seinem Besitz), wahrscheinlich bis<br />

1928. Danach besaß es für einige Jahre der Anstreicher Savelsberg<br />

<strong>und</strong> ab 1934 J.F. Beuven.<br />

Nach dem Krieg (1951) ist Frau J.F. Benoit als Eigentümer<br />

eingetragen, danach folgte ab 1966 Josefine Benoit.<br />

Leider verlor die sonst gut verhaltene Front den hübschen<br />

Balkon der ersten Etage <strong>und</strong> die Einfassung der Balkontür.<br />

Das Haus steht seit 16. Juni 1983 unter Denkmalschutz: "4geschossig<br />

in 3 Achsen, Fassade verputzt, neubarocke<br />

Schmuckformen, Mittelbalkon im 1. Obergeschoss mit erneuerter<br />

Balkonbrüstung."<br />

Nr. 17<br />

Dieses Wohnhaus wurde<br />

gleichzeitig mit Nr. 15 als<br />

"Zwilling" erbaut, der Bauherr<br />

hieß Rombach, von Beruf<br />

Pliestermeister. Im Adressbuch<br />

von 1900 war unter<br />

den Bewohnern das Baugeschäft<br />

"Palm & Rombach"<br />

verzeichnet, also hatten wohl<br />

die beiden Unternehmer sich<br />

nebeneinander dieses Doppelhaus<br />

mit identischer<br />

schmuckreicher Fassade gebaut.<br />

1901 taucht als nächster<br />

Besitzer Herr Lentz (St.<br />

Johann) auf, <strong>und</strong> danach das<br />

Amtsgericht, ebenso folgen<br />

Herr Theißen <strong>und</strong> ab 1908<br />

Alfons Kessel (bis 1930/31)<br />

Abb. 255: Südstraße 17, 1980 (Foto: Stadt<br />

Aachen, Denkmalpflege)<br />

Abb. 254: Südstraße 15, 2002<br />

Abb. 256: Südstraße 17, 2002<br />

als Eigentümer. Ab 1932 ist das Haus im Besitz einer Familie Müllender, nach 1951 Frau J. Müllender<br />

<strong>und</strong> dann 1966/67 Johann Müllender <strong>und</strong> Frau. 1970 hieß der Besitzer Josef Pelzer <strong>und</strong><br />

1975 Johanna Maintz.<br />

Die Hausfront blieb vollständig erhalten. Das Haus steht seit 17. Mai 1983 unter Denkmalschutz:<br />

"4-geschossig in 3 Achsen, Fassade verputzt, neubarocke Schmuckformen, Mittelbalkon<br />

im 1. Obergeschoss."<br />

121


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Nr. 19<br />

Die Gebrüder Peter <strong>und</strong> Franz Fassin bauten 1898/99<br />

dieses Wohnhaus, es blieb bis in die Zeit des ersten Weltkriegs<br />

in ihrem Besitz. 1920 ist nur noch Peter Fassin verzeichnet, ihm<br />

folgte 1922 bis in die Jahre des letzten Kriegs F. Fassin.<br />

Nach dem Krieg waren (1951) für einige Jahre Erich Klein<br />

(Bauunternehmer) <strong>und</strong> Frau Eigentümer, 1953/54 folgte Karla<br />

Schwarz.<br />

In dem Wohnhaus hatte wohl bald nach dem Kriegsende<br />

Dr. med. Cornel Jacobs als Chirurg seine Praxis eingerichtet<br />

(1948-1968). Er war Unfallarzt, denn verunfallte Personen wurden<br />

damals nicht gleich ins zuständige Krankenhaus gebracht.<br />

Die "Notaufnahme" der Kliniken wurde erst viel später eingerichtet.<br />

In den ersten Nachkriegsjahren wohnte die Familie Jacobs<br />

im Haus Nr. 48.<br />

Vom ursprünglichen Schmuck der Fassade kann man nur<br />

im Bereich des Erdgeschosses noch etwas sehen, darüber ist bis<br />

auf die überkragenden Fenstereinrahmungen alles glatt verputzt.<br />

Nr. 21/23<br />

Nr. 21 ist 1898/99 entstanden, gebaut von Herrn Jolie.<br />

1901 ist als neuer Besitzer Sacré eingetragen <strong>und</strong> 1903 folgt<br />

Alfons Kessel, der dann 1908 auch die Häuser Nr. 15 <strong>und</strong> 17<br />

kauft. Im Haus wohnte längere Zeit auch Alwine Kessel, der die<br />

Häuser 15 <strong>und</strong> 17 auch eine Zeit lang gehört haben. Unklar<br />

sind da die Zusammenhänge beim Besitz der drei Gebäude,<br />

denn es gab auch noch eine Alfonsine Kessel, bis 1938 war es<br />

Witwe(r) A. Kessel. Wohl bis zur Zerstörung gehörte es Frau M.<br />

Lindgens. Ob das Haus einen Laden hatte ist nicht sicher, es<br />

wohnten in ihm anfangs ein Glaser Schwemm, ein Schneidermeister<br />

Schrödler <strong>und</strong> bis 1934 Josef Tymister (Schuhmaßgeschäft),<br />

ob aber jeweils mit einem Geschäft, ist nicht belegt.<br />

Durch Bomben zerstört erfolgte der Wiederaufbau mit dem<br />

Haus Nr. 23.<br />

Abb. 259: Metzgerei Giesbertz im Haus Nr. 23 im Jahr 1912/13, rechts die Nr. 25, das heutige<br />

Cafe Salsa (Foto: Sammlung Giesbertz).<br />

122<br />

Abb. 257: Südstraße 19, 2002<br />

Abb. 258: Südstraße 21/23, 2002<br />

Nr. 23 wurde 1898/99<br />

erbaut von Herrn Schönfeld,<br />

aber schon 1901 übernahm es<br />

Hubert Bürgerhausen für einige<br />

Jahre. Eigenartig ist die geringe<br />

Anzahl der Mieter in den<br />

ersten Jahren. Ab 1901 wohnte<br />

für kurze Zeit ein Architekt<br />

im Haus (evtl. mit seinem Büro?).<br />

Von einem Ladenlokal ist<br />

zunächst keine Rede. Erst 1906<br />

eröffnete Josef Giesbertz seine<br />

Ochsenmetzgerei, kaufte 1910


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

das Haus <strong>und</strong> hielt es mit seiner Frau bis zur Zerstörung durch die Bomben 1943, er selbst war<br />

schon 1938 gestorben.<br />

Sein Sohn zog mit der Metzgerei nach dem Krieg zum Haus Nr. 45 <strong>und</strong> vollzog 1954 den<br />

Neubau des Doppelhauses 21/23. Das große Geschäftslokal auf der linken Seite nutzte zuerst<br />

eine Filiale der Fa. Gr<strong>und</strong>ig, ab 1966 Leo Franken mit seinem Textilgeschäft. Anfang der 70er<br />

Jahre erlosch das Geschäft. Das rechte kleinere Geschäft beherbergte lange Zeit den Blumenladen<br />

Förster. Auf Leo Franken folgten weitere Pächter, so 1978 die Firma Druck Forum, gefolgt<br />

von S. Birel, Handel <strong>und</strong> Werkstatt für R<strong>und</strong>funk- <strong>und</strong> Fernsehgeräte, schließlich seit 1981 der<br />

Raumausstatter Schnarr, die am 20. September 1998 auf 75 Geschäftsjahre zurückblickten.<br />

Nr. 25<br />

1898/99 entstand dieses Eckhaus zur geplanten Beethovenstraße<br />

durch Herrn Latten. 1902 übernimmt es der Bäckermeister<br />

Franz Lambertin, dessen Name erst 1906 mit der Bezeichnung<br />

"Bäckerei" ergänzt wird. 1908 hat es der Restaurateur<br />

(= Gastwirt, später Schankwirt) Wilhelm Kistermann gekauft.<br />

1936 löste ihn Herr Dautzenberg als Besitzer <strong>und</strong><br />

Schankwirt ab - damals die beliebteste Kneipe im Viertel. Auch<br />

dieses Haus fiel im Krieg den Bomben zum Opfer. Nur die Eigentümer<br />

(Dautzenberg) hatten sich hier notdürftig eingerichtet.<br />

1957 vollzog Familie Dautzenberg den Neubau wieder<br />

mit einer Gastwirtschaft, "Beethoveneck". Einige Pächter sind<br />

verzeichnet: G. Hubauer (1959), J. Schings (1961), A. Wynands<br />

(1966), Wilhelm Lüttgens (1970), andere fehlen. Seit 1986 war<br />

hier die Gaststätte "Salsa", die im Sommer 2006 überraschend<br />

aufgab, im Herbst 2006 unter neuer Regie als "New Salsa" wieder<br />

eröffnete, aber schon bald wieder schloss. Seit 2008 versucht<br />

sich hier "Meisenfrei".<br />

Nr. 27<br />

Abb. 261: Südstraße 27, um 1910. Die bis in<br />

die 50er Jahre mit einem Zaun abgesperrte<br />

Beethovenstraße ist gut zu erkennen (Foto:<br />

Stadtarchiv Aachen)<br />

Abb. 262: Südstraße 27, 1980 (Foto: Stadt<br />

Aachen, Denkmalpflege)<br />

Abb. 260: Südstraße 25, 2002<br />

Abb. 263: Südstraße 27, 2002<br />

Erbaut 1900 von Herrn Jolie, der es bis 1904/05 behielt. 1906 bis 1911 heißt der Eigentümer<br />

Leimann, danach gehörte es Paul Jacobs bis 1922/23. Dann kam das Haus in den Besitz<br />

123


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

eines Holländers namens Smeets, die Verwaltung übernahm der Makler P. Weckauf. Das blieb so<br />

bis 1940/41. Dann besaß es der Bankdirektor J. Maybaum, der es bis etwa 1960 behielt. Danach<br />

folgte Heinrich Houben als Eigentümer.<br />

Von 1901 bis 1904/05 betrieb in dem Ladenlokal Herr Moos einen Kleinhandel. Von 1906<br />

bis 1910 versieht das Herr De Vreeden, der auch als Schreiner eingetragen ist. Zusätzlich findet<br />

sich auch eine Weißwarenhandlung von Johann Esch (im kleineren Laden rechts vom Hauseingang?).<br />

Von 1912 bis wahrscheinlich in die Jahre des ersten Weltkriegs nutzte Franz Jacobs-Lahaye<br />

mit einer Konserven- <strong>und</strong> Fischhandlung die Geschäftsräume an der Ecke, <strong>und</strong> bis 1913<br />

blieb Herr Esch mit seinen Weißwaren nebenan. Er zog im gleichen Jahr wohl noch zur Nr. 41.<br />

Denn zur gleichen Zeit (1913) ist Josef Roßbruch (sen.) mit dem Friseurgeschäft vermerkt. Er<br />

blieb bis 1940, als auch sein Sohn Josef eingetragen war. 1942 gab es im Haus nur noch die<br />

Witwe Roßbruch, der Sohn Josef war vermutlich Soldat. Das Eckgeschäft hatte wechselnde Pächter,<br />

nicht für alle Jahre lassen sich ihre Namen finden. 1922 gab es Anton Knubben mit Obst <strong>und</strong><br />

Gemüse, 1924 J. Theissen mit einer Butterhandlung. Ab 1934 bis in den zweiten Weltkrieg verkaufte<br />

W. Franken dort Wäsche, möglicherweise davor oder in Verbindung mit dem Wäscheverkauf<br />

eine Wäscherei <strong>und</strong> Heißmangel, 1951 hieß es Textilwarenhandel, bis etwa 1966 der<br />

Sohn Leo Franken in den Neubau von Giesbertz (Nr. 21/23) zog. Ludwig Gröner eröffnete danach<br />

sein Elektrogeschäft (bis 1986), ihm folgte Elektro-Mohren. Die Firma zog dann in das kleinere<br />

Ladenlokal im Hause, dort wo vorher der Friseur Josef Roßbruch bis 1983 seinen Salon hatte.<br />

Herr Roßbruch starb 1984. Annemarie Siebertz machte um diese Zeit die Meisterprüfung <strong>und</strong><br />

übernahm das Geschäft. 1985 zog sie in die Räume des Hauses Nr. 64. In die Räume an der Ecke<br />

zog 1987 das Reisebüro "Vacancia" ergänzt (1994) um die Abteilung "Karibik" (aus Nr. 9). Im<br />

Februar 2006 zog das Reisebüro zum Löhergraben um. Dann Leerstand bis September 2007 als<br />

ein Blumenladen hier einen neuen Start wagte, der im Mai 2009 aufgab. Dann Leerstand bis<br />

Oktober 2009 (Eröffnung im September), wo sich ein Geschäft für Handarbeitsbedarf <strong>und</strong> -beratung,<br />

"Filz <strong>und</strong> Kunst", versucht.<br />

Im zweiten Lokal (nachdem Fa. Elektro-Mohren schloss) eröffnete nach einer Pause ein SB-<br />

Waschsalon (mit Waschautomaten). Ihm folgte nach längerer Pause 2001 für kurze Zeit der<br />

Blumenladen einer jungen Perserin (bis zum Frühjahr 2002). Im Juli 2002 ist eine Änderungsschneiderei<br />

eingezogen.<br />

Das Haus mit seiner schmuckreichen Fassade nahm im Krieg einigen Schaden. Die zwei<br />

Balkone an der Ecke <strong>und</strong> Teile des Schmuckgiebels verschwanden, sonst ist alles restauriert. Das<br />

Haus steht unter Denkmalschutz: "4-geschossiges Eckhaus zur Beethovenstraße in 3:5 Achsen mit<br />

abgeschrägter Eckachse, deren Balkone im 1. <strong>und</strong> 2. Obergeschoss entfernt sind, Fassaden verputzt,<br />

durch Risalite betont, mit Neurenaissance-Schmuckformen."<br />

124


Nr. 29<br />

Abb. 264: Südstraße 29 mit links Nr. 27, ca<br />

1910 (Foto: Stadtarchiv Aachen)<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

Abb. 265: Südstraße 29, 1980 (Foto: Stadt<br />

Aachen, Denkmalpflege)<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

1900 von einem der Brüder Fassin (siehe Nr. 19) als Wohnhaus erbaut, 1902 sind beide<br />

Brüder als Eigentümer eingetragen. 1920 gehört es Herbert Lemaire, 1924 heißt der Eintrag:<br />

Lemairé, N. 1926 ist es Käthe Lemairé, verwaltet von Ch. Leymann, Immobilien. Später übernimmt<br />

die Verwaltung ein Architekt H. Alsleben. Ab 1934 gehörte das Haus Frau Fassin, das lässt<br />

bei den anderen Besitzern vorher auf Verwandtschaft schließen, denn 1951 heißt der Eigentümer<br />

G. Lemaire. Von 1957/58 an wird die Witwe Eveline Hannott als Besitzerin genannt.<br />

Die schmuckreiche Fassade blieb fast vollständig erhalten, lediglich der oberste Teil des<br />

geschwungenen Schmuckgiebels fehlt. Das Haus steht seit 20. Februar 1984 unter Denkmalschutz:<br />

"3-geschossig in 2 Achsen, Klinker-Putz-Fassade mit Neurenaissance- <strong>und</strong> neubarocken<br />

Schmuckformen, rechts Achse verbreitert, übergiebelt <strong>und</strong> mit einem Erker mit Balkon versehen."<br />

Nr. 31<br />

Gleichfalls von Herrn<br />

Jolie im 1900 erbaut. 1906<br />

ersteigert es Johann Holzkamp,<br />

der vorher bereits im<br />

Haus wohnte.<br />

Hier wohnte die Tochter<br />

des Polizeimeisters A.<br />

Royé, Marga Royé, die später<br />

als Dichterin <strong>und</strong> Malerin bekannt<br />

wurde (siehe Kap. zur<br />

Werkkunstschule). Im Erdgeschoss<br />

hatte ein Schneider<br />

seine Wohnung <strong>und</strong> Werkstatt.<br />

Im engen Hof stand in<br />

den 30er Jahren ein Birnbaum.<br />

Der Hof ist so eng, Abb. 267: Südstraße 31, 1980 (Foto: Stadt<br />

dass man aus dem zweiten Aachen, Denkmalpflege)<br />

Stock die Früchte problemlos<br />

mit einem Pflücker ernten konnte.<br />

Abb. 266: Südstraße 29, 2002<br />

Abb. 268: Südstraße 31, 2002<br />

125


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Im Krieg erhielt das Vorderhaus kaum Beschädigungen, der Anbau wurde allerdings durch<br />

Bomben zerstört. Familie Georg Hirtz baute zusammen mit zwei anderen Handwerkern, er war<br />

wie Herr Pennartz Dachdecker <strong>und</strong> Herr Horbach Installateur, den Anbau in Eigenarbeit wieder<br />

auf, mit der Bedingung, anschließend darin für drei Jahre mietfrei zu wohnen. 1950 war der<br />

Anbau fertig <strong>und</strong> bezogen.<br />

Johann Holzkamp behielt das Haus bis Anfang der 70er Jahre. Dann übernahm es Rolf Permantier,<br />

Frau J. Permantier hatte vorher schon über etliche Jahre die Verwaltung geführt. 1986<br />

wurde das Haus an Doris Willms verkauft.<br />

Das Haus zeigt noch heute den ursprünglichen Schmuck <strong>und</strong> steht seit 25. Juli 1982 unter<br />

Denkmalschutz: "3-geschossig in 2 Achsen, Klinker-Putz-Fassade mit Neurenaissance- <strong>und</strong> neubarocken<br />

Schmuckformen, die innere Achse verbreitert <strong>und</strong> übergiebelt, mit Erker <strong>und</strong> Balkon.<br />

Nr. 33/35<br />

Nr. 33 von Schreinermeister<br />

Willems 1898/99 als<br />

Wohnhaus erbaut, heißt<br />

1904 der neue Besitzer Nicolaus<br />

von Schwartzenberg,<br />

anfangs hatte er nach den<br />

Eintragungen im Adressbuch<br />

ein Baugeschäft, ab 1913 ist<br />

er mit Architekt bezeichnet,<br />

allerdings war im Adressbuch<br />

von 1922 zusätzlich auch<br />

noch vom Bau- <strong>und</strong> Stuckgeschäft<br />

die Rede. Ab 1928<br />

bis in den Krieg war L. von<br />

Schwartzenberg Besitzer, verheiratet<br />

mit einer Jüdin. Nach<br />

der Kriegszerstörung des<br />

Hauses heißen die Eigentü-<br />

mer des Gr<strong>und</strong>stücks 1951 N. von Schwartzenberg <strong>und</strong> Miteigentümer.<br />

Nr. 35 ist ein ebenfalls 1898/99 erbautes Wohnhaus des Kaufmanns Stein, zunächst mit<br />

nur wenigen Mietern: 1902 sind nur er <strong>und</strong> ein weiterer Bewohner verzeichnet. 1903 hat Herr<br />

Hermann das Haus erworben. Um 1920 besaß es für kurze Zeit Josef Giesbertz (aus Nr. 23), aber<br />

1922 war sein Besitz auf Leonhard Noppeney übergegangen. Er muss schon wenige Jahre danach<br />

gestorben sein, denn 1928 gehört es der Witwe K. Noppeney <strong>und</strong> 1930 für einige Jahre den<br />

Noppeney’schen Erben, 1938 dem Rentner C. Noppeney. Von 1938 bis zur Zerstörung durch<br />

Bomben besaß es J. Peltzer. Auch 1951 waren Herr J. Peltzer <strong>und</strong> Frau Eigentümer des Gr<strong>und</strong>stücks,<br />

verkauften es aber ca. 1957 an Frau L. von Schwartzenberg.<br />

1957 wurden die beiden Ruinengr<strong>und</strong>stücke mit einem modernen Wohnhaus wieder bebaut,<br />

jetzt aber nur unter der Nr. 33. Bauherren waren von Schwartzenberg <strong>und</strong> Miteigentümer,<br />

der Architekt B.L. von Schwartzenberg wohnte selbst im Haus. 1970 war Frau L. von Schwartzenberg<br />

als Eigentümerin eingetragen, ab 1975 Anna Johnen.<br />

126<br />

Abb. 269: Südstraße 33, ca. 1910 (Foto:<br />

Stadtarchiv Aachen)<br />

Abb. 270: Südstraße 33/35, 2002


Nr. 37<br />

1899 hat Peter Benoit dieses größere Wohnhaus (vier<br />

Fensterachsen) erbaut, eine breite Tordurchfahrt führt auf einen<br />

Hof, den mehrstöckige Anbauten umstanden. Gleich nach<br />

der Fertigstellung gab es hier eine "Cigarrenfabrik", die Besitzer<br />

Köhlken&Boeckels wohnten jahrelang im Vorderhaus. 1928<br />

war es eine Pflanzenleim-Fabrik, so genannter Glibberleim wurde<br />

hergestellt. 1930 wurden wieder Zigarren gefertigt (Zigarrenfabrik<br />

J. Lentz). Zur gleichen Zeit gab es bis zur Zerstörung<br />

im Krieg (1942) eine Buchbinderei (H. Peltzer) <strong>und</strong> eine Druckerei<br />

(Wedler&Co.). Herr Peltzer war sehr beliebt, weil er auch<br />

noch in Kriegszeiten Geschenke, wie Foto- <strong>und</strong> Poesiealben<br />

oder Briefpapierkassetten, auch für die Kinder im Viertel herstellte.<br />

Zuerst war Herr Benoit Eigentümer des Anwesens,<br />

1907/08 erwarb es Julius Rumpe (Inhaber der Nadelfabrik Joh.<br />

Casp. & W. Rumpe), seine Witwe hat es um 1929/30 der Firma<br />

Rhein. Nadelfabriken GmbH. übereignet, in deren Besitz es bis<br />

Ende der 1970er Jahre blieb. Um 1980 kauften es das Ehepaar<br />

Erwin <strong>und</strong> Margarete Deutmann.<br />

Im Krieg ist das Vorderhaus, wie auch<br />

die Gebäude im Hof, schwer beschädigt worden.<br />

Das Haus sah aus wie eine "Puppenstube<br />

mit Einrichtung". Bewohner wie Plünderer versuchten<br />

unter Lebensgefahr, aus den offenen<br />

Räumen Gegenstände zu bergen.<br />

Nach dem Wiederaufbau 1948/49 (nur<br />

teilweise eingeschossige Wiederherstellung der<br />

Anbauten im Hof) hatte sich zunächst bis etwa<br />

1970 der Selbstbedienungsladen "Zuckerwaren<br />

Esser" dort eingerichtet. Danach hatte eine Zeit<br />

lang das Institut für Wasserwirtschaft der<br />

Techn. Hochschule hier einen Labor- <strong>und</strong> Versuchsraum.<br />

Dann benutzte für mehrere Jahre<br />

Josef Freude (wohnt im Haus Nr. 39) die Räu-<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 271: Südstraße 37, 2002<br />

Abb. 272: Der teilweise <strong>und</strong> nur eingeschossig wieder aufgebaute<br />

Hofraum von Haus Nr. 37 mit dem Garten von Haus Nr. 39 (2002).<br />

me als Lagerraum für Teppiche. Jetzt ist es seit 1992 der Geschäftsraum für die Papierverarbeitung<br />

<strong>und</strong> Druckerei von Herrn Deutmann jr.<br />

Das Wohnhaus hatte die Rhein. Nadelfabriken GmbH. gleich nach Kriegsende instand<br />

gesetzt, um Wohnraum für Firmenangehörige zu schaffen. Dabei wurde die stehengebliebene<br />

Fassade einfach verputzt.<br />

127


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Nr. 39<br />

Das Haus wurde auch<br />

1899 von Herrn Benoit gestellt.<br />

Bis 1930/31 waren die<br />

Besitztumsverhältnisse gleich<br />

denen von Nr. 37, das Gebäude<br />

bildete früher als Wohnhaus<br />

für den Fabrikinhaber<br />

eine wirtschaftliche Einheit<br />

mit Nr. 37. 1932 erwarb der<br />

H. Grotklaes das Haus.<br />

1967/68 ging es durch<br />

Erbschaft auf seine Tochter,<br />

Therese Freude über. Das Ehepaar<br />

Freude war gleich in den<br />

ersten Nachkriegsjahren dort<br />

eingezogen.<br />

Die Front des Erdgeschosses<br />

zeigt seit längerer<br />

Zeit eine graue, glatte Natur-<br />

steinfassade, darüber ist der ursprüngliche Schmuck noch gut erhalten, wenn man davon absieht,<br />

dass der Balkon der ersten Etage durch einen kleinen Austritt ersetzt wurde. Seit 31. Mai<br />

1983 steht das Gebäude unter Denkmalschutz: "4-geschossig in 3 Achsen, Mittelbalkon im 2.<br />

Obergeschoss, im 1. Obergeschoss Mittelbalkon entfernt, Fassade verputzt mit neubarocken<br />

Schmuckformen, Erdgeschoss verändert." Das Treppenhaus ist noch weitgehend in seiner historischen,<br />

repräsentativen Form erhalten.<br />

Nr. 41<br />

Als das Haus 1899 gebaut<br />

wurde, ist zunächst keine<br />

Nutzung mit einem Laden<br />

eingetragen. 1901 erwarb<br />

Karl Krumbach das Haus, der<br />

ab 1906 (bis 1912) als Vergolder<br />

genannt wird. Ob er<br />

hier auch ein Geschäft führte,<br />

ist nicht festzustellen. 1913<br />

<strong>und</strong> 1914 findet sich hier<br />

Johann Esch (aus Nr. 27) mit<br />

der Weißwarenhandlung.<br />

Offensichtlich zog er dann<br />

nach Nr. 45 um. 1920 heißt<br />

es nun "Vergolderei", allerdings<br />

unter Witwe Christine<br />

Krumbach. Aber das Geschäftslokal<br />

benutzt von<br />

1922 bis 1930 der Friseur<br />

Louis Fritz. Um 1932 erwarb W. Leisten das Haus <strong>und</strong> eröffnete seinen Lebensmittelladen, den<br />

1938 sein Sohn Peter Leisten übernahm.<br />

1951 ist Peter Leisten weiter Eigentümer <strong>und</strong> Ladenbesitzer. Seine Geschäftsführung war<br />

nicht sehr effizient, er war verwitwet <strong>und</strong> trank ganz gerne. So bot Herr Giesbertz (Metzger, Nr.<br />

45) 1959 an, ihm das Haus abzukaufen. Herr Leisten blieb zunächst als Mieter im Haus <strong>und</strong> im<br />

Laden. Mitte der 60er Jahre wurde durch einen in städtischer Regie durchgeführten Tausch das<br />

Ehepaar Franz Corsten Besitzer eines Hauses in der Gartenstraße anstelle ihres Gr<strong>und</strong>stücks mit<br />

128<br />

Abb. 273: Südstraße 39, 1980 (Foto: Stadt<br />

Aachen, Denkmalpflege)<br />

Abb. 275: Südstraße 41, ca. 1910, Nr. 43 noch<br />

nicht bebaut (Foto: Stadtarchiv Aachen).<br />

Abb. 274: Südstraße 39, 2002<br />

Abb. 276: Südstraße 41, 2002


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Lebensmittelladen an der Ecke Eilfschornsteinstraße/Annuntiatenbach. Dieses Gebäude musste<br />

einer Erweiterung des Hochschulgebiets weichen. Giesbertz´ wiederum tauschten mit Corstens<br />

die Gr<strong>und</strong>stücke, so bekam das Haus Nr. 41 seinen neuen Besitzer. Herr Corsten hat in den 70er<br />

Jahren die alte Fassade abschlagen <strong>und</strong> mit Riemchen verkleiden lassen. Das Gebäude hat durch<br />

diese "Modernisierung" sein ursprüngliches Gesicht völlig verloren. Heute gehört das Gebäude<br />

Klaus Balliel, der es inzwischen auch wieder verkaufte.<br />

Corstens führten das Geschäft fachlich ausgezeichnet für etwa 15 Jahre, verkauften es<br />

1978 an Karin Krämer, nach ihrer Verheiratung Karin Müller. Sie stammte von einem Obst- <strong>und</strong><br />

Gemüsegeschäft am Burtscheider Markt, eine ausgesprochene Fachfrau, bei ihr florierte der<br />

Laden noch mehr. Ende August 1993 übergab Frau Müller ihr Geschäft an die Schwestern Selma<br />

Deniz <strong>und</strong> Belma Karakus, die es aus ges<strong>und</strong>heitlichen Gründen bald an den fre<strong>und</strong>lichen, aber<br />

wohl nicht so geschäftstüchtigen Hakan weitergaben (er handelte nebenbei lieber mit Autos), er<br />

gab 1998 auf. Nach zwischenzeitlich anderer Nutzung (junge Leute handelten mit Mineralwasser,<br />

ohne dass ein Tropfen desselben in ihren Geschäftsraum kam) machte ein junger Afrikaner<br />

namens Delain, genannt ‘Dely‘, den Versuch, mit Obst <strong>und</strong> Gemüse zu handeln (er verstand aber<br />

wohl mehr vom Fußball). Nach wenigen Monaten eröffnete am 1. November 2000 Ilknur Yoncali<br />

den "Südmarkt" für Obst <strong>und</strong> Gemüse. Den verlegte sie aber im Sommer 2002 in Haus Nr. 2a,<br />

danach Leerstand.<br />

Seit Anfang 2003 befand sich hier ein umstrittenes Bordell, doch diese Episode dauerte nur bis<br />

zum Frühjahr 2005, dann wieder Leerstand, dann Zwischennutzung als studentischer Arbeitsraum.<br />

Seit Frühjahr 2007 war hier eine DJ Academy untergebracht, die auch bald wieder verschwand.<br />

Nachfolgenutzung im ständigen Wandel, aber immer vermietet: Ein Verein, der sich<br />

der indianischen Kultur widmete, dann eine Galerie, nun ein Antiquariat, das von Vladimir Budde,<br />

einem nicht ganz unbekannten Schachspieler <strong>und</strong> vor allem Schachbuch-Autor, betrieben<br />

wird.<br />

Nr. 43<br />

Abb. 277: Südstraße 43, 1980 (Foto: Stadt<br />

Aachen, Denkmalpflege)<br />

Abb. 278: Südstraße 43, 2002<br />

Abb. 279: Südstraße 43, 2006<br />

Ein Wohnhaus mit vier Fensterachsen, das 1914 von Gerhard Windorps erbaut wurde. Ab<br />

1924 gehörte es Frl. M. Windorps <strong>und</strong> 1928 ging es auf Mathilde Schreiner über (oder hatte Frl.<br />

M. Windorps geheiratet?), ab 1932 lautet der Eintrag auf S. Schreiner, Kaufmann, dann 1936<br />

Frau S. Schreiner <strong>und</strong> ab 1938 bis in die Kriegsjahre S. Schreiner, Masseur.<br />

1951 war der Besitz wieder auf Frau S. Schreiner bis 1961/62 eingetragen. Als sie etwa<br />

1963 starb, wurde das Haus zunächst treuhänderisch verwaltet <strong>und</strong> stand dann Ende der 60er<br />

Jahre zur öffentlichen Versteigerung. Beide Nachbarn - Corsten <strong>und</strong> Neu - hatten Interesse, was<br />

zu einem Anstieg des Kaufpreises führte. Herr Corsten siegte <strong>und</strong> wurde neuer Besitzer.<br />

129


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Die gut erhaltene Fassade lässt keine Kriegsbeschädigung erkennen. Seit 13. April 1983<br />

steht das Haus unter Denkmalschutz: "4-geschossig in 4 Achsen, vor den breiten Mittelachsen ein<br />

3-geschossiger Erker, Fassade verputzt <strong>und</strong> mit Schmuckformen der Zeit nach dem Jugendstil,<br />

Mansarddach."<br />

Nr. 45<br />

Abb. 280: Die schöne Fassade Südstraße 45,<br />

etwa 1910, Das Gr<strong>und</strong>stück Nr. 43 ist noch<br />

unbebaut (Foto: Stadtarchiv Aachen).<br />

1906/07 für die Witwe Pauqué erbaut, gehörte es 1908<br />

der Witwe Contzen. Josef Claeßens war zunächst nach dem<br />

Bezug des Neubaus bis 1910/11 mit seinem Friseurgeschäft<br />

erster Mieter des Ladens. 1912 ist kein Geschäft verzeichnet,<br />

danach für kurze Zeit eine Schreibwarenfiliale von Josef Nelles,<br />

das Hauptgeschäft befand sich am Templergraben 72. Etwa ab<br />

1920 bis 1928/29 verkaufte Herr Johann Esch Weißwaren (von<br />

Nr. 27 herüber gezogen). Um 1925/26 kaufte Herr J. Giesbertz<br />

(Nr. 23) das Haus <strong>und</strong> ab 1930 unterhielt für einige Jahre Herr<br />

E. Lutz hier ein Wäschegeschäft. Etwa ab 1934 finden wir hier<br />

bis in die Kriegsjahre eine Schreibwarenfiliale, jetzt von L. Nelles.<br />

Gleich nach dem Kriegsende richtete Gerhard Giesbertz<br />

zunächst notdürftig die Metzgerei in dem ihm gehörenden<br />

Haus ein (Nr. 23 war zerstört). Er baute das Geschäft aus <strong>und</strong><br />

führte es mit seiner Frau mustergültig, seine Erzeugnisse hatten<br />

einen guten Ruf. Aus persönlichen Gründen verpachtete<br />

Herr Giesbertz 1964 das Geschäft an Gerhard Neu <strong>und</strong> seine<br />

Frau. Diese wendeten erhebliche Mittel für eine Modernisierung<br />

auf. Dazu gehörte auch die Umgestaltung der Hausfront,<br />

vom Stil der Jahrh<strong>und</strong>ertwende blieb nichts übrig (es hatte keinen nennenswerten Bombenschaden<br />

gegeben), auch der schöne Erker musste weichen.<br />

Mit nüchternen Fliesen bekleidet, zeigt sich heute eine pflegeleichte, aber seelenlose Fassade.<br />

Am 1. Januar 1980 gab er das Geschäft an die Fa. Cordes-Leppak weiter. Herr Leppak führte<br />

das Geschäft mit seiner Frau bis zum 13. Oktober 2001. Am Nachmittag dieses Freitags kündigte<br />

er dem Personal <strong>und</strong> schloss das Geschäft. Wie es hieß, habe er eine Beteiligung an einer Wurstfabrik<br />

im Saarland übernommen. Das Ladenlokal stand bis zum Jahr 2007 leer <strong>und</strong> stand zum<br />

130<br />

Abb. 281: Südstraße 45 im Jahr 1955 (Foto:<br />

Stadtarchiv Aachen)<br />

Abb. 282: Südstraße 45, 2002<br />

Abb. 283: Das Ladeninnere im Jahr 1951<br />

(Foto: Giesbertz)


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Verkauf. Es zog hier der Modeladen "Kopfsülz" ein, der Ende 2008 aufgab, um im März 2009 mit<br />

dem gleichen Betreiber als Café wieder aufzuerstehen.<br />

Nr. 47<br />

Abb. 284: Südstraße 47, etwa 1910 (Foto:<br />

Stadtarchiv Aachen).<br />

Abb. 285: Südstraße 47, 1973 (Foto: Stadt<br />

Aachen, Denkmalpflege)<br />

Abb. 286: Südstraße 47, 1980 (Foto: Stadt<br />

Aachen, Denkmalpflege)<br />

Nr. 47 wurde (wie auch Nr. 49) 1906 von dem Architekt<br />

<strong>und</strong> Bauunternehmer Carl Lanser gebaut <strong>und</strong> etwa 1909/10 an<br />

Lambert Pick verkauft. In den ersten Jahren nach dem Bezug<br />

der Häuser 1908 (Nr. 47 <strong>und</strong> 49) wurden sie im Adressbuch<br />

wie ein Doppelhaus geführt, so dass eine klare Zuordnung der<br />

Geschäftsinhaber der drei Ladenlokale nicht möglich ist. Es<br />

finden sich dort: Lambert Pick, Conditorei <strong>und</strong> Bäckerei, Hubert<br />

Moitzheim, Kleinhandlung, außerdem gab es noch einen Klavierbauer<br />

Carl, kurz darauf Gottfried Grevenstein, Kaufmann.<br />

Ob einer der letzteren hier auch einen Laden betrieben hat, ist<br />

nicht ersichtlich. 1912 betreibt Norbert Jung die Kleinhandlung.<br />

Und an seiner Stelle führt 1913 Josef Dilschneider eine<br />

Metzgerei (vorher Nr. 3).<br />

Links: 1914 verkaufte für einige Jahre Hermann Nelle<br />

Butter, Eier <strong>und</strong> Käse. Ab 1920 gab es ein Delikatessengeschäft,<br />

zunächst von W. Schmitz geführt, ab 1924 heißt es<br />

Schmitz-Pick (wahrscheinlich in Verbindung mit der Konditorei<br />

Pick nebenan), von 1934 bis 1940 Mageer, weiterhin mit Abb. 287: Südstraße 47, 2002<br />

Delikatessen. Ab 1942 hat Jakob Laschet dieses Geschäft übernommen,<br />

nach dem Krieg Verkauf von Milch <strong>und</strong> Lebensmitteln.<br />

Herr Laschet übergab das Geschäft im Mai 1967 an die Familie seiner Tochter Josef <strong>und</strong><br />

Gertrud Hennecken, die es bis Mai 1980 weiterführten (Frau Laschet starb 1972, ihr Mann 1993).<br />

Aus Altersgründen <strong>und</strong> wegen fehlendem Nachfolger wurde es geschlossen <strong>und</strong> stand zunächst<br />

für längere Zeit leer. Mit dem immer stärker werdenden Aufkommen der Fotokopierer etablierte<br />

sich in den Räumen zunächst Josef Schlösser mit Kopiergeräten <strong>und</strong> einer kleinen Druckerei (er<br />

zog nach einiger Zeit in die größeren Räume des Hauses Nr. 21/23 um). Es folgte die Firma "Copy<br />

Team" von Dennis Frojd mit starkem Zulauf besonders durch die Studenten der Fachhochschulen<br />

im Umfeld. Als er 1993 zum Haus Nr. 62 umzog, standen die Räume lange ungenutzt. Nach<br />

einem gründlichem Umbau war ab etwa 1997 bis Ende 2002 eine Kunstgalerie in diesen Räumen<br />

etabliert. Seither stehen die Räume wieder leer <strong>und</strong> werden nur gelegentlich für temporäre<br />

131


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Kunstaktionen genutzt, wie vor Weihnachten 2004 mit dem Verkauf von Werken verschiedener<br />

Künstler oder durch die Künstlern Uschi Kütz im Herbst 2005 mit ihrer Ausstellung "Wasserfarbenlicht".<br />

Seit 2007 Nutzung als Redaktionsbüro für die Kinozeitung Aachens bis Juni 2009, dann<br />

wieder Leerstand.<br />

Rechts: Es ist anzunehmen, dass 1908 als erster Nutzer Lambert Pick die Konditorei eröffnete<br />

(umgezogen von Nr. 2a), etwa 1924 übernahm sie sein Sohn Mathias. Nach weiteren 10<br />

Jahren hieß es Bäckerei/Konditorei Alfred Schnurr. Er war in den letzten Wochen des zweiten<br />

Weltkrieges an einer Verw<strong>und</strong>ung gestorben. Verwitwet führte Gerda Schnurr das Geschäft ihres<br />

Mannes alleine weiter. Ihre Tochter Helga heiratete in den 60er Jahren den Bäckermeister Theodor<br />

Dziubon. Nach dem Tod der Mutter (1964) übernahm das Ehepaar Dziubon das Geschäft<br />

<strong>und</strong> führte es mit viel Fleiß bis 1998. Neben dem Erwerb von Häusern (so auch von 1970 bis<br />

1985 die Nr. 54) befassten sich Dziubons auch mit Pferdehaltung (bis 1996 im Colynshof) <strong>und</strong><br />

mit Hühnerhaltung (Eierverkauf in der Bäckerei). Bis Ende 2001 war in den Räumen (ohne Backstube)<br />

eine Zweigstelle der Bäckerei Moss, seit Anfang 2002 Leerstand. Dann im Herbst 2007 der<br />

Neuanfang mit einem Skatebord-Laden, der sich im März 2009 wieder verzog.<br />

Die Fassade nahm reichlichen Schaden: Die oberen Balkone (3. Obergeschoss) verschwanden<br />

ganz, die Balkonbrüstungen im zweiten Obergeschoss wurden nur schlicht aufgemauert,<br />

auch Teile der reichen Stuckverzierung fehlen. Man kann die frühere Pracht nur ahnen. Seit 6. Juli<br />

1983 steht das Gebäude unter Denkmalschutz: "4-geschossig in 4 Achsen, die beiden Außenachsen<br />

risalitartig betont, übergiebelt <strong>und</strong> im 1. Obergeschoss mit einem Erker versehen, Fassade<br />

verputzt mit Jugendstil-Schmuckformen, im Erdgeschoss 2 originale Ladeneinbauten", die inzwischen<br />

auch verändert wurden.<br />

Nr. 49<br />

1907 oder 1908 bezogen.<br />

Es gehörte ab 1914<br />

Herrn Besgen, 1928 Frau F.<br />

Besgen. 1951 wurde Frau Chr.<br />

Dosquet als Eigentümerin eingetragen,<br />

danach wieder Dr.<br />

J. Besgen <strong>und</strong> Miteigentümer.<br />

Herr Laschet (Nr. 47) hat etwa<br />

1957 das Haus gekauft <strong>und</strong><br />

1965 seiner jüngsten Tochter<br />

Irma übertragen.<br />

In den Anfangsjahren<br />

ist Josef Goebels mit einem<br />

Installationsgeschäft verzeichnet,<br />

das 1922 auf Peter Louis<br />

überging <strong>und</strong> noch 1942 bestand.<br />

Nach dem Krieg eröffneten<br />

Josef <strong>und</strong> Josefine Beiss<br />

ihr Tabakwarengeschäft als<br />

Ersatz für das im Krieg stark beschädigte Ladenlokal in Haus Nr. 5. Es wurde schon bald durch<br />

den Verkauf von Schreibwaren <strong>und</strong> Zeitschriften ergänzt. 1962/63 übernahm ihr Neffe Rolf Held<br />

den Laden.<br />

Das Haus steht seit 23. September 1983 unter Denkmalschutz: "4-geschossig in 3 Achsen,<br />

an der übergiebelten Mittelachse ein 2-geschossiger Erker mit Balkon (erneuerte Brüstung),<br />

Fassade verputzt mit Schmuckformen der Zeit nach dem Jugendstil, im Erdgeschoss ein Ladeneinbau,<br />

Mansarddach."<br />

132<br />

Abb. 288: Südstraße 49, 1980 (Foto: Stadt<br />

Aachen, Denkmalpflege)<br />

Abb. 289: Südstraße 49, 2002


Nr. 51<br />

Die Haus-Nr. 51 wurde nicht vergeben.<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Nr. 53/55<br />

Das Haus Nr. 53 hat Hugo Heusch 1894/95 errichten lassen.<br />

Es steht mit dem etwa ein Jahr später erbauten Haus Nr.<br />

55 für etwa zehn Jahre auf dieser Seite alleine im oberen Teil<br />

der Südstraße. Hinweise auf ein Geschäft gibt es längere Zeit<br />

nicht. Als Mieter waren immer mal Kaufleute eingetragen, nur<br />

bei einem Weinhändler namens Krumbach könnte man auf<br />

einen Laden im Hause schließen. Mit diesem Namen gab es<br />

hier auch einen Nadelvergolder <strong>und</strong> jemand mit diesem Namen<br />

übernahm 1902 für kurze Zeit die Verwaltung. Ab 1908 wechselten<br />

sich mehrere Eigentümer ab: Carl Eysenck (Restaurateur<br />

des Hauptbahnhofs), 1912 Frau Beduwe <strong>und</strong> von 1914 bis<br />

1926 Peter Salvini. Ab 1920 ist als Mieter Ludwig Bauer mit der<br />

Süd-Drogerie eingetragen. Ab 1928 gehört das Haus seiner<br />

Frau Irene Bauer. Seltsam ist, dass von 1934 bis 1942 außer<br />

der Drogerie kein weiterer Bewohner verzeichnet ist. Das Haus<br />

überstand den Krieg nicht. Das Gr<strong>und</strong>stück blieb im Besitz des<br />

Ehepaars Bauer.<br />

Nr. 55 (siehe auch Foto Nr. 57) wurde 1896/97 von Kauf- Abb. 290: Südstraße 53/55, 2002<br />

mann Stein erbaut. 1900 erwarb es Josef Krumbach<br />

(Fabrikdirector <strong>und</strong> Prokurist der Fa. Hugo Heusch&Co.). 1906 wird der Eintrag ergänzt, dass er<br />

im neu errichteten Nachbarhaus Nr. 57 wohnt. 1908 wird es an Carl Delius (Teilhaber der Tuchfabrik<br />

C. Delius, bewohnte die Villa Delius) verkauft <strong>und</strong> er gab es 1910 an den Architekt G.<br />

Wilhelm Mönkemeyer weiter. In seinem Besitz blieb das Wohnhaus bis zur Zerstörung durch<br />

Bomben. Das Trümmergr<strong>und</strong>stück gehörte dann Frau Dr. E. Buddemeier, die es dem Ehepaar<br />

Bauer verkaufte.<br />

Im Juni 1953 war der Wiederaufbau gemeinsam mit Nr. 53 als Doppelhaus fertiggestellt,<br />

in der linken Hälfte wieder mit der Drogerie. 1955 starb Herr Bauer. Nach dem Tod von Frau<br />

Bauer (1980) übernahm Herr Marx bis 1987 die Drogerie. Seit 1988 befand sich hier bis Sommer<br />

2002 ein Computergeschäft (Dirk Flierenbaum). Dann stand das Geschäft etwa ein Jahr leer. Im<br />

September 2003 hat die Montessori-Schule Reumontstraße eine Mittagsbetreuung für Schüler<br />

eingerichtet. Im Herbst 2008 zog die Drogenhilfe ein.<br />

133


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Nr. 57/59<br />

Nr. 57 hat wie die Nr.<br />

55 Herr Krumbach 1905/06<br />

errichten lassen. Er selbst<br />

wohnte ab 1910 in der Mozartstraße.<br />

Es war ein reines<br />

Wohnhaus. Ab 1934 ist Herr<br />

C. Krumbach Eigentümer.<br />

Auch dieses Haus überstand<br />

den Krieg nicht.<br />

In den ersten Nachkriegsjahren<br />

hießen die Eigentümer<br />

bis 1953/54 K.<br />

Krumbach <strong>und</strong> Miteigentümer,<br />

dann war es für kurze<br />

Zeit im Besitz von Jakob Laschet<br />

(Nr. 47), dann 1957/58<br />

von H. Beeck <strong>und</strong> Frau, die<br />

den Bau des Doppelhauses<br />

57/59 vollzogen.<br />

Nr. 59 ließ L. Moos in der Zeit zwischen 1914 <strong>und</strong> 1920 als letztes Haus in der Südstraße<br />

erbauen, in dem er sein Kolonialwarengeschäft, ab 1924 als Lebensmittelgeschäft bezeichnet,<br />

einrichtete. Es blieb so bis zur Zerstörung im Krieg.<br />

In den Jahren nach dem Krieg ist Herr Moos gestorben. 1953/54 ist Witwe J. Moos Eigentümerin<br />

auch noch 1957/58, obwohl im Juli 1957 der Neubau des Doppelhauses 57/59 durch<br />

Heinz Beeck <strong>und</strong> Frau schon vollendet war.<br />

Eckhaus Südstraße / Reumontstraße 36 / Mozartstraße 30<br />

134<br />

Abb. 291: Das Haus Südstraße 57 (<strong>und</strong> 55,<br />

links), etwa 1910. Das Gr<strong>und</strong>stück Nr. 59 ist<br />

noch unbebaut (Foto: Stadtarchiv Aachen).<br />

Abb. 293: Blick aus der Maschinenbauschule auf die Ecke Reumontstraße/ Südstraße. [5]<br />

Abb. 292: Südstraße 57/59, 2002


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Das Eckhaus Reumontstraße 36 schloss die Südstraße ab. Der Architekt G. W. Mönkemeyer<br />

hat es 1914 erbaut. Frau Degueldre verlegte ihr Zigarrengeschäft von Nr. 5 hierher, gleichzeitig<br />

bot Josef Nelles in einer Filiale Schreibwaren an, der 1922 das Haus erwirbt. Auch dieses Haus<br />

ging in der Bombennacht vom 11. April 1944 verloren <strong>und</strong> wurde um 1960 als Wohnhaus neu<br />

errichtet.<br />

Diesem Haus schloss sich zur Mozartstraße ein Eckhaus (Nr. 30) an. Etwa um 1930 erbaut,<br />

gehörte es gleichfalls dem Architekt G. W. Mönkemeyer (Südstraße 55). Das Erdgeschoss nahm<br />

das vornehme Textilgeschäft von Frau Just auf. Es soll mehrere große Schaufenster gehabt haben.<br />

Auch dieses Haus wurde im Krieg zerstört <strong>und</strong> etwa gleichzeitig mit dem Nachbarhaus<br />

Reumontstraße 36 als Wohnhaus wieder aufgebaut.<br />

Östliche Einmündung Reumontstraße/Südstraße<br />

Früher gehörte auch die Fläche zwischen der östlichen Reumontstraße <strong>und</strong> der Eisenbahnunterführung<br />

zur Südstraße. Erst mit dem Ausbau der Mozartstraße <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen<br />

neuen Verkehrsführung im Jahr 1961/62 ist diese Seite postalisch zur Mozartstraße gekommen.<br />

In der Vorkriegszeit gab es hier einen Tennisplatz, Nutzer war der Verein "Aachener Lawn-<br />

Tennis Club". Im Winter wurde der Platz unter Wasser gesetzt <strong>und</strong> diente als Eislaufplatz. Im<br />

Clubhaus des Tennisvereins betrieb die Konditorei von Lambert Pick (Südstraße 47) ein Café, das<br />

für etwa zwei Jahre auch vom Restaurant Barbarossa bewirtschaftet wurde. Zur Winterszeit<br />

verschafften sich clevere Kinder leere Kartons der Konditorei, verpackten darin ihre Schlittschuhe<br />

<strong>und</strong> kamen mit der Behauptung Kuchen anzuliefern umsonst aufs Eis.<br />

Auf dem Gelände vor dem Bahndamm befand sich die Gärtnerei Bakker, die während des<br />

Krieges aus der Südstraße hierher gezogen war <strong>und</strong> bis zur Neunutzung des Geländes um das<br />

Jahr 1960 hier blieb, <strong>und</strong> das Büdchen von Kallas. Mitte der 50er Jahre gab es zur Karnevalszeit<br />

eine Kirmes mit Buden <strong>und</strong> Karussell. Hier setzte sich die Tradition der Kirmes auf dem Tattersall<br />

aus den 30er Jahren fort.<br />

Nachdem 1961/62 die Straßenführung der Mozartstraße im Bereich Reumontstraße geändert<br />

wurde, baute J. Stercken das Haus Nr. 25 auf dem neuen, nun zur Mozartstraße gehörenden<br />

Gelände, <strong>und</strong> zog mit Druckerei <strong>und</strong> Wohnung aus der Südstraße Nr. 6 hierher.<br />

Abb. 294: Mozartstraße von der Reumontstraße Richtung Priesterseminar<br />

1944/45 (Foto: Stadtarchiv Aachen).<br />

1962 errichtete auf der benachbarten<br />

Fläche bis zum Bahndamm die Mineralölfirma<br />

"Esso" eine Tankstelle mit kleinem Kassen- <strong>und</strong><br />

Verkaufsraum, einer Halle für die Wagenwäsche<br />

<strong>und</strong> freistehenden Zapfsäulen davor. Ansonsten<br />

bot die Fläche viel freien Platz mit einer<br />

Garagenreihe für 12 Fahrzeuge <strong>und</strong> Parkplätzen<br />

am Straßenrand. Erster Pächter war<br />

Hans Beyer mit seiner Frau Inge, sie wohnten<br />

der Tankstelle gegenüber im Haus Reumont-<br />

Abb. 295: Die gleiche Situation im Jahr 2002.<br />

Abb. 296: Die Tankstelle an der Mozartstraße in Bau im Jahr 1962 (Foto:<br />

Fam. Beyer).<br />

135


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

straße 41 (über dem ehem. "Barbarossa"). Nach einigen Jahren folgten als Pächter die Brüder<br />

Ewald <strong>und</strong> Rolf Danker, danach Herr Hamacher <strong>und</strong> zuletzt Herr Peters. Er betrieb zu der Zeit<br />

auch schon einen Abschleppdienst, der heute noch von seinem Sohn am Grünen Weg geführt<br />

wird.<br />

1978 wurde die Tankstelle abgerissen <strong>und</strong> es entstand das viergeschossige Wohngebäude<br />

Mozartstraße 27.<br />

Abb. 297: Die Tankstelle kurz nach ihrer Fertigstellung (Foto: Fam.<br />

Beyer).<br />

136<br />

Abb. 298: Die gleiche Situation im Jahr 2002.


3.3 Gerade Hausnummern<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Eckhaus Boxgraben 51<br />

Das Eckhaus am Boxgraben (Nr. 51) wurde 1897 durch<br />

das Baugeschäft Hubert Pauqué erbaut. Hier eröffnet der Konditormeister<br />

Lambert Pick (Kleinmarschierstraße 61) eine Filiale.<br />

Bereits 1899 gab es hier eine Südfrüchtehandlung von Marg.<br />

Hugo, 1901 eine Cigarren- <strong>und</strong> Papierhandlung Buchholz. Ab<br />

1906 lief die Cigarrenhandlung unter dem Namen Cormann<br />

<strong>und</strong> ab 1910 hieß es Cigarren- <strong>und</strong> Schreibwarenhandlung der<br />

Witwe Heinrich Strauch. 1914 verkauft die Firma Pauqué das<br />

Haus an die Geschwister Christine <strong>und</strong> Katharina Klee, die bis<br />

1922/23 zusätzlich ein Viktualiengeschäft unterhielten, den<br />

Cigarren- <strong>und</strong> Schreibwarenhandel führte bis 1922/23 Christian<br />

Strauch. Ab 1924 gibt es nur ein Geschäft: H. Gülpen,<br />

Feinkosthandlung/Delikatessen. Durch Brandbomben wurde<br />

das Haus völlig zerstört.<br />

Bis August 1950 wurde das Haus in einfachster Weise<br />

mit den damals knappen Mitteln wieder aufgebaut. Im Erdgeschoss<br />

zunächst mit dem Lebensmittelgeschäft <strong>und</strong> der<br />

Gaststätte (letztere nur für kurze Zeit) von R. Prümper, ab 1955 Abb. 299: Eckhaus Boxgraben 51, 2002<br />

wird auch Frau L. Günther genannt. Von 1963 bis 1967 lief das<br />

Geschäft dann unter Frau Günther, danach war es an Maria<br />

Felder vermietet. Nach einer mehrjährigen Pause gab es die Reinigungsannahme Undina <strong>und</strong> ab<br />

1978 für viele Jahre eine Änderungsschneiderei (bis 1998). Lange Zeit standen die Räume leer bis<br />

im November 2004 ein Imbiss eröffnete.<br />

Nr. 2a<br />

1896/97 wurde das<br />

Haus von Herrn Pauqué erbaut,<br />

1899 ist als Eigentümer<br />

zusätzlich noch Herr Esser<br />

genannt, die Verwaltung<br />

übernahm der Schneider Bellingrath.<br />

Außerdem gibt es<br />

für dieses Jahr auch noch einen<br />

Kaufmann namens Bach,<br />

von einem Laden ist nichts<br />

erwähnt. Ab 1903/04 gab es<br />

eine Filiale der Konditorei<br />

Lambert Pick, vorher für etwa<br />

vier Jahre nebenan im Haus<br />

Boxgraben 51. 1910 erwarb<br />

der Metzgermeister Max Hansen<br />

das Haus <strong>und</strong> eröffnete<br />

wahrscheinlich seine Metzgerei.<br />

1920 ist der Metzgermeis-<br />

Abb. 300: Südstraße 2a, 1980 (Foto: Stadt<br />

Aachen, Denkmalpflege)<br />

Abb. 301: Südstraße 2a, 2002<br />

ter Wilhelm Peters Besitzer des Hauses. Er hat für lange Zeit außer dem Laden <strong>und</strong> seiner Wohnung<br />

nur noch einen weiteren Mieter. 1940 übernahm Theo Wagemann den Besitz, auch er war<br />

Metzgermeister. Seit etwa 2002 ist Frau Carabin Eigentümerin des Gebäudes.<br />

Theo Wagemann war mit anderen Nachbarn immer bemüht, während der Bombenangriffe<br />

die Brandbomben unschädlich zu machen. Es bestand die ständige Angst vor einer möglichen<br />

Explosion der Tanks der nahe gelegenen Tankstelle (Boxgraben Nr. 53). Durch die Zerstörung des<br />

Eckhauses stand der Giebel des Hauses Nr. 2A (Metzgerei Wagemann) frei, in den dann bei den<br />

137


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Kämpfen um die Besetzung Aachens im Oktober 1944 eine Granate (wahrscheinlich vom Lousberg<br />

abgefeuert) einschlug <strong>und</strong> Wagemanns das oberste Stockwerk verwüstete.<br />

Der Sohn Walter Wagemann übernahm das Geschäft 1961 <strong>und</strong> führte es bis zum 31.<br />

Dezember 2001 zusammen mit seiner Frau. Aus Altersgründen wurde das Geschäft geschlossen,<br />

da er keinen Nachfolger finden konnte, <strong>und</strong> im Frühjahr 2002 wurde das Haus verkauft. Im Sommer<br />

2002 verlegte Ilknur Yoncali den "Südmarkt" von Nr. 41 hierher, doch die Episode dauerte<br />

nur bis zum November 2005. Im Februar 2006 gab es einen neuen Versuch, der allerdings bereits<br />

Ende 2006 wieder endete. Nach Leerstand wird das Ladenlokal seit etwa 2009 als Atelier genutzt.<br />

Trotz des Schadens durch Artilleriebeschuss blieb die ursprüngliche Fassade bis auf den<br />

unteren Teil mit den nüchternen weißen Fliesen erhalten. Das Haus steht seit dem 18. April 1983<br />

unter Denkmalschutz: "3-geschossig in 3 Achsen, Mittelbalkon im 1. Obergeschoss, Fassade<br />

verputzt mit spätklassizistischen Schmuckformen, Mansarddach, Erdgeschoss durch Ladeneinbau<br />

verändert."<br />

Nr. 2<br />

Das Wohnhaus wurde<br />

1876 durch Herrn Reisdorff<br />

erbaut. 1883 ist als Verwalter<br />

der Regierungs-Hauptkassen-<br />

Bote Peter Hentrich genannt,<br />

der schon vorher hier wohnte.<br />

1885 ging das Haus an Herrn<br />

Hoelscher über, 1901 an die<br />

Witwe Hoelscher.<br />

Interessant ist die Berufsbezeichnung<br />

des Mieters<br />

Honnefeller: "Photolitographiebesitzer",<br />

im nächsten<br />

Jahr lautet sie "Steindrucker".<br />

1914 heißt der Eigentümer<br />

Ernst Kreczy, 1920 Berta Olivier,<br />

1922 Adam Parmentier.<br />

Sicher ist der Eintrag von 1928<br />

auf den Besitz durch den<br />

Kaufmann J. Olivier ein Fehler, denn in der Folgezeit blieb es bei Herrn Parmentier. 1951 Frau A.<br />

Parmentier, 1967/68 Berta Parmentier. Seit 1975 lautet der Eintrag auf Rudolf Brab.<br />

Die ursprüngliche Fassade blieb sehr gut erhalten. Seit 27. Mai 1983 steht das Haus unter<br />

Denkmalschutz: "3-geschossig in 3 Achsen, Fassade verputzt mit Neurenaissance- <strong>und</strong> Neubarock-Schmuckformen,<br />

die Obergeschosse durch eine Halbsäulenordnung bzw. durch eine Pilasterordnung<br />

gegliedert, Balkonkorb im 1. Obergeschoss entfernt."<br />

138<br />

Abb. 302: Südstraße 2, 1980 (Foto: Stadt<br />

Aachen, Denkmalpflege)<br />

Abb. 303: Südstraße 2, 2002


Abb. 304: Haus Nr. 4, 2 <strong>und</strong> 2a (v.l.n.r.), Aachener Nachrichten, 4. Februar 1975.<br />

Nr. 4<br />

Als Wohnhaus etwa<br />

1875 erbaut. Es ist das älteste<br />

erhaltene Haus der Straße.<br />

Ob der Rentner A. de Villeneuve<br />

der Erbauer war, ist<br />

nicht sicher, aber 1881 ist er<br />

im Adressbuch als Eigentümer<br />

genannt. Mit diesem<br />

Adressbuch beginnt die Aufzeichnung<br />

der Gebäude in<br />

der Südstraße. 1889 gehört<br />

das Haus der Witwe de Villeneuve,<br />

ihr folgt 1903 die Witwe<br />

Victor Bissot. Sie hatte<br />

vorher bereits im Haus gewohnt.<br />

1912 übernahm Karl<br />

Bissot das Haus <strong>und</strong> hielt es<br />

bis 1932/33. 1920 gab es hier<br />

für kurze Zeit die Polizeiwa-<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

Abb. 305: Südstraße 4, 1980 (Foto: Stadt<br />

Aachen, Denkmalpflege)<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 306: Südstraße 4, 2002<br />

che V. Hier wohnten immer wieder Polizeibeamte, 1930 ein Kriminalassistent, den dann ein<br />

anderer ablöste. 1922 zieht Hubert Schaffrath ein, er beschäftigte sich mit "Elektrischen Anlagen",<br />

1924 war dazu auch sein Betriebsbüro im Haus. 1926 ist nur noch vom Mieter Hubert<br />

Schaffrath die Rede. Ab 1934 heißt der Eigentümer Ullrich Wollgarten, wohnhaft in der Kapitelstraße.<br />

Nachdem die Familie dort ausgebombt wurde, zog sie für kurze Zeit in die Südstraße,<br />

dann in die Eifel. Am 5. Mai 1945 kehrten sie in die Südstraße zurück.[23] Ab 1951 sind als Eigentümer<br />

U. Wollgarten <strong>und</strong> Frau eingetragen, seit 1975 Agnes Wollgarten. <strong>Richard</strong> Wollgarten,<br />

gleichfalls wohnhaft in diesem Haus, gehört zu den prominenten Aachener Zeitgenossen: Ri-<br />

139


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

chard Wollgarten ist ein Aushängeschild des Öcher Platt. Er ist seit 1993 Präsident des Vereins<br />

"Öcher Platt".<br />

1934 gab es hier die Wäscherei Ortmanns <strong>und</strong> nach deren Umzug 1953 für einige Jahre<br />

(bis 1961) die Druckerei Stercken (siehe Nr. 6). Seither wird das Haus nicht mehr gewerblich<br />

genutzt.<br />

Der Putz im Erdgeschoss wurde durch glatte Flächen erneuert, darüber ist aber der alte<br />

Zustand erhalten. Das Haus steht seit 17. Mai 1983 unter Denkmalschutz: "3-geschossig in 3<br />

Achsen, 1-achsiger Mittelrisalit mit Balkon im 1. Obergeschoss, Fassade verputzt mit spätklassizistischen<br />

Schmuckformen, Erdgeschoss zum Teil verändert, Mansarddach."<br />

Nr. 6<br />

Im Jahr 1872 verzeichnet das Adressbuch einen Neubau<br />

ohne weitere Angabe. Damit wäre dieses Haus das erste in der<br />

Südstraße gewesen. Ob es gleich zu Anfang einen Laden hatte,<br />

ist nicht sicher, eventuell wurde erst später ein Umbau vorgenommen.<br />

1875 wird der Name Mengelbier genannt (Eigentümer?),<br />

1881 steht für den Eigentümer Thyssen & Cie., Mülheim/Ruhr.<br />

Das blieb bis 1883. Herr Strom erwarb das Haus<br />

1884/85, er betrieb darin auch ein "Commissionsgeschäft", das<br />

hier bereits 1881 existiert. 1889 wird dieses Geschäft nicht<br />

mehr genannt, nur noch der Kaufmann Strom. Ab 1891 heißen<br />

die Eigentümer Franz Strom Erben, 1899 wieder Strom, übrigens<br />

ohne weitere Bewohner, erst ab 1904 werden wieder<br />

Mietparteien aufgeführt. 1910 gehörte das Haus der Witwe<br />

Fritz Strom, ab 1912 mit dem Zusatz Josefsstift. 1920 ist Hermann<br />

Pütz der Eigentümer. Seit 1926 hat Johanna Pütz hier<br />

eine Kolonialwarenhandlung. Ab 1936 ist hier die Wäscherei<br />

Ortmanns. Ab 1940 bis zur Zerstörung durch Bomben gehört<br />

das Haus A. Pütz.<br />

Abb. 307: Südstraße 6, 2002<br />

Das Trümmergr<strong>und</strong>stück war auf J. Pütz <strong>und</strong> Miteigentümer<br />

eingetragen. Die Wäscherei Ortmanns zog im Mai 1953 in das Haus Nr. 6, wo H. Ortmanns<br />

das Erdgeschoss hergerichtet hatte. Der weitere Aufbau des Gebäudes geschah 1959/60. Gleich<br />

nach der Wäscherei etablierte sich in Haus Nr. 4 die Druckerei Stercken, die wiederum 1963 in<br />

den Neubau Mozartstraße 25 zog. Im Haus Nr. 6 blieb die Wäscherei Ortmanns bis etwa 1967,<br />

sie wurde von Josef Gerards für etliche Jahre weiter betrieben. 1981 richtete sich in den Räumen<br />

der Serim Export-Import ein, gefolgt (1983) von Antiquitätenhändlern (Jacobs <strong>und</strong> Raphelt). Nun<br />

befindet sich hier seit 1987 eine Tagesstätte der Aachener Laienhelfer Initiative e.V. (ALI).<br />

140


Nr. 8<br />

Das Baujahr <strong>und</strong> der Bauherr sind ungewiss. Nach den<br />

ersten Einträgen ab 1872 gab es hier einen Herrn Palm, Restauration.<br />

1881 ist Herr Palm Eigentümer. Es wohnt im Haus ein<br />

Gastwirt Hompesch. 1883 gehörte das Haus der Witwe Palm,<br />

1887 den Geschwistern Palm <strong>und</strong> 1889 wieder einer Witwe<br />

Palm. Die Verwaltung lag bei Herrn Eidens, der es auch 1891<br />

verwaltete, als das Haus inzwischen Frau Bonnenberg gehörte.<br />

Von Restauration oder Gaststätte ist nicht mehr die Rede. Ab<br />

1893 sind Erben Palm Besitzer, ab 1897 verwaltete es Julius<br />

Feyerabend, der schon vorher im Haus wohnte. Ab 1908 bis in<br />

die Jahre des ersten Weltkriegs besaß das Haus Julius Feyerabend.<br />

1920 gehörte es Franz Sodar, 1924 seiner Witwe <strong>und</strong><br />

ab 1930 den Sodarschen Erben. Von 1912 bis 1942 betrieb der<br />

Maler- <strong>und</strong> Anstreichermeister Peter Jünger hier sein Geschäft.<br />

Das Haus fiel den Bomben zum Opfer.<br />

Eigentümer des Gr<strong>und</strong>stückes war für mehrere Jahre<br />

Frau Thelen <strong>und</strong> Miteigentümer. Von ihnen erwarb es das Ehepaar<br />

Radermacher (in Haus Nr. 68 wohnend). Sie nahmen 1958<br />

den Wiederaufbau vor. Heinrich Radermacher hatte im Erdgeschoss<br />

als Schuster einen Laden <strong>und</strong> die Werkstatt. Nach seinem<br />

Tod blieb das Haus im Besitz von Frau Radermacher. Seit<br />

1987 ist Herr Dalscheid Eigentümer. Ab 1968 übernahm die K.<br />

Jansen KG, Kaffeegroßrösterei, ab etwa 1980 die Rolf Jansen<br />

GmbH bis 1986 mit einem Kaffeegeschäft das Ladenlokal. Anfang<br />

der 90er Jahre gab es eine Zeit lang ein Geschäft für<br />

Schreibwaren <strong>und</strong> Zeitschriften, danach eine Filiale der Bäckerei<br />

Töller, später (1997/98) den Computerladen von Ralf Grafe<br />

<strong>und</strong> seit 1999 ein Maniküre-Institut, das Ende November 2005<br />

schloss. Die Räume standen zunächst leer, bevor sie im Frühjahr<br />

2006 zu einer Wohnung umgebaut wurden.<br />

Nr.10/12<br />

Abb. 310: Südstraße 10/12, 2002<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

Abb. 311: Südstraße 10/12, 2006<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 308: Südstraße 8, 2002<br />

Abb. 309: Südstraße 8, 2006<br />

Zu Nr. 10 gibt das Adressbuch keine sicheren Erkenntnisse: 1872 ist Dr. med. H.N. Herwartz,<br />

pract. Arzt, verzeichnet. Man kann davon ausgehen, dass er hier wohnte <strong>und</strong> vielleicht<br />

141


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

auch praktizierte. 1881 ist er als Eigentümer eingetragen, 1885 die Witwe Dr. Herwartz. 1899<br />

gehört das Haus Armin Herwartz <strong>und</strong> ab 1901 den Geschwistern Herwartz. Von 1904 bis 1913<br />

besaß es die Armenverwaltung, 1914 übernahm es bis 1930 die Stadtverwaltung Aachen. Dann<br />

ist die Witwe H. Nüttgens, Stopfmeisterin, als Eigentümerin verzeichnet <strong>und</strong> seit 1936 ist neben<br />

ihr auch noch die Kunststopferin R. Jobes genannt, sie wohnte schon vorher im Haus. Ausgebombt<br />

blieb das Gr<strong>und</strong>stück weiter im Besitz der beiden Frauen, bis sie es Mitte der 1950er Jahre<br />

an Theo Campo verkauften.<br />

Von Haus Nr. 12 ist der genaue Ursprung nicht bekannt. 1872 wird die Bernard’sche Reitbahn<br />

genannt, im Haus wohnten außer dem Reitlehrer Bernard u.a. noch der Pferdehändler<br />

August Terkatz. 1881 heißt der Eigentümer Reisdorff, ab 1883 besorgt ihm die Witwe Bernard<br />

die Verwaltung. 1885 wird der Bauunternehmer Stephan Reisdorff als Besitzer verzeichnet. 1910<br />

ist mit Hermann Classen aus der Alexanderstraße ein neuer Besitzer genannt. Ihm folgt 1914 der<br />

Bildhauer Ludwig Schoepen, nach der Eintragung von 1922 hat er hier auch sein Atelier. Auch<br />

nach der Zerstörung im Krieg gehört das Gr<strong>und</strong>stück L. Schoepen, der es 1953/54 an Th. Campo<br />

verkauft.<br />

Er unternahm 1958 den Wiederaufbau zusammen mit Nr. 10 als Doppelhaus (zur gleichen<br />

Zeit wie Nr. 8). Die Tordurchfahrt führt zum kleinen Hof mit der Malerwerkstatt Campo (die etwa<br />

1998 zur Lagerhausstraße verlegt wurde). Nach 1970 ist Maria Campo als Eigentümerin genannt.<br />

Nr. 14<br />

Im Adressbuch von 1872 (siehe auch Foto bei Haus Nr.<br />

16/18) sind fünf Bewohner verzeichnet, unter ihnen A. Möltgen,<br />

Handschuh-, Jacken- <strong>und</strong> Joppenfabrik. Es ist nicht herauszufinden,<br />

ob er Besitzer dieser Fabrik an einem anderem<br />

Ort war oder auch hier fertigte, vermutlich nicht. 1881 ist<br />

Heinrich Esser als Eigentümer genannt, als Bewohner der Stallknecht<br />

Schluszat. 1883 gibt es außerdem einen Schlosser- <strong>und</strong><br />

Schmiedemeister Esser im Haus. Die Bauschlosserei Gebr. Esser<br />

waren Eigentümer des Hauses. Als Mieter sind wenig später<br />

u.a. zwei Kutscher erwähnt. 1910 besitzt bis in die Jahre des<br />

Ersten Weltkriegs der Schlossermeister Heinrich Esser das Anwesen,<br />

1920 die Witwe Heinrich Esser. 1924 ist P. Christian,<br />

vermutlich ein Druckfehler, es muss wohl Christgau heißen, als<br />

Eigentümer genannt. Nach 1928 kommt ein mehrfacher<br />

Wechsel zwischen F. <strong>und</strong> P. Christgau, wobei die Verwaltung<br />

jeweils bei dem Polizeibeamten P. Christgau blieb. Das geht so<br />

bis in den zweiten Weltkrieg, in dem das Gebäude durch zwei<br />

Volltreffer zerstört wird.<br />

Abb. 312: Südstraße 14, 2002<br />

Das Gr<strong>und</strong>stück gehört 1951 einer Frau Fr. Christgau<br />

<strong>und</strong> bis 1955/56 P. Christgau <strong>und</strong> Miteigentümern. 1958 hatte<br />

es Mathias Bleimann erworben <strong>und</strong> den Neubau errichtet, die Gastwirtschaft im Erdgeschoss<br />

führte E. Bleimann. Seit 1959/60 ist das Haus im Besitz von Hermann Hall bzw. seit 1976 seiner<br />

Tochter Marlene Hall. Sie nahm 1976 eine völlige Modernisierung (Apartment-Wohnungen) vor.<br />

Als Bewohner <strong>und</strong> wahrscheinlich Betreiber der Gaststätte deren Name lange "Südhof" war,<br />

finden sich nacheinander folgende Namen Frau A. Einhaus, Helma Bettinger, Frau H. Jansen, Frau<br />

Born <strong>und</strong> Frau Gouders. In den 90er Jahren hieß die Gaststätte eine Zeit lang "Meisenfrei 2",<br />

geführt von Herrn Rüdiger. Nach einer mehrmonatigen Pause hatte sich im Juni 2000 für kurze<br />

Zeit das Internetcafé "Gaffa" dort etabliert. Dann folgte der Versuch mit einer Gaststätte "el Sur"<br />

mit südamerikanischen Spezialitäten, aber am 31. August 2002 war auch das zu Ende. Nach<br />

Leerstand erfolgte im Herbst 2003 der Umbau zu einer Wohnung, doch ab Herbst 2004 kehrt mit<br />

einem Musikgeschäft wieder eine Ladennutzung in das Gebäude zurück, das Anfang 2009 aufgab.<br />

Seit April 2009 befindet sich hier ein Massagesalon.<br />

142


Nr.16/18<br />

Laut Adressbuch von<br />

1875 wohnte in Nr. 16 der<br />

Fabrikdirektor Theodor Küpper.<br />

1881 heißt der Eigentümer<br />

Th. Küpper. Es ist anzunehmen,<br />

dass er der Erbauer<br />

des Hauses war. 1889 gehört<br />

es der Witwe Küpper. 1893<br />

wird die Firma Jacob Kaufmann<br />

als Besitzer bezeichnet<br />

<strong>und</strong> ein Bewohner ist der<br />

Pferdehändler Henry Kaufmann,<br />

der Pferdehandel wird<br />

jedoch in diesem Haus nicht<br />

stattgef<strong>und</strong>en haben.<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

Abb. 313: Südstraße 16, ca. 1910. Links ist der<br />

Torbogen des Zugang zum Tattersall (Nr. 18)<br />

im Ansatz zu erkennen, rechts Haus Nr. 14 im<br />

ursprünglichen Zustand (Foto: Stadtarchiv<br />

Aachen).<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 314: Südstraße 16/18, 2002<br />

Zwischendurch machte für kurze Zeit Henry Kaufmann die Verwaltung <strong>und</strong> 1906 war er<br />

dann der Eigentümer. 1910 erwarb Heinrich Dibbert das Anwesen, von da an gibt es unter der<br />

Nr. 18 das Reitinstitut von Heinrich Dibbert. Das Gr<strong>und</strong>stück Nr. 18 war nicht bebaut, sondern<br />

nur mit einem Torbogen versehen. 1920 ist Herr Dibbert mit "akad. Reitlehrer" tituliert, von 1922<br />

bis 26 gehören Nr. 16 <strong>und</strong> 18 gemeinsam Heinrich Dibbert mit dem Zusatz "Belg. Besatzung".<br />

1928 ist es wieder sein "Reitinstitut" <strong>und</strong> heißt für einige Jahre “Aachener Reitinstitut H. Dibbert<br />

GmbH“, <strong>und</strong> zu Nr. 18: Verwaltung A. Betzel, Oblt. a.D., Leiter des Reitinstitutes (er wohnte in<br />

Nr. 4). Ab 1932 werden die beiden Gr<strong>und</strong>stücke gemeinsam registriert. Erst 1942 ändert sich der<br />

Besitz für das Doppelgr<strong>und</strong>stück, das H. Meyer übernimmt. Weitere Einzelheiten aus dieser Zeit<br />

zu den beiden Häusern sind im Kapitel zum Tattersall zu finden.<br />

Nach der Zerstörung wurde 1951 für das Gr<strong>und</strong>stück Nr.16 als Eigentümer die Witwe H.<br />

Dibbert <strong>und</strong> für Nr. 18 W. Meyer genannt. Dort sind jetzt zwei Firmen der Baubranche angesiedelt:<br />

M. Danhausen, Zementwaren u. Terrazzobetrieb, <strong>und</strong> M. Leuchter, Schlosserei. 1953/54<br />

sind es die Fa. Danhausen <strong>und</strong> Wwe. J. Königshoven, Stuckgeschäft. 1955 kaufte Hubert Oebel<br />

beide Gr<strong>und</strong>stücke <strong>und</strong> errichtet das Doppelhaus Nr. 16/18. Er siedelt sich mit seiner Baufirma<br />

hier an. Mit dem 65. Geburtstag zog sich 1969 Oebel aus dem Geschäft zurück <strong>und</strong> baute die<br />

Fläche zu einem Garagenhof aus. Seit 1975 ist Walter Oebel Eigentümer.<br />

143


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Nr. 20-40 (siehe auch Kap. 2.5)<br />

Abb. 315: Südstraße 20-42, vermutlich in den 50er Jahren (Foto: Foto<br />

Schmeck)<br />

Die Neubauten errichtete Carl Kalde<br />

1952 über die bis dahin freie Fläche des einstigen<br />

Tattersalls unter Einbeziehung des zerstörten<br />

Hauses Nr. 42. In dem langen Ziegelgebäude<br />

befinden sich etwa 100 Wohnungen.<br />

In Nr. 34 (Ladenlokal vor dem Bunker) eröffnete<br />

Frau K. Reinartz eine Drogerie. Nachfolger<br />

war ab September 1958 Gottfried Kahlen (bis<br />

Ende 1969), später versuchte Waltraud Müller<br />

einen Handel mit Obst <strong>und</strong> Gemüse (etwa<br />

1986), danach hatte Ingeborg Rövenich ihr<br />

Blumengeschäft (1987-88).<br />

In Nr. 34a eröffnete 1952 K. Jansen einen<br />

Süßwarengroßhandel (bis 1961), danach<br />

machte Frau W. Königshoven dort eine Annahmestelle für eine Wäscherei auf, die 1965 Finny<br />

Schumacher übernahm. Etwa ab 1994 hat Frau T. Claessen in beiden Lokalen ihren Second-<br />

Hand-Laden "Spardose". Im Dezember 2004 zog auch sie aus der Südstraße an einen neuen<br />

Standort. Danach standen die Räume lange leer, bis in das rechte Ladenlokal im Herbst 2008<br />

eine Kunstgalerie einzog, die sich 2009 in das linke Ladenlokal erweiterte.<br />

Abb. 318: Typische Ladeneinrichtung der 50er Jahre (Foto:<br />

Fam. Kahlen)<br />

144<br />

Abb. 316: Südstraße 20-42, 2002<br />

Abb. 317: Einladungskarte zur Eröffnung der Drogerie durch Fam.<br />

Kahlen (Quelle: Fam. Kahlen).<br />

Abb. 319: Die Schaufenster der Drogerie Ende der 50er Jahre (Foto: Fam. Kahlen).


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Nr. 30<br />

Hausnummer des Luftschutzbunkers, weiteres siehe Kapitel "Tattersall <strong>und</strong> Bunker".<br />

Nr. 40<br />

Ursprünglich die Adresse der Friedrich Franckenhoff´schen Tuchfabrik, später Spinnerei<br />

H.O. Werner <strong>und</strong> ab 1908 Zeichen- <strong>und</strong> Kunstgewerbeschule Aachen, später Fachhochschule,<br />

Fachbereich Design. Weiteres siehe Kapitel "Die ehemalige Fachhochschule".<br />

Nr. 42<br />

Wilhelm Thomas ließ 1914 das Wohnhaus errichten <strong>und</strong> es blieb bis 1922/23 in seinem<br />

Besitz. 1924 erwarb der Kaufmann W. Rüttgers das Haus, ab 1938 besaß es die Witwe. Der<br />

Schneider Wilhelm Thomas blieb weiter im Haus wohnen (nach 1934 verwaltete er einige Jahre<br />

das Haus) <strong>und</strong> betrieb dort seine Schneiderei, ab 1938 mit K. Thomas (sein Sohn?). Nach 1942<br />

fiel das Haus einem Bombenangriff zum Opfer. Zur Wahl 1933 hingen an der damals noch frei<br />

stehenden Giebelwand drei große Hitler-Plakate mit dunklem Hintergr<strong>und</strong>.<br />

1951 besitzen Frau Th. Strohe <strong>und</strong> Miteigentümer das Gr<strong>und</strong>stück. C. Kalde erwarb es <strong>und</strong> bezog<br />

es in seine Häuserreihe ein. Es wurde als erstes 1952 bezogen.<br />

Nr. 44<br />

Abb. 320: Südstraße 44, 1973 (Foto: Stadt<br />

Aachen, Denkmalpflege)<br />

Abb. 321: Südstraße 44, 1980 (Foto: Stadt<br />

Aachen, Denkmalpflege) Abb. 322: Südstraße 44, 2002<br />

Gleichfalls 1914 entstand für den Schneidermeister Karl Thomas dieses Wohnhaus, er<br />

wohnte von 1902 bis 1913 in der Südstraße 52. Das Gr<strong>und</strong>stück blieb im Besitz der erbauenden<br />

Familie. Ab 1928 ist Witwe Th. Thomas die Eigentümerin, 1934 heißt es Witwe K. Thomas bis<br />

1940. 1942 besitzt Frl. M. Thomas das Haus <strong>und</strong> 1951 bis 1953/54 wieder Witwe K. Thomas, ihr<br />

folgte 1955/56 der Sohn Joseph Thomas <strong>und</strong> seit 1990 hat es sein Sohn Prof. Dr. H.G. Thomas in<br />

Besitz.<br />

Ohne größeren Kriegsschaden erlitten zu haben, zeigt sich die Fassade in ihrer ursprünglichen<br />

Form. Das Haus steht seit 25. Mai 1983 unter Denkmalschutz: "4-geschossig in 4 Achsen,<br />

mit 2-geschossigem <strong>und</strong> 2-achsigem Mittelerker, Balkon, Fassade verputzt mit Schmuckformen<br />

der Zeit nach dem Jugendstil, Mansarddach, Bruchsteinsockel."<br />

145


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Nr. 46<br />

Abb. 323: Südstraße 46, 1968, mit der<br />

Oberleitung der Straßenbahn im Vordergr<strong>und</strong><br />

1912 wurde das Haus Nr. 46 im Auftrag des Schneidermeisters<br />

Hubert Hirtz erbaut. Familie Hirtz bewohnte das Erdgeschoss.<br />

Das kleine Zimmer neben dem Hausflur war das Anprobierzimmer.<br />

Die Schneiderwerkstatt befand sich in Höhe<br />

des Gartenniveaus im Keller mit zwei großen Fenstern <strong>und</strong> Zugang<br />

zum Garten. Das Gebäude blieb im Besitz der Familie.<br />

Nach dem Tod des Ehepaares Hirtz 1935 heißen die Eigentümer<br />

Hirtz’sche Erben, verwaltet von Peter Hirtz. Im Krieg Abb. 326: Südstraße 46, 2002<br />

hatte in der ersten Etage der Fotograf Hermann Kleber sein<br />

Atelier. Nach Abfindung <strong>und</strong> Tod von Peter Hirtz verwaltete<br />

zwischenzeitlich seine Witwe das Haus. Sie heiratete wieder <strong>und</strong> seit 1969 gehört es dem Ehepaar<br />

Holtzhausen, das das Gebäude umfassend modernisierte.<br />

Das Haus blieb im Zweiten Weltkrieg fast unbeschädigt <strong>und</strong> besitzt noch bis auf Änderung<br />

im Bereich des Erdgeschosses (mit Riemchen belegt) seine ursprüngliche Fassade. Das Haus steht<br />

deshalb seit 14. September 1983 unter Denkmalschutz: "4-geschossig in 3 Achsen, links ein 2achsiger,<br />

3 geschossiger Erker, Fassade verputzt mit Schmuckformen der Zeit nach dem Jugendstil,<br />

Erdgeschoss verändert, Mansarddach."<br />

146<br />

Abb. 324: Südstraße 46, 1973 (Foto: Stadt<br />

Aachen, Denkmalpflege), Straßenbahngleise<br />

noch vorhanden<br />

Abb. 325: Südstraße 46, 1980 (Foto: Stadt<br />

Aachen, Denkmalpflege)


Nr. 48<br />

Abb.327: Südstraße 48 <strong>und</strong> 50 etwa 1910, das<br />

Gr<strong>und</strong>stück Nr. 46 ist noch unbebaut (Foto:<br />

Stadtarchiv).<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

1903 ließ Hubert Schauff das Wohnhaus erbauen <strong>und</strong> es blieb in seinem Besitz bis 1922.<br />

1924 gehörte es Frl. M. Schauff <strong>und</strong> ab 1928 H.N. Schauff Söhne, Baugeschäft im Boxgraben 52.<br />

1938 bis in die Kriegsjahre wird Frau J. Schauff genannt. Nach dem Krieg waren für die nächsten<br />

Jahre Geschwister Schauff <strong>und</strong> deren Erben die Eigentümer. 1966/67gehört das Haus Nikolaus<br />

Schauff <strong>und</strong> Miteigentümern <strong>und</strong> ab 1970 Inge Schauff <strong>und</strong> Miteigentümern. Ende der 1970er<br />

Jahre wurde das Haus an Dr. Horn (damaliger Chef der Ruhrkohle AG) verkauft. Er ließ es innen<br />

gr<strong>und</strong>legend umbauen <strong>und</strong> die Fassade restaurieren. 1993 wurde Jörg Funken von der Bauunternehmung<br />

Martin Funken neuer Eigentümer.<br />

Das Haus nahm im Krieg kaum Schaden, die Fassade zeigt noch ihren ursprünglichen<br />

Schmuck. Das Gebäude steht seit 29. September 1983 unter Denkmalschutz: "4-geschossig in 3<br />

Achsen, 1-geschossiger Mittelerker mit aufgesetztem Balkon, Putz-Fassade mit Schmuckformen<br />

des Jugendstils <strong>und</strong> des Neubarocks, Erdgeschoss in Quaderputz."<br />

Nr. 50 <strong>und</strong> 52<br />

Abb. 330: Südstraße 50/52, ca. 1985, vor der<br />

Sanierung.<br />

Abb. 328: Südstraße 48, 1980 (Foto: Stadt<br />

Aachen, Denkmalpflege)<br />

Abb. 331: Südstraße 50/52, nach der<br />

Fassadensanierung, ca. 1989<br />

Abb.329: Südstraße 48, 2002<br />

Abb.332: Südstraße 50/52, 2002<br />

147


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Die Gebäude 50 <strong>und</strong> 52 sind "Zwillinge", d.h. spiegelverkehrt symmetrisch. Die Originalbaupläne<br />

zeigen das Gebäude Südstraße 52, für die Südstraße 50 gelten die gleichen Pläne mit<br />

dem Hinweis "spiegelverkehrt".<br />

1901 wurde Nr. 50 von Hubert Schauff erbaut <strong>und</strong> blieb bis 1920 sein Besitz. 1922 ist als<br />

Eigentümer eingetragen: Josef Peters. Aus der Eintragung von 1924 kann man darauf schließen,<br />

dass es sich um Verwandtschaft handelt: Peters-Schauff. 1926 heißt der Eigentümer J. Peters <strong>und</strong><br />

ab 1928 Fr. J. Peters. Ab 1966/67 besaß es Peter Sester aus der gleichen Familie.<br />

Auch Nr. 52 wurde von Hubert Schauff 1901 erbaut. Beim Bezug des Hauses zog auch der<br />

Schneidermeister Karl Thomas ein, der dann 12 Jahre später in sein neues Haus Nr. 44 zog. Bis<br />

1922 gehörte das Haus Hubert Schauff, 1924 übernahm es bis 1953/54 die Rentnerin J. Schauff.<br />

Von 1955/56 bis 57/58 ist es im Besitz des Klosters vom Heiligen Herzen Jesu in Hiltrup, 1959/60<br />

von J. Görgens <strong>und</strong> Frau, 1966/67 für kurze Zeit von Hermann Görgens, nach 1970 von Gertrud<br />

Görgens, später Hermann Schlottke.<br />

1983 wurden beide Gebäude unter Denkmalschutz gestellt <strong>und</strong> wie folgt beschrieben: "Um<br />

1900 erbaut; 4-geschossig in 3 Achsen, im 1. Obergeschoss 1-geschossiger Mittelerker mit Balkon,<br />

Fassade verputzt mit Schmuckformen des Neubarock."<br />

1984 kam es zusammen mit Nr. 50 in den Besitz des Ehepaars <strong>Richter</strong>-<strong>Richard</strong>. Die Gebäude<br />

machten beim Kauf einen jämmerlichen Eindruck. Eine Modernisierung war dringend notwendig.<br />

Im November 1985 begann die Modernisierung, die unter teilweiser Zusammenlegung der<br />

beiden Gebäude im Juli 1986 weitgehend abgeschlossen wurde. Das Gebäude beherbergt auch<br />

das Planungsbüro der Inhaber.<br />

Abb. 333: Rückfassade des Anbaus 1985 Abb. 334: In der Umbauphase 1986<br />

148<br />

Abb. 335: Rückfassade des Anbaus ca. 1995


Nr. 54<br />

Abb. 336: Südstraße 54,1939 (Foto: Dziubon)<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

1914 hatte der Konditormeister Jakob Heinrichs das Haus erbauen lassen, <strong>und</strong> sich im Erdgeschoss<br />

die Bäckerei <strong>und</strong> Konditorei eingerichtet. Er blieb Eigentümer bis nach dem zweiten Weltkrieg.<br />

Ab 1951 lautete der Eintrag auf J.O.<br />

Heinrichs. Die Bäckerei <strong>und</strong> Konditorei führte<br />

ab 1932 der Sohn Hans Heinrichs. Nach dem<br />

Krieg wurden im Hof, wie in vielen anderen<br />

Höfen auch, Hühner gehalten. Die Eier gingen<br />

gleich in die im Kellergeschoss liegende Backstube.<br />

Um 1957/58 verpachtete er die Bäckerei<br />

bis etwa 1972 an den Bäckermeister Heinrich<br />

Krings. Inzwischen (1970) hatte Familie Dziubon<br />

(Bäcker von gegenüber aus Nr. 47) das<br />

Haus gekauft - es wird gemunkelt, um die<br />

Konkurrenz herauszudrängen, denn anschließend<br />

richtete sich dort die Gaststätte "Zur Südklause"<br />

ein (mit Kegelbahn in der ehemaligen<br />

Backstube). Seit 3. August 1979 war dort die<br />

Kneipe "Bebop". In der ehemaligen Backstube<br />

befand sich nun eine Diskothek. 1985 verkauften<br />

Dziubons das Haus weiter. Heutige Eigentümer<br />

sind Kalb/von Mulart.<br />

Abb. 337: Südstraße 54, 1980 (Foto: Stadt<br />

Aachen, Denkmalpflege)<br />

Abb. 338: Südstraße 54, 2002<br />

Abb. 339: Die BeBop-Gründer im Eröffnungsjahr 1979 (Foto: Anne<br />

Gold).<br />

Nach dem auch in der Aachener Chronik verzeichneten 25-jährigen Jubiläum am 3. August<br />

2004 zog im August 2005 das BeBop um. Seit November 2005 ist hier der Jazzclub "Quer-Beat",<br />

der sich schon bald in "Parkside Inn" umbenannte.<br />

Im Krieg erlitt das Haus nur geringen Schaden, so dass nach einer Restaurierung in den<br />

90er Jahren sich die schöne alte Fassade wieder zeigt. Das Haus steht seit dem 18. April 1983<br />

unter Denkmalschutz: "4-geschossig in drei Achsen, die breit angelegte Mittelachse mit einem 2geschossigen<br />

Erker mit Balkon, Fassade verputzt mit Schmuckformen der Zeit nach dem Jugendstil,<br />

Mansarddach mit einem übergiebelten über der Mittelachse gelegenen Dacherker, Erdgeschoss<br />

verändert."<br />

149


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Nr. 56/58<br />

Das Wohnhaus Nr. 56 wurde 1914 von Josef Mertens<br />

errichtet. Er behielt das Haus bis in die Jahre nach dem zweiten<br />

Weltkrieg. Um 1940 richtete sich in einer Wohnung die Witwe<br />

J. Mühlenberg ein Maßgeschäft ein.<br />

In den Nachkriegsjahren wohnte hier der in Aachen bekannte<br />

Bombenräumer L. Datené mit seiner Familie. Seine Arbeit<br />

war für ihn zwar tägliche Routine, doch gehörte auch viel<br />

Mut dazu, die Kriegshinterlassenschaften zu entschärfen. Etwa<br />

1959 wanderte die Familie nach USA oder Kanada aus.<br />

1957/58 erwarb der Installateurmeister Jakob Breier aus<br />

der Stephanstraße das Haus, das im Krieg einige Schäden abbekommen<br />

hatte.<br />

Nr. 58 wurde bereits 1898/99 vom Maurermeister Corr<br />

(siehe Nr. 13) gebaut, im nächsten Jahr wurde Herr Jolie (siehe<br />

Nr. 1, 7 <strong>und</strong> andere Häuser) Eigentümer, 1906 Agnes Lang <strong>und</strong><br />

1912 Josef Mertens (aus Nr. 56). Er hielt das Haus bis zu seiner<br />

Zerstörung im zweiten Weltkrieg.<br />

1951 war das Gr<strong>und</strong>stück an Jakob Breier verkauft. Er Abb. 340: Südstraße 56/58, 2002<br />

errichtete 1956 den Neubau des Hauses Nr. 58, danach zogen<br />

die Mieter von Nr. 56 in den Neubau. Das desolate Haus Nr. 56<br />

wurde abgerissen <strong>und</strong> neugebaut <strong>und</strong> bildet seit Ende 1957 das Doppelhaus Nr. 56/58. Die Fa.<br />

Breier benutzte nur die im Hof gelegene Werkstatt (das Büro blieb noch in der Stephanstraße),<br />

im Erdgeschoss befinden sich zwei Ladenlokale: Kaffee-Jansen (mit Rösterei) <strong>und</strong> Apotheke (Sonnenapotheke).<br />

Ab 1967/68 nutzte die Fa. Breier die Räume von Kaffee-Jansen als Büro mit Ausstellung<br />

im Schaufenster. Später wurden die Büroräume durch einen Anbau erweitert. Am 15.<br />

Juni 2000 zog die Firma E. Breier GmbH zur Lukasstraße 7. Die "artwork-Agentur" Walter Holl<br />

nutzte anschließend die Räume für den Vertrieb moderner Kunst, doch auch diese Nutzung<br />

verschwand 2006 aus der Südstraße. Im September 2007 startete hier "AC Fitness", ein Fitnessgerätefachhandel.<br />

Die Apotheke gab es bis 1986, nach einem Umbau wurde von Hilde Breier 1987 ein Imbisslokal<br />

eröffnet, seit 1995 ist hier der "Nikolaus-Grill" mit verschiedenen Pächtern.<br />

Am 1. April 1991 feierte hier Herr Joseph Lennertz seinen Geburtstag zum 100-jährigen.<br />

Oberstadtdirekter Berger überbringt als Glückwünsche des B<strong>und</strong>espräsidenten, des Ministerpräsidenten<br />

NRW <strong>und</strong> des Oberbürgermeisters Dr. Linden je einen Umschlag mit 200 DM.<br />

150


Nr. 60<br />

Abb. 341: Südstraße 60, ca. 1910, mit einem<br />

Lebensmittelgeschäft. Zur Nr. 62 ist ein Mast<br />

der Straßenbahnoberleitung zu erkennen (Foto:<br />

Stadtarchiv Aachen).<br />

Abb. 342: Südstraße 60, 2002<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 343: Südstraße 60, 2006<br />

Das Haus wurde gemeinsam mit Nr. 58 um 1898/99 von Herrn Corr erbaut, <strong>und</strong> ab 1900 nahm<br />

Ludwig Jolie auch dieses Haus in Besitz. Ihm folgten 1906 die Witwe Agnes Lang, 1912 Leonhard<br />

Cornetz, 1914 seine Witwe als Eigentümer. Herr Cornetz unterhielt eine Kleinhandlung, vorher<br />

ist kein Laden verzeichnet. Frau Cornetz führte das Geschäft weiter, ab 1924 als Obst- bzw. Obst<strong>und</strong><br />

Gemüsehandlung. 1932 erwarb der Metzgermeister Jakob Lennartz das Haus <strong>und</strong> eröffnete<br />

eine Metzgerei.<br />

Nach großem Bombenschaden (in den Trümmern fand man vier Tote der Familien Klinkenberg<br />

<strong>und</strong> Düppengießer) konnte nach dem Krieg in einem provisorischen Bau die Metzgerei<br />

weiter geführt werden. Erst 1968 ließ Peter Lennartz den Neubau mit der neu gestalteten Metzgerei<br />

errichten. Sie schloss 1990. 1991 gab es hier kurz die Sunrise Computer GmbH (bis 1992),<br />

bald danach zog das Copy Team (von Nr. 47) hierher um. Von Ende 1997 bis Dezember 2003<br />

befand sich hier die Druckerei mit Copy-Shop von Herrn H. Javadi. Bis Februar 2005 standen die<br />

Räume leer, dann hat Uta Lützner hier das Fahrradgeschäft "Sausewind" eröffnet. Im Sommer<br />

2006 erfolgte eine umfassende Sanierung der Fassade.<br />

151


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Abb. 344: Südstraße 56/58 <strong>und</strong> 60 im September 1962 (Foto: Günter Peters).<br />

Nr. 62<br />

In den Adressbüchern<br />

von 1889 <strong>und</strong> 1891 ist im<br />

oberen Teil der Südstraße<br />

ohne Hausnummer eine Ziegelei<br />

aufgeführt. Sie gehörte<br />

Gustav Leydel Architekt, Bauunternehmer,Ziegeleibesitzer<br />

<strong>und</strong> Besitzer des Aachener<br />

Mörtelwerks.<br />

Der Kaufmann Josef<br />

Pohl ließ 1900 das Wohnhaus<br />

auf den Gr<strong>und</strong>mauern<br />

dieser Ziegelei erbauen. Ab<br />

1934 gehört das Haus der<br />

Witwe M. Pohl bis zur Zerstörung<br />

im Krieg.<br />

1951 gehört das Trümmergr<strong>und</strong>stück den Erben Pohl, 1953/54 Josef Pohl. Im Oktober<br />

1952 stellt Familie Kallas als Provisorium das EG wieder her <strong>und</strong> eröffnet das Lebensmittelgeschäft,<br />

das bisher in einem einfachen Büdchen an der Ecke Reumontstraße auf den ehemaligen<br />

Tennisplätzen untergebracht war. Lange Zeit blieb es bei diesem Provisorium. Um 1962 hatten<br />

J. Kallas <strong>und</strong> seine Frau Annelene das Gr<strong>und</strong>stück erworben. 1970 erstellten die den Neubau.<br />

152<br />

Abb. 345: Südstraße 62 mit 60 (rechts) <strong>und</strong> 64<br />

(links), ca. 1910, mit Gaslaterne <strong>und</strong><br />

Oberleitungsmast für die Straßenbahn (Foto:<br />

Stadtarchiv Aachen).<br />

Abb. 346: Südstraße 62, 2002


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Etwa 1976 verpachteten Kallas´ das Geschäft an die Fahrschule Helmut Mühlner. Seit einigen<br />

Jahren gibt es hier ein Geschäft für elektronische Geräte (El Hage GmbH).<br />

Nördliches Eckhaus Südstraße 64 / Reumontstraße 36a<br />

Das Haus Nr. 64 ist im Jahr 1900 als Neubau auf die Fa.<br />

Palm&Rombach (siehe Nr. 15 <strong>und</strong> 17) eingetragen <strong>und</strong> 1901<br />

auf jenen Herrn Lentz, "St. Johann", der beim Haus Nr. 15 zur<br />

selben Zeit erscheint. Ihm folgt 1903 Herr Müller. In diesem<br />

Jahr wohnt Herr Deuster als Techniker im Haus <strong>und</strong> unterhält<br />

eine Kolonialwarenhandlung. 1906 gehört das Haus Josef<br />

Lennartz, 1908 der Zweibrücker Bank. Leonhard Moos hat jetzt<br />

als Kleinhändler hier sein Geschäft, das er 1914 in sein Haus<br />

Nr. 59 verlegt. 1913 ist Anton Friedrich im Besitz des Hauses,<br />

er ist ebenfalls mit einer Kolonialwarenhandlung verzeichnet.<br />

1936 sind die Friedrichschen Erben als Eigentümer genannt<br />

<strong>und</strong> F. Friedrich verkauft Kolonialwaren. 1938 ist R. Rother bis<br />

in den zweiten Weltkrieg Besitzer des Hauses. Seit 1942 ist<br />

Therese Jansen für kurze Zeit Inhaberin des Lebensmittelladens.<br />

Nach einer Straßenkarte von 1936 mit eingetragenen Hausnummern<br />

<strong>und</strong> Darstellung der Gr<strong>und</strong>risse der Häuser hatte das<br />

Eckhaus einen langen Anbau, der die Südfront zur Reumontstraße<br />

bildete. Das Vorderhaus war zur Südstraße orientiert.<br />

1951 lautet der Eintrag für den Besitz des durch Bombenschäden<br />

nur noch im Erdgeschoss erhaltenen Rest des Hau-<br />

Abb. 347: Eckhaus Südstraße 64/ Reumontstraße<br />

36a, 2002<br />

ses auf Anton, genannt Fritz, Friedrich <strong>und</strong> Witwe H. Meisner. Der Polsterer F. Hermann, der<br />

schon seit 1924 im Haus wohnt, hat sich in den Räumen des ehemaligen Geschäfts eine Werkstatt<br />

eingerichtet. Wieder als Eckhaus wurde es 1953/54 so errichtet, dass der Hauseingang nun<br />

in der Reumontstraße lag <strong>und</strong> die Hausnummer 36a erhielt. Als Besitzerin ist 1961/62 Frau J.<br />

Hermanns eingetragen, nach ihrem Tod erbte ihr Sohn das Gebäude. Im Ladenlokal mit dem<br />

Eingang an der Ecke gab es die Firma Papierwaren Prickartz, nach etlichen Jahren gefolgt von<br />

einer Reinigungsannahme. Ab 1985 richtete der Grieche Nikolaus Dionisiadis seine Chemische<br />

Reinigung mit Änderungsschneiderei ein.<br />

Nur das Ladenlokal in der Südstraße behielt die Hausnummer 64. Es war u.a. für etwa 10<br />

Jahre eine Filiale von Feinkost Fisch-Lahaye <strong>und</strong> danach Frohn. Später für einige Jahre das Blumengeschäft<br />

Piet Brandt <strong>und</strong> danach Helga Weidauer. Seit 1985 befindet sich hier der Frisiersalon<br />

von Annemarie Siebertz. In den Jahren 2006/07 wurde das Haus umfassend saniert <strong>und</strong><br />

erhielt einen Dachausbau. Ende 2007 wurde der Frisiersalon aufgegeben, danach zunächst Leerstand<br />

bis im August 2008 ein Laden für H<strong>und</strong>ekekse öffnete.<br />

153


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Südliches Eckhaus Südstraße / Reumontstraße 41<br />

Abb. 348: Postkarte des Hotel/Restaurant "Barbarossa". [5]<br />

Abb. 350: Ausschnitt aus der Postkarte mit dem früheren Eckgebäude. Im Hintergr<strong>und</strong> ist die in<br />

Bau befindliche Eisenbahnunterführung zu erkennen. [5]<br />

154<br />

Abb. 349: Reumontstraße 41, 2002<br />

Das Eckhaus mit der damaligen<br />

Bezeichnung Reumontstraße<br />

37 erbaute Ludwig Jolie 1903<br />

als Hotel mit Restaurant. Es<br />

hatten neben Haus Nr. 68 einen<br />

zweiten Zugang, von dem<br />

unabhängig von Hotel <strong>und</strong> Restaurant<br />

der Schankraum <strong>und</strong><br />

das Billardzimmer erreicht werden<br />

konnte. 1905 kaufte es<br />

Josef Koerfer, der in der Jakobstraße156<br />

einen Kolonialwarenhandel<br />

betrieb. Erst 1908<br />

wird er als Besitzer des Hotel-<br />

Restaurants "Barbarossa" genannt. Zwischendurch soll es (1913) Felix Edelhoff geführt haben,<br />

aber 1920 läuft es wieder unter Josef Koerfer, ab 1924 besitzen es die Geschwister Körfer, auch<br />

die Schwabenbräu AG hatte Eigentum daran. Am 2. Juli 1927 gab es einen Brand im Haus, zwei<br />

Tote waren zu beklagen. Von 1932 bis 1934 war Ernst Hesse der Pächter. In seinem Beruf als<br />

Architekt fand er keine Arbeit, hier kam er mit k<strong>und</strong>iger Familienhilfe zum Erfolg.<br />

Alle Häuser bis zur Reumontstraße Nr. 47 waren noch bis 1959 in Trümmern. Familie Th.<br />

Dreuw kaufte die Gr<strong>und</strong>stücke bis einschließlich Nr. 45 <strong>und</strong> vollzog den Wiederaufbau auf den,<br />

wie gesagt wird, teilweise noch vorhandenen Gr<strong>und</strong>mauern des Erdgeschosses. Nun war wieder<br />

im Erdgeschoss des Eckgebäudes mit der neuen Nr. 41 die Gaststätte "Barbarossa" (mit einem<br />

Eingang von der Südstraße), von 1986 bis 2002 das griechisch geführte "Agora", von November<br />

2002 bis Frühjahr 2004 das Restaurant "Culinarius", dann "Athenee", seit Anfang 2008 Leerstand,<br />

im April 2009 Wiedereröffnung unter dem Namen "Palmyra". Nach dem Wiederaufbau befand<br />

sich - laut Adressbuch von 1959/60 - unter den ersten Mietern außer der Gaststätte "Barbarossa"<br />

auch das Geschäft "Albrecht, Lebensmittel" (neben der Gaststätte <strong>und</strong> dem Haus Nr. 68), allerdings<br />

damals noch mit Bedienung - "ALDI" gab es in der heute bekannten Form noch nicht. Ab<br />

1966/67 unterhielt in diesem Geschäftsraum Margit Koller eine Wäscherei, ab 1970 SB-Waschsalon.<br />

Ende der 80er Jahre gab es hier einen Kopierladen. Später stand das Ladenlokal neben<br />

dem Restaurant immer wieder für längere Zeit leer, bis es von dem benachbarten Restaurant mit<br />

genutzt wurde.


Nr. 66<br />

Die Haus-Nummer wurde nicht vergeben.<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Nr. 68<br />

Eine erste Eintragung für dieses Wohnhaus findet sich im<br />

Adressbuch von 1906 mit dem Bewohner C. Dönike, Ingenieur,<br />

Techn. Bureau. 1908 heißt der Besitzer Ludwig Weinand (Baugeschäft<br />

in der Mariabrunnstraße 46), 1912 Carl Lefranc <strong>und</strong><br />

1914 Mathias David, Schneidermeister. Er besaß es bis<br />

1968/69. Etwa 1952 war der Schildermaler Kaspar Stang (später<br />

Neon-Anlagen) eingezogen, seine Frau Wilhelmine, geb.<br />

David, erbte das Haus 1970, nach ihrem Tod erbte es ihr Sohn<br />

Walter.<br />

Im Januar 1948 richtete sich der Schuhmachermeister H.<br />

Radermacher sehr beengt eine Werkstatt ein. Die Nähe des anderen<br />

Schusters Gärtner im Nachbarhaus machte keine Schwierigkeiten,<br />

Konkurrenzneid gab es nicht, es war reichlich K<strong>und</strong>schaft<br />

vorhanden. Im Jahr 1958 baute Herr Radermacher dann<br />

das Haus Nr. 8 auf <strong>und</strong> zog mit der Wohnung <strong>und</strong> der Werkstatt<br />

dorthin um.<br />

Im Krieg soll das Haus stark beschädigt worden sein.<br />

Ende des Krieges war es fensterlos <strong>und</strong> auch innen kaum be- Abb. 351: Südstraße 68, 2002<br />

wohnbar. Dennoch wurde es von Wohnungslosen "besetzt", die<br />

in Eigenarbeit Zimmerwände errichteten <strong>und</strong> das Haus provisorisch<br />

wieder bewohnbar machten. Später wurden die Mietverhältnisse geregelt <strong>und</strong> damit legalisiert.<br />

Die Fassade wurde später (vermutlich in den 70er Jahren) mit einem glatten Fliesenbelag<br />

saniert.<br />

Nr. 70<br />

1907/08 wurde das<br />

Haus für Herrn Weinand erbaut,<br />

1912 übernahm es Carl<br />

Lefranc <strong>und</strong> 1913 der Webermeister<br />

Wilhelm Offermanns.<br />

Von 1926 bis 1940<br />

besaß es seine Witwe M.<br />

Offermanns, danach die Offermanns’schen<br />

Erben <strong>und</strong><br />

von 1951 bis etwa 1965 der<br />

Kaufmann N. Offermanns.<br />

Ab 1966/67 heißen die Eigentümer<br />

Wilhelm Buchty<br />

<strong>und</strong> Frau.<br />

Über die Nutzung eines<br />

Ladenlokals ist in der<br />

ersten Zeit nichts bekannt.<br />

1922 eröffnete H. Schneiders<br />

ein Uhrengeschäft, das 1926<br />

Abb. 352: Südstraße 70, ca. 1910 (Foto:<br />

Stadtarchiv Aachen). Abb. 353: Südstraße 70, 2002<br />

von der Witwe weitergeführt wurde <strong>und</strong> das 1934 der Sohn Johann Schneiders übernahm. Es<br />

wird erzählt, dass man ihm am Fenster bei der Arbeit zusehen konnte. Er soll später Inhaber des<br />

renommierten Uhrengeschäfts (Uhren Schneiders) in der Adalbertstraße gewesen sein. In den<br />

ersten Nachkriegsjahren hatte der Schumacher Gärtner für viele Jahre seine Werkstatt <strong>und</strong> den<br />

155


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

Laden in diesen Räumen. Anfang der 70er Jahre wurde umgebaut (u.a. ein eigener Eingang für<br />

die Geschäftsräume geschaffen). Seither ist das griechische Restaurant "Lefkada" dort untergebracht.<br />

Das Haus steht direkt neben der Bahnlinie, einem besonderen Ziel der Luftangriffe. Die von<br />

der SS 1945 durchgeführte Sprengung der Bahnunterführung hatte die nördliche Hälfte der<br />

Eisenbahnunterführung weggerissen (1951 erfolgte deren Wiederaufbau). Das Haus hatte wahrscheinlich<br />

dennoch nicht so schlimme Schäden davongetragen, da man die ursprüngliche Gestalt<br />

noch gut erkennen kann. Die beiden Balkone der ersten <strong>und</strong> zweiten Etage fehlen allerdings.<br />

156


Anlage I<br />

LITERATURVERZEICHNIS<br />

[1] Hausmann, Axel<br />

Aachen zur Zeit der Römer<br />

Aachen, 1994<br />

[2] Hausmann, Axel<br />

Aachen im Mittelalter - Königlicher Stuhl <strong>und</strong> Kaiserliche Stadt<br />

Aachen, 1997<br />

[3] Lerho, Bruno<br />

Stadttore <strong>und</strong> Türme der zweiten Aachener Stadtmauer<br />

Aachen, 1995<br />

[4] Kaemmerer, Walter<br />

Geschichtliches Aachen<br />

Aachen, 1975<br />

[5] Gandelheid, Heinrich<br />

Ansichtskarten-Album - Ein R<strong>und</strong>gang durch Alt-Aachen<br />

Aachen, 1985<br />

DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

[6] Karnau, Oliver<br />

Stübben in Aachen (1876-1881)<br />

In: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins, Band 103, Jahrgang 2001<br />

[7] Poll, Bernhard<br />

<strong>Geschichte</strong> Aachens in Daten<br />

Aachen 1960<br />

[8] Ökologie-Zentrum Aachen<br />

Bäche erk<strong>und</strong>en in Aachen<br />

Aachen 2000<br />

[9] Pick, <strong>Richard</strong><br />

Aus Aachens Vergangenheit<br />

Ort <strong>und</strong> Jahr unbekannt<br />

[10] 100 Jahre ASEAG - 1880/1980<br />

[11] Linckens, R. <strong>und</strong> S.<br />

Aachen - Wirtschaftsw<strong>und</strong>erjahre der 50er <strong>und</strong> 60er Jahre<br />

Gudensberg 1996<br />

[12] Deutschlands Städtebau - Aachen (DARI)<br />

Berlin 1925<br />

[13] Hermanns, Will<br />

Heimatchronik der Kur- <strong>und</strong> Kronstadt Aachen<br />

Köln, 1953<br />

[14] Fachhochschule Aachen<br />

1904/1979<br />

Aachen, 1979<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

157


DIE SÜDSTRASSE UND DAS REUMONT-VIERTEL<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschichte</strong>n<br />

[15] Pehnt, Wolfgang; Strohl, Hilde<br />

Rudolf Schwarz - Architekt einer anderen Moderne<br />

o.O., 1997<br />

[16] Grimme, Ernst Günther<br />

Carl Schneiders<br />

Recklinghausen, 1979<br />

[17] Festschrift anlässlich des 75-jährigen Bestehens des "Öcher Schängchens"<br />

Aachen, 1996<br />

[18] Aachener Reiterverein 1910<br />

Berittene Leibgarde Sr. Tollität Prinz Karneval - 70 Jahre Aachener Prinzengarde<br />

Aachen, 1980<br />

[19] Bretschneider, Hans<br />

In: 75 Jahre Schule Reumontstraße 1909 - 1984<br />

Aachen, 1984<br />

[20] Daubner, Reinhard<br />

Aachener Villenarchitektur<br />

Aachen, 1985<br />

[21] Baukommission zur Errichtung des Priesterseminars (Hrsg.)<br />

Das neue Priesterseminar zu Aachen - Festschrift<br />

Aachen, 1937<br />

[22] Schweers, Hans; Wall, Henning<br />

Eisenbahnen r<strong>und</strong> um Aachen<br />

Aachen, 1993<br />

[23] Engels, Marc<br />

Zwangsarbeit in der Stadt Aachen<br />

Aachen, 2002<br />

[24] Meyer, Lutz-Henning<br />

150 Jahre Eisenbahnen im Rheinland<br />

Köln, 1989<br />

[25] Meyers großes Taschenlexikon<br />

Mannheim, 1990<br />

[26] Wickertath, Hubert<br />

Würselner Dom-Einblicke<br />

In: Pfarrbrief 02/2003 der Katholischen Pfarrgemeinde St. Sebastian Würselen<br />

[27] AVZ, 30.12.1982: Hans Schwipperts hohe Baukunst - Jahrzehnte lehrte der Architekt in Aachen - 1943<br />

Promotion an der TH<br />

158

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