PFARREIBLATT SURSEE - Katholische Kirchgemeinde und Pfarrei ...
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Eine konziliare Versammlung kritischer Christinnen <strong>und</strong> Christen in Frankfurt am Main<br />
Zeichen der Zeit – Widerstand <strong>und</strong> Hoffnung<br />
H<strong>und</strong>erte von Basischristen aus mehr<br />
als dreissig katholischen <strong>und</strong> ökumenischen<br />
Initiativen trafen sich zu<br />
einem viertägigen Treffen. Anlass war<br />
die Eröffnung des Zweiten Vatikanischen<br />
Konzils vor fünfzig Jahren. Von<br />
den konventionellen Medien weitgehend<br />
ignoriert, lieferten Persönlichkeiten<br />
wie der italienische Alt-Bischof<br />
Luigi Bettazzi, der Surseer Theologe<br />
Hans Küng, Attac-Gründerin Susan<br />
George <strong>und</strong> viele mehr intensive<br />
Debatten, suchten nach Orientierung.<br />
Neuer Mut, Wärme <strong>und</strong> Leidenschaft<br />
für eine herrschaftsfreie Kirche, die<br />
politisch wach auf der Seite der Armen<br />
steht, kamen auf.<br />
Der 88-jährige Bischof Bettazzi zeichnete<br />
die Geschichte nicht rosarot. «Auf<br />
dem Konzil hat unsere Gruppe mehrfach<br />
eine Option der Kirche für die Armen<br />
gefordert – ohne Erfolg. Die Perspektive<br />
des Konzils war dominiert von der Weltsicht<br />
des mittelständischen, westlichen<br />
Christentums. Als wir – 40 Bischöfe – uns<br />
gegen Ende des Konzils in der römischen<br />
Domitilla-Katakombe mit konkreten<br />
Forderungen trafen, sprang der<br />
Funke über, binnen kurzer Frist schlossen<br />
sich fünfh<strong>und</strong>ert Konzilsväter unserem<br />
Katakombenpakt an.»<br />
Hans Küng sagte deutlich: «Nur wenn die<br />
Reformen des Konzils weitergeführt werden,<br />
ist die katholische Kirche noch zu<br />
retten. Jeder in der Kirche, ob im Amt<br />
oder nicht, ob Mann oder Frau, hat das<br />
Recht zu sagen, was er oder sie denkt <strong>und</strong><br />
Vorschläge zur Reform einzubringen.»<br />
Susan George rief zum «Widerstand<br />
gegen die Geldwechsler» auf. «Wir erleben<br />
in Europa, dass die Kosten der kapitalistischen<br />
Krise den ganz normalen<br />
Menschen auferlegt werden. Die Griechen,<br />
Spanier <strong>und</strong> Portugiesen müssen<br />
zahlen, so wird gesagt, weil sie über ihre<br />
Verhältnisse gelebt haben. Die Deutschen<br />
müssen zahlen, so wird gesagt,<br />
weil die Griechen so faul seien. In reli-<br />
4<br />
Alt-Bischof Luigi Bettazzi erzählt in der Paulskirche vom Konzil<br />
Foto: Publik-Forum<br />
giösen Begriffen heisst dies: Die Menschen<br />
haben gesündigt <strong>und</strong> jetzt müssen<br />
sie bestraft werden. So kommt zu der<br />
tiefen ökonomischen Krise noch eine<br />
moralische Krise. Wir erleben ein<br />
System, in dem die Unschuldigen<br />
bestraft <strong>und</strong> die Schuldigen belohnt<br />
werden. Und diesem System folgt die<br />
Politik. Die Regierungen, die EU-Kommission,<br />
der Internationale Währungsfonds<br />
<strong>und</strong> die Europäische Zentralbank<br />
machen Politik von Banken für Banken.<br />
Diese Entwicklung erinnert an die<br />
Geschichte der Bibel, in der Jesus den<br />
Tempel betritt <strong>und</strong> die Geldwechsler mit<br />
der Peitsche aus dem Tempel jagt.<br />
«Schafft das weg, macht das Haus meines<br />
Vaters nicht zu einer Halle von Dieben»,<br />
sagte er ihnen. Doch inzwischen<br />
sind die Geldwechsler längst wieder vom<br />
Hof in den Tempel gezogen. Sie regieren<br />
die Welt. Dagegen braucht es Widerstand.»<br />
Widerstand <strong>und</strong> Hoffnung sind gefragt.<br />
Ist es mehr als nur Zufall, dass sich gerade<br />
in dieser Zeit, in diesen Tagen einiges<br />
bewegt? Dass B<strong>und</strong>esrat Alain Berset<br />
breite Kreise zu einem R<strong>und</strong>en Tisch<br />
zur Bekämpfung der Armut in der<br />
Schweiz einlud; dass die kritische,<br />
christliche <strong>und</strong> unabhängige Zeitschrift<br />
‹Publik-Forum› zusammen mit anderen<br />
engagierten Organisationen – die zum<br />
Teil auch ein jüngeres Publikum ansprechenden<br />
– ein Dossier «Gefährlicher<br />
Reichtum – warum wir eine gerechte<br />
Verteilung brauchen» herausbrachte;<br />
dass der bald 90-jährige Stéphane Hessel<br />
mit seinen Bändchen «Empört<br />
euch!» <strong>und</strong> «Engagiert euch!» ein vorwiegend<br />
junges Millionenpublikum<br />
erreicht; dass «Tausende Interessierte»<br />
an der Berner Nacht der Religionen, der<br />
wohl grössten interrelgiösen Veranstaltung<br />
in der Schweiz, teilnahmen, wie der<br />
B<strong>und</strong> berichtete; dass der Surseer <strong>Pfarrei</strong>rat<br />
sich voll hinter die <strong>Pfarrei</strong>-Initiatve<br />
stellt; dass sich am Surseer Filmfestival<br />
junge Berufsschülerinnen <strong>und</strong> -<br />
schüler nach anfänglichem Widerstand<br />
<strong>und</strong> einigem Protest über den nicht ganz<br />
freiwilligen Besuch des untertitelten<br />
Films «Vol spécial» sehr betroffen zeigten,<br />
engagiert mitdiskutierten <strong>und</strong> sich<br />
ob der europäischen <strong>und</strong> schweizerischen<br />
Asylpolitik empörten. HB