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Auf den Inhalt können wir hier nur soweit eingehen, als er zur richtigen Einschätzung seiner Bedeutung<br />
notwendig ist, im übrigen ist zu verweisen auf die ausführlicheren Beschreibungen in Kästners ”Geschichte<br />
der Mathematik I. S. 590 ff” und in v. Braunmühls ”Vorlesungen zur Geschichte der Trigonometrie.” In<br />
der Einführung bringt Otho eine Darstellung seines Verhältnisses zu Rheticus und dessen Beziehungen zu<br />
Koppernikus, er spricht von den Beweggründen zur ausschliesslichen Beschäftigung des Rheticus mit Trigonometrie,<br />
seinen eigenen späteren Erlebnissen bezüglich der Arbeiten bis zu ihrer Drucklegung und über seine<br />
Ausarbeitung. Der Entstehungsgeschichte folgt als eigentlicher Inhalt eine vollständige ebene und sphaerische<br />
Trigonometrie und ein grossartiges Tabellenwerk. Auch die Anleitungen zu seiner Berechnung sind im<br />
Opus Palatinum enthalten. Neuerdings hat man die Zusammenhänge zwischen Opus Palatinum und dem<br />
Buche Werners über die Kugeldreiecke näher untersucht und eine gewisse Verwandschaft entdeckt. Das Opus<br />
palatinum, soweit es von den sphaerischen Dreiecken handelt, besitzt nämlich ebenfalls die drei Hauptgruppierungen,<br />
die möglichen Dreiecksformen, die Auflösung des rechtwinkeligen und schiefwinkeligen Dreiecks.<br />
Es bespricht wie jenes alle einzelnen Fälle für sich und im Gegensatz zu Werner, der nicht in der Lage ist, alle<br />
möglichen Spezialfälle auszuscheiden, sind für Val. Otho und Rheticus die subtilsten Einteilungsprinzipien<br />
kennzeichnend. Offensichtlich hat man es mit einer bewussten Vervollständigung und Ausarbeitung des Werner’schen<br />
Werkes zu tun, die unter Beibehaltung der Einzelteile dessen Ideen eingehender und methodischer<br />
wiedergibt. Wenn dieser Gedanke der Umarbeitung tatsächlich vorhanden gewesen und wenn er gleich nach<br />
Fertigstellung von Werners Buch über die Kugeldreiecke aufgetaucht ist, so kann man sich auch ohne Mühen<br />
die Unterbrechung und vollständige Aufgabe der Drucklegung erklären (168) .<br />
Nur einer ausserordentlichen Ausdauer und einem beharrlichen Willen verbunden mit einer grossen Schaffenskraft<br />
konnte es gelingen, dieses weitgreifende und an Einzelheiten reiche Werk zu Ende zu bringen. Die<br />
Mannigfaltigkeit des Opus Palatinum brachte es mit sich, dass es Ausgangspunkt vieler anderer gleichartiger<br />
Schriften und ein zuverlässiges Fundament wurde, auf dem man weiter- und das man ausbauen konnte,<br />
dass es in der von Rheticus und Otho ausgearbeiteten wahrscheinlich von Koppernikus erfundenen stereometrischen<br />
Methode Elemente zur Gewinnung sphaerisch-trigonometrischer Sätze enthielt, die noch heute<br />
die Grundlage für die Trigonometrie der Kugel bilden (169) . Das späte Erscheinen des Opus Palatinum<br />
hat seiner Bedeutung nur wenig Abbruch tun können, und es wäre sicherlich durch seine Vorzüge, – wie<br />
von Braunmühl sagt – zu einem Markstein in der Geschichte der Trigonometrie geworden, wenn nicht die<br />
durch die ausserordentliche Breite des Inhalts verursachte Unübersichtlichkeit seine Brauchbarkeit stark beschränken<br />
musste. Seine Nachteile kamen deshalb wieder älteren kurzgefassteren Werken zu gute oder sie<br />
drängten zur Herausgabe entsprechender Neubearbeitungen des Stoffes.<br />
In <strong>Heidelberg</strong> wurde das Studium der Trigonometrie und die gelehrte trigonometrische Tätigkeit im engsten<br />
Anschluss an Valentin Otho durch Bartholomaeus Petiscus fortgeführt. Geboren 24. August 1561<br />
zu Schleun bei Grünberg in Schlesien war er nach seinem eigentlichen Fache Theologe und als solcher kein<br />
unbedeutender Hofkaplan in Breslau und darauf Lehrer und Oberhofprediger des Kurfürsten Friedrich des<br />
vierten in <strong>Heidelberg</strong> (170) . Seine Begabung führte ihn daneben zur Mathematik, deren Studium er bissweilen<br />
mit einer so grossen Leidenschaft betrieb, dass er sogar sich zu rechtfertigen müssen glaubte. In einer<br />
Widmung seines Lehrbuches der Trigonometrie sagt er, man möge es ihm nicht zum Vorwurfe machen, wenn<br />
er sich als Theologe so eingehend mit Mathematik beschäftige, er verwende nur Stunden, die anderer müssig<br />
hinbringen, mit einem ihm angenehmen gelehrten Tun, dessen besonderer Reiz es sei, das grosse Interesse<br />
Friedrich IV. für mathematische Probleme jederzeit befriedigen zu können. Seinen allzugrossen Eifer müsse<br />
er nun zügeln, da er ihm Schäden des Körpers und des Geistes gebracht habe. Er verlege sich nur noch auf<br />
die Veröffentlichung seiner Manuskripte. Doch ist er von dieser Absicht, wie aus dem folgenden hervorgehen<br />
wird, wieder abgekommen. Petiscus starb in <strong>Heidelberg</strong> am 2. Juli 1613.<br />
Die vornehmsten und erfolgreichsten Arbeiten des Petiscus auf dem Gebiete der Mathematik waren sein<br />
Lehrbuch der Trigonometrie und der ”Thesaurus mathematicus” (171) . Im Jahre 1595 war in <strong>Heidelberg</strong><br />
durch den Professor der Theologie Abraham Scultetus (1566 - 1625), einem Landsmann des Petiscus,<br />
die Schrift ”sphaeriorum libri tres” herausgegeben worden. Petiscus benützte diese Gelegenheit, um unter<br />
dem Titel ”de resolutione triangulorum tractatus brevis et perspicius” (57 Seiten) einen Anhang beifügen zu<br />
lassen, der den Grundstock zu einem umfassenden Lehrbuch der Trigonometrie bilden sollte. Denn, alsbald<br />
darauf das Opus Palatinum erschien, und ihm manches wertvolle, aber auch mancher ihm anhaftender Fehler<br />
zum Bewusstsein kam, schritt er zur Erweiterung seiner Schrift, die zum ersten Mal 1599 in Frankfurt als<br />
”trigonometriae triangulorum quinque libri” nebst mehreren Büchern Anwendungen zum Druck gelangte.<br />
Spätere Auflagen, die von Augsburg 1600, die verbesserten und erweiterten von Frankfurt 1608 und 1612<br />
zeugen von der Beliebtheit, die dieses Lehrbuch sich errang, von seiner Notwendigkeit und Bedeutung. An<br />
bemerkenswerten Einzelheiten sind hervorzuheben schon der Ausdruck Trigonometrie, der bei Petiscus zum<br />
ersten Male auftritt und auch wahrscheinlich von ihm selbst geprägt worden war. Sodann im ersten Buche,<br />
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