POPSCENE November 11/20
Das total umsonste Popkulturmagazin
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Corona und das Theater. Keine gute und vor allem keine sichere Kombination. Seit dem ersten<br />
Lockdown im März hat es auch dem Kultursektor hart getroffen. Im September, 7 Monate später,<br />
hat die neue Spielzeit, die erste mit Corona, angefangen. Ich habe mich deshalb mit Melanie<br />
Pollmann, Schauspieldramaturgin am Pfalztheater Kaiserslautern getroffen, um mit ihr über die<br />
jetzige Situation des Theaters, den Weg zurück und das Stück „Odyssee“, welches im Oktober am<br />
Pfalztheater Premiere feierte, zu unterhalten.<br />
Liebe Melanie Pollmann, die neue Spielzeit ist<br />
da und wie wahrscheinlich überall auch, glich<br />
die Organisation ganz sicherlich einer einzigartigen<br />
Odyssee. Wie geht es Ihnen damit und<br />
wie war der Planungsprozess mit Lock Down,<br />
Physical Distancing und einer Umgestaltung<br />
von Theater?<br />
Zum Schutz der Mitarbeiter*innen hat unser Träger,<br />
der Bezirksverband Pfalz, das Pfalztheater<br />
und alle anderen Institutionen in seiner Trägerschaft,<br />
bei denen das möglich war, komplett heruntergefahren.<br />
Das heißt, dass wir alle zuhause<br />
saßen und das Gebäude nur sehr vereinzelt und<br />
nur von sehr wenigen betreten werden konnte –<br />
dunkle Korridore, an deren Ende vielleicht Licht<br />
unter der Tür durchfällt. Da ist man an manchen<br />
Tagen schon froh, wenn man stattdessen in seiner<br />
hellen, gemütlichen Wohnung bleiben kann<br />
(lacht). Aber das war schon eine sehr eigenartige<br />
Situation, denn das, was man als Homeoffice<br />
bezeichnet, umfasst nun einmal nicht den Kern<br />
meiner Arbeit. Kern und Ziel meiner Arbeit ist<br />
immer die Bühne, die Vorstellung. Und die gab<br />
es auf unbestimmte Zeit nicht mehr. Umso größer<br />
war die Herausforderung, eine Spielzeit, die<br />
eigentlich schon fertig geplant war, komplett<br />
umzustrukturieren – und das ohne die Sicherheit,<br />
wie die Lage in 2 – 3 Monaten sein würde.<br />
Geschweige denn in 6 Monaten. Kennen Sie das<br />
Brettspiel „Das verrückte Labyrinth“? Genau so<br />
habe ich mich ziemlich häufig gefühlt. Kaum<br />
verschiebt man einen Parameter, verändert sich<br />
alles und man muss einen neuen Weg finden. Im<br />
Laufe der Wochen ist da bei vielen Kolleg*innen<br />
eine Menge Frust aufgelaufen. Auch Angst, natürlich.<br />
Und gleichzeitig ist mit manchen Kolleg*innen,<br />
mit denen ich in direktem Kontakt<br />
während des Shutdowns stand, eine andere<br />
Verbundenheit entstanden, innerhalb meiner<br />
eigenen Abteilung und darüber hinaus. Ganz am<br />
Anfang, als klar war, dass wir unseren Spielplan<br />
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nicht so realisieren können wie gedacht und wir<br />
alles umwälzen mussten, hat der Intendant des<br />
Pfalztheaters, Urs Häberli, uns (Dramaturgie<br />
und künstlerische Spartenleitungen) gebeten,<br />
alles daran zu setzen, in unserem neuen Spielplan<br />
möglichst viele der externen Kolleg*innen<br />
zu bedenken. Und wer in dieser Spielzeit nicht<br />
unterkomme, der käme aber dann in der folgenden.<br />
Das war seine klare Aufgabenstellung an<br />
uns. Und das finde ich nach wie vor unglaublich<br />
respektabel. Wie schnell die Situation für unsere<br />
freien Kolleg*innen (Schauspieler*innen, Tänzer*innen,<br />
Bühnenbildner*innen, Sänger*innen<br />
etc.) existenzbedrohend wird, sehen wir nun<br />
überall. Der gesamte kulturelle Sektor steht vor<br />
einer enormen Herausforderung. Und ich möchte<br />
nicht sagen, dass man sich andernorts schnell<br />
und einfach aus Verträgen gelöst hat oder sich<br />
vor Ausfallzahlungen gedrückt hat, aber ein so<br />
klares, solidarisches Bekenntnis zu den externen<br />
Kolleg*innen habe ich an keiner anderen<br />
Stelle gehört. Und nun sind wir zurück im Pfalztheater<br />
und ich glaube, da auch für viele meiner<br />
Kolleg*innen sprechen zu können, wahnsinnig<br />
froh, wie ein Stückchen „Normalität“ zurück zu<br />
haben. Auch wenn der Alltag immer noch neue<br />
Herausforderungen parat hat und nicht jeder<br />
Tag so leicht fällt wie ein anderer.<br />
TITEL