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WIRTSCHAFT+MARKT
TITEL
„GEMEINSAM MIT NEUEN
STRATEGIEN IN DIE
ZUKUNFT. KOPF HOCH,
NICHT DIE HÄNDE!“
Von Bodo Ramelow (Die LINKE),
Ministerpräsident des Freistaates Thüringen
TThüringen wird gestärkt aus der Krise hervorgehen,
weil die Menschen hier aus dem (lehr-)
reichen Schatz der Transformationserfahrungen
der Nachwendezeit schöpfen können, um
auch die gegenwärtige Situation gemeinsam
zu meistern.
Thüringen ist seit Jahren ein Eldorado für
kleine, eigentümergeführte, mittelständische
Unternehmen, die sich durch eine immense
Innovationskraft und -freudigkeit auszeichnen.
Diese Fähigkeit, mutig auf grundstürzende
wirtschaftliche und gesellschaftliche
Wandlungen reagieren zu können, hat in
der Krise viele Firmen gerettet. Um nur ein
Beispiel unter vielen herauszugreifen: Das
Breckle Matratzenwerk Weida GmbH hat
sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten
einen Ruf als hochwertiger Matratzenproduzent
erarbeitet. Als COVID-19
im Februar zunächst nur in Ansätzen als
Menschheitsproblem am Horizont erschien,
hat das Unternehmen in rasantem Tempo
einen Teil seiner Produktion auf die Herstellung
von Mund-Nasen-Schutzbedeckungen
umgestellt – zunächst im rein händischen,
seit Kurzem auch im maschinellen Verfahren.
Über 600.000 FFP2- und fünf Millionen
OP-Masken sollen Monat für Monat das Werk
in Weida verlassen.
Dass solch ein Kraftakt gelingen kann, setzt
ein großes Vertrauen zwischen Belegschaft
und Geschäftsführung voraus. Dieses Band,
das seit jeher in kleinen Unternehmen besonders
eng ist, hat sich auch unter COVID- 19-
Bedingungen als belastbar erwiesen. Dabei
ereignet sich das aktuelle Geschehen in einer
besonders sensiblen Zeit für viele Thüringer
Unternehmen. Die Generation derjenigen, die
nach 1989 quasi über Nacht lernen mussten,
als Selbstständige zu agieren, verabschiedet
sich in den wohlverdienten Ruhestand. Sie
übergibt den Staffelstab an Nachfolgerinnen
und Nachfolger, die oft bereits als „Gesamtdeutsche“
aufgewachsen sind und für die
Digitalisierung oder „Wirtschaft 4.0“ wie selbstverständlich
zum Alltag gehören. In dieser
Situation des Überganges, in der sich die
Lebenserfahrungen der „Alten“ mit den Ideen
der „Jungen“ überlagern, hat sich COVID-19
in manch einem Fall als Durchlauferhitzer für
industrielle Innovation erwiesen.
Besonders hart hat die Pandemie Tourismus,
Gastronomie und die Veranstaltungswirtschaft
getroffen. Und doch: Auch hier haben
verschiedene Akteure alle Kräfte gebündelt
und sich gemeinsam neue Wege durch die
Krise gebahnt. Stellvertretend seien hier die
Veranstalter des Sonne-Mond-und- Sterne-
Festivals (SMS) an der Bleichlochtalsperre
genannt. Ihr SMS kann in 2020 aufgrund der
Hygieneschutzmaßregeln nicht stattfinden –
ökonomisch ein echter Super-Gau. Und was taten
sie? Das Festivalgelände in einen riesigen
Caravan-Platz mit Food-Trucks und Strand
umbauen. Ja, es ist nicht dasselbe – aber es
ist ein bewundernswerter und durchaus auch
lukrativer Versuch, wieder Boden unter die
Füße zu bekommen.
Breckle und das SMS stehen stellvertretend
für all diejenigen Gewerbetreibenden, die in
den vergangenen Monaten Hürden überwunden
haben, die in ihrer Höhe durchaus mit
denen der Nachwendezeit vergleichbar sind.
Sie alle sorgen dafür, dass Thüringen gestärkt
aus dem Tal namens COVID-19 hervorgehen
wird. Dabei können sie auf die Unterstützung
der Landesregierung bauen. Mein Motto: gemeinsam
mit neuen Strategien in die Zukunft.
Kopf hoch, nicht die Hände!
Bodo Ramelow
Foto: XXX W+M