WIRTSCHAFT+MARKT Frühjahr/Sommer 2022
Wirtschaft im Osten! Ergänzend zum W+M-Onlinemagazin mit dem W+M-Newsportal unter wirtschaft-markt.de erscheinen zweimal jährlich Printausgaben des Magazins. Die nächste Ausgabe erscheint am 30.10.2022.
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WIRTSCHAFT+MARKT FRÜHJAHR / SOMMER 2022
DAS WIRTSCHAFTSMAGAZIN DES OSTENS
BUNDESTAG
Die 145 ostdeutschen
Abgeordneten
FRÜHJAHR
SOMMER
2 0
22
32. Jahrgang | Deutschland 9,50 €
ZUKUNFT
Die Folgen der
Energiewende
ENERGIE
Batterien als
Schlüsseltechnologie
STANDORT
Wandel in der
Lausitz
WIRTSCHAFT+
MARKT
Aktuelle
ostdeutsche
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EDITORIAL WIRTSCHAFT+MARKT 3
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Frank Nehring,
Chefredakteur
Erst kam die neue Regierung mit dem Grünen Robert Habeck,
der nicht wie sein Vorgänger Wirtschafts- und Energieminister
wurde, sondern Wirtschafts- und Klimaminister. Das klang nach
einer zukunftsorientierten Kombination und einer folgerichtigen
Aufwertung der Ressorts. Bei allen Bedenken gegen die oppositionserfahrenen
Grünen, die nun in Regierungsverantwortung
sind, überwog die Hoffnung auf den Turbo für eine erfolgreiche
Energiewende, die Deutschland seit Jahren bewegt und die am
Ende aufgrund ewiger Klagereien und Jahrzehnte dauernden
Planungsverfahren zu einer lahmen Ente verkam.
Die erste Regierungserklärung des neuen Wirtschafts- und
Klimaministers im Januar war dann auch ein Neustart. Ungeachtet
schlechter Ausgangsbedingungen setzte er ambitionierte Ziele:
Bis 2045 Klimaneutralität erreichen, Kohleausstieg vielleicht
schon auf 2030 vorziehen. Wenig Zeit, aber Anstrengungen
verdreifachen. Planungs- und Genehmigungsverfahren werden
optimiert, der Klimaschutz und der Ausbau der erneuerbaren
Energien haben Priorität, weil „im überragenden öffentlichen
Interesse“.
Dann überfiel am 24. Februar 2022 Russland die Ukraine und die Abhängigkeit
Deutschlands von Rohstoffimporten aus Russland ließen den Plan,
Gas aus Russland als Übergangstechnologie zu nutzen, Makulatur werden.
Unter dem Druck der Weltöffentlichkeit steigt der Druck auf Deutschland,
sich aus russischer Abhängigkeit zu befreien. Manchem kann es nicht
schnell genug gehen, die Verantwortlichen aus Politik und Wirtschaft
zögern, weil eine Wirtschaftskrise in Deutschland befürchtet wird, die
die Ausmaße der Corona-Krise übertreffen könnte.
Jetzt braucht es die Kraft, Aktionismus mit klarem Blick zu begegnen. Das
erwartet die Wirtschaft. Aus der Mammutaufgabe, die Wirtschafts- und
Klimaminister Habeck im Januar ankündigte, ist eine noch größere Herausforderung
geworden. Der Dreiklang der Energiewende aus Nachhaltigkeit,
Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit ist aktuell nicht im Einklang.
Hinzu kommt die Energiesouveränität.
Wir haben deshalb mit Verantwortlichen aus Politik und Wirtschaft zu
diesem Thema gesprochen und Energie zum Schwerpunkt dieses Heftes
gemacht.
Foto: Christine Fiedler
D.h. Klimaschutz hat Vorfahrt, auch vor Artenschutz & Co. Für die
Zeit des Umstiegs wird Gas als Brückentechnologie verwandt, um
die Versorgungssicherheit zu jeder Zeit zu gewährleisten. So der
Plan, für dessen Umsetzung ein Oster- und ein Sommerpaket an
Gesetzesnovellen den Rahmen schaffen sollen.
Bewahren Sie sich einen klaren Blick.
Herzlichst
Frank Nehring
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
4
WIRTSCHAFT+MARKT
INHALTSVERZEICHNIS
08
W+M ENERGIE
08 50Hertz-Geschäftsführer Stefan Kapferer:
„Ostdeutschland hat gute Voraussetzungen
für Industrieansiedlungen.”
12 E.DIS-Vorstandsvorsitzender Dr. Alexander
Montebauer: „Der Ausbau der Erneuerbaren
ist das Gebot der Stunde.”
14 Wer trägt die Kosten der Energiewende?
16 Das Comeback des Solar Valley
18 BWE-Präsident Hermann Albers:
„Erneuerbare Energien bringen
Impulse für die Wirtschaft.”
22
W+M MOBILITÄT
22 Brandenburg –Deutschlands neues
Zentrum der modernen Mobilität
24 Die Batterieherstellung wird zur
Schlüssel technologie in Deutschland
W+M COMEBACK 16
DES SOLAR VALLEY
28
W+M
TRANSFORMATION
W+M INTERVIEW 42
W+M-Chefredakteur Frank Nehring im Gespräch
mit Wirtschaftsminister Sven Schulze
28 OWF22-Veranstalterin Ute
Weiland: „Wir haben ein richtig
gutes Programm auf die Beine
gestellt.”
30 Think Big – Wie Ostdeutschland
gemeinsam wachsen kann
32 Ostdeutschlands Chemieindustrie
im Aufbruch
36 Die Kohle geht – der Wandel
kommt
40
W+M POLITIK – INTERVIEWS
40 Brandenburgs Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke
42 Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze
44 Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee
46 Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Reinhard Meyer
Fotos: Meyer Burger AG, W+M
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
INHALTSVERZEICHNIS
WIRTSCHAFT+MARKT5
48
W+M POLITIK – OSTDEUTSCHE
BUNDESTAGSABGEORDNETE
48 Wie Unternehmer mit der Politik kommunizieren sollten
50 Übersicht der ostdeutschen Bundestagsabgeordneten
58 Im Einsatz für die Region – ostdeutsche Abgeordnete
über ihre Ziele und Projekte für die kommende
Legislaturperiode
62
W+M INTER NATIO -
NALE MÄRKTE
62 Frankreich – Der verlässliche
Markt nebenan
66 Vereinigstes Königreich –
Chancen hinter der Zollgrenze
entdecken
67 Usbekistan – Reformprogramm
zeigt Wirkung
70
W+M RATGEBER
70 Die W+M-Leseliste
72 W+M-Experten im
Onlinemagazin
wirtschaft-markt.de
W+M BATTERIEN 24
UNVERZICHTBAR FÜR
E-MOBILITÄT
74
W+M GESELLSCHAFT
74 Berliner Golf & Country Club
Motzener See
76 Von der Bewahrung der Zeit
78 Die Herrenmodetrends im
Herbst/Winter 2022/23
80 Beachpolo im Strandbad Grünau
03
W+M WEITERE
BEITRÄGE
03 Editorial
05 Impressum
07 Das W+M-Onlinemagazin
Beiträge, die mit diesem Logo
gekennzeichnet sind, finden Sie
ausführlich im W+M-Onlinemagazin.
QR-Codes verweisen ebenso auf
Web-Content.
W+M PREMIERE 80
BEACHPOLO IN GRÜNAU
Fotos: Volkswagen AG, Polo Riviera Gunnar Rosenow
IMPRESSUM
WIRTSCHAFT+MARKT
Das Ostdeutsche Unternehmermagazin
Ausgabe: Frühjahr / Sommer 2022
Redaktionsschluss: 05.05.2022
Verlag: W+M Wirtschaft und Markt GmbH
c/o Prima Vier Nehring Verlag GmbH,
Gustav-Freytag-Str. 7, 10827 Berlin
Tel.: 030 505638-00
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Frank Nehring, frank.nehring@wirtschaft-markt.de
Chefredaktion:
Frank Nehring / Matthias Salm (stv.)
Autoren:
Peter Buerstedde, Thomas Einsfelder, Dr. Oliver Holtemöller,
Dr. Steffen Kammradt, Dr. Jens Katzek, Thomas Lämmer-Gamp,
Beate Lecloux, Marc Lehnfeld, Frank Nehring, Matthias Salm,
Dr. Pascal Strobel, Uwe Strohbach
Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in
diesem Magazin auf eine durchgehende geschlechtsneutrale
Differenzierung (z. B. Teilnehmer / Teilnehmerinnen) verzichtet.
Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung
grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform
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W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
6 WIRTSCHAFT+MARKT
INHALTSVERZEICHNIS
MARKT
Wirtschaft aus dem Osten.
Das W+M-Onlinemagazin.
Das Internetmagazin der
ostdeutschen Wirtschaft
mit News, exklusiven
Beiträgen und Interviews.
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W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
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Länderreports
Köpfe
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Interviews
Reports
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Vertreter aus Politik und Wissenschaft
(Auswahl)
Die Wirtschaftsminister Reinhard Meyer
(Mecklenburg-Vorpommern),
Sven Schulze (Sachsen-Anhalt)
und Wolfgang Tiefensee (Thüringen)
über Wirtschaftspolitik im Zeichen globaler
Krisen, Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar
Woidke über den Strukturwandel in Brandenburg.
Das ostdeutsche
Wirtschaftsmagazin, das Sie
auf dem Laufenden hält.
Vertreter aus Wirtschaft (Auswahl)
50Hertz-Geschäftsführer Stefan Kapferer über
Energiewende und Versorgungssicherheit,
der Vorstandsvorsitzende der E.DIS AG,
Dr. Alexander Montebauer, über die Dringlichkeit des
Netzausbaus,
die Veranstalterin des Ostdeutschen
Wirtschaftsforums, Ute Weiland,
über die Highlights des OWF22.
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8
WIRTSCHAFT+MARKT
ENERGIE
„OSTDEUTSCHLAND
HAT GUTE VORAUS
SETZUNGEN FÜR
INDUSTRIE
AN SIEDLUNGEN.”
Stefan Kapferer,
Vorsitzender der
Geschäftsführung
von 50Hertz
Stefan Kapferer, Vorsitzender der Geschäftsführung von 50Hertz, spricht im W+M-Interview über die
Folgen des Ukraine-Konflikts, den Fachkräftemangel in der Energiewirtschaft und den wachsenden
Strombedarf in Ostdeutschland.
W+M : Herr Kapferer, das Ende der Atomenergie,
der vorgezogene Ausstieg aus der
Braunkohle bis 2030 und das Erreichen der
Klimaneutralität bis 2045 – geraten diese
Ziele der Energiewende angesichts des Krieges
in der Ukraine und der hohen Abhängigkeit
von Gas- und Ölimporten aus Russland ins
Wanken ?
Stefan Kapferer : Die Auswirkungen des
Ukraine-Konflikts stellen sicher die größte
Herausforderung für die Sicherheit der Energie
versorgung in der bundesdeutschen
Geschichte dar. Auch deshalb, weil sie nahezu
alle Bereiche unserer Wirtschaft treffen :
den Transportsektor, den Wärmemarkt, die
Industrie, wo die Besorgnis augenblicklich
wohl am größten ist.
W+M : Wie groß ist die Gefahr für den
Strommarkt ?
Stefan Kapferer : Auf dem Strommarkt ist
die Abhängigkeit von Importen aus Russland
nicht ganz so bedeutsam. Deshalb denke ich,
dass wir die Situation gut meistern können.
Aber nun ist dringend mehr Geschwindigkeit
geboten : bei der Umstellung auf alternative
Bezugsquellen von Öl und Gas aus anderen
Ländern, beim Ausbau sowohl der erneuerbaren
Energien als auch der Stromnetze und
bei der Gewinnung von grünem Wasserstoff.
Insofern kann die aktuelle Lage auch eine
Chance für Deutschland sein, die Energiewende
noch einmal zu beschleunigen.
W+M : Bildet der Begriff der Energiewende
die augenblickliche Entwicklung eigentlich
noch richtig ab ?
Stefan Kapferer : Mit dem Begriff Energiewende
bezeichnete man ja zunächst vor allem
den Umstieg von fossilen Energieträgern auf
Erneuerbare. Jetzt kommt zu diesem Begriff
der Aspekt der Energieunabhängigkeit hinzu.
Ich spreche bewusst von Energieunabhängigkeit
und nicht von Energieautarkie, weil
ich nicht glaube, dass wir in Deutschland in
der Energieversorgung völlig autark werden
können. Wir werden beispielsweise auch weiterhin
Strom aus Skandinavien beziehen und
wir werden künftig auch grünen Wasserstoff
importieren müssen. Insgesamt wird aber
neben den bisherigen Zielen der Energiewende
auch das Ziel der Energiesouveränität an
Bedeutung gewinnen.
W+M : Bundeswirtschaftsminister Robert
Habeck hatte dem Ausbau der erneuerbaren
Energien ja schon vor dem Ukraine-Konflikt
höchste Priorität eingeräumt. Was muss nun
passieren, damit die Bundesregierung ihre
ambitionierten Ziele erreicht ?
Stefan Kapferer : Man muss der neuen
Bundesregierung zugestehen, dass sie
nicht mehr nur über ihre Ambitionen in der
Energie politik spricht, sondern auch über
konkrete Maßnahmen. Die Frage wird nun
sein, wie zügig sie diese wird umsetzen
können. Für ein Unternehmen wie 50Hertz
verbinden sich damit ganz praktische
Foto: Jan Pauls
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
INTERVIEW
WIRTSCHAFT+MARKT9
Fragen, beispielsweise : Können wir unsere
Anträge bei der Bundesnetzagentur künftig
vollständig digital einreichen ? Wird es neue
Regelungen zum Artenschutz nicht nur für
die Windkraftbranche, sondern auch für die
Netzbetreiber geben ?
W+M : Wie optimistisch sind Sie, dass solche
Fragen nun angegangen werden ?
Zuwachs speist sich u.a. aus dem steigenden
Strombedarf im Mobilitätssektor, dem
stärkeren Stromeinsatz in der Industrie und
der wachsenden Zahl von Wärmepumpen. Wir
gehen davon aus, dass wir im Jahr 2030 einen
Strombedarf von 140 Terrawattstunden in
unserem Netzgebiet abdecken müssen, das
wären rund 35 Terrawattstunden mehr als
gegenwärtig.
Stefan Kapferer : Bei Bundeswirtschaftsminister
Habeck, aber auch beim neuen
Geschäftsführer der Bundesnetzagentur,
Klaus Müller, sehe ich diesbezüglich gute
Signale. Aber es müssen sich auch im täglichen
Verwaltungshandeln die Denkweisen hin
zu mehr Geschwindigkeit ändern. Das gilt
übrigens auch für 50Hertz. Auch wir werden
unsere Prozesse beschleunigen müssen.
W+M : Sie rechnen mit einem Anstieg des
Strombedarfs im Netzgebiet von 50Hertz
um 30 bis 40 Prozent bis zum Jahr 2030. Wie
realistisch sind diese Prognosen ?
Stefan Kapferer : Ich halte diese Prognosen
für sehr realistisch. Wir hatten im Netzgebiet
von 50Hertz im letzten Jahr einen Anstieg des
Stromverbrauchs um drei Prozent. Das ist
noch eine verhältnismäßig geringe Zuwachsrate,
aber die Tendenz ist eindeutig erkennbar. Der
W+M : In welchen Regionen steigt der
Strombedarf und können Sie diesen im
Netz auffangen ?
Stefan Kapferer : Der größte Zuwachs wird
sich in der Region Berlin-Brandenburg ergeben.
Da spielt die Gigafactory von Tesla eine
große Rolle, weil sich im Südosten von Berlin
rund um Tesla weitere industrielle Wertschöpfung
ansiedeln wird. In Berlin wird der Strombedarf
durch die Elektromobilität steigen. Auch
im Großraum Leipzig, in der Chipindustrie im
Raum Dresden und in Magdeburg rund um
die neue Intel-Produktionsstätte gehen wir
von einem Wachstum der Strommengen aus.
Und nicht zuletzt wird die chemische Industrie
im mitteldeutschen Chemiedreieck viele indus
trielle Prozesse auf Strom umstellen. Wir
werden diese Strommengen in unserem Netz
integrieren können, aber dazu müssen die
Netze schneller ausgebaut werden.
W+M : Welche Rolle wird der Ausbau der
Offshore-Windenergie bei der Deckung des
wachsenden Strombedarfs spielen ?
Stefan Kapferer : Die Offshore-Windenergie
wird unserer Ansicht nach die Schlüsseltechnologie
bei der Umstellung auf erneuerbare
Energien sein. Der Wind auf hoher See weht
stark und zuverlässig. Deshalb besitzt Offshore-Windkraft
von allen erneuerbaren
Energien das größte Erzeugungspotenzial.
Zwar versucht Bundeswirtschaftsminister
Habeck gerade auch den Anlagenbau an Land
voranzutreiben, doch dort gibt es, wie wir alle
wissen, große Hindernisse. Bei den Solaranlagen
erleben wir geraden einen starken
Zubau, doch bei der Solarenergie fallen die
Volllaststunden im Gegensatz zur Offshore-
Windenergie eher gering aus. Bei der Offshore-Windenergie
lassen sich die Projekte
viel schneller umsetzen, sowohl technisch als
auch was die Genehmigungsprozesse betrifft.
Ein starker Ausbau der Offshore-Windenergie
in der Ostsee erhöht die Energiesouveränität
in Deutschland.
W+M : Welches sind aktuell weitere Herausforderungen,
denen sich der Netzbetreiber
50Hertz stellen muss ?
Foto: 50Hertz
Die Offshore-Windenergie muss noch stärker genutzt werden.
Stefan Kapferer : Das Thema Personalmangel
darf bei der Umsetzung der Energiewende
nicht unterschätzt werden. Dieser zeigt sich
schon jetzt in vielen Bereichen : Es fehlen
Handwerker zur Installation von Solaranlagen,
Elektrotechniker für den Netzausbau, es mangelt
an Digitalexperten für die Smartifizierung
der Netze und auch an Mitarbeitern in den
Tiefbaufirmen, um nur einige Beispiele zu
nennen. Die 50Hertz Transmission GmbH
alleine hat im letzten Jahr 200 neue Stellen
geschaffen und wir werden dieselbe Anzahl an
neuen Personen auch in diesem Jahr einstellen.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
10
WIRTSCHAFT+MARKT
ENERGIE
W+M : Tesla hat mit seiner Gigafactory in
Grünheide den Anfang gemacht, letzte Woche
hat Intel seine Standortentscheidung für Magdeburg
bekanntgegeben. Kann Ostdeutschland
zur neuen Industrieregion aufsteigen und was
bedeutet das für die Stromnetze ?
Stefan Kapferer : Die Verfügbarkeit von
grünem Strom und grünem Wasserstoff wird
künftig wesentlich die Standortfrage bei
Industrieunternehmen bestimmen. Ostdeutschland
hat deshalb gute Voraussetzungen
für neue Großansiedlungen. Das belegt
auch die überdurchschnittlich hohe Zahl an
Standort entscheidungen für Ostdeutschland
in den letzten Jahren. Wir werden als
Unternehmen durch einen vorausschauenden
Netz ausbau unseren Teil dazu beitragen,
dass auch die entsprechende Infrastruktur
für solche Ansiedlungen vorhanden sein wird.
Stefan Kapferer im Interview
W+M : Wo sehen Sie weitere Hindernisse für
das Gelingen der Energiewende ?
Stefan Kapferer : Eine weitere Herausforderung
sehe ich in der Fertigung der Produkte,
die wir für die Energiewende benötigen. Bei
den Solarzellen etwa soll uns eine heimische
Produktion nun wieder mehr Unabhängigkeit
von den internationalen Märkten ermöglichen.
Der Schweizer Konzern Meyer Burger hat mit
zwei neuen Werken zur Herstellung von Solarzellen
und Solarmodulen in Ostdeutschland
den Anfang gemacht. Auf der anderen Seite
aber will beispielsweise der Windkraftanlagenbauer
Nordex seine Produktion in
Ostdeutschland einstellen.
W+M : Viele Branchen leiden gegenwärtig
auch darunter, dass es zu massiven Störungen
in den globalen Lieferketten kommt. Wie
betroffen sind Sie als Stromnetzbetreiber von
diesen Störungen ?
Stefan Kapferer : Die Ausfälle in den weltweiten
Lieferketten machen sich bei uns nicht
so stark bemerkbar wie etwa in der Automobilindustrie.
Wir stehen immer in einem engen
Austausch beispielsweise mit den Kabelherstellern,
die aber allesamt in Mitteleuropa
produzieren. Deshalb ist für uns, verglichen
mit anderen Branchen, die Situation gut
beherrschbar.
W+M : Für den US-Autobauer Tesla war
die Geschwindigkeit des Genehmigungsprozesses
in Brandenburg von herausragender
Bedeutung. Lässt sich das auch auf andere
Vorhaben übertragen ?
Stefan Kapferer : Bei Tesla waren die
Risikobereitschaft des Unternehmens
und die besondere Aufmerksamkeit, die die
Landesregierung dem Projekt gewidmet hat,
entscheidend für das Gelingen. Ähnliches
erleben wir nun bei der Chipfabrik von Intel in
Magdeburg. Auch dort ist es wichtig, dass wir
nun gemeinsam schnellstmöglich die Energieversorgung
sicherstellen. Intels Entscheidung
zeigt, welche Attraktivität Standorte gewinnen,
wenn Klima- und Industriepolitik zusammen
gedacht werden und Unternehmen gemeinsam
mutig vorangehen.
i
Interview:
Frank Nehring / Matthias Salm
50Hertz – Stromversorgung für 18 Millionen Menschen
50Hertz betreibt das Stromübertragungsnetz im Norden und Osten Deutschlands und baut es
für die Energiewende aus. Das 50Hertz-Netzgebiet umfasst die Bundesländer Brandenburg,
Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen- Anhalt und Thüringen sowie die Stadtstaaten
Berlin und Hamburg. In diesen Regionen sichert 50Hertz mit rund 1.400 Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern die Stromversorgung von 18 Millionen Menschen. Dabei ist 50Hertz führend bei
der sicheren Integration erneuerbarer Energien ins Stromnetz. Bis zum Jahr 2032 sollen es
übers Jahr gerechnet 100 Prozent erneuerbare Energien sein.
Lesen Sie das
ausführliche Interview
auf W+M online
Foto: 50Hertz
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
THEMA
WIRTSCHAFT+MARKT11
Bringt mehr
Spannung
in Ihr Leben
e-dis.de/energieloesungen
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
12
WIRTSCHAFT+MARKT
ENERGIE
„DER AUSBAU DER
ERNEUERBAREN
IST DAS GEBOT
DER STUNDE.”
Dr. Alexander Montebaur, Vorstandsvorsitzender der E.DIS AG, spricht im Interview mit
Wirtschaft + Markt über die Folgen des Ukraine-Krieges für die Versorgungssicherheit, die
Dringlichkeit des Stromnetzausbaus und die Klimaschutzpläne der neuen Bundesregierung.
W+M : Nun steigen die Energiepreise
gegenwärtig durch die weltpolitische Lage
noch dramatischer an. Was kommt da auf die
Kunden zu ?
Dr. Alexander Montebaur : Der Strompreis
hat sich schon in der zweiten Hälfte des letzten
Jahres kontinuierlich nach oben entwickelt
und zeigte bereits erste Extremausschläge.
Jetzt sind wir durch die Ukraine-Krise in einer
Situation, in der wir uns wohl auf ein lang
andauernd hohes Preisniveau bei Strom, Gas
und Kraftstoffen einstellen müssen.
Dr. Alexander Montebaur, Vorstandsvorsitzender der E.DIS AG,
im Gespräch mit W+M-Chefredakteur Frank Nehring.
W+M : Herr Dr. Montebaur, der Ukraine-Krieg
rückt aktuell die Frage nach der Versorgungssicherheit
im Energiemarkt auch für die E.DIS AG
in den Fokus. Wie schätzen Sie als Verteilnetzbetreiber
in Brandenburg und Mecklenburg-
Vor pommern die gegenwärtige Lage ein ?
Dr. Alexander Montebaur : Was derzeit in
der Ukraine geschieht, ist schrecklich. Und es
hat auch direkte Wirkungen auf die Energieversorgung
in Deutschland, wie man nicht
zuletzt an den gestiegenen Sprit-, Strom- und
Gaspreisen sieht. Dennoch wird es für Deutschland
nicht möglich sein, kurzfristig sämtliche
Lieferungen aus Russland zu stoppen, das würde
schwere Schäden auch in Unternehmen unserer
Region verursachen.
W+M : Bei den Stromanbietern hat es erste
Insolvenzen gegeben. Das sorgt für Verunsicherung.
Zu Recht ?
Dr. Alexander Montebaur : Es hat Insolven -
zen gegeben, weil einige Stromanbieter den
Markt falsch eingeschätzt haben. Andere
Anbieter nehmen Optimierungen vor, indem
sie Ver träge kündigen und ihre Kunden zu
den Grundversorgern schicken. Sie sehen,
dass sie die Strommengen, die sie kontrahiert
haben, am Markt besser verkaufen
können, als wenn sie ihren vertraglichen
Verpflichtungen gegenüber den Endkunden
nachkommen. Das halte ich für ein unseriöses
Geschäftsgebaren.
W+M : Das Thema Versorgungssicherheit
hingegen hatte bisher in der öffentlichen
Diskussion kaum eine Rolle gespielt. Jetzt
wachsen die Zweifel : Ist die Versorgungssicherheit
aus Ihrer Sicht weiterhin gegeben ?
Dr. Alexander Montebaur : Es hat vor allem
die Frage, wie die Versorgung in Deutschland
mit eigenen Ressourcen sichergestellt werden
kann, eine neue Dimension gewonnen. Der
Ausbau der erneuerbaren Energien ist nun
das Gebot der Stunde, im Gleichklang mit
dem Netzausbau. Gleichwohl muss allen klar
sein, dass auf absehbare Zeit die erneuerbaren
Energien alleine zur Versorgung nicht ausreichen
werden. Die Szenarien für den Strommarkt
sehen für das Jahr 2030 vor, dass immer noch
20 Prozent des Strombedarfs aus anderen
Quellen gedeckt werden müssen. Wir steigen
in diesem Jahr aus der Kernenergie und spätestens
2038 aus der Kohleverstromung aus.
Fotos: W+M
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
INTERVIEW
WIRTSCHAFT+MARKT13
Dieser Übergang sollte mit der so genannten
Gasbrücke und dem Bau neuer Gaskraftwerke
abgesichert werden. Das steht jetzt in Frage.
Deshalb muss die Frage der Versorgungssicherheit
sicher neu bewertet werden.
W+M : Die neue Bundesregierung und ins besondere
Wirtschaftsminister Robert Habeck
setzen deshalb auf einen beschleunigten
Aus bau der erneuerbaren Energien durch
Vereinfachungen bei der Planung und Regulierung.
Für wie realistisch halten Sie dieses
Vorhaben ?
Dr. Alexander Montebaur : Die Investoren für
Wind- oder Photovoltaik-Anlagen stehen bereits
in den Startlöchern. Bereits heute hat die
E.DIS zwölf Gigawatt erneuerbare Energien an
ihr Netz angeschlossen. In unserem Netzentwicklungsplan
für das Jahr 2030 ist ein Ausbauszenario
von dann 30 Gigawatt vorgesehen.
Für unser Unternehmen bedeutet dies, dass
wir unser Hochspannungsnetz auf rund 1.200
Kilometern erneuern müssen. Dabei geht es
wohlgemerkt nur darum, neue Freileitungen
in bestehende Trassen zu bauen. Wenn wir
alle Anträge auf neue Anlagen für erneuerbare
Energien, vor allem für großflächige Photovoltaikanlagen,
in unserem Netzgebiet berücksichtigen
würden, kämen wir sogar auf eine
Anschlussleistung von 80 Gigawatt. Daran
sehen Sie : Der Anlagenbau wächst schneller
als der Netzausbau.
W+M : … weil sich die Anlagen angesichts der
hohen Strompreise noch stärker rentieren ?
Dr. Alexander Montebaur : In
der Tat. Die wenigsten Anlagen
in unserem Netzgebiet finanzieren
sich heute noch über eine
fixe EEG-Vergütung. Mehr als 80
Prozent der Anlagen sind in der Direktvermarktung.
Finanzielle
Anreize für Investoren in
erneuerbare Energien
sind heute sicher
nicht mehr
nötig.
W+M : Was sollte stattdessen geschehen ?
Dr. Alexander Montebaur : Zunächst muss
die Akzeptanz für den Anlagenbau in der
Bevölkerung erhöht werden. Ich nenne Ihnen
ein Beispiel : Rund um die Stadt Altentreptow
im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte
stehen unzählige Windkraftanlagen. In den
Gemeindefinanzen spiegelt sich das aber
nicht wider – sprich : die Kommune profitiert
überhaupt nicht von dem Bauboom. Daran
muss sich sicher etwas ändern. Früher waren
Kraftwerke immer auch Wirtschaftsfaktoren.
Sie haben den Kommunen Arbeitsplätze und
Gewerbesteuern garantiert und waren deshalb
in der Bevölkerung akzeptiert.
W+M : Der zweite Punkt ist die Beschleunigung
von Genehmigungsverfahren für den
Netzausbau. Was muss sich dabei ändern ?
Dr. Alexander Montebaur : Die E.DIS
investiert auch in diesem Jahr wieder rund
200 Millionen Euro in den Netzausbau. Es
liegt also nicht an den Investitionsmitteln,
unser Haupthindernis sind die Genehmigungsverfahren.
Für die Erneuerung unserer
Hochspannungsleitungen müssen wir einen
Realisierungszeitraum von acht Jahren veranschlagen.
Eine Erneuerbare-Energien-Anlage
kann dagegen innerhalb eines Jahres gebaut
werden. Für den Netzanbieter entsteht dann
das Problem, dass er den Strom dieser Anlage
voll vergüten muss, auch dann, wenn der Anlagenbetreiber
abgeregelt wird, also der Strom
nicht eingespeist werden kann. Die Vergütung
bei Netzengpässen muss deshalb dringend
überdacht werden. Es kann nicht sein,
dass neue Anlagen in bereits bestehende
Netz engpässe gebaut werden.
W+M : Welche Forderungen haben Sie
darüber hinaus, um die Verfahren zu
beschleunigen ?
Dr. Alexander Montebaur : Wir brauchen
erstens voll digitale Planungsverfahren.
Zweitens müssen für die naturschutzrechtlichen
Auflagen einheitliche Standards
gelten. Und drittens müssen die Genehmigungsbehörden
dringend personell aufgestockt
werden. Darüber hinaus muss natürlich
auch eine gesellschaftliche Diskussion über
die Abwägung von Klima schutz, Artenschutz
und Versorgungssicherheit geführt werden.
W+M : Haben wir dafür noch ausreichend Zeit ?
Dr. Alexander Montebaur : Sicher ist : Ein
Weiter so wie bisher darf es nicht mehr geben.
Eine Erneuerung einer Leitung etwa muss
für einen Stromnetzbetreiber im Genehmigungsverfahren
innerhalb von zwei Jahren
möglich sein. Ich spüre aber, dass jetzt ganz
viel Bewegung in die Politik gekommen ist,
sowohl beim Bund als auch bei den Ländern.
Diesen Schwung müssen wir nutzen, um neue
gesetzliche Regelungen zur Vereinfachung der
Genehmigungsverfahren noch in diesem Jahr
zu verabschieden.
W+M : Welche weiteren Herausforderungen
stellen sich der E.DIS ?
Dr. Alexander Montebaur : Da möchte ich vor
allem die Netzentgelte ansprechen. Die E.DIS
hat mittlerweile in ihrer Region die höchsten
Netznutzungsentgelte in ganz Deutschland,
weil die immer höheren Kosten für die Netze
durch den Ausbau der erneuerbaren Energien
auf eine weitgehend gleich bleibende Zahl
von Verbrauchern verteilt werden müssen.
Gleichzeitig schrecken diese hohen Netznutzungsentgelte
oftmals neue Großverbraucher
wie etwa Rechenzentren von einer Ansiedlung
ab. Dabei muss es doch das Ziel sein, dass sich
neue Großverbraucher dort niederlassen, wo
die Netze bereits ausgebaut sind und Erneuerbare
im Überfluss eingespeist werden. Als E.DIS
haben wir in unserem Netzgebiet beispielsweise
80 Anschlusspunkte veröffentlicht, wo
sich Unternehmen mit hohem Strombedarf
heute schon ausreichend versorgen können.
Diesen Aspekt muss auch die Politik bei der
Gewerbeansiedlung stärker berücksichtigen.
Interview: Frank Nehring
Dr. Alexander Montebaur, Vorstandsvorsitzender der E.DIS AG
Lesen Sie das
ausführliche Interview
auf W+M online
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
14
WIRTSCHAFT+MARKT
ENERGIE
WER TRÄGT DIE KOSTEN
DER ENERGIEWENDE?
Der jüngste Anstieg der Energie- und Kraftstoffkosten
geht zwar nicht auf die Energiewende, sondern auf den
russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zurück, aber
er macht deutlich, welcher soziale Sprengstoff mit einer
deutlichen Verteuerung fossiler Energieträger zumindest
kurzfristig verbunden ist. Doch wie können höhere Energie-
und Kraftstoffkosten gerecht verteilt werden?
VON PROFESSOR DR. OLIVER HOLTEMÖLLER
IIm Durchschnitt gaben Haushalte in Deutschland im Jahr 2018 knapp 5,5 Prozent
ihres Einkommens für Energie im Wohnbereich und etwa 3,5 Prozent für Kraftstoff
aus, für beide Gütergruppen insgesamt also neun Prozent. Unter anderem
durch die zunehmende Bepreisung von Kohlendioxidemissionen werden die Preise
für Gas und Öl im Zuge der Energiewende steigen. Nehmen wir zur Illustration des
Mechanismus einmal an, dass sich die Preise für Energie und Kraftstoff insgesamt
verdoppeln. Dann müssten bei gleichbleibender Nachfrage nicht mehr neun Prozent,
sondern 18 Prozent des durchschnittlichen Haushaltseinkommens für Energie und
Kraftstoffe ausgegeben werden. Nehmen wir zusätzlich an, dass Einsparungen bei
Nahrungsmitteln, Miete und Gesundheit, auf die insgesamt 45 Prozent der Ausgaben
entfallen, nicht möglich sind; dann bleiben 46 Prozent des Einkommens, die auf sonstige
Ausgaben entfallen, übrig, um die Mehraufwendungen zu schultern.
9 in Relation zu 46 sind etwa 20 Prozent, das heißt also, für Freizeit, Unterhaltung, Kultur,
Gaststätten, Bekleidung usw. blieben 20 Prozent weniger als bisher. Das hört sich ernüchternd
an. Außerdem muss auch die Einkommensverteilung berücksichtigt werden. Haushalte
mit geringem Einkommen haben keine Möglichkeit, einen deutlichen Anstieg der Preise für
Energie, die bei dieser Haushaltsgruppe einen deutlich höheren Anteil an den Gesamtausgaben
ausmacht, durch Einsparungen an anderer Stelle auszugleichen. Sollen die Folgen der Verteuerung
von Energie für Haushalte mit unterdurchschnittlichem Nettohaushaltseinkommen
abgefedert werden, so muss die Gruppe mit überdurchschnittlichem Einkommen zusätzlich
Verzicht für den Einkommenstransfer an die unteren Einkommensgruppen leisten.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
KOMMENTAR
WIRTSCHAFT+MARKT15
Was das für diese Haushalte prozentual bedeutet, lässt sich nicht ohne weitere Berechnungen
sagen, weil dem Transfer in absoluten Euro-Beträgen gegenübersteht, dass der
Anteil des Haushaltseinkommens, der auf Freizeit, Unterhaltung, Kultur usw. entfällt,
deutlich höher ist als bei Haushalten mit niedrigem Einkommen.
Diese Rechnung erhebt nicht den Anspruch, die Prozentanteile exakt zu ermitteln.
Viel mehr geht es darum zu zeigen, dass die Haushalte mit überdurchschnittlichem
Einkommen wohl nicht nur für die Kompensation der eigenen höheren Energie- und
Kraftstoffrechnung Konsumverzicht an anderer Stelle leisten müssen, sondern
zusätzlich für den sozialen Ausgleich. Es ist eine Nebelkerze, wenn die Politik
den Eindruck zu erwecken versucht, dass auch Haushalte mit einem Einkommen
über dem durchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommen von gut 3.600 Euro für
höhere Energiepreise kompensiert werden könnten. Ganz im Gegenteil: Diese
Haushaltsgruppe wird doppelt zur Kasse gebeten werden müssen.
Jetzt mag man argumentieren, dass die höheren Preise für Energie das Einkommen
an anderer Stelle erhöhen und daher dort abgeschöpft und verteilt
werden kann, um alle Haushalte ein Stück weit von steigenden Energiepreisen
abzukoppeln. Das ist aber gesamtwirtschaftlich eine Illusion. Steigende
Energiepreise werden zumindest in einer Übergangsphase nicht zusätzliche
Gewinne für die Energie produzenten widerspiegeln, sondern den Aufwand
für den Umbau der Energieversorgung von fossilen Energieträgern hin zu
regenerativen. Damit sind reale Investitionen verbunden, die den gesamtwirtschaftlichen
Spielraum für Konsumausgaben schmälern.
Was hingegen hilft, ist die Reduktion des Energieverbrauchs. Die höheren
Preise werden zu einer höheren Energieeffizienz führen und die
Nachfrage nach Energie und Kraftstoffen dürfte durch Verhaltensanpassungen
sinken. Dadurch ergibt sich dann auch wieder mehr Spielraum
für die übrigen Konsum ausgaben. Die Verhaltensanpassung
hängt dabei vom Preisan stieg ab. Die Politik sollte daher zulassen,
dass sich Gas und Benzin relativ zu anderen Gütern verteuern. Nur
so lassen sich über die niedrigere Energienachfrage die Gesamtkosten
der Energiewende verringern. Ohne Konsumverzicht der
Haushalte mit überdurchschnittlichem Einkommen werden sich
die Treibhausgas-Emissionsreduktionsziele der Bundesregierung
jedenfalls nicht erreichen lassen.
DER AUTOR
Professor Dr. Oliver Holtemöller ist Leiter der
Abteilung Makroökonomik am Leibniz-Institut
für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und
stellvertretender Präsident des Instituts.
Er ist zudem Professor für Volkswirtschaftslehre,
insbesondere Makroökonomik, an der
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Foto: IWH Christian Hüller
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
16
WIRTSCHAFT+MARKT
ENERGIE
DAS COMEBACK DES
SOLAR VALLEY
Deutschland will sich mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien aus der
Abhängigkeit von Gas- und Ölimporten befreien. Doch auch viele Komponenten
für Photovoltaik-Anlagen stammen aus Asien. Nun soll ein Comeback
der ostdeutschen Solarindustrie die heimische Produktion von Solarzellen
wiederbeleben.
VON MATTHIAS SALM
Anfang des Jahrtausends reiften in Sachsen-Anhalt
wahre Blütenträume. Die Solarindustrie
wurde zum Hoffnungsträger für die
gesamte ostdeutsche Wirtschaft ausgerufen.
Bei einer der Schlüsselindustrien der künftigen
Energieversorgung übernahm Ostdeutschland
augenscheinlich mühelos die Vorreiterrolle,
anstatt sich wie bisher bei den Altindustrien
nur in einem mühsamen Aufholprozess
gegenüber dem Westen aufzureiben. Mit der
Produktion der ersten Solarzelle im Jahr 2001
im Solar Valley getauften Industriegebiet in
Thalheim begann der rasante Aufstieg der
mitteldeutschen Solarindustrie – dem ein
ebenso rasanter Niedergang folgen sollte.
Doch zunächst gesellten sich zu dem Pionier
Q-Cells noch weitere Unternehmen in das
heute zu Bitterfeld-Wolfen gehörende Solar
Valley. Rund 3.500 Menschen beschäftigte die
Photovoltaik-Branche in ihren Spitzenzeiten in
der Region. Doch der Aufbau einer preisgünstigen
Massenproduktion in Asien bereitete dem
Solar Valley ab 2009 zunehmend Kopfzerbrechen.
Dann ging es Schlag auf Schlag: 2012 war
Q-Cells insolvent und wurde vom südkoreanischen
Konzern Hanwha übernommen. 2015
endete die Produktion in Sachsen-Anhalt, es
verblieben nur die Bereiche Forschung und
Innovationen am Standort. Den anderen Unternehmen
erging es nicht besser. 2019 schloss
mit Solibro der letzte Photovoltaik-Hersteller
im Solar Valley seine Pforten.
Doch der Schlusspunkt markierte zugleich
auch einen Neuanfang. Das Schweizer
Maschinenbau-Unternehmen Meyer Burger
Technology AG erklärte 2020, künftig in Thalheim
wieder Solarzellen produzieren zu wollen
Zellfertigung bei Meyer Burger in Thalheim
Abtransport der Solarzellen in Thalheim
– nach den zahlreichen herben Rückschlägen
ein vielfach kritisch beäugtes Vorhaben. Doch
die aktuellen weltpolitischen Ereignisse lassen
ein Comeback des Solar Valleys nun realistischer
denn je erscheinen. Denn auch die EU
will mit einer neuen Photovoltaik-Strategie
den Aufbau von Produktionskapazitäten in
Europa fördern.
In Thalheim wird nun die von Meyer Burger entwickelte
und patentgeschützte Heterojunction/
SmartWire-Technologie bei Solarmodulen umgesetzt.
Solarzellen auf Heterojunction-Basis
versprechen gegenüber herkömmlichen Zellen
den Vorteil, dass sie mehr Sonnenlicht in Energie
umwandeln können. Die von Meyer Burger
in der Schweiz entwickelte SmartWire-Zellverbindungstechnologie
erhöht die Leistungsfähigkeit
der Module zusätzlich und sorgt für eine
überdurchschnittlich lange Lebensdauer, so der
Hersteller.
Im hochautomatisierten Vollbetrieb sollen
täglich bis zu 200.000 Solarzellen vom Band
laufen. Sie werden dann im sächsischen
Freiberg zu Solarmodulen verarbeitet. Dort
wurde die ehemalige Solarworld-Fabrik
umgebaut und auf SmartWire-Fertigungslinien
umgerüstet. Mit der Eröffnung beider
Fabriken und dem Aufbau der Fertigungs- und
Fotos: Bundesverband Solarwirtschaft e.V. (Solarmodul), Meyer Burger AG (Zellfertigung)
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
SOLARENERGIE
WIRTSCHAFT+MARKT17
in Betrieb genommen. Es ist Europas größte
Produktionsanlage für Glas-Glas-Solarmodule.
Die Dresdner wollen bis 2023 rund 100 Millionen
Euro in die Weiterentwicklung des Unternehmens
investieren. Ein Großteil der Summe
wird in Sachsen und ganz konkret in Dresden
investiert, erklärte das Unternehmen gegenüber
W+M. Darüber hinaus fließt das Geld in zusätzliches
Personal sowie in die weitere Digitalisierung.
Mittlerweile arbeiten insgesamt mehr als
600 Personen für Solarwatt – davon mehr als
400 in Dresden. Bis 2025 soll die Mitarbeiterzahl
auf knapp 1.000 Beschäftigte wachsen.
Der Standort in Sachsen biete beste Voraus-
Fotos: Meyer Burger AG, Sölarwatt GmbH
Modulfertigung bei Meyer Burger in Freiberg
Vertriebs organisationen will Meyer Burger
seine Transformation vom reinen Anlagen- und
Technologie anbieter zum integrierten Hersteller
von Solarzellen und -modulen vollziehen. Auch
wenn der Start angesichts globaler Lieferengpässe
und pandemiebedingter Personalausfälle
nicht unter optimalen Rahmenbedingungen
verlief, wollen die Schweizer den politischen
Rückenwind nutzen und ihre Expansionspläne
noch zügiger vorantreiben. Gunter Erfurt , CEO
von Meyer Burger, prophezeit: „Meyer Burger
setzt am historischen Solarstandort Solar Valley
einen Meilenstein auf dem Weg Europas zu mehr
strategischer Unabhängigkeit bei der Schlüsseltechnologie
Photovoltaik.“
Angesichts dieser Nachrichten ging im Sommer
letzten Jahres fast schon unter, dass auch
Q-Cells in seiner globalen Forschungs- und
Entwicklungszentrale in Thalheim weitere
15,5 Millionen Euro in die Entwicklung von
Maschinen und Anlagen der nächsten Generation
der Photovoltaik-Technologie investiert.
„Der Wiedereinstieg in die Massenfertigung von
Solarzellen am Standort Deutschland stand weit
oben auf der Wunschliste der Solarwirtschaft,
ihrer Zulieferer und unserer hochkarätigen
Forschungseinrichtungen“, begrüßt Carsten
Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands
Solarwirtschaft (BSW), das Comeback
des Solar Valleys. „Durch besonders innovative
und damit konkurrenzfähige Produkte, einen
hohen Automatisierungsgrad und dadurch
sinkende Arbeitskosten sowie einen besonderen
Qualitäts-, Service- und Markenanspruch
wurde ein Comeback des Solarstandorts
Deutschland möglich,“ so Körnig.
Für Körnig zählen ein deutlich wachsender
Heimatmarkt und ein klares Commitment
der Regierung zur Solarisierung der Energieversorgung
zu den weiteren unverzichtbaren
Voraussetzungen für eine Renaissance der
heimischen Solarindustrie. Der BSW begrüßt
daher die Ziele der Ampel-Koalition für ein
„Solar-Beschleunigungspaket“ und den Abbau
von Marktbarrieren, um die installierte Solarstromleistung
in Deutschland bis 2030 mehr
als zu verdreifachen. „Der derzeit vorliegende
Gesetzesentwurf für eine EEG-Novelle muss
jedoch an wichtigen Stellschrauben unbedingt
nachgebessert werden, nicht zuletzt, um auch
heimischen Qualitätsanbietern die erforderlichen
Wachstumsperspektiven im Heimatmarkt
zu bieten“, fordert Körnig darüber hinaus.
Den aktuellen Aufwind verspüren auch südlich
des Solar Valleys die sächsischen Modulhersteller.
Die Dresdner Firma Solarwatt GmbH
hat im September letzten Jahres eine hochmoderne
Modul-Fertigungslinie mit einer
Produk tionskapazität von 300 Megawattpeak
Firmensitz der Solarwatt GmbH
setzungen, um weiter zu wachsen, so der
1993 gegründete Dresdner Photovoltaik-Hersteller.
Die Nachfrage von Kundenseite an
Photovoltaik-Lösungen für Eigenheime und
das Gewerbe steige immer mehr – und zwar
nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.
Für Geschäftsführer Detlef Neuhaus ist deshalb
klar: „Es ist extrem wichtig, dass wir auch
hierzulande eine starke Solarindustrie haben,
die Innovationen vorantreibt und Lösungen
anbietet, mit denen sich die Menschen möglichst
schnell und einfach mit sauberer Energie
versorgen können.“
Auch die Chemnitzer Heckert Solar GmbH
nahm 2021 für 21 Millionen Euro eine neue
Fertigungsstätte im thüringischen Langenwetzen
dorf in Betrieb, in der eine neue Heckert-Solarmodulserie
produziert werden soll.
Vom Wachstum der Solarbranche profitieren
nebenbei auch die Zulieferer, insbesondere im
Maschinenbau: Die Stringer für die Anlagen
in Langenwetzdorf lieferte die teamtechnik
Maschinen und Anlagen GmbH aus Freiberg,
der Zellcutter wurde zusammen mit dem
Chemnitzer Spezialunternehmen 3D-Micromac
entwickelt.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
18
WIRTSCHAFT+MARKT
ENERGIE
„ERNEUERBARE
ENERGIEN BRINGEN
IMPULSE FÜR DIE
WIRTSCHAFT.”
Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands WindEnergie, im Interview
mit Wirtschaft + Markt über die Energiekrise und die Folgen für den Ausbau
der erneuerbaren Energien in Deutschland.
W+M : Herr Albers, der Ausstieg aus der Atomenergie,
der vorgezogene Ausstieg aus der
Braunkohle bis 2030, die Klimaneutralität bis
2045 sind angesichts des Krieges in der Ukraine
und der hohen Abhängigkeit von Gas- und
Ölimporten aus Russland ins Wanken geraten.
Wie bewerten Sie die aktuelle Situation ?
Hermann Albers : Der Krieg hat zu einem
Preisschock geführt. Aber bereits vor dem Angriffskrieg
gegen die Ukraine befanden wir uns
inmitten einer Preiskrise der fossilen Energieträger.
Deshalb steht nun die Frage, wie sich
darauf reagieren lässt und welcher Ausweg
gefunden werden kann. Der Rückfall in alte
Denkmuster führt sicher nicht zum Ziel. Kohle
und Gas sind überwiegend Importrohstoffe
aus Russland. Atomkraft konkurriert nicht
mit den erneuerbaren Energien, sondern mit
Kohle und Gas. Für eine Laufzeitverlängerung
müsste die Leistung der Kernkraft im Sommer
heruntergefahren und durch mehr Kohle und
Gas aufgefangen werden. Kernkraft ist also
wie Kohle keine Alternative. Die Abhängigkeit
würde nur weiter verstärkt. Das kann nicht
mehr gewollt sein. Die Brückentechnologie Gas
erweist sich in großen Teilen als Illusion. Die
Lösung liegt in den Potenzialen vor der eigenen
Haustür : Wind, Photovoltaik, Bioenergie und
grüner Wasserstoff.
W+M : Die steigenden Energiepreise beunruhigen
die Wirtschaft ebenso wie die privaten
Haushalte. Was ist zu tun ?
Hermann Albers : Mehr als private Haushalte
trifft die Preiskrise die kleinen Unternehmen,
Handwerk und Gewerbe. Kurzfristig ist der
Staat gefordert. Der Steueranteil an den Energiepreisen
lässt ausreichend Spielraum, um zu
handeln. Dies sehen wir in anderen europäischen
Staaten auch. Die Koalition hat mit dem
Entlastungspaket nun genau diese Schritte
vorgesehen. Dies ist sinnvoll. Ebenfalls kurzfristig
muss allerdings das bürokratische Korsett
aufgeschnürt werden, welches den Zubau
der Erneuerbaren blockiert. Im bestehenden
Anlagenpark lassen sich Potenziale heben, indem
z.B. bei der Windenergie Leistungsupgrades
zugelassen und Betriebseinschränkungen
aufgehoben werden. Repowering muss bei
Wind wie Photovoltaik zügig angetrieben werden.
Die Bioenergie braucht Flexibilisierung,
um im Stromsektor und beim Gas optimaler
eingebunden zu werden.
W+M : Bundeswirtschaftsminister Robert
Habeck hat dem Ausbau der erneuerbaren
Energien höchste Priorität eingeräumt. Was
muss passieren, dass die ambitionierten
Ziele der Bundesregierung in Erfüllung gehen
können ?
Hermann Albers : Die gesamte Koalition hat
unterstrichen, dass der Ausbau der Erneuerbaren
der Schlüssel für Energiesouveränität
Foto: XXX
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
INTERVIEW
WIRTSCHAFT+MARKT19
DIE LÖSUNG LIEGT
IN DEN POTENZIALEN
VOR DER EIGENEN
HAUSTÜR.
Hermann Albers
und Klimaschutz ist. Nun müssen den Worten
echte Taten folgen. Der Referentenentwurf des
EEG lässt an vielen Stellen sowohl Problembewusstsein
als auch Lösungsorientierung
erkennen. Nach dem russischen Überfall auf
die Ukraine ist er aber nicht mehr aktuell. Es
braucht eine strukturierte Überarbeitung. Mehr
Tempo, weniger Bürokratie und auch weniger
ideologische Schattenkämpfe sind nötig. Bund,
Länder und Kommunen müssen jetzt wirklich
an einem Strang ziehen. Wer den Zubau der
Erneuerbaren jetzt noch blockiert, provoziert
Energieknappheit. Erneuerbare Energien schaffen
Arbeitsplätze vor Ort, sie bringen Wohlstand
und Impulse für die Wirtschaft.
Hermann Albers, Präsident des
Bundesverbands WindEnergie
Foto: BWE
W+M : Der Ausbau der Windenergie wurde in
der Vergangenheit stiefmütterlich behandelt,
was zu einem geringen Ausbau führte. Nun
sind Sie im Aufwind. Spüren Sie schon etwas ?
Hermann Albers : Die Stimmung in der
Branche ist deutlich optimistisch. Aus eigener
Kraft haben wir das Zubautief der Jahre 2018
und 2019 verlassen. Genehmigungen und
Zubau ziehen sichtbar an. In den Planungen
der Bundesregierung ist eine Verdreifachung
des Zubaus angelegt. Mit effizienten moder-
nen Anlagen leisten wir unseren Beitrag
zur energetischen Unabhängigkeit Deutschlands.
Auch die Tatsache, dass die jüngsten
spektakulären Unternehmensansiedlungen in
Ostdeutschland immer mehr mit dem Hinweis
auf das Vorhandensein CO 2 -freier Energien
begründet wurden, trägt zu einer neuen Sicht
bei. Die Branche ist bereit und kann liefern.
W+M : Wie hoch ist aktuell der Anteil der
Windenergie an den erneuerbaren Energien
und wie bewerten Sie diesen Stand ?
Hermann Albers : Im vergangenen Jahr
machten erneuerbare Energien insgesamt
rund 42 Prozent der deutschen Stromversorgung
aus. Mit 21,5 Prozent war die Windenergie
dabei der Leistungsträger unter den
Erneuerbaren. Wir haben im vergangenen Jahr
gesehen, wie ein schlechteres Windjahr den
Strommix verschiebt. Dies unterstreicht, dass
es einen Erzeugungsmix und einen starken
Zubau von Kapazitäten braucht.
W+M : Wie ordnen sich darin der Ausbaustand
und die Energiepolitik in den ostdeutschen
Bundesländern ein ?
Hermann Albers : Der Osten muss sich
nicht verstecken. Bei Wind, Photovoltaik und
Bioenergie gibt es eine stabile Substanz. Bei
den Infrastrukturen im Sektor Strom und Gas
ist der Osten um Längen voraus. Und mit Blick
auf die Wärme bestehen sowohl bei Geothermie
als auch Power-to-heat gute Erfahrungen.
In den letzten Jahren fehlte allerdings trotz
eines brandenburgischen Spitzenplatzes
beim Zubau der Windenergie der notwendige
Schwung. Diesen gilt es neu anzutreiben. Vor
allem Sachsen muss sich dabei insgesamt neu
aufstellen.
W+M : Der Ausbau der erneuerbaren Energien
erfolgt schneller als der der Stromnetze. Die
Netzbetreiber wünschen, dass keine größeren
Anlagen mehr in bestehende Netzengpässe
gebaut werden. Wie bewerten Sie das Spannungsverhältnis
zwischen Anlagenbau und
Netzausbau ?
Hermann Albers : An einem starken Zubau
wird niemand vorbeikommen. Allerdings gilt es
neu zu denken. Nicht jede Kilowattstunde muss
ins Stromnetz gepresst werden. Power-to-heat
ist als Sektorenkopplung schon angesprochen.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
20
WIRTSCHAFT+MARKT
ENERGIE
ES GEHT HIER AUCH UM
DIE SICHERUNG UNSER
UNABHÄNGIGKEIT.
Hermann Albers
Hier kann die Windenergie noch mehr zur Wärmeversorgung
beitragen. Brandenburgs Wirtschaftsminister
Steinbach hatte bereits vor drei
Jahren dafür plädiert, nun auch in Elektrolyse zu
investieren. Die erzeugungsnahe und netzdienliche
Elektrolyse mit einem Link zum Gasnetz
schafft eine neue Wertschöpfungsbasis. Dafür
braucht es kurze Genehmigungsverfahren für
die Elektrolyseure.
W+M : Wie lässt sich die Akzeptanz für Windkraft
in der Bevölkerung steigern ?
Hermann Albers : Bürger und Kommunen
müssen mitmachen dürfen und sollen von der
neuen Energiewirtschaft profitieren. Die Braunkohle
hatte trotz ihrer dramatischen Eingriffe
in die Landschaft eine Grundakzeptanz, weil
die Region etwas davon hatte. Dies müssen
wir bei der Windenergie neu organisieren. Die
Bürgerwindparks in Schleswig-Holstein oder
die Energiegenossenschaften in Hessen zeigen,
was geht, wenn die Bürger dabei sein dürfen.
W+M : Welches sind die größten Herausforderungen,
denen sich Ihr Verband und die
Branche ausgesetzt sehen ?
Hermann Albers : Nach wie vor sind
Flächen bereitstellung, Genehmigungsdauer
und Artenschutz die offenen Aufgaben. Die
Flächenausweisung lässt sich mit einem Schub
für Repowering und einer Flächenvorgabe des
Bundes von mindestens zwei Prozent lösen.
Diese im Promillebereich liegende Fläche lässt
sich finden. Die Genehmigungsverfahren sind
extrem langwierig, bürokratisch und kostenintensiv.
Verfahrensdauern von sechs und
mehr Jahre können wir uns nun nicht mehr
leisten. Hier gilt es bürokratisch abzuspecken.
Schließlich muss der Artenschutz aus der
Blockadefalle herausgezogen werden. Er wird
durch Gegner der Energiewende, die sich bis
vor kurzem keinen Deut um Rotmilane, Sumpfohreulen
oder Mopsfledermäuse scherten,
massiv missbraucht. Zwei Prozent der Fläche
sind bei Rücksicht auf den Artenschutz möglich.
Diese Fläche muss bebaubar und vollständig
nutzbar sein.
W+M : Die Energiewende, über die wir seit
vielen Jahren sprechen, steht plötzlich für eine
eher behäbige Auseinandersetzung mit dem
Thema in der Vergangenheit. Brauchen wir
einen neuen Begriff für Energiewende ?
Hermann Albers : Bundeskanzler Olaf Scholz
hat den russischen Angriffskrieg gegen die
Ukraine als Zeitenwende bezeichnet. Auch die
sprachliche Verwandtschaft zeigt, dass der
Begriff „Energiewende“ einen grundsätzlichen
Wechsel beschreibt und daher angemessen
ist. Was wir in der gegenwärtigen Situation
brauchen, sind keine neuen Begrifflichkeiten,
sondern ein tatsächlicher und umfassender
Neustart der deutschen Energiepolitik. Es
geht hier auch um die Sicherung unserer Unabhängigkeit.
Bundesfinanzminister Christian
Lindner hat darum Recht, wenn er von den
Erneuerbaren als „Freiheitsenergien“ spricht.
W+M : Wie schnell werden wir merken, dass
unser Weg zu Klimaneutralität erfolgreich
sein wird ?
Hermann Albers : Brandenburg mit der
Ansiedlung von Tesla, Sachsen-Anhalt mit
Intel oder auch Sachsen mit Meyer Burger sind
sichtbare Fakten des erfolgreichen Weges.
Das Referenzkraftwerk Lausitz in Spremberg,
das Norddeutsche Reallabor mit seinen fünf
geografischen Hubs oder die Strombrücke in
Thüringen unterstreichen die positive Entwicklung.
Im Übrigen stehen die Ziele im Koalitionsvertrag
und die Zusagen im Abkommen von
Paris als Kennzahlen bereit. Wenn die Bundesrepublik
die Klimaverträge einhalten will, muss
der Zubau in Deutschland perspektivisch
verdreifacht werden. Deutschland hat mit
den erneuer baren Energien hervorragende
Chancen, nicht nur seine Klimaziele zu
erreichen, sondern gleichzeitig auch seine
energetische Autarkie zu stärken.
Interview: Frank Nehring
Lesen Sie das
ausführliche Interview
auf W+M online
Foto: XXX
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
THEMA
WIRTSCHAFT+MARKT21
Wir gestalten Transformation.
12.06. – 14.06.2022
Bad Saarow
Wirtschaft, Politik und Verwaltung zu vernetzen,
gemeinsam Themen zu diskutieren und Lösungen zu finden –
das ist das Ziel des Ostdeutschen Wirtschaftsforums OWF22.
Folgende Themen stehen in diesem Jahr im Fokus:
› Energieversorgung vs. Energiewende
› Internationale Großansiedlungen vs. Fachkräftemangel
› Langsame Verwaltung vs. schnelle, agile Prozesse
› Leadership in Zeiten der Transformation
LIVESTREAM
www.ostdeutsches
wirtschaftsforum.de
Die Konferenz kann nur auf Einladung besucht werden.
Foto: XXX
Weitere Informationen und einen Link zum Livestream finden Sie hier:
www.ostdeutscheswirtschaftsforum.de
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
22
WIRTSCHAFT+MARKT
MOBILITÄT
BRANDENBURG –
DEUTSCHLANDS
NEUES ZENTRUM
DER MODERNEN
MOBILITÄT
Am 22. März 2022 war es so weit: Nur 861 Tage nach der Entscheidung für
den Standort Brandenburg rollen die ersten Tesla „Made in Brandenburg“ auf
Deutschlands Straßen. Der Produktionsstart der Gigafactory in Grünheide ist
ein Meilenstein in der wirtschaftlichen Entwicklung Brandenburgs und in der
deutschen Automobilindustrie.
VON DR. STEFFEN KAMMRADT, GESCHÄFTSFÜHRER
WIRTSCHAFTSFÖRDERUNG LAND BRANDENBURG GMBH
Steffen Kammradt, Geschäftsführer
Wirtschaftsförderung Land Brandenburg
KKünftig sollen hier jährlich 500.000 Tesla
Model Y vom Band rollen. Das größte Investitionsprojekt
seit der Deutschen Einheit setzt
neue Maßstäbe. „Deutschland kann schnell
sein“ titelt die Süddeutsche Zeitung, „Grünheide
schreibt Auto-Geschichte“ die Frankfurter
Allgemeine Zeitung und ein „Signal für den
Standort Ostdeutschland“ ist Teslas Gigafactory
für das Handelsblatt. Deutschland wird
elektro mobil und Brandenburg zum neuen
Zentrum dieser modernen Mobilität.
Das Tesla Model Y
Schon jetzt profitiert das Land von einer
rasanten Entwicklung in der Wertschöpfungskette.
Die Lithium-Ionen-Batterie – sie ist das
Herz der Elektromobilität. In Brandenburg ist
das größte Lithiumwerk Europas geplant. Die
kanadische Firma Rock Tech Lithium hat sich
für die Industrieregion Lausitz entschieden
und will in Guben Lithium für jährlich bis zu
500.000 Elektroautos verarbeiten. 470 Millionen
Euro will Rock Tech in Guben investieren
und dabei 160 neue Industriearbeitsplätze
schaffen. Damit wird Brandenburg „eine der
ersten Regionen Europas, die fast die gesamte
Wertschöpfungskette von Elektroautos abdeckt“,
sagte Rock Tech-Chef Dirk Harbecke
bei der Vorstellung der Pläne. Und weiter:
„Wir sind in Brandenburg, weil sich hier ein
Elektromobilitäts-Cluster bildet.“
Der nächste Schritt zur Batterie ist das Kathodenmaterial.
Nicht weit von Guben entfernt
errichtet die BASF eine große Fertigung für die
Produktion von Kathodenmaterial. Neben der
Kathode braucht eine Batterie die Anode. Das
Material dafür will das australische Unternehmen
Altech herstellen, das gerade seine
Investition in die Fertigung von Anoden-Grafit
im sächsischen Teil der Lausitz angekündigt
hat. Ein Top-Investitionsprojekt in der elektromobilen
Wertschöpfungskette ist die Produktion
von Schnelllade-Akkus für LKW beim
US-Unternehmen Microvast, das zusammen
mit dem Produktionswerk auch seine Europa-Zentrale
in Ludwigsfelde angesiedelt hat.
Olaf Arndt, Regionalexperte des Prognos-Instituts,
sagt im Handelsblatt: „In Brandenburg
wird die Autoindustrie neu erfunden.“
Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Tesla, Inc., Wirtschaftsförderung Brandenburg
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
BRANDENBURG
WIRTSCHAFT+MARKT23
DEKRA errichtet am Brandenburger Lausitzring ein
europäisches Testzentrum für Autonomes Fahren.
Lesen Sie den
ausführlichen Beitrag
auf W+M online
Neben innovativen, emissionsarmen Antrieben
geht die Entwicklung auch auf dem Feld
der intelligenten Steuerung weiter: Die große
deutsche Prüfgesellschaft DEKRA errichtet
am Brandenburger Lausitzring ein europäisches
Testzentrum für Autonomes Fahren.
Der erste autonome Bus auf Brandenburgs
öffentlichen Straßen hat währenddessen
in Wusterhausen/Dosse erfolgreich seinen
Testeinsatz absolviert.
Auch die Luftfahrtindustrie setzt
Zeichen
Von der Straße in die Luft: Rolls-Royce, die
Brandenburgische Technische Universität
und die Firma APUS-Aeronautical Engineering
arbeiten in Cottbus an nicht weniger
als der Zukunft der Luftfahrt – mit neuen
umweltschonenden Antriebstechnologien.
Kernforschungsfelder des Center for Hybrid
Electric Systems Cottbus (CHESCO) sollen
hybrid-elektrische und elektrische Systeme
in den Bereichen Luftfahrt, Bahn, Straße und
Off-Road sein. Als Partner mit dabei ist das
in Cottbus neu angesiedelte Institut für Elektrifizierte
Luftfahrtantriebe des Deutschen
Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).
hinaus wirkt. Die Mitgliederzahl im Netzwerk
hat sich in den letzten fünf Jahren vervierfacht.
Auch auf der Schiene setzt sich die Geschichte
der modernen Mobilität in Brandenburg fort
mit dem künftigen ICE-Instandhaltungszentrum
in Cottbus, wo allein 1.200 neue Arbeitsplätze
entstehen werden. Damit bekommt
die Lausitz-Metropole das modernste und
umweltfreundlichste Bahninstandhaltungswerk
in Europa. Auch der BahnTechnologieCampus
Havelland setzt neue Akzente im
Schienenverkehr. Auf der 45 Hektar großen
Fläche rund um den großen Rangierbahnhof
Wustermark westlich von Berlin entsteht ein
Zentrum für moderne Bahntechnologien. Und
die Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) sowie
die Deutsche Eisenbahn Service AG (DESAG)
testen im Norden Brandenburgs bereits den
Einsatz von Wasserstoff im Bahnbereich.
Damit fehlen nur noch die Wasserwege. Und
auch hier setzt die deutsche Hauptstadtregion
auf moderne Mobilität – in Form eines
Testfeldes zur autonomen Binnenschifffahrt
auf der Spree-Oder-Wasserstraße. Ziel ist die
Erprobung der Ver- und Entsorgung von Metropolregionen
mit autonomen Binnenschiffen,
die zudem elektrisch fahren sollen. Informationen
über die Standortorientierung liefern
Sensoren, die sowohl Signale vom Schiff an
einen Verkehrsleitstand schicken, als auch
Daten von Land empfangen können um damit
automatisch an- und abzulegen.
Zu Land, auf dem Wasser und in der Luft,
von der Tesla Gigafactory bis zur autonomen
Binnenschifffahrt – die moderne Mobilität
ist ebenso vielfältig wie faszinierend. Sie
gestaltet den Weg in die Zukunft – und ist
in Brandenburg bereits Realität.
Foto: Dekra (Testzentrum), Frank Kniestedt (Infozentrum Cottbus)
Teil der modernen Mobilität sind auch die Innovationen
in unbemannte Flugsysteme (UAS).
In Brandenburg werden Drohnen entwickelt,
produziert und mit immer neuen innovativen
Funktionalitäten verbunden bis hin zum Einsatz
in der Waldbrandbekämpfung. Drohnentests
sind auf dem großen Testzentrum der Bundesanstalt
für Materialforschung (BAM) im
brandenburgischen Horstwalde möglich. Und
mit dem Netzwerk CURPAS hat sich ein Nukleus
entwickelt, der heute weit über die Region
Auch die Lausitz wandelt sich zu einem
Mobilitätsstandort.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
24
WIRTSCHAFT+MARKT
MOBILITÄT
DIE BATTERIEHERSTELLUNG
WIRD ZUR SCHLÜSSELTECH-
NOLOGIE IN DEUTSCHLAND
Der Umbau hin zur Elektromobilität hat erheblich an Fahrt aufgenommen und die Endzeit der nicht-elektrischen
Modelle ist absehbar. All dies setzt voraus, dass ausreichend Batterien zur Verfügung stehen und bietet für den
Industriestandort Deutschland enorme Chancen, sich im weltweiten Markt zu positionieren.
VON DR. JENS KATZEK, GESCHÄFTSFÜHRER DES ACOD (AUTOMOTIVE CLUSTER OSTDEUTSCH-
LAND), DR. PASCAL STROBEL, NETZWERKLEITER DES AUTOMOTIVE SAARLAND, UND THOMAS
LÄMMER-GAMP, PROJEKTENTWICKLUNG AUTOMOTIVELAND.NRW E.V.
SSpätestens seit die Entscheidung gefallen ist,
sich von der Importabhängigkeit bei Batterien
vom asiatischen Markt zu befreien, ist klar,
dass es keine Umkehr mehr von der Elektromobilität
geben wird – wenn wir es schaffen,
rasch eine attraktive Ladeinfrastruktur aufzu
bauen, die für die Kaufentscheidung des
Verbrauchers heute fast wichtiger ist als
die Frage nach der Reichweite der E-Autos.
BMW geht z.B. davon aus, dass im Jahr 2030
mindestens 50 Prozent der Fahrzeuge, die man
weltweit ausliefert, vollelektrisch sein werden.
Daimler will bis 2030 in der Lage sein, nur noch
vollelektrisch angetriebene Pkw zu verkaufen,
„wo immer es die Marktbedingungen zulassen“.
Der Volkswagen-Konzern will bis zum Jahr 2030
die Hälfte seines gesamten Modellangebots
auf Batterieautos umgestellt haben. Audi hat
erklärt, dass sie 2025 ihren letzten neuen
Verbrenner vorstellen. 2033 soll der Verkauf
von nicht-elektrischen Modellen auslaufen
(mit evtl. Ausnahme in China).
Das zentrale Leitthema des zukünftigen
industriellen Sektors „Batterie“ stellt die Kreislaufproduktion
dar – und damit die Etablierung
geschlossener Material- und Stoffkreisläufe
auf Basis skalierbarer Produktionstechnologien.
Dabei stehen aktuell drei Forschungsthemen
im Fokus :
• die Verfahrenstechnik zur Batteriematerialherstellung
und -konditionierung, nachhaltigen
Batteriemassenformulierung
sowie wissensbasierten Elektroden- und
Separator-Herstellung,
• ökologisch und wirtschaftlich nachhaltige
Batteriezellproduktion, die das Engineering,
die Parametrierung und die Bewertung
nachhaltiger Batterielebenszyklen
ermöglicht,
• umweltschonende wirtschaftliche Recyclingverfahren
als Basis für geschlossene
Stoffkreisläufe.
In diesem Strukturwandel stellt die Herstellung
der Batterien einen Schlüsselfaktor dar.
Die industriellen Entwicklungspotenziale für
Batteriezellfertigung in Deutschland werden
dabei nicht nur durch den Umstieg in die
Elektromobilität getrieben, sondern auch
durch Unternehmen in zahlreichen weiteren
Branchen, darunter der Energieversorgung
und der Luftfahrtindustrie. Studien erwarten,
dass sich der aktuelle Bedarf an Batterien in
den nächsten zwei bis drei Jahren verdoppelt.
Derzeit ist der Aufbau von 40 neuen Batteriefabriken
in Europa angekündigt.
Die Prozesse entlang des gesamten Lebenszyklus
einer Batterie ermöglichen es Unternehmen
des klassischen Maschinenbaus, der
Digitalisierungsbranche sowie von Startups,
an der Batterieproduktion teilzuhaben. Im
gesamten Batteriezellherstellungsprozess ist
nur ein kleiner Anteil wie die Elektrochemie
nicht durch den klassischen Maschinenbau
abbildbar. Eine vorausschauende Industriepolitik
unterstützt deshalb Unternehmen
des klassischen Maschinenbaus dabei zu
identifizieren, in welchen Prozessschritten
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
BATTERIEHERSTELLUNG
WIRTSCHAFT+MARKT25
des gesamten Lebenszyklus einer Batteriezelle
sie ihre herkömmlichen Fertigungsverfahren
einsetzen können.
OEM setzen bei Batterien nicht nur
auf Zulieferer
Wie oben beschrieben hat der Umbau hin zur
Elektromobilität bei den deutschen Auto mobilherstellern
erheblich an Fahrt aufgenommen.
Das VW-Werk in Zwickau hat seine Produktion
im laufenden Betrieb 2021 vollständig
von 300.000 Verbrennerautos auf 320.000
E-Autos umgestellt. Für sein Batteriegeschäft
gründet VW eine Europäische Aktiengesellschaft.
Die neue Tochter soll alle Aktivitäten von
der Rohstoffverarbeitung über die Entwick lung
der VW-Einheitszelle bis zur Steuerung der
geplanten sechs europäischen Gigafabriken
übernehmen. Zentrum der Aktivitäten wird
der Standort Salzgitter sein.
Die BMW Group produziert allein in Deutschland
an drei Standorten Hochvoltbatterien und
Batteriekomponenten : in Dingolfing, Leipzig
und Regensburg. Das BMW-Werk in Regensburg
begann im April 2021 mit der Lackierung
von Batteriezellen für Hochvoltbatterien. Ab
2022 werden dort auch Hochvolt-Batterien
produziert. Das Werk in Leipzig hat die bereits
bestehende Batteriemodulherstellung 2022
noch einmal durch eine Investition von über
100 Millionen Euro erweitert. Ab 2023 sollen
dann im Werk 350.000 Autos produziert werden
– statt der bisherigen zirka 230.000.
E-Auto- und Batterieherstellung
in Deutschland
Das Volkswagenwerk in Zwickau wurde
komplett auf E-Antriebe umgestellt.
Elektroantriebe bei BMW
In Ludwigsfelde wird von Mercedes-Benz ab
Mitte 2023 der eSprinter gebaut – mit der
Batterieproduktionsstätte von Microvast nur
wenige Kilometer entfernt. Microvast plant
zunächst eine Fertigungslinie aufzubauen. Als
Kapazität gibt der Batteriehersteller 15.000
bis 30.000 Batteriepacks und 250.000 bis
300.000 Batteriemodule an. Die vorgelagerte
Fertigung von Batteriezellen verbleibt zunächst
in China.
Batteriemodule werden von Mercedes auch
seit vielen Jahren in der 100-prozentigen
Tochter Deutsche Accumotive im sächsischen
Kamenz produziert. Und dann ist da noch
die Tesla Gigafactory in Brandenburg – die
größte Produktionsstätte für E-Fahrzeuge in
Deutschland.
Fotos: BMW Group, Volkswagen AG
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
26
WIRTSCHAFT+MARKT
MOBILITÄT
Lesen Sie den
ausführlichen Beitrag
auf W+M online
Das Bosch-Werk in Eisenach
Batterien : Ein neues Feld der
Zulieferindustrie
Aber auch für die Zulieferindustrie ist die
Batterieentwicklung interessant. Der Zulieferer
Bosch fertigt seine 48-Volt-Batterien
für Hybrid-Autos in Eisenach. Und die Firma
Dräxlmaier hat in Sachsenheim bei Stuttgart
bereits im Mai 2019 ein Produktionswerk für
das 800-Volt-Batteriesystem des Porsche
Taycan errichtet. Im Oktober 2020 feierte das
Unternehmen dann Richtfest seiner Produktionsstädte
nördlich von Leipzig, in die es
zirka 50 Millionen Euro investiert hat und
in dem rund 100 Mitarbeiter beschäftigt
werden sollen.
Lithium-Ionen-Zellen für E-Akkus investiert.
Und einen Großkunden hat CATL auch bereits :
Der bayerische Autobauer BMW ist über sein
chinesisches Joint Venture Brilliance an CATL
beteiligt. Den bisherigen Planungen zufolge
will BMW ein Drittel seines Akkubedarfs aus
deutscher Produktion decken.
Das Batteriegeschäft umfasst mehr
als nur die reine Produktion
Neben der Batteriezell- und Modulproduktion
haben sich auch andere Zuliefererdienste
eta bliert. So hat in Barleben die japanische
HORIBA Fuelcon GmbH 30 Millionen Euro investiert,
um ihren Standort mit Prüfständen
für Batterien und Wasserstoffbrennstoffzellen
auf 350 Mit arbeiter zu vergrößern. In Saarbrücken
betreibt die CTC advanced eine große
Prüfhalle für hoch kapazitive Li-Ionen-Batteriesysteme
und unterstützt Batterie- und Automobilhersteller
bei der Qualitätssicherung.
Ein weiteres Beispiel ist die Neways mit
Standorten in Neunkirchen/Saar und Erfurt,
die Batteriemanagementsysteme herstellt.
Immer mehr Zulieferer, die bisher keine Berührungspunkte
mit dem Thema Batterie hatten,
entdecken neue Geschäftsmöglichkeiten. So
bietet die WKW.Group aus Velbert ergänzend
zu ihrem traditionellen Angebot von Zier- und
Funktionsteilen nun auch Strukturbauteile
für Batterierahmen, Batteriekühlung und
Batterie gehäuse an. Die Woll Maschinenbau in
Saarbrücken entwickelt z.B. flexible Automatisierungsanlagen,
die eine intelligente
Produktion ermöglichen.
Kobaltfreie Batteriezellen zur industriellen
Serienreife zu bringen, gelang als Erstem der
SVOLT in Überherrn im Saarland. Dort werden
Lithium-Ionen-Batterien für Elektrofahrzeuge
sowie Energiespeichersysteme entwickelt und
produziert.
Auch die Altech Industries will im Lausitzer
Industriepark „Schwarze Pumpe“ einen
Produktionsstandort für die Beschichtung
von Hochleistungs-Lithium-Ionen-Batterien
errichten. Dazu sollen bis zu 500 Millionen Euro
in das Vorhaben investiert werden und rund
150 Arbeitsplätze entstehen. Etwa 50 Kilometer
weiter, in Schwarzheide, erreichtet die BASF
ihre Prototypanlage für das Batterierecycling
von Kathodenmaterialien.
Das chinesische Unternehmen CATL hat in
Arnstadt am Erfurter Kreuz rund 1,8 Milliarden
Euro in seine Zellenfabrik zur Herstellung von
Robotereinsatz bei der Batteriefertigung bei Bosch
Fotos: Robert Bosch GmbH
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
BATTERIEHERSTELLUNG
WIRTSCHAFT+MARKT27
Batterien bieten Chancen für
Startup-Unternehmen
Neue Chancen ergeben sich auch für innovative
Startup-Unternehmen wie z.B. das aus der
Schweiz kommende, 2019 im sächsischen
Döbeln angesiedelte Unternehmen Blackstone,
das mit seinem additiven Verfahren Batterieelektroden
und Separatoren für Lithium-Ionen-Batterien
in 3D drucken will, oder die
DENKweit GmbH aus Halle (Saale), die sich mit
der Qualitätskontrolle von Batteriezellen und
Batteriemodulen beschäftigt.
Ein interessantes Beispiel für die Zusammenarbeit
zwischen einem etablierten OEM
und einem Startup-Unternehmen stellt
die Cellforce Group GmbH dar, die Hochleistungs-Lithium-Ionen-Pouch-Zellen
für
Spezialanwendungen entwickelt und an der
die Porsche AG beteiligt ist. Interessant an
dieser Kooperation ist auch der dritte Partner
im Bunde. Denn die BASF wurde als exklusiver
Zellentwicklungspartner für die Lithium-Ionen-Batterien
der nächsten Generation ausgewählt.
BASF nimmt sich auch des Themas
Recycling an. Die Abfälle der zukünftigen
Cellforce Group Produktionsanlage werden
in einer BASF-Prototypen-Anlage für Batterie-Recycling
in Schwarzheide bearbeitet.
Lithium, Nickel, Kobalt und Mangan werden in
einem hydrometallurgischen Prozess recycelt
und wieder in den BASF-Produktionsprozess
für Kathodenmaterialien eingebracht.
Forschungsaktivitäten rund um
die Batterie
Auch im Forschungsbereich gibt es eine Reihe
von relevanten Playern wie das Batterieforschungszentrum
in Jena oder die Fraunhofer-Institute
in Dresden (IKTS und ISW).
In Münster hat im November 2021 die erste
Anlage des deutschen Batterieforschungszentrums
ihren Regelbetrieb aufgenommen.
Die Batterieforschung in Niedersachsen ist
wesentlich durch das Forschungszentrum
Battery Lab Factory Braunschweig (BLB) und
das Fraunhofer Projektzentrum ZESS mit
großer Expertise im Bereich der Batterieforschung
geprägt. Und in Stuttgart wurde 2021
das Zentrum für digitalisierte Batteriezellenproduktion
am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik
und Automatisierung (IPA)
eröffnet.
Mit der Lebensdauer von Batterien beschäftigt
sich ein Team an der Universität Halle um
Prof. Wolfgang Binder, das im Rahmen des
EU-Forschungsprojekts „Bat-4-Ever“ sogenannte
„selbstheilende Polymere“ entwickelt,
von denen man sich erhofft, dass sie die Speicherkapazität
von Lithium-Ionen-Batterien
erhöhen und die Lebensdauer verlängern. Mit
ähnlichen Themen beschäftigt sich die Bergische
Universität Wuppertal, die z. B. nicht nur
Alterungsprozesse von Batterien untersucht,
sondern in verschiedenen Projekten auch an
Fragen des Lademanagements sowie der
Integration von Fahrzeugbatterien als Pufferspeicher
forscht.
100 2032
Prozent bis
Neue Energie für eine starke Wirtschaft
Foto: XXX
50Hertz ist der Übertragungsnetzbetreiber im Norden und Osten Deutschlands und
sichert in diesen Regionen die Stromversorgung von 18 Millionen Menschen. Wir sind
führend bei der Integration Erneuerbarer Energien: In unserem Netzgebiet wollen wir
bis zum Jahr 2032 übers Jahr gerechnet 100 Prozent Erneuerbare Energien sicher in
Netz und System integrieren. Damit setzen wir ein klimapolitisches Zeichen und ein
Signal für eine starke Wirtschaft mit Zukunft.
50hertz.com
© Adobe Stock/Jens Ottoson
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
28
WIRTSCHAFT+MARKT
TRANSFORMATION
„WIR HABEN EIN RICHTIG
GUTES PROGRAMM AUF
DIE BEINE GESTELLT.“
W+M sprach mit der Veranstalterin des diesjährigen Ostdeutschen Wirtschaftsforums, Ute Weiland, über
den Stand der Vorbereitungen und was die Teilnehmer in diesem Jahr in Bad Saarow erwarten dürfen.
W+M : Frau Weiland, das OWF22 findet vom
12. bis 14. Juni 2022 wieder in Bad Saarow
statt. Das ist nicht mehr lange hin. Wie ist der
Stand der Vorbereitungen ?
Ute Weiland : Die gute Nachricht vorab : Wir
sind mit den Vorbereitungen sämtlicher Gewerke
im Zeitplan. Besonders freut mich, dass
wir bei der Planung unseres Programms schon
so weit fortgeschritten sind und die Zusagen
interessanter und hochkarätiger Redner und
Panelisten haben. Gleichzeitig darf man sich
bei der Organisation einer Veranstaltung
dieser Größenordnung und Tragweite nicht
ausruhen. Insofern laufen die Organisationsmaschine
und das Team dahinter bis zur
Eröffnung am 12. Juni und darüber hinaus
kontinuierlich auf Hochtouren. Die Entspannung
wartet hinterher.
W+M : Mit „Transformation gestalten“ steht
das OWF unter einem sehr relevanten Motto.
Was hat es damit auf sich ?
Ute Weiland : Der Osten Deutschlands hat
sich in den vergangenen 30 Jahren stark
verändert und viele gute Ideen hervorgebracht,
die entsprechende Aufmerksamkeit verdienen.
Insbesondere die ostdeutsche Wirtschaft
verfügt in ihrer DNA über eine ausgeprägte
Transformationskompetenz und damit über
ein echtes Asset für die Entwicklung des
Wirtschaftsstandorts Deutschland insgesamt.
Genau dies möchten wir zukünftig mit dem
OWF noch deutlicher herausarbeiten und im
Sinne der Konferenz und der Initiative zukünftig
noch deutlicher auf die gesamtdeutsche
Agenda setzen.
W+M : Welche Programmthemen sind aus
Ihrer Sicht besonders bedeutsam und was hat
es mit den Formaten DeepDives, Expert Labs
sowie den Ideensprints auf sich ?
Ute Weiland : Für eine erfolgreiche Konferenz
ist jeder einzelne Programmbaustein
entscheidend. Und ich denke selbstbewusst
vertreten zu können, dass wir im Team und
durch die Unterstützung aller Beteiligten ein
relevantes, ausgewogenes und richtig gutes
Programm auf die Beine gestellt haben. Es
wird auch einige Neuerungen geben, die sich
insbesondere in den Formaten DeepDive,
OWF-MOTTO 2022
Expert Labs sowie den Ideensprints niederschlagen.
„TRANS-
FORMATION
GESTALTEN“
Mit den DeepDives fokussieren wir die interne
Perspektive der ostdeutschen Wirtschaft. Hier
sollen zu drei relevanten Themen in Workshops
mit Hilfe einer konkreten Fragestellung fünf
zentrale Thesen erarbeitet werden.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
OWF
WIRTSCHAFT+MARKT29
OWF-VERANSTALTERIN
UTE WEILAND
Die Expert Labs beziehen die Außenperspektive
ein und lassen unterschiedliche Experten
mit wertvollen Impulsen zu Wort kommen. Im
Rahmen der Ideensprints werden besonders
relevante Innovationen aus Ostdeutschland
den Konferenzteilnehmern kurz und prägnant
vorgestellt.
Über alle Formate hinweg ist es uns dabei
wichtig, dass die Perspektive der Teilnehmenden
von der Konferenz aufgegriffen wird
und in die jeweiligen Diskussionen unmittelbar
einfließen kann. Hierfür sind alle Bedingungen
– zeitlich und technisch – gegeben.
W+M : Mit der Übernahme des OWF.ZUKUNFT
von Land der Ideen hat sich auch gestalterisch
etwas getan. Was ist noch geplant ?
Ute Weiland : Eine Konferenzreihe, die für
sich in Anspruch nimmt, wichtige Transformationsprozesse
und Zukunftsfragen zu
verhandeln, muss sich von Zeit zu Zeit auch
selbst in den Blick nehmen und dabei immer
wieder auf den Prüfstand stellen. Über die
inhaltlichen und programmatischen Weichenstellungen
haben wir an dieser Stelle ja bereits
gesprochen. Wir haben darüber hinaus auch
das Erscheinungsbild etwas angepasst und
die zu verhandelnden Transformationsprozesse
deutlicher herausgestellt.
Und da wir bei der Programmplanung mit
einer solchen Fülle an Themen zu tun hatten,
wird es künftig auch unterjährig mit unseren
Partnern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft
Satellitenveranstaltungen an unterschiedlichen
Standorten in Ostdeutschland
geben. So können wir Themen für das OWF23
frühzeitig identifizieren und erproben.
W+M : Wie steht es um den Preis des Ostdeutschen
Wirtschaftsforums VORSPRUNG ?
Ute Weiland : Den VORSPRUNG wird es
selbstverständlich auch in diesem Jahr ge
geben. Und ich kann nur sagen, dass es allen
Beteiligten, insbesondere auch der Jury sehr
viel Freude bereitet hat die Gewinner zu ermitteln.
Es ist unglaublich, wie viele innovative
Unternehmen es im Osten gibt, von denen
man noch nie etwas gehört hat. Das wollen
wir mit dem VORSPRUNG ändern. Besonders
hat mich gefreut, dass Staatsminister
Carsten Schneider die Schirmherrschaft für
den VORSPRUNG in diesem Jahr übernommen
hat und die Preisträger zur Verleihung offiziell
ins Bundeskanzleramt geladen hat. Natürlich
spielen diese auch auf der Konferenz eine
Rolle und werden den Teilnehmenden noch
einmal persönlich vorgestellt.
W+M : Worauf freuen Sie sich am meisten ?
Ute Weiland : Ganz ehrlich ? Als Veranstalterin
natürlich, wenn alles gut geklappt hat und
man sich hinterher über ein erfolgreiches
OWF 2022 freuen kann. Und bis es so weit ist
auf alles, was bis dahin noch kommen mag.
Foto: Bernd Brunnert
Lesen Sie das
ausführliche Interview
auf W+M online
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
30
WIRTSCHAFT+MARKT
TRANSFORMATION
THINK BIG:
WIE OSTDEUTSCHLAND
GEMEINSAM WACHSEN KANN
Image, Internationalisierung und Fachkräfte – dies sind die entscheidenden Stellschrauben für eine erfolgreiche
Transformation in Ostdeutschland. Das jüngste Beispiel: die Ansiedlung der MegaFab von Intel in Magdeburg.
VON THOMAS EINSFELDER, GESCHÄFTSFÜHRER DER INVESTITIONS- UND
MARKETINGGESELLSCHAFT SACHSEN-ANHALT MBH (IMG).
GGroßes beginnt oft im Kleinen. Als das Unternehmen
Intel im März 2021 bei der GTAI in
Berlin nach möglichen Standorten für seine
MegaFab anfragte, ahnten wir in Sachsen-Anhalt
noch nicht, dass sich dies zu einem der
größten Wirtschaftsdeals unserer Geschichte
entwickeln würde. Auf Bitten unserer Partner
in der Wirtschaftsförderung auf Bundesebene,
Germany Trade and Invest (GTAI), taten wir
zunächst das, was wir in so einem Fall immer
tun : eng abgestimmt und diskret mit allen
entscheidenden Akteuren zusammenarbeiten,
dem Investor genau zuhören und die Erkenntnisse
über die Bedürfnisse des Unternehmens
in ein überzeugendes Konzept gießen. In diesem
Fall war es die Idee einer Intel-City – das Bild
eines wachsenden Wirtschafts-Ökosystems,
in dem nicht nur Produktion und Wertschöpfung
betrieben werden, sondern ein pulsierender,
internationaler Ort entsteht, der Fachkräfte
anzieht und eine besondere Lebensqualität
bietet. Es scheint, als konnten wir mit dieser
Idee erfolgreich punkten.
Sie gelingt über die Vermarktung der Region
Ostdeutschland als Ganzes, denn die Stärken
sind gut verteilt und ergänzen sich. Erfolge
sind gemeinsame Erfolge und spiegeln sich
im Image der gesamten Region wider. Insbesondere
bei Themen wie der Mobilität der
Zukunft, der Energiewende, der Bioökonomie
und der Pharmaindustrie zählt Ostdeutschland
bereits zu den Vorreitern. Erfolgreich „eingeworbene“
große Ansiedlungsprojekte wirken
wie Gütesiegel für die Region und verstärken
die Investitionsanfragen.
Zukunftsweisend ist das Miteinander in
Ostdeutschland schon länger, etwa bei der
länder übergreifenden Kooperation der Metropolregion
Mitteldeutschland mit ihren
starken Forschungsstandorten oder
auch bei dem gemeinsamen
Imagegewinn für Ostdeutschland
Die „Silicon Junction“, wie Intel-CEO Pat Gelsinger
die Ansiedlung in Magdeburg nennt,
wird über die Landesgrenzen hinausstrahlen,
auch was Zulieferbetriebe und Folgeansiedlungen,
Fachkräfte und Logistik betrifft.
Bewältigt werden kann diese umfassende
Transformation nur durch ein kooperatives
Miteinander aller angrenzenden Bundesländer.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
WACHSTUM
WIRTSCHAFT+MARKT31
Foto: Andreas Lander
Wasserstoff-Netzwerk HYPOS, das an bestehende
Infrastruktur und Expertisen andockt
und das Thema grünen Wasserstoff vorantreibt.
Mit Strahlkraft, denn die in Sachsen-Anhalt
traditionsreichen Branchen Maschinenbau
und Chemieindustrie sind ebenfalls im Wandel
begriffen und begeben sich mit einem grüner
Fußabdruck und innovativen Konzepten auf
den Weg in ein neues Zeitalter. Dies gilt ebenso
für länderübergreifende Clustermanagements
sowie für die Unterstützung ansässiger mittelständischer
Firmen bei der internationalen
Markterschließung und im Technologietransfer.
Länderübergreifende Kooperation
Ein gutes Beispiel für einen länderübergreifenden
Knotenpunkt, der als Nucleus für Ansiedlungen
weit über seine infrastrukturelle Funktion
hinauswächst, ist der Flughafen Leipzig/Halle.
Ende Mai haben daher die Investitions- und Marketinggesellschaft
Sachsen-Anhalt mbH (IMG)
und die Wirtschaftsförderung Sachsen (WFS)
mit der Mitteldeutschen Flug hafen AG eine
Kooperationsvereinbarung geschlossen. Deren
Ziel ist es, die Attraktivität der „Airport-Region
Leipzig/Halle“ als Investitionsstandort zu
untermauern, weitere Unternehmen und
Organisationen anzusiedeln und Arbeits plätze
zu schaffen, um die Wertschöpfung in der
Region zu steigern.
Die Basis hierfür bildete eine Ende 2020 von
der IMG in Auftrag gegebene Studie, die durch
den Dienstleister OCO Global erstellt wurde. In
der Studie, die auf Basis von eingehenden Recherchen
und Befragungen u.a. von Bestandsunternehmen
und Wirtschaftsförderungen
in der Region entwickelt wurde, werden klare
Empfehlungen zur zukünftigen internationalen
Marktbearbeitung durch die IMG im Hinblick
auf Ziel-/Quellmärkte und zu adressierende
Schwerpunktbranchen gegeben. Demnach
ergeben sich hinsichtlich der Stärken des
Standorts, des internationalen Investitionsgeschehens
und des Bezugs zur Infrastruktur
rund um den zweitgrößten Frachtflughafen in
Deutschland für die Branchen Biotechnologie
& Pharma und die chemische Industrie die
vielversprechendsten Ansiedlungspotenziale
für die Region.
Spätestens hier wurde aber auch deutlich,
dass gerade im internationalen Kontext ein
gemeinsames länderübergreifendes Auftreten
der Airport Region wesentlich erfolgversprechender
ist. Für die Wirtschaftsförderungen
ergeben sich in den Themenfeldern Flächenvermarktung
und Services für Unternehmen
wertvolle Synergien. Offen für neue Partner,
wird diese Kooperation auch einen wesentlichen
Beitrag zu neuen Perspektiven in
der mitteldeutschen Strukturwandelregion
leisten.
Fachkräfte gewinnen und halten
Im Bereich der Wirtschaftsförderung unterstützen
wir Projekte wie diese durch systematische,
partnerschaftliche Kooperation. Dabei
ist die Haltung der Partner entscheidend, Probleme
gemeinsam zu lösen und so gemeinsam
zu wachsen.
„Erfolgreich eingeworbene
große Ansiedlungsprojekte wirken
wie Gütesiegel für die Region und
verstärken die Investitionsanfragen.“
Thomas Einsfelder
Mit der Ausweitung unserer Tätigkeiten auf
Felder wie Fachkräfte, Gewerbeflächen und
Digitalwirtschaft arbeiten wir daran, die
Grundlagen für eine weitere Entwicklung
zu sichern. Vor allem das Thema Fachkräfte
haben wir als IMG erkannt und uns daher
frühzeitig im Bereich Talentservice verstärkt –
ein Ansatz, der weitere Partner wie Universitäten
oder die Bundesagentur für Arbeit
einbezieht. Fragen der Personalrekrutierung
und -verfügbarkeit waren beispielsweise auch
beherrschendes Thema in einer der finalen
Verhandlungsrunden mit Intel.
Standortvorteil Lebensqualität
Apropos Fachkräfte : Ein nicht zu unterschätzender
Erfolgsfaktor bei der Talentakquise
ist das Lebensumfeld. Infrastrukturelle
Gegebenheiten, Lebenshaltungskosten und
die Verfügbarkeit von bezahlbarem Wohnraum
oder naturräumliche Aspekte haben
an Bedeutung gewonnen. Ein Bundesland
wie Sachsen-Anhalt hat dabei viel zu bieten :
Lebenswerte Städte, einige der schönsten
Parks und Gärten Deutschlands, die größte
Dichte an Welterbestätten, Kulturangebote
und Hochkultur im Bereich Musik und Kunst
sind Aspekte, die nicht nur im Tourismusbereich
zählen, sondern zu Standortvorteilen für
Fachkräfte werden. Auch hier zeichnet sich ein
neuer Trend ab, denn das Landleben feiert sein
digitales Comeback.
Daher freut es mich, in dieser Hinsicht auf
unserer 2021 geschlossenen Kooperationsvereinbarung
mit der Wirtschaftsförderung
Brandenburg (WFBB) „Smart Country links
und rechts der Elbe“ aufbauen zu können. Das
östliche Sachsen-Anhalt und das westliche
Brandenburg sind Wirtschaftsregionen mit
starkem Zukunftspotenzial und ähnlichen
Gegebenheiten. Wir betrachten diese Räume
als Smart Country, die wir künftig länderübergreifend
in Brandenburg und Sachsen-Anhalt
unterstützen wollen.
Dank Digitalisierung eröffnen sich neue Pers
pektiven in den ländlichen Räumen – ganz
gleich ob für innovative Startups, etablierte
Unternehmen oder neue digitale Orte. Akteure
vor Ort, CoWorker, Rückkehrer und Zuwanderer
erwecken Bauernhöfe, Bahnhöfe und Fabrikgelände
zu neuem Leben. In unserer Kooperationsvereinbarung
sind Themen wie Vernetzung,
Projektunterstützung sowie Vermarktung als
gemeinsame Ziele aufgeführt. Und wir sind stolz
darauf, dass es zunehmend gelingt, gemeinsam
die Potenziale unserer „Kreativorte im Grünen“
überregional sichtbar zu machen.
Das Jahr 2022 ist ein guter Zeitpunkt, um
über den Tellerrand hinauszuschauen. Die
Trans fo r mation des Wirtschaftsstandortes
Ost deutschland ist in vollem Gange. Große
Aufgaben wie die Energiewende müssen Schritt
für Schritt gemeinsam bewältigt werden. Das
Re-Shoring nimmt aufgrund der weltweiten
Krisen Fahrt auf und beschert uns neue Chancen.
Die Dimensionen der jüngsten Hightech-Ansiedlungen
in Ostdeutschland sind enorm. Und
damit wachsen die Herausforderungen, auch
an die Wirtschaftsförderungseinrichtungen über
alle Ebenen hinweg. Ich bin davon überzeugt,
dass wir diese nur mit einem vertrauensvollen,
kooperativen Umgang – über Bundesländergrenzen
hinweg – werden meistern können.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
32
WIRTSCHAFT+MARKT
TRANSFORMATION
OSTDEUTSCHLANDS
CHEMIEINDUSTRIE
IM AUFBRUCH
Auch die ostdeutsche Chemie- und Pharmaindustrie steht vor einer Zeitenwende.
Die aktuelle Rohstoffkrise fordert sie ebenso wie der Weg zur Klimaneutralität
von morgen. Doch an den traditionsreichen Standorten in Leuna oder Schwarzheide
hat der Umbau der Chemieindustrie längst begonnen.
VON MATTHIAS SALM
Der BASF-Standort in Schwarzheide
Foto: BASF Schwarzheide GmbH
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
CHEMIEINDUSTRIE
WIRTSCHAFT+MARKT33
Etwa 95 Prozent aller Industrieerzeugnisse in
Deutschland sind direkt auf den Einsatz von
Produkten der Chemie- und Pharmaindustrie
angewiesen. Es sind Erzeugnisse des täglichen
Bedarfs : Von Autos über Computerchips bis
hin zu Wasch- und Reinigungsmitteln – ihre
tägliche Verfügbarkeit hängt unausweichlich
davon ab, dass die Leistungsfähigkeit der
chemischen Industriebetriebe in Deutschland
erhalten bleibt.
Damit rückt die Branche in diesen Tagen gleich
in zweierlei Weise in den Mittelpunkt. Auf der
einen Seite zählen die chemischen Betriebe zu
den Industrieunternehmen, die besonders auf
den Einsatz von Öl und Gas aufgebaut sind. Für
die Chemikalienproduktion ist Erdgas beispielsweise
bei weitem der wichtigste Energieträger.
Rund ein Zehntel des in Deutschland zur Energie
erzeu gung verwendeten Erdgases strömt
gegenwärtig in die energieintensiven Anlagen
der Chemie.
Zugleich fungiert Erdgas auch als wichtiger
Rohstoff : 2,8 Millionen Tonnen verwendet die
Chemieindustrie pro Jahr direkt in der Produktion.
Besonders die ostdeutsche Chemiewirtschaft
blickt deshalb mit besorgtem Blick auf
die gegenwärtige weltpolitische Lage und die
dadurch heraufbeschworene Energiekrise,
denn sie bezog ihr Öl und Gas bisher nahezu
ausnahmslos aus Russland. Dazu belasten
die immens gestiegenen Energie- und
Rohstoff kosten sowie gestörte Lieferketten
die Unternehmen in einem solchen Ausmaß,
dass einige bereits ihre Produktion jüngst
sogar zurückfahren mussten.
Dies kann die ostdeutsche Wirtschaft naturgemäß
nicht kalt lassen, denn die chemisch-pharmazeutische
Industrie zählt zu den wichtigsten
Säulen der wirtschaftlichen Kraft zwischen
Ostsee und Erzgebirge. Mag der Blick auch
oft auf die Großkonzerne wie BASF oder Bayer
fallen, so besteht die Basis der Ostchemie
laut Landesverband Nordost des Verbands
der Chemischen Industrie (VCI) zu 95 Prozent
aus kleinen und mittleren Unternehmen. Im
Vergleich : Ostdeutsche Chemiebetriebe
beschäftigen im Durchschnitt 140 Mitar -
beiter, westdeutsche 250. Aber im Vergleich
zur gesamten ostdeutschen Industrie (90 Mitarbeiter
pro Betrieb) gehört die Chemieindustrie
in den ostdeutschen Bundesländern
zu den wichtigsten Arbeit gebern im
Industriesektor.
Rund 54.500 Beschäftigte haben ihren
Arbeits platz in der Ostchemie. Ein Drittel
davon entfällt auf den traditionellen Standort
Sachsen-Anhalt, ein Fünftel auf Sachsen.
Produziert werden vor allem Pharmazeutika
und chemische Grundstoffe, darüber hinaus
Wasch- und Körperpflegemittel, Lacke und
Farben sowie Chemiefasern. Damit generierte
die im Übrigen besonders export orientierte
Ostchemie 2021 einen Umsatz von
rund 30 Milliarden Euro.
Nun tritt die chemische Industrie in einen bisher
nicht bekannten Transformationsprozess : Die
Herausforderungen des Klimaschutzes, der
Ausbau der Kreislaufwirtschaft, die Energiewende
inklusive des Ausstiegs aus der
ostdeutschen Kohleförderung, die Möglichkeiten
der Digitalisierung und der gravierende
Fachkräftemangel erfordern große Anstrengungen
der Branche, um ihre Zukunftsfähigkeit
zu sichern. Konkret muss die Recyclingfähigkeit
der Produkte maximal erhöht und
gleichzeitig müssen die fossilen Ausgangsstoffe
durch erneuerbare ersetzt werden.
Die Chemiebranche in Deutschland hat längst
Pläne erarbeitet, wie sie bis 2050 klimaneutral
produzieren könnte. Manche Chemieunternehmen
setzen sogar auf ambitioniertere Ziele
und sind überzeugt davon, schon im Jahr
2030 oder 2040 ihre Produkte klimaneutral
fertigen zu können.
75 Prozent der CO 2 -Emissionen der chemischen
Industrie werden bei der Herstellung
der Grundchemikalien Chlor, Ammoniak und
Harnstoff, Methanol, bei den Olefinen Ethylen,
Propylen und Butadien sowie den Aromaten
Benzol, Toluol und Xylol ausgestoßen. Sie
bilden die Ausgangsstoffe für die Synthese
aller weiteren chemischen Produkte. Um die
Chemieindustrie nachhaltig zu dekarbonisieren,
müssen neue Technologien und Prozesse zur
Herstellung der Grundchemikalien implementiert
werden : Alternative Rohstoffe für die
Herstellung der Grundchemikalien, den Einsatz
von grünem Wasserstoff, die direkte Nutzung
von Strom zur Erzeugung von Prozesswärme
und das chemische Recycling von Sekundärrohstoffen
im Bereich der Kunststoffe nennt
der VCI als Modernisierungsschritte in seiner
Roadmap zur Klimaneutralität.
Ostdeutsche Chemie investiert
massiv
Der Umbau der ostdeutschen Chemiewirtschaft
hat aber längst begonnen. Das belegen
auch die zahlreichen Investitionen in jüngster
Zeit. In Schwarzheide investiert BASF in
seine Produktionsanlage für Kathodenmaterialien,
um künftig Zellhersteller und
Automobilkunden mit Kathodenmaterialien
mit hoher Energiedichte zu beliefern. Mit dem
gleichzeitigen Einstieg in den Recyclingprozess
soll der CO 2 -Fußabdruck der Fertigung
der Kathodenmaterialien um insgesamt bis
zu 60 Prozent gesenkt werden. Mehr als 180
Arbeitsplätze entstehen an dem traditio nellen
Chemieindustrie wichtiger
Wirtschaftsfaktor
Foto: BASF Schwarzheide GmbH
Der Bau der BASF-Anlage für Kathodenmaterialien in Schwarzheide macht gute Fortschritte.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
34
WIRTSCHAFT+MARKT
TRANSFORMATION
die automatisierte Sichtprüfung. Die neuen
Produktionseinheiten bei IDT in Sachsen-Anhalt
dienen der Herstellung von Impfstoffen und
Biopharmazeutika. Durch die Investition wird
IDT einer der größten Produk tionsstandorte
für Impfstoffe in Europa.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Ministerpräsident
Reiner Haseloff zu Besuch bei der Firma UPM in Leuna
Chemiestandort. Gleichzeitig baut BASF seine
Infrastruktur in Schwarzheide aus – inklusive
des Baus eines Solarparks zur grünen
Energieversorgung.
Auch am Chemie-Standort Leuna wird kräftig
in die zukünftige Gestaltung der chemischen
Produktion investiert. Für rund 1,3 Milliarden
Euro wird in Leuna zurzeit von Unternehmen
wie Linde, UPM oder Topas an neuen Anlagen
gebaut. Heraus ragen die Bioraffinerieanlage
des finnischen Konzerns UPM und der weltweit
größte Elek trolyseur der Linde AG.
UPM errichtet für knapp 550 Millionen Euro
die erste Bioraffinerieanlage in Deutschland
und zugleich die größte weltweit. Dort sollen
aus Holz statt aus Erdöl Chemikalien für die
Kunststoffherstellung entstehen. Die Anlage
steht im Kern eines Clusters für die Produktion
nachhaltiger, erneuerbarer Chemikalien in
Sachsen-Anhalt.
„Mit der UPM-Bioraffinerie und unseren inno vativen
Forschungseinrichtungen legen wir einen
Grundstein für den Aufbau eines Clusters für
nach haltige Chemie hier in der Region. Damit
eröffnen sich ganz neue Perspektiven für die
Weiterentwicklung der Chemie an unserem
Standort Leuna“, erklärt InfraLeuna-Ge schäftsführer
Dr. Christof Günther angesichts der
In vestition.
neutrale Industrie der Bioökonomie und Biochemie
entstehen. Auf der Hochhalde Leuna
soll zudem ein Solarpark aus der Taufe gehoben
werden. Es wäre dann das größte derartige
Projekt in der deutschen Chemie industrie.
Der Elektrolyseur der Linde AG soll ab Sommer
2022 schrittweise in Betrieb gehen und 3.200
Tonnen grünen Wasserstoff mit zertifiziertem
Ökostrom pro Jahr herstellen. Das passt zu den
Plänen der Landesregierung Sachsen-Anhalts,
das Land zu einer Wasserstoff-Modellregion
zu entwickeln.
Die Total-Raffinerie in Leuna setzt ebenfalls
auf neue Technologien, um das Methanol in
Leuna weitgehend klimaneutral herzustellen.
Künftig soll das Alkohol-Produkt mit grünem
Wasserstoff und mit ohnehin im Raffinerieprozess
anfallendem CO 2 hergestellt werden.
Mit der innovativen Herstellung von synthetischem
Methanol sollen Erdöl und Erdgas
ersetzt werden.
Chemieindustrie wächst weiter
Der Chemie- und Pharmasektor in Ostdeutsch
land rüstet aber nicht nur seine
Prozesse auf Nachhaltigkeit um, sondern
wächst parallel auch weiter. Auch andere
Unternehmen mo derni sieren gerade ihre
Produktion.
Auch die Bayer AG modernisiert und erweitert
ihren Pharma-Produktionsstandort in der
Chemiestadt Bitterfeld mit Gesamtinvestitionen
von rund 100 Millionen Euro und die
Chemiewerk Bad Köstritz GmbH hat 21 Mil
lionen Euro in die Hand genommen, um eine
Anlage zur Herstellung von Schwefeldioxyd
und Schwefelsäure zu errichten. Diese Anlage
ist die größte Ein ze linvestition seit Jahrzehnten
für die Chemiewerk Bad Köstritz GmbH.
Nahezu vollautomatisch werden hier nun die für
das Chemiewerk zur Produktion von Kieselsäure,
Thiosulfaten und Sulfiten benötigten
Stoffe Schwefelsäure und Schwefeldioxid hergestellt.
Auch das Chemiewerk Bad Köstritz
leidet unter den weltweit gestörten Lieferketten,
verspäteten und verteuerten Seefrachten
und steigenden Energie- und Rohstoffkosten.
Deshalb will sich das Unternehmen verstärkt
nun auch dem Thema Eigenstromerzeugung
widmen.
InfraLeuna ist Betreiber der Infra struk tur einrichtungen
am Chemie standort Leuna. Der
setzt auf Ausweitung und Modernisierung, so
werden etwa die Gleisanlagen im Chemiepark
auf den neuesten Stand gebracht. Darüber
hinaus soll am Industriegebiet Merseburg-Süd
zusätzlich ein neuer Industriepark in der Größe
von 150 Hektar Ansiedlungsfläche für klima
Die IDT Biologika in Dessau-Roßlau etwa
erweitert derzeit die Pro duk tionskapazi täten.
IDT investiert seit mehreren Jahren in den
Pharmastandort und steigert seine Herstellkapazitäten.
Das schafft rund 350 Arbeitsplätze
sowie neue Räumlichkeiten für die
Wirkstoffherstellung, aseptische Flüssigkeitsabfüllung,
Verpackungsmöglichkeiten und
IDT Biologika ist ein führender
Impfstoffhersteller.
Fotos: InfraLeuna GmbH, IDT Biologika
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
THEMA
WIRTSCHAFT+MARKT35
MARKT
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W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
36
WIRTSCHAFT+MARKT
TRANSFORMATION
DIE KOHLE GEHT – DER
WANDEL KOMMT
Das Investitionsgesetz Kohleregionen stellt für die deutschen Braunkohleregionen Strukturhilfen
von bis zu 40 Milliarden Euro zur Verfügung. Davon profitiert vor allem die Lausitz. Im letzten Jahr
flossen allerdings weniger Mittel als geplant. Dabei stehen gerade in Brandenburg anspruchsvolle
Projekte auf dem Plan.
VON MATTHIAS SALM
BBeim Wettstreit um die führende Boomtown
Deutschlands geraten neuerdings nicht
mehr wie gewohnt Berlin oder Leipzig in den
bagger ins Flöz gruben, um das Kraftwerk
Jänschwalde mit dem Grubengold zu versorgen,
sollen sich künftig Einheimische und Touristen
gleichermaßen vergnügen. Ein Stadtquartier
in Wassernähe, Häfen in Cottbus und der Gemeinde
Teichland für die Freizeitkapitäne und
eine bis zu 18 Hektar große schwimmende
Solar-Anlage des Energieunternehmens LEAG
als Beitrag zum Ausbau der erneuerbaren
Energien in der Lausitz sind rund um und
auf dem Ostsee geplant.
Infozentrum stellt Projekte vor
Über solche und ähnliche Projekte informiert
seit kurzem ein neues Infozentrum am Cottbuser
Hauptbahnhof. Auf 150 Quadratmetern
präsentieren dort das Land Brandenburg,
die Stadt Cottbus und die Deutsche Bahn
die Palette der Maßnahmen, die das künftige
Gesicht der Lausitz nach dem Kohleausstieg
prägen sollen. Dazu gehört vor allem das
neue Instandhaltungswerk der Deutschen
Bahn für ICE-4-Züge, das bereits ab 2024
vorzeitig in Betrieb gehen wird – am Standort
des bisherigen DB-Instandhaltungswerks in
der zweitgrößten Stadt Brandenburgs.
Der Neubau von zwei Instandhaltungshallen
für elektrische Triebzüge für den Hochgeschwindigkeitsverkehr
und der Umbau der
Fokus, sondern das Zentrum der brandenburgischen
Lausitz, Cottbus – jedenfalls,
wenn man das Internet befragt. Denn die
Domain „boomtown.de“ führt den Besucher
direkt auf ein Infoportal, auf dem sich Cottbus
nicht nur als Europas Modellstadt für Klimaschutz,
Nachhaltigkeit und Wachstum rühmt,
sondern auch gleich nach qualifiziertem
Personal für die Umsetzung seiner Zukunftsvisionen
sucht.
Und Boomtown ist nicht der einzige Titel,
mit dem sich Cottbus dieser Tage schmückt :
Modellstadt, Smartcity, Digitalstadt – fast
möchte der flüchtige Betrachter glauben,
die Lausitzer hätten ihr Zentrum gleich noch
an die Gestade der Ostsee verpflanzt. Bei
genauerem Hinsehen handelt es sich aber
um den Strand des Ostsees – dem größten
künstlich angelegten Gewässer Deutschlands
im ehemaligen Tagebau Cottbus-Nord.
Durch das Fluten mit Spreewasser soll hier
bis Mitte der 2020er-Jahre aus dem vormals
kleinsten aktiven Tagebau der Lausitz
Branden burgs größtes Binnengewässer auf
1.900 Hektar entstehen. Wo sich einst seit
Beginn der 1980er-Jahre Jahre die Braun kohlederzeitigen
Kompakthalle für die Revision von
Hybridlokomotiven gelten als Hoffnungs träger
in der Region. Hoffnung auf neue Arbeitsplätze,
von denen die Deutsche Bahn an die 1.200,
allesamt Industriearbeitsplätze, verspricht.
Die Großinvestition ist eines der Zukunftsprojekte,
die auf Basis des Investitionsgesetzes
Kohleregionen finanziert werden. Es erfüllt noch
am ehesten die Zielsetzung, den Wegfall der
Arbeitsplätze in der Braunkohle zu kompensieren.
Im Bahnwerk sollen Industriemechaniker,
Mechatroniker oder Elektroniker, die bisher
beim Braunkohle-Konzern LEAG in Lohn und
Brot standen, eine berufliche Zukunft finden.
Universitäts medizin für Cottbus
Rund zwei Kilometer vom DB-Bahnwerk
entfernt liegt eine weitere Keimzelle des
Strukturwandels – die Brandenburgische
Technische Universität Cottbus-Senftenberg
(BTU). Dort plant Brandenburg den Aufbau
einer Universitätsmedizin.
Das Innovationszentrum Universitätsmedizin
Cottbus (IUC) soll den Mittelpunkt der
Modellregion Gesundheit Lausitz bilden. Denn
neben moderner Industrie und innovativer
Wirtschaft sollen Wissenschaft und Forschung
eine weitere Säule des Strukturwandels in der
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
BRAUNKOHLE
WIRTSCHAFT+MARKT37
Brandenburgs Wirtschaftsminister Prof. Dr. Jörg Steinbach (3.v.l .) bei der Eröffnung des Infozentrums Cottbus
Foto: Deutsche Bahn AG / Lisa Rolle
Lausitz formen. Eine Expertenkommission
hat empfohlen, an der BTU eine Medizinische
Fakultät zu gründen und das kommunale
Carl-Thiem-Klinikum Cottbus zu einem
Universitätsklinikum und zu einem „Digitalen
Leitkrankenhaus“ auszubauen.
Ministerpräsident Woidke zeigt sich von dem
Vorhaben überzeugt : „Der Aufbau einer
staatlichen Universitätsmedizin in Cottbus
ist – neben dem Bahnwerk – das ambitionierteste
Projekt für die Lausitz im Rahmen des
Kohleausstiegs.” Konkret veranschlagen die
Brandenburger ein Arbeitsplatzpotenzial für die
geplante Unimedizin von 1.600 Arbeitsplätzen.
Doch damit nicht genug : In den nächsten
Jahrzehnten wird universitätsnah im Nordwesten
der Stadt der Lausitz Science Park
als ein weiteres Schlüsselprojekt entstehen.
Inhaltlich soll sich im Science Park alles um die
Energie wende, die Themen Gesundheit und
Life Science, die globalen Transformationsprozesse
sowie die Künstliche Intelligenz und
Sensorik drehen. Eine Reihe von Unternehmen,
u.a. BASF, Tesla, Deutsche Bahn, LEAG
und Rolls-Royce, haben ihr Interesse bereits
bekundet.
Auch beim Thema Mobilität ist Cottbus in
Bewegung geraten : mit der Errichtung des
CHESCO (Center for Hybrid Electric Systems
Cottbus) und der Ansiedlung der Forschungseinrichtungen
der Fraunhofer-Gesellschaft
sowie des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt (DLR). Allein für das CHESCO-Projekt
stehen bis 2026 238 Millionen Euro bereit.
In dem Forschungs- und Kooperationszentrum
sollen klimafreundliche Flugantriebe für
Kurz- und Mittelstrecken geplant, getestet
und umgesetzt werden. Ein solches Zentrum
zur Entwicklung und Erprobung emissionsarmer
Antriebe gilt als einzigartig in Europa. Bis zu
400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen
am CHESCO arbeiten.
Auch das DLR hat mit seinen Standortentscheidungen
ein Zeichen für die Lausitz gesetzt.
Mit dem 2019 gegründeten DLR-Institut für
CO 2 -arme Industrieprozesse und dem jüngst
eingeweihten Institut für Elektrifizierte
Luftfahrtantriebe mit den Schwerpunkten
umweltverträgliche Mobilität, alternative
Treibstoffe, innovative Antriebe und elektrisches
Fliegen wurde der Forschungsstandort
Cottbus bereits enorm aufgewertet.
Mittel vom Bund und vom Land
Die Strukturentwicklung in der Lausitz
wird über zwei Förderzweige des Strukturstärkungs
gesetzes des Bundes finanziert.
Einmal stehen Brandenburg Finanzhilfen in
Höhe von 3,6 Milliarden Euro zur eigenen
Verwendung zur Verfügung. Sie fließen in das
„Lausitzprogramm 2038“ und auf der Grundlage
eines von der Wirtschaftsregion Lausitz
GmbH (WRL) gestalteten Werkstattprozesses.
Im zweiten Weg fördert der Bund mit mehr als
6,7 Milliarden Euro eigene Maßnahmen in den
Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Infrastruktur
– wie das ICE-Instandhaltungswerk,
das Innovations zentrum Universitätsmedizin
Cottbus, den Lausitz Science Park, die Technologieinitiative
Hybrid-Elektrisches Fliegen
oder wichtige Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen.
In Brandenburg sollen 75 Prozent
der gebundenen Fördermittel für die Bereiche
Wirtschaft, Forschung und Fachkräfte und
rund 25 Prozent für die so genannten weichen
Standortfaktoren aufgewendet werden.
Cottbus ist natürlich nicht der einzige Profiteur
des Strukturwandels. Brandenburg finanziert
beispielsweise auch die Erweiterung des
Industrieparks Schwarze Pumpe, um dort
weitere Ansiedlungen von Unternehmen zu
generieren. Denn bei allen staatlichen Investitionen
darf nicht vergessen werden, dass in
erster Linie Unternehmen den Strukturwandel
in den Braunkohleregionen tragen müssen.
Das gilt sowohl für die Bestandsunternehmen
in der Lausitz als auch für neue Player wie die
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
38
WIRTSCHAFT+MARKT
TRANSFORMATION
Altech Chemicals Limited. Das Unternehmen
will am Standort Schwarze Pumpe ab 2023
Aluminiumoxid produzieren und etwa 150 Arbeitsplätze
schaffen. Ab August 2022 ist die
Errichtung einer Pilotanlage in der Werkhalle
des Dock 3 Lausitz geplant, um Anodengraphit
herzustellen. Dieses wird mit hochreiner
Keramik beschichtet für Lithium-Ionen-Batterien
verwendet. Davon verspricht sich
das Unternehmen eine längere Lebensdauer
und eine höhere Leistungsfähigkeit für die
Batterien. Die Wahl fiel auf die Lausitz, so
der malaysische Investor, weil die Lage in der
Nähe der Technologiestandorte Berlin und
Dresden mit seinen namhaften Forschungsinstitutionen
vielversprechend sei.
Auch der deutsche Chemiekonzern BASF
weitet sein Engagement in der Lausitz aus
und wird in Schwarzheide eine Anlage für
Kathodenmaterialien und eine Prototypanlage
für das Batterierecycling errichten. Die neue
Anlage für Kathodenmaterialien stattet BASF
mit weltweit führender Prozesstechnologie
aus. Pro Jahr sollen rund 400.000 vollelektrische
Fahrzeuge mit BASF-Batteriematerialien
versorgt werden. Das deutsch-kanadische
Rohstoffunternehmen Rock Tech Lithium
plant unterdessen in Guben, den europaweit
ersten Lithiumhydroxid-Konverter zu bauen.
Auch Lithiumhydroxid gilt als ein wichtiger
Bestandteil von E-Auto-Akkus.
LEAG vor großem Umbau
Es steht aber nicht nur die Region vor einem
rigorosen Umbau. Naturgemäß trifft das
politische Aus für die Braunkohle die LEAG-
Unternehmen Lausitz Energie Bergbau AG
und Lausitz Energie Kraftwerke AG am
här testen. Das größte Energieunternehmen
Ostdeutschlands steht vor einem radikalen
Wandel. Auf der Suche nach neuen Geschäfts
feldern prüft der Konzern viele
neue Geschäftsideen, etwa den Einstieg
in die Ladeinfrastruktur für Elektro-Autos.
Gleichzeitig treibt es gemeinsam mit der
Mitteldeutschen Netzgesellschaft Gas mbH
den Aufbau einer Wasserstoff-Infra struktur
voran, mit der der einst Erzeugung, Transport
und Verteilung von grünem Wasserstoff an
den industriellen Kunden ermöglicht werden
soll. Wasserstoff wird eines der neuen Tätigkeitsfelder
der LEAG nach dem Kohleausstieg
werden. Die Entwick lung und wirtschaftliche
Nutzung der Wasserstoff technologie gilt als
Schlüssel projekt beim Wandel zu einem breit
aufgestellten Energie-, Infrastruktur- und
Service-Unternehmen.
Auch bei den erneuerbaren Energien will
die LEAG künftig mitmischen. Der Windpark
Forst-Briesnig soll auf einer Rekultivierungsfläche
des Tagebaus Jänschwalde mit 17 Windenergieanlagen
etwa 260.000 MWh Strom im
Jahr erzeugen – rechnerisch, so das Unternehmen,
könne damit der Jahresstrombedarf von
rund 74.000 Haushalten gedeckt werden.
Kritik an einzelnen Maß nahmen
Natürlich bergen die Planungen in den Ländern
und Kommunen auch Fallstricke : Laut Konjunkturreport
Herbst 2021 der IHK Cottbus sehen
die befragten Unternehmen der Region zu
65 Prozent den Ausbau der Infrastruktur als die
wichtigste Maßnahme, um den Strukturwandel
zu bewältigen. Für die Wirtschaft mangelt es
bisher an ausreichender Breitbandversorgung
und am Zustand des Straßennetzes. Wichtig
sind aus Sicht der Unternehmen auch Investitionen
in den Schienenverkehr.
Jenseits dessen drückt der Fachkräftemangel
die Stimmung. Für Neuansiedlungen im
Rahmen des Strukturwandels braucht es
qualifiziertes Personal. Daran fehlt es in allen
Branchen. Und der demographische Wandel
spielt der Neugestaltung der Lausitz nicht
unbedingt in die Karten. Fast jeder zweite junge
Mensch im Alter zwischen 18 und 29 Jahren
plant, die Lausitz innerhalb der nächsten
zwei Jahre zu verlassen. So das Ergebnis des
Lausitz-Monitors, einer 2021 durchgeführten
repräsentativen Bevölkerungsumfrage zum
Strukturwandel.
Zum einem weiteren Hindernis könnte sich
auch die Wasserversorgung ausweiten.
Wegen zu geringer Niederschläge und Niedrigwasser
der Spree ist schon die Flutung des
prestige trächtigen Ostsees in den letzten zwei
Jahren zeitweise immer wieder unter brochen
worden. Brandenburg zählt auch jenseits der
Auswir kungen des Klimawandels zu den niederschlags
ärmsten Regionen Deutschlands und
hat mit Trockenheit und Niedrigwasser in
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
BRAUNKOHLE
WIRTSCHAFT+MARKT39
Ladesäulen könnten ein neues Geschäftsfeld
der LEAG werden.
Blick in das bisherige
Bahnwerk in Cottbus
den Flüssen zu kämpfen. Nach Angaben des
Potsdamer Umweltminis teriums rea giert
der Wasserhaushalt sehr schnell auf Niederschlags
defizite. Die erbitterten Dis kussionen
um die Wasserversorgung der Gigafactory von
Tesla in Grünheide gaben einen Vorgeschmack
auf mögliche Verteilungskämpfe bei der Wasserversorgung.
Aber auch am Mitteleinsatz entzündet sich
immer wieder Kritik in der öffentlichen Diskussion.
Demnach waren im Bundeshaushalt
2021 bereits 508 Millionen Euro Strukturhilfen
eingeplant. Ausgegeben worden sind aber
erst 4,9 Millionen Euro. Für Ärger sorgte auch
der Umstand, dass In Wildau ein Zentrum
des Robert-Koch-Instituts für Künstliche
Intelligenz in der Forschung über öffentliche
Gesundheit gefördert werden soll. Das erhöht
zwar das wissenschaftliche Renommee
im Land, aber Wildau, so grummelten die
Kommunen in der Lausitz, sei nun mal kein
Standort der Braunkohleförderung gewesen,
sondern nur formal über seine Landkreiszugehörigkeit
in Dahme-Spreewald in die
Förderauswahl gerutscht.
Der stellvertretende Leiter des Instituts für
Wirtschaftsforschung, Joachim Rangnitz,
mahnte, nicht zu viel Geld in kleine Projekte zu
verkleckern. In seinen Augen bestehe schon
ein Grundfehler darin, dass nicht Unternehmensinvestitionen
gefördert werden. Gerade
die Mittelvergabe in Sachsen stieß auf Unmut.
„Bisher wurden für die beiden sächsischen
Braunkohlereviere 113 Projekte mit einem
Förderbedarf von rund 1,2 Milliarden Euro
ausgewählt und dem Bund zur Bestätigung
vorgelegt. Kein einziges dieser Projekte
wurde vom Bund abgelehnt“, entgegnete
Sachsens Staatsminister für Regionalentwicklung,
Thomas Schmidt, den Kritikern.
Diese bemängelten, dass in Sachsen auch
Museen oder Kitas, mithin zu viele weiche
Faktoren, gefördert werden, mit deren Hilfe
zwar die Lebensqualität in den Kohleregionen,
aber nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
gesteigert werden. Im Landkreis
Bautzen werden zum Beispiel das Kulturhaus
Bischofswerda und das Umweltbildungszentrum
in Neschwitz, im Landkreis Görlitz unter
anderem der Tierpark Görlitz und in der Stadt
Weißwasser die Sanierung des Bahnhofs
gefördert. Aber natürlich investieren auch die
Sachsen in Zukunftstechnologien . Am LEAG-
Kraftwerksstandort in Boxberg etwa wird ein
europaweit einzigartiges Forschungszentrum
für kostengünstige, grüne Carbonfasern aus
der Taufe gehoben.
Während der Umbau der Lausitz in der
öffent l ichen Berichterstattung weiten Raum
einnimmt, wird das Mitteldeutsche Kohle
revier oft geradezu vergessen. Aber auch
Sachsen-Anhalt ist Nutznießer der Fördermittel.
Nach Angaben der Staatskanzlei stehen dafür
bis zum Jahr 2038 rund 4,8 Milliarden Euro
zur Verfügung. Das Mitteldeutsche Revier
umfasst in Sachsen-Anhalt fünf Regionen : die
kreisfreie Stadt Halle (Saale) sowie die Landkreise
Anhalt-Bitterfeld, den Burgenlandkreis,
Mansfeld-Südharz und den Saalekreis. Auch
hier fließen die Mittel nicht nur in Forschung
und Industrieansiedlungen, sondern beispielsweise
auch in touristische Projekte.
Foto: Deutsche Bahn AG / Oliver Lang (r.), LEAG
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
40
WIRTSCHAFT+MARKT
POLITIK
„BRANDENBURG
IST FÜR DIE
ZUKUNFT GUT
AUFGESTELLT.“
Brandenburgs
Ministerpräsident
Dietmar Woidke
Dr. Dietmar Woidke, der Ministerpräsident des Landes Brandenburg, sprach im W+M-Interview über die
wirtschaftliche Entwicklung in Krisenzeiten, die Eröffnung der Tesla-Gigafabrik in Grün heide und über
Transparenz und Geschlossenheit beim Kohleausstieg.
W+M : Herr Ministerpräsident, wie steht es
um die Wirtschaft Brandenburgs im Jahr 2022
auch angesichts der Corona-Krise ?
Dietmar Woidke : Wir haben es geschafft,
die Wirtschaft weitgehend stabil zu halten
und Strukturbrüche zu verhindern. Das war
nicht von vornherein ausgemacht, aber es war
immer unser Ziel. Und ich bin froh, dass uns
die Bundesregierung von Anfang an, beispielsweise
mit der erweiterten Kurzarbeiter regelung
von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil,
aktiv unterstützt hat. Die Sorge um wachsende
Arbeitslosenzahlen hat sich nicht bewahrheitet.
Im Gegenteil : Die Quote ist sogar auf einen
Tief punkt gesunken. Das heißt aber nicht,
dass es für jeden einzelnen Betrieb ak zeptabel
gelaufen ist. Ich denke vor allem an
das Hotel- und Gaststättenwesen oder die
Veranstaltungsbranche.
Wie Brandenburgs Ministerpräsident
Dietmar Woidke den Fachkräftemangel
beurteilt und was er zur Willkommenskultur
in Brandenburg und dem neuen
Ostbeauftragten sagt, lesen Sie im
aus führlichen Interview.
Lesen Sie das
ausführliche Interview
auf W+M online
Unser Credo war immer : Nicht gegen die
Krise anzusparen, sondern die Betroffenen
aktiv zu unterstützen. Der Staat hat dafür viele
Milliarden an Steuergeld ausgegeben, aber es
ist gut investiertes Geld.
W+M : Welche Auswirkungen hat der Krieg
in der Ukraine für die brandenburgische
Wirtschaft ?
Dietmar Woidke : Brandenburg ist aus mehreren
Gründen vom Krieg betroffen. Aufgrund
seiner direkten Grenze zu Polen reist ein Großteil
der Menschen, die die Ukraine verlassen
und sich auf den Weg zu einem sicheren
Fluchtort nach Westeuropa machen, über
Brandenburg ein. Hier sehen wir jeden Tag in
den Augen der Menschen unmittelbar das von
Putin ver ur sachte Leid und es zerreißt auch
mir persönlich das Herz. Die Brandenburgerinnen
und Brandenburger haben von Anfang
an in unvergleichlicher Solidarität mit den
Menschen aus der Ukraine sofort und vielfach
durch Eigen initiativen getragene Unterstützungen
und Hilfen angeboten und bieten diese
weiterhin an. Hierfür bin ich unendlich dankbar
und auch stolz auf das Engagement unserer
Mitbürgerinnen und Mitbürger.
Daneben spürt natürlich auch unsere Wirtschaft
die aktuellen Auswirkungen des furchtbaren
Krieges, auch wenn sich diese jetzt noch
nicht beziffern lassen. Wir sehen das an den
korrigierten Erwartungen für das Wirtschaftswachstum,
an unterbrochenen Lieferketten
und wir sehen es vor allem an den Fragen zur
Sicherheit unserer Energieversorgung. So ist
die Abhängigkeit insbesondere von russischem
Gas und Öl in Ostdeutschland höher als im
Bundesdurchschnitt. Deshalb finde ich den
Kurs der Bundesregierung richtig, der Sicherheit
der Energieversorgung eine hohe Priorität
einzuräumen und gleichzeitig mit Nachdruck
an der schnellstmöglichen Ablösung dieser
Abhängigkeiten zu arbeiten.
W+M : Welche Folgen ergeben sich für das
Energieland Brandenburg ?
Dietmar Woidke : Brandenburg ist hier als
Energieland besonders gefordert. Mit dem
hohen Ausbaustand an erneuerbaren Energien
leisten wir bereits jetzt einen erheblichen
Beitrag zum Ausstieg aus den fossilen Energieträgern
und tragen damit wesentlich dazu bei,
die Abhängigkeit von russischen Rohstoffen zu
reduzieren. Gleichzeitig liefert Brandenburg mit
seinen bestehenden Braunkohlekraftwerken
einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit
in Deutschland. Die aktuelle Situation bringt
uns jetzt genau das vor Augen, worauf ich die
letzten Jahre im Rahmen der Diskussionen zur
Energiewende stets hingewiesen habe. Diese
wird uns nur in einem vernünftigen Ausgleich
zwischen den unterschiedlichen Energieträgern
gelingen. Erst muss die Versorgungssicherheit
geklärt sein, und dann können wir aus der
Braunkohle aussteigen.
Foto: W+M
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
INTERVIEW
WIRTSCHAFT+MARKT41
Derzeit ist nun mal die heimische Industrie
noch stark von russischem Gas und Öl abhängig.
Gerade für die vielen energieintensiven Bereiche
in Brandenburg und Ostdeutschland wie die chemische
Industrie, die Stahl- und Zement industrie
und viele andere Unternehmen der Grundstoffindustrie
in Deutschland ist es wichtig, eine stabile
und sichere Versorgung zu garantieren. Auch am
BER würde derzeit ohne das Kerosin des PCK in
Schwedt kein Flugzeug starten.
W+M : Wie ist Brandenburg auf den Umbau der
Wirtschaft in Sachen Klimaschutz vorbereitet ?
Dietmar Woidke : Zunächst : Bandenburg ist
bundesweit, bezogen auf die Einwohnerzahl,
führend beim Ausbau der Erneuerbaren. Und
das soll weiter vorangehen, denn wir wollen
Wirtschaftsentwicklung mit Klimaschutz.
Die Formulierung zum „idealerweise“ auf
2030 vorgezogenen Braunkohleausstieg im
Koalitionsvertrag des Bundes hat in vielen
Bereichen und bei den Beschäftigten in den
betroffenen Regionen große Unsicherheit ausgelöst.
Was wir aber brauchen, ist Sicherheit,
Sicherheit für die Versorgung in Deutschland.
Auch die Preisentwicklung bei den Energiekosten
ist besorgniserregend. Sie bedroht die
Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und wird
zu einem gravierenden sozialen Problem für
die Menschen in unserem Land. Und das darf
nicht passieren.
Erschwerend kommt hinzu, dass der
Koalitionsvertrag davon ausgeht, dass die
Grundlast bei einem früheren Ausstieg über
Gaskraftwerke – wir bräuchten mindestens
50 – zu sichern wäre. Dieser Plan erscheint
aber angesichts der jüngsten internationalen
Entwicklungen nicht mehr realistisch.
Genehmigungszeiten werden wir die Ziele
nicht erreichen. Unser Vorschlag, das erprobte
Instrumentarium des Verkehrswegebeschleunigungsgesetzes
von 1991 aufzugreifen, liegt
vor. Ich erwarte von der Bundesregierung,
dass jetzt schnell etwas passiert.
W+M : Wie geht es in der Lausitz voran ?
Dietmar Woidke : Auf die erforderlichen
Beschleunigungen und die nötige hohe Transparenz
habe ich gerade hingewiesen. Das
sind wir den Menschen in der Region schuldig.
Alles, was wir jetzt in der Region tun, muss
mit Entschlossenheit und Geschlossenheit
vorangebracht werden. Im Vordergrund muss
die industrielle Entwicklung der Region stehen.
Wir brauchen neue industrielle Arbeitsplätze
sowie Forschung und Entwicklung. Und auch
hier passiert viel.
W+M : …und was geschieht schon konkret
außer der Ansiedlung neuer Behörden ?
Dietmar Woidke : Neue Behörden sind
schon einmal eine gute Entwicklung, denn
sie schaffen neue, attraktive Arbeitsplätze,
wie die Außenstelle der Bundesnetzagentur,
die in Cottbus angesiedelt wurde. Natürlich
denke ich auch an den Lausitz Science Park mit
erheblicher überregionaler Bedeutung und an
eine Reihe von Forschungszentren. Genannt
seien hier das Zentrum für hybrid-elektrisches
Fliegen unter Beteiligung von Rolls-Royce, an
das Deutsche Institut für Luft- und Raumfahrt.
Beide Einrichtungen sind sehr wirtschaftsnah
aufgestellt. In Cottbus wird der Grundstein für
das modernste Bahnwerk in Europa gelegt.
Hier wird die Deutsche Bahn bis zum Jahr
2026 etwa 1.200 neue Industriearbeitsplätze
schaffen. Das sind sehr gute Beschäftigungsalternativen,
gerade für junge Menschen.
W+M : Teslas laufen vom Band. Ist Ihnen jetzt
ein Stein vom Herzen gefallen ?
Dietmar Woidke : Erst einmal war es ein
Riesenerfolg, dass wir das Auswahlverfahren
gewonnen haben. Ich erinnere mich noch
gut an unseren Start im November 2019 mit
der ersten Pressekonferenz. Da hatten wir
schon noch ein mulmiges Gefühl angesichts
der hohen Erwartungen, vor allem was die
Ge nehmigungszeiten anbelangte. Deshalb bin
ich sehr froh, was wir mit den vielen involvierten
Ministerien, Behörden und Einrichtungen
gemein sam mit Tesla geschafft haben. Es
war eine Mammutaufgabe, die wir erfolgreich
gemeistert haben.
Horizontal und vertikal verknüpft haben wir
in 27 Task Force-Sitzungen und zahlreichen
Unterarbeitsgruppen alle Themen konstruktiv
besprochen und Probleme gelöst. Wir waren
uns immer bewusst, dass es bei der Teslaansiedlung
nicht nur um eine Investition
in Brandenburg geht, sondern um eine der
größten und innovativsten Investitionen in
Deutschland seit 40 Jahren. Wir haben viel
von Tesla gelernt und Tesla von uns. Ausdruck
des großen Vertrauens war auch die Tesla-
Entscheidung im März 2021, nicht nur das
drittgrößte Automobilwerk in Deutschland
zu bauen, sondern auch die wohl größte
Batteriezellen fabrik in Europa. Das hat uns
deutlich vor Augen geführt, was Ostdeutschland
für Chancen hat, aber auch, was im deutschen
Genehmigungsrecht nicht stimmt.
Interview: Frank Nehring
Momentan gibt es eine klare Rechtslage. Das
Kohleausstiegsgesetz sieht den Kohleausstieg
für das Jahr 2038 vor und das gilt. Bei günstigerem
Verlauf kann, so sieht es das Gesetz vor,
auch schon 2035 ausgestiegen werden. Jetzt
ist es die Aufgabe des Bundeswirtschaftsministers,
die geltende Rechtslage in Deutschland
fortzuschreiben. Dies muss allerdings mit Fakten
untersetzt sein. Die braunkohlefördernden
Länder müssen als die Betroffenen in diesen
Prozess eingebunden werden.
Foto: W+M
Dass wir Geschwindigkeit und noch in diesem
Jahr Entscheidungen brauchen, liegt auf der
Hand, denn mit den bisherigen Planungs- und
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke im Gespräch mit
W+M-Chefredakteur Frank Nehring
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
42
WIRTSCHAFT+MARKT
POLITIK
„MEIN ZIEL IST ES, DASS
SACHSEN-ANHALT ZU
DEN TOP-LÄNDERN
IN DEUTSCHLAND
GEHÖRT.“
W+M sprach mit dem Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft
und Forsten des Landes Sachsen-Anhalt, Sven Schulze, über die Schwerpunkte
seiner Arbeit und die Folgen von Corona- und Ukraine-Krise für
Sachsen-Anhalt.
W+M : Herr Minister, Sie kommen aus der
Wirtschaft, waren dann einige Jahre Generalsekretär
der CDU in Sachsen-Anhalt und sind
nun als Minister in Regierungsverantwortung.
Ist das der ideale Werdegang für einen Wirtschaftsminister
?
Sven Schulze : Ich bin Wirtschaftsingenieur
mit Uniabschluss und habe danach acht Jahre
direkt in einem Unternehmen gearbeitet, vorher
noch zwei Jahre an der Universität, komme also
in Summe auf knapp zehn Jahre Wirtschaftserfahrung.
Danach war ich sieben Jahre im
Europa parlament und seit dem 16. September
2022 bin ich Minister. D.h., ich bin mit meinen
42 Jahren aktuell noch länger in der Wirtschaft
gewesen, als ich jetzt Politiker bin. Ich gehöre
auch zu der Generation Jungpolitiker, die die
Universität noch mit Abschluss verlassen haben.
Ich bin das jüngste Mitglied der Landesregierung
und hatte bereits viele Kontakte mit der
Bevölkerung in meiner Zeit als Europaabgeordneter.
Ich glaube, dass man ernster genommen
wird, wenn alle wissen, dass man schon mal
etwas anderes gemacht hat. Beispielsweise,
dass ich als Wirtschaftsminister schon in
einem Maschinenbauunternehmen mit knapp
200 Angestellten gearbeitet und dort viele
Höhen und Tiefen erlebt habe. Was ich jetzt
politisch vertrete, habe ich auch persönlich
kennengelernt, ich kann mich deshalb auch in
viele Dinge sehr gut hineinversetzen. Mir hilft
diese Vita definitiv.
W+M : Der Zuschnitt des Ministeriums hat
sich mit Ihrer Ernennung geändert. Ist die
neue Kombination aus Wirtschaft, Tourismus,
Landwirtschaft und Forsten eine gute ?
Sven Schulze : Auf meine Wirtschaftskompetenz
habe ich schon verwiesen, zugleich
bin ich in einem kleinen Dorf aufgewachsen,
so dass das Thema Landwirtschaft mir aus
Kindestagen vertraut ist. Auch wenn ich später
einen anderen Weg eingeschlagen habe, ist
die Landwirtschaft in meinen Erlebnissen fest
verankert. Der Zuschnitt des Ressorts ist also
bewusst gewählt und für mich ideal. Es gibt
ihn in Deutschland so nicht ein zweites Mal.
Landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche
Unternehmen sind Wirtschaftsunternehmen,
sie müssen am Ende Geld verdienen und am
Markt agieren.
Auch Forst und Tourismus hängen eng miteinander
zusammen. 40 Prozent der Touristen
kommen in den Harz. Ich bin überzeugt davon,
dass wenn man als Minister ernst genommen
werden will, sowohl im eigenen Haus mit den
vielen Fachleuten als auch in den Unternehmen,
dann nur durch harte Arbeit, aber es gehört
auch ein Lebenslauf dazu, der passt.
W+M : Was sind Ihre persönlichen Schwerpunkte
für die vor Ihnen liegende Amtszeit ?
Sven Schulze : Für mich ist sehr wichtig, dass
Sachsen-Anhalt sich zwar in vielen Bereichen
gut entwickelt hat, aber wir müssen uns für
die Zukunft fit machen. Uns muss ein Strukturwandel
gelingen, der nicht nur den Ausstieg
aus der Kohle betrifft, sondern ebenso den
Bereich der Automobilzulieferer mit seinen
ca. 25.000 Beschäftigten. Viele von ihnen sind
aktuell abhängig vom Verbrennungsmotor. Wir
werden uns hier neu aufstellen müssen.
Ein Schwerpunkt ist für mich, die Wirtschaft
zukunftsfest zu machen, so dass wir auch in
den nächsten Jahrzehnten gute und gutbezahlte
Arbeitsplätze haben, damit die Menschen, die
hier leben, und ihre Kinder sich bei uns weiterhin
wohlfühlen.
Die Landwirtschaft im ländlichen Raum ist
das Rückgrat dieses Bundeslandes. Wir haben
mit Magdeburg und Halle zwei große Städte,
dazu noch Dessau-Roßlau, aber der Rest ist
ländlich geprägt. Und in jedem Dorf gibt es
eine Landwirtschaft, eine Agrargenossenschaft
oder einen bäuerlichen Betrieb. Deshalb muss
man den Menschen, die hier arbeiten, wieder
eine Stimme geben, damit sie das Gefühl haben,
auf Augenhöhe zu sprechen. Das war in der
Vergangenheit nicht immer der Fall. Wir
brauchen aber diese Vertrauensbasis.
Und letztlich möchte ich jemand sein, der
nicht an der Größe des Ministeriums, sondern
an den Ergebnissen der Arbeit gemessen wird.
Ich will persönlich und mit meinem Team einen
guten Job machen. Das ist mein Ziel.
Foto: W+M
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
INTERVIEW
WIRTSCHAFT+MARKT43
W+M : Wie steht es um die Wirtschaft Sachsen-Anhalts
im Jahr 2022 auch im Angesicht
der Corona-Krise ?
Sven Schulze : Die Wirtschaft Sachsen-Anhalts,
inklusive der Landwirtschaft, ist gut
durch die Corona-Krise gekommen. Dazu haben
die Hilfen von Bund und Land mit vielen Millionen
Euro für die Unternehmen beigetragen,
aber es war eine Kraftanstrengung für jeden
Einzelnen. Es gibt einen Bereich im Land, den
es sehr hart getroffen hat, das sind die Hotels
und Gaststätten und der Tourismus insgesamt.
Wir hatten einen signifikanten Einbruch der
Besucherzahlen. Vor der Krise hatten wir
jährliche Steigerungsraten bei den Übernachtungen,
2019 waren es neun Millionen und in
2020/21 waren es nur noch sechs Millionen.
Allerdings sind im Sommer letzten Jahres, wo
es relativ wenige Beeinträchtigungen durch
Corona gab, die Besucherzahlen sofort wieder
nach oben geschnellt. Das macht mich optimis
tisch, dass wir auch in diesem Bereich
schnell wieder zu einem positiven Trend
zurückkehren können.
Aber Corona hat beim Thema Fachkräfte
deutliche Spuren hinterlassen. Besonders im
Tourismus. Bei Gaststätten und Hotellerie
haben wir massiv Mitarbeiter verloren, die sich
zwischenzeitlich in anderen Bereichen Jobs
gesucht haben, weil es eben auch viele andere
attraktive Arbeitsstellen gibt. Wir haben einen
Arbeitnehmermarkt.
W+M : Wie stark ist die Abhängigkeit der
Wirtschaft Ihres Landes von Russland angesichts
des Ukraine-Krieges ?
Sven Schulze : Die Abhängigkeit von der russischen
Wirtschaft hinsichtlich der Exporte ist
gering, betroffen sind wir maßgeblich von den
Öl- und Gasimporten. Sachsen-Anhalt hat eine
sehr energieintensive Industrie. Das bereitet
uns aktuell große Sorge. Die zwei größten
ostdeutschen Gasabnehmer, SKW Piesteritz
und der Chemiepark InfraLeuna, befinden sich
in Sachsen-Anhalt. Wir beheimaten große Teile
der deutschen Glasindustrie. Vor den Toren
Magdeburgs gibt es zwei große Flachglaswerke,
alles ebenfalls sehr energieintensiv. Wir haben
die Produktion von Soda in Bernburg, die
Chemiestandorte im Süden Sachsen-Anhalts.
Da gibt es kleinere und größere Unternehmen,
alle sind betroffen. Aber mich rufen auch
Spediteure an, deren Kostenentwicklung
existenz bedrohend ist. Nicht zu vergessen,
dass Sachsen-Anhalt auch ein Land der Pendler
ist und die Tankkosten allen schwer zu schaffen
machen. Aktuell sind wir nicht in der Lage,
diese Importe kurzfristig zu ersetzen.
Ich habe auch von Anfang an gesagt, dass
wir einen Ausstieg aus der Kohle nicht schon
auf 2030 vorziehen können. Für mich hat die
Versorgungssicherheit höchste Priorität. Windund
Solarenergie können dies nicht aus gleichen,
obwohl Sachsen-Anhalt eines der Länder ist,
die beim Windkraftausbau führend sind. Aktuell
nutzen wir für Windkraft 1,8 Pro zent unserer
Fläche. Im Koalitionsvertrag stehen zwei Prozent
als Ziel, wir sind also schon nahe dran.
W+M : Glauben Sie, dass wir in kürzester Zeit
es schaffen können beispielsweise Planungsund
Genehmigungsverfahren zeitlich so abzuschmelzen,
dass die Ziele der Energiewende
real erreichbar sind ?
Sven Schulze : Ich glaube, das ist keine Frage
des Könnens, sondern die Frage lautet, wie bekommen
wir mehr Tempo. Wir müssen schneller
werden. Wir haben keine andere Chance. Mit
Genehmigungsverfahren ist aber nicht nur die
Genehmigung von Windkraftanlagen gemeint,
wir haben auch Infrastrukturprojekte in der
Planung, die über mehrere Jahrzehnte hinweg
nicht realisiert wurden. Damit ist verbunden, über
Klageverfahren zu diskutieren, ob es möglich und
nötig ist, dass jede kleinste Initiative Großprojekte
über viele Jahre blockiert. Die Ukraine-Krise
macht es noch einmal schwieriger.
Aber ich glaube fest daran, dass jetzt auch
Schritte möglich werden, die wir uns bislang
nicht vorstellen konnten. Wir müssen es nur
wollen und wissen, dass es nicht ohne Einschränkungen
und zusätzliche Belastungen gehen wird.
W+M : Mit der Ansiedlung von Intel ist in
Sachsen-Anhalt ein großer Wurf gelungen. Ist
für die Umsetzung alles vorbereitet ?
Sven Schulze : Was wir vom Land und von der
Stadt Magdeburg im letzten Jahr zur Vorbereitung
dieses Megaprojekts geleistet haben,
hat gezeigt, dass wir es können. Die Chance,
die sich uns bietet, wollen wir mit aller Kraft
nutzen. Uns ist bewusst, dass für die nächsten
Jahre eine große Aufgabe auf uns zukommt,
aber wir haben alle Schritte sehr bedacht,
nichts zugesagt, was wir nicht halten können.
Wir sind überzeugt davon, die Herausforderung
für die Realisierung dieser Rieseninvestition,
die Sachsen-Anhalt und Deutschland auf eine
neue Ebene bringen wird, meistern zu können.
Es wird ein Erfolgsprojekt für Intel, Sachsen-Anhalt,
Deutschland und Europa.
Interview: Frank Nehring
Was Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister
Sven Schulze über den Fachkräftemangel
und die Entwicklung der Tourismuswirtschaft
denkt, lesen Sie im ausführlichen
Interview.
Foto: W+M
W+M-Chefredakteur Frank Nehring im
Gespräch mit Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister
Sven Schulze
Lesen Sie das
ausführliche Interview
auf W+M online
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
44
WIRTSCHAFT+MARKT
POLITIK
„THÜRINGEN WILL
FÜHRENDER BATTERIE-
UND WASSERSTOFF-
STANDORT WERDEN.”
W+M sprach mit dem Thüringer Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft Wolfgang
Tiefensee über die aktuelle wirtschaftliche Situation im Freistaat, die Auswirkungen des Ukraine-Konfliktes
und den Umbau der Wirtschaft in Sachen Klimaschutz.
W+M : Herr Tiefensee, Sie sind Wirtschafts- und Wissenschaftsminister.
Ist das eine gute Kombination ?
Thüringens Wirtschaftsminister
Wolfgang
Tiefensee
Wolfgang Tiefensee : Die Gestaltung meines Ministeriums
mit der Verantwortung für Wirtschaft, Tourismus, Wissenschaft,
Forschung und Digitalisierung ist klug entschieden und sehr
zeitgemäß. Ein Ressortzuschnitt wird politisch ausgehandelt,
im Bund wie in den Ländern, Thüringen war Vorreiter in dieser
Kombination. Es gibt nicht nur viele Überschneidungen zwischen
Wirtschaft und Wissenschaft, denken Sie etwa an Technologietransfer
oder Ausgründungen, sondern auch beim Thema Arbeitsmarkt
und Fachkräftesicherung.
Die demografische Entwicklung ist die zentrale Herausforderung
für die Unternehmen. Und hier kommen natürlich auch die Hochschulen
ins Spiel. Es geht darum, wie wir junge Menschen nach Thüringen
locken und später hier halten. Selbstverständlich sollen Absolventen
Erfahrungen im Ausland sammeln – gut, wenn sie dann zurückkehren.
Zurück zum Ressortzuschnitt : Viele Themen lassen sich nur in Zusammen
arbeit der Ministerien bearbeiten, etwa die Digitalisierung, die
Dekarbonisierung, Entwicklung des ländlichen Raums oder eben die
Fachkräfteakquise. Erfolgreich ist, wer das Ressortdenken überwindet.
Moderne Verwaltung arbeitet entlang von Themen und Projekten. In
Thüringen gelingt das gut.
W+M : Wie steht es um die Wirtschaft Thüringens im Jahr 2022 auch
angesichts der Corona-Krise ?
Wolfgang Tiefensee : Thüringen ist im Vergleich zu anderen Bundesländern
recht gut durch die Krise gekommen. Wir haben schon frühzeitig im März 2020
eigene Unterstützungsprogramme aufgelegt, später gemeinsam mit dem Bund
millionenschwere Hilfen gezahlt und Kredite ausgereicht. Deutschland insgesamt hat
Foto: W+M
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
INTERVIEW
WIRTSCHAFT+MARKT45
Foto: Fraunhofer IKTS
vorbildlich gehandelt. Dennoch : 58 Prozent
der Unternehmen sind negativ betroffen,
ins besondere das Gastgewerbe, die Veranstaltungswirtschaft,
die Soloselbstständigen,
weniger die Unternehmensdienstleister.
Interessant ist, dass Hilfsangebote von 42
Prozent der Unternehmen überhaupt nicht in
Anspruch genommen wurden. Das wichtigste
Hilfsprogramm war das Kurzarbeitergeld,
42,2 Prozent der befragten Betriebe haben es
genutzt. Danach folgt mit Abstand die Überbrückungshilfe
mit knapp 17 Prozent. Höhere
Werte gab es im Gastgewerbe. Der Anteil von
Unternehmen, die keine Hilfen genutzt haben,
war am höchsten im Handwerk und im Bau
(52 Prozent), bei den Unternehmensdienstleistungen
(53 Prozent) und im Bereich Verkehr/
Lagerei (57 Prozent). Die Zufriedenheit mit
den Hilfsangeboten ist vergleichsweise hoch,
hier stehen rund 40 Prozent Zufriedenheit
einer Quote von zirka 28 Prozent unzufriedener
Unternehmen gegenüber. Das ist eine
Bestätigung dafür, dass das schnelle Handeln
der Landesregierung und des Bundes mit ihren
Programmen richtig war.
W+M : Welche Auswirkungen hat der Ukraine-Krieg
für die thüringische Wirtschaft ?
Wolfgang Tiefensee : Die Wirtschaftssanktionen
gegen Russland führen zu Belastungen
zumindest für Teile der Thüringer Wirtschaft.
Der Anteil des russischen Exports beläuft sich
zwar lediglich auf etwas mehr als zwei Prozent,
aber es gibt mindestens 200 Unternehmen aus
dem Freistaat, die vergleichsweise enge Handels
beziehungen nach Russland unterhalten.
Diese Unternehmen wird eine dauerhafte
Krise hart treffen. Noch größere Verwerfungen
werden sich allerdings aus der Abhängigkeit
der Wirtschaft von russischen Energieimporten
ergeben.
Die Krise hat bereits erhebliche Auswirkungen
auf die Öl- und Gaspreise und trägt zu einer
weiteren Angebotsverknappung in Deutschland
bei. Die Sorge um die Versorgungssicherheit
wächst. Deshalb tagt regelmäßig eine Arbeitsgruppe
unter meiner Leitung, die sich mit den
Folgen des Ukraine-Kriegs und der Vorsorge für
den Fall der Energieknappheit und mit gefährdeten
Lieferketten beschäftigt. Es gilt die alte
Weisheit : Aufs Beste hoffen, aufs Schlimmste
gefasst sein. Wir sollten alles tun, ein Gasembargo
zu verhindern, um die katastrophalen
Folgen für Unternehmen, die Arbeitnehmer-
schaft und die Privathaushalte zu vermeiden.
Der Bund ist gefordert, im europäischen
Geleitzug überzeugende alternative Lösungen
anzubieten und wiederum Schutzschirme für
die Wirtschaft aufzuspannen. Ich begrüße,
dass daran mit Hochdruck gearbeitet wird.
W+M : Die Wirtschaft steht auch vor einem
gewaltigen Umbau in Sachen Klimaschutz. Wie
gut ist Thüringen darauf vorbereitet ?
Wolfgang Tiefensee : Wir sind nicht nur gut
vorbereitet, sondern haben den Anspruch, diese
Transformation aktiv zu gestalten. Thüringen
will ein führender Standort für Batterie- und
Wasserstofftechnologien in Deutschland
werden. Die Thüringer Innovationsstrategie
nennt Dekarbonisierung als eine von vier
zentralen Herausforderungen. Mit unserer
Wasserstoffstrategie haben wir Maßnahmen
zur Erforschung und zum Einsatz von H 2 als
Grundstoff, Brennstoff, Energieträger und
Speichermedium auf den Weg gebracht. An
allen Hochschulen und Forschungseinrichtungen
bestehen starke Bezüge zum Thema
Dekarbonisierung. Die Schwerpunktfelder
sind Batterieforschung, Speichertechnologien,
keramische Komponenten für Energietechnik,
Kunststofftechnik und Leichtbau,
Kreislaufwirtschaft, Wasserstoffforschung
und nachhaltiges Bauen. Im Rahmen unserer
Forschungsförderung haben in der letzten
Förderperiode (2014-2020) von 1.865 geförderten
Projekten 342 direkte Bezüge zur
Dekarbonisierung. Das sind knapp 18 Prozent
aller Projekte mit insgesamt 92,4 Millionen
Euro Förderung. Das zeigt, wie wichtig wir
dieses Thema nehmen.
W+M : Wie wichtig sind bei den bevorstehenden
Aufgaben angepasste Gesetze und
Verordnungen, die beschleunigend wirken ?
Wolfgang Tiefensee : Die konkrete Umsetzung
mit allen beteiligten Partnern ist
natürlich eine gewaltige Herausforderung.
Gesetze, Verordnungen und Prozesse müssen
auf den Prüfstand und auf Beschleunigung
ausgerichtet werden. Es gilt, die geübte Praxis
von breiter Ressortbefassung und demokratischer
Beteiligung beizubehalten und
dennoch deutlich schneller zu Entscheidungen
zu kommen. Verschlankung und Parallelität
bei der Bearbeitung statt iterativer Prozesse,
durchgängige Digitalisierung, Einsatz von KI,
hochqualifiziertes, auskömmliches Personal in
den Ämtern, das sind die Herausforderungen.
Das ist eine Mammutaufgabe, aber ich traue
den Beschäftigten in den Verwaltungen einen
Aufbruch zu. Das beliebteste Möbel im Rathaus,
so sagt man, sei die lange Bank. Die
gehört endgültig ausgeräumt.
W+M : Wann werden wir merken, dass wir
schnell genug sind, um die Ziele bis 2045 zu
erreichen ?
Wolfgang Tiefensee : Die Bundesregierung
hat klugerweise den Zeitpunkt des Braunkohleausstiegs
daran gebunden, wie Schritt
für Schritt die fossilen Energieträger ersetzt
werden können – monatlich, jährlich wird
Bilanz gezogen. Mittlerweile ist das nicht nur
eine energiepolitische, sondern eine auch
sicherheitspolitische Frage. Wenn wir das
Ziel der vollständigen Substitution fossiler
Energien als die primäre gesamtgesellschaftliche
Aufgabe begreifen, wenn Unternehmen
und Bürgerschaft an einem Strang ziehen
und wenn wir vor allem neuen, oftmals schon
vorhandenen Technologien zum Durchbruch
verhelfen, wird das eher morgen als übermorgen
möglich sein. Nicht deutschlandtypisch
bedenklich mit dem Kopf wiegen, sondern mit
Elan und Erfolgsverliebtheit ran an die Sache,
dann gelingt uns das ganz sicher.
Interview: Frank Nehring
Wie Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang
Tiefensee den Fachkräftemangel beurteilt
und was er für die Leuchttürme der Thüringer
Wirtschaft hält, lesen Sie im ausführlichen
Interview.
Lesen Sie das
ausführliche Interview
auf W+M online
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
46 WIRTSCHAFT+MARKT
POLITIK
„WIR WERDEN
EIN EIGENES
KLIMASCHUTZGESETZ
VERABSCHIEDEN.“
W+M-Chefredakteur Frank Nehring (l.) im
Gespräch mit Minister Reinhard Meyer
W+M sprach mit Reinhard Meyer, Minister für
Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit
des Landes Mecklenburg-Vorpommern, über die
Wirtschaft nach der Corona-Krise, die Auswirkungen
des Ukraine-Konfliktes und den Umbau der
Wirtschaft hin zur Klimaneutralität.
W+M : Herr Minister, Sie sind seit November W+M : Wie steht es um die Wirtschaft
2021 Wirtschaftsminister. Was macht das Mecklenburg-Vorpommerns im Jahr 2022
Wirtschaftsministerium so interessant ?
angesichts von Corona-Krise und dem Krieg
in der Ukraine ?
Reinhard Meyer : Ich bin jetzt bereits zum
dritten Mal in diesem Haus. Ende 1994 war Reinhard Meyer : All das, was wir gerade
ich Büroleiter bei Harald Ringstorff, dann durch den Einmarsch russischer Truppen in die
bin ich Ende 2001 als Staatssekretär wieder Ukraine erleben, wird uns härter treffen, als
hierhergekommen und nun bin ich der neue das in der Corona-Krise der Fall war. Wir stecken
in einer Art Doppelkrise, auch bezüglich
Minister. Das Wirtschaftsministerium ist ein
Haus, in dem man mit den Schwerpunkten der Lieferketten, sind uns aber der Ausmaße
für Arbeit, Infrastruktur, Tourismus, Mobilität noch nicht voll bewusst. Für uns in MV sind
sowie in der Energie und Landesentwicklung das viele Bereiche, die betroffen sind. Ich
viel gestalten kann.
denke an die Ernährungswirtschaft, das
verarbeitende Gewerbe, die Hafenwirtschaft
und den Verkehr. Wir sehen, viel mehr als
gedacht, die Abhängigkeiten von russischen
Produkten. Die Abhängigkeit von der Gasversorgung
ist sehr groß und erste Schritte dies
zu reduzieren werden uns schwerfallen und
Auswirkungen auf die Preise haben.
Bei Covid-19 haben wir in vielen Bereichen
viele Zumutungen verteilt, das ist in einem
Tourismusland wie MV nicht immer einfach
gewesen. Für Corona gibt und gab es keine
Blaupause, da haben wir alle am Anfang dazugelernt.
Sicher haben wir da nicht immer das
Richtige getan, waren nicht immer optimal
aufgestellt. Gut waren in jedem Fall die Hilfen
von Bund und Land. Bei den Überbrückungskrediten
waren es allein 1,5 Milliarden Euro für
Unternehmen in MV. Auch wenn Unternehmer
sagen, dass sie lieber Wirtschaft gemacht
hätten, glaube ich, dass an diesen Stellen der
Staat schon sehr geholfen hat.
W+M : Ist das Image von Mecklenburg-Vorpommern
aufgrund der besonderen Russlandorientierung
angesichts der jüngsten
Entwicklung angeschlagen ?
Reinhard Meyer : Ich merke das weniger hier
im Land. Das Verständnis für unsere Dialogbereitschaft
und die regionalen Partnerschaften
ist nach wie vor vorhanden. Bei Gesprächen in
Berlin bemerke ich schon eine veränderte Einstellung
zu MV, aber auch zu anderen Ländern
im Osten.
Foto: W + M
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
INTERVIEW
WIRTSCHAFT+MARKT47
Welche Unternehmen für Mecklenburgs
Wirtschaftsminister Reinhard Meyer Hidden
Champions sind und was für die Zukunft des
Tourismus im Land getan werden muss, lesen
sie im ausführlichen Interview.
Lesen Sie das
ausführliche Interview
auf W+M online
W+M : Die Wirtschaft der Bundesrepublik
steht vor einem gewaltigen Umbau der
Wirtschaft in Sachen Klimaschutz. Wie ist
MV darauf vorbereitet ?
„MEIN THEMA SIND DIE
PLANUNGS- UND GENEH-
MIGUNGSVERFAHREN.“
Foto: W + M
Reinhard Meyer : Wir werden ein eigenes
Klimaschutzgesetz verabschieden, weil wir
das, was auf Bundesebene erdacht wird, vor
Ort umsetzen müssen. Da bin ich schon bei
einigen Themen sehr gespannt, wie wir die
Probleme angehen, wenn wir die erneuerbaren
Energien massiv ausbauen wollen. Mehr
Windkraft auf See oder an Land, mehr PV-Anlagen
und mehr Biomasse bekommen wir
nur, wenn Genehmigungsverfahren erheblich
beschleunigt werden können. Neben den technischen
Voraussetzungen ist die Akzeptanz
für unser Tun entscheidend. Wir können das
alles hinbekommen, aber wir müssen die
Menschen mitnehmen. Die Zustimmung für
den Ausbau der erneuerbaren Energien darf
nicht dort enden, wo es konkret wird. Deshalb
haben wir in unserem Koalitionsvertrag auch
nicht das Zwei-Prozent-Ziel des Bundes
explizit übernommen, sondern wollen
realistisch wachsen.
Aktuell haben wir 0,8 Prozent der Flächen in
der Nutzung, d.h. wir brauchen mehr als eine
Verdopplung von Windkraft und PV-Anlagen
im Land. Das ist eine sehr große Herausforderung,
die ohne Akzeptanz nicht zu schaffen
ist. Die Kommunen vor Ort müssen einen
Benefit erhalten. Als Vorreiter der Energiewende
können sie nicht nur die Lasten tragen,
sondern sie müssen auch an den Gewinnen
der Windkraft anlagenbetreiber beteiligt
oder steuerlich begünstigt werden, um in
der Kommune zusätzlich investieren zu
können. Und es kann auch nicht sein, dass
die Kosten der Erzeugung vor Ort auf die
Stromkosten aufgeschlagen werden. Das
muss auf Bundesebene geändert werden.
REINHARD MEYER
W+M : Sind die Veränderungen durch die
Verwaltung überhaupt zu stemmen.
Reinhard Meyer : Die Verwaltung wird
zwar häufig gescholten, ist aber nicht
schuld. Mein Thema sind die Planungs- und
Genehmigungsverfahren. Ein gutes Beispiel
ist das Thema Bau des Fehmarn-Tunnels.
Hier haben die Dänen es in kürzester Zeit geschafft,
ihre Planungsaufgaben zu erledigen
und auf deutscher Seite hängt das Projekt
immer noch, und wir sind gedanklich bereits
jenseits des Jahres 2030. Vergleicht man etwas
genauer, gab es auf dänischer Seite etwa
300 Einwendungen, die von einer Verwaltung,
die sich von der deutschen wenig unterscheidet,
abgewogen wurden. Auf deutscher Seite gab
es aber 12.000 Einwendungen. Wir brauchen
ähnliche Strukturen wie in Dänemark oder
wie kurz nach der Wende, die zu wesentlich
schnelleren Verfahren führen. Wir werden
noch in diesem Jahr merken, ob wir den
Verwaltungen die Instrumentarien in die Hand
geben können, die Genehmigungsverfahren in
erforderlichem Maße zu beschleunigen.
W+M : Die aktuelle Werftenkrise ist nicht die
erste ihrer Art. Ist die Branche angesichts Ihrer
Anfälligkeit eine Zukunftsbranche ?
Reinhard Meyer : Ich glaube daran, dass es
eine Zukunftsbranche ist, aber sie muss sich
verändern. Früher dachten wir immer, dass es
genügt, in Marktnischen zu gehen. Da haben
wir Containerschiffe gebaut, dann kamen der
Spezialschiffbau und die Kreuzschifffahrt.
Hier hat uns Corona voll getroffen und wir
haben gemerkt, dass wir uns in eine große
Abhängigkeit von einzelnen Unternehmen
begeben haben. Die Wirtschaft hat aber
auch Lehren aus den Insolvenzen der P+S
Werften 2012 gezogen, so dass die Zahl der
Insolvenzen insgesamt abgenommen hat. Die
maritimen Zulieferer haben sich unabhängiger
von einzelnen Auftraggebern gemacht und
das gibt mir Hoffnung.
W+M : Die Tourismusbranche ist für MV
bedeutend. Welche Akzente wird die Branche
mit dem Ausklang der Pandemie setzen ?
Reinhard Meyer : Aus der Pandemie hat die
Branche gelernt, dass es gute Arbeitsbedingungen
für das Personal braucht. Gute Arbeit
heißt am besten tarifgebundene Löhne, aber
das reicht nicht aus, es geht um die Vereinbarkeit
von Familie und Beruf und mehr. Es geht
um die Frage, wie motiviere ich mein Personal.
Die Arbeitszeiten in den Gaststätten und der
Hotellerie wird man nicht ändern können, sie
orientieren sich am Gast, aber entscheidend
ist, wie ich meine Mitarbeiter halte und ans
Unternehmen binde. Das Fachkräftethema ist
elementar. Viele Gastronomen beklagten die
Abwanderung durch Corona, wir aber wissen,
dass dieser Prozess bereits vor der Pandemie
einsetzte. Deshalb glaube ich, dass nur
Unternehmen, die sich auf ihre Beschäftigten
einlassen, zu den Gewinnern des Strukturwandels
gehören.
Interview: Frank Nehring
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
48
WIRTSCHAFT+MARKT
POLITIK
WIE UNTERNEHMER
MIT DER POLITIK
KOMMUNIZIEREN
SOLLTEN
Politik beeinflusst maßgeblich die Handlungsfähigkeit von Unternehmen.
Und deshalb ist es legitim, dass es einen regelmäßigen Austausch zwischen
den Menschen in Unternehmen und politischen Entscheidungsträgern gibt.
Wenn Unternehmer nicht mit den Entscheidungsträgern sprechen: Andere
mit einer anderen Agenda tun es!
DER AUTOR
Dr. Jens Katzek ist Geschäftsführer
des ACOD (Automotive Cluster
Ostdeutschland)
VON DR. JENS KATZEK
Das Pariser Klimaabkommen oder die
COVID-Pandemie haben deutlich gemacht,
dass die Politik beispielsweise darüber
entscheidet, welche Energieform künftig
Grundlage unseres Wirtschaftssystems ist
– mit all den Konsequenzen, die dies für die
Unternehmen darstellt. In der COVID-Pandemie
entschied die Politik z.B., ob ein Geschäft
geöffnet werden darf oder ob Mitarbeiter aus
dem Ausland ihre Arbeit in den Betrieben in
Deutschland aufnehmen durften.
Deshalb ist die Kommunikation zwischen Unternehmen
und politischen Entscheidungsträgern
unglaublich wichtig. Das politische Tagesgeschäft
des Abwägens von unterschiedlichen
Interessen basiert auf Kommunikation!
Dabei ist es erstaunlich zu sehen, wie viel
Energie jedes einzelne Unternehmen in die
technologische Weiterentwicklung, die Produktpalette
und das Marketing steckt. Wie
selbstverständlich es ist, Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter kontinuierlich zu schulen.
Doch dass die Politik einen genauso großen
Einfluss auf die Entwicklung des Unternehmens
hat, wird von vielen Unternehmern noch immer
stiefmütterlich behandelt. Man verlässt sich
auf die IHK, die Standesorganisationen, die
Verbände und vielleicht noch auf die Lobbyisten
der großen Unternehmen. Aber wenn man
sich vor Augen hält, wie viele Milliarden Euro
Umsatz z.B. die deutschen Automobilhersteller
generieren, so ist der Aufwand, den sie in das
Lobbying investieren, verschwindend gering
und die Zahl der Mitarbeiter in diesem Bereich
deutlich kleiner als etwa die Zahl der Lobbyisten
von Umweltverbänden.
Politische Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen
haben ihre eigene Agenda,
sind manchmal von Ideologien geprägt, die
sie umsetzen wollen. Aber die allermeisten
sind sehr wohl daran interessiert zu erfahren,
was in ihrem Wahlkreis passiert und was die
Menschen bedrückt.
Kontinuität statt Einmal-Events
Nur die wenigsten würden auf den Gedanken
kommen, dass sich Vertrauensbeziehungen
ausbilden, wenn man nur alle zwei Jahre auf
sein Gegenüber zugeht und sich nur meldet,
wenn es Probleme gibt. Diese Lebensweisheit
gilt auch in der Politik. Auch hier gilt: Einmal ist
keinmal.
Es gilt auch: Die Kommunikation von neuen
Entwicklungen muss in einer Sprache geschehen,
die das Gegenüber versteht. Sie muss
in eine Geschichte eingebunden sein, die das
Gegenüber interessiert. Das ist einfach, wenn
es um Betriebserweiterungen geht, weil damit
die Botschaft kommuniziert wird: „Mein Unternehmen
bietet auch in näherer Zukunft sichere
Arbeitsplätze.“ Schwieriger ist es, wenn man
über eine technische Einzelinnovation spricht.
Hier ist die Versuchung groß, in die Darstellung
der technischen Details abzuschweifen – statt
dem Gegenüber zu verdeutlichen, welchen
Einfluss diese Innovation konkret auf die Entwicklung
des Unternehmens hat.
Wohl kaum ein Technologieentwickler würde
den CFO eines anderen Unternehmens z.B. auf
eine metallurgische Verbesserung von Einzelteilen
eines Produktes ansprechen. Jedem wäre
klar: Das ist nicht der Job eines CFO. Ähnlich
ist es in der Politik. Es gibt eine ausgeprägte
Arbeitsteilung innerhalb der politischen
Fraktionen und zwischen den
verschiedenen politischen
Ebenen. Insofern ist es
wichtig zu verstehen,
wie politische
Entscheidungen
zustandekommen.
Wenn ich weiß,
Foto: ACOD
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
KOMMUNIKATION WIRTSCHAFT+MARKT49
welche Entscheidungen Einfluss auf welche
Ereignisse bei mir vor Ort und im Unternehmen
haben, kann ich die Gesprächsthemen besser
auf mein Gegenüber ausrichten.
Sich über die hohen Gebühren der Wasserrechnung
bei Bundestagsabgeordneten zu
beschweren, macht wenig Sinn, weil diese
wenig Einfluss auf die Gebührenhöhe haben.
Anders ist es beim Thema Energiepreise, die
stark von Bundesgesetzen beeinflusst werden.
Oder beim Thema Ladesäuleninfrastruktur für
Elektroautos: Diese werden oft genug von den
Kommunen aufgestellt und es gibt Förderprogramme
sowohl auf Landes- als auch auf
Bundesebene. Also macht es Sinn, Gesprächspartner
auf allen drei Ebenen mit diesem
Thema zu konfrontieren. Immer wieder muss
man sich fragen: An welcher Stellschraube kann
mein Gesprächspartner konkret drehen, um
einen Sachverhalt, der mich bei der Weiterentwicklung
meines Unternehmens stört, zu
verändern? Wenn es etwa um Windkraftanlagen
geht, dann sind Fragen des Naturschutzes
oder Anhörungsmöglichkeiten Dritter Bundesrecht,
während z.B. Abstandregelungen häufig
Ländersache sind und über Freiflächen auf
kommunaler Ebene entschieden wird.
Neben der Entscheidungsebene ist auch das
Wissen um die Themenorientierung der Gesprächspartner
von zentraler Bedeutung. Wir
leben in einer derartig komplexen Gesellschaft,
dass in der Politik eine Spezialisierung genauso
notwendig ist wie im betrieblichen Alltag. Dies
bedeutet nicht nur, dass politische Entscheidungsträger
oft nicht nur kaum Wissen haben
über ein Thema, das den Einladenden ganz
besonders interessiert, sondern der Entscheidungsträger
spielt bei der Meinungsbildung
der Gesamtfraktion in Themen, für die er nicht
direkt verantwortlich ist, auch kaum eine Rolle.
Dies führt dazu, dass Schreiben an den Abgeordneten
A nicht vom ihm oder ihr selber beantwortet
werden, sondern von Mitarbeitern der
Fraktion, die Spezialisten bei dem Thema sind.
Das bedeutet aber nicht, dass es keinen Sinn
macht Briefe zu schreiben. Im Gegenteil: Denn
durch diese fraktionsinterne Weiterleitung an
die Kernentscheider bekommen diese auch den
notwendigen Eindruck, wo es gerade „drückt“.
Politische Entscheidungsträger haben eine
außerordentlich knappe Ressource: Zeit. Deshalb
findet man sie nur selten auf Konferenzen
und Kongressen, auf denen sich Unternehmer
und Unternehmerinnen treffen, um ihr Netzwerk
zu pflegen.
Das Leben von Politikern ist geprägt davon,
dass immer wieder Menschen sie erreichen
wollen, um die Relevanz ihres jeweiligen Themas
zu verdeutlichen. Der Alltag ist geprägt
davon, sich mit ganz unterschiedlichen Fragen
zu beschäftigen und Mehrheiten innerhalb der
eigenen Fraktion und der Regierung zu finden.
Parallel dazu fordert auch die Parteibasis ihr
Recht. Die Basis nach einem erfolgreichen
Wahlkampf aus den Augen zu verlieren, hat
schon so manchen Mandatsträger das Mandat
gekostet. Deshalb ist es wichtig, bei der Ansprache
von politischen Entscheidungsträgern
und bei dem notwendigen Follow-up diese Besonderheiten
zu berücksichtigen. Der Besucher
ist Gast, Gesprächspartner und Entscheider
gleichermaßen!
Beim Thema bleiben!
Wenn ein Unternehmen einen Abgeordneten
oder eine Abgeordnete eingeladen hat und
stolz durch den eigenen Betrieb führt, den
man häufig genug in Jahrzehnten gegen alle
Widrigkeiten aufgebaut hat, dann will man
stolz das Resultat dieser Arbeit präsentieren.
So verständlich diese Verhaltensweise ist, so
gefährlich ist sie auch. Denn: Die Uhr tickt. Wenn
es gelungen ist, den Abgeordneten/die Abgeordnete
endlich in das eigene Unternehmen gelockt
zu haben, ist es von entscheidender Bedeutung
diese Zeit auch zu nutzen, um deutlich zu machen,
was einem auf der Seele brennt. Welche
konkreten Probleme die weitere Entwicklung
des Unternehmens gefährden. Es geht nicht
darum, aus einem Abgeordneten in einem
Schnelldurchlauf einen Ingenieur oder CNC-Bediener
zu machen. Es geht darum, die Relevanz
des eigenen Unternehmens zu verdeutlichen!
Es geht darum zu verdeutlichen, wie vielen
Menschen man eine Lebensperspektive gibt,
wie viele Auszubildende mit ihrer Ausbildung
den Start in ihr Berufsleben finden oder wie
sich das Unternehmen gegebenenfalls auch im
sozialen Bereich in der Gemeinde engagiert.
Es wäre naiv zu glauben, dass Abgeordnete
nur zu einem kommen, um sich die Probleme
des Einladenden anzuhören. Natürlich haben
sie auch ein eigenes Interesse. Sie wollen
ihren eigenen Parteimitgliedern und ihren
Wählern verdeutlichen, dass sie ihr Ohr an der
Basis haben. Oft genug stellen sie aber auch
Forderungen an die Unternehmen. So sollte
es niemanden wundern, dass man z.B. einen
Abgeordneten der SPD einlädt, dieser fragt,
ob es einen Betriebsrat gibt oder warum das
Unternehmen nicht in einem Arbeitgeberverband
organisiert ist und damit dem Tarifvertrag
unterliegt.
Nacharbeiten nicht vergessen!
Man sollte auf jeden Fall den Besuch nacharbeiten,
indem man noch einmal schriftlich
in einem Brief die wesentlichen Diskussionspunkte
und Argumentationslinien beschreibt.
Und mit „wesentlich“ meine ich tatsächlich die
wesentlichen Punkte!
Die Informationsflut, die uns alle täglich
im Bann hält, gilt natürlich auch für politische
Entscheidungsträger – und ist dort
sogar potenziert! Insofern ist es wichtig, die
Kernbotschaften verständlich auf den Punkt
zusammenzufassen sowie mögliche Gegenargumente
noch einmal kurz zu widerlegen.
Als sehr hilfreich hat sich auch herauskristallisiert,
dass man zu einem Besuch auch einen
Vertreter des jeweiligen Interessenverbandes
oder der IHK einlädt. Damit ist auch eine Nacharbeit
einfacher zu organisieren beziehungsweise
die Besuche verschiedener Abgeordneter
besser zu koordinieren.
Fazit
Der Transformationsdruck auf die
Unternehmen ist enorm. Und je
größer der Druck, desto weniger
hat man Lust, sich mit
Aufgaben zu beschäftigen,
die nicht zum eigentlichen
Kerngeschäft gehören. Und
so vernachlässigt man das
Gespräch mit der politischen
Entscheidungsebene, was
ein Fehler ist.
Deshalb:
Engagieren Sie sich!
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
50
WIRTSCHAFT+MARKT
POLITIK
DIE OSTDEUTSCHEN
BUNDESTAGS
ABGEORDNETEN
Sie haben ihnen Ihre Stimme gegeben. Nun nehmen Sie sie auch beim Wort.
Insgesamt 145 Abgeordnete aus den neuen Bundesländern und Berlin vertreten
Ihr Interesse im 20. Deutschen Bundestag. W+M listet die Namen und
einige Zusatzdaten der ostdeutschen Bundestagsabgeordneten für Sie auf.
REEM ALABALI-RADOVAN · SPD
PHILIPP AMTHOR · CDU/CSU
JOHANNES ARLT · SPD
LEIF-ERIK HOLM · AFD
ENRICO KOMNING · AFD
MECKLENBURG-
VORPOMMERN
Berufsoffizier,
* 23.04.1984 in Berlin
Wahlkreis 017: Mecklenburgische
Seenplatte II – Landkreis Rostock III
Verteidigungsausschuss,
Wirtschafts ausschuss
johannes.arlt@bundestag.de
Ökonom (M. Sc.),
* 01.08.1970 in Schwerin
Wahlkreis 015: Vorpommern-
Rügen – Vorpommern-Greifswald I
Wirtschaftsausschuss
leif-erik.holm@bundestag.de
Rechtsanwalt, * 1968 in Stralsund
Wahlkreis 016: Mecklenburgische
Seenplatte I –
Vorpommern-Greifswald II
Wirtschaftsausschuss
enrico.komning@bundestag.de
Politikwissenschaftlerin,
* 01.05.1990 in Moskau, Russland
Wahlkreis 012: Schwerin –
Ludwigslust-Parchim I –
Nordwestmecklenburg I
reem.alabali-radovan@bundestag.de
DR. DIETMAR BARTSCH · DIE LINKE
FRANK JUNGE · SPD
INA LATENDORF · DIE LINKE
Wirtschaftswissenschaftler,
* 31.03.1958 in Stralsund
Wahlkreis 014: Rostock –
Landkreis Rostock II
Gemeinsamer Ausschuss
dietmar.bartsch@bundestag.de
Diplom-Sportlehrer, * 05.05.1967
in Halle/Saale, Wahlkreis 013:
Ludwigslust- Parchim II – Nordwestmeck
lenburg II – Landkreis
Rostock I, Ausschuss für Tourismus,
Bundesfinanzierungsgremium,
Haushaltsausschuss
frank.junge@bundestag.de
Juristin, * 26.06.1971 in Greifswald
Wahlkreis 012: Schwerin –
Ludwigslust-Parchim I –
Nordwestmecklenburg I
Ausschuss für Ernährung und
Landwirtschaft, Petitionsausschuss
ina.latendorf@bundestag.de
SIMONE BORCHARDT · CDU/CSU
ANNA KASSAUTZKI · SPD
ERIK VON MALOTTKI · SPD
Jurist, * 10.11.1992
in Ueckermünde
Wahlkreis 016: Mecklenburgische
Seenplatte I –
Vorpommern-Greifswald II
Ausschuss für
Inneres und Heimat
philipp.amthor@bundestag.de
Geschäftsbereichsleiterin Pflege,
* 11.09.1967 in Schkeuditz
Wahlkreis 013: Ludwigslust-
Parchim II – Nordwestmecklenburg
II – Landkreis Rostock I
Gesundheitsausschuss,
Petitionsausschuss
simone.borchardt@bundestag.de
Staatswissenschaftlerin,
* 25.12.1993 in Heidelberg
Wahlkreis 015: Vorpommern- Rügen
– Vorpommern-Greifswald I
Ausschuss für Digitales, Ausschuss
für Ernährung und Landwirtschaft
anna.kassautzki@bundestag.de
Gewerkschafter,
* 01.04.1986 in Grevesmühlen
Wahlkreis 016: Mecklenburgische
Seenplatte I –
Vorpommern-Greifswald II
Familienausschuss,
Petitionsausschuss
erik.vonmalottki@bundestag.de
Fotos: Photothek (Junge, Kassautzki, van Malottki), Hans Ziertmann (Arlt), Deutscher Bundestag (DBT)/Inga Haar (Bartsch), DBT/Julia Nowak (Holm), Ecki Raff (Borchardt),
Die LINKE im Bundestag (Latendorf), Sascha Krautz (Alabali-Radovan), Jens Oellermann (Amthor), Privat (Komming)
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
DIE OSTDEUTSCHEN BUNDESTAGSABGEORDNETEN
WIRTSCHAFT+MARKT51
DIETRICH MONSTADT · CDU/CSU
CLAUDIA MÜLLER · BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
HAGEN REINHOLD · FDP
Fotos: Photothek (Faescher, Koss, Zschau), Grüne im Bundestag, S. Kaminski (Baerbock, Kellner) Deutscher Bundestag (DBT)/Inga Haar (Boginski, Hagen), DBT/Achim Melde (Feiler, Gauland, Kleinwächter), Schielke-Ziesing/Anke Houdelet (Schielke-Ziesing), CDU/Elbe-Elster, Andreas Egeresi (Abraham),
Die Linke im Bundestag (Domscheidt-Berg), Nancy Stoffregen (Eischwede), Hannes Gnauck, DiG/Thomas Kläber (Görke), Jens Koeppen/Laurence Chaperon (Koeppen), Dietrich Monstadt, Arne Jeschal (Müller)
ULRIKE SCHIELKE-ZIESING · AFD
FRIEDHELM BOGINSKI · FDP
ARIANE FÄSCHER · SPD
HANNES GNAUCK · AFD
Rechtsanwalt, * 15.09.1957
in Bochum
Wahlkreis 012: Schwerin –
Ludwigslust-Parchim I –
Nordwestmecklenburg I
Gesundheitsausschuss
dietrich.monstadt@bundestag.de
Verwaltungswirtin, * 17.06.1969
in Neubrandenburg
Wahlkreis 017: Mecklenburgische
Seenplatte II – Landkreis
Rostock III
Rechnungsprüfungsausschuss
ulrike.schielke-ziesing@
bundestag.de
BRANDENBURG
NORBERT KLEINWÄCHTER · AFD
Lehrer, * 07.11.1955 in Bremen
Wahlkreis 057: Uckermark –
Barnim I
Ausschuss für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung
friedhelm.boginski@bundestag.de
Pressesprecherin,
* 01.03.1968 in Münster
Wahlkreis 058: Oberhavel –
Havelland II
Familienausschuss, Ausschuss
für die Angelegenheiten der
Europäischen Union
ariane.faescher@bundestag.de
Soldat auf Zeit,
* 08.08.1991 in Prenzlau
Wahlkreis 057: Uckermark –
Barnim I
Verteidigungsausschuss
hannes.gnauck@bundestag.de
Lehrer, * 22.02.1986 in Augsburg
Ausschuss für Arbeit und Soziales,
Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union
norbert.kleinwaechter@
bundestag.de
KATRIN ZSCHAU · SPD
KNUT ABRAHAM · CDU/CSU
Landesgeschäftsführerin,
* 09.06.1976 in Greifswald
Wahlkreis 014: Rostock –
Landkreis Rostock II
Ausschuss für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung, Ausschuss
für Klimaschutz und Energie
katrin.zschau@bundestag.de
Diplomat, * 04.06.1966 in Hamburg
Wahlkreis 065: Elbe-Elster –
Oberspreewald-Lausitz II
Ausschuss für Menschenrechte
und humanitäre Hilfe, Auswärtiger
Ausschuss
knut.abraham@bundestag.de
ANKE DOMSCHEIT-BERG · DIE LINKE
UWE FEILER · CDU/CSU
CHRISTIAN GÖRKE · DIE LINKE
JENS KOEPPEN · CDU/CSU
Bundesbeauftragte für maritime
Wirtschaft und Tourismus
Betriebswirtin,
* 10.08.1981 in Rostock
Wahlkreis 015: Vorpommern-
Rügen – Vorpommern-Greifswald I
Verteidigungsausschuss
claudia.mueller@bundestag.de
Publizistin,
* 17.02.1968 in Premnitz
Wahlkreis 058: Oberhavel –
Havelland II
Ausschuss für Digitales
anke.domscheit-berg@
bundestag.de
Diplom-Finanzwirt,
* 02.11.1965 in Winsen/Luhe
Wahlkreis 058: Oberhavel –
Havelland II
uwe.feiler@bundestag.de
* 17.03.1962 in Rathenow
Wahlkreis 064: Cottbus –
Spree-Neiße
Finanzausschuss
christian.goerke@bundestag.de
Elektromeister,
* 27.09.1962 in Zeitz
Wahlkreis 057: Uckermark –
Barnim I
Ausschuss für Klimaschutz und
Energie
jens.koeppen@bundestag.de
SONJA EICHWEDE · SPD
DR. ALEXANDER GAULAND · AFD
Meister im Maurer- und Betonhandwerk,
* 23.03.1978 in Wismar
Wahlkreis 014: Rostock –
Landkreis Rostock II
Ausschuss für Wohnen,
Stadt entwicklung, Bauwesen und
Kommunen
hagen.reinhold@bundestag.de
ANNALENA BAERBOCK · BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Bundesministerin des
Auswärtigen
Völkerrechtlerin, * 15.12.1980
in Hannover
Wahlkreis 061: Potsdam –
Potsdam-Mittelmark II –
Teltow-Fläming II
annalena.baerbock@bundestag.de
Richterin, * 25.10.1987 in Bremen
Wahlkreis 060: Brandenburg an der
Havel – Potsdam-Mittelmark I –
Havelland III – Teltow-Fläming I
Ausschuss für Wahlprüfung,
Immunität und Geschäftsordnung,
Rechtsausschuss, Wahlausschuss
sonja.eichwede@bundestag.de
Publizist, * 20.02.1941 in Chemnitz
Landesliste Brandenburg
Auswärtiger Ausschuss
alexander.gauland@bundestag.de
MICHAEL KELLNER · BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
SIMONA KOSS · SPD
Parlamentarischer Staats sekretär
für Wirtschaft und Klimaschutz
Bundesgeschäftsführer,
* 08.05.1977 in Gera
Wahlkreis 057: Uckermark –
Barnim I
michael.kellner@bundestag.de
Schulrätin,
* 09.06.1961 in Strausberg
Wahlkreis 059: Märkisch-Oderland
– Barnim II
Ausschuss für Inneres und Heimat,
Ausschuss für Kultur und Medien
simona.koss@bundestag.de
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
52
WIRTSCHAFT+MARKT
POLITIK
STEFFEN KOTRÉ · AFD
SYLVIA LEHMANN · SPD
WIEBKE PAPENBROCK · SPD
MATHIAS PAPENDIECK · SPD
RENÉ SPRINGER · AFD
HANNES WALTER · SPD
DR. GOTTFRIED CURIO · AFD
DR. GÖTZ FRÖMMING · AFD
Diplom-Ingenieur,
* 29.04.1971 in Berlin
Wahlkreis 062: Dahme-
Spreewald – Teltow-Fläming III
– Oberspreewald-Lausitz I
Ausschuss für Klimaschutz und
Energie
steffen.kotre@bundestag.de
Informatiker, * 18.02.1982
in Rüdersdorf
Wahlkreis 063: Frankfurt (Oder) –
Oder-Spree
Ausschuss für Arbeit und Soziales
mathias.papendieck@
bundestag.de
Politikwissenschaftler,
* 15.07.1979 in Ost-Berlin
Ausschuss für Arbeit und Soziales
rene.springer@bundestag.de
Betriebswirt, * 02.03.1984
in Finsterwalde
Wahlkreis 065: Elbe-Elster –
Oberspreewald-Lausitz II
Wirtschaftsausschuss
hannes.walter@bundestag.de
BERLIN
Diplom-Mathematiker,
Diplom-Physiker,
* 02.09.1960 in Berlin
Landesliste Berlin
Ausschuss für Inneres
und Heimat
gottfried.curio@bundestag.de
Gymnasiallehrer,
* 30.08.1968 in Eutin
Wahlkreis 076: Berlin-Pankow
Ausschuss für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung,
Der Ältestenrat
goetz.froemming@bundestag.de
JANA SCHIMKE · CDU/CSU
LINDA TEUTEBERG · FDP
STEFAN ZIERKE · SPD
Ingenieurökonomin, * 23.04.1954
in Schorbus
Wahlkreis 062: Dahme-
Spreewald – Teltow-Fläming III –
Oberspreewald-Lausitz I
Ausschuss für Ernährung und
Landwirtschaft
sylvia.lehmann@bundestag.de
Diplom-Politikwissenschaftlerin,
* 06.09.1979
Wahlkreis 062: Dahme-
Spreewald – Teltow-Fläming III
– Oberspreewald-Lausitz I
Ausschuss für Tourismus,
Ausschuss für Arbeit und Soziales
jana.schimke@bundestag.de
Werkzeugmacher/ Reiseverkehrskaufmann/
Tourismusfachwirt,
* 05.12.1970 in Prenzlau
Wahlkreis 057: Uckermark –
Barnim I
Ausschuss für Tourismus
stefan.zierke@ bundestag.de
ANDREAS AUDRETSCH · BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
MARIO CZAJA · CDU/CSU
Rechtsanwältin, * 22.04.1981
in Königs Wusterhausen
Wahlkreis 061: Potsdam –
Potsdam-Mittelmark II –
Teltow-Fläming II
Ausschuss für Inneres
und Heimat
linda.teuteberg@bundestag.de
Sozialwissenschaftler,
* 25.06.1984 in Stuttgart
Wahlkreis 082: Berlin-Neukölln
Ausschuss für Arbeit und Soziales,
Haushaltsausschuss,
andreas.audretsch@bundestag.de
Betriebswirt, * 21.09.1975 in Berlin
Wahlkreis 085: Berlin- Marzahn-
Hellersdorf
mario.czaja@bundestag.de
STEFAN GELBHAAR · BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Rechtsanwalt,
* 09.07.1976 in Berlin
Wahlkreis 076: Berlin-Pankow
Ausschuss für Digitales,
Verkehrsausschuss
stefan.gelbhaar@bundestag.de
OLAF SCHOLZ · SPD
MAJA WALLSTEIN · SPD
Referentin, * 24.11.1979 in Berlin
Wahlkreis 056: Prignitz –
Ostprignitz-Ruppin – Havelland I
Haushaltsausschuss
wiebke.papenbrock@bundestag.de
CANAN BAYRAM · BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
HAKAN DEMIR · SPD
Bundeskanzler
Rechtsanwalt, * 14.06.1958
in Osnabrück
Wahlkreis 061: Potsdam –
Potsdam-Mittelmark II –
Teltow-Fläming II
olaf.scholz@bundestag.de
Wissenschaftsmanagerin,
* 18.03.1986 in Cottbus
Wahlkreis 064: Cottbus –
Spree-Neiße
Ausschuss für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung
maja.wallstein@bundestag.de
Rechtsanwältin, * 11.02.1966
in Malatya, Türkei
Wahlkreis 083: Berlin-
Friedrichshain-Kreuzberg –
Prenzlauer Berg Ost
Rechtsausschuss
canan.bayram@bundestag.de
Politikwissenschaftler,
* 16.11.1984 in Corum, Türkei
Wahlkreis 082: Berlin-Neukölln
Ausschuss für Inneres
und Heimat
hakan.demir@bundestag.de
PROF. MONIKA GRÜTTERS · CDU/CSU
Literatur- und Kunsthistorikerin,
* 09.01.1962 in Münster (Westf.)
Wahlkreis 077:
Berlin-Reinicken dorf
Ausschuss für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung
monika.gruetters@bundestag.de
Fotos: Deutscher Bundestag (DBT)/Inga Haar (Kotré), DBT/Achim Melde (Grütters), Karoline Wolf (Lehmann, Teuteberg), Juliane Kiefer (Papenbrock),Photothek (Demir, Papendieck, Wallstein, Walter), Britta Konrad (Schimke), SPD/MK (Scholz), René Springer, Maximilian König (Zierke), Grüne im Bundestag,
S. Kaminski (Audretsch, Gelbhaar), Die Grünen (Bayram), Curio/Hagen Schnauss (Curio), Ulrich Brothagen (Czaja), Stella von Saldern (Frömming)
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
DIE OSTDEUTSCHEN BUNDESTAGSABGEORDNETEN
WIRTSCHAFT+MARKT53
DR. GREGOR GYSI · DIE LINKE
THOMAS HEILMANN · CDU/CSU
CANSEL KIZILTEPE · SPD
Fotos: Die LINKE im Bundestag (Gysi, Meyer, Pau), Thomas Hellmann, Photothek (Kiziltepe, Kleebank, Kühnert, Stüwe), mchaelbennett,de (Dr. Klein), Finn Grosse (Klose), Deutscher Bundestag (DBT)/Inga Haar (Kluckert, Loetzsch), DBT/Achim Melde (von Storch), Grüne im Bundestag, S. Kaminski (Künast, Paus, Stahr),
Saskia E.M. Schmidt (Lindemann), Yves Sucksdorff/www.luczak-berlin.de (Luczak), Stella von Saldern (Meyer), Michael Müller, Susanne Hartung (Steinmüller)
HELMUT KLEEBANK · SPD
DANIELA KLUCKERT · FDP
LARS LINDEMANN · FDP
PASCAL MEISER · DIE LINKE
PETRA PAU· DIE LINKE
Rechtsanwalt, * 16.01.48 Berlin
Wahlkreis 084:
Berlin-Treptow-Köpenick
Auswärtiger Ausschuss
gregor.gysi@bundestag.de
Krankenpfleger, Lehrer, * 18.11.64
in Berlin, Wahlkreis 078:
Berlin-Spandau – Charlottenburg-Nord,
Ausschuss für Umwelt,
Naturschutz, nukleare Sicherheit
und Verbraucherschutz, Ausschuss
für Klimaschutz und Energie
helmut.kleebank@bundestag.de
Parlamentarische Staatssekretärin
für Digitales und Verkehr
Diplom-Volkswirtin,
* 22.12.80 in Nürnberg
Wahlkreis 076: Berlin-Pankow
daniela.kluckert@bundestag.de
Rechtsanwalt, * 09.05.71 Herzberg/
Elster, Wahlkreis 081: Berlin-Tempelhof-Schöneberg,
Ausschuss
für Umwelt, Natuschutz, nukleare
Sicherheit und Verbraucherschutz,
Wahlprüfungsausschuss, Verteidigungsausschuss
lars.lindemann@bundestag.de
Diplom-Politikwissenschaftler,
* 07.03.75 in Saarbrücken
Wahlkreis 083: Berlin-
Friedrichshain-Kreuzberg –
Prenzlauer Berg Ost
Wirtschaftsausschuss
pascal.meiser@bundestag.de
Lehrerin, * 09.08.63 in Berlin
Wahlkreis 085: Berlin-Marzahn-Hellersdorf
Ausschuss für
Inneres und Heimat
petra.pau@bundestag.de
HANNA STEINMÜLLER· BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Wissenschaftliche Mitarbeiterin,
* 09.04.93 in Münster
Wahlkreis 075: Berlin-Mitte
Ausschuss für Wohnen,
Stadtentwicklung, Bauwesen und
Kommunen
hanna.steinmueller@bundestag.de
DR. OTTILIE KLEIN · CDU/CSU
KEVIN KÜHNERT · SPD
DR GESINE LÖTZSCH · DIE LINKE
CHRISTOPH MEYER· FDP
Jurist, * 16.07.64 in Dortmund
Wahlkreis 079:
Berlin-Steglitz- Zehlendorf
Ausschuss für Klimaschutz und
Energie, Gemeinsamer Ausschuss
thomas.heilmann@bundestag.de
Abteilungsdirektorin, * 14.02.84 in
Villingen-Schwenningen
Wahlkreis 075: Berlin-Mitte
Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union,
Ausschuss für Arbeit und Soziales,
Gemeinsamer Ausschuss
ottilie.klein@bundestag.de
Angestellter, * 01.07.89 in Berlin
Wahlkreis 081:
Berlin-Tempelhof-Schöneberg
Auschuss für Wohnen, Stadtentwicklung,
Bauwesen und Kommunen
kevin.kuehnert@bundestag.de
Philologin, * 07.08.61 in Berlin
Wahlkreis 086: Berlin-Lichtenberg
Haushaltsausschuss, Rechnungsprüfungsausschuss
gesine.loetzsch@bundestag.de
Rechtsanwalt,
* 30.08.75 in Berlin
Wahlkreis 080: Berlin-Charlottenburg-Wilmersdorf
Vertrauensgremium
christoph.meyer@bundestag.de
LISA PAUS· BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
RUPPERT STÜWE· SPD
Bundesministerin für Familie,
Frauen, Senioren und Jugend
Diplom-Volkswirtin,
* 19.09.68 in Altenrheine
Wahlkreis 080: Berlin-Charlottenburg-Wilmersdorf
lisa.paus@bundestag.de
Diplom-Volkswirt,
* 21.05.78 in Berlin
Wahlkreis 079: Berlin-
Steglitz-Zehlendorf
Ausschuss für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung
ruppert.stuewe@bundestag.de
ANNIKA KLOSE · SPD
Parlamentarische Staatssekretärin
für Wohnen, Stadtentwicklung
und Bauwesen
Diplom-Volkswirtin, * 08.10.75 in
Berlin, Wahlkreis 083:
Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg
– Prenzlauer Berg-Ost
cansel.kiziltepe@bundestag.de
Sozialwissenschaftlerin,
* 24.06.92 in Dortmund
Wahlkreis 075: Berlin-Mitte
Petitionsausschuss, Ausschuss für
Arbeit und Soziales
annika.klose@bundestag.de
RENATE KÜNAST · BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
DR. JAN-MARCO LUCZAK · CDU/CSU
MICHAEL MÜLLER· SPD
Rechtsanwältin,
* 15.12.55 in Recklinghausen
Wahlkreis 081:
Berlin-Tempelhof-Schöneberg
Ausschuss für Ernährung und
Landwirtschaft, Wahlausschuss,
Rechtsausschuss
renate.kuenast@bundestag.de
Rechtsanwalt, * 02.10.75 in Berlin
Wahlkreis 081: Berlin-Tempelhof-Schöneberg
Ausschuss für Wohnen,
Stadtentwicklung, Bauwesen und
Kommunen
jan-marco.luczak@bundestag.de
Drucker , * 09.12.64 in Berlin
Wahlkreis 080: Berlin-Charlottenburg-Wilmersdorf
Auswärtiger Ausschuss
michael.mueller@bundestag.de
NINA STAHR· BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
BEATRIX VON STORCH· AFD
Lehrerin,
* 27.10.82 in Frankfurt am Main
Wahlkreis 079: Berlin-
Steglitz-Zehlendorf
Ausschuss für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung,
Familienausschuss
nina.stahr@bundestag.de
Rechtsanwältin,
* 27.05.71 in Lübeck
Wahlkreis 075: Berlin-Mitte
Ausschuss für Digitales
beatrix.vonstorch@bundestag.de
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
54
WIRTSCHAFT+MARKT
POLITIK
INGO BODTKE · FDP
HEIKE BREHMER · CDU/CSU
KATRIN BUDDE· SPD
ROBERT FARLE· AFD
MARTIN KRÖBER · SPD
MARTIN REICHARDT · AFD
TINO SORGE · CDU/CSU
SACHSEN-ANHALT
Diplom-Ingenieurin für Arbeitsgestaltung,
* 13.04.65 in Magdeburg
Wahlkreis 074: Mansfeld
Ausschuss für Kultur und Medien
katrin.budde@bundestag.de
Rechtsanwalt, Steuerberater,
* 16.02.50 in Bitz
Wahlkreis 074: Mansfeld
Petitionsausschuss
robert.farle@bundestag.de
Geschäftsstellenleiter,
* 12.02.92 Halberstadt
Wahlkreis 069: Magdeburg
Petitionsausschuss,
Verkehrs ausschuss
martin.kroeber@bundestag.de
Offizier, * 30.07.69 in Goslar
Wahlkreis 073: Burgenland –
Saalekreis
Familienausschuss
martin.reichardt@bundestag.de
Rechtsanwalt,
* 04.03.75 in Ilmenau
Wahlkreis 069: Magdeburg
Gesundheitsausschuss
tino.sorge@bundestag.de
DR. HERBERT WOLLMANN · SPD
Arzt, * 14.01.51 in Berlin-Karlshorst
Wahlkreis 066: Altmark
Sportausschuss,
Gesundheitsausschuss
herbert.wollmann@
bundestag.de
DR. KARAMBA DIABY · SPD
DR. FRANZISKA KERSTEN · SPD
Diplom-Chemiker, * 27.11.61 in
Marsassoum/Senegal
Wahlkreis 072: Halle
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung,
Auswärtiger Ausschuss
karamba.diaby@bundestag.de
STEFFI LEMKE · BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
JAN WENZEL SCHMIDT · AFD
DIETER STIER · CDU/CSU
KAY-UWE ZIEGLER · AFD
Ingenieur Fleischwirtschaft,
* 06.06.65 in Eisleben
Wahlkreis 074: Mansfeld
Ausschuss für Ernährung und
Landwirtschaft,
Petitionsausschuss
ingo.bodtke@bundestag.de
Tierärztin, * 19.12.68 in Wittenberg
Wahlkreis 067: Börde –
Jerichower Land
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz,
nukleare Sicherheit und
Verbraucherschutz, Ausschuss für
Ernährung und Landwirtschaft
franziska.kersten@bundestag.de
Bundesministerin für Umwelt,
Naturschutz, nukleare Sicherheit
und Verbraucherschutz
Diplom-Agraringenieurin,
* 19.01.68 in Dessau
Wahlkreis 070: Dessau-Wittenberg
steffi.lemke@bundestag.de
Handelsfachwirt,
* 08.10.91 in Magdeburg
Wahlkreis 067: Börde –
Jerichower Land
Finanzausschuss
jan-wenzel.schmidt@bundestag.de
Diplom-Agraringenieur
* 29.06.64 in Weißenfels
Wahlkreis 073: Burgenland –
Saalekreis
Sportausschuss, Ausschuss für
Ernährung und Landwirtschaft
dieter.stier@bundestag.de
Kaufmann, Geschäftsführer,
* 27.10.63 in Eisleben
Wahlkreis 071: Anhalt
Gesundheitsausschuss
kay-uwe.ziegler@bundestag.de
DR. MARCUS FABER · FDP
JAN KORTE· DIE LINKE
SEPP MÜLLER · CDU/CSU
DR. PETRA SITTE · DIE LINKE
Diplom-Betriebswirtin,
* 05.11.62 in Staßfurt
Wahlkreis 068: Harz
Ausschuss für Tourismus
heike.brehmer@bundestag.de
Politologe, * 04.02.84 in Stendal
Wahlkreis 066: Altmark
Verteidigungsausschuss
marcus.faber@bundestag.de
Politikwissenschaftler,
* 05.04.77 in Osnabrück
Wahlkreis 071: Anhalt
Ausschuss für Kultur und Medien,
Ausschuss für Wahlprüfung,
Immunität und Geschäftsordnung,
Ältestenrat
jan.korte@bundestag.de
Diplomierter Bankbetriebswirt,
* 22.01.89 in Wittenberg
Wahlkreis 070: Dessau-Wittenberg
sepp.mueller@bundestag.de
Diplom-Ökonomin,
* 01.12.60 in Dresden
Wahlkreis 072: Halle
Ausschuss für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung,
Ausschuss für Digitales
petra.sitte@bundestag.de
Fotos: Ingo Bodtke, Deutscher Bundestag (DBT)/Inga Haar (Stier), DTB/Thomas Koehler (Brehmer, Budde), DTB/Achim Melde (Korte, Reichardt), Photothek (Diaby, Kersten, Kröber, Dr. Wollmann). FDP-Bundestagsfraktion (Faber), Robert Farle,Bundesregierung/Steffen Kugler (Lemke), Tobias Koch (Müller), Jan Wenzel Schmidt,
Nancy Glor (Sitte), Tino Sorge, Marielle Styra (Ziegler)
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
DIE OSTDEUTSCHEN BUNDESTAGSABGEORDNETEN
WIRTSCHAFT+MARKT55
DR. HOLGER BECKER · SPD
STEPHAN BRANDNER · AFD
THÜRINGEN
Physiker, * 15.07.64 in Kusel
Wahlkreis 191: Jena – Sömmerda
– Weimarer Land I
Ausschuss für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung,
Ausschuss für Digitales
holger.becker@bundestag.de
Rechtsanwalt,
* 29.05.66 in Herten
Wahlkreis 191: Gera – Greiz –
Altenburger Land
Ältestenrat, Rechtsauschuss,
Ausschuss für Wahlprüfung,
Immunität und Geschäftsordnung
stephan.brandner@bundestag.de
Fotos: Photothek (Becker, Kaiser, Rudolph, Schneider, Frank Ullrich), AfD-Bundestagsfraktion (Brandner, Stöber), Deutscher Bundestag (DBT)/Julia Nowak (Bühl, Pohl), DBT/Inga Haar (Lenkert), Dominik Butzmann (Goering-Eckardt), Manfred Grund, FDP-Bundestagsfraktion (Hanke),
Die LINKE im Bundestag (Henning-Wellsow, Renner), Tobias Koch (Hirte), Dr. Michael Kaufmann, Michael Reichel (Tillmann), Ulrike Höfer (Gerald Ullrich)
MARCUS BÜHL · AFD
REGINALD HANKE · FDP
ELISABETH KAISER · SPD
JÜRGEN POHL · AFD
CARSTEN SCHNEIDER · SPD
FRANK ULLRICH · SPD
Diplom-Informatiker,
* 29.04.77 in Ilmenau
Wahlkreis 192: Gotha –
Ilm-Kreis I
Haushaltsausschuss
marcus.buehl@bundestag.de
Malermeister,
* 25.08.56 in Schwerin
Wahlkreis 195: Saalfeld-Rudolstadt
– Saale-Holzland-Kreis –
Saale-Orla-Kreis
Petitionsausschuss,
Ausschuss für Tourismus
reginald.hanke@bundestag.de
Politik- und Verwaltungswissenschaftlerin,
* 04.03.87 in Gera
Wahlkreis 194: Gera – Greiz –
Altenburger Land
Ausschuss für Inneres und Heimat
elisabeth.kaiser@bundestag.de
Rechtsanwalt,
* 07.01.64 in Magdeburg
Wahlkreis 189: Eichsfeld –
Nordhausen – Kyffhäuserkreis
Ausschuss für Arbeit und Soziales
juergen.pohl@bundestag.de
Staatsminister und Beauftragter
der Bundesregierung für
Ostdeutschland
Bankkaufmann
* 23.01.76 in Erfurt
Wahlkreis 193: Erfurt – Weimar –
Weimarer Land II
carsten.schneider@bundestag.de
Diplom-Sportlehrer,
* 24.01.58 in Trusetal
Wahlkreis 196: Suhl – Schmalkalden-Meiningen
– Hildburghausen
– Sonneberg
Sportausschuss
frank.ullrich@bundestag.de
KATRIN GÖRING-ECKARDT · BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
KLAUS STÖBER · AFD
GERALD ULLRICH · FDP
* 03.05.66 in Friedrichroda
Wahlkreis 193: Erfurt – Weimar –
Weimarer Land II
Ausschuss für Inneres und Heimat
katrin.goering-eckardt@
bundestag.de
SUSANNE HENNIG-WELLSOW · DIE LINKE
Diplom-Pädagogin,
* 13.10.77 in Demmin,
Wahlkreis 193: Erfurt – Weimar –
Weimarer Land II
Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung,
Bauwesen und Kommunen
susanne.hennig-wellsow@
bundestag.de
PROF. DR.-ING. MICHAEL KAUFMANN · AFD
MARTINA RENNER · DIE LINKE
Ingenieur, * 21.04.64 in Gera
Wahlkreis 195: Saalfeld-Rudolstadt
– Saale-Holzland-Kreis –
Saale-Orla-Kreis
Ausschuss für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung
michael.kaufmann@bundestag.de
* 11.03.67 in Mainz
Wahlkreis 190: Eisenach – Wartburgkreis
– Unstrut-Hainich-Kreis
Ausschuss für
Inneres und Heimat
martina.renner@bundestag.de
Steuerberater,
* 11.09.1961 in Eisenach
Wahlkreis 190: Eisenach –
Wartburgkreis –
Unstrut-Hainich-Kreis
Sportausschuss, Finanzausschuss
klaus.stoeber@bundestag.de
Ingenieur,
* 23.12.62 in Schmalkalden
Wahlkreis 196: Suhl –
Schmalkalden-Meiningen –
Hildburghausen – Sonneberg
Wirtschaftsausschuss
gerald.ullrich@bundestag.de
MANFRED GRUND · CDU/CSU
CHRISTIAN HIRTE· CDU/CSU
RALPH LENKERT · DIE LINKE
TINA RUDOLPH · SPD
ANTJE TILLMANN · CDU/CSU
Diplom-Elektroingenieur,
* 03.07.55 in Zeitz
Wahlkreis 189: Eichsfeld – Nordhausen
– Kyffhäuserkreis
Auswärtiger Ausschuss
manfred.grund@bundestag.de
Rechtsanwalt,
* 23.05.76 in Bad Salzungen
Wahlkreis 190: Eisenach – Wartburgkreis
– Unstrut-Hainich-Kreis
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz,
nukleare Sicherheit und
Verbraucherschutz
christian.hirte@bundestag.de
Machinenbautechniker, *09.05.67
in Apolda, Wahlkreis 191: Jena –
Sömmerda – Weimarer Land I,
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz,
nukleare Sicherheit und
Verbraucherschutz, Ausschuss für
Klimaschutz und Energie
ralph.lenkert@bundestag.de
Ärztin, * 21.05.91 in Wolgast
Wahlkreis 190: Eisenach –
Wartburgkreis –
Unstrut-Hainich-Kreis
Gesundheitsausschuss
tina.rudolph@bundestag.de
Diplom-Finanzwirtin,
* 28.08.64 in Düsseldorf
Wahlkreis 193: Erfurt – Weimar –
Weimarer Land II
Finanzausschuss
antje.tillmann@bundestag.de
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
56
WIRTSCHAFT+MARKT
POLITIK
CAROLIN BACHMANN · AFD
RENÉ BOCHMANN · AFD
CLARA BÜNGER · DIE LINKE
ULRIKE HARZER · FDP
KARSTEN HILSE · AFD
CARSTEN KÖRBER · CDU/CSU
BARBARA LENK · AFD
SACHSEN
Volljuristin,
* 04.07.1986 in Oldenburg
Wahlkreis 164: Erzgebirgskreis I
Rechtsausschuss
clara.buenger@bundestag.de
Geschäftsführerin, * 13.06.1968
Chemnitz, Wahlkreis 164:
Erzgebirgskreis I, Ausschuss für
Ernährung und Landwirtschaft,
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz,
nukleare Sicherheit und
Verbraucherschutz
ulrike.harzer@bundestag.de
Polizeibeamter,
* 12.12.1964 in Hoyerswerda
Wahlkreis 156: Bautzen I
Ausschuss für Klimaschutz und
Energie
karsten.hilse@bundestag.de
Unternehmensberater,
* 11.06.1979 in Zwickau
Wahlkreis 165: Zwickau
Rechnungsprüfungsausschuss,
Haushaltsausschuss
carsten.koerber@bundestag.de
Bibliothekarin,
* 04.10.1982 in Dresden
Wahlkreis 155: Meißen
Ausschuss für Digitales
barbara.lenk@bundestag.de
TINO CHRUPALLA · AFD
TORSTEN HERBST · FDP
STEFFEN JANICH · AFD
CAREN LAY · DIE LINKE
YVONNE MAGWAS · CDU/CSU
Investmentfondskauffrau,
* 03.09.1988 in Freiberg
Wahlkreis 161: Mittelsachsen
Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung,
Bauwesen und
Kommunen
carolin.bachmann@bundestag.de
Malermeister,
* 14.04.1975 in Weißwasser
Wahlkreis 157: Görlitz
tino.chrupalla@bundestag.de
Diplom-Kaufmann,
* 23.08.1973 in Dresden
Wahlkreis 159: Dresden I
Haushaltsausschuss, Ältestenrat,
Gemeinsamer Ausschuss
torsten.herbst@bundestag.de
Polizeibeamter,
* 22.01.1971 in Pirna
Wahlkreis 158: Sächsische
Schweiz-Osterzgebirge
Ausschuss für Inneres und Heimat
steffen.janich@bundestag.de
Dipolm-Soziologin,
* 11.12.1972 in Neuwied
Wahlkreis 156: Bautzen I
Ausschuss für Wohnen,
Stadtentwicklung, Bauwesen und
Kommunen
caren.lay@bundestag.de
Diplom-Soziologin, * 28.11.1979 in
Rodewisch/Vogtland
Wahlkreis 166: Vogtlandkreis
Der Ältestenrat
yvonne.magwas@bundestag.de
THOMAS DIETZ · AFD
FABIAN FUNKE · SPD DR. ANDRÉ HAHN · DIE LINKE PHILIPP HARTEWIG · FDP
Internationale Beziehungen (B.A:),
* 25.07.1997 in Dresden, Wahlkreis
158: Sächsische Schweiz-Osterzgebirge,
Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union,
Ausschuss für Menschenrechte
und humanitäre Hilfe
fabian.funke@bundestag.de
* 20.04.1963 in Berlin
Wahlkreis 158: Sächsische
Schweiz-Osterzgebirge
Parlamentarisches Kontrollgremium,
Sportausschuss
andre.hahn@bundestag.de
Bürokaufmann,
* 04.02.1969 in Markranstädt
Wahlkreis 151: Nordsachsen
Verkehrsausschuss
rene.bochmann@bundestag.de
Buchdrucker,
*12.03.1967 in Chemnitz
Wahlkreis 164: Erzgebirgskreis I
Gesundheitsausschuss
thomas.dietz@bundestag.de
BERNHARD HERRMANN · BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
CARLOS KASPER · SPD
JENS LEHMANN · CDU/CSU
HOLGER MANN · SPD
Jurist, * 05.10.1994 in Chemnitz
Wahlkreis 161: Mittelsachsen
Sportausschuss,
Rechtsausschuss
philipp.hartewig@bundestag.de
Diplom-Wasserbauingenieur,
* 13.01.1966 in Luckenwalde
Wahlkreis 163: Chemnitzer
Umland – Erzgebirgskreis II
Ausschuss für Klimaschutz und
Energie
bernhard.herrmann@bundestag.de
Zollbeamter, *03.09.1994 in
Lichtenstein/Sachsen
Wahlkreis 163: Chemnitzer
Umland – Erzgebirgskreis II
Finanzausschuss
carlos.kasper@bundestag.de
Erzieher,
* 19.12.67 in Stolberg (Harz)
Wahlkreis 152: Leipzig I
Sportausschuss,
Verteidigungsausschuss
jens.lehmann@bundestag.de
Geschäftsführer/Politikwissenschaftler,
* 19.02.1979 in Dresden
Wahlkreis 152: Leipzig I
Ausschuss für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung
holger.mann@bundestag.de
Fotos: Deutscher Bundestag (DBT)/Inga Haar (Bachmann), DBT/Stella von Saldern (Hahn), DBT/Julia Nowak (Herbst, Lehmann), DBT/Xander Heinl/photothek (Lenk), DBT/Thomas Trutschel/photothek (Magwas), Ben Gross (Bünger), AfD-Bundestagsfraktion (Bochmann, Chrupalla, Dietz, Janich), James Zabel (Hartewig),
Ines Escherich (Harzer), Grüne im Bundestag, S. Kaminski (Herrmann), Stefan Kraft (Kasper), Tobias Koch (Körber), Die LINKE (Lay), Hammermännchen (Mann), Photothek (Funke), DTB/Achim Melde (Hilse)
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
DIE OSTDEUTSCHEN BUNDESTAGSABGEORDNETEN
WIRTSCHAFT+MARKT57
FRANZISKA MASCHECK · SPD
KATHRIN MICHEL · SPD
MIKE MONCSEK· AFD
Fotos: Photothek (Mascheck, Michel, Müller, Sthamer), Frank Müller-Rosentritt, Julian Hoffmann (Nasr), Edgar Naujok, Die LINKE im Bundestag (Pellmann), Grüne im Bundestag, S. Kaminski (Dr. Piechotta), BLEND3/Frank Grätz (Reichel, Rohwer), Janine Schmitz/photothek (Schenderlein), Merle Spellerberg,
Juliane Mosterz (Taher Saleh, Peter Adamik (Tippelt), Marco Wanderwitz, AfD-Bundestagsfraktion (Moncsek, Moosdorf)
MATTHIAS MOOSDORF · AFD
RASHA NASR · SPD
Sozialarbeiterin,
* 04.02.1979 in Dresden
Wahlkreis 154: Leipzig-Land
Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung,
Bauwesen und
Kommunen
franziska.mascheck@bundestag.de
Musiker, * 20.04.1965 in Leipzig
Wahlkreis 165: Zwickau
Auswärtiger Ausschuss
matthias.moosdorf@bundestag.de
Politikwissenschaftlerin,
* 12.05.1992 in Dresden
Wahlkreis 159: Dresden I
Ausschuss für Arbeit und Soziales
rasha.nasr@bundestag.de
DR. PAULA PIECHOTTA · BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Ärztin, * 19.09.1986 in Gera
Wahlkreis 153: Leipzig II
Rechnungsprüfungsausschuss,
Haushaltsausschuss
paula.piechotta@bundestag.de
DR. CHRISTIANE SCHENDERLEIN · CDU/CSU
Politikwissenschaftlerin,
* 17.10.1981 in Weißenfels
Wahlkreis 151: Nordsachsen
Ausschuss für Kultur und Medien
christiane.schenderlein@bundestag.de
KASSEM TAHER SALEH · BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Diplom-Bauingenieur,
* 01.06.1993 in Zakho/Irak
Wahlkreis 159: Dresden I
Ausschuss für Wohnen,
Stadtentwicklung, Bauwesen und
Kommunen
kassem.tahersaleh@bundestag.de
DETLEF MÜLLER · SPD
EDGAR NAUJOK · AFD
DR. MARKUS REICHEL · CDU/CSU
Industriekauffrau,
* 17.04.1963 in Forst
Wahlkreis 156: Bautzen I
Haushaltsausschuss
kathrin.michel@bundestag.de
Lokomotivführer,
*20.08.1964 in Chemnitz
Wahlkreis 162: Chemnitz
Gemeinsamer Ausschuss
detlef.mueller@bundestag.de
Unternehmer,
* 25.05.1960 in Oggersheim
Wahlkreis 154: Leipzig-Land
Ausschuss für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung
edgar.naujok@bundestag.de
Diplom-Mathematiker,
* 15.07.1968 in München
Wahlkreis 159: Dresden I
Ausschuss für Arbeit und Soziales,
Ausschuss für Digitales
markus.reichel@bundestag.de
MERLE SPELLERBERG · BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
NICO TIPPELT · FDP
Studentin, * 13.11.1996 in Höxter
Wahlkreis 160: Dresden II -
Bautzen Ii
Auswärtiger Ausschuss,
Verteidigungsausschuss
merle.spellerberg@bundestag.de
Diplom-Musikpädagoge,
* 25.04.1967 in Zwickau
Wahlkreis 165: Zwickau
Ausschuss für Tourismus,
Familienausschuss
nico.tippelt@bundestag.de
NADJA STHAMER · SPD
KfZ-Mechaniker,
* 08.08.1964 in Freiberg
Wahlkreis 163:
Chemnitzer Umland –
Erzgebirgskreis II
Ausschuss für Tourismus
mike.moncsek.mdb@bundestag.de
FRANK MÜLLER-ROSENTRITT · FDP
SÖREN PELLMANN · DIE LINKE
LARS ROHWER · CDU/CSU
Diplom-Betriebswirt,
* 13.06.1982 in Chemnitz
Wahlkreis 162: Chemnitz
Auswärtiger Ausschuss
frank.mueller-rosentritt
@bundestag.de
MARCO WANDERWITZ · CDU/CSU
Lehrer, * 11.02.1977 in Leipzig
Wahlkreis 153: Leipzig II
Petitionsausschuss
soeren.pellmann@bundestag.de
Bankkaufmann, * 01.02.1972 in
Dresden, Wahlkreis 160:
Dresden II – Bautzen II, Ausschuss
für Wohnen, Stadtentwicklung,
Bauwesen und Kommunen, Ausschuss
für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
lars.rohwer@bundestag.de
Wissenschaftliche Mitarbeiterin,
* 13.03.90 in Reichenbach
Wahlkreis 153: Leipzig II
Ausschuss für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung,
Ausschuss für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe
nadja.sthamer@bundestag.de
Rechtsanwalt,
* 10.10.1975 in Chemnitz
Wahlkreis 163: Chemnitzer
Umland – Erzgebirgskreis II
Ausschuss für Kultur und Medien
marco.wanderwitz@bundestag.de
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
58
WIRTSCHAFT+MARKT
POLITIK
IM EINSATZ FÜR DIE REGION
Welche Ziele verfolgen die ostdeutschen Abgeordneten im Deutschen Bundestag konkret für
ihren Wahlkreis? W+M hat bei ausgewählten Abgeordneten nachgefragt, welche Projekte sie
in der kommenden Legislaturperiode umsetzen wollen.
DIETMAR BARTSCH (DIE LINKE)
Wahlkreis: Rostock – Landkreis Rostock II
Durch die Insolvenzen der Werften besteht die
Chance für einen Neustart der maritimen Industrie
innerhalb der nächsten zwölf Monate. Die Bezahlung
der Werftmitarbeiter durch die Transfergesellschaften
muss unterstützt werden, damit
die Mitarbeiter in Rostock bleiben können. Auf
dem Gelände der Werften sollen ab Ende 2023
Offshore-Plattformen gebaut werden, wodurch
die Mitarbeiter wiedereingestellt werden können.
Es müssen schnell neue Perspektiven geschaffen
werden, um eine Beschäftigungslücke möglichst
kurz zu halten. Gleichzeitig brauchen wir mehr
Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien,
um Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Eines der wichtigsten Anliegen ist eine bessere
Bezahlung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.
Mecklenburg-Vorpommern ist nach wie vor
Niedriglohnland. Zukunftssichere Arbeitsplätze,
bessere Bezahlung, verbesserte Arbeitsbedingungen
und Erhöhung der Attraktion des
Tourismuslandes M-V sind Schwerpunkte, für
die ich mich weiter einsetzen werde.
FRIEDHELM BOGINSKI (FDP)
Wahlkreis: Uckermark-Barnim I
MARIO CZAJA (CDU)
Wahlkreis Berlin-Marzahn-Hellersdorf
Nach wie vor spielt die Bestandspflege der bereits im
Wahlkreis ansässigen kleinen und mittleren Unternehmen,
welche den Kern unserer regionalen Wirtschaft
darstellen, für mich eine zentrale Rolle. Daneben
wird es aber auch darum gehen, dass sich neue
Unternehmen ansiedeln. Dafür gilt es, entsprechende
Rahmenbedingungen zu schaffen. Unter anderem
gehört dazu eine noch bessere Bahnverbindung nach
Berlin. Daher werde ich mich dafür einsetzen, dass
in Zukunft der Halbstundentakt gefahren
und der Ausbau des Schienennetzes
vorangebracht wird. Jahrelang war
der Wahlkreis durch den Wegzug der
jüngeren Generationen geprägt. In
den letzten Jahren verschlägt es
jedoch wieder mehr junge Familien
in unsere Region. Ich möchte
für diese jungen Menschen
Perspektiven schaffen
und den Wahlkreis 57
zu einer Region
der Zukunft
machen.
Die Tangentiale Verbindung Ost ist ein wichtiger Lückenschluss von zirka
6,5 Kilometern. Sie wird nach ihrer Fertigstellung dazu beitragen, die überlasteten
Anwohnerstraßen vom Schleichverkehr zu befreien, die Schulwege
sicherer zu machen und den Gewerbeverkehr zwischen den Industriegebieten
im Marzahner Norden und Adlershof besser zu verknüpfen. Jetzt gilt es,
ohne Verzögerungen die letzte Lücke auf den noch fehlenden 6,5 Kilometern
zu schließen. Ich werde mich dafür einsetzen, dass es hier vorangeht
und die bereitstehenden Mittel für das Projekt nicht wegen chronischer
Tatenlosigkeit des Berliner Senats verfallen.
Unser Bezirk beherbergt die einzige Seilbahn in Berlin. Sie wurde für die
Internationale Gartenausstellung errichtet. Ich möchte, dass sie uns erhalten
bleibt und jeder Bürger sie künftig mit dem normalen
BVG-Fahrschein nutzen kann. Mit vereinten Kräften
kann es uns gelingen, die Strecke der Seilbahn noch
zu verlängern – bis zum S-Bahnhof Marzahn.
Dann hätten wir einen perfekten Brückenschlag
von der S-Bahn bis zur U-Bahn-Strecke.
Ich will zudem die Mittel für ein neues Freibad
nach Marzahn-Hellersdorf holen. Berlin hat
60 Freibäder, aber keines davon ist in Marzahn-Hellersdorf.
Mein Ziel ist es, diese für das
Lebensgefühl der Menschen so wichtige
Aufgabe in den kommenden
vier Jahren zu lösen.
Fotos: Deutscher Bundstag/Inga Haar (oben, unten links), Ulrich Brothagen (unten rechts)
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
STATEMENTS
WIRTSCHAFT+MARKT59
ULRIKE HARZER (FDP)
Wahlkreis Erzgebirgskreis I
DR. GREGOR GYSI (DIE LINKE)
Wahlkreis Berlin-Treptow-Köpenick
Treptow-Köpenick ist ein Zuzugsbezirk,
einer der Bezirke mit den meisten Wohnungsneubauten
in den letzten Jahren. Das
stellt höhere Erwartungen an den ÖPNV.
Taktverdichtungen und neue Linien sind
notwendig. Und wir brauchen Wohnungen,
die bezahlbar sind. Andererseits ergeben
sich aus den Nachverdichtungsplänen,
die wohnortnahes Grün vernichten, auch
zunehmend Probleme. Das Thema Mietendeckel
muss auf Bundesebene so schnell
wie möglich angegangen werden. Und es
werden mehr Atelierräume benötigt, vor
allem bezahlbare.
Ich werde mich insbesondere für die Exzellenzinitiative Berufliche Bildung
einsetzen. Dadurch werden kleine und mittelständische Unternehmen bei
der Gewinnung und Ausbildung von zukünftigen Fach- und Führungskräften
unterstützt. Der Fachkräftebedarf ist enorm und kann nicht allein durch das
europäische Ausland gedeckt werden. Die Anerkennung
von nichtdeutschen Berufs- und Studienabschlüssen
sollte unbürokratischer gestaltet sein und die
Möglichkeit, junge Menschen aus dem Ausland hier
auszubilden, vereinfacht werden. Der ÖPNV und
der Ausbau der digitalen Infrastruktur sind weitere
wichtige Themen für
mich in unserer Region.
Foto: Fotos: XXX Die Linke (oben links und rechts), Ines Escherich (oben Mitte),
Tobias Koch (unten links)
CHRISTIAN HIRTE (CDU)
Eisenach – Wartburgkreis – Unstrut-Hainich-Kreis
Wesentlich sind für viele Unternehmen in meinem
ländlich geprägten Wahlkreis Standortnachteile, die
sich durch lange Wege zu den Autobahnen ergeben.
Obwohl viel in die Straßeninfrastruktur
investiert wurde, lassen sich vorhandene
Nachteile nur mit erheblichen Investitionen
ausgleichen. Aus diesem Grund
habe ich gegen erheblichen Widerstand
den Ausbau der B 247 durchgesetzt, um
den Unstrut-Hainich-Kreis besser an die
BAB 4 und 38 anzubinden. Der Ausbau der
B 62 wird die Wartburgregion in Ost-West-
Richtung besser erschließen. Der Ausbau der B 19 mit Umfahrung der
Ortslage Eisenach wäre ein wichtiger Schritt, den Raum Meiningen,
Bad Salzungen, Schmalkalden an die BAB 4 anzuschließen, um so den
Standortnachteil durch bessere Distributionsmöglichkeiten in einen
Vorteil zu verwandeln.
Neben den Verwerfungen durch Corona ist sicher am akutesten der
Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Durch die sprunghaft
gestiegenen Energiepreise erwarten 62 Prozent der Unternehmen
große bis sehr große Belastungen, in der Industrie sind es sogar
70 Prozent. Hier muss unverzüglich Entlastung geschaffen werden.
SUSANNE HENNING-WELLSOW (DIE LINKE)
Wahlkreis Erfurt – Weimar – Weimarer Land II
Die infrastrukturelle Anbindung meines Wahlkreises
zwischen ländlichen Regionen und den Städten ist sehr
wichtig. Insbesondere die hohen Zahlen von Pendler*innen
nach Erfurt erfordern einen reibungslosen und bezahlbaren
ÖPNV. Wir setzen uns bundesweit für den Ausbau ein,
unser längerfristiges Ziel ist ein kostenloser ÖPNV.
Erfurt und Weimar verfügen über einen vitalen Tourismussektor.
Diesen gilt es, weiter mit anderen Regionen
Thüringens zu verzahnen, ohne die eigenständigen Profile
zu verlieren. In besonderem Maße müssen wir uns mit
der Fachkräftegewinnung für die Branche auseinandersetzen.
Hier braucht es soziale und gerechte Regeln für
notwendige Zuwanderung und deutliche Verbesserung
der Arbeitsbedingungen in Zusammenarbeit mit den
Gewerkschaften.
Innenstädte sollen Orte der Vielfalt sein, das Besondere
und Charakteristische wollen wir erhalten und Strukturen
fördern, die eine vitale und lebenswerte Umgebung schaffen.
Wir treten für eine Mietpreisbremse bei gewerblichen
Mieten ein, auch um dem Leerstand in den Innenstädten
zu begegnen. Es sollen nicht nur große Ketten, sondern
auch kleine Buchläden und die Vermarktung von regionalen
Produkten Platz in den Innenstädten haben.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
60
WIRTSCHAFT+MARKT
POLITIK
CARLOS KASPER (SPD)
Wahlkreis Chemnitzer Umland – Erzgebirgskreis II
Ich möchte mich für den zweigleisigen und elektrifizierten Ausbau
der Bahnstrecke Chemnitz-Leipzig sowie für die Mitte-Deutschland-Verbindung
einsetzen. Letztere schafft einen zusätzlichen
Brückenschlag von Nordrhein-Westfalen oder Frankfurt am Main
nach Dresden über Chemnitz. Die schnelle und verlässliche Erreichbarkeit
des Wirtschaftsstandortes Südwestsachsen wird für die
Zukunft entscheidend sein. Insbesondere, wenn die Verlagerung des
Güterverkehrs auf die Schiene langfristig realisiert werden soll.
Bezüglich des Lohnniveaus freue ich mich, dass wir uns innerhalb
der Koalition auf einen Mindestlohn von zwölf Euro
verständigen konnten. Mit der einmaligen Anhebung
stellen wir vor allem Ostdeutsche und insbesondere
Frauen besser. Das „Billiglohnland Sachsen“ muss
der Geschichte angehören.
Neben den angesprochenen Feldern gilt es nach
der Corona-Pandemie auch die Tourismus- und
Kulturbranche wieder mehr in den Blick zu nehmen.
Gerade im Chemnitzer Umland haben wir eine
lebendige Kulturszene und eine Reihe von
attraktiven Tourismusgebieten vom
Muldental bis ins Erzgebirge.
MICHAEL MÜLLER (SPD)
Wahlkreis Berlin-Charlottenburg-Wilmersdorf
In meinem Wahlkreis liegen mir besonders die kleinen Gewerbetreibenden,
der Einzelhandel und die Handwerkerinnen und Handwerker am Herzen. Mir
ist es wichtig, eine Durchmischung, in der auch kleine Läden
und Geschäfte eine Chance haben, beizubehalten.
Gleichzeitig habe ich natürlich nach den schweren
Einschränkungen durch die Corona-Pandemie auch
das Messegeschäft und den Tourismus im Blick, der
eine große Bedeutung für die lokale Wirtschaft in
Charlotten burg-Wilmersdorf besitzt. Infra strukturelle
Projekte in meinem Wahlkreis beziehen sich
neben den notwendigen Sanierungen, beispielsweise
von Brücken, besonders auf die Verkehrswende und
Maßnahmen hin zu einer umweltfreundlicheren
Innenstadt.
fehlt
MICHAEL KELLNER (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wahlkreis Uckermark-Barnim I
Kommunen sollen künftig mehr von den Windkraftanlagen
vor Ort profitieren, auch wenn
es Bestandsanlagen sind. Dafür wollen wir
gesetzlich festschreiben, dass 0,2 Cent pro
Kilowattstunde vom Betreiber der Windkraftanlage
an die jeweilige Gemeinde gezahlt werden
müssen. Dieses Geld können die Kommunen in
Infrastruktur investieren.
In meinem Wahlkreis haben sich beide Landkreise
dazu bekannt, sich zur Wasserstoffregion
entwickeln zu wollen. Grüner Wasserstoff
kann in der Region aus Wind- und Solarstrom
erzeugt und flüssig gespeichert werden. Hierin
sehe ich Potenzial für neue Geschäftsfelder,
neue Ansiedlungen und zukunftsfeste Beschäftigung.
Außerdem setze ich mich dafür ein,
dass die Fernwärmenetze in den Fokus der
Aufmerksamkeit geraten. In Prenzlau etwa
werden über Fernwärme Haushalte in der
Innenstadt beheizt. Das passiert derzeit zu
30 bis 45 Prozent aus erneuerbaren Energien
und sollte zukünftig mehr werden.
Was die infrastrukturelle Entwicklung in meinem
Wahlkreis betrifft, so setze ich auf einen
Ausbau der Schiene. Was ich keinesfalls unterstütze,
ist, dass die Oder zu einer Wasserautobahn
ausgebaut wird, wie von polnischer Seite
geplant. Das würde den einzigen Auen-Nationalpark
Deutschlands, den Nationalpark
„Unteres Odertal“, stark gefährden.
Fotos: Stefan Kraft (oben links), Grüne im Bundestag, S. Kaminski (oben rechts), Michael Müller (unten)
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
STATEMENTS
WIRTSCHAFT+MARKT61
CLAUDIA MÜLLER (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wahlkreis Vorpommern-Rügen – Vorpommern-Greifswald I
Mir liegt die maritime Wirtschaft besonders am Herzen. Ganz wichtig ist das
Know-how der Fachkräfte für innovativen und wettbewerbsfähigen Schiffbau
zu erhalten, den Spezialschiffbau zu stärken und in Zukunftstechnologien zu
investieren. Ich möchte mitwirken daran, die Werftenstandorte in ganz Mecklenburg-Vorpommern,
insbesondere auch in Stralsund, erhalten zu können.
So können die hochqualifizierten Fachkräfte hier bleiben. Wir müssen deshalb
darauf achten, dass neben einer guten Gesundheits- und Nahversorgung auch
Bildungs- und Kulturangebote vor Ort attraktiv bleiben bzw. den Neustart nach
der Pandemie gut bewältigen können.
Gleichzeitig haben sich in der Region viele innovative kleine Firmen und
Startups niedergelassen. Diese gilt es zu unterstützen und die Entwicklung
der Kleinstädte als Versorgungszentren für den ländlichen Raum auszubauen.
Tourismus ist ein relevanter Wirtschaftsfaktor. Ich möchte dazu beitragen,
dass auch naturnahe Konzepte sich etablieren können, wir den
Hinterlandtourismus stärken und somit auch die Saison verlängern
können. Dazu benötigen wir ein gut ausgebautes
und nachhaltiges Mobilitätsangebot, damit die Touristen
nicht entnervt in langen Staus anreisen müssen. Die
Bahnanbindung von Vorpommern in den Rest der Republik
muss im Takt und in der Anschlussfähigkeit an den
Fernverkehr verbessert werden.
DR. PETRA SITTE (DIE LINKE)
Wahlkreis Halle
Jährlich studieren an den drei Hochschulen Halles
zirka 22.000 junge Leute. Vor diesem Hintergrund
sind Pläne der sachsen-anhal tischen Landesregierung,
die Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg zum Abbau von Lehrstühlen,
Professuren und über 3.000 Studienplätzen
zu zwingen, kontraproduktiv. Einsparungen im
Landeshaushalt werden uns Chancen kosten.
Noch kämpfen wir in einem breiten Bündnis
gegen die Abbaupläne.
Fotos: Arne Jeschal (oben links), Nancy Glor (oben rechts), Marielle Styra (unten)
KAY-UWE ZIEGLER (AFD)
Wahlkreis Anhalt
In erster Linie müssen wir unseren Menschen eine hohe Lebensqualität
ermöglichen. Das beginnt bei uns mit schnellem Internet zu Hause, der Schule
im Ort, dem Arzt, der Apotheke und den Nahversorgern und hört bei einem
gefestigten Vereinsleben, guten Arbeitsplätzen und bester Bildung noch
lange nicht auf. Die Hälfte aller Beschäftigten pendelt jeden Tag zur Arbeit in
benachbarte Ortschaften oder angrenzende Landkreise. Dies kostet nicht nur
Sprit, sondern auch wertvolle Lebenszeit. Deshalb ist die Lebensqualität in
unserer ländlich strukturierten Region von gut ausgebauten Verkehrswegen
sowie einem kurz getakteten und weit verzweigten öffentlichen Nahverkehrssystem
abhängig. Das bezieht Straßen, Schienen und Radwege sowie
den Bus- und Bahnbetrieb gleichermaßen ein.
Wir müssen gezielt mittelständische Unternehmen ansprechen, die ihre Produktion
nach Deutschland zurückverlegen. Wir wollen das gesunde Leben in
unseren kleinen Städten und Dörfern mit der modernen Welt der technischen
Innovationen verknüpfen, um den Lebensstandard in unserer Region nachhaltig
zu erhöhen. Hierfür ist eine fortschrittliche Digitalisierung im ländlichen
Raum eine Voraussetzung, die wir schaffen wollen.
Deutschland plant den Kohleausstieg bis
spätestens 2038. Damit ist das Mitteldeutsche
Kohlerevier gewaltig herausgefordert.
Um gemeinsam ein Konzept für den Strukturwandel
zu entwickeln, hat sich 2019 die
gemeinsame „Kommission zur Gestaltung des
Kohleausstiegs in der Stadt Halle (Saale) und
im Saalekreis“ konstituiert. Inzwischen liegen
ein Konzept sowie daraus abgeleitete Projekte
vor. Die Ausrichtung stimmt. Ich selbst setze
mich gleichzeitig und über bisherige Regelungen
hinaus für eine gesetzlich verankerte Einkommens-,
Beschäftigungs- und Weiterbildungsgarantie
für Bergbau-Beschäftigte ein. Der
Strukturwandel in Braunkohleregionen muss
sozial gerecht und planungssicher gestaltet
werden.
Alle Antworten werden
sukzessive im W+M-
Onlinemagazin
veröffentlicht.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
62 WIRTSCHAFT+MARKT INTERNATIONALE MÄRKTE
GTAI-REPORT:
INTERNATIONALE
MÄRKTE IM VISIER
Was bewegt wichtige Auslandsmärkte und welche Chancen eröffnen sich
für deutsche Mittelständler – der GTAI-Report widmet sich monatlich im
W+M-Onlinemagazin den aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen in einzelnen
Ländern. Für Sie ausgewählt: Frankreich, das Vereinigte Königreich und
Usbekistan.
VON PETER BUERSTEDDE (FRANKREICH),
MARC LEHNFELD (VEREINIGTES KÖNIGREICH) UND
UWE STROHBACH (USBEKISTAN)
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
GTAI-REPORT
WIRTSCHAFT+MARKT63
FRANKREICH –
DER VERLÄSSLICHE MARKT NEBENAN
Frankreich ist einer der wichtigsten Märkte für deutsche Unternehmen.
Mit der Energie- und Klimawende und der Unsicherheit in den
globalen Lieferketten wird die Bedeutung weiter wachsen. Mit einem
BIP von 2,3 Billionen Euro war Frankreich 2021 nach Deutschland die
zweitgrößte Volkswirtschaft in der EU vor Italien und Spanien und lag
damit nur leicht hinter dem Vereinigten Königreich. Das Land ist aber für
deutsche Exporteure der mit Abstand größte Zielmarkt in der EU. Und
auch wenn Frankreich im globalen Ranking deutscher Absatzmärkte in
den letzten Jahren von den USA und China überrundet worden ist: Für
viele deutsche Firmen ist es weiter der Absatzmarkt Nummer 1.
Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Frankreich sind
eng und in einigen Branchen sind die Verflechtungen besonders stark.
Dies gilt etwa für den Flugzeugbau mit Airbus als Herzstück, für die
Automobilindustrie, wo OEMs und Teilezulieferer eng über die Grenze
hinaus zusammenarbeiten und für den Chemiesektor, wo deutsche
Firmen in Frankreich viel investiert haben. Dies sind auch traditionell
starke Exportsektoren des Landes. Darüber hinaus ist Frankreich
besonders im Export von Luxusgütern mit Großkonzernen wie LVMH,
Kering und L’Oréal und auch von Wein und Spirituosen erfolgreich.
Regierung fördert Reindustrialisierung
Gleichzeitig will sie die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie
verbessern und wenn möglich mit Subventionen nachhelfen, damit
wieder mehr im Inland produziert wird. Mit Stand Ende Februar 2022
hat die Regierung 3,5 Milliarden Euro an Fördermitteln bewilligt für
Industrievorhaben mit Investitionen von 13,1 Milliarden Euro. Diese
werden in den kommenden Jahren umgesetzt und bieten Geschäftschancen
für deutsche Maschinen- und Anlagenbauer.
Frankreich ist auch ein Innovationsstandort erster Güte. Präsident
Emmanuel Macron hatte bei Amtsantritt 2017 eine Startup-Nation
schaffen wollen. Tatsächlich ist in den letzten Jahren dank staatlicher
Förderung, die großzügiger als in Deutschland ausfällt, ein Wildwuchs
an Neugründungen entstanden. Diese Innovationskraft wird zum
Teil bereits von deutschen Firmen durch Übernahmen oder Kooperationen
angezapft. Fast im Monatstakt kündigt ein deutsches oder
Reifer Markt in Bewegung
Frankreich ist ein reifer Markt, wo deutsche Firmen seit Jahrzehnten
gut verkaufen und stark investiert haben. Für Neueinsteiger ist es kein
einfacher Markt. Er ist anspruchsvoll, erfordert ein starkes Service-Engagement
und ist mitunter hart umkämpft. Auch kann sich eine zum Teil
wirtschaftspatriotische Klientel auch mal an einem deutschen Anbieter
stören.
Aber es bieten sich weiter interessante Chancen und das in ganz verschiedenen
Bereichen. Die Digitalisierung und der Onlinehandel haben
es deutschen Firmen in den vergangenen Jahren erleichtert, den Markt
zu erschließen – sei es über Amazon oder über eigene Webshops wie
Zalando, Zooplus und Gerstaecker. Aldi und Lidl expandieren stark im
Einzelhandel – Aldi fast sprunghaft durch die Übernahme von über 500
Supermarktfilialen eines Konkurrenten.
Foto: GTAI
Die Energie- und Klimawende eröffnet zahlreiche neue Geschäftsmöglichkeiten.
Deutschland und Frankreich stehen hier trotz unterschiedlicher
Einstellungen zur Kernkraft denselben Herausforderungen
gegenüber. In der Krise hat das Land Konjunkturprogramme mit 130
Milliarden Euro an Förderung aufgelegt inklusive 39 Milliarden Euro
aus dem EU-Corona-Wiederaufbaufonds. Damit hat sie die staatliche
Förderung für die Dekarbonisierung der Industrie, die energetische
Sanierung von Gebäuden sowie den Ausbau erneuerbarer Energien und
der Elektromobilität ausgeweitet.
DER AUTOR
Peter Buerstedde
Peter Buerstedde berichtet
seit 2019 aus Paris für die
GTAI.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
64
WIRTSCHAFT+MARKT
INTERNATIONALE MÄRKTE
Kraftwerke: Die Energiewende steht auch in Frankreich vor der Tür.
französisches Startup den Markteinstieg im jeweiligen Nachbarland
an. Andere deutsche Firmen lassen aufgrund der günstigen Abschreibungsmöglichkeiten
in Frankreich forschen.
Großzügige Krisenhilfen treiben Wachstum an
Interessant ist Frankreich auch, weil das Land sich schnell wieder von
der Krise erholt hat. Mit real sieben Prozent hat Frankreich 2021 eine
der höchsten Wachstumsraten in der Eurozone erreicht. Dabei spielen
Aufholeffekte eine große Rolle, da der Konjunktureinbruch 2020 besonders
stark war. Allerdings haben auch großzügigere Hilfsmaßnahmen
die Erholung beschleunigt. Vor Deutschland hat Frankreich Ende
2021 bereits wieder das Vorkrisenniveau übertroffen. 2022 werden
sich die Nachholeffekte beim Konsum und den Investitionen langsam
abschwächen. Daher dürfte das Wachstum auf etwa drei Prozent
zurückfallen.
Wie in Deutschland belasten seit Anfang 2021 Lieferengpässe vor
allem die Schlüsselbranchen Automobilindustrie und Flugzeugbau.
Lösen sich die Lieferengpässe auf, könnte die Produktion hier 2022
wieder kräftig zunehmen. Die Instabilität in den globalen Lieferketten
hat aber viele deutsche Unternehmen aufgeschreckt. Nicht zuletzt
deshalb dürfte Frankreich als großer verlässlicher Markt in unmittelbarer
Nachbarschaft in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen.
Foto: AdobeStock
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
THEMA
WIRTSCHAFT+MARKT65
Foto: XXX
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
66
WIRTSCHAFT+MARKT
INTERNATIONALE MÄRKTE
Zwischen der EU und dem UK gibt es wieder eine Zollgrenze.
VEREINIGTES KÖNIGREICH –
CHANCEN HINTER DER ZOLLGRENZE ENTDECKEN
Der Ruf des Vereinigten Königreichs als offene Volkswirtschaft hat
während des schmerzhaften Brexit-Prozesses heftig gelitten. Wer
aber die Kosten der Zollgrenze einkalkulieren kann, entdeckt einen
großen Absatzmarkt mit umfangreichen Absatzchancen.
Die schlechte, weithin bekannte Nachricht vorab: Der Brexit schmerzt,
auch wirtschaftlich. Das im Königreich weithin geschätzte Office for
Budget Responsibility sagt dem Land im Vergleich zur Unionsmitgliedschaft
langfristige Produktivitätseinbußen von vier Prozent voraus, ein
um 15 Prozent niedrigeres Handelsvolumen und eine negative Nettoeinwanderung
– in Zeiten des Fachkräftemangels besonders spürbar.
Die Zollgrenze knirscht im Getriebe des einst reibungslosen Handels
zwischen britischen und europäischen Exporteuren. Ihre Bürokratie
sorgt für längere Lieferzeiten und höhere Speditionskosten. Hinzu
kommen im Laufe dieses Jahres auf britischer Seite zusätzliche Einfuhrregeln
für Lebensmittel.
Teurer wird es auch jenseits der Zollbürokratie. Weil die britische Regierung
bewusst vom europäischen Regulierungsregime abweicht, müssen
neue Standards eingehalten werden. Dazu gehören zum Beispiel der
CE-Nachfolger UKCA oder die neue UK REACH-Datenbank für importierte
Chemikalien. Wer also Produkte von der EU aus im Vereinigten
Königreich verkauft, muss die Anforderungen von zwei Wirtschaftsräumen
einkalkulieren.
DER AUTOR
Marc Lehnfeld
Marc Lehnfeld berichtet für
GTAI am Standort London
über das Vereinigte Königreich
und Irland.
Auch auf politischer Ebene ist Post-Brexit von einer britisch-europäischen
Wirtschaftspartnerschaft nichts zu spüren, wie der Konflikt um
das Nordirland-Protokoll zeigt.
So warten auch die deutsch-britischen Beziehungen auf neue Impulse.
Im Außenhandel sind die Bremsspuren bereits sichtbar: Im Ranking der
wichtigsten deutschen Handelspartner sind die Briten weiter abgerutscht
und lagen 2021 nur noch auf Platz zehn. Noch 2017 belegte die Insel
den fünften Platz. Mittelständler, die beim EU-Geschäft das Königreich
„mitgenommen“ haben, müssen sich nun überlegen, ob sich der
Mehraufwand noch lohnt.
Offshore-Wind, Infrastrukturprojekte und
neue Krankenhäuser
Die Auswirkungen des Brexit verzerren allerdings auch den Blick auf die
Chancen im Königreich. Denn wer die Kosten der Zollgrenze einpreisen
kann, findet hinter ihr einen wachsenden Markt. Ohnehin ist das Vereinigte
Königreich nach Deutschland die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt und
damit ein kaum zu ignorierender Markt. Im Gegenteil: Wer sich vom Brexit
abschrecken lässt und sich vom britischen Markt zurückzieht, verliert
Marktanteile an die außereuropäische Konkurrenz.
Der historische Wirtschaftseinbruch im Zuge der Corona-Krise ist bereits
wieder kompensiert. Allerdings erholen sich die Branchen sehr unterschiedlich
vom Corona-Schock. Deshalb müssen Exporteure genau hinschauen.
Chancen bietet die britische Insel zum Beispiel bei Maschinen,
Infrastrukturprojekten und im Gesundheitsbereich.
Wegen der Unsicherheit über den Brexit lagen viele Investitionsprojekte
in den vergangenen Jahren auf Eis. Die Zurückhaltung bei Investitionen
in neue Maschinen und Fabrikausrüstungen verfliegt aber zunehmend.
Das liegt auch an der staatlichen Superabschreibung („super deduction“),
bei der im ersten Jahr des Investments bis zu 130 Prozent abgeschrieben
werden können. Die Ausrüstungsinvestitionen liegen bereits
wieder elf Prozent über dem Vor-Corona-Niveau und werden mit
dem Schwung durch die zusätzlichen Abschreibungen weiter steigen.
Foto: GTAI / Studio Prokopy, AdobeStock
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
GTAI-REPORT
WIRTSCHAFT+MARKT67
Aller dings läuft der Countdown, denn die Steuersubvention lauft
schon Ende März 2023 aus.
Ein anderer Wachstumsmotor der britischen Wirtschaft ist der Ausbau
der Offshore-Windindustrie. Bis 2030 sollen die Kapazitäten auf 40 GW
vervierfacht werden. Davon profitieren auch deutsche Windparkentwickler
wie EnBW oder RWE Renewables, die Zuschläge für neue Projekte im
Königreich erhalten haben. Auch wenn immer mehr Zulieferer im Land
investieren oder erweitern, um lokal zu produzieren, bleibt aufgrund des
großen Wachstums genug Spielraum für deutsche Exporteure.
sorgten schwere Grippewellen für eine starke Belastung in den unterausgestatteten
Krankenhäusern. Mittlerweile ist die Behandlungswarteliste
auf einen Rekordwert von über sechs Millionen Patienten gewachsen.
Diese Lücke soll vor allem ein Bauprogramm für insgesamt 48 neue Krankenhäuser
und Erweiterungsprojekte im Wert von rund 4,4 Milliarden
Euro schließen. Hinzu kommen unter anderem rund 300 Millionen Euro
für die Digitalisierung der Diagnostik, denn das öffentliche Gesundheitssystem
steht unter einem enormen Druck.
Außerdem profitiert der britische Gesundheitsmarkt von dringend
benötigten milliardenschweren Investitionen. Schon vor der Corona-Krise
USBEKISTAN:
REFORMPROGRAMM ZEIGT WIRKUNG
Usbekistans Wirtschaft litt gut zwei Jahrzehnte unter einem massiven
Reformstau. Bemühungen für mehr Liberalisierung und Marktöffnung
blieben in Ansätzen stecken. Fünf Jahre nach dem Amtsantritt des Präsidenten
Schawkat Mirsijojew Ende 2016 erstrahlt das Land heute im
neuen Glanz. Ein „Zurück zu alten Zeiten“ ist nicht mehr vorstellbar.
Ambitionierter Reformkurs lockt Investoren
Die Gründe für die Renaissance Usbekistans als attraktiver Standort
für Investitionen und Handel liegen auf der Hand: eine beispiellose
Reform- und Liberalisierungswelle sowie die Wiederbelebung von
Handel und Kooperation mit den Nachbarstaaten. Immer mehr ausländische
Firmen strömen auf den mit 35 Millionen Einwohnern größten
Verbraucher markt Zentralasiens.
Die Anzahl der aktiven Firmen mit einer ausländischen Beteiligung
ist emporgeschnellt: von rund 5.000 zu Beginn des Jahres 2017 auf
13.300 bis Anfang 2022. Jedes dritte Unternehmen engagiert sich in
der Industrie. Deutsches Kapital ist an mehr als 200 Firmen gänzlich
oder teilweise beteiligt.
Die Importbelebung spiegelt die hohe Investitionsneigung der
Wirtschaft wider. Vor allem die Nachfrage nach Maschinen,
Ausrüstungen und Transportmitteln zeigt stark nach oben.
Usbekistans Bruttokapitalanlagen legten 2017 bis 2021 jährlich
im Schnitt um real 17,6 Prozent zu. Prognosen für 2025 sagen
ein Volumen von 34 Milliarden US-Dollar voraus, ein Plus von
zehn Milliarden US-Dollar gegenüber 2021. Deutsches Kapital
stand in den Jahren 2020 und 2021 für ein Siebentel bis ein
Sechstel des Kapitalzuflusses aus dem Ausland.
Viele Hürden sind noch zu meistern
Optimismus ist durchaus angesagt, dass sich Usbekistans als
Partner für Handel, Investitionen und Kooperation weiter profilieren
wird. Übertriebene Euphorie ist aber fehl am Platz. Der
staatlich gelenkte und kontrollierte Liberalisierungsprozess ist
noch nicht mit einer freien Marktwirtschaft im europäischen
Sinne zu vergleichen.
Zweitwichtigster Absatzmarkt in Zentralasien
Foto: GTAI
Die Warenimporte Usbekistans betrugen in den letzten vier Jahren
jährlich im Schnitt 21 Milliarden US-Dollar. Im Jahr 2021 summierten sie
sich auf 23,7 Milliarden US-Dollar. Noch in den vier Vorjahren waren es
weniger als zwölf Milliarden. Usbekistan ist nach Kasachstan der zweitbedeutendste
Absatzmarkt Deutschlands in Zentralasien. Die jährlichen
deutschen Exporte in das Land an der Seidenstraße verdoppelten sich
in den Jahren 2016 bis 2019 von 435 Millionen Euro auf 876 Millionen
Euro. Zwar ließ die Corona-Pandemie die Ausfuhren 2020 und 2021
temporär auf jeweils etwa 600 Millionen Euro einbrechen. Ab 2022
dürften sie jedoch wieder anziehen.
DER AUTOR
Dr. Uwe Strohbach
Dr. Uwe Strohbach ist
Regionalmanager Zentralasien
& Südkaukasus bei
Germany Trade & Invest
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
68
WIRTSCHAFT+MARKT
INTERNATIONALE MÄRKTE
Der Registan-Platz in Samarkand
Zu den Besonderheiten des usbekischen Reformmodells zählen:
• die noch in den Anfängen steckende Restrukturierung von Staatsunternehmen
und wichtigen Wirtschaftszweigen,
• die starke staatliche Einflussnahme auf die Wirtschaft,
• die unerlässliche Einbindung zentraler und lokaler Behörden in
neue Projekte,
• die notwendige Kooperation mit Staatsbetrieben, die in der Zulie ferindustrie
oft noch dominieren,
• der weiterhin hohe Nachholbedarf für eine unabhängige Rechtsprechung
und für abgebaute Schattenwirtschaft, Bürokratie,
oligarchische Strukturen und Korruption.
Die überfällige Restrukturierung der oft unrentablen und schlecht
gemanagten Staatsbetriebe ist eine wesentliche Ursache für die
geringe Leistungskraft der usbekischen Wirtschaft.
Reformen beflügeln Wirtschaft
Usbekistan wird als Wirtschaftsstandort weiter an Attraktivität gewinnen.
Dafür spricht der starke Reformwille der Regierung. Ihr Ziel ist
ein markwirtschaftlich ausgerichtetes Wirtschaftssystem. Lösungsorientiert
geht sie offene Fragen der Reformagenda an und kooperiert
forciert mit dem Ausland. Neue Branchen- und regionale Entwicklungsprogramme
bergen Lieferpotenzial. Geschäftschancen bieten
hierbei Maschinen, Ausrüstungen, Komplettierungsteile, Baustoffe und
Zwischenprodukte. Diese Programme und die weiteren privaten und
öffentlichen Modernisierungs- und Ausbauvorhaben summieren sich
im Zeitraum 2022 bis 2026 auf über 140 Milliarden US-Dollar, so die
Kalkulation der usbekischen Regierung. Dabei rechnet sie mit einem
Zufluss ausländischer Investitionen und Kredite von etwa 70 Milliarden
US-Dollar.
Liefer- und Kooperationspotenzial bieten Vorhaben in den Produktgruppen
Chemieerzeugnisse (Projektwert: gut drei Milliarden US-Dollar), Textilien/
Bekleidung und Baustoffe (jeweils mehr als zwei Milliarden US-Dollar),
Transportmittel, Elektroerzeugnisse, Lederwaren sowie Lebensmittel/
Getränke (jeweils 0,5 Milliarden bis 0,7 Milliarden US-Dollar).
Nicht minder interessant sind die Geschäftschancen beim Aus- und
Auf bau von Agrarclustern in den Sparten Obst/Gemüse und tierische
Erzeugung sowie in den Wachstumsbranchen Wohnungsbau und Logistik.
Bei den geplanten Projekten in der Wasser-, Abwasser-, Abfall- und
Gesundheitswirtschaft setzt das Land mehr denn je auf öffentlich-private
Partnerschaften.
Die neuen Reformen und Ausbauprogramme in allen Wirtschaftssektoren
haben ein zentrales Ziel: Das jährliche Bruttoinlandsprodukt (BIP)
soll bis 2026 auf mehr als 100 Milliarden US-Dollar anwachsen (2021:
69,1 Milliarden). Parallel dazu wird ein BIP pro Einwohner von 2.700
US-Dollar angestrebt (2021: 1.980). Usbekistans BIP pro Einwohner
rangiert gegenüber den meisten GUS-Republiken noch deutlich unterdurchschnittlich.
Doch der Aufholprozess ist gestartet. Einem realen
Wirtschaftswachstum von 7,4 Prozent im Jahr 2021 dürften weitere
Jahreszuwächse von jeweils mindestens sechs Prozent folgen.
Lohnende Geschäftschancen in vielen Branchen
Allein in die Erzeugung, Übertragung und Verteilung von Elektrizität
sollen 2022 bis 2026 fast 19 Milliarden US-Dollar fließen. Ein Fokus
wird dabei auf grünen Strom gelegt. Es folgen der Erzbergbau und das
Hüttenwesen mit 7,5 Milliarden sowie die Öl- und Gaswirtschaft mit
4,0 Milliarden US-Dollar.
Foto: AdobeStock
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
THEMA
WIRTSCHAFT+MARKT69
Große Pläne?
KÖNNEN WIR.
INVESTITIONS- UND
MARKETINGGESELLSCHAFT
SACHSEN-ANHALT.
DIE WEGBEREITER Modern, partnerschaftlich und vernetzt –
in Sachsen-Anhalt sind wir Ihr Partner auf
dem Weg zum Erfolg. Als Wirtschaftsförderer und Standortvermarkter
unterstützen unsere interdisziplinären Teams Sie in allen Fragen rund um
Ansiedlung, Expansion und Zukunftsfähigkeit. Wir begleiten Sie auf Ihrem
Weg. Serviceorientierung und Kooperation sind unser Credo. Wir unterstützen
den Wandel und die positive Wahrnehmung des Wirtschaftsstandortes
und werben mit Leidenschaft für das Reiseland Sachsen-Anhalt. Mit jeder
Menge Know-how und ganzer Kraft bauen wir Brücken für Sie!
Barbara Weinert-Nachbagauer, Bereichsleiterin Marketing, Thomas Einsfelder, Geschäftsführer der IMG,
und Marc Pappert, Prokurist und Bereichsleiter Investorenservice, sind drei unserer Standortspezialisten:
Hier im Zukunftsort Leuna, wo große Pläne zum Tagesgeschäft gehören.
Foto: XXX
sachsen-anhalt-tourismus.de investieren-in-sachsen-anhalt.de
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
70
WIRTSCHAFT+MARKT
W+M-RATGEBER
W+M-LESELISTE
EMPFEHLUNGEN DER REDAKTION
Die Redaktion Wirtschaft+Markt achtet regelmäßig auf Neuerscheinungen
am Buchmarkt. Dabei konzentriert sich die Auswahl auf Wirtschaftsliteratur,
Ausnahmen bestätigen die Regel. Eine Auswahl aus den W+M-Leselisten
von Dezember 2021, Januar und März dieses Jahres stellen wir Ihnen im
Folgenden vor.
Der Titel sagt alles
Florian Hartleb: Plädoyer für den digitalen
Staat – Gestalten statt Verwalten.
FAZ Buch, 175 Seiten, 20,00 Euro,
ISBN 978-3-96251-092-3
Der Autor ist Politikwissenschaftler. Er lebt
seit sechs Jahren in Tallinn/Estland und ist dort
als Berater tätig. Dabei sind die Esten uns in
Bezug auf die Digitalisierung des Staates ein gutes Stück voraus. Digitalisierung
bietet dem Staat die Chance, Prozesse zu vereinfachen und
sich bürgerfreundlicher auszurichten. Doch Deutschland hat dringenden
Nachholbedarf, wie nicht zuletzt die Zeit der Pandemie offenbarte. Einmal
mehr wurde deutlich, dass Politik, Staat und Verwaltung in diesem
Punkt international hinterherhinken.
Fazit: Entstanden ist ein fundiertes Sachbuch, das für eine zeitgemäße
Daseinsvorsorge des Staates und der Verwaltung für die Bürgerinnen
und Bürger plädiert, ohne die Fragen nach Cybersicherheit und Datenschutz
zu vernachlässigen.
Impulse aus Davos
Klaus Schwab mit Peter Vanham: Stakeholder
Kapitalismus – Wie muss sich die globale
Welt verändern, damit sie allen dient.
Wiley, 414 Seiten, 29,99 Euro,
ISBN 978-3-527-51085-6
Wäre die Pandemie nicht dazwischen gekommen,
wäre dieses Buch vom Gründer des
Weltwirtschaftsforums schon eher erschienen. So entstand erst die
Publikation „Covid-19: The great Reset.“ Die Folgen der Corona-Pandemie
haben allerdings das nun vorliegende Buch nur noch wichtiger
werden lassen.
Es lädt ein zum Nachdenken über einen besseren Kapitalismus. Im
„Stakeholder Kapitalismus“ zeigen die Autoren nicht nur, was alles
im Argen liegt, sie machen auch konkrete Vorschläge, wie sich die
Wirtschaft wandeln muss, damit sie allen dient.
Fazit: Ein wichtiges Buch für die Zeit, in der wir leben und uns um die
Zukunft sorgen.
Foto: W+M
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
W+M-LESELISTE
WIRTSCHAFT+MARKT71
Bauch über Kopf
Reiner Neumann: Die Kunst des Einfachen –
Weniger ist mehr. Hanser, 213 Seiten,
24,99 Euro, ISBN 978-3-446-47038-5
Die meisten Menschen mögen nichts
Kompliziertes. Das ist der Satz im Vorwort
und die grundlegende Wahrheit des Buches.
Das Problem ist nur, dass wir in einer komplexen
Welt leben, Entscheidungen treffen müssen, uns den Kopf zermartern
und dann letztlich doch auf den Bauch hören. Wie mit diesem Dilemma
umzugehen ist, verrät der Autor auf den 213 Seiten.
Fazit: Es ist nicht das erste Buch zu diesem Thema, aber eine ideale
Lektüre für die anstehende Urlaubszeit.
Tools zur Kritik der
herrschenden Meinung
Patrik Baab: Recherchieren – Ein Werkzeugkasten
zur Kritik der herrschenden Meinung.
Westend, 264 Seiten, 20,00 Euro,
ISBN 978-3-86489-324-7
Patrik Baab ist selbst Journalist und weiß,
wovon er spricht, wenn es um die saubere
Recherche geht. Die im Detail begründeten oder
unbegründeten Vorwürfe, dass die Medien nicht immer zur Aufklärung,
sondern teilweise sogar zur Verneblung von Interessenlagen beitragen,
sind der Anlass, in diesem Buch „einen Werkzeugkasten zur Kritik der
herrschenden Meinung“ vorzustellen. Von der Themen- über Quellenfindung
und -schutz bis zur Hypothesenentwicklung und Interviewdurchführung
werden insgesamt 14 Werkzeuge vorgestellt.
Fazit: Man muss nicht Journalist sein, um das Buch für lesenswert und
wichtig zu halten.
Verstehen kommt vor Machen
Christoph Meinel/Maxim Asjoma: Die neue
digitale Welt verstehen. Springer, 230 Seiten,
16,99 Euro, ISBN 978-3-63700-5
Wir fühlen uns mittendrin in der Digitalisierung
und doch sind wir noch nicht da, wo
wir eigentlich sein sollten. Deshalb verwundert
die Titelformulierung „Die neue digitale Welt
verstehen“ nur auf den ersten Blick. Das
Autorenduo aus IT-Professor und Philosoph/Volkswirt erklärt in kurzen,
gut lesbaren Kapiteln, worum es geht, wenn über Computernetzwerke,
Medienkodierung, Internetworking, Internetanwendungen, World Wide
Web, Internet Governance gesprochen wird.
Fazit: Wenn Sie die digitalen Entwicklungen unserer Zeit verstehen
wollen, bietet das Buch einen geeigneten Schlüssel.
Plattformbasierte
Geschäftsmodelle
Jens Förderer: Erfolgsmodell Digitale
Plattformen. Schäffer-Poeschel, 233 Seiten,
49,95 Euro, ISBN 978-3-7910-5371-4
Unternehmen wie Amazon, Google oder Facebook
sind vergleichsweise junge Unternehmen
mit einer Marktbewertung, die alles Bisherige
in den Schatten stellt. Sie eint der Einsatz von digitalen Plattform-Geschäftsmodellen.
Sie sind an den Börsen so hoch bewertet, dass sie neue
Märkte schaffen. Der Autor Jens Förderer will den Leser mit der Funktionsweise
der plattformbasierten Geschäftsmodelle vertraut machen
und greift dabei auf eine Unmenge von Praxisbeispielen zurück.
Fazit: Ein Buch für alle, die sich mit dem Thema beschäftigen, weil sie ein
Plattform-Geschäftsmodell planen oder es zum Erfolg führen wollen.
Purpose?
Ingo Hamm: Sinnlos glücklos – Wie man auch
ohne Purpose Erfüllung in der Arbeit findet.
Vahlen, 259 Seiten, 26,90 Euro,
ISBN 978-3-8006-6759-8
Ist das Buch eine einzige Provokation? Kann
schon sein, aber Titel und Inhalt sind so wohltuend
anders im sprachlichen Einheitsbrei der
New-Work-Aktivisten. In Zeiten sparsamer Debattenkultur unternimmt
Ingo Hamm den Versuch, das durch ständige Wiederholung fast zur
Wahrheit gewordene Purpose-Sinn-Thema infrage zu stellen. „Sinnlos
glücklich – Wie man auch ohne Purpose Erfüllung bei der Arbeit findet”
bietet interessanten Lesestoff. Mehr zum Thema auch in dem Interview,
das W+M mit dem Autor führte.
Fazit: Wenn Sie mehr als zehnmal in der Woche Purpose sagen oder
das Wort nicht mehr hören können, kaufen Sie dieses Buch.
Schnellkurs Rechtschreibung
Matthias Wermke, Rechtschreibung für
Dummies. Wiley, 224 Seiten, 14,00 Euro,
ISBN 978-3-527-71863-4
Wer beim Schreiben Wert auf richtige
Rechtschreibung legt und von den Dudenrecherchen
nicht überzeugt ist, kann sich
mit dem Dummie-Buch zum Thema Rechtschreibung
helfen. Es ist wie eine Nachhilfe, locker geschrieben, klug
aufbereitet. Besonders empfehlenswert ist der Teil V mit seinen
drei Kapiteln unter der Überschrift „Das Wichtigste im Überblick“.
Ob es die zehn wichtigsten Regeln guten Schreibens oder die zehn
wichtigsten Fragen zur Rechtschreibung sind, das Buch bietet sehr
kompaktes Wissen.
Fazit: Kein Ersatz für den Duden, aber ein guter Auffrischungskurs in
Sachen Rechtschreibung.
Foto: W+M
W+M-Leseliste
31.03.2022
W+M-Leseliste
24.01.2022
W+M-Leseliste
14.12.2021
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
72
WIRTSCHAFT+MARKT
W+M-RATGEBER
W+M-EXPERTEN
TIPPS FÜR DEN
UNTERNEHMERALLTAG
Auch wenn sich Wirtschaft+Markt mehr als wirtschaftspolitisches Magazin
versteht, sind die Leser doch vornehmlich Unternehmer und Verantwortliche
in vorwiegend klein- und mittelständischen Unternehmen. Deshalb ergänzen
wir unsere exklusiven Beiträge regelmäßig um Expertentipps für die Praxis.
Hier eine Auswahl, die Sie im W+M-Onlinemagazin nachlesen können.
W+M-Ratgeber:
Personalwirtschaftliche Einsparmaßnahmen als Bumerang!
Die Risiken der Unternehmerentscheidung in der Krise
[25. März 2022]
Seit dem aufsehenerregenden Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26.01.2017 (Az.: IX ZR 285/14)
sind Steuerberater verpflichtet, bei offenkundigen Anhaltspunkten für einen Insolvenzantragsgrund
den Mandanten darauf hinzuweisen und vor den Folgen einer Nichtbeachtung zu warnen.
Der Gesetzgeber hat diese durch die Rechtsprechung eingeführte Hinweis- und Warnpflicht in
§ 102 StaRUG aufgenommen. Ein Beitrag von Thomas Uppenbrink und Philipp Brück.
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W+M-Ratgeber:
Onlineshop erstellen: Mit diesen 10 Maßnahmen klappt
der Durchbruch!
[19. März 2022]
Mit einem Onlineshop können Unternehmer ihr Wachstum beschleunigen
und Kunden gewinnen. Doch wer einen Onlineshop erstellen will, sollte
auf einige Dinge achten. E-Commerce-Experte Holger Lentz erklärt:
„Um mit einem Onlineshop Profit zu machen, muss unter anderem die
Zielgruppe bekannt sein.” Welche Maßnahmen für die Gründung eines
Onlineshops noch zu beachten sind, verrät der Experte im Gastbeitrag.
W+M-Ratgeber
Work + Life: Denkanstöße und praktische Managementhilfen
[Serienartikel]
In einer mehrteiligen Serie greift Johannes
Grassl, Experte und Berater rund um den
Bereich Führung, aktuelle Themen auf.
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Erfolg:
Nur Geld verdienen
reicht nicht
Führung:
Alle Krisen sind
Führungskrisen
Werte:
„Was regiert
mich wirklich?“
Foto: AdobeStock
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
UNTERNEHMERTIPPS
WIRTSCHAFT+MARKT73
W+M-Ratgeber:
Trends im Reputationsmanagement – So bauen Sie Ihren guten Ruf 2022 aus!
[27. Februar 2022]
Kleine und mittelständische Unternehmen sehen sich auch im Jahr 2022 mit zahlreichen Herausforderungen
konfrontiert. Neben der fortschreitenden Digitalisierung sind es vor allem die
gestiegenen Kundenansprüche, denen die Unternehmen weiter gerecht werden müssen, um
langfristige Erfolge zu erzielen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Der gute Ruf eines Betriebs
oder einer Organisation rückt immer stärker in den Fokus. Ähnliche Produkte verschiedener
Anbieter und die einfache Vergleichbarkeit im Internet sorgen dafür, dass viele Menschen bei
der Entscheidung für oder gegen ein Unternehmen neue Maßstäbe anlegen. Ein Firmenimage,
das zu den Kundenüberzeugungen passt, wird somit zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil.
Ein Beitrag von Alexander Hundeshagen.
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www.wirtschaft-markt.de
W+M-Ratgeber:
So reduzieren Unternehmen den CO2-Abdruck ihres
E-Mail-Marketings – fünf Tipps
[03.03.2022]
Ob Telefon, Brief, E-Mail oder Social-Media-Video – jedes Kommunikationsmittel verbraucht
CO 2 : Der Postbote muss den Brief mit dem Auto zustellen, E-Mails und Videos werden auf
Servern gespeichert, die rund um die Uhr in Betrieb sind, um Inhalte zu jeder Zeit abrufen zu
können. Unternehmen generieren daher bei ihrer Kommunikation mit Kunden und Kooperationspartnern
immer automatisch auch klimaschädliche Treibhausgase, egal für welche
Kommunikationsform sie sich entscheiden. Ein Beitrag von Maximilian Modl.
W+M-Ratgeber:
Leasing oder Finanzierung?
[10. Januar 2022]
Regelmäßig berichtet die Fachpresse über
Möglichkeiten von Anlagen-, Immobilien-,
Fahrzeug- und Absatzfinanzierungen. Die Finanzierungsmöglichkeiten
unterscheiden sich
mittlerweile fast nur noch durch die Kapitaldienste
und steuerlichen Aspekte. Ein Beitrag
von Thomas Uppenbrink.
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W+M-Ratgeber:
So gelingt die diskriminierungsfreie
Stellenausschreibung
[17. Februar 2022]
Personalprofis wissen: Schon kleine Formu lierungen
in Stellenausschreibungen können juristische
Folgen wie Entschädigungsansprüche
haben. Dabei geht es nicht nur um geschlechtsneutrale
Sprache. Die Arbeitsrechtskanzlei
Wittig Ünalp fasst für W+M-Leser zusammen,
was zu beachten ist.
W+M-Ratgeber:
Mit dem HPI-Identity Leak Checker prüfen, ob Sie
Opfer eines Datendiebstahls wurden
[10. Januar 2022]
Das Hasso-Plattner-Institut (HPI) warnt seit vielen Jahren vor den Risiken schwacher und
unsicherer Passwörter, um das öffentliche Bewusstsein für den hohen Wert persönlicher
Daten zu schärfen und deren Sicherheit zu erhöhen. Die für 2021 ermittelten Top Ten der
deutscher Passwörter sprechen eine klare Sprache. Einfallsloser und unbedarfter geht es
nicht mehr. Der Identity Leak Checker.
Foto: AdobeStock
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W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
74
WIRTSCHAFT+MARKT
GESELLSCHAFT
Berliner
Golf & Country Club
Motzener See
„Home away from home” ist die Philosophie des Berliner Golf & Country Club Motzener See e.V.,
dem Golfparadies nur 30 Minuten vor den Toren Berlins. Eingebettet in die märkische Landschaft
hat Architekt Kurt Rossknecht ein naturbelassenes Idyll geschaffen, das sowohl für Einsteiger als
auch Fortgeschrittene „Golf in seiner schönsten Form“ bietet.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
GOLF
WIRTSCHAFT+MARKT75
Der Architekt Kurt Rossknecht hat die Anlage entworfen.
Das Clubhaus des Berliner Golf & Country Club Motzener See e.V.
Im Frühjahr 1991 wurde der Berliner Golf & Country Club Motzener See e.V.
als erster Golfclub nach dem Mauerfall vor den Toren Berlins eröffnet.
Seit 1992 präsentiert sich der Club auf 110 ha mit einem anspruchsvollen
18-Loch-Championship-Course und einem 9-Loch-Kurzplatz.
Der Architekt Kurt Rossknecht hat die Anlage perfekt in die Landschaft
integriert. In den Jahren 1994 bis 1997 fand das bedeutendste deutsche
Profiturnier, die German Masters, im Golfclub Motzen statt.
Bernhard Langer hält aus dieser Zeit immer noch den Platzrekord mit
einer 60er Runde. Seit 2007 gehört der Berliner Golf & Country Club
Motzener See e.V. zu den Leading Golf Clubs of Germany. 2013 fand die
Platzeröffnung der Erweiterung unter dem Design von Kurt Rossknecht
zum 27-Loch-Championship-Course auf 145 ha statt.
Erleben Sie als Mitglied die 27-Loch-Championship-Anlage und den
öffentlichen Pay & Play-Kurzplatz. Genießen Sie nach der Runde im
Restaurant und auf der Sonnenterrasse mit einem 270-Grad-Blick auf
die traumhafte Golfanlage kulinarische Spezialitäten aus der regionalen
Clubküche.
Ihr Start in den
Golfsport auf dem schönsten
Golfplatz der Region
Sie wollten schon immer das Spiel mit dem kleinen weißen Ball zu
Ihrem neuen Hobby machen ? Dann hält der Berliner Golf & Country
Club Motzener See e. V. mit dem Platzreife- & Schnuppermitgliedschaft-Special
für 888 Euro genau das richtige Komplettpaket bereit.
Im Rahmen von Einzel- und Gruppen-Trainingsstunden, in denen Sie
professionell von den PGA-Golftrainern betreut werden, lernen Sie alles
Wichtige für den Golfsport. Selbstverständlich ist die Abnahme der
DGV-Platzreifeprüfung inklusive. Für die Dauer des Kurses können Sie
den Pay & Play-9-Loch-Platz jederzeit ohne weitere Kosten nutzen,
um an Ihrem Golfspiel zu feilen.
Sammeln Sie nach der Platzreifeprüfung erste praktische Spielerfahrung
auf unserem wunderschönen Championship-Course mit der inkludierten
dreimonatigen Schnuppermitgliedschaft.
Kultur auf dem Golfplatz
Durch die Mitgliedschaft des Berliner Golf & Country Club Motzener See e.V.
im IAC-Netzwerk stehen den Mitgliedern weltweit fast 250 Clubs offen.
Foto: Berliner Golf & Country Club Motzener See e.V., Fotograf: Michael Wolff
Sommer Open Air im Golfclub Motzen
Donnerstag, 11. August 2022
Simon & Garfunkel Revival Band –
„Feelin´ Groovy“
Erleben Sie im Programm „Feelin´ Groovy“ die schönsten
Songs des Kult-Duos. Traumhafte, leidenschaftliche Balladen
wie „Scarborough Fair“ oder „Bright Eyes“, Klassiker wie
„Mrs. Robinson“, „The Boxer“ oder „The Sound of Silence“
gehören ebenso fest zum umfangreichen Repertoire wie
die mitreißende „Cecilia“.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
76
WIRTSCHAFT+MARKT
GESELLSCHAFT
Von der Bewahrung
der Zeit
VON RON H. UHDEN,
NIEDERLASSUNGSLEITER JUWELIER LEICHT BERLIN
Unsere Wahrnehmung der Zeit hat sich in den
letzen 200 Jahren spürbar verändert. Denn
war es im 18. Jahrhundert noch möglich, seine
Reisegeschwindigkeit zwischen zwei Städten
mit „Donnerstagvormittag bis Samstagfrüh“
anzugeben, änderte sich dies doch mit dem
Siegeszug der Eisenbahn. Präzise Zeitmesser
waren gefragt, da das Zeitfenster von Abfahrt
und Ankunft von da an immer kleiner wurde.
So verwundert der Wunsch über den Aufbau
einer autarken Taschenuhrenproduktion nicht.
Und dies wurde 1845 nicht im blühenden
barocken Dresden umgesetzt, sondern in der
von Armut geprägten Region Glashütte, über
eine kräftige Anschubfinanzierung durch die
Strukturförderung des Königlich Sächsischen
Ministeriums des Innern.
Prägend für die Gestaltung vieler Taschenuhren
jener Zeit war dementsprechend die Minuterie,
die Einteilung der Minuten, welche einen
Schienenstrang der aufkommenden Eisenbahn
imitierte. Auch heute zeigen viele Uhren dieses
Bild. Vornehmlich eher am Handgelenk und in
klassischen Modellen folgt so der Minutenzeiger
den Bahnschwellen. Quasi Bahnfahren in
Kleinstformat.
Doch dies sind Äußerlichkeiten einer Uhr.
Wie so oft im Leben, sind die inneren Werte
entscheidend.
Die UNESCO zählt das Uhrmacherhandwerk
mittlerweile zum immateriellen Kulturerbe der
Menschheit und erkennt damit seine kulturelle
Bedeutung an. Was nicht zuletzt der jahrzentelangen
Innovationskraft der sächsischen
Handwerker zu verdanken ist.
Aller Anfang ist ja bekanntlich schwer. Aber
mit Zielstrebigkeit, Präzision und Verlässlichkeit
haben es die Uhrmacher aus Glashütte
geschafft, bei den Schweizer Manufakturen
mitzuhalten – die ja bis dato die besten Uhren
der Welt herstellten. Die Zeitmesser aus Glashütte
sind über verschiedene Alleinstellungsmerkmale
leicht erkennbar.
So die Dreiviertelplatine: Diese bodenseitige
Deckplatte verdeckt zwar meist weniger als
drei Viertel der Werkoberfläche, sie umspannt
aber das Federhaus und das gesamte Räderwerk
bis hin zum Ankerrad als große Brücke
und verleiht dem Uhrwerk eine größere Stabilität.
Sie wird meist mit feinen Gravuren und
verschiedenen Glashütter Schliffen verziert.
Diese Wellenschliffe und Perlagen sind Blickfang
und Dekoration zugleich. Am Beginn
der Uhrmacherei aber auch notwendig, da
Taschen uhren in der Regel nicht gleichsam
dicht verschlossen waren.
So konnten feinste Staubflusen in die Uhr gelangen,
wurden aber durch diese wellenartigen
und rauhen Schliffe daran gehindert, tiefer in
das Werk vorzudringen und damit schlimmstenfalls
die Räder zu blockieren. Sonnenschliffe
werden meist auf das großflächige Sperrad und
oft auch auf das kleinere Kronrad aufgebracht.
Wenn sich der Lichteinfall ändert, wandern die
Reflexionen auf der Oberfläche scheinbar im
Kreis und erzeugen so eine fast hypnotische
Faszination.
Heute ist es technisch nicht mehr notwendig,
doch die faszinierende Ästhetik der Mechanik
kommt bei dieser Art der Dekoration von
Uhrwerkskomponenten so besonders zum
Ausdruck.
Fotos: Nomos Glashütte, Glashütte Original
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
UHREN
WIRTSCHAFT+MARKT77
in Glashütte leistet, darf diese Uhr auch als
Fotos: Nomos Glashütte, Glashütte Original
Der gravierte Unruhkloben: Auf der Oberfläche
dieses Bauteils, das Unruh & Spirale hält,
prangen meist florale Ornamente. Die Gravuren
werden aufgrund ihrer komplexen Form von
Hand ausgeführt und oftmals mit Gold ausgelegt.
Auf dem gravierten Unruhkloben sitzt eine
weitere Glashütter Besonderheit, die Schwanenhalsfeder.
Diese optisch wie technisch anspruchsvolle
Feder erlaubt ein besonders feines
Einstellen der Regulierschraube und garantiert
ein stabiles Gangverhalten.
Rubine in einem Uhrwerk, im Übrigen auch in
einem Schmuckstück gern gesehen, minimieren
als Lagersteine durch ihre harte und glatte
Oberfläche die Reibung und leisten somit
durch ihre Schönheit beste technische Dienste.
Sie können direkt in die Platinen eingepresst
werden, jedoch in den schön finisierten Uhrwerken
aus Glashütte werden sie größtenteils
in Goldchatons gefasst und mittels
thermisch gebläuter Schrauben fixiert. Dies
bildet tatsächlich gleichfalls einen praktischen
Nutzen. Bei späteren Wartungen lassen sich
diese Chatons einfach herausschrauben und
ersetzen.
Zur Vollendung eines Kunstwerkes bedarf
es eines Rahmens – in der Uhrmacherei
Anglieren genannt. Beim Anglieren werden
alle metallischen Kanten in einem Winkel von
45 Grad abgeschrägt und mit einem Stahlstift
von Hand poliert. Das Ergebnis ergibt nicht nur
eine Glanzkante, das Material wird durch diese
Veredlung zusätzlich verdichtet und somit
resistenter gegen äußere Einflüsse.
All dies macht eine Uhr nicht genauer, aber
wertvoller. Manch einer würde sagen, es ist
verrückt, so viel Aufwand für die Herstellung
einer Uhr zu betreiben. Es ist aber auch eine
Investition und gleichzeitig die Weitergabe von
theoretischem Wissen und handwerklichen
Techniken, da die heutige Ausbildung in der
Uhrmacherei größtenteils auf traditionellen
Kenntnissen beruht.
Nur wenige Uhren auf der Welt sind so
streng geschützt wie Uhren aus Glashütte.
Um den Qualitätsanspruch dieses besonderen
Ortes zu unterstreichen, gelten für die
Herkunftsbezeichnung „Glashütte“ strenge
Regeln. Nur wer mindestens 50 Prozent der
Wertschöpfung am Kaliber einer Uhr vor Ort
„Glashütter Uhr“ bezeichnen.
Jenseits des Monetären zeigen solch komponierte
Uhren, neben dem Hauptanliegen
der Zeit, also jahrhundertealte Tradition von
schützenswerter kultureller Bedeutung. Und
dem Besitzer bescheren sie Glücksmomente
im Handumdrehen. Also das Glück liegt nun in
Ihrer Hand.
Erleben Sie die wunderbaren Zeitmesser live
in unserem Juweliergeschäft im Hotel Adlon.
Erkennen Sie die Besonderheiten wieder!
Juwelier Leicht
Unter den Linden 77
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Tel.: 030 – 22 90 212
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W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
78 WIRTSCHAFT+MARKT GESELLSCHAFT
Die Herrenmodetrends im
Herbst/Winter 2022/23
Es sieht so aus, als ob wir alle endlich und endgültig vom Pandemiestatus in
das normale Leben zurückkehren dürfen. Seien wir ehrlich: Diejenigen von
uns, die im Home-Office gearbeitet haben, mussten schon wahre Meister in
Sachen Selbstdisziplin sein, um nicht in den so bequemen Jogginganzugmodus
zu sinken. Spiegelt sich das nun auch in den Herrenmodetrends 2022/23?
VON BEATE LECLOUX
Foto: Scabal
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
FASHION
WIRTSCHAFT+MARKT79
Die Mailänder Männermodewoche – eine
Pflichtveranstaltung für mich, an der man in
diesem Jahr sowohl virtuell als auch teilweise
schon wieder physisch teilnehmen konnte – im
Januar 2022 zeigte dementsprechend einige
Elemente des legeren Home-Office-Looks, die
es in die Businessmode für Männer im Herbst
und Winter geschafft haben.
Die berühmten Designlabel von Brunello
Cucinelli bis Zegna zeigten wieder viele klassische
Anzüge, die aber lässig-weit mit breiten
Schultern und einem gewissen Oversize-Look
geschnitten waren. „Coziness“ nennt sich dieser
Trend, der laut Branchen-Magazinen wie
TextilWirtschaft oder FashionToday auch die
Herrenmode gerade dominiert.
Cozy, also gemütlich, sind auch die Rollkragenpullover,
die allerorten zum Anzug getragen
werden, nicht nur in den klassischen Farben
Schwarz und Dunkelblau, sondern auch in
Erdtönen und knalligem Rot.
Eine weitere Anleihe aus dem Home-Office-
Bereich sind Sneaker auch zum Businessanzug,
die jetzt in der vierten Modesaison nacheinander
ihren Weg in die Büros gefunden haben. Hosen
werden ebenfalls wieder weiter geschnitten.
Interessant und für die Saison typisch ist auch
der Einsatz des aus der Jogginghose bekannten
Kordelzuges anstelle eines Gürtels auch bei
Anzughosen.
Der Trend zum langen und nun auch weit geschnittenen
Mantel hat sich aus dem letzten
Winter erhalten – Ihre Winterjacke muss also
noch mindestens bis Ende 2023 warten, bevor
sie wieder zum Einsatz kommt.
Mein Fazit : Der Modegott war gnädig mit uns
– er lässt uns (vorerst) Teile unserer aus dem
Home-Office liebgewonnenen, vielfach leicht
schlamperten Gewohnheiten und leitet uns
so in einen zumindest modisch entspannten
Herbst und Winter.
Beate Lecloux
ist Inhaberin des
Maßbekleiders Cut For You in
der Reinhardtstraße 38 in Berlin.
www.cutforyou.com
www.cutforyou.com/facebook
Fotos: Cut For You / Randy Tarango © Cut For You (Portrait Beate Lecloux)
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
80
WIRTSCHAFT+MARKT
GESELLSCHAFT
PREMIERE:
Beachpolo im
Strandbad Grünau
ICEGUERILLA POLO CHALLENGE BERLIN 2022
Seit Jahren unterstützt Wirtschaft+Markt die Poloturniere,
die bislang jährlich am Strand von Warnemünde ausgetragen
wurden. Es sind sportliche Events der Sonderklasse und
eine herausragende Organisationsleistung des Veranstalters
Matthias Ludwig von Polo Riviera.
Vom 29.04. bis 01.05.2022 fand erstmals das ICEGUERILLA
Polo Challenge Berlin 2022 im Strandbad Grünau statt.
Und es war ein großer Erfolg.
Je vier Teams spielten im Ladies- und Gentlemen's-Cup
gegeneinander. Das Wetter hat es mit Spielern, Pferden
und vor allem Zuschauern gut gemeint. Drei Tage Polosport
auf höchstem Niveau im besonderen Ambiente des
Strandbads Grünau.
Gemeinsam mit BerlinMed unterstützte Wirtschaft+Markt
das Team der Geschwister Runa und Leah Kawamoto.
Polo im Strandbad Berlin Grünau
Veranstalter Matthias Ludwig und Moderatorin Mariella Ahrens
Finale im Ladies Cup
Fotos: Polo Riviera Gunnar Rosenow
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
BEACHPOLO
WIRTSCHAFT+MARKT81
Mathis Richter, Geschäftsführer Tourismusverein Berlin-Treptow e.V.
„Als mich Matthias Ludwig mit seiner Idee für ein Beachpoloturnier
ansprach, war ich spontan komplett begeistert. Es ist genau das,
was Berlin und wir hier in Köpenick brauchen. Wir sind ein sehr
sportlicher Bezirk und Beachpolo passt einfach gut hierher. Wir
haben hier ein tolles Publikum zu Gast und ich hoffe darauf, dass
das Turnier zu einer Tradition werden wird.“
Mathis Richter
Thomas Potocsár, Poolwerk Berlin GmbH
„Wir sind zum ersten Mal als Sponsor
beim Beachpolo, weil der Lifestyle-Gedanke
sowohl unsere Produkte als auch
den Polosport miteinander gut verbindet.
Als Berliner Unternehmen freuen wir uns
über die Premiere hier im Strandbad.“
Thomas Potocsár
Fotos: Polo Riviera Gunnar Rosenow (2), W+M (3)
Marco Witt, ICEGUERILLA Manufaktur
„Wir sind seit Jahren Hauptsponsor und Namensgeber für das
Turnier. Unser Unternehmen steht für Eis, Sommer, Sonne,
Wasser und das passt natürlich wunderbar zu Beachpolo. Für
uns sind gute Laune und Netzwerken wichtig und das finden
wir hier. Die Berlin-Premiere ist gelungen, aber im September
sind wir auch wieder Hauptsponsor in Warnemünde.“
Marco Witt und Matthias Ludwig
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
82
WIRTSCHAFT+MARKT
GESELLSCHAFT
Frank Nehring, Verleger und
Chefredakteur Wirtschaft+Markt
„Es ist immer ein tolles sportliches Ereignis. Erstmals
haben wir gemeinsam mit BerlinMed ein Poloteam
direkt unterstützt. Zu unserer großen Freude haben die
Spielerinnen mit unserem Logo auf dem Rücken auch
den Ladies Cup gewonnen. Danke und Glückwunsch an
Runa und Leah Kawamoto. Ihr wart einfach wunderbar.“
Runa und Leah Kawamoto
Sandy Katzer, Geschäftsführerin BerlinMed
Gewinner im Ladies Cup: Runa (links) und Leah Kawamoto (rechts)
mit Frank Nehring und Sandy Katzer
„Wir haben in Corona-Zeiten mit der
Ausarbeitung eines erfolgreichen
Hygienekonzeptes geholfen, dass die
Beachpoloturniere in Warnemünde
trotz aller Widrigkeiten stattfinden
konnten. Und seitdem gehören wir
auch zu den Unterstützern, anfangs
ohne konkreten Sponsorenfokus.
Es hat sich eben so ergeben. Berlin
ist ein toller Austragungsort für das
Poloturnier, aber Warnemünde hat
natürlich auch etwas.“
Das W+M-Poloteam mit Leah und Runa Kawamoto
Fotos: Polo Riviera Gunnar Rosenow (3), W+M (2)
Leah Kawamoto
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2022
Polo Riviera Deutschland bedankt sich bei allen Unterstützern der
ICEGUERILLA POLO CHALLENGE BERLIN 2022
www.pergola-living.de
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