WIRTSCHAFT+MARKT Frühjahr/Sommer 2021
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DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN
WIRTSCHAFT+MARKT FRÜHJAHR / SOMMER 2021
VORSPRUNG
Ostdeutschland lernt aus der Krise
NOMINIERUNG
Der Preis des OWFZUKUNFT
EXZELLENZ
Forschung im Osten
32. Jahrgang | Deutschland 9,50 €
WIRTSCHAFT+
MARKT
Aktuelle ostdeutsche
Wirtschaftsinformationen?
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EDITORIAL WIRTSCHAFT+MARKT 3
DER OSTEN
KÖNNTE JETZT
PUNKTEN
Täglich geöffnet
Frank Nehring,
Herausgeber W+M
Dieses Heft erscheint wenige Tage vor
dem sechsten Ostdeutschen Wirtschaftsforum
OWFZUKUNFT. Es ist bereits das
zweite Forum in der Krise und worüber
redet man in der Krise? Über die aktuelle
Bewältigung und die Zeit danach. Wir haben
in der nun schon fast anderthalbjährigen
Pandemiezeit viel gelernt, nicht alles macht
uns hoffnungsfroh. Ist die Aussage, dass
Krisen viele Chancen bieten, nicht so eine
Seminarweisheit von Nichtbetroffenen
oder vielleicht eine Wahrheit, die es nur im
Nachhinein gibt? Sachsens Ministerpräsident
Michael Kretschmer nach Zukunftshilfen
in der Krise gefragt, hat es im W+M-
Interview auf den Punkt gebracht: „Seien
wir realistisch. Die Probleme der aktuellen
Krise sind so groß, dass die Hilfen von Bund
und Ländern vor allem auf die Bewältigung
der Pandemie gerichtet sind. Hier geht es
um Existenzsicherung nicht nur von Unternehmen,
sondern auch von Verbänden und
bürgerschaftlichem Engagement.“
Die ostdeutsche Wirtschaft kommt relativ
gut durch die Krise, die Einbußen sind
geringer als im Bundesdurchschnitt. Die
Herausforderungen hinsichtlich Strukturwandel
und Transformation sind nicht
mehr vorrangig nach Ländern verschieden,
sondern betreffen Branchen wie die
Automobilindustrie, die Stahlindustrie,
die Energiewirtschaft, den Handel u. a.
Und jedes Land und jede Region muss sich
fragen, wie sie für die Zukunft aufgestellt ist.
Plötzlich punktet Ostdeutschland mit
der Elektromobilität, den erneuerbaren
Energien, ergeben sich hoffnungsvolle
Ansätze für die Nutzung von Schlüsseltechnologien.
Entsteht hier vielleicht
sogar eine neue Erzählung, die die alte von
den „neuen“ Bundesländern, die sich als
Förderregion im Schatten der alten Länder
gut entwickelt hat, aber es doch nicht zu
einer Angleichung der Lebensverhältnisse
geschafft hat, ablöst?
Im sächsischen Elbtal
liegt eine der kleinsten,
aber auch schönsten
Weinregionen Deutschlands –
mit malerischen Terrassenweinbergen,
barocken
Sehenswürdigkeiten und
feinen Genussmomenten.
Den Weinreichtum Sachsens
mit allen Sinnen entdecken,
dazu lädt Schloss Wackerbarth
als Europas erstes Erlebnisweingut
jeden Tag ein.
Schloss Wackerbarth
verwandelt Zeit in Genuss,
gern auch Ihre!
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So verständlich und realistisch dies auch
sein mag, werden wir nicht müde, die Chancen
anzusprechen, die in der aktuellen Krise
liegen. Und das ist kein „Pfeifen im Wald“,
keine intellektuelle Diskussion, sondern
ein Weckruf. Das ganze Heft ist voll von
Beiträgen dazu.
Für die bevorstehende Transformation in
Wirtschaft und Gesellschaft ist der Osten
besser aufgestellt, als man denkt. Lassen
Sie sich von den großartigen Autoren dieses
Heftes inspirieren. Die meisten von ihnen
sind auch beim Ostdeutschen Wirtschaftsforum
am 14./15.06.2021 zu erleben.
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W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
4
WIRTSCHAFT+MARKT
INHALTSVERZEICHNIS
08
W+M OSTDEUTSCHLAND
LERNT AUS DER KRISE
08 Fünf ostdeutsche Regierungschefs
über die Chancen ihres
Bundeslandes für die Zeit nach
Corona
14 Interview mit Marco Wanderwitz,
Ostbeauftragter der Bundesregierung
16 Prof. Dr. Christoph Meinel:
Wie wird (Ost)Deutschland
digital souverän?
18 Prof. Dr. Joachim Ragnitz:
Wege entstehen beim Gehen!
20 Prof. Dr. Thomas Brockmeier:
Die ostdeutsche Wirtschaft
sollte sich auf ihre Stärken
besinnen
22 Dr. Eric Weber: Der Osten
braucht mehr Startups
24 Ralf Sippel: The sound of
Eastern Germany
26 Fünf ostdeutsche Wirtschaftsminister
über die Lehren aus der
Corona-Krise
30
W+M ZUKUNFT
GESTALTEN
30 OWFZUKUNFT 2021: Die Wirtschaft
Ostdeutschlands braucht
eine Zukunftsstrategie
36 Prof. Dr. Klaus-Dieter Barbknecht:
Die Energiewende hat
noch einen weiten Weg vor sich
38 Thomas Strobel:
Ostdeutschland reif für
Zukunftswirtschaftszonen
40 Dr. Christian Ehler: Die deutsche
Ratspräsidentschaft hat eine
europäische Krise verhindert
W+M INTERVIEW 14
„Wir sollten eine Aufbruchstimmung spüren“
42
W+M UNTERNEHMEN
+ MACHER
42 OWFZUKUNFT 2021: 36 starke
Nominierungen für den
Wirtschaftspreis „Vorsprung“
55 Der W+M-Fragebogen
56 Stephan Lowis,
Vorsitzender ENVIA AG
58 Dr Ute Bergner, Geschäftsführerin
VACOM GmbH
60 Kirstin Knufmann,
Inhaberin Knufmann GmbH
W+M ZUKUNFT GESTALTEN 31
OWFZUKUNFT 2021: Die Wirtschaft Ostdeutschlands
braucht eine Zukunftsstrategie
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
INHALTSVERZEICHNIS WIRTSCHAFT+MARKT 5
62
W+M FORSCHUNG
IM OSTEN
62 Exzellente Forschungseinrichtungen:
Hier entsteht die Welt
von morgen
W+M HIER ENTSTEHT 62
DIE WELT VON MORGEN
03
W+M WEITERE
BEITRÄGE
03 Editorial
05 Impressum
W+M DER W+M-FRAGEBOGEN 55
Beiträge, die mit diesem Logo
gekennzeichnet sind, finden Sie
ausführlich im W+M-Onlinemagazin.
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Fotos: Fraunhofer IMWS, Fraunhofer IVI
IMPRESSUM
WIRTSCHAFT+MARKT
Das Ostdeutsche Unternehmermagazin
Ausgabe: Frühjahr/Sommer 2021
Redaktionsschluss: 20.05.2021
Verlag: W+M Wirtschaft und Markt GmbH
Friedrichstraße 171, 10117 Berlin
Tel.: 030 505638-00
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Herausgeber/Geschäftsführer:
Frank Nehring, frank.nehring@wirtschaft-markt.de
Chefredaktion:
Karsten Hintzmann / Matthias Salm
Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in
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Differenzierung (z. B. Teilnehmer/Teilnehmerinnen) verzichtet.
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W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
6
WIRTSCHAFT+MARKT
W+M-ONLINEMAGAZIN
DAS W+M-ONLINEMAGAZIN
Aktuelle Interviews mit führenden Persönlichkeiten aus
Politik, Wirtschaft und Forschung, täglich neue Meldungen
aus ostdeutschen Unternehmen, Wirtschaftsverbänden,
Konjunkturberichte und Branchen-News – das alles
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guten Überblick brauchen.
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W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
W+M-ONLINEMAGAZIN
MACHER IM INTERVIEW
Die Ministerpräsidenten und Wirtschaftsminister
der neuen Länder und Berlin sind regelmäßig zu
Gast bei WIRTSCHAFT + MARKT. Ebenso Vorstandsvorsitzende,
Vorstände und Geschäftsführer wichtiger
Unternehmen, Vertreter von Wirtschaftsverbänden und Wissenschaftler
aus den Forschungseinrichtungen aus unserem Wirtschaftsraum.
Ein Überblick zum Nachlesen:
Vertreter aus der Politik (Auswahl)
Die Ministerpräsidenten Michael Kretschmer
(Sachsen), Bodo Ramelow ( Thüringen), Dr. Reiner
Haseloff ( Sachsen- Anhalt), Dr. Dietmar Woidke
( Brandenburg) und der Regierende Bürgermeister
von Berlin Michael Müller (Berlin)
W+M-RUBRIKEN
Konjunktur
Unternehmen
Länderreports
Köpfe
Ratgeber
Interviews
Reports
Kommentare
Rankings
Die Wirtschaftsminister Martin Dulig (Sachsen),
Harry Glawe (Mecklenburg- Vorpommern),
Prof. Dr. Jörg Steinbach (Brandenburg),
Wolfgang Tiefensee ( Thüringen) und
Prof. Dr. Armin Willingmann (Sachsen-Anhalt)
Das ostdeutsche
Wirtschaftsmagazin, das Sie
auf dem Laufenden hält.
Fotos: Laurence Chaperon, Wolf Lux, EM Gohlke, Torsten Pross, David Marschalsky/WFBB, HPI / Kay Herschelmann, IHK Halle-Dessau
Dr. Christian Ehler, Abgeordneter
des Europäischen Parlaments
Marco Wanderwitz, Ostbeauftragter
der Bundesregierung
Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft
(Auswahl)
Stefan Dohler, Vorstandsvorsitzender EWE AG
Ralf Sippel, Mitglied der Geschäftsleitung
zebra | group GmbH
Prof. Dr. Christoph Meinel, Geschäftsführer
Hasso-Plattner-Institut
Prof. Dr. Thomas Brockmeier,
Hauptgeschäftsführer der IHK Halle-Dessau
Dr. Eric Weber, Geschäftsführer SpinLab –
The HHL Accelerator
Prof. Dr. Klaus-Dieter Barbknecht, Rektor
der TU Bergakademie Freiberg
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8
WIRTSCHAFT+MARKT
GESELLSCHAFT
GROSSE CHANCEN
FÜR DIE OSTDEUTSCHE
WIRTSCHAFT
Ostdeutschland hat große Potenziale, gestärkt aus der Corona-Krise
hervorzugehen und die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Fünf
ostdeutsche Regierungschefs erklären im Wirtschaft+Markt-Interview,
welche Chancen sie für ihr Bundesland in den kommenden Jahren sehen:
Dr. Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt, CDU), Michael Kretschmer (Sachsen,
CDU), Michael Müller (Berlin, SPD), Bodo Ramelow (Thüringen, Die LINKE)
und Dr. Dietmar Woidke (Brandenburg, SPD).
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
OSTDEUTSCHLAND LERNT AUS DER KRISE
WIRTSCHAFT+MARKT 9
W+M: WO LIEGEN DIE CHANCEN IHRES BUNDESLANDES,
GESTÄRKT AUS DER KRISE HERVORZUGEHEN?
Fotos: Staatskanzlei Freistaat Sachsen, W+M
Dr. Reiner Haseloff: Im Detail wird sich das
erst später zeigen. Ich kann mir jedoch vorstellen,
dass der Digitalisierungsschub, den die
Gesellschaft erfahren hat, zum Treiber eines
neuen Aufschwungs werden kann. Das gilt für
Unternehmen, Verwaltungen, aber auch für die
privaten Haushalte.
Michael Kretschmer: Wir verfügen über eine
kleinteilige und agile Wirtschaftsstruktur. Viele
Akteure aus dem
Bereich der Elektromobilität
sind
bereits vor Ort, weitere
werden folgen.
Unsere Forschungs-
und Bildungslandschaft
bietet viele
Anknüpfungspunkte.
Wir investieren viel
in Forschung und
Innovation. Wir sind
in vielen Teilen der
Welt unterwegs,
um Fachkräfte zu gewinnen und den Zuzug zu
ermöglichen. Sachsen ist ein Land mit einer
starken Wirtschaft, viel Kultur und einer sehr
guten Lage inmitten in Europa. Sachsen muss
nicht schrumpfen, wir können sogar wachsen,
aber nur mit der Bereitschaft, Menschen von
außerhalb aufzunehmen. Das ist ein Phänomen,
das uns Sachsen schwerfällt, weil wir damit
wenig Erfahrungen haben. Wir führen aber viele
Gespräche mit der Wirtschaft, um für das Thema
Fachkräftezuwanderung zu sensibilisieren.
Zudem bietet uns der Strukturwandel Möglichkeiten,
in Größenordnungen zu investieren, die
einmalig sind in Europa. Hier sehe ich ebenfalls
große Chancen für den Freistaat.
Michael Müller: Wir können unterm Strich
ganz zuversichtlich sein, weil wir im Wissenschaftsbereich
und insbesondere im Bereich der
Gesundheit stark sind. Charité, Vivantes, Sanofi,
Pfizer, Bayer und andere – das sind jetzt die
Hauptakteure, die international beachtet wer-
Lesen Sie mehr
von Michael Kretschmer
online
WIR ZEIGEN, WIE
KLIMA NEUTRALITÄT
UND WIRTSCHAFTS-
WACHSTUM VERWOBEN
WERDEN KÖNNEN.
Dr. Dietmar Woidke
den. Hier geht es um Zukunft und das hilft uns
sicher auch, gut aus der Krise zu kommen. Zur
Wahrheit gehört aber auch, dass es von Branche
zu Branche sehr unterschiedlich ist, für die Gastronomie
und den Einzelhandel beispielsweise
ist es eine bittere Situation.
Es sind viele Zukunftsthemen und -technologien,
die eng mit der Wissenschaft verknüpft
sind und sich für Berlin als Chance darstellen.
Die Schnittstelle zu
Wissenschaft und
Forschung spielt
immer eine Rolle,
auch jenseits von
Gesundheit. Gerade
bei den Themen
Künstliche Intelligenz,
Energie und
Mobilität ist noch
viel Musik drin. Hier
erwähne ich nur
die Aktivitäten von
Siemens Energy, wo
es um die Energieversorgung der Zukunft geht
oder ein Thema, das alle Metropolen beschäftigt,
die Mobilität. Hier befinden sich eine
Vielzahl der Akteure vor Ort. Das reicht von der
TU Berlin über BMW und Mercedes bis hin zu
VW Digital Lab, die sich mit diesen Zukunftsthemen
befassen.
Bodo Ramelow: Die Chancen ergeben sich aus
den Schlussfolgerungen, die wir jetzt aus der
Krise ziehen. Der
Einzelhandel ist
eines der Sorgenkinder,
auch die
Automobilzulieferindustrie.
Die
Branche ist völlig
im Umbruch. Wer
zum Beispiel nur
Teile herstellt, die
im Verbrenner eine
Rolle spielen, wird
sich Gedanken
machen müssen.
Und deshalb erlebe
ich immer mehr
Unternehmen, die sich längst über drei oder
vier Geschäftsfelder verteilt haben. Wer dies
DER STRUKTURWANDEL
BIETET UNS
MÖGLICHKEITEN, IN
GRÖSSENORDNUNGEN
ZU INVESTIEREN,
DIE EINMALIG SIND
IN EUROPA.
Michael Kretschmer
Dr. Dietmar Woidke
(Brandenburg, SPD)
Michael Kretschmer
(Sachsen, CDU)
nicht schafft, wird
am Ende mit dem
Verbrennungsmotor
das Schicksal teilen.
Wir haben in der
Landesentwicklungsgesellschaft
eine eigene Transformationsstelle
eingerichtet, um
solchen Unternehmen
zu helfen. Es
kommen auch neue
Bereiche hinzu wie
die Batterie- und
Zelltechnik, die Ansiedlung des chinesischen
Batterieproduzenten CATL in Erfurt, die Bat-
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
10
WIRTSCHAFT+MARKT
GESELLSCHAFT
W+M: WELCHE ROLLE SPIELT IHR
BUNDESLAND IN OSTDEUTSCHLAND?
terieforschung und -entwicklung, die viel Potenzial
für Unternehmen bieten. Ein weiteres
gutes Beispiel dafür ist die Va-Q-tec AG aus
Kölleda, ein Spezialist für Vakuumtechnik, der
plötzlich in aller Munde ist, weil er temperaturbeständige
Transportcontainer für Impfstoffe
herstellt. Bekannt gemacht hat das Produkt die
Krise, aber die Technologie bietet weitaus mehr
Chancen.
Dietmar Woidke: Alles, was wir jetzt, auch
mit der Unterstützung des Bundes, für unser
Land machen, dient der Stabilisierung der
Wirtschaft. Wir wollen, dass kein Unternehmen
wegen der Corona-Pandemie seine
Existenz verliert. Wir wollen nicht zurückfallen
in die 90er-Jahre, wo wir viele Teile der
Brandenburger Wirtschaft eingebüßt haben.
Es gab damals harte Strukturbrüche und es
hat bis weit in die 2000er-Jahre gebraucht, die
Wirtschaft wieder neu aufzubauen. Deshalb
ist das Geld, das jetzt investiert wird, gut
angelegtes Geld. Wir können nicht gegen die
Krise ansparen. Das würde alles nur schlimmer
machen.
Lesen Sie mehr
von Dr. Dietmar Woidke
online
Wir haben seit einigen Jahren einen ganz
klaren Kurs: Wir zeigen, wie Klimaneutralität
und Wirtschaftswachstum verwoben werden
können. Das zeigen große Investitionen in
Brandenburg wie zum Beispiel von Tesla oder
BASF in Schwarzheide, aber auch viele, viel
kleinere Unternehmen sind hier auf diesem
Weg in die Zukunft. Wir haben die erneuerbaren
Energien im Land, die Unternehmen
helfen, klimaneutral zu produzieren, und
diese klimaneutrale Produktion ist Ziel von
immer mehr Unternehmen. Die Kunden, privat
wie aus der Wirtschaft, wünschen nicht nur
möglichst klimaneutrale Produkte, sondern
sie wünschen sich auch, dass diese klimaneutral
hergestellt wurden. Und das ist der
Trumpf, den wir hier haben. Wir sind bundesweit
führend bei der Produktion erneuerbarer
Energien und diesen Vorteil nutzen wir.
Dr. Reiner Haseloff: Die Wirtschaftskraft
je Beschäftigtem in Sachsen-Anhalt ist
eine der höchsten im Osten Deutschlands.
Aufgrund der erwähnten Verflechtungen
ist unser Bundesland damit von besonderer
Bedeutung für die ostdeutsche Wirtschaft.
Sachsen-Anhalts Wirtschaft ist nicht nur für
Ostdeutschland, sondern für Deutschland
insgesamt ein wichtiger Bestandteil. Viele
Unternehmen sind in komplexe, oft internationale
Wertschöpfungsprozesse integriert.
Und als Logistikdrehkreuz und zudem als
einer der größten Windenergieproduzenten
hält Sachsen-Anhalt die deutsche Wirtschaft
quasi in Bewegung.
Politisch agiert das Land gegenüber dem
Bund und den Ländern auf Augenhöhe. Es
gelingt uns regelmäßig, Landesinteressen
im Einvernehmen mit unseren Partnern
umzusetzen bzw. zu platzieren. Bei allem
Einvernehmen gilt jedoch grundsätzlich,
Sachsen-Anhalt versteckt sich nicht, sei es
im Rahmen der Fachminister- oder Ministerpräsidentenkonferenzen
oder im Bundes-
rat, dessen Vorsitz ich derzeit einnehme.
Michael Kretschmer: Sachsen ist Kultur-
und Industrieland. Zudem Wissenschafts-
und Forschungsstandort. Die TU Dresden ist
die ostdeutsche Exzellenzuniversität. Sachsen
ist das größte ostdeutsche Bundesland.
Wir haben uns selbst eine sächsische
Bescheidenheit verordnet, denn wir werden
nur gemeinsam erfolgreich sein. Ich bin den
Ministerpräsidenten Sachsen-Anhalts und
Brandenburgs, Reiner Haseloff und Dietmar
Woidke, sehr dankbar für die Zusammenarbeit
in der Kohlekommission. Nur so war
es möglich, die 40 Milliarden Euro für den
Strukturwandel zu bekommen. Das sind
Ergebnisse, von denen wir noch Jahre zehren
werden. Das gegenseitige Belauern ist
weg. Was Halle oder Cottbus hilft, ist auch
für Sachsen gut. Vorbehalte gibt es da nicht
mehr. Also ich habe jedenfalls keine.
Lesen Sie mehr
von Dr. Reiner Haseloff
online
Sachsen-Anhalt
Dr. Reiner Haseloff
Thüringen
Bodo Ramelow
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
OSTDEUTSCHLAND LERNT AUS DER KRISE
WIRTSCHAFT+MARKT 11
Brandenburg
Dr. Dietmar Woidke
Dr. Reiner Haseloff
(Sachsen-Anhalt, CDU)
Berlin
Michael Müller
gesamte Region aus und zieht viele Unternehmen
an, die hier das richtige Innovationsumfeld
und viele hervorragend ausgebildete
Fachkräfte finden. Natürlich hat Ostdeutschland
auch andere starke Standorte und wir
sollten daran arbeiten, mehr aus diesem
gemeinsamen Potenzial zu machen. Ich biete
es immer wieder an, Berlin ist für jede Kooperation
offen.
Sachsen
Michael Kretschmer
Bodo Ramelow: Ostdeutschland ist das
Scharnier zwischen Westeuropa sowie Mittelund
Osteuropa. Und Thüringen ist ein starker
Player innerhalb dieser Wirtschaftsregion. Mit
Jena sind wir ein wichtiger Technologiestandort.
Wir sind kein Standort für jeden und jedes.
Wir sind nicht vom Kohleausstieg betroffen,
aber in Kooperation mit den Nachbarländern
wird es einen Ausbau des Bahnverkehrs
geben, der es uns ermöglicht, noch stärker als
bisher zur Drehscheibe für Logistik in Europa
zu werden.
Foto: W+M
Michael Müller: Es ist schön, dass Tesla in
Grünheide seine Gigafactory baut. Ich kann mir
aber nicht vorstellen, dass Elon Musk in China
erklärt, dass seine
Gigafabrik in Grünheide
in Brandenburg
entsteht. Die
Hauptstadt ist hier
der Anziehungspunkt.
Und das ist
auch eine wichtige
Aufgabe Berlins. Die
Stadt ist international
anerkannt und
geschätzt.
Berlin hat sich zum
führenden deutschen Forschungsstandort
entwickelt, das strahlt natürlich auch in die
ALS LOGISTIKDREHKREUZ
UND WINDENERGIE
PRODUZENT HÄLT
SACHSEN-ANHALT DIE
DEUTSCHE WIRTSCHAFT
IN BEWEGUNG.
Dr. Reiner Haseloff
Dietmar Woidke: Wir sind – mit Berlin – der
Motor der Wirtschaftsregion Ost. Das hat sich
in den letzten Jahren nicht durch Zufall ergeben.
Wir haben bei
der Wirtschaftskraft
und bei den
Arbeitsmarktzahlen
gegenüber Sachsen
und Thüringen aufgeholt.
Ostdeutschland
insgesamt hat
sehr gute Chancen
für die kommenden
Jahre und Jahrzehnte,
auch weil wir
führend sind beim
Ausbau der erneuerbaren
Energien. Wir sind so selbstbewusst
sagen zu können, dass man auch von Ostdeutschland
etwas lernen kann.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
12
WIRTSCHAFT+MARKT
GESELLSCHAFT
W+M: GIBT ES EIN GROSSES
ZUKUNFTSTHEMA, DAS SIE GERN IN
IHRER REGIERUNGSZEIT PLATZIEREN
ODER UNBEDINGT REALISIEREN
WOLLEN?
Michael Müller
(Berlin, SPD)
Dr. Reiner Haseloff: Die nun auslaufende
Legislaturperiode wurde umrahmt von zwei
großen, von außen auf unser Land wirkenden
Krisen. Der Zuzug der überwiegend aus
Syrien und dem Irak stammenden Flüchtlinge
in den Jahren 2015 und 2016 sowie
die anhaltende Corona-Pandemie haben
die Gesellschaft polarisiert und stellten
jeweils eine große Gefahr für die Stabilität
unserer demokratischen Grundordnung dar.
Dieser Gefahr habe ich an nahezu jedem
Tag meiner Amtszeit versucht entgegenzu
treten. Trotz mancher inhaltlicher
Unterschiede haben alle drei Koalitionspartner
dazu beigetragen, dieses Land
nicht nur regierbar zu halten, sondern auch
verlässlich zu regieren.
Michael Kretschmer: Da gibt es eine
ganze Reihe von Punkten. Wenn wir in zehn
bis 15 Jahren zurückschauen, möchte ich,
dass wir sagen können, damals wurden die
richtigen Weichen gestellt. Wir wollen mit
Großforschungszentren dieses Land völlig
neu aufbauen. Wir wollen, dass Digitalisierung
und Informatik in den Schulen Einzug
halten, dass Programmieren zur zweiten
Fremdsprache in Sachsen wird. Und wir
brauchen ein gemeinsames Verständnis
dafür, dass wir mit qualifizierter Zuwanderung
auf einen Wachstumspfad gelangen.
Das erfordert viele Investitionen. Wir sind
kein dünn besiedeltes Agrarland am Rande
Europas, sondern ein Kultur- und Industrieland
inmitten der Europäischen Union.
Sachsen hat eine große Perspektive.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
OSTDEUTSCHLAND LERNT AUS DER KRISE
WIRTSCHAFT+MARKT 13
Fotos: W+M (2)
Michael Müller: Ich war 25 Jahre Mitglied
des Abgeordnetenhauses, zwölf Jahre
Parteivorsitzender
und zehn Jahre
Senatsmitglied, ich
habe also die Hälfte
meines Lebens der
Berliner Landespolitik
gewidmet und dies in
vorderster Reihe. Aber
die Entscheidung ist
gefallen. Wenn man
Mitte 50 ist und viel
Wissen und Erfahrungen
sammeln konnte,
dann möchte man dies aber auch künftig
einbringen. Ich bin überzeugt, dass meine
Hauptstadterfahrungen zu den Themen
Migration, Integration, Wohnungsbau und
Mieten, Wissenschaft und internationale
Netzwerke durchaus auch für die Arbeit im
Bundestag von Vorteil sein werden. Diese
will ich gern einbringen.
Lesen Sie
mehr von Michael Müller
online
Bodo Ramelow: Es gibt aktuell ein Thema,
das alles andere übertrifft, das ist der Zusammenhalt
der Gesellschaft. Alle anderen
Themen sind gefährdet, wenn wir diesen
Zusammenhalt nicht sichern. Ich bin bei allen
Fortschritten alarmiert, wenn aktuell die
Langzeitarbeitslosigkeit um zehn Prozent
gestiegen ist. Wir brauchen diese Menschen
alle, und zwar motiviert, nicht laut schreiend
durch die Städte laufend, die sich gegen den
Staat stellen oder apokalyptischen Ideen
nachrennen. Der Kitt, der die Gesellschaft
zusammenhält, ist ausgetrocknet. Wir brauchen
Zukunftsaussichten mit Aufstiegsperspektiven
für alle und besonders für die
Kinder, die jetzt die Schule besuchen.
BERLIN HAT SICH
ZUM FÜHRENDEN
DEUTSCHEN FOR-
SCHUNGSSTANDORT
ENTWICKELT.
Michael Müller
Eine reine Reduktion auf den Klimawandel,
ohne sie mit sozialen Themen zu denken,
wird nicht erfolgreich
sein. Der durch die
Energiewende erforderliche
Umbau muss
neben allen technologischen
Leistungen
auch so erfolgen, dass
er sozial bindend ist.
Die Diskussion um
die Aufstellung neuer
Windräder wäre eine
völlig andere gewesen,
wenn von vornherein
die Menschen und Kommunen einbezogen
und Vorteile für sie lokal und konkret aufgezeigt
worden wären. Der Zusammenhalt der
Gesellschaft ist das Thema. Was hilft mir
der beste technologische Fortschritt, wenn
in meiner Region keiner aus dem Ausland
arbeiten will. Auch Rassismus und Gewalt
sind standortprägend. Deshalb bin ich auf
die Unternehmen in Thüringen stolz, die sich
beispielsweise aktiv mit vietnamesischer
Zuwanderung beschäftigen.
Dietmar Woidke: Mein Ziel ist es, mit
Brandenburg bis zum Ende der 2020er-Jahre
unter die TOP 5
Deutschlands zu kommen.
Wir sind dazu auf
einem guten Weg und
wollen, wie man im
Fußballdeutsch sagt,
auf die Championsleague-Plätze
kommen.
Vieles läuft aktuell
genau in die richtige
Richtung. Wir kämpfen
nicht mehr – wie in
der Vergangenheit
– nur um die Erhaltung der Industrie, um
möglichst den Abbau von Industriearbeitsplätzen
zu verhindern. Wir kämpfen jetzt
dafür, neue und zukunftsfähige Industriearbeitsplätze
zu schaffen. Mit der Entwicklung
dieser Arbeitsplätze verbinden sich viele
WIR BRAUCHEN
ZUKUNFTSAUSSICHTEN
MIT AUFSTIEGSPERS-
PEKTIVEN FÜR ALLE.
Bodo Ramelow
Bodo Ramelow
(Thüringen, Die LINKE)
Effekte für die klein- und mittelständischen
Unternehmen, die als Dienstleister oder
Zulieferer profitieren können. Diese Industriepolitik
ist ein wichtiger Punkt für uns.
Ebenso am Herzen liegt mir, dass Brandenburg
in Bezug auf Klimaneutralität gut
unterwegs ist. Mit Tesla haben wir das
Thema der klimaneutralen Automobilität.
In Cottbus wird mit Hilfe der Strukturstärkung
aufgrund des Kohleausstiegs Europas
modernstes Bahnwerk aufgebaut. In der
Luft- und Raumfahrt, einem unserer aktuell
größten Sorgenkinder in der Krise, arbeiten
wir gerade mit unseren Partnern bei
MTU und Rolls-Royce daran, die Luftfahrt,
das Fliegen insgesamt klimaneutraler zu
machen. Das wird mittelfristig schon der
Fall sein. Langfristig wird dann die neue
Forschungseinrichtung, das Zentrum für
hybridelektrisches Fliegen, das gemeinsam
mit der Industrie
(Rolls-Royce) aus
der Taufe gehoben
wurde, eine besondere
Rolle spielen. Wir
stellen uns in allen drei
Mobilitätsbereichen
gut auf. Wir zeigen,
wie klimaneutrales
Wirtschaften und auch
Lesen Sie
mehr von Bodo Ramelow
online
klimaneutrale Mobilität
in der Zukunft
funktionieren können.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
14
WIRTSCHAFT+MARKT
INTERVIEW
„WIR SOLLTEN EINE AUF-
BRUCHSTIMMUNG SPÜREN“
Marco Wanderwitz, Ostbeauftragter der Bundesregierung, über die Zukunft
seines Amtes, die ökonomischen Folgen der Corona-Krise und die Stärken der
ostdeutschen Wirtschaft
W+M : Herr Wanderwitz, Sie sind seit dem
Februar 2020 Parlamentarischer Staatssekretär
im Bundeswirtschaftsministerium und
Beauftragter der Bundesregierung für die
neuen Länder. Wie lange wird Deutschland
noch einen Ostbeauftragten brauchen ?
präsidentschaft inne, die natürlich auch von
Corona dominiert war.
W+M : Sie haben das Stichwort Corona
angesprochen. Wie kommt Ostdeutschlands
Wirtschaft Ihrer Sicht nach durch die Krise ?
Marco Wanderwitz : Ich nehme aktuell wahr,
dass es gerade unter den Jüngeren so etwas
wie ein stärkeres Ostbewusstsein gibt, das
aber deutlich positiver besetzt ist als das alte.
Die Thematik der alten und neuen Länder
wird zunehmend verblassen. Und wenn dies,
verbunden mit dem letzten Stück Weg der
wirtschaftlichen Angleichung, erreicht ist, dann
brauchen wir auch keinen Ostbeauftragten
mehr, sondern vielleicht noch einen Beauftragten
für strukturschwache Regionen. Ich glaube,
dass wir den Ostbeauftragten in der nächsten
Legislaturperiode sicher noch benötigen, aber
dann sollte es das langsam gewesen sein.
W+M : Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit
von den Erwartungen, die Sie mit der Aufgabe
verknüpft haben ?
Marco Wanderwitz : Im großen Ganzen ist es
schon so gekommen, wie ich es erwartet habe.
Neu war das Thema Corona, das vieles andere
überlagert hat. Wenn man als Parlamentarischer
Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium
während einer Wirtschafts krise
tätig ist, stehen die eigentlichen Aufgaben
im Vordergrund und dann kommen erst die
Beauftragungen. Ich bin als Staatssekretär für
Außenwirtschaft und für Europa zuständig. Im
vergangenen Jahr hatten wir die EU-Rats-
Marco Wanderwitz : Diejenigen Wirtschaftswissenschaftler
hatten recht, die prognostizierten,
dass der Osten weniger stark von der
Krise betroffen sein wird als die industriellen
Kerne des Westens. Überall dort, wo eine hohe
Exportabhängigkeit besteht, wirkt die Krise
am stärksten.
Das ostdeutsche Wirtschaftswachstum ist
weniger eingebrochen als im Westen, das
ist die nüchterne Seite der Betrachtung. Wie
steht es aber um die Chancennutzung im
Osten ? Da stellt sich die Frage, ob wir unsere
Transformationskompetenz wieder auf die
Piste bringen und wie es gelingt, sich der
Zukunftstechnologien zu bemächtigen. Ich
denke da an Künstliche Intelligenz, Digitalisierung,
Quantentechnologien, Wasserstoff, neue
Mobilität und Energie.
Angesichts dieser positiven Aussichten bedauere
ich, dass wir aktuell nur über das sprechen,
was nicht geht. Ich kann verstehen, dass viele
Menschen müde und wund sind, gerade auch
die Unternehmerinnen und Unternehmer, die
von der Krise teilweise hart betroffen sind.
Das Handwerk und die Industrie erkennen aber
auch an, dass wir in diesen Bereichen faktisch
alles offengelassen haben und die öffentlichen
Aufträge auf hohem Niveau geblieben sind.
Marco Wanderwitz
Foto: Marco Wanderwitz
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
OSTDEUTSCHLAND LERNT AUS DER KRISE WIRTSCHAFT+MARKT 15
W+M : Wo liegen aus Ihrer Sicht Ostdeutschlands
Chancen, gestärkt aus der Krise hervorzugehen
? Haben wir eine Aufbruchstimmung ?
Marco Wanderwitz : Wir sollten eine
Aufbruchstimmung spüren, aber uns dessen
bewusst sein, dass sie kein Selbstläufer ist.
Wir sind in einem vielfältigen Strukturwandel,
ohne im Detail zu wissen wie er ausgeht. Entscheidend
sind neue Investitionen, wie die von
Tesla und CATL oder dass wir in Zwickau nach
Jahrzehnten nun wieder Audis produzieren,
dass wir das Leitwerk für Elektromobilität im
VW-Konzern geworden sind, dass BMW und
Porsche in Leipzig nachziehen.
W+M : Wo liegen aus Ihrer Sicht die wirtschaftlichen
Stärken der einzelnen neuen
Bundesländer ?
Marco Wanderwitz : Wir haben unterschiedliche
Schwerpunkte, den Optik- Schwerpunkt
in Jena, die Mikroelektronik in Dresden, die
Chemie- und Pharmaindustrie in Brandenburg,
Sachsen-Anhalt und Sachsen, den
Automobilbau in Sachsen und Thüringen und
natürlich auch in Brandenburg, die Startup-Szene
vor allem in Berlin, die maritime
Wirtschaft in MV. Nicht zu vergessen die
Tourismuswirtschaft, die das ostdeutsche
Portfolio ergänzt.
Auch die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien
ist ein besonderes Ostthema. Auf dieser
Grundlage bieten sich Chancen für das Thema
Wasserstoff. Ein Grund für die Ansiedlung
von Tesla war, dass der Anteil der erneuerbaren
Energien in den Netzen Ost höher ist als
anderswo, weil auch dieses Unternehmen auf
seinen CO 2
-Footprint achtet.
W+M : Was halten Sie von einer Sonderwirtschaftszone
Ost oder ist das Thema vom
Tisch ?
Marco Wanderwitz : So ganz ist das Thema
nicht von der Tagesordnung, allerdings müssen
wir klären, was wir damit meinen, denn wir
sind in europäisches Recht eingebunden. Geht
es um gewisse Freiheitsgrade, dann ist es
genau das, was wir beim Strukturwandel in der
Lausitz diskutieren. Das meint aber nicht die
klassischen Sonderwirtschaftszonendebatten
der Vergangenheit, die sich vor allem auf steuerliche
Themen konzentrierten. Da ist die Zeit
drüber gegangen, jetzt, wo erste ostdeutsche
Regionen aus der EU-Förderung fallen ob der
guten Entwicklung.
W+M : Wie bewerten Sie die Diskussionen um
das Verhältnis zu Russland, zumal gerade aus
der sächsischen Wirtschaft immer wieder auf
Benachteiligungen angesichts der Sanktionen
hingewiesen wird ?
Marco Wanderwitz : Wirtschaftlich betrachtet
ist die westdeutsche Industrie fast wie
die amerikanische aufgestellt. Es gibt kaum
Wirtschaftsbeziehungen nach Russland.
Das sieht im Osten etwas anders aus, da
haben die Beziehungen schon ein Gewicht.
Als Außenwirtschafts-Staatssekretär weiß
ich, dass es in der russischen Landwirtschaft
und der Ölindustrie beispielsweise Interesse
an deutschem Know-how gibt und natürlich
wäre es schön, wenn wir diesen Markt
wieder bedienen könnten. Aber das setzt
voraus, dass völkerrechtliche Spielregeln
berücksichtigt werden. Hier sehe ich leider
wenig Bewegung auf der russischen Seite. Die
deutsche Reaktion kann nicht sein, dass wir
unsere Einstellung ändern, nur weil Russland
sich nicht bewegt.
W+M : Sie selbst sind für die CDU im Wahlkreis
Chemnitzer Umland – Erzgebirgskreis II
Bundestagsabgeordneter und kandidieren erneut.
Wie lautet Ihre Prognose für die Wahlen
zum Bundestag ?
Marco Wanderwitz : Wir sind programmatisch
gut aufgestellt, müssen dies aber erst
noch in einem gemeinsamen Wahlprogramm
von CDU und CSU abbinden. Wir haben wie die
Grünen ein klares Zukunftsbild. Unseres halte
ich allerdings für moderner, weil weniger regulierend.
Vielleicht passen die Zukunftsbilder
auch so gut zusammen, dass man gemeinsam
regieren kann. Ich wünsche mir vor allem
auch, dass wir am Wahlabend nicht darüber
sprechen müssen, dass in den neuen Ländern
wieder einmal die politischen Ränder stark
zum Zug kamen.
Interview : Frank Nehring
Lesen Sie
das ausführliche
Interview online
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
16
WIRTSCHAFT+MARKT
DIGITALISIERUNG
WIE WIRD
(OST)DEUTSCHLAND
DIGITAL SOUVERÄN?
Die Corona-Pandemie war ein Katalysator für die Digitalisierung der
Verwaltung und Wirtschaft in Deutschland. Wenn auch noch kein echter
Digitalisierungsschub ausgelöst wurde, hat es zumindest einen ordentlichen
Erkenntnisschub gegeben: Es ist höchste Zeit, mit der Digitalisierung
voranzukommen, und zwar in allen Bereichen. Jetzt müssen wir diesen
Schwung nutzen!
Prof. Dr. Christoph Meinel,
Geschäftsführer des Hasso-Plattner-Instituts
VON PROF. DR. CHRISTOPH MEINEL, GESCHÄFTSFÜHRER
DES HASSO-PLATTNER-INSTITUTS IN POTSDAM
DDie Corona-Krise hat die Schwächen Deutschlands
im Digitalen schonungslos offengelegt:
Nach wie vor haben wir keine flächendeckende
Versorgung mit Gigabit-Netzen, souveränen
IT-Infrastrukturen und digitalen Geschäftsmodellen,
die auch international wettbewerbsfähig
sind.
Wieso versagt Deutschland bei der digitalen
Transformation? Das größte Problem bei der
digitalen Transformation ist, dass auf politischer
Ebene nicht verstanden wird, dass man
digitale Infrastrukturen und digitale Anwendungen
strikt getrennt denken und entwickeln
muss. Mit der fatalen Folge, in allen digitalen
Belangen trotz des Einsatzes großer Geldmengen
seit Jahren nicht voranzukommen.
Die Existenz leistungsfähiger digitaler Infrastrukturen
ist notwendige Voraussetzung für
den erfolgreichen Einsatz jedweder digitalen
Anwendungen. Für jede Anwendung braucht
es eine sichere Authentifizierung. Bei jeder
Anwendung müssen ein sicherer nutzerfreundlicher
Zugang und die Konformität zu
den geltenden Datenschutzregeln sichergestellt
sein. Die Bereitstellung und der Betrieb
leistungsfähiger Infrastrukturen können nur
über alle föderalen Ebenen hinweg erreicht
werden, einzelne Bundesländer geschweige
denn einzelne Kommunen können das
dauerhaft nicht stemmen. Nur wenn digitale
Infrastrukturen gemeinsam gedacht, entwickelt
und betrieben werden, wird es gelingen,
den Standort Deutschland auch im Bereich der
Digitalisierung nach vorne zu bringen.
Behindert der Datenschutz den Fortschritt?
Datenschutz behindert nur dann den Fortschritt,
wenn keine eigenen datenschutzkon-
Foto: HPI / Kay Herschelmann
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
OSTDEUTSCHLAND LERNT AUS DER KRISE WIRTSCHAFT+MARKT 17
formen Infrastrukturen zur Verfügung stehen
und diese zumindest von der öffentlichen Verwaltung
genutzt werden. Es ist unglaubwürdig
und kann auch nicht erfolgreich sein, wenn
Deutschland und die EU von erfolgreichen
ausländischen Dienstanbietern verlangen,
EU-Standards einzuhalten, ohne eigene Alternativen
anbieten und einsetzen zu können.
Das Thema digitaler Souveränität in
Deutschland und in der EU kann und muss
auf Infrastrukturebene gelöst werden.
Wir brauchen in Europa „Datenschutz as a
Service“, bei dem Datenschutz fest in die
europäischen Infrastrukturen hineinkodiert
ist und alle Anwendungen über entsprechende
Daten schützende Schnittstellen laufen
können. Dann werden die EU-Standards vom
Hemmschuh zum Wettbewerbsvorteil, weil
die allseits beliebten ausländischen Dienste
dann ohne viel Zutun auch Datenschutzkonform
genutzt werden können.
Die digitale Souveränität ist der Schlüssel zu
Wettbewerbsfähigkeit. Souverän kann nur
sein, wer weiß, wo und in welchen Kontexten
Daten anfallen, der beeinflussen kann, wie mit
den Daten umgegangen wird und der Daten
eigenverantwortlich nutzen, weiterverarbeiten
und löschen kann. Digitale Souveränität
bedeutet, die Hoheit über die eigenen
Daten und IT-Infrastrukturen zu haben. Auf
nationaler Ebene heißt das, dass ein Staat
mit eigenen Infrastrukturen sicherstellen
kann, dass die Daten seiner Bürger im eigenen
Hoheitsbereich verbleiben und unter den
geltenden, demokratisch vereinbarten Regeln
bewahrt und genutzt werden können und
dass Forschung, Bildung und Anwendung
digitaler Dienste nicht von ausländischen
Akteuren abhängig sind.
Es ist trotzdem wichtig, nicht in einen Digitalnationalismus
zu verfallen. Internationale
Kooperation ist lebenswichtig und für die
Entwicklung eigener Fähigkeiten notwendig.
Aber Kooperation lebt davon, dass jede Seite
etwas anzubieten hat und nicht, dass einer
alles anbietet und der andere ausschließlich
konsumiert. Digitale Souveränität bezeichnet
einen Zustand der Augenhöhe auch im Bereich
der neuen Digitaltechnologien, den Deutschland
und Europa anstreben müssen, um ihre
führende Position und den damit verbundenen
Wohlstand verteidigen zu können.
Digitale Souveränität setzt das Vorhandensein
eigener digitaler Infrastrukturen voraus,
die es Bürgern und Unternehmen ermöglichen,
gesetzeskonform auch im digitalen
Raum aktiv zu sein. Der Aufbau von Kompetenzen
im Bereich digitaler Infrastrukturen
hat enormes ökonomisches Potential, da in
diesem Bereich zukunftssichere Arbeitsplätze
entstehen können.
Das Thema digitale Souveränität ist grundsätzlich
zu groß für Ostdeutschland allein,
vielleicht sogar zu groß für Deutschland. Aber
die ostdeutschen Länder könnten vorangehen
und in gemeinsamen länderübergreifenden
Projekten beim Aufbau digitaler Infrastrukturen
einen Standortvorteil erringen. Gemeinsam
sind die neuen Länder so gewichtig wie
das größte deutsche Bundesland – allein sind
sie dagegen wenig bedeutend. Ostdeutschland
muss es gelingen, wichtige digitale
Infrastrukturprojekte gemeinsam aufzubauen
und so Fakten zu schaffen, an denen andere
nicht mehr vorbeikommen. Ein erstes sehr
einfach umzusetzendes Projekt könnte der
gemeinsame Betrieb einer digitalen Schul-
Infrastruktur – wie der HPI Schul-Cloud – sein.
Was muss geschehen, damit digitale Souveränität
in Deutschland erreicht wird? Der
IT-Planungsrat als wichtigstes deutsches Koordinierungsgremium
muss gestärkt und mit
weiteren Kompetenzen ausgestattet werden.
Das Prinzip „Einer entwickelt – Alle nutzen“
muss in allen Bereichen, in denen digitale
Technologien in der öffentlichen Verwaltung
verwendet werden, länderübergreifend
zur Anwendung kommen. Bei zukünftigen
öffentlichen Digitalisierungsprojekten muss
die strikte Trennung von digitaler Infrastruktur
und digitalen Systemen/Diensten/Anwendungen
eingehalten werden: Die Schaffung und
Bereitstellung digitaler Infrastruktur muss
ganz analog zu den Autobahnen in der analogen
Welt als gemeinsame Aufgabe vorangetrieben
werden. Dienste können und sollen
sich föderal ausdifferenzieren, so dass sie
auf der Basis offener Schnittstellen über gemeinsamen,
länderübergreifenden, digitalen
Infrastrukturen ausgespielt werden können.
Lesen Sie
den ausführlichen
Beitrag online
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
18 WIRTSCHAFT+MARKT WIRTSCHAFT
WEGE ENTSTEHEN
BEIM GEHEN!
Wirtschaft und Gesellschaft stehen vor einem
nachhaltigen Umbau. Die neu entstehenden
Strukturen bieten Ostdeutschland neue Chancen.
Dabei sollten die ostdeutschen Länder an einem
Strang ziehen.
VON PROF DR. JOACHIM RAGNITZ,
MANAGING DIRECTOR DES IFO-
INSTITUTS DRESDEN
NNicht nur im Bund, auch
in den meisten ostdeutschen
Ländern werden
in diesem Jahr Landtagswahlen
abgehalten: In
Sachsen-Anhalt bereits am
6. Juni, in Mecklenburg-Vorpommern,
Thüringen und
in Berlin zeitgleich mit der
Bundestagswahl am 26. September.
Aktuellen Umfragen
zufolge dürften in allen
betroffenen Bundesländern die
aktuellen Koalitionspartner auch
die künftige Regierung bilden (in
Berlin allerdings möglicherweise
unter Führung der GRÜNEN);
in Thüringen ist ungewiss, ob das
gegenwärtige Dreierbündnis (aus
LINKEN, SPD und GRÜNEN) über eine
eigene Mehrheit verfügt oder weiterhin
auf eine Tolerierung durch andere
Parteien angewiesen ist.
Dies heißt nicht, dass es keine „Wechselstimmung“
gäbe – aber weil der Unmut
über die jeweils bestehende Regierungskoalition
oftmals primär der AfD zugutekommt,
die als Koalitionspartner nicht in
Frage kommt, wird wohl alles beim Alten
bleiben. Doch das heißt nicht, dass alles beim
Alten bleiben könnte. Die Corona-Pandemie
hat wie in einem Brennglas deutlich gemacht,
was in der öffentlichen Verwaltung in der
Vergangenheit verschludert und verschlampt
wurde; angefangen bei der oftmals versprochenen
Digitalisierung bis hin zur vorgeblichen
Priorisierung von Bildungsinvestitionen.
KLIMASCHUTZ ERFORDERT
GRAVIERENDE EINSCHNITTE
Die absehbare Verschärfung der Klimaschutzauflagen
– 65 Prozent CO 2
-Einsparung
gegenüber 1990 bis zum Jahr 2030 – bedeutet
gegenüber dem heutigen Stand eine annähernde
Halbierung der Treibhausgasemissionen bis
zum Ende des Jahrzehnts, was nicht ohne
gravierende Einschnitte in unsere bisherige
Produktions- und Lebensweise möglich ist.
Und schließlich wird Ostdeutschland zur
Verhinderung von Arbeitskräftemangel in allen
Bereichen jede Menge Zuwanderer aus dem
Ausland benötigen – was die Gesellschaft vor
erhebliche Integrationserfordernisse stellt
und politisch unbedingt sachgerecht begleitet
werden muss, um eine weitere Spaltung der
Bevölkerung zu verhindern.
Die Wahlprogramme der (führenden) Parteien,
soweit es überhaupt welche gibt, lassen nicht
erkennen, dass diese Herausforderungen
ausreichend erkannt und adressiert werden –
aber zum Glück dienen Wahlprogramme ja
ohnehin nur dazu, dem Wähler ein wohliges
Gefühl zu vermitteln; relevanter ist vielmehr,
was hinterher in Koalitionsverträgen zwischen
den künftigen Regierungspartnern ausgehandelt
werden wird. Leider bleibt dem Wähler
dann nichts übrig, als die sprichwörtliche „Katze
im Sack“ zu kaufen und auf die praktische
Vernunft handelnder Politiker zu hoffen (was
in der Vergangenheit, sieht man einmal von
den Wirrungen der Berliner Landespolitik ab, ja
auch ganz gut geklappt hat).
Foto: ifo-institut
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
OSTDEUTSCHLAND LERNT AUS DER KRISE
WIRTSCHAFT+MARKT 19
Im Vorfeld der anstehenden Wahlen hat sich
das Ostdeutsche Wirtschaftsforum ausgiebig
mit den Herausforderungen befasst, denen sich
die Politik in Bund und Ländern in den kommenden
Jahren gegenübersieht, und Vorschläge
unterbreitet, wie insbesondere der wirtschaftlichen
Entwicklung in Ostdeutschland wieder
mehr Schwung verliehen werden kann. Dieses
Papier wird beim kommenden OWF vorgestellt
und ist auf Seite 31 dieser Ausgabe abgedruckt.
Grundgedanke dabei ist: Die Zeit des „Nachbau
West“ ist ein für alle Mal vorbei, denn neue
Zeiten erfordern neue Antworten.
CHANCEN FÜR OSTDEUTSCHLAND
Gerade weil die Zeichen in ganz Deutschland
auf einen Neubeginn gestellt sind, gibt es aber
gute Chancen für die ostdeutschen Länder,
denn der notwendige Umbau von Wirtschaft
und Gesellschaft wird sich nicht notwendigerweise
an bisherigen Strukturen ausrichten: So
hat Ostdeutschland beispielsweise überaus
günstige Perspektiven mit Blick auf Elektromobilität,
Wasserstoffwirtschaft oder auch
Erzeugung erneuerbarer Energien; auch bei
Künstlicher Intelligenz oder Medizintechnik gibt
es erfolgversprechende Potenziale.
Diese Technologien gilt es besonders zu
fördern, und zwar entlang der gesamten
Wertschöpfungskette. Ostdeutschland hat
aber auch besondere Kompetenzen mit Blick
auf strukturelle Umbrüche, die – so ist zu
hoffen – künftig gewinnbringend genutzt
werden können. Und Ostdeutschland ist trotz
aller historischen Gemeinsamkeiten so vielfältig,
dass gerade diese Vielfalt auch genutzt
werden kann, in vielen Bereichen erfolgreich
zu sein. Diesen „Mut zum Vorsprung“ muss
man allerdings fortentwickeln, und hier sollte,
ja muss sogar, die Politik eher Vorreiter als
Bremser sein.
Foto: Fotos: XXX Mit freundlicher Genehmigung von Tesla, Inc, Volkswagen AG, DLR
Gut wäre es, wenn die einzelnen ostdeutschen
Länder dabei an einem Strang ziehen würden
und sich nicht in lähmenden Verteilungskämpfen
untereinander und mit anderen aufreiben
würden. Denn die einzelnen ostdeutschen Länder
sind jedes für sich genommen auch nicht so
groß, als dass sie alles alleine machen könnten.
„Wege entstehen beim Gehen“, mit diesem
Motto sollte die künftige Wirtschaftspolitik
in und für Ostdeutschland die notwendigen
Veränderungen anpacken – und nicht dadurch,
auf ausgetretenen Pfaden (die nur dahin führen,
wo andere bereits vorangegangen sind) in die
Zukunft zu schreiten.
Die Zukunft in Ostdeutschland: In Grünheide entsteht die Gigafactory des
Autobauers Tesla, in Zwickau konzentriert VW seine E-Auto-Produktion
und in Cottbus gründet das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt ein
Institut für die Erforschung emissionsarmer Luftfahrtantriebe.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
20
WIRTSCHAFT+MARKT
DIE OSTDEUTSCHE
WIRTSCHAFT SOLLTE
SICH AUF IHRE
STÄRKEN BESINNEN
Wie kann sich die ostdeutsche Wirtschaft strategisch neu ausrichten?
Zur Beantwortung dieser Frage ist ein Perspektivwechsel geboten: Weg von
der rückwärtsgewandten Diskussion über Fehler beim Aufbau Ost, hin zu einer
Fokussierung auf die Stärken der ostdeutschen Wirtschaft.
VON PROF. DR. THOMAS BROCKMEIER,
HAUPTGESCHÄFTSFÜHRER DER IHK HALLE-DESSAU
EEine strategische Neuausrichtung der ostdeutschen
Wirtschaft steht und fällt damit,
zunächst einmal überhaupt so etwas wie eine
eigene Strategie zu haben. Und eine solche
sollte eine originäre Strategie sein, das heißt
sie sollte nicht einfach darin bestehen, einer
westdeutschen nacheifern zu wollen.
Eine solche Forderung mag wohlfeil klingen,
banal ist sie indes nicht. Diese Überzeugung
speist sich aus den Erfahrungen rund um das
Thema „Aufbau Ost“, die nicht zuletzt von
einer aus meiner Sicht wenig konstruktiven,
weil überwiegend rückwärts gewandten Diskussion
darüber geprägt war, was bei diesem
in der Wirtschaftsgeschichte beispiellosen
Mammut vorhaben falsch gemacht worden ist.
Nicht wenige der in diesem Zusammenhang
immer wieder aufgerufenen Punkte möchte
ich mit der Überschrift „Falle“ versehen; in eine
Falle gerät man und kann sich in aller Regel
nicht allein und ohne Schaden aus ihr befreien.
Diskussionen darüber, warum man hineingeraten
ist, sind nach aller Erfahrung müßig. Wenn
ich an dieser Stelle auf einige dieser „Fallen“
zu sprechen komme, dann, weil ich gleichsam
mit deren Hilfe für einen Perspektivwechsel
werben möchte.
Der Perspektivwechsel besteht darin, sich
klar zu machen, dass es in der ostdeutschen
Wirtschaft offenkundig beachtliche Stärken
geben muss. Dies wird deutlich, wenn man die
besonders oft genannten Fallen einmal näher
beleuchtet:
Die „Wachstums-Falle”: Damit ist jene
Aussage gemeint, die sich wie folgt auf den
Punkt bringen lässt: „Die Schere schließt sich
nicht weiter, von Konvergenz sind wir weit
entfernt.“
Eine solche auf die nominalen Wachstumsraten
fokussierte Lesart freilich unterschlägt,
dass sich in der Wirtschaft Ostdeutschlands
spätestens seit Ende der 1990er-Jahre ein
erfolgsgeneigtes Strukturmuster herausgebildet
hat. Ein beachtlicher Teil der Wertschöpfung
wird von der Industrie und unternehmensnahen
Dienstleistern erbracht, die
vor allem auf überregionalen Märkten tätig
sind, deren Wachstumsmöglichkeiten mithin
keine „endogenen“ Grenzen kennen.
Bedeutsam ist dies deshalb, weil keineswegs
irrelevant ist, in welchen Bereichen Wachstum
erzielt wird. Gemessen an dem heute soliden
Strukturmuster ließen sich die ersten Jahre
nach der Wende beinahe als „Scheinblüte“
bezeichnen: Ein angesichts des enormen
Nachholbedarfs überproportionaler Bausektor
gepaart mit einem transfergestützten
Boom im Einzelhandel bescherte zwar hohe
Wachstumsraten, nicht aber eine weitgehend
selbsttragende Wirtschaftsentwicklung.
Die „Institutionen-Falle”: Damit ist jene These
benannt, dass die ostdeutsche Wirtschaft
durch den Institutionentransfer von Arbeitsrecht,
Tarifrecht etc. am dynamischen Durchstarten
gehindert worden sei. Der Befund mag
stimmen, bei der Diagnose wäre ich schon
skeptischer. Wie hätte der daraus abzuleitende
Therapieansatz aussehen sollen? Doch wohl
hoffentlich nicht darin, über womöglich Jahrzehnte
ein institutionell gespaltenes Deutschland
zu haben.
Die „Förder-Falle”: Hierbei geht es um
die These, dass in der Förderpolitik falsche
Ansätze verfolgt worden seien (vulgo:
„Gießkanne statt Leuchttürme“, „Ausgleich
in der Peripherie statt Wachstumsförderung
in den Zentren“). Hier gilt: Politik ist die Kunst
des Möglichen. Und diese Kunst kann nicht
bedeuten, ländliche Räume quasi ausbluten
zu lassen. Dies gilt zumal für die ostdeutschen
Länder, die zum großen Teil aus ländlichem
Raum bestehen.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
OSTDEUTSCHLAND LERNT AUS DER KRISE
WIRTSCHAFT+MARKT 21
Verstärkend kommt hinzu, dass die erreichten
ostdeutschen Erfolge unter erschwerten
Bedingungen errungen wurden. Hierfür seien
zwei Beispiele genannt:
Zum einen verfügten die ostdeutschen
Unternehmer über keinerlei Erfahrungen in
Sachen Marktwirtschaft; sie mussten jedes
Prozent Marktanteil etablierten Konkurrenten
abringen. Zum anderen hatte die ostdeutsche
Wirtschaft mit einem beispiellosen Aderlass
an Arbeitskräften zu kämpfen: Mehr als zwei
Millionen überwiegend gut ausgebildete Menschen
verließen ihre alte Heimat, darunter viele
junge Frauen. Per Saldo dürften heute wohl ca.
1,5 Millionen Erwerbstätige mehr im Westen
aktiv sein als vor der Wende. Einen durchschnittlichen
Beitrag zur Bruttowertschöpfung
von (lediglich) 50 000 bis 60 000 Euro pro Kopf
und Jahr unterstellt, hieße das, dass Westdeutschland
der deutschen Einheit Jahr für
Jahr zirka 75 bis 90 Milliarden Euro zusätzliche
Wertschöpfung verdankt.
Die Stärke „erfolgsgeneigtes Strukturmuster“
wurde bereits kurz erwähnt. Eine weitere
Stärke erkenne ich darin, dass Ostdeutschland
zu einem insgesamt attraktiven Standort zum
Leben, Arbeiten und Investieren herangereift
ist, der im Vergleich zum westdeutschen Teil
über einige Vorteile verfügt. Diese wären:
Die Lebenshaltungskosten sind sowohl auf
dem Land als auch in den Städten im Durchschnitt
noch immer geringer als an jeweils
vergleichbaren Standorten in Westdeutschland;
dadurch bleibt letztlich mehr vom
verfügbaren Einkommen übrig.
Die Kinderbetreuung ist in Ostdeutschland
spürbar besser als auf dem Gebiet der alten
Bundesrepublik; nicht zuletzt deshalb ist die
Frauenerwerbsquote im Osten nach wie vor
deutlich höher als im Westen.
Die ostdeutschen Immobilienpreise sind
niedriger als die westdeutschen.
Die ostdeutsche Hochschul- und Forschungslandschaft
ist hochmodern ausgestattet;
die Relationen von Lehrenden und
Studierenden können sich sehen lassen.
Im Angesicht solcher Stärken kann ich mit
einem positiven Fazit in die Zukunft blicken:
Die deutsche Einheit war das Beste, was uns
Deutschen passieren konnte. Seien wir dankbar,
freuen wir uns am Erreichten und schauen
nach vorn!
Foto: IHK Halle-Dessau
Fallen können Pfadabhängigkeiten bewirken
oder zumindest prägen. Was brauchen wir,
um uns aus diesen zu befreien bzw. zukünftig
nicht in weitere hineinzugeraten? Ich denke, wir
sind gut beraten, uns der Stärken Ostdeutschlands
zu vergewissern. Sodann könnten wir
diese Stärken in den Mittelpunkt einer eigenen
originären Strategie stellen. Teil einer solchen
Strategie wäre eine entsprechende Kommunikation
dieser Stärken nach innen und außen.
Die Knappheit an Industrie- und Gewerbeflächen
ist in den ostdeutschen Bundesländern
spürbar geringer. Hinzu kommt eine
hohe Industrieakzeptanz der ostdeutschen
Bevölkerung.
Erwähnenswert ist zudem die in Ostdeutschland
im Durchschnitt bessere, weil
jüngere (technische) Infrastruktur.
Prof. Dr. Thomas Brockmeier
Lesen Sie
den ausführlichen
Beitrag online
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
22 WIRTSCHAFT+MARKT
STARTUPS
DER OSTEN BRAUCHT
MEHR STARTUPS
Konzernzentralen sind in Ostdeutschland rar gesät. Doch die innovativen Startups
von heute könnten die Großunternehmen von morgen sein. Deshalb lohnt
sich eine gezielte Förderung von Startups in den ostdeutschen Bundesländern.
VON DR. ERIC WEBER, GRÜNDER UND GESCHÄFTSFÜHRER
SPINLAB – THE HHL ACCELERATOR*
Dr. Eric Weber
EEin oft beklagtes Problem der ostdeutschen
Wirtschaft ist die geringe Zahl an
Unternehmens zentralen. Von allen DAX-,
MDAX- sowie SDAX-notierten Unternehmen
haben mit Carl Zeiss Meditec und Jenoptik in
Jena sowie VERBIO in Leipzig lediglich drei ihren
Sitz in den ostdeutschen Flächenländern. Dass
bis 2018 selbst die Bundesregierung von ihren
eigenen 219 Bundesinstitutionen nur 25 im
Osten angesiedelt hatte, zeigt, wie schwer eine
Verlagerung von bestehenden Institutionen
oder Unternehmenssitzen ist. Mit der Standortwahl
für das Fernstraßenbundesamt sowie für
die Agentur für Sprunginnovationen zeigt der
Bund die Lösung des Problems : Neugründungen
gehören vermehrt in den Osten.
großer Beliebtheit und gilt mittlerweile als einer
der wichtigsten Startup-Standorte europa- und
weltweit. Laut dem Deutschen Startup Monitor
erreichen die ostdeutschen Flächenländer
einen Anteil von 7,8 Prozent aller Startups, also
deutlich weniger als der Bevölkerungsanteil von
rund 15 Prozent. Der Datenanalysedienstleister
startupdetector ermittelte bei einer Auswertung
von Handelsregisterneueintragungen im Jahr
2020 einen Anteil von 6 Prozent (173 Startups).
In beiden Studien erreichen die ostdeutschen
Flächenländer zusammen ungefähr den
Anteil des Bundeslandes Hessen, welches
aber weniger als halb so viele Einwohner hat.
Gerade auch im Hinblick auf die hohe Dichte
an Hochschulen und außeruniversitären
Forschungseinrichtungen im Osten ist noch
viel mehr Potenzial vorhanden.
BERLIN UND BRANDENBURG FÜHREND
Anzahl an Gründungen je 10 000 Erwerbsfähige
im Zeitraum 2017–2019 pro Jahr
Und das betrifft auch und vor allem Unternehmensgründungen,
die letztlich das Potenzial haben,
zu mittelständischen oder sehr großen Unternehmen
zu wachsen. Mut machen Beispiele
wie Delivery Hero (DAX, Berlin), HelloFresh
(MDAX, Berlin) oder eben auch VERBIO (SDAX,
Leipzig). Die Chance besteht, dass innerhalb der
nächsten Dekaden der Anteil ostdeutscher Konzerne
steigt, indem erfolgreiche ostdeutsche
Startups den Durchbruch schaffen. Dies könnte
einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Lücke
zwischen Ost und West weiter zu verringern.
BERLIN IST EINE WELTWEITE
STARTUP-METROPOLE
Und tatsächlich gibt es im Osten der Republik
einige spannende Ansätze – allen voran
natürlich in Berlin. So ist die Zahl der Existenzgründer
laut KfW in Berlin deutschlandweit am
höchsten. Von der Nähe zu Berlin profitiert auch
Brandenburg auf Platz 2. Auch bei den innovativen
Startup-Gründern erfreut sich Berlin
BREMEN
37
SCHLESWIG-HOLSTEIN
90
HAMBURG
122
NIEDERSACHSEN
116
NORDRHEIN-
WESTFALEN
109
HESSEN
108
RHEINLAND-PFALZ
94
SAARLAND
74
BADEN-
WÜRTTEMBERG
115
MECKLENBURG-
VORPOMMERN
41
BERLIN
198
THÜRINGEN
71
BRANDENBURG
165
SACHSEN-ANHALT
83
SACHSEN
86
BAYERN
121
Foto: XXX SpinLab Accelerator GmbH, Grafik: KfW-Gründungsmonitor 2020
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
OSTDEUTSCHLAND LERNT AUS DER KRISE
WIRTSCHAFT+MARKT 23
Foto: Grafik: XXX EY Startup-Barometer Deutschland
STARTUP-FINANZIERUNG IN
OSTDEUTSCHLAND
Auch aufgrund der umfangreichen Maßnahmen
der ostdeutschen Landesregierungen ist die
Situation bei der Einwerbung von Finanzmitteln
durch Startups ausgeglichener. Die ostdeutsche
Förderlandschaft – bestehend aus diversen
Zuschuss-, Darlehens und Bürgschaftsprogrammen
– gilt weithin als besonders
leistungsfähig. Ob dieser Vorsprung auch in der
neuen EU-Förderperiode erhalten bleibt, wird
sich erst zeigen, denn längst sind die südlichen
und östlicheren Regionen Europas im stärkeren
Fokus der EU.
Die Länder initiierten in der Vergangenheit dazu
sehr gut ausgestattete regionale Venture-
Capital-Fonds. So zählten der Technologiegründerfonds
Sachsen (TGFS) und bm|t beteiligungsmanagement
thueringen zu den zehn aktivsten
Venture-Capital-Gebern deutschlandweit. Auch
dadurch konnte sich Sachsen bei der Anzahl
der VC-finanzierten Startups und beim Deal-
Volumen im Jahr 2020 einen respektablen Platz
5 bzw. 6 im Bundesländervergleich sichern. Dies
kann durchaus als Indikator für eine überproportional
hohe durchschnittliche Qualität der
ostdeutschen Startups interpretiert werden.
Beispielsweise ist das Chemnitzer Startup
staffbase auf dem Sprung zum Unicorn. Neben
einigen Unicorn-Kandidaten entstehen auch
sogenannte Zebras, also profitable Unternehmen
mit einem nachhaltigen Geschäftsmodell.
Diese Unternehmen sind nicht nur die potenziellen
Mittelständler und Konzerne von morgen,
sondern auch interessante Kooperationspartner
und Investoren für zukünftige Startups.
STARTUP-ÖKOSYSTEM IN DEN OST-
DEUTSCHEN REGIONEN FÖRDERN
Es gilt diese positiven Ansätze weiter zu
stärken und noch mehr insbesondere technologisch
anspruchsvolle Gründungen in den
ostdeutschen Bundesländern zu unterstützen.
Einzelne Standorte sollten zu weltweit attraktiven
Leuchttürmen in engen technologischen
Spitzenfeldern weiterentwickelt werden, um
national und international Gründer, Fachkräfte,
Forscher und Entwickler sowie Investoren
anzuziehen. Grundsteine dafür gibt es etwa im
Bereich der Optik in Jena, im Bereich Mikroelektronik
in Dresden sowie in den Bereichen
Medizin und Energie / Umwelt in Leipzig. Dafür
sollten Bund und Länder mit einer gemeinsamen
Strategie Startups-Ökosysteme stärken –
übrigens nicht nur in Ostdeutschland, sondern
überall dort, wo Regionen neue Impulse für
eine wirtschaftliche Entwicklung brauchen.
Beispielsweise könnten bereits vorhandene
Ideen, Initiativen, Mechanismen und (Förder-)
Programme gezielt in den Regionen angepasst
werden. Geeignete Maßnahmen hierzu wären :
• Intensivere Außenkommunikation der
Stärken ostdeutscher Standorte, etwa
über die Digital Hub Initiative des Bundeswirtschaftsministeriums.
Aktuell sind dort
neben Berlin die Standorte Potsdam sowie
Leipzig/Dresden vertreten.
• Stärkerer Fokus der GTAI zur Ansiedlung
in diesen Regionen durch entsprechende
Anreizmechanismen.
• Schaffung von Programmen nach den Vorbildern
von GISEP (Ansiedlung israelischer
Startups) oder GINSEP (indische Startups)
gezielt für ostdeutsche Regionen.
• Unterstützung der Kommunen zur Senkung
der Gewerbesteuerhebesätze gezielt für
junge Unternehmen.
SCHLESWIG-HOLSTEIN
7
HAMBURG
46
NIEDERSACHSEN
+ BREMEN
11
NORDRHEIN-
WESTFALEN
60
HESSEN
23
RHEINLAND-PFALZ
12
SAARLAND
2
• Schaffung von Reallaboren mit
regula torischen Vereinfachungen für
Zukunftstechnologien.
DAS MEISTE KAPITAL FLIESST NACH BERLIN
Zahl der Startups, die 2020 Finanzierungen erhalten haben,
nach Bundesländern
BADEN-
WÜRTTEMBERG
32
• Pilotprojekte zur Befreiung von Gründungen
bis zu einer Größe von zehn Mitarbeitern
von bürokratischen Hürden.Investitionen
der KfW Capital in VC-Fonds in ärmeren
Regionen auch bei kleineren Fondsvolumina
(< 50 Mio. Euro).
• Höhere Bezuschussung von Business
Angels bei der Nutzung des Invest-Zuschusses
für Wagniskapital zur Finanzierung von
Startups mit Sitz in diesen Regionen.
• Höherer Sachmittelzuschuss bei EXIST-
Gründerstipendien für Projekte an ausgewählten
Hochschulen zum Ausgleich der
schlechter ausgeprägten Business Angel-
Szene.
MECKLENBURG-
VORPOMMERN
4
THÜRINGEN
8
BERLIN
278
BRANDENBURG
6
SACHSEN-ANHALT
7
SACHSEN
28
BAYERN
163
Sicherlich finden sich noch viele weitere Ideen
und Ansätze zur Erweiterung der bereits
vorhandenen strukturpolitischen Maßnahmen
und zur gezielten Stärkung der Startup-Szenen
in den ostdeutschen Bundesländern, die in den
nächsten Jahren zu einer weiteren Angleichung
der Wirtschaftskraft beitragen können.
*INFO : SpinLab – The HHL Accelerator ist ein Spin-off der
HHL Leipzig Graduate School of Management. Der Accelerator
unterstützt innovative Startup-Projekte bei der
Umsetzung und Weiterentwicklung ihrer Vorhaben beispielsweise
mit Coaching und Mentoring- Programmen.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
24 WIRTSCHAFT+MARKT
THE SOUND OF
EASTERN GERMANY
Hat Ostdeutschland die Kraft, eine eigenständige Standortmarke zu sein? Schließlich hat nur
Ostdeutschland eine ganzheitliche Transformationsgeschichte zu erzählen. Ein gutes Beispiel für
eine solche Erfolgsgeschichte ist die Wahl von Chemnitz zur Europäischen Kulturhauptstadt 2025.
VON RALF SIPPEL, MITGLIED DER GESCHÄFTSLEITUNG
ZEBRA|GROUP GMBH, CHEMNITZ*
Ostdeutschland ist ein Begriff, der erst mit der
Wende entstanden ist. Vorher war es ein Staat
und mit dem Fall der Mauer eine kurze Idee
von Aufbruch. Dann kam der Einigungsvertrag,
womit der „Osten“ mit dem „Westen“ verschmolz.
Big Bang, Kaltstart, Währungsunion,
Privatisierung und Treuhand – so hießen die
Formate für den Weg. Zur Motivation gab es
die Reisefreiheit und als Vision das politische
Narrativ der „blühenden Landschaften“. Der
Osten wurde das Synonym für die Transformation
einer ganzen Gesellschaft.
Für eine solche Transformation gab es 1990
weltweit keine Blaupause. Ein Blick auf die
anderen Aspiranten des ehemaligen Ostblocks
verhieß nichts Gutes und so war die beste
Wahl ganz klar die rasche Wiedervereinigung
und Angleichung. Der Weg in den Wandel
begann schmerzvoll mit der Privatisierung
der Wirtschaft. Wenn es einen Sound dazu
gab, dann war er voller lauter, schiefer Töne.
Doch die Transformation kam voran, Dekade
für Dekade, und der Sound des Ostens bekam
einen besseren Klang.
In Zahlen gemessen kann sich nach 30 Jahren
die Transformationsbilanz Ostdeutschlands
sehen lassen. In wirtschaftlichen und sozialen
Parametern hat der Osten stetig aufgeholt
bis auf ca. 80 Prozent des Westniveaus. Im
europäischen Vergleich liegt der Osten deutlich
vor vielen Nachbarn.
Der Start für die Menschen war schwer, denn
die negative Beschreibung des Status Quo der
Wirtschaft Ost wurde auch auf sie übertragen.
In Verbindung mit Massenentlassungen
entstand ein Gefühl von Verlust und Abwertung.
Ein Kulturschock: eben noch friedlicher
Foto: zebra|group GmbH
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
OSTDEUTSCHLAND LERNT AUS DER KRISE
WIRTSCHAFT+MARKT 25
Revolutionär und auf einmal arbeitslos. Und
das Wort dazu war Ossi. Doch die 2000er-
Jahre brachten spürbare Erfolgserlebnisse im
Wiederaufbau, beim Lebensstandard und im
erneuerten Selbstwertgefühl. Nach 30 Jahren
lässt sich sagen: Ostdeutschland hat seine
Transformation geschafft.
Der Standort Ostdeutschland ist durch diesen
Transformationserfolg zum weltweiten best
case für die bevorstehende Zeit komplexen
Wandels geworden. Unabhängig von der pandemischen
Episode müssen in den nächsten
drei Dekaden weltweit multiple Wandel-Szenarien
gleichzeitig bewältigt werden und wieder
ohne Blaupause. Der Osten ist um diese Erfahrung
voraus und es lohnt sich ihm zuzuhören.
den Ort der Ansiedlung hinaus und zahlen so
auf die Marke Ostdeutschland ein, das zeigt
aktuell das Beispiel Tesla.
ERFOLGSGESCHICHTE: KULTUR-
HAUPTSTADT CHEMNITZ
Eine klare Antwort kommt auch aus Chemnitz
mit einer Erfolgsgeschichte aus Transformationskompetenz.
Chemnitz wird Europäische
Kulturhauptstadt2025.
Chemnitz ist seit über 100 Jahren als Stadt
ein Synonym des Wandels und der Brüche.
Ob Industrie oder Kultur, ob Architektur oder
Name – Krieg und Systemwechsel haben die
Stadt mehrfach transformiert. Doch die Chemnitzer
haben das Beste daraus gemacht.
Und der Sound of Eastern Germany, wie klingt
er denn nun? Da spürt man keinen melancholischen
Blues mehr. Es ist vielmehr ein kraftvoller
Rhythmus, ein „sound of change“. Das könnte
ein weltweiter Hit werden. Wir müssen nur mal
am Lautstärkeregler drehen – lassen wir doch
von uns hören!
* Die 1991 gegründete Chemnitzer Agentur zebra bietet
für Unternehmen und Marken medienübergreifende
Marketinglösungen in den Bereichen strategische Markenentwicklung
und -führung.
OSTDEUTSCHLAND ALS MARKE FÜR
TRANSFORMATION
Kann also Ostdeutschland zur Standortmarke
für das Gelingen von Transformation werden?
Aufgrund der Erfahrung kann der Osten sehr
wohl eine starke Marke für gelingende Transformation
sein. Und er kann aus dieser Erfolgsgeschichte
sein neues Narrativ einer Ost-Marke
finden und das weist klar nach vorn. Marken
verkörpern Identitäten und Ostdeutschland
ist eine starke Identität, bestehend aus Orten,
Stakeholdern sowie den Erzählungen vom
Lebensgefühl seiner Bewohner. Warum sollte
nun nicht auch der Transformationserfolg
Bestandteil der Erzählungen werden?
Man könnte einwenden, der Osten ist kein
Hightech-Land und dass es somit schwierig
sei, gerade hier etwas zu lernen für die Zukunft.
Doch der Osten hat viele kleine und große
Cluster für Zukunftstechnologien gebildet.
Manche sogar mit europäischer Alleinstellung
wie das Silicon Saxony. Dazu kommen wichtige
Handlungsfelder des Wandels wie Klimaschutz
mit Strukturwandel durch Kohleausstieg
oder Mobilität der Zukunft, mit Europas
größten e-mobility-Erzeugern VW und Tesla.
Ostdeutschland kann nicht nur Best Case
zum Lernen, sondern auch Tech-Cluster und
Sprungbrett nach Europa sein - dem immer
noch größten Markt der Welt.
Aus diesem Grund hat sich die Chemnitzer
Stadtgesellschaft 2015 für eine Bewerbung zur
Europäischen Kulturhauptstadt 2025 entschieden.
Denn sie hat Europa eine Geschichte
von dauerhafter Transformation zu erzählen,
passend zu der Zeit, in der so wenig noch stabil
erscheint. Diese Bewerbung wurde 2018 auf
eine harte Probe gestellt, als die Stadt zu fragwürdiger
Aufmerksamkeit gelangte. Extremisten
aus ganz Deutschland nutzten einen Anlass
und produzierten Spiegelbilder gesellschaftlicher
Zerrissenheit für die Weltpresse. Doch die
Stadt hat darüber nicht aufgegeben, sondern
das Ganze als neuen Bruch akzeptiert, mit dem
sie sich nun auseinandersetzt. Aus diesem
Diskurs kann kultureller Wandel gelingen, glaubt
Chemnitz. Und da sich die Herausforderungen in
Europa gleichen, lassen sich auch die Antworten
mit Europa teilen.
Die Fähigkeit zu solch umfassendem Wandel
ist gut abgespeichert in den Generationen
der Ostdeutschen, welche ihn erkämpft und
geleistet haben. Neben dem erreichten Guthaben
in Wirtschaft und Gesellschaft sind vor
allem diese Menschen das Kapital künftiger
Transformationsprozesse. Sie können das
Land, seine Gesellschaft und sich selbst so
grundlegend verändern und doch ihre Werte
und Haltung bewahren.
Ralf Sippel
Foto: Dirk Hanus, zebra-group
Und nur Ostdeutschland hat die ganzheitliche
Transformationsgeschichte zu erzählen und
bettet seine Städte und Länder mit ihren
Einzelgeschichten darin ein. Kommt dann ein
neuer Investor hinzu, strahlen die positiven
externen Effekte seiner Ansiedlung weit über
Lesen Sie
den ausführlichen
Beitrag online
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
26
WIRTSCHAFT+MARKT
SO KOMMT
OSTDEUTSCHLAND
AUS DER
CORONA-KRISE
Wie haben die ostdeutschen Flächenländer die Corona-
Krise überstanden und welche Lehren ziehen sie aus den
während der Pandemie zu Tage getretenen Defiziten?
Wirtschaft+Markt hat nachgefragt: bei den Wirtschaftsministern
Martin Dulig (Sachsen, SPD), Harry Glawe
(Mecklenburg-Vorpommern, CDU), Prof. Dr. Jörg Steinbach
(Brandenburg, SPD), Wolfgang Tiefensee (Thüringen, SPD)
und Prof. Dr. Armin Willingmann (Sachsen-Anhalt, SPD).
W+M: Gehört die Wirtschaft in Ihrem
Bundesland zu den Gewinnern oder den
Verlierern der Krise?
Martin Dulig: Ich bin zuversichtlich und denke,
dass die sächsische Wirtschaft die Kraft
hat, gestärkt aus einer Krise hervorzugehen.
Allerdings differenziere ich gern, wenn es
um „die Wirtschaft“ geht, denn die pauschalen
Klagen über die nicht funktionierende
Wirtschaft stimmen so nicht. Sie funktioniert
in diesem Jahr besser als im Frühjahr des
Martin Dulig
(Sachsen, SPD)
vergangenen Jahres, als die internationalen
Lieferketten zusammengebrochen sind mit
weitreichenden Konsequenzen auch für unsere
produzierende Industrie. Jetzt funktionieren
die Lieferketten, die Menschen gehen
zur Arbeit, es wird produziert. Wir haben ein
Wirtschaftswachstum von über zwei Prozent
in Sachsen.
Aber es gibt auch Branchen, die massiv leiden:
der Einzelhandel, der Tourismus, die Reiseund
Eventbranche, die Kultur. Das sind Bereiche,
wo es tatsächlich äußerst problematisch
ist. Hier müssen wir dafür kämpfen, dass nach
Corona wieder alles gut zum Laufen kommt.
Harry Glawe: Die Corona-Krise hat unbestritten
die gute wirtschaftliche Entwicklung
der vergangenen Jahre unterbrochen. In Mecklenburg-Vorpommern
sind unsere starken
Dienstleistungsbereiche betroffen – der Tourismus,
der Einzelhandel und die Veranstaltungswirtschaft.
Zudem hat die Corona-Krise
insbesondere die Unternehmen getroffen, die
im oder für den Mobilitäts- und Reisesektor
arbeiten. Der Zusammenbruch des Kreuzfahrtmarktes
traf die Reedereien, die Werften
und ihre Zulieferer. Die Nachfrageeinbrüche
bei Airbus und im Automobilmarkt trafen
ebenfalls die Zulieferfirmen. Gestützt wird die
Wirtschaftsentwicklung derzeit insbesondere
durch das Handwerk, die Bauwirtschaft, die
Ernährungsindustrie und andere Bereiche des
Verarbeitenden Gewerbes.
Jörg Steinbach: Die Frage, ob wir zu den
Gewinnern gehören werden, wird sich erst
nach einem Jahr im Normalbetrieb beantworten
lassen. Im Augenblick sieht es so aus, als
würden wir besser als im Bundesdurchschnitt
durch die Krise kommen. 2020 verzeichnete
die Wirtschaft in Brandenburg im Vergleich
der Bundesländer den geringsten Rückgang
seiner Wirtschaftsleistung. Das zeigt uns, dass
unsere Unternehmen robust aufgestellt sind
und der Pandemie trotz aller Einschränkungen
ziemlich gut trotzen. Es zeigt aber auch, dass
die vom Staat aufgelegten Hilfsprogramme
greifen und effizient dazu beitragen, die Folgen
der Pandemie abzufedern.
Lesen Sie
mehr von Martin Dulig
online
Fotos: W+M
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
OSTDEUTSCHLAND LERNT AUS DER KRISE WIRTSCHAFT+MARKT 27
Wolfgang Tiefensee: Es gibt Branchen,
die sehr gut aufgestellt sind, denken Sie an
die Logistik, die Pharmazie, die Nahrungsgüterwirtschaft,
alle verzeichnen ein Umsatzwachstum.
Aber mich treibt um, dass es
eine Reihe wichtiger Branchen gibt, die stark
negativ, manche sogar existenzbedrohend
betroffen sind. Die Gastronomie, die Hotellerie,
der Einzelhandel und die Veranstaltungswirtschaft,
die Soloselbständigen und die
Kreativwirtschaft, sie alle haben schwer zu
kämpfen. Darüber hinaus sorge ich mich um
die Automobilzulieferer und die Branchen, die
auf internationale Zulieferketten angewiesen
sind. Aktuell haben wir zum Beispiel einen
Chipengpass, der die Produktion in Eisenach
beeinträchtigt. Aber insgesamt denke ich, dass
Thüringen gut durch die Krise kommt, weil wir
auf einem sehr soliden Fundament stehen.
Armin Willingmann: Grundsätzlich halte
ich es für problematisch, in dieser weltweiten
Krise nach Gewinnern oder Verlierern zu
unterscheiden. Sachsen-Anhalt ist mit einem
Rückgang des Bruttoinlandsproduktes von
-3,9 Prozent allerdings noch vergleichsweise
glimpflich durch das Krisenjahr 2020 gekommen.
Bundesweit lag der Rückgang bei -4,9
Prozent. Während einige Branchen wie die
Tourismuswirtschaft, das Gastgewerbe oder
der Dienstleistungssektor stark unter der Krise
gelitten haben und zum Teil noch leiden, gab
es in anderen Bereichen sogar Zuwächse.
Harry Glawe
(Mecklenburg-Vorpommern, CDU)
W+M: Wo steht die Wirtschaft in Ihrem
Bundesland nach der Krise?
Martin Dulig: Corona ist nicht die einzige
Veränderungswelle, in der wir uns befinden,
sondern sie ist eher ein Katalysator für verschiedene
Transformationsprozesse, die im
Positiven wie im Negativen vorher existierten.
Der Einzelhandel hatte bereits vorher massive
Probleme und stand aufgrund der Digitalisierung
und des Onlinehandels unter Druck, die
Automobilindustrie stand schon vor Corona in
der Herausforderung der großen Transformation
hin zur E-Mobilität, der Maschinen- und
Anlagenbau ebenso, Stichwort Industrie 4.0.
Diese Entwicklungen werden jetzt beschleunigt.
Corona hat uns die Defizite deutlich vor
Augen geführt, aber ich bleibe bei der Zuversicht,
dass Sachsen besser durch die Krise
kommen wird als andere Länder. Ich glaube an
die Kraft der sächsischen Wirtschaft.
Harry Glawe: Für das laufende Jahr gehe ich
davon aus – sobald die Corona-Beschränkungen
gelockert oder aufgehoben werden –, dass
es eine spürbare Erholung der Wirtschaft gibt.
Ich erwarte deutliche Nachholeffekte gerade
im privaten Konsum, wovon Gastgewerbe und
Tourismus besonders profitieren werden. Der
Sommer im vergangenen Jahr hat gezeigt,
Lesen Sie
mehr von Harry Glawe
online
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
28
WIRTSCHAFT+MARKT
dass die Nachfrage nach einem schönen und
sicheren Urlaub bei uns riesig ist.
Jörg Steinbach: Ich bleibe optimistisch, dass
die märkische Wirtschaft in ihrer Gesamtheit
die Herausforderungen der Pandemie meistern
wird. Aber wir müssen auch ehrlich sagen:
Wir werden diese Krise nicht ohne Verluste
überstehen, werden nicht jedes einzelne Unternehmen
retten können.
Wolfgang Tiefensee: Wenn man über
die Krise spricht, muss zunächst betrachtet
werden, wie wir vor der Krise aufgestellt
waren. Thüringen hat in den letzten 15 Jahren
eine atemberaubende Entwicklung genommen.
Wir sind im Wechsel mit Sachsen das
stärkste Industrieland im Osten. Die Anzahl
der Industriearbeitsplätze je 100.000 Einwohner
ist höher als in NRW, Niedersachen und
Hessen. Wir haben klassische Industrieländer
überholt, obwohl wir Anfang der 90er aus
einer Phase der Deindustrialisierung gestartet
sind. Unsere Arbeitslosenquote liegt unter
der von NRW, dem Saarland und Bremen.
Studien bescheinigen uns, bei Gründungen mit
Wirtschafts relevanz und im Hochtechnologiesektor
sehr gut aufgestellt zu sein. Auch wenn
starkes und innovatives Land, das trotz oder
wegen seiner kleinteiligen Struktur offenbar
nicht ganz so krisenanfällig ist. Ich gehe davon
aus, dass weite Teile der Wirtschaft relativ
stabil durch diese Krise kommen.
Armin Willingmann: Unserem Land kam
in der Krise einmal mehr die kleinteilige Wirtschaftsstruktur
zugute. Auch krisenbedingte
Verwerfungen im Außenhandel schlagen sich
bei uns nicht so stark nieder, obwohl sich
die Unternehmen in Sachsen-Anhalt in den
vergangenen Jahren internationaler aufgestellt
haben. Insofern rechne ich ab Mitte 2021 mit
einer deutlichen und zügigen Erholung der
Wirtschaft, mit Nachholeffekten durch Konsum
wie Investitionen.
W+M: Welche Defizite aus der Zeit vor der
Krise holen uns jetzt besonders ein?
Martin Dulig: Das Thema Digitalisierung
sollte nicht nur auf die Infrastruktur reduziert
werden. Ich gehe davon aus, dass viele Unternehmen,
die das Thema bisher noch nicht
für sich verstanden haben, spätestens jetzt
erkannt haben, dass der weltweiten Dynamik
nur entsprechen werden kann, wer über digitale
Kompetenz und Innovationskraft verfügt.
Vor der Krise zeigten sich in Sachsen etwa ein
Drittel noch reserviert gegenüber dem Thema
Digitalisierung. Das sollte der Vergangenheit
angehören.
Prof. Dr. Jörg Steinbach
(Brandenburg, SPD)
Harry Glawe: Die Krise hat die Digitalisierung
noch einmal beschleunigt. Es ist deutlich
geworden, dass der Ausbau der Infrastruktur
und die Digitalisierung von Prozessen noch
schneller gehen müssen. Dafür ist eine digitale
Wolfgang Tiefensee
(Thüringen, SPD)
das Lohnniveau ungenügend ist, auch wenn
wir Nachholbedarf bei der Forschung in den
Unternehmen haben – es gibt viele Indizien
für eine gestiegene nationale und internationale
Wettbewerbsfähigkeit. Thüringen ist ein
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von Wolfgang Tiefensee
online
Fotos: Wolfgang Tiefensee: W+M, Prof. Dr. Jörg Steinbach: Till Budde
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
OSTDEUTSCHLAND LERNT AUS DER KRISE WIRTSCHAFT+MARKT 29
Infrastruktur und Mobilfunkversorgung in der
Fläche notwendig, um im gesamten Land eine
Beteiligung am Digitalisierungsprozess zu
ermöglichen.
Jörg Steinbach: Einige Wirtschaftszweige
befinden sich unabhängig von Corona in einem
Transformationsprozess – beispielsweise die
Automobilbranche und ihre Zulieferer. Dass
jetzt noch die Pandemie hinzukommt, erhöht
die eh schon vorhandenen Probleme. Problematisch
ist auch die Situation in der Luft- und
Raumfahrtindustrie. Hier war man sich zu sicher,
dass das Vorkrisenniveau anhalten wird.
Ich gehe davon aus, dass das Wiederanlaufen
in diesem Bereich deutlich länger dauern wird
als in anderen Branchen. Es ist fraglich, ob ein
Lesen Sie mehr
von Prof. Dr. Jörg Steinbach
online
Vorkrisenniveau überhaupt wieder erreicht
werden kann. Ich glaube, dass auf Dauer
weniger Geschäftsreisen stattfinden werden.
Das bedeutet, dass andere Flugzeugmuster
gefragt sein werden und andere Personalausstattungen.
Der Luftfahrbereich wird komplett
neu aufgestellt werden müssen. Ich bin aber
überzeugt, dass es nicht zu einem totalen Zusammenbruch
der Luft- und Raumfahrtbranche
kommen wird. Ich halte es für realistisch,
dass die Branche nach der Krise ein Niveau von
80 Prozent im Vergleich zur Zeit vor Corona
erreichen kann.
Wolfgang Tiefensee: Vor allem die mangelnde
Digitalisierung in Deutschland, also
auch in Thüringen. Der Breitbandausbau ist
unbefriedigend, ein Dschungel an Insellösungen
erschwert, anders als z.B. in Estland,
ein kundenfreundliches E-Government, also
eine moderne Verwaltungsdigitalisierung.
Im Bildungssektor war E-Learning bisher ein
Fremdwort, das Equipment für die Schülerund
Lehrerschaft ist ungenügend – hier rächen
sich schwere Versäumnisse der letzten zwei
Jahrzehnte. Wir investieren in diesem Sektor
massiv, um die Rückstände aufzuholen. Im
Blick auf den Einzelhandel und die Entwicklung
der Innenstädte werden wir eine Verstärkung
der Krise sehen, weil sich der schon lang andauernde
Wettbewerb mit dem Onlinehandel
durch die Schließungen nochmal verstärkt.
Wir begegnen dem mit Kampagnen für den
stationären Handel und mit Digitalisierungsangeboten.
Mit und ohne Corona stellen die Veränderungen
im Automobilsektor eine große Herausforderung
dar. Um die Position im Markt zu
halten, müssen Unternehmen die Transformation
weg von fossilen Energieträgern meistern.
Hier stocken wir gerade unsere Transformationsagentur
personell auf, um Vorstände wie
Betriebsräte dabei noch besser unterstützen
zu können. Also, wir legen die Hände nicht in
den Schoß.
Prof. Dr. Armin Willingmann
(Sachsen-Anhalt, SPD)
Armin Willingmann: Die Pandemie hat uns
vor Augen geführt, wie bedeutsam leistungsfähige
digitale Infrastrukturen sein können.
Und sicher haben wir etwa beim Breitbandausbau
noch Nachholbedarfe. In den vergangenen
vier Jahren hat Sachsen-Anhalt allerdings
deutliche Fortschritte gemacht. Heute
verfügen mehr als 80 Prozent der Haushalte
über Anschlüsse mit 50 Megabit pro Sekunde.
2016 war nicht mal jeder zweite Haushalt angeschlossen.
Da hätte sich die Pandemie noch
viel gravierender ausgewirkt.
Foto: Andreas Lander
Lesen Sie mehr von
Prof. Dr. Armin Willingmann
online
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
30
WIRTSCHAFT+MARKT
ZUKUNFT GESTALTEN
ZUKUNFT GESTALTEN – MUT ZUM VORSPRUNG
DIE WIRTSCHAFT
OSTDEUTSCHLANDS
BRAUCHT EINE
ZUKUNFTSSTRATEGIE
EMPFEHLUNGEN DES OSTDEUTSCHEN WIRTSCHAFTSFORUMS
OWFZUKUNFT 2021
Das Ostdeutsche Wirtschaftsforum 2021 will ein Zeichen setzen,
gestärkt mit Mut und neuen Ideen aus der Krise zu kommen. Der Optimismus
und das Selbstbewusstsein des Formats sind ungebrochen, aber
die Erfahrungen der Vergangenheit bei den Themen Digitalisierung,
Energiewende und mehr geben Anlass, nachdrücklicher zu werden.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
MUT ZUM VORSPRUNG WIRTSCHAFT+MARKT 31
DEUTSCHLAND BEFINDET SICH IN EINEM
UMBRUCH – DAS IST DIE CHANCE FÜR
OSTDEUTSCHLAND
DDeutschland befindet sich in einem Umbruch – wirtschaftlich,
gesellschaftlich und politisch. Die Digitalisierung umfasst immer
mehr gesellschaftliche Bereiche und stellt die Unternehmen vor
Herausforderungen, kann aber, vernünftig genutzt, zu enormen Produktivitäts-
und Effizienzsteigerungen führen. Die Bekämpfung des
Klimawandels, das wohl wichtigste Zukunftsthema jeder künftigen
Bundesregierung, erzwingt zwar eine Anpassung der Produktionstechnologien
wie auch der Produktionsstrukturen am Standort
Deutschland, bietet aber gerade ostdeutschen Unternehmen auch
neue Chancen. Die zur Bewältigung der aus demographischen
Gründen erforderlichen Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte
mag zwar integrationspolitisch schwierig sein, kann aber auch einen
Beitrag zur Überwindung verkrusteter Strukturen leisten. Aus Sicht
des Ostdeutschen Wirtschaftsforums OWFZukunft ist es notwendig,
die kommenden Jahre dafür zu nutzen, Deutschland fit für die
Zukunft zu machen. Für Ostdeutschland gilt dies nicht weniger als
für Deutschland insgesamt. Ein „Weiter so“ oder ein Beharren auf
liebgewonnenen Routinen wird es nicht geben können.
Die anstehende Transformation aller Teile des wirtschaftlichen,
politischen und gesellschaftlichen Lebens wird häufig noch nicht in
all ihren Facetten gesehen. Sie dürfte in ihren Wirkungen vergleichbar
sein mit den Umbrüchen, die sich in Ostdeutschland nach 1990
ergeben haben – mit dem Unterschied aber, dass dieses Mal das
ganze Land, wenn nicht die ganze Welt betroffen ist. Hilfen wie nach
der Vereinigung kann Ostdeutschland deswegen nicht erwarten.
Aber gerade die umfassende Dimension der Transformationsaufgabe
gibt auch Anlass zu der Erwartung, dass Ostdeutschland die sich
bietenden Chancen besser wahrnehmen kann als andere Regionen
in Deutschland und anderswo: Zum einen kann man hierzulande von
der „Transformationskompetenz“ profitieren, die die Menschen in
den ostdeutschen Ländern in der Vergangenheit erworben haben
und die auch bei den heute in Verantwortung stehenden Akteuren
aufgrund ihrer Sozialisation stärker ausgeprägt ist als anderswo,
zum anderen werden allerorten neue Strukturen entstehen (müssen),
die nicht notwendigerweise an bestehenden „Pfadabhängigkeiten“
anknüpfen müssen. In vielen Bereichen ist ein Neuanfang
erforderlich, insbesondere in der Wirtschaft, und dabei zählt wenig,
was in der Vergangenheit erreicht wurde. Dies ist eine Chance für
Ostdeutschland. Den „Mut zum Vorsprung“ müssen die Menschen in
den ostdeutschen Ländern, die heimische Wirtschaft und insbesondere
auch die Politik aber auch mitbringen. Das Ostdeutsche Wirtschaftsforum
wirbt daher ausdrücklich für einen Neuanfang in der
Politik, der sich nicht an der Wahrung des Überkommenen ausrichtet,
sondern die offensive und proaktive Gestaltung von Wirtschaft und
Gesellschaft in den Mittelpunkt stellt. Die anstehenden Wahlen
zum Deutschen Bundestag, aber auch zu den Landtagen in Mecklenburg-Vorpommern,
Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie dem
Berliner Abgeordnetenhaus bieten unabhängig von ihrem Ausgang
die Chance für einen solchen Neuanfang.
JETZT DIE VORAUSSETZUNGEN FÜR DIE
WIRTSCHAFTLICHE ZUKUNFT OSTDEUTSCH-
LANDS SCHAFFEN – EMPFEHLUNGEN AN
POLITIK UND WIRTSCHAFT
Das Ostdeutsche Wirtschaftsforum sieht es nicht als seine Aufgabe an,
eine vollständige Blaupause für die künftige Wirtschafts- und Strukturpolitik
zu entwerfen. Vielmehr muss es darum gehen, jetzt die Voraussetzungen
dafür zu schaffen, dass die Wirtschaft in den ostdeutschen
Ländern sich in Zukunft gut entwickeln kann. Im Folgenden werden deshalb
nur einige wenige Anknüpfungspunkte genannt, an denen sich die
Politik des Bundes und auch der Länder, aber auch die Wirtschaft künftig
ausrichten sollte. Grundgedanke dabei ist: Nicht Nachteilsausgleich,
nicht „Nachbau West“ ist das Gebot der Stunde, sondern Besinnung auf
die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen, denn nur daraus kann etwas
Neues entstehen, das Ostdeutschland – so unsere feste Überzeugung
– in eine bessere Zukunft führen kann.
Wo es um gemeinsame Interessen geht, sollten die ostdeutschen Länder
an einem Strang ziehen. Kooperatives Verhalten statt Widerstreit
der Interessen ist einer der wesentlichen Ansatzpunkte dafür, sich als
Ganzes gut für die Zukunft aufstellen zu können.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
32
WIRTSCHAFT+MARKT
ZUKUNFT GESTALTEN
EMPFEHLUNGEN DES OSTDEUTSCHEN
WIRTSCHAFTSFORUMS OWFZUKUNFT 2021
1.
3.
DEN STRUKTUR-
WANDEL UND DIE
ENERGIEWENDE
IM ZEICHEN DER
KLIMANEUTRALITÄT ALS
ZUKUNFTSCHANCE
BEGREIFEN
Das OWFZukunft empfiehlt, dass
• Ostdeutschland seine Vorreiterposition
bei der Erzeugung erneuerbarer Energien
weiter ausbaut.
• die Standortvorteile für die erfolgreiche
Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft
konsequent genutzt werden.
• in der Lausitz ein Musterbeispiel für
gelungenen Strukturwandel und eine
Vorzeigeregion für Klimaneutralität
entsteht.
2.
EINE INVESTITIONS-
OFFENSIVE DER
ÖFFENTLICHEN HAND
IST DRINGEND
ERFORDERLICH
Das OWFZukunft empfiehlt, dass
• keine Zeit mehr verloren wird beim
schnellen und vor allem flächendeckenden
Ausbau schneller Breitbandverbindungen,
bei der Ertüchtigung und
Erweiterung des Schienennetzes und
schließlich auch bei der Sicherstellung einer
leistungsfähigen Energieversorgung.
• investive Maßnahmen zielgerichtet eingesetzt
werden und nicht nur deswegen
realisiert werden, weil es politischer Opportunität
entspricht und zufällig gerade
das Geld hierfür vorhanden ist.
PRIVATE
UNTERNEHMEN IN
OSTDEUTSCHLAND
MÜSSEN KÜNFTIG
MEHR INVESTIEREN
Das OWFZukunft empfiehlt, dass
• die regionale Wirtschaftsförderung
im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe
„Verbesserung der regionalen
Wirtschaftsstruktur“ (GRW) in allen
ostdeutschen Regionen auch unter den
Bedingungen eines „gesamtdeutschen
Fördersystems“ fortgesetzt wird.
• die GRW-Förderung dabei nicht wie
bisher vorrangig auf die Schaffung bzw.
den Erhalt von Arbeitsplätzen ausgerichtet
wird, sondern insbesondere auch die
gesamtwirtschaftlichen Produktivitätswirkungen
von Investitionen einbezogen
werden.
• eine weitere Verstärkung der Kooperation
der ostdeutschen Länder erfolgt,
beispielsweise durch Gründung eines
gemeinsamen Fonds zur Unterstützung
aussichtsreicher anwendungsorientierter
Vorhaben. Gerade neugegründete (Technologie-)Unternehmen
weisen häufig
einen hohen Kapitalbedarf auf, der über
eine klassische Bankenfinanzierung nicht
gedeckt werden kann.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
MUT ZUM VORSPRUNG WIRTSCHAFT+MARKT 33
• der private Risikokapitalmarkt gestärkt
wird. Dies könnte beispielsweise durch
Öffnung des Beteiligungskapitalmarkts
für institutionelle Anleger (z.B. Pensionsfonds)
und gemeinsame Finanzierungsangebote
von staatlichen und privaten
Risikokapitalgesellschaften erfolgen.
5.
6.
Das OWFZukunft empfiehlt, dass
• alle derzeit bestehenden Programme auf
ihre tatsächliche Wirksamkeit geprüft
werden. Im Zweifelsfall sollten Programme
auch beendet und die freiwerdenden
Mittel in andere Maßnahmen umgeschichtet
werden.
4.
FORSCHUNG UND
INNOVATION
MÜSSEN GESTÄRKT
WERDEN
UNTERNEHMENS-
GRÜNDUNGEN
MÜSSEN VEREINFACHT
UND GEZIELT
GEFÖRDERT WERDEN
Das OWFZukunft empfiehlt, dass
• für neugegründete Unternehmen in allen
Bereichen günstigere Rahmenbedingungen
geschaffen werden.
• technologieintensive Neugründungen
wie Startups eine besondere Förderung
erhalten, wenn sie zur Stärkung des
Mittelstandes beitragen.
• bürokratische Erleichterungen bzw. verstärkte
Hilfestellungen bei notwendigen
Verwaltungsakten kurzfristig wirken.
DEM FACHKRÄFTE-
MANGEL MUSS DURCH
DIE ENTSCHIEDENE
NUTZUNG DER
DIGITALISIERUNG IN
DEN UNTERNEHMEN
UND DURCH VERSTÄRKTE
ARBEITSKRÄFTE-
ZUWANDERUNG
ENTGEGENGETRETEN
WERDEN
Das OWFZukunft empfiehlt, dass
• der Erwerb digitaler Kompetenzen bei
den Erwerbspersonen unterstützt wird,
was angesichts der Defizite wichtiger als
die direkte Unterstützungsangebote für
Unternehmen erscheint.
• eine technologiespezifische Förderung,
die beim Bundesministerium für Bildung
und Forschung anzusiedeln wäre, nicht
mit regionalökonomischen Zielsetzungen
überfrachtet wird.
• die Finanzierung der Forschung an den
Hochschulen verstärkt wird.
• die verfügbaren MIttel so eingesetzt
werden, dass leistungsfähige Einheiten
auch in der Forschung entstehen.
• die Förderprogramme des Staats auf die
Bereiche konzentriert werden, in denen
er die originäre Verantwortung für eine
Verbesserung der Standortbedingungen
besitzt oder in denen ein besonderer gesamtwirtschaftlicher
Nutzen erkennbar ist.
• eine verstärkte Arbeitskräftezuwanderung
nach Ostdeutschland zur Lösung
des Fachkräfteproblems konsequent
angegangen wird.
• die Ausarbeitung einer aktiven Anwerbungsstrategie
über die bisherigen Ansätze
hinaus entwickelt wird. Hier könnte
es sinnvoll sein, Ausbildungsangebote in
ausgewählten Zielländern mit der Verpflichtung
zu finanzieren, nach Abschluss
für gewisse Zeit in Ostdeutschland tätig
zu werden.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
34
WIRTSCHAFT+MARKT
ZUKUNFT GESTALTEN
Das OWFZukunft empfiehlt, dass
7.
• die Potenziale für eine Region der
Zukunftstechnologien in enger Zusammenarbeit
der Länder geprüft werden.
In Zeiten der Transformation kommt der
existierenden Transformationskompetenz
in Ostdeutschland eine besondere Rolle zu.
DIE DIGITALISIERUNG
DER ÖFFENTLICHEN
VERWALTUNG
MUSS SPÜRBARE
ERLEICHTERUNGEN FÜR
WIRTSCHAFT UND VER-
WALTUNG BEWIRKEN
Das OWFZukunft empfiehlt, dass
• die Umbruch- und Gestaltungserfahrungen
des Ostens als neues zukunftsgerichtetes
Narrativ für eine gelingende
Transformation genutzt werden.
9.
10.
• die grundsätzliche Bereitschaft bei allen
Beteiligten erhöht wird, dass Vorbehalte
und Ängste abgebaut werden, in dem
Sinn und notwendige Kompetenzen in
neuer Qualität vermittelt werden.
• länderübergreifende Lösungen entwickelt
und angewandt werden, die von
Ostdeutschland aus Impulse für ganz
Deutschland senden.
8.
DIE TRANSFORMA-
TIONSKOMPETENZ
DES OSTENS MUSS
EINEN IMPULS FÜR EIN
NEUES NARRATIV OST-
DEUTSCHLAND
VERMITTELN
LEADERSHIP – MADE
IN EASTERN GERMANY
ALS BESONDERE STÄRKE
DEFINIEREN, UM DIE
CHANCEN FÜR OST-
DEUTSCHE IN
FÜHRUNGSFUNKTIONEN
ZU VERSTÄRKEN
Das OWFZukunft empfiehlt, dass
• die Transformationskompetenz ostdeutscher
Fach- und Führungskräfte als
besondere Stärke erkannt und gefördert
wird. Das ist gegenüber den (potenziellen)
ostdeutschen Führungskräften
ebenso zu kommunizieren wie gegenüber
den Personalverantwortlichen in den Unternehmen
in Ost- und Westdeutschland.
• die Überwindung einer mangelnden
Präsenz Ostdeutscher in Führungsposition
in Verwaltung, Wissenschaft und
Wirtschaft nicht staatlichen Quotenregelungen
überlassen, sondern proaktiv
durch die verantwortlichen Akteure vor
Ort gestaltet wird.
DIE INTERNATIO-
NALISIERUNG MUSS
DURCH WIRKSAME
HILFEN STÄRKER IN
DEN MITTELPUNKT
WIRTSCHAFTLICHER
AKTIVITÄTEN RÜCKEN
Das OWFZukunft empfiehlt, dass
• sich Ostdeutschland durch klare Technologieprofile,
geeignete Flächen und
„Teslageschwindigkeit“ in der Verwaltung
als attraktiver Ansiedlungsstandort für
Zukunftstechnologien präsentiert.
• die zentrale Lage Ostdeutschlands als
Scharnier zwischen Ost- und Westeuropa
genutzt wird, um verstärkt international
tätig zu werden.
• die Förderangebote für ostdeutsche Unternehmen
zur Verstärkung der Exporttätigkeit
hinsichtlich ihrer Wirksamkeit
überprüft werden.
• die traditionellen Kontakte auf ihre
Wiederbelebung und einen möglichen
Ausbau analysiert werden. Das betrifft
nicht nur Osteuropa und Russland, sondern
auch Länder wie Frankreich u.a.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
MUT ZUM VORSPRUNG WIRTSCHAFT+MARKT 35
OSTDEUTSCHES WIRTSCHAFTSFORUM
WFZUKUNFT
ZUKUNFT GESTALTEN –
MUT ZUM VORSPRUNG
Das Zukunftstreffen der
ostdeutschen Wirtschaft
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Unternehmerverbände
Ostdeutschlands und Berlin
Ostbrandenburg
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Nordost
Ostdeutscher
Bankenverband
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W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
36 WIRTSCHAFT+MARKT
Windenergie – hier der Windpark Druiberg in Sachsen-Anhalt – spielt im Energie-Mix eine wichtige Rolle, reicht aber allein für die Energiewende nicht aus.
DIE ENERGIEWENDE HAT
NOCH EINEN WEITEN
WEG VOR SICH
Die Energiewende ist in aller Munde. In der Praxis ist die Umstellung der gesamten
Energieversorgung auf erneuerbare Energien in vielen Bereichen aber
noch im Anfangsstadium. Die Herausforderungen sind nach wie vor immens.
VON PROF. DR. KLAUS-DIETER BARBKNECHT,
REKTOR DER TU BERGAKADEMIE FREIBERG
Foto: Windpark Druiberg
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
ZUKUNFT GESTALTEN
WIRTSCHAFT+MARKT 37
Foto: Detlev Müller / TU Bergakademie Freiberg
DDer politisch geprägte Begriff der Energiewende
suggeriert, dass gegenwärtig eine
fundamentale Änderung der gesamten Energieversorgung
und damit der Ressourcen für
den Primärenergieverbrauch vollzogen wird.
Nüchtern betrachtet sind wir von einer solchen
Änderung in der Realität sowohl national als
auch international aber noch sehr weit entfernt.
Fakt ist: Nur im Bereich der elektrischen Energie
hat es bisher nennenswerte Entwicklungen
gegeben. Betrachtet man jedoch alle großen
Sektoren des Primärenergieverbrauchs –
nämlich Transport, Industrie, Gebäude und
nichtenergetischen Verbrauch –, stellt man
schnell fest, dass die fossilen Energieträger
nach wie vor die Hauptrolle spielen.
So stellen etwa Öl, Kohle und Erdgas momentan
noch rund 80 Prozent aller Primär energieträger,
nur etwa 20 Prozent verteilen sich auf
erneuerbare Energieträger wie etwa Biomasse,
Wasserkraft und Kernenergie. Bei einem
steigenden Weltwirtschaftswachstum ist
zudem davon auszugehen, dass der Primärenergieverbrauch
mit wachsendem Wohlstand
insbesondere in großen und bevölkerungsreichen
Weltregionen in einem höheren Maße
ansteigen wird, als dies Einsparungen in Europa
und Nordamerika kompensieren können.
Gleichzeitig ist natürlich nicht wegzudiskutieren,
dass die Erderwärmung und die damit
einhergehende Klimaveränderung deutliche
Bedrohungen für die Welt und die Menschheit
darstellen und nach heutigem Kenntnisstand
auch – und zwar in signifikanter Größenordnung
– auf das „Verbrennen“ fossiler Rohstoffe
zurückzuführen ist. Mit diesem Wissen
ergeben sich zwangsläufig Herausforderungen
hinsichtlich der Bereitstellung bezahlbarer
Energie für den Verbraucher, die für die
Menschen zugänglich ist und nicht zum reinen
Luxusgut nur für industriell hochentwickelte
Weltregionen wird.
Energiebedarf wächst weltweit rasant
Weltweit ist insbesondere in Eurasien, Indien,
China, Afrika, Südamerika und Südostasien
bis 2040 mit einem enorm ansteigenden
Energiehunger zu rechnen. Dem werden wir
allein mit der Umstellung der Stromerzeugung
auf erneuerbare Energieträger nicht gerecht
werden können. Die hierzu mir bekannten
verschiedenen Studien sind hinsichtlich der
Analyse der Ausgangsvoraussetzungen und
der in Betracht gezogenen Szenarien zwar unterschiedlich,
jedoch in der Grundaussage einig,
dass die fossilen Energieträger auch 2050
noch die Hauptrolle in der Primärenergieversorgung
spielen werden und zwar sowohl
hinsichtlich ihres Anteils an den Primärenergieversorgungsträgern
als auch hinsichtlich
ihres Gesamtvolumens. Es stellt schon eine
beachtliche Herausforderung dar, wenigstens
den wachsenden Stromverbrauch weltweit mit
erneuerbaren Energien abzudecken, was optimistische
Studien durchaus für möglich halten.
Das alles soll und darf uns zwar nicht davon
abhalten, alles für die Abkehr von fossilen
Energieträgern zu tun, aber das Resümee auf
die Frage, wie es um die Energiewende steht,
muss leider mit „ schlecht – sowohl global als
auch national“ beantwortet werden.
Chancen und Risiken der
Energiewende
Optimistisch stimmt, dass der größte Teil der
Nationen seine Anstrengungen zur Lösung
des Problems in den letzten Jahren enorm
gesteigert hat. Wenn die Wirtschaft entdeckt,
dass der Klimaschutz ein Geschäftsmodell
zur Gewinnmaximierung sein kann, werden
die Anstrengungen diesbezüglich exponentiell
wachsen. Wenn die Regierungen dieser Welt
dazu noch klar definierte Ziele vorgeben, bin
ich zuversichtlich, dass es zu konkreten Lösungen
kommen wird.
Doch es bestehen auch Risiken: Dazu gehören
selektive Vorgaben und Förderungen für ausgewählte
Methoden oder Technologien seitens
der Politik. Dieser Fehler wurde in der Vergangenheit
bereits gemacht: Mit der einseitigen
Förderung von Windkraft und Solaranlagen
in den 1990er- und 2000er-Jahren wurden
andere Technologien und Energieträger wie
z. B. Erdgas vernachlässigt. Ähnliches erleben
wir aktuell mit dem Hype um die Wasserstofftechnologien.
Wasserstoff ist sicherlich
eine Möglichkeit der Energiespeicherung und
der Erzeugung sauberer Energie, aber nicht
die alleinige. Wir sollten offener herangehen
und Überlegungen zu anderen Methoden und
Technologien gleichermaßen fördern.
Zudem sind die mit der Erzeugung von erneuerbaren
Energien einhergehenden Risiken für
Ressourcen, Umwelt, Kosten und Versorgungssicherheit
noch nicht hinreichend betrachtet.
Hier verschließen wir ob der großen Herausforderungen
des Klimawandels allzu schnell
die Augen und überlassen die Klärung daraus
gegebenenfalls erwachsender Probleme den
zukünftigen Generationen. Als Beispiele seien
das Recycling von alten Solar- oder Windkraftanlagen
oder die Entsorgung von atomarem
Abfall in den Atomkraftanlagen genannt.
Aufgaben für die Zukunft
Wir haben weiterhin einen enormen Forschungs-
bedarf beispielsweise in den Fragen der Ersetzung
von Primärenergierohstoffen, in der Optimierung
von Prozessen, in der Energieeinsparung
oder in der Speicherung von erneuerbaren
Energien. Doch nicht nur die Forschung steht
im Fokus. Wir können und müssen alle etwas
tun durch eine Umstellung unseres eigenen
Verbrauchsverhaltens. Die derzeitige durch
Covid-19 verursachte schwere gesellschaftliche,
wirtschaftliche und vielerorts persönliche Krise
hat zu neuen Prozessen und zum Verzicht auf
liebgewordene Gewohnheiten geführt. Plötzlich
ist vieles möglich, was vorher nicht einmal
gedacht wurde, wie z. B. die Digitalisierung von
Team-Meetings und Wissensvermittlung. Das
sollte auch für die Energiewende gelten und
zwar möglichst, bevor wir durch eine noch spürbarere
Krise dazu gezwungen werden.
Prof. Dr. Klaus-Dieter Barbknecht
Lesen Sie
den ausführlichen
Beitrag online
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
38
WIRTSCHAFT+MARKT
OSTDEUTSCHLAND
REIF FÜR ZUKUNFTS-
WIRTSCHAFTSZONEN
Als Zukunftslotse begleitet Thomas Strobel seit Jahren mit methodengestützter
Zukunftsarbeit komplette Industriezweige bei ihrer Neuausrichtung.
Der 1963 geborene Dipl.-Ing. für Maschinenwesen hat sich auf systematische
Zukunftsplanung, Trendwirkungen und neue Geschäftsmodelle spezialisiert.
Für Wirtschaft + Markt beleuchtet er die Frage, welche Chancen Zukunftswirtschaftszonen
für Ostdeutschland eröffnen könnten.
VON THOMAS STROBEL,
ZUKUNFTSLOTSE UND GESCHÄFTSFÜHRER
DER FENWIS GMBH
IIn der EU sind Sonderwirtschaftszonen
selten; in Deutschland bis auf Freihäfen kaum
anzutreffen. Dennoch könnte diese Grundidee
in moderner Form den zukunftsorientierten
Rahmen bieten, um unternehmerische Aktivitäten
in Teilen Ostdeutschlands auf die enormen
Nachhaltigkeitserfordernisse des Weges
bis 2050 auszurichten. Ich plädiere deshalb für
die Weiterentwicklung von regionalen Clustern
und Netzwerken zu Zukunftswirtschaftszonen.
Die Ostdeutschen können mit Blick auf
die Erfordernisse 2050 jetzt beispielgebende
Strukturen aufbauen.
Das wäre ein völlig neuer Ansatz zur beschleunigten,
zukunftssichernden Entwicklung
solcher Großregionen wie Südbrandenburg/
Oberlausitz oder in der grenzüberschreitenden
Variante Uckermark/Region Stettin. In diesen
Räumen soll modellhaft heute und morgen
schon entstehen, was übermorgen unser Leben
bestimmen wird: nachhaltiges Wirtschaften
und Leben auf CO 2
-neutraler Basis, mit
geschlossenen Stoffkreisläufen ebenso wie
„grünen“ Energien, naturnahen Agrartechnologien,
neuen Mobilitätskonzepte und hohen
sozialen Mindeststandards.
Die Ostdeutschen sollten mit
Blick auf die Erfordernisse
2050 jetzt beispielgebende
Strukturen aufbauen
Für wirtschaftliche Zukunftstreibhäuser zur
Anzucht der Firmen-Pflänzchen für die Erfolge
von morgen braucht es zukunftsorientierte
Entscheidungsträger, Strukturkonzepte,
Ansiedlungen und politischen Willen. Wie in
nachhaltiger Forstwirtschaft sollte es darum
gehen, jetzt die passenden Setzlinge für einen
klimaresistenten Mischwald zu finden und an
geeigneten Stellen aufzuforsten.
Foto: W+M / Ralf Succo
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
ZUKUNFT GESTALTEN
WIRTSCHAFT+MARKT 39
Was sind Zukunftswirtschaftszonen?
Nur die ostdeutschen
Bundesbürger haben
echte Wendeerfahrung.
Zukunftswirtschaftszonen (ZWZ) können
Erfolgsfaktoren so bündeln, dass daraus ein
Vorsprung für den Weg in eine nachhaltige
Welt 2050 erwächst. Das kann regionale
Rohstoffe und Wertstoffkreisläufe ebenso
betreffen wie die Fokussierung von Kompetenzen
und Bildungseinrichtungen für den
Aufbau von vorwiegend regionalen Wertschöpfungsnetzwerken
für morgen benötigte
Produkte, Dienstleistungen und Lösungen.
Solche Wirtschaftszonen sollten durch
möglichst vielfältige Teams von interdisziplinär
ausgerichteten, zukunftsoffenen Unternehmern,
Wirtschaftsentwicklern, Planern
und Bürgern entstehen.
Sie können dabei methodisch in Form einer
Retropolation begleitet werden: Nach einem
gemeinsamen Blick in die Zukunft 2050 folgen
ein Rückblick auf die nähere Zukunft 2030
und daraus abgeleitet Handlungsfelder und
Prioritäten für konsistente und zielgerichtete
Maßnahmen auf dem Weg von 2021 nach
2030. Dazu zählen regionale Stärken und
Besonderheiten, die sich mit neuen Bedarfen
kombinieren und weiterentwickeln lassen. Das
Konzept könnte dann als Entwicklungsplan
(Roadmap) modellhaft etabliert und als Blaupause
in andere deutsche Transformationsregionen
übertragen werden.
Ostdeutschland bietet sich an
Auf dem Weg in das Jahr 2050 hatten die
1990 gebildeten und durch mittelständische
Strukturen geprägten ostdeutschen Länder
im Jahr 2020 „Halbzeit“. Ihre Spezifik ist
vielseitig und immer wieder Ausgangspunkt
für letztlich erfolgreiche gesamtdeutsche
Innovationsexperimente. In der zweiten
Halbzeit muss es jetzt um Ideen für die
Erfolge von morgen gehen. Dafür bieten
sich Umbruchsregionen wie die noch gut ein
Jahrzehnt auf Braunkohle fokussierte Lausitz
besonders an.
Der allgegenwärtige Transformationsdruck
trifft hier auf die Fähigkeit der Ostdeutschen,
sich den notwendigen Veränderungen zu
stellen. Nur die ostdeutschen Bundesbürger
haben echte Wendeerfahrung – und vor
uns liegen drängende Wendeanforderungen
beispielsweise bei Energie, Agrar, Mobilität,
Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Wann,
wenn nicht jetzt, sollte dieser 30-jährige
Erfahrungsvorsprung als Trumpf ausgespielt
werden?
Mögliche Etappen zu den ZWZ
Zukunftswirtschaftszonen lassen sich nur
bedingt administrieren; sie sollten durch
zukunftsoffene Mitgestalter auf allen Ebenen
gewollt und als regional startendes Modell
für ganz Deutschland verstanden werden. Auf
dem Weg dahin sind Vorbereitungsgremien
unter Leitung von Experten für Zukunftsfragen
zu schaffen. Dafür sind aus meiner Sicht vier
Handlungsstränge notwendig:
• (2021–2022): Zukunftsbild 2050 für
eine Rückschau auf die Zwischenstation
2030 entwerfen und mögliche Zukunftswirtschaftszonen
identifizieren.
• (2021–2025): Mittelständler, Startups,
Wissenschaftler, Bürger und Politiker
verstärkt in die vorausschauende
Zukunftsplanung einbeziehen.
• (2021–2030): Konzepte zukunftssicherer
Regionalentwicklung in Form von
Roadmaps entwickeln und schrittweise
umsetzen.
• (2025–2030): Roadmaps für überregionale
Zukunftswirtschaftszonen entwickeln und
entsprechende Strukturen, gesetzliche
Bedingungen, Förderprogramme etc. für
ausgewählte Regionen umsetzungsreif
vorbereiten.
Dazu müssen folgende Fragen noch in diesem
Jahrzehnt beantwortet werden:
• Welche regionalen Stärken können für die
Zukunftssicherung genutzt oder ausgebaut
werden?
• Welche alten Industriestandorte, Ex-Flughäfen
oder aufgelassene Truppenübungsplätze
können einer neuen Nutzung
idealerweise mit geplanten Rohstoffketten
und -kreisläufen zugeführt werden?
• Welche praxisnahen Zukunftscluster
können in der Region entstehen, z. B. autonome
Landwirtschaft mit Robotern und
Drohnen, Kreislaufwirtschaft mit nachwachsenden
Rohstoffen, Kombination von
Photovoltaik mit Ackerbau und Tierhaltung
(Agrophotovoltaik), Mobilitätskonzepte für
Mittelstädte mit urbanem Einzugsgebiet…?
• Welche vorausschauenden Entwicklungen
für Arbeitnehmerattraktivität sind geplant,
beispielsweise bezahlbarer Wohnraum für
Familien, Kindergärten, Schulen, Bildungseinrichtungen
usw.?
Grundvoraussetzung für eine attraktive
Region ist zunächst eine ausreichende Anzahl
von Gestaltungsbausteinen, die so kombiniert
werden können, dass damit eine erfolgversprechende
Weichenstellung für die Zukunft
2050 skizziert werden kann.
Lesen Sie
den ausführlichen
Beitrag online
Foto: XXX
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
40 WIRTSCHAFT+MARKT
DIE DEUTSCHE
RATSPRÄSIDENTSCHAFT
HAT EINE EUROPÄISCHE
KRISE VERHINDERT
Dr. Christian Ehler, Mitglied des Europäischen Parlaments, über die
Ergebnisse der deutschen Ratspräsidentschaft, den Klimaschutz in
Europa und die Kritik an den europäischen Institutionen
W+M: Herr Dr. Ehler, wie bewerten Sie die Ergebnisse
der deutschen Ratspräsidentschaft?
W+M: Welche Zukunftswirkungen gehen denn
von der deutschen Ratspräsidentschaft aus?
Dr. Christian Ehler: Es ist ja ein Stück weit
die Tragik der Ratspräsidentschaft von Angela
Merkel, aber überhaupt der Politiker-Generation
in Deutschland und in Europa in den
letzten fünfzehn Jahren, dass die Politik quasi
im permanenten Krisenmodus stattfindet. Und
die Größe der deutschen Ratspräsidentschaft
liegt vielleicht darin, eine in ihren Konsequenzen
gar nicht verstandene europäische Krise
verhindert zu haben. Wenn Sie gerade mit
meinen Kollegen aus Südeuropa sprechen, die
auch sehr kritisch Deutschland gegenüber sind,
herrscht schon allgemein das Gefühl vor, dass
ohne die deutsche Ratspräsidentschaft Europa
wahrscheinlich in eine Krise gekommen wäre
in einer Größenordnung, wie sie vorher noch
nicht bekannt war. Wenn man es ganz pauschal
nehmen will, hat die deutsche Ratspräsidentschaft
ein doch erschüttertes Europa wieder
auf die Füße gestellt. Zu Beginn der deutschen
Ratspräsidentschaft gab es ja weder einen
europäischen Haushalt noch eine finanzielle
Einigung, wie man mit der Covid-Pandemie und
ihren Folgen umgehen kann.
Dr. Christian Ehler: Ich glaube, man wird
Ende des Jahres erst wirklich absehen können,
wie die deutsche Ratspräsidentschaft
einzuordnen ist. Dann lassen sich die Dinge,
die unter der deutschen Ratspräsidentschaft
begonnen wurden, bewerten. Dazu zählen die
großen Gesetzgebungs- und Regulierungsprozesse
für den europäischen digitalen Binnenmarkt,
z. B. den Data Governance Act, den
Data Service Act oder den Data Market Act.
Und das gilt auch für das Thema Green Deal
und für das Corona-Recovery-Programm.
W+M: Glauben Sie, dass sich die deutsche
Ratspräsidentschaft in den deutschen Medien
adäquat widergespiegelt hat?
Dr. Christian Ehler: Ich glaube, dass die Medien
im Moment das Problem haben, dass die
zunehmende Komplexität und die Gleichzeitigkeit
von Themen fast gar keine entsprechend
komplexe Widerspiegelung findet. Wir
haben eine mediale Wiedergabe, die doch sehr
auf Personen und Konflikte zugeschnitten
ist. Aber wenn Sie jetzt eine Umfrage machen
würden unter den 50 wichtigsten CEOs in
Europa, was denn entscheidend in diesen
Tagen und Monaten ist, dann werden sie
wahrscheinlich gar nicht so heroische Themen
haben in der Art von „Driftet Europa auseinander?“,
sondern die Antworten würden sehr
binnenmarktbezogen sein.
W+M: Welche Themen wären dies?
Dr. Christian Ehler: Wir haben beispielsweise
mit dem Ziel der CO 2
-Reduktionen um
55 Prozent in diesem Jahrzehnt einen geradezu
transformatorischen Prozess angestoßen. Wir
haben jetzt neun Jahre Zeit, sämtliche industrieintensive
Industrien und Sektoren in Europa
technisch so umzubauen, dass wir 55 Prozent
weniger CO 2
emittieren. Das heißt aber, dass
wir das Karbon aus sämtlichen Verbrennungsprozessen
herausnehmen müssen. Das ist eine
Revolution vergleichbar mit dem Beginn der
chemischen Industrie im 19. Jahrhundert.
Foto: CDU Brandenburg
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
ZUKUNFT GESTALTEN
WIRTSCHAFT+MARKT 41
W+M: Was heißt das konkret, z. B. für die
ostdeutsche Wirtschaft?
Dr. Christian Ehler: Wenn wir unsere energieintensiven
Industriestandorte in den neuen
Bundesländern betrachten und wissen, dass
wir bis 2030 55 Prozent CO 2
reduzieren wollen,
müssen wir jetzt ermitteln, welche Schritte in
eine Wasserstoffökonomie notwendig sind.
Denn ohne Wasserstoff werden wir aus den
großen Verbrennungsprozessen Karbon nicht
rausnehmen können. Wir müssen verlässlich
wissen, dass und bis wann wir Wasserstoff in
einer bestimmten Größenordnung produzieren
können. Wir brauchen die Infrastruktur, die das
ermöglicht. Die Investitionsprozesse müssen
jetzt über neun Jahre so gesteuert werden,
dass die Ziele am Ende dieses Jahrzehntes
erfüllbar sind. Deshalb müssen wir jetzt prüfen,
wie Planungsrecht, die Ertüchtigung der
Gasleitungen zum Transport und die Ertüchtigung
der Produktionsstrukturen und die
dafür notwendigen staatlichen und privaten
Investitionen zusammenpassen. Wir müssen
Wasserstoff in großen Mengen produzieren,
wir müssen ihn in großem Umfang über Strecken
zu den Industriestandorten transportieren
können und wir müssen bei Marktpreisen
für CO 2
-freie Produkte ankommen, die die
europäische Wirtschaft im globalen Markt
weiter wettbewerbsfähig halten.
W+M: Neun Jahre sind eine kurze Zeit. Glauben
Sie, dass im Zweifelsfall die EU zum Sündenbock
für unrealistische Ziele erklärt wird?
man kognitive Dissonanz nennen könnte. Als
ob es so etwas wie eine verselbstständigte
Europapolitik gäbe. De facto entscheiden
in den Räten nationale Regierungschefs
und Minister und im Parlament sind alle
Abgeordneten gewählte Vertreter aus den
Mitgliedstaaten. Europapolitik ist eine Ebene
deutscher Regierungspolitik. Wenn wir in
Europa scheitern, dann scheitert nicht die EU,
sondern die deutsche Klimaschutzpolitik, es
scheitern wir als Generation zu Lasten unserer
Kinder und Enkel.
W+M: Ein weiterer häufig geäußerter Kritikpunkt
lautet ja: Muss eigentlich Europa immer
so langsam sein?
Dr. Christian Ehler: Europa ist eigentlich ein
Beschleunigungsinstrument. Betrachten Sie
die Entwicklung der europäischen Infrastrukturen
von Autobahnausbau bis hin zu
Zug- und Flugverkehr. Wir hätten heute nicht
eine so hohe Mobilität in all diesen Bereichen
ohne Europa. Auch das Beispiel Wasserstoff
belegt das. Kein Mitgliedstaat ist in der Lage
so schnell Kapazitäten für Elektrolyseprozesse
aufzubauen. Wir haben unter der Ägide
der deutschen Ratspräsidentschaft binnen
weniger Monate eine Produzenten-Allianz
aus dem Boden gestampft. Das wird alles
nur gemeinsam gelingen, weil es schlicht und
ergreifend der Aufgabenteilung einer ohnehin
tief integrierten europäischen Volkswirtschaft
entspricht.
Dr. Christian Ehler ist seit 2004 Abgeordneter
für Brandenburg im Europäischen Parlament
und gehört der Fraktion der Europäischen
Volkspartei (EVP/CDU) an. Er ist seit über
zehn Jahren Mitglied des Ausschusses für
Industrie, Forschung und Energie und seit
Beginn dieser Legislaturperiode dessen
Koordinator für die EVP.
Lesen Sie
das ausführliche
Interview online
Dr. Christian Ehler: Sie meinen das alte
Prinzip der Nationalisierung des Erfolges bei
Europäisierung der Misserfolge? Die Klimaschutzziele
sind unsere Ziele. Wir können
sie nur gemeinsam in Europa schaffen. Aber
die Verlagerung politischer Entscheidungen
nach Europa bewirkt oft ein Phänomen, dass
Foto: XXX
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
42
WIRTSCHAFT+MARKT
UNTERNEHMEN + MACHER
36 STARKE NOMINIERUNGEN
FÜR DEN WIRTSCHAFTSPREIS
„VORSPRUNG“
In diesem Jahr wird „Vorsprung“ – der Preis des Ostdeutschen Wirtschaftsforums
– zum zweiten Mal verliehen. 36 innovative und für den Standort
prägende Unternehmen stehen einer prominent besetzten Jury zur Auswahl.
Gekürt werden die Preisträger auf dem Ostdeutschen Wirtschaftsforum am
14./15. Juni in Bad Saarow.
DDie Jury unter der Leitung von Matthias Platzeck,
Vorsitzender der Kommission 30 Jahre
Friedliche Revolution und Deutsche Einheit
und brandenburgischer Ministerpräsident a. D.,
steht vor der schweren Aufgabe, aus den 36
Nominierungen insgesamt fünf Preisträger
auszuwählen. Alle nominierten Unternehmen
stehen sinnbildlich für die Innovationskraft
und den Unternehmergeist zwischen Ostsee
und Erzgebirge. Sie besitzen regionale oder gar
überregionale Strahlkraft und haben sich seit
ihrer Gründung mit innovativen Geschäftsideen
zu einem wirtschaftlichen Leuchtturm entwickelt.
In den schweren Zeiten der Corona-Pandemie
haben die nominierten Unternehmen
mit Umsicht Kurs gehalten. Ihr Erfolg kommt
dabei auch dem Gemeinwohl zugute, denn die
36 Unternehmen stehen auch für ein soziales,
kulturelles oder sportliches Engagement in
ihrer Heimatregion. Mit ihrem Vorbild machen
sie jungen Menschen Mut, selbst Geschäftsideen
weiterzuentwickeln und eigene Startups zu
gründen. Im Folgenden werden die hervorragenden
Leistungen der 36 nominierten Unternehmen
mit einem Kurzporträt gewürdigt.
BRANDENBURG
Christoph Miethke GmbH & Co. KG
Sitz des Unternehmens: Potsdam
Branche: Medizintechnik
Gründungsjahr: 1992
Anzahl der Beschäftigten: 160
Die Christoph Miethke GmbH & Co. KG hat sich
in neurochirurgischen Fachkreisen weltweit
einen Namen gemacht. Sie entwickelt seit
1992 neurochirurgische Implantate zur Therapie
des Hydrocephalus (auch als Wasserkopf
bekannt), die fortlaufend weiterentwickelt
werden. Das Potsdamer Unternehmen wurde
mehrfach ausgezeichnet : So wurde es 1999
und 2006 zum Innovationspreisträger des
Landes Brandenburg gekürt und 2008 als ausgewählter
Ort im Land der Ideen prämiert.
Foto: Wirtschaft + Markt
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
NOMINIERUNGEN WIRTSCHAFT+MARKT 43
Christoph Miethke
Ab 1999 ging die Christoph Miethke GmbH &
Co. KG eine erfolgreiche Vertriebskooperation
mit B.BRAUN Aesculap ein. Seither ist das
Unternehmen zu den weltweit führenden
fünf Playern seiner Branche aufgestiegen. In
Deutschland sind die Potsdamer Marktführer.
Firmenchef Christoph Miethke ist zudem
Mitglied im Expertenkreis HF 2 „Medizintechnik“
im Cluster Gesundheitswirtschaft
Berlin-Brandenburg.
GA Generic Assays GmbH
Wachstumskern „Praemed. Bio – Präzisionsmedizin
durch biomarkerbasierte Diagnostik
– Senftenberg“, der einen Beitrag zum
Strukturwandel in der Lausitz leisten soll.
Die neueste Entwicklung der GA Generic
Assays GmbH heißt CytoBead Assays. Dabei
handelt es sich nach Unternehmensangaben
um eine revolutionäre Kombination aus
Zell-basierter Immunfluoreszenz für das
Screening und antigenbeschichteter Mikropartikel
zur Differenzierung und Bestätigung
der Antikörper-Spezifität. Diese Einstufendiagnostik
von Serumproben anstelle der zurzeit
gängigen Zweistufendiagnostik ermöglicht
eine völlig neue Organisation von medizinischen
Laborprozessen. Firmenchef Prof. Dr.
Dirk Roggenbuck ist zudem Mitglied im Expertenkreis
HF 1 „Biotechnologie“ im Cluster
Gesundheitswirtschaft Berlin-Brandenburg.
Getemed Medizin- und
Informationstechnik AG
Die Körber & Körber GmbH Präzisionsmechanik
liefert Anwendungen in der Medizintechnik,
für OP-Ausrüstungen, aber auch für
die Raumfahrt. In Birkenwerder entstehen
Prüfgeräte für Kabel, die sowohl große Hitze
als auch feinstem Sand sowie hohem Druck
standhalten müssen. Heute finden sich von
der Körber & Körber GmbH produzierte Teile
auf der ISS oder im CERN, werden aber auch
bei Gehirn-Operationen oder beim Betrieb von
Sportflugzeugen eingesetzt. Das Unternehmen
engagiert sich in den Clustern Verkehr,
Mobilität und Logistik (Berlin-Brandenburg)
sowie Metall (Brandenburg).
Landgut Stober
Sitz des Unternehmens: Nauen
Branche: Tourismus
Gründungsjahr: 2005
Anzahl der Beschäftigten:
50 (Vollzeit) / 150 (saisonal)
Sitz des Unternehmens:
Fotos: Christoph Miethke, Landgut Stober, Generic Assays Gmb
Blankenfelde-Mahlow
Branche: Biotechnologie
Gründungsjahr: 2002
Anzahl der Beschäftigten: 22 (2018)
Die GA Generic Assays GmbH entwickelt und
produziert In-vitro-Diagnostika im Bereich
der Autoimmunkrankheiten. Das Produktprogramm
umfasst heute über 200 Testbestecke.
Das Unternehmen ist Bündnispartner im
Prof. Dr. Dirk Roggenbuck gründete
die Generic Assays GmbH
Sitz des Unternehmens: Teltow
Branche: Medizintechnik
Gründungsjahr: 1984
Anzahl der Beschäftigten: 70
Das Unternehmen entwickelt und produziert
Medizinprodukte in drei Hauptsegmenten :
kardiologische Funktionsdiagnostik, ambulantes
Vitalfunktions-Monitoring und Telemonitoring.
Mit diesen Produkten eroberte sich
die Getemed AG eine anerkannte Stellung
auf internationalen Märkten. Die Teltower
gewannen u. a. 2013 den Deutschen Innovationspreis
in der Kategorie Mittelstand
und 2014 den Zukunftspreis Brandenburg.
Der Vorstandsvorsitzende Michael Scherf ist
darüber hinaus Mitglied im Expertenkreis HF 2
„Medizintechnik“ des Clusters Gesundheitswirtschaft
Berlin-Brandenburg.
Körber & Körber GmbH
Präzisionsmechanik
Sitz des Unternehmens: Birkenwerder
Branche: Präzisionsmechanik
Gründungsjahr: 2010
Anzahl der Beschäftigten: 40
Im Jahre 2000 kaufte der Unternehmer
Michael Stober das verfallene ehemalige
landwirtschaftliche Mustergut der Eisenbahnerdynastie
von Borsig im Nauener Ortsteil
Groß Behnitz. Er restaurierte und entwickelte
das Gut zu Deutschlands nachhaltigstem
privat geführten Tagungshotel. 2012 wurde
es zum ersten Biohotel der Region Berlin/
Brandenburg, 2017 mit dem „Winner Hotel
Green Award Europe“ als Europas grünstes
Hotel ausgezeichnet.
Das Landgut Stober im Nauener Ortsteil Groß Behnitz
Michael Stober fühlt sich der Gemeinwohlökonomie
verpflichtet. So führt er 20 Prozent
seiner Gewinne an die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in Form von höheren Löhnen oder
Sozialleistungen ab, 20 Prozent werden fürs
Gemeinwohl, also für soziale und humanitäre
Zwecke, gespendet.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
44
WIRTSCHAFT+MARKT
UNTERNEHMEN + MACHER
SuperVista AG
Sitz des Unternehmens: Schönefeld
Branche: Optiker
Gründungsjahr: 2012
Anzahl der Beschäftigten: 200
Das Geschäftsmodell der SuperVista AG :
Preisbewusste Konsumenten, speziell im
Gleitsichtsegment, suchen sich im Internet
oder im Geschäft beim Lizenzpartner Brillen
aus. Aufgrund eines ausgereiften Bestell- und
Logistiksystems ist bei preiswerter Produktion
der Brillen in Shanghai das fertige Endprodukt
in maximal zehn Tagen beim Augenoptiker
vor Ort. Hier erfolgt dann die individuelle
Anpassung des Brillengestelles an den Träger.
So entfällt das Schleifen der Gläser durch den
Optiker. Die SuperVista AG kombiniert die
Zuverlässigkeit des klassischen Optikers mit
den günstigen Preisen und den Akquisitionsmöglichkeiten
des Internets.
Nachhaltiger Genuss mit UniCaps-Produkten
Alle Kaffees und Tees sind bio-zertifiziert,
die Kapseln verzichten auf Aluminium und
herkömmliches Plastik. Sie geben nachhaltig
orientierten Konsumenten die Möglichkeit,
hochwertigen Kaffee und Tee aus der Kapselmaschine
zu genießen und gleichzeitig einen
wichtigen Beitrag zum Schutz von Mensch und
Natur zu leisten.
MECKLENBURG-VORPOMMERN
arztkonsultation ak GmbH
Die SuperVista AG setzt auf
preisbewusste Brillenkäufer
Sitz des Unternehmens:
Frankfurt (Oder)
UniCaps GmbH
Branche: Ernährungswirtschaft
Gründungsjahr: 2016
Anzahl der Beschäftigten: 20
Die UniCaps GmbH mit Sitz in Frankfurt
(Oder) ist ein Technologierunternehmen, das
Kaffee- und Teeprodukte in nachhaltigen
Verpackungen produziert. Damit hat das
Unternehmen die Kaffeekapsel-Branche
revolutioniert. Mit eigenem Online-Shop und
rund 13 000 Verkaufsstellen in Deutschland
ist UniCaps einer der größten Anbieter nachhaltiger
Kaffeeprodukte.
UNITAX-Pharmalogistik GmbH
Sitz des Unternehmens: Schönefeld
Branche: Pharmalogistik
Gründungsjahr: 1991
Anzahl der Beschäftigten: 150
Für national und internationale arbeitende
Hersteller und Großhändler von Arzneimitteln
und Medizinprodukten realisiert UNITAX
seit Jahrzehnten erfolgreich die gesamte
Wertschöpfungskette der Pharmalogistik.
Als Dienstleister mit den Zertifikaten für
die Good Distribution Practice (GDP), Good
Storage Practice (GSP) und Good Manufacturing
Practice (GMP) lagert und transportiert
die UNITAX-Pharmalogistik GmbH Wirkstoffe
und Fertigarzneimittel. 1991 von André Reich
gegründet, beschäftigt das inhabergeführte
Familienunternehmen aktuell 150 Mitarbeiter
an vier Standorten.
Sitz des Unternehmens: Schwerin
Branche: Gesundheit / IT
Gründungsjahr: 2017
Anzahl der Beschäftigten: 22
Die Videosprechstunde der arztkonsultation
ak GmbH mit Sitz in Schwerin ist
eine der ersten zertifizierten Videosprechstunden
in Deutschland. Sie ist von der
Dr. Peter Zeggel, Geschäftsführer
der arztkonsultation ak GmbH
Fotos: SuperVista AG, UniCaps GmbH, arztkonsultation ak GmbH
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
NOMINIERUNGEN WIRTSCHAFT+MARKT 45
Kassenärztlichenund der Kassenzahnärztlichen
Bundesvereinigung sowie für
Krankenhäuser und Pflegedienste für den
Einsatz mit Patienten zugelassen. Mit ihrer
innovativen webbasierten Software kommt
die Videosprechstunde vor dem Hintergrund
der aktuellen Corona-Pandemie, aber auch
grundsätzlich für die medizinische Versorgung
der ländlichen Bevölkerung zum Einsatz.
Seit Beginn der Pandemie haben nahezu
7 000 medizinische Nutzerinnen und Nutzer
die Videosprechstunde zur Patientenversorgung
eingesetzt und bereits über 650 000
Gespräche mit Patienten durchgeführt.
lysen sowie Fußdruckmessungen ermöglicht.
Mit Beginn der 2000er-Jahre erfolgte der
Eintritt in internationale Märkte. Der Medicare
GmbH ist der Wandel vom reinen Sanitätshaus
zu einem Unternehmen, das an eigenen
Produkten forscht und mit Hochschulen
kooperiert, gelungen.
Oehm und Rehbein GmbH
Sitz des Unternehmens: Rostock
Branche: Medizintechnik
Gründungsjahr: 1991
Anzahl der Beschäftigten: 60
SkenData hat dafür mehrere internationale
Auszeichnungen erhalten und zweimal die
Nominierung zum Digitalen Leuchtturm der
Versicherungswirtschaft.
Medicare GmbH
Sitz des Unternehmens:
Neubrandenburg
Branche: Medizintechnik
Gründungsjahr: 1993
Anzahl der Beschäftigten: 47
Die Medicare GmbH hat sich auf Orthopädietechnik,
Rehabilitationstechnik, Schuhtechnik
und Homecare spezialisiert. Heute fertigt die
Tochterfirma Medicare Schuhtechnik GmbH
maßgeschneiderte Schuhe auch für Nicht-Patienten,
insbesondere aber orthopädische
Schuhe mittels traditioneller Handwerkskunst
sowie individuell und nach Maß.
Die Oehm und Rehbein GmbH ist Hersteller
von digitaler Röntgentechnik, Entwickler von
Bildmanagementsoftware und Anbieter von
Systemlösungen in Human- und Veterinärmedizin
sowie für die Industrie und Sicherheitsbehörden.
2003 erfolgte der Eintritt in
internationale Märkte. Aktuell werden die
Produkte in über 100 Ländern an mehr als
120 Vertriebspartner verkauft. Die Rostocker
veränderten sich vom Softwarehaus
zum Systemanbieter. Seither macht sich
das Unternehmen mit eigenentwickelten
und -produzierten Röntgensystemen einen
Namen. Zu den Entwicklungen zählt u.a. ein
Röntgenkoffer unter dem Markennamen
„Leonardo DR II mini“, eines der leichtesten
Röntgensysteme weltweit.
Sven Jantzen, CEO der SkenData GmbH
SACHSEN-ANHALT
FEW Chemicals GmbH
Sitz des Unternehmens:
Bitterfeld-Wolfen
Branche: Feinchemie
Gründungsjahr: 1997
Anzahl der Beschäftigten: 50
Fotos: Medicare GmbH, SkenData GmbH
Matthias Heicke ist Geschäftsführer
der Medicare GmbH
Das Unternehmen betreibt darüber hinaus
eigene Forschungsprojekte zum 3D-Druck von
Orthesen. Im Medicare-Lauflabor im Klinikum
Malchin werden Gang- und Bewegungsana-
SkenData GmbH
Sitz des Unternehmens: Rostock
Branche: Informationstechnologie
Gründungsjahr: 2014
Anzahl der Beschäftigten: 15
Die Unternehmer Jon Meis und Sven Jantzen
haben SkenData gegründet, um ein Problem
für die Versicherungswirtschaft zu lösen : die
digitale und einfache Ermittlung des Versicherungswertes
für Gebäude. Die von SkenData
entwickelte Lösung Wert14 ist heute in
Deutschland Branchenstandard und wird
von über 30 Versicherern mit Unterversicherungsverzicht
akzeptiert. Die Rostocker sind
so zum Marktführer in der digitalen Gebäudewertermittlung
für Versicherungen geworden.
Die FEW Chemicals GmbH in der heutigen
Rechtsform wurde 1997 gegründet und
stellt als unabhängiges und eigentümergeführtes
Unternehmen Spezial- und
Feinchemikalien her. Hervorgegangen ist
das Unternehmen aus der Forschungs- und
Entwicklungsabteilung der früheren Filmfabrik
in Wolfen. Den wesentlichen Anteil der
Umsätze generiert es mit neuen Produkten
und Systemlösungen aus der eigenen
Forschungs- und Entwicklungstätigkeit.
So hat die FEW Chemicals GmbH beispielsweise
gemeinsam mit der GB Neuhaus
GmbH (Neuhaus a. Rennweg) und der RAS
AG (Regensburg) den transparenten und
abriebfesten Schutzlack SANPURE® mit lang
anhaltenden, keimabtötenden Eigenschaften
entwickelt.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
46
WIRTSCHAFT+MARKT
UNTERNEHMEN + MACHER
Innovate GmbH
Sitz des Unternehmens: Naumburg (Saale)
Branche: Medizintechnik
Gründungsjahr: 2002
Anzahl der Beschäftigten: 130
Seit fast 20 Jahren produziert die Innovate GmbH
Feuchttücher für eine Vielzahl von Anwendungsgebieten.
Die jährliche Produktionskapazität
beträgt 60 Millionen Packungen im Zwei- bzw.
Drei-Schicht system mit über 130 Mitarbeitern.
Im hauseigenen Labor entstehen neue Produkte
unter Berücksichtigung neuester Trends und
Marktentwicklungen mit besonderem Fokus auf
ökologische Aspekte. Die Naumburger Innovate
GmbH versteht sich als Spezialist in den
Bereichen Medizinprodukte und Desinfektion und
ist Lieferant für Chemiehersteller, Eigenmarken,
Industrie und Großhandel.
Die PureRaw-Produkte der Knufmann GmbH
Join GmbH
Sitz des Unternehmens: Magdeburg
Branche: Informationstechnologie
Gründungsjahr: 2018
Anzahl der Beschäftigten: 85
Auch wenn das Unternehmen – erst 2018
gegründet – noch recht jung ist, reichen die
Wurzeln der Join GmbH viel weiter zurück. Sie
entstand aus einer Fusion der Lintra Solutions
GmbH (2002 gegründet) und der BSS Business
Software Solutions GmbH (1999 gegründet)
und kann deshalb auf über 20 Jahre Erfahrung
am IT-Markt zurückgreifen. Mittlerweile umfasst
das Team 85 Mitarbeiter an Standorten
in Magdeburg, Eisenach, Dresden, München
und in Hamburg und hilft über 600 Kunden in
über 3 000 Projekten weltweit dabei, Arbeits-,
Kommunikations- und Geschäftsprozesse in
Unternehmen zu optimieren.
Mecotec GmbH
Sitz des Unternehmens: Bitterfeld-Wolfen
Branche: Medizintechnik
Gründungsjahr: 2000
Anzahl der Beschäftigten: 44
Die Mecotec GmbH hat sich 2013 in Sachsen-Anhalt
angesiedelt und versteht sich als
Pionier in der Herstellung von Kältetechnologien
im Medizin-, Sport- und Wellnessbereich.
Damit kann das Unternehmen auch in der
aktuellen Corona-Krise punkten – mit einem
selbstentwickelten mobilen Hightech-Container
für den Transport und die Lagerung von
Corona-Impfstoffen.
In dem Container können rund eine halbe
Million Impfdosen bei -20°C bis -80°C
transportiert und gelagert werden. Der
weltweit erste Container dieser Art soll auf
die Philippinen geliefert werden. Dabei zahlen
sich für Mecotec über 20 Jahre Erfahrung
im Bereich der industriellen Tiefst- Kühlung
aus.
Knufmann GmbH
Sitz des Unternehmens: Klötze
Branche: Ernährungswirtschaft
Gründungsjahr: 2015
Anzahl der Beschäftigten: 8
2010 hat die Gründerin Kirstin Knufmann
die Marke PureRaw ins Leben gerufen und
seitdem kontinuierlich ihre Vision verfolgt,
natürliche und hochwertige Ernährungsprodukte
zu entwickeln. Die Knufmann GmbH
ist ein dynamisches und inhabergeführtes
Unternehmen und bietet mittlerweile über
240 verschiedene roh-vegane Lebensmittel
und andere Produkte an. Sie alle sind frei
von künstlichen Zusatzstoffen, Aromen, Zucker,
Laktose und Gluten. Kirstin Knufmann
ist zudem deutschlandweit eine gefragte
Expertin für vegane Ernährung.
SONOTEC GmbH
Sitz des Unternehmens: Halle (Saale)
Branche: Elektronik
Gründungsjahr: 1991
Anzahl der Beschäftigten: ca. 180
Das Unternehmen Sonotec GmbH stellt u.a.
Durchfluss-Sensoren her. Eine Expertise,
die gerade in Corona-Zeiten gefragt ist. Die
Messgeräte aus Halle kommen bisher etwa
in den Anlagen von Biontech/Pfizer zum
Einsatz und nun auch in der Produktion der
Impfstoffe bei Johnson & Johnson. Die Durchfluss-Sensoren
messen dabei per Ultraschall
die Fließgeschwindigkeit des Impfstoffes
selbst oder der verwendeten Hilfsstoffe und
biologischen Nährmedien.
Foto: Knufmann GmbH
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
NOMINIERUNGEN WIRTSCHAFT+MARKT 47
Die Projekte der YouVista UG dienen der Berufsorientierung
junger Menschen im Bereich
audiovisueller Medien und der Entwicklung
von praktisch anwendbarer Medienkompetenz.
Sie können das Filmemachen in der
Praxis lernen – in einer Woche von der Idee
zum fertigen Film.
SACHSEN
Die Sonotec-Geschäftsführer Manuela Münch,
Michael Münch und Hans-Joachim Münch
Gegründet hat die Sonotec GmbH 1991
Hans-Joachim Münch mit seinem Kollegen
Santer zur Horst-Meyer. Mit Erfolg : Auf der
Kundenliste stehen heute reihenweise Konzerne
wie BASF oder Bayer. Seit 2019 stehen
Münchs Tochter Manuela und Sohn Michael
als Geschäftsführende Gesellschafter für die
Nachfolge bereit.
Twinner GmbH
Sitz des Unternehmens: Halle (Saale)
Branche: Automobil
Gründungsjahr: 2017
Anzahl der Beschäftigten: ca. 160
Die Entwicklung der Twinner Technologie
wurde von dem renommierten Automotive
Process Institute Leipzig (APi) gestartet. In
2017 wurde die Twinner GmbH gegründet
mit der Zielsetzung, den Automobilhandel zu
revolutionieren. Der Twinner Space ist eine
Scanplattform für Gebrauchtwagen. Fahrzeuge
können vom Twinner in wenigen Minuten
360° gescannt und bewertet werden.
Das Jugendfilmcamp ist Preisträger des Tourismuspreises
„Vorreiter des Landes Sachsen-Anhalt“
2018 und Preisträger des Ostdeutschen
Sparkassenverbandes „Leuchttürme der
Tourismuswirtschaft“. Die Vision lautet : einen
kreativen und auch identitätsstiftenden Ort zu
schaffen – eine Filmstadt für Jugendliche und
Interessierte aus aller Welt in Arendsee.
Das Jugendfilmcamp am Arendsee
anona GmbH
Sitz des Unternehmens: Colditz
Branche: Nahrungsmittel
Gründungsjahr: 1826
Anzahl der Beschäftigten: 500
Anonas Wurzeln reichen auf eine Mühlengründung
am Colditzer Ufer der Mulde im Jahr
1826 zurück. Die eigentliche Erfolgsgeschichte
beginnt aber 1990, als der einstige Hersteller
von Knuspermüsli und Instantpulvern
sich auf die Produktion von Backmischungen
für Industrie und Handwerk zu fokussieren
begann. Seit 1994 liegt der Schwerpunkt auf
diätetische Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel.
Anona exportiert in mehr als 30 Länder. Man
konzentriert sich dabei auf die Nahrungsmittelentwicklung
und -herstellung im Auftrag
von Vertriebsunternehmen (Private Label).
Als Spezialität stellt anona seit über 50 Jahren
Pulvermischungen für Soft- und Speiseeis her.
Hochwertige Fotos der Fahrzeuge werden
zusammen mit dem technischen Zustand des
Fahrzeugs in einem einfachen und benutzerfreundlichen
Format präsentiert. Die Lösung
ermöglicht einen sicheren Online-Handel von
Gebrauchtwagen.
Fotos: Twinner, YouVista UG, Sonotec GmbH
YouVista UG
Sitz des Unternehmens: Arendsee
Branche: Kreativwirtschaft
Gründungsjahr: 2014
Anzahl der Beschäftigten: 1
Die Twinner-Technologie im Einsatz
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
48
WIRTSCHAFT+MARKT
UNTERNEHMEN + MACHER
CADA – Chemnitz Automated
Driving Alliance
Sitz des Unternehmens: Chemnitz
Branche: IT / Automobil
Gründungsjahr: 2019
Anzahl der Beschäftigten: ca. 430
Die Chemnitz Automated Driving Alliance ist
ein Zusammenschluss innovativer Technologie-Unternehmen
der regionalen Automobilbranche.
Die beteiligten Unternehmen
generieren Lösungen für eine durchgehende
Softwarekette für das automatisierte Fahren.
Dabei werden starre Fahrzeugstrukturen mit
flexiblen IT-Architekturen zu dynamischen
selbstlernenden Lösungen verknüpft.
Die CADA Allianz besteht aus fünf Unternehmen,
die sich im Umfeld der Professur für
Nachrichtentechnik der TU Chemnitz gegründet
haben : FDTech GmbH – Gründung 2017,
mehr als 120 Mitarbeiter, Baselabs GmbH –
Ausgründung der TU Chemnitz 2012, ca. 50
Mitarbeiter, INTENTA GmbH – Gründung 2011,
mehr als 180 Mitarbeiter, Naventik GmbH –
Ausgründung der TU Chemnitz 2017, mehr
als 20 Mitarbeiter und die FusionSystems
GmbH – Ausgründung der TU Chemnitz 2005,
ca. 60 Mitarbeiter.
Das Entwicklungszentrum der digades GmbH
digades GmbH
Sitz des Unternehmens: Zittau
Branche: Elektronik
Gründungsjahr: 1991
Anzahl der Beschäftigten: ca. 160
Lutz Berger gründete das Unternehmen 1991
gemeinsam mit sechs weiteren Gesellschaftern.
Aus einem Büro für Ingenieurdienstleistungen
entwickelte sich digades in Zittau über
die Jahre zu einem international agierenden
mittelständischen Automobilzulieferer und
einem der größten Arbeitgeber in der Region.
Seit 2011 führt Lutz Berger die digades GmbH
als alleiniger Geschäftsführer.
Gleichzeitig wuchs die digades GmbH zum
Hidden Champion und Weltmarktführer
im Bereich von Fernbediensystemen zur
Fahrzeugklimatisierung heran. Die Fima
Webasto als Zulieferer von vielen internationalen
Automobilherstellern, die komplette
Volkswagen-Gruppe sowie Daimler setzen
inzwischen auf Fernbediensysteme aus
dem Hause digades. Bereits im Mai 2018
wurde der Generationswechsel eingeleitet.
Dr.-Ing. Sascha Berger übernahm als gleichberechtigter
Geschäftsführer Aufgabenbereiche
von Lutz Berger.
CADA ist eine High-tech-Allianz für automatisiertes Fahren.
Fotos: digades GmbH, CADA
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
NOMINIERUNGEN WIRTSCHAFT+MARKT 49
HIER
TRIFFT WIRTSCHAFT
WISSENSCHAFT.
Team Bilberry, Mateyusz Krain (li.) und Krzysztof Dobrinin
©Marco Warmuth/TGZ Halle GmbH
ES IST EIN GÄNGIGES KLISCHEE: SACHSEN-ANHALT UND INNOVATIONEN?
DAS PASST NICHT ZUSAMMEN.
Wir treten den Gegenbeweis an und zeigen, dass in Sachsen-Anhalt Prägendes
entsteht. Standorte in Sachsen-Anhalt bieten dazu die perfekten Bedingungen.
Es sind unsere ZUKUNFTSORTE. Hier konzentrieren sich Wissenschaft, Forschung
und Wirtschaft an einem Ort. Die Wege sind kurz, das ermöglicht Begegnung
und Austausch. Neue Ideen entstehen und werden so einfacher realisiert.
www.zukunftsorte-sachsen-anhalt.de
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
50
WIRTSCHAFT+MARKT
UNTERNEHMEN + MACHER
Dr. Födisch
Umweltmesstechnik AG
Sitz des Unternehmens: Markranstädt
Branche: Umwelt- und
Prozessmesstechnik
Gründungsjahr: 1991
Anzahl der Beschäftigten: 84 (2020)
Dr. Holger Födisch ist Vorstand und Gründer
der Dr. Födisch Umweltmesstechnik AG. Das
Unternehmen hat sich mit Prozess- und Umweltmesstechnik
auf dem internationalen Markt
etabliert. Am Hauptsitz in Markranstädt werden
Staubmesstechnik und Gasanalysatoren für
die Emissionsüberwachung in der Industrie
ent wickelt, gefertigt und weltweit vertrieben.
Einsatz findet die Emissionsmesstechnik
in Kraftwerken, Müllverbrennungsanlagen,
Chemie-, Zement- und Betonwerken sowie
Glas- und Papierfabriken. Der Jahresumsatz
der AG beträgt zurzeit rund 22,4 Millionen
EUR (2019). Dazu gehören mehrere Tochterunternehmen
und verschiedene Beteiligungen
aus den Branchen Umwelttechnik
und Automatisierung.Etwa 40 Prozent des
Umsatzes wird aktuell durch den Export von
Messgeräten und -systemen erwirtschaftet.
Mittlerweile hat das Unternehmen mehrere
Niederlassungen in Deutschland und eine in
China für den Vertrieb und den Service der
Geräte „Made in Sachsen“.
HYDRIVE Engineering GmbH
Sitz des Unternehmens: Freital
Branche: Antriebs- und
Steuerungstechnik
Gründungsjahr: 2005
Anzahl der Beschäftigten: 13
Diese neuartigen Steuerungs- und Bedienansätze
von HYDRIVE Engineering kommen
sowohl in Anlagenmodulen der Fabrikautomation,
in der Vakuumtechnik als auch bei
mobilen Maschinen zum Einsatz.
ibes AG
Sitz des Unternehmens: Chemnitz
Branche: Informationstechnologie
Gründungsjahr: 1991
Anzahl der Beschäftigten: 48
Von der ursprünglichen Ausrichtung auf
Ausrüstungen für Industrie-, Büro- und Elektroniksysteme
hat sich das Unternehmen zielgerichtet
auf mobile Software für Datenerfassung
in der Transportlogistik, mobile Lösungen
für die Digitalisierung und Verbesserung der
Zugänglichkeit von Behördendiensten sowie
internationale Herkunftsnachweise und Handelsdokumentation
für Rohstoffe spezialisiert.
Erfolgreicher Unternehmer: Dr. Holger Födisch
HYDRIVE Engineering hat ein Softwareframework
für Maschinensteuerungen entwickelt,
welches die vorteilhaften Eigenschaften
der objektorientierten Programmierung
für industrielle Steuerungen nutzbar macht.
In Verbindung mit modernen Displaylösungen
können innerhalb kurzer Zeit innovative und
intuitive Bedien- und Steuerungskonzepte
für Maschinen und Anlagen realisiert werden.
Ein wesentlicher Schwerpunkt seit 2005 ist
dabei die Stärkung der Volkswirtschaften
Afrikas durch Verbreiterung des Steueraufkommens.
Ein Beispiel dafür ist das TaxOn-
Phone-Projekt in Sambia. Mit einfachen
Tastenkombinationen lässt sich das System
auf nicht internetfähigen Mobiltelefonen anwenden.
So wird der Besuch der Steuerbüros
überflüssig und eines der Haupthindernisse
für die Steuerzahlung ausgeräumt.
Der Firmensitz der Robotron Datenbank-Software GmbH
Fotos: Robotron Datenbank-Software GmbH, Dr. Födisch Umweltmesstechnik AG
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
NOMINIERUNGEN WIRTSCHAFT+MARKT 51
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (r.) testet die Wandelbots-Technologie.
Robotron
Datenbank-Software GmbH
Wandelbots GmbH
Sitz des Unternehmens: Dresden
Branche: Informationstechnologie
Gründungsjahr: 1990
Anzahl der Beschäftigten: 450
Sitz des Unternehmens: Dresden
Branche: Robotik
Gründungsjahr: 2017
Anzahl der Beschäftigten: 130
THÜRINGEN
EPC Engineering &
Technologies GmbH
Foto: Sächsische Staatskanzlei (Fotograf: Oliver Killig)
Die Robotron Datenbank-Software GmbH ist
ein etabliertes Software-Unternehmen, das
zukunftsfähige IT-Lösungen für die effiziente
Verwaltung und das Management großer
Datenmengen entwickelt. Das Unternehmen
versteht sich als umfassender IT-Dienstleister
innerhalb der Energiebranche, der Industrie
und der öffentlichen Verwaltung.
Mit Pilotprojekten wie dem Robotron SMART
Campus in Dresden etabliert Robotron
ein Modell für intelligentes Energiedatenmanagement,
das Produkttests, Realitätschecks
und das Erleben von Software
ermöglicht. Das Modell verbindet und steuert
verschiedene Bestandteile des Energiesystems
wie z. B. dezentrale Erzeuger erneuerbarer
Energien, flexible Energieverbraucher
wie Elektromobile, das Smart Grid und
Stromspeicher, um das Energiemanagement
zu optimieren.
Wandelbots ist das weltweit führende Startup
im Bereich No-Code-Robotics. Das 2017
gegründete Unternehmen erhielt dafür bereits
zahlreiche Auszeichnungen. Wandelbots hat
als eines der wenigen sächsischen Unternehmen
mehr als 34 Millionen Euro Risikokapital
erhalten, von namhaften Unternehmen wie
Siemens, Microsoft und 83North. Zudem
wurde erfolgreich der No-Code-Ansatz in die
Robotik eingeführt. Als Keimzelle dienten die
Lehrstühle für Softwaretechnologie und für
Kommunikationsnetze an der TU Dresden.
Die Idee basiert auf der Annahme, dass intuitive
Eingabeformen, etwa mit menschlichen
Bewegungen, eine Erleichterung der Robotikprogrammierung
ermöglichen. Das Produkt
wurde mit Firmen wie BMW und Volkswagen
in verschiedenen Use-Cases erarbeitet.
Sitz des Unternehmens: Arnstadt
Branche: Ingenieur- und Anlagenbau
Gründungsjahr: 1994
Anzahl der Beschäftigten: ca. 100
Die EPC Group ist ein internationaler Prozess-
Technologieanbieter sowie ein Ingenieur- und
Anlagenbauunternehmen. Schwerpunkt ist die
Lizensierung von Technologien, aber auch die Planung
und Realisierung von Infrastrukturprojekten
und Industrieanlagen.
Die Leidenschaft für Maschinen- und Anlagenbau
bestimmt seit Generationen die Geschichte der
Familie Henkel, den Gründern der EPC Group. Mit
der Gründung der EPC Engineering Consulting
GmbH im Jahr 1994 setzte sich nach der Wiedervereinigung
Deutschlands die Erfolgsgeschichte
des Familienunternehmens an seinem ursprünglichen
Standort in Thüringen fort. In Verantwortung
der EPC entstanden bereits in über 40 Ländern
und mehr als 1 000 weltweit realisierten Projekten
moderne Industrie- und Chemieanlagen.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
52
WIRTSCHAFT+MARKT
UNTERNEHMEN + MACHER
Glatt Ingenieurtechnik GmbH
Sitz des Unternehmens: Weimar
Branche: Fabrikplanung und
Life-Science-Anlagenbau
Gründungsjahr: 1991
Anzahl der Beschäftigten: ca. 140
Vitamine im Tierfutter, Enzyme im Waschmittel
oder Pulverwerkstoffe für Hochleistungsbatterien
– daran arbeitet der
Weimarer Anlagenbauer und Prozessexperte
Glatt. Mit Erfolg : Im Frühjahr 2021
erweiterte Glatt sein Technologiezentrum
in Weimar zum dritten Mal innerhalb von
zwölf Jahren. Die Glatt Ingenieurtechnik
GmbH ist weltweiter Technologieführer bei
der APPtec-Pulversynthese und kontinuierlichen
Wirbelschicht- und Strahlschichtverfahren
zur Herstellung und Verarbeitung von
Pulvern zu Granulaten mit hochwertigen,
funktionalen Produkteigenschaften. Am
Standort Weimar werden entsprechende
Anlagen für unterschiedlichste Industrieanwendungen
aus diversen Branchen entwickelt,
konstruiert und vertrieben.
LAYERTEC GmbH
Sitz des Unternehmens: Mellingen
Branche: Optik
Gründungsjahr: 1990
Anzahl der Beschäftigten: ca. 300
Micro-Hybrid Electronic GmbH
Sitz des Unternehmens: Hermsdorf
Branche: Elektronik
Gründungsjahr: 1992
Anzahl der Beschäftigten: 220
Die Micro-Hybrid Electronic GmbH ist ein
führendes Technologieunternehmen auf dem
Gebiet der Mikroelektronik. Die Entwicklungs-
und Fertigungskompetenzen des Unternehmens
konzentrieren sich insbesondere auf die
Geschäftsfelder Mikrosystemtechnik und
Infrarot-Messtechnik. Das Unternehmen
entwickelt und vertreibt eigene kundenspezifische
Dienstleistungen und Produkte für eine
Vielzahl verschiedener Branchen.
Dr. Knuth Baumgärtel,
CEO der Micro-Hybrid Electronic GmbH
Die Kernmärkte liegen dabei in der Sensorik,
dem Maschinen- und Anlagenbau sowie in der
Medizintechnik. Das Unternehmen ist einer
der größten regionalen Arbeitgeber und der
größte in Hermsdorf sowie ein maßgeblicher
Treiber des regionalen Industrienetzwerks
Tridelta Campus e.V.
Pflegeplatzmanager GmbH
Sitz des Unternehmens: Greiz
Branche: Digital Health
Gründungsjahr: 2018
Anzahl der Beschäftigten: 29
Der Pflegeplatzmanager ist eine webbasierte
Plattformlösung, die das Entlassungsmanagement
der Krankenhäuser erleichtert und
darüber hinaus das Belegungs- und Aufnahmemanagement
der Weiterversorger professionalisiert.
Nachdem die Firma im Februar
2018 von Chris Schiller und Alexander Bauch
gegründet wurde, ist sie bis zum aktuellen
Zeitpunkt auf 29 Mitarbeiter an den Standorten
Greiz und Jena gewachsen.
Die Pflegeplatzmanager GmbH möchte die Stellung
als eine der führenden B2B-Plattformen im
Gesundheitswesen in Deutschland weiter ausbauen.
Durch die aktuelle Gesetzgebung (Krankenhaus-Zukunftsgesetz)
ist die Einführung in
fast allen Kliniken in Deutschland vorprogrammiert.
Die aktuelle Anzahl der Klinikkunden soll
daher bundesweit stark wachsen. Besonders
stolz ist die Firma über die Prämierungen wie
den Thüringer Innovationspreis 2018 oder den
ThEx AWARD 2020 – der Thüringer Gründerpreis
in der Kategorie „Durchstarter“.
LAYERTEC wurde 1990 als Spin-Off der
Friedrich-Schiller-Universität Jena gegründet.
Das Unternehmen produziert Optiken
höchster Qualität für Laseranwendungen.
Seit den Anfängen in den frühen neunziger
Jahren finden die Produkte weltweit
Anwendung in Industrie, Universitäten und
Forschungseinrichtungen. Viele wichtige
Entwicklungen der vergangenen Jahre im
Bereich der Lasertechnik wurden durch
Produkte von LAYERTEC unterstützt.
Im Jahr 2020 feierte das Unternehmen von
Hartmut Heyer sein 30-jähriges Bestehen
und damit auch seinen stetigen Aufstieg :
vom Ein-Mann-Betrieb zum inzwischen
weltweit agierenden Unternehmen mit
300 Mitarbeitern.
Die Gründer und Geschäftsführer der Pflegeplatzmanger GmbH: Alexander Bauch (l.) und Chris Schiller
Fotos: Pflegeplatzmanager GmbH, Micro-Hybrid Electronic GmbH
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
NOMINIERUNGEN WIRTSCHAFT+MARKT 53
rooom AG
Sojka Solutions Sondermaschinen &
Anlagenbau GmbH
Sitz des Unternehmens: Jena
Branche: Informationstechnologie
Gründungsjahr: 2016
Anzahl der Beschäftigten: ca. 30
Sitz des Unternehmens: Ponitz
Branche: Sondermaschinenbau
Gründungsjahr: 2018
Anzahl der Beschäftigten: 26
Mit rooomEXPO-X bietet das Tech-Startup aus
Jena u.a. eine Komplettlösung an, die für digitale
Messen und Events aller Art genutzt werden
kann. So können ganze Messehallen digital in
3D abgebildet werden. Aussteller können ihren
eigenen Stand gestalten und mit persönlichen
Avataren, digitalen Broschüren, Videos, Links
etc. ausstatten – ohne spezielle Vorkenntnisse.
Besucher können die Messe bequem von zu
Hause aus über das Internet entdecken.
Auch Events mit Live-Stream und On-Demand-Verfügbarkeit
sind umsetzbar, was
für hybride Eventkonzepte genutzt werden
kann. Die Thüringer waren Gewinner des ThEx
AWARD – der Thüringer Gründerpreis 2019
in der Kategorie „Durchstarter“ sowie des
Thüringer Innovationspreises.
Die Sojka Solutions GmbH bietet Maschinenbauunternehmen
auf Grundlage
transparenter Werkverträge mit seinen
Spezialisten die Möglichkeit, Projekte
termingerecht und wirtschaftlich umzusetzen
sowie komplexe Prozesse abzubilden,
ohne Kapazitäten im jeweiligen Fachbereich
vorhalten zu müssen.
Sojka Solutions ist spezialisiert auf die
Montage, Inbetriebnahme oder Optimierung
von Maschinen und Anlagen. Die
Verknüpfung der verschiedenen Bereiche
ist ein Paradebeispiel für Industrie 4.0. Das
Unternehmen wächst seit der Gründung
exponentiell.
Christian Sojka leitet die Sojka Solutions GmbH.
SZM Spannwerkzeuge GmbH
Sitz des Unternehmens: Zella-Mehlis
Branche: Maschinenbau
Gründungsjahr: 1955
Anzahl der Beschäftigten: 69
Das Unternehmen SZM Spannwerkzeuge
GmbH wurde 1955 in Zella-Mehlis gegründet.
Seit der Übernahme durch Sabine Weiß
hat sich die Mitarbeiterzahl von 45 in 2012
auf 69 in 2019 erhöht. Der Umsatz konnte
von 4,5 Millionen Euro in 2012 auf sechs Millionen
Euro im Jahr 2019 gesteigert werden.
Vor der Übernahme standen Kunden in der
Automobilbranche und im Maschinenbau im
Mittelpunkt.
Fotos: rooom AG., Sojka Solutions GmbH
Hans Elstner, CEO der rooom AG in Jena
Heute werden darüber hinaus Kunden in den
Bereichen Messtechnik, Medizintechnik und
der optischen Industrie beliefert. Während
früher ausschließlich Spannzangen gefertigt
wurden, bieten die Thüringer aktuell Komplettlösungen
für alle Spannprobleme der
Kunden. Sabine Weiß ist die Gewinnerin des
ThEx AWARD – der Thüringer Gründerpreis
2020 in der Kategorie „Nachfolge“.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
Wir vernetzen Strom,
Wärme und Verkehr.
enviaM-Gruppe treibt die Digitalisierung der Energiewende voran.
Die Energiewende ist maßgeblich für die Erreichung der Klimaschutzziele. In der Energiewelt von morgen wachsen
Strom, Wärme und Verkehr immer enger zusammen. Unter #enviaM2030 arbeitet auch die enviaM-Gruppe an der
Zukunft. Wir entwickeln mit Partnern aus der Region die erforderlichen Lösungen. Die Digitalisierung ist dabei unser
Treiber. Über all dem steht die Vision, das „Internet der Energie“ zu gestalten. Daran arbeiten täglich rund 3.300
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie füllen die Vision mit Leben – innovativ, partnerschaftlich und ökologisch.
Damit sorgen wir auch in Zukunft für eine sichere und nachhaltige Energieversorgung in Ostdeutschland.
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aktuellen Projekte erfahren Sie unter:
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UNTERNEHMEN + MACHER
WIRTSCHAFT+MARKT55
Der W M-Fragebogen
Was heißt es, in heutigen Zeiten Unternehmer
oder Manager zu sein? Welche Ziele, Werte
und Visionen stehen im Fokus – sowohl privat
als auch beruflich? Wer sind die Menschen,
die hinter den erfolgreichen Unternehmen in
Ostdeutschland stehen? Und welche Erfolgsrezepte
können Sie an nachfolgende Unternehmergenerationen
weitergeben?
Antworten auf diese Fragen liefert der
W+M-Fragebogen. Regelmäßig geben hier
Persönlichkeiten der ostdeutschen Wirtschaft
Einblick in ihr strategisches Denken und Handeln.
Auf den folgenden Seiten finden Sie drei
ausgewählte Beispiele.
Weitere W+M-Fragebögen lesen Sie online
unter wirtschaft-markt.de.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
56
WIRTSCHAFT+MARKT
MACHER
Der W M-Fragebogen
Dr. Stephan Lowis
Vorstandsvorsitzender der envia Mitteldeutsche Energie AG
Geboren bin ich in Erkelenz.
Nach einer Ausbildung als Bankkaufmann habe
ich Volkswirtschaftslehre an der Universität
Köln mit dem Abschluss Diplom-Volkswirt
studiert und erlangte dort auch meine Doktorwürde.
2005 erfolgte der Einstieg in die
Energiewirtschaft bei der RWE AG in Essen.
Nach verschiedenen Führungspositionen war
ich zuletzt im RWE-Konzern als Chief Financial
Officer bei der damaligen RWE-Tochtergesellschaft
innogy SE im Segment Netz und
Infrastruktur tätig.
Heute bin ich: Vorstandsvorsitzender der
envia Mitteldeutsche Energie AG (enviaM)
mit Sitz in Chemnitz und Vorsitzender der
Geschäftsführung der MITGAS Mitteldeutsche
Gasversorgung GmbH mit Sitz in Kabelsketal.
Lebensmotto: Carpe diem – Nutze den Tag.
1. Startschuss
1. Wie heisst Ihr Unternehmen und
wann wurde es gegr ndet?
Das Unternehmen, das ich führe, heißt envia
Mitteldeutsche Energie AG (enviaM). Es wurde
2002 gegründet.
2. Was ist die Kernkompetenz
Ihres Unternehmens?
Wir sind der führende regionale Energiedienstleister
in Ostdeutschland und versorgen rund
1,3 Millionen Kunden mit Strom, Gas, Wärme
und Energiedienstleistungen.
3. Was hat Sie zum
Unternehmen gef hrt?
Die Frage eines weitsichtigen Menschen.
4. Geborener Unternehmer
oder Sp tberufener?
Spätberufener.
5. Was war Ihre bisher erfolgreichste
Idee als Unternehmer?
Der Börsengang der innogy SE.
6. Und wo haben Sie sich get uscht?
Die Liste ist zu lang.
2. Laufbahn
1. Was zeichnet einen guten Chef aus?
Zuhören und entscheiden.
2. Und was einen guten Mitarbeiter?
Sachlicher Widerspruch.
3. Welche wichtigen Eigenschaften
sollte ein Unternehmer haben?
Chancen zu erkennen und Risiken abzumildern
– so gut es geht.
4. Ihre Passion als Unternehmer:
Entwickeln, verkaufen oder
organisieren?
Entwickeln und dann verkaufen. Das Organisieren
überlasse ich denen, die es besser
können.
5. Was verbindet Sie mit Ihrem
Produkt oder Ihrer Dienstleistung?
Herzblut.
6. Und wohin soll die Reise Ihres
Unternehmens gehen?
Wir wollen die Nummer eins in Ostdeutschland
bleiben.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
FRAGEBOGEN
WIRTSCHAFT+MARKT57
3. Zwischensprint
1. In einem Satz: Ein Buch, das Sie
jederzeit empfehlen w rden und
warum?
John Grisham: Die Firma; weil es spannend ist
und viele Wendungen hat, die man als Leser so
nicht kommen sieht.
2. In einem Satz: Ein Musikst ck,
das Sie immer wieder h ren k nnen?
The Cranberries: Zombie
3. Etwas, wobei Sie sich
entspannen k nnen?
5. zieleinkunft
1. Welche Vision von der Zukunft
fasziniert Sie?
Die, in der wir nicht alles wissen, aber es dennoch
schaffen, uns zurechtzufinden und neue
Dinge herauszufinden.
2. Und welche bereiteT Ihnen Sorge?
Eine problemlose Zukunft – was wäre dann
unsere Aufgabe beziehungsweise womit würden
sich Menschen dann beschäftigen?
3. Zum Abschluss:
Ein Rat an junge Menschen?
Macht das, was euch langfristig Spaß bereitet,
alles andere wird euch nicht zufriedenstellen.
Laufen
4. Ein Lieblingsplatz in der Welt?
Langeoog
4. Ausdauertest
1. Was bedeutet f r Sie Heimat?
Heimat ist für mich ein Gefühl und kein Ort.
2. Wenn Sie drei Dinge ideell oder
finanziell unterst tzen k nnten
oder es bereits tun, welche w ren/
sind dies?
– Kinder schützen
– Klimawandel bekämpfen
– Opfern von Katastrophen helfen
3. Wenn Sie nicht Unternehmer
geworden w ren, was w ren Sie
dann gerne geworden?
Irgendetwas in der Lehre oder Wissenschaft.
Foto: Michael Setzpfand
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
58 WIRTSCHAFT+MARKT
MACHER
Der W M-Fragebogen
Dr. Ute Bergner
Gesch ftsf hrende Gesellschafterin
VACOM Vakuum Komponenten & Messtechnik GmbH
Geboren bin ich in Jena.
Nach dem Abschluss meines Physikstudiums
1981 war ich zehn Jahre Assistentin in Lehre
und Forschung an der Friedrich-Schiller-Universität
Jena und habe 1987 zum Dr. rer.
nat. promoviert. 1991 bis 1992 war ich als
Außendienstmitarbeiterin bei der Vakuum-Firma
Balzers tätig. 1992 habe ich VACOM
gegründet.
Heute bin ich: Geschäftsführende
Gesellschafterin von VACOM und Mitglied des
Thüringer Landtags.
Lebensmotto: Nur was wir verstehen,
können wir beherrschen.
1. Startschuss
1. Wie heisst Ihr Unternehmen und
wann wurde es gegr ndet?
VACOM Vakuum Komponenten & Messtechnik
GmbH, gegründet 1992
2. Was ist die Kernkompetenz
Ihres Unternehmens?
– Ultrafeinst-Reinigung für Hochtechnologien
– Vakuum- und Sauberkeitsmesstechnik
– Fertigung von Vakuumkomponenten
3. Was hat Sie zum
Unternehmen gef hrt?
Ich wollte etwas von Anfang bis zum Ende
komplett selbst erschaffen und ein eigenes
Geschäftsmodell entwickeln.
Foto: Arlene Knipper
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
FRAGEBOGEN
WIRTSCHAFT+MARKT59
4. Geborene Unternehmerin
oder Sp tberufene?
Geborene Unternehmerin. Als einzige bekam
ich die Note 1 in „Sozialistischer Betriebswirtschaft“
während des Studiums, da ich in einem
Computerspiel fiktiv den höchsten Gewinn
einstrich.
5. Was war Ihre bisher erfolgreichste
Idee als Unternehmerin?
Die Halbleitertechnologie tendiert dazu, immer
kleiner und schneller zu sein. Mir war deshalb
schnell klar, dass ich mich auf die Sauberkeitsmesstechnik
konzentrieren muss.
6. Und wo haben Sie sich get uscht?
Ich habe mich vor allem in Menschen getäuscht.
Ich habe ihnen vertraut, weil ich an
das Gute im Menschen glaube. Leider stellte
es sich manchmal heraus, dass sie sich mir
gegenüber nicht loyal verhielten.
2. Laufbahn
1. Was zeichnet einen guten Chef aus?
Eine wertschätzende Kommunikation und ein
respektvoller Umgang mit Mitarbeitern und
allen anderen Partnern tragen wesentlich zu
nachhaltigem Erfolg bei.
2. Und was einen guten Mitarbeiter?
Jeder Mensch sollte die eigenen Fähigkeiten
und Möglichkeiten realistisch einschätzen,
zugleich aber aufgeschlossen für Neues sein.
Verlässlichkeit, Ehrlichkeit und Loyalität sind
mir wichtig.
3. Welche Eigenschaften sollte ein
Unternehmer haben?
Er oder sie sollte für sein/ihr Unternehmen
„brennen“. Das legitime und wichtige Streben
nach Gewinn sollte kein Selbstzweck sein.
Neben dem klugen Abwägen von Chancen
und Risiken sollte er/sie bereit sein, neue
Wege zu gehen.
4. Ihre Passion als Unternehmerin:
Entwickeln, verkaufen oder
organisieren?
Ich bin Naturwissenschaftlerin und von Natur
aus neugierig. Mich reizt es, neue Lösungen zu
suchen und zu finden.
5. Was verbindet Sie mit Ihrem
Produkt oder Ihrer Dienstleistung?
Unser Slogan „Nichts ist unerreichbar“ ist ein
Wortspiel, das meinen Bezug zum Vakuum
ganz gut versinnbildlicht. Auch wenn das
absolute Nichts praktisch nicht realisierbar
ist, macht das Nahezu-Nichts unendlich viele
Dinge erst möglich.
6. Und wohin soll die Reise Ihres
Unternehmens gehen?
VACOM ist ein mittelständisches Familienunternehmen,
in dem Eigentum und Verantwortung
zusammengehören. Wir denken langfristig.
Seit vielen Jahren arbeiten wir an der
Digitalisierung und haben 2019/20 die erste
„smarte“ Fabrik Deutschlands eingeweiht.
3. Zwischensprint
1. In einem Satz: Ein Buch, das Sie
jederzeit empfehlen w rden und
warum?
Christopher Clark: Die Schlafwandler. Da
er Zusammenhänge zum 1. Weltkrieg aus
unterschiedlichen Perspektiven wunderbar
darstellt.
2. In einem Satz: Ein Musikst ck,
das Sie immer wieder h ren k nnen?
Beethovens 9. Sinfonie
3. Etwas, wobei Sie sich
entspannen k nnen?
Yoga und Wellness
4. Ein Lieblingsplatz in der Welt?
Das Berchtesgadener Land
4. Ausdauertest
1. Was bedeutet f r Sie Heimat?
Dort, wo ich glücklich bin, mich geborgen fühle,
meine Freunde und Familie sind und ich in einer
Kultur lebe, in der ich mich wohlfühle.
2. Wenn Sie drei Dinge ideell oder
finanziell unterst tzen k nnten
oder es bereits tun, welche w ren/
sind dies?
– Das Interesse junger Menschen an
Wissenschaft & Technik fördern.
– Umwelt und Technik in Einklang bringen.
– Aufforstung der Wälder, um die Kreislaufwirtschaft
zu stärken.
3. Wenn Sie nicht Unternehmerin
geworden w ren, was w ren Sie
dann gerne geworden?
Ich hätte Bionik studiert oder wäre eine gute
Ärztin geworden.
5. zieleinkunft
1. Welche Vision von der Zukunft
fasziniert Sie?
Die Idee, dass Menschen zusammen in einem
Netzwerk leben, sie im Mittelpunkt stehen und
sich die Frage „Wer herrscht über wen?“ nicht
stellt.
2. Und welche bereitet Ihnen Sorge?
Die Spaltung der Gesellschaft, das Säen von
Hass und Aggression und das Ignorieren von
Naturgesetzen.
3. Zum Abschluss:
Ein Rat an junge Menschen?
Wichtig ist eine gute Selbstreflexion. Jeder
sollte Zusammenhänge hinterfragen und nicht
kritiklos etwas hinterherlaufen.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
60
WIRTSCHAFT+MARKT
MACHER
Der W M-Fragebogen
Kirstin Knufmann
Gesch ftsf hrende Inhaberin der PureRaw Knufmann GmbH
Geboren bin ich in Frechen bei K ln.
Nach einer Lehre im Immobilienbereich bei
einem großen Konzern in Leverkusen studierte
ich Fotografie in Köln und Barcelona.
Danach lebte und arbeitete ich in München,
anschließend in New York und Los Angeles als
Celebrity-Fotografin. Parallel dazu habe ich die
Marke PureRaw, anschließend die Knufmann
GmbH gegründet.
Heute bin ich: Geschäftsführende Inhaberin
der PureRaw Knufmann GmbH, Autorin und
Referentin.
Lebensmotto: Glaube an dich und deine
Ziele, sei mutig und mache die Welt durch dein
Handeln zu einem besseren Platz.
1. Startschuss
1. Wie heisst Ihr Unternehmen und
wann wurde es gegr ndet?
PureRaw Knufmann GmbH. Gegründet: 2010
2. Was ist die Kernkompetenz
Ihres Unternehmens?
PureRaw steht für hochwertige, faire, innovative,
pflanzliche und nachhaltige Lebensmittel,
mit Schwerpunkt auf u.a. algenbasierten
Produkten. Unsere Kernkompetenzen liegen
in unserer Außenkommunikation und unserer
Authentizität. Wir bieten gute Lebensmittel
aus einer Hand und kommunizieren dies mit
Know-how und Ehrlichkeit. Wir entwickeln
Produkte, die Freude bereiten, schmecken
und dazu einen Nutzen für den Kunden und
unseren Planeten bieten.
3.Was hat Sie zum
Unternehmen gef hrt?
Ich habe das Unternehmen gegründet mit
dem Anspruch, die bestmögliche Qualität für
Lebensmittel, welche ich auch selbst haben
möchte, anzubieten. Ganz ohne Schnickschnack
mit 100 Prozent echten Zutaten.
4. Geborene Unternehmerin
oder Sp tberufene?
Bereits parallel zu meiner Ausbildung war ich
selbstständig. Dennoch habe ich mich selbst
erst sehr spät als Unternehmerin bezeichnet,
auch wenn ich früh als solche tätig war.
5. Was war Ihre bisher erfolgreichste
Idee als Unternehmerin?
Meine erfolgreichste Idee war, mit dem ersten
Schritt zu starten und mutig neue Wege zu
gehen, auch wenn diese in der Anfangszeit
als unkonventionell abgetan wurden. Ich habe
das Unternehmen ständig dem Wandel der
Herausforderungen angepasst und bin dabei
meinen Prinzipien treu geblieben.
6. Und wo haben Sie sich get uscht?
Als ich PureRaw gegründet habe, dachte ich,
dass ich mich auf die Aufgaben konzentrieren
kann, die mich dazu bewegt haben zu starten
und die mir Freude bereiten. Je erfolgreicher
PureRaw wurde, desto mehr habe ich gemerkt,
dass ein nicht unbedeutender Teil meines
Alltags darin bestand, Dinge zu händeln, die
nicht zu meinen Kernkompetenzen gehörten.
Wie z.B. die Umsetzung von Regularien, der
Umgang mit Behörden, Fragen der Mitarbeiterführung,
des Arbeitsschutzes oder von Lebensmittelverordnungen.
Es galt, Strukturen
und Arbeitsabläufe zu erarbeiten, um meine
Ziele überhaupt umsetzen zu können.
2. Laufbahn
1. Was zeichnet einen guten Chef aus?
Ein guter Chef hat viele Facetten und ist nicht
perfekt. Er ist beständig, vertrauenswürdig
und ehrlich mit einer ordentlichen Portion
Ideen und Visionen. Dazu Kalkül und Mut,
diese abzuwägen und umzusetzen. Er mag
eigene Wege gehen und standfest sein, dennoch
wissbegierig, ehrgeizig und anspruchsvoll.
Er gibt Rahmen vor und lässt Freiräume.
Er muss mit Herausforderungen umgehen
können und bereit sein, sich und sein Handeln
kritisch zu betrachten. Er ist ein Teamplayer
und weiß um seine eigenen Stärken als auch
die seiner Mitarbeiter.
2. Und was einen guten Mitarbeiter?
Ein guter Mitarbeiter hat Freude an seiner
Arbeit, ist bereit Neues zu lernen und seine
eigenen Ideen mit einzubringen. Er ist loyal,
zuverlässig, ehrlich, kritikfähig, ehrgeizig, weiß
um seine Stärken, kennt seine Aufgaben und
deren Wichtigkeit und ist ein guter Teamplayer.
3. Welche Eigenschaften sollte eine
Unternehmerin haben?
Eine Unternehmerin sollte neben den Kompetenzen
einer Chefin noch mehr Begeisterung
für die Sache haben und möglichst viele
Personen mit auf diese Reise nehmen. Eine
Unternehmerin erzählt nicht nur Geschichten,
sondern schreibt diese.
4. Ihre Passion als Unternehmerin:
Entwickeln, verkaufen oder
organisieren?
Ich kann viele Bereiche miteinander kombinieren
und vernetzen, mich in neue Situationen
reinarbeiten und begeistern. Ich liebe es, neue
Ideen und Produkte zu entwickeln und diese
zu präsentieren.
5. Was verbindet Sie mit Ihrem
Produkt oder Ihrer Dienstleistung?
Die Wertschätzung des Ganzen, Liebe zum
Detail, der innovative Charakter. Meine
Produkte und Dienstleistungen
sind ein Teil von mir und ich
möchte damit etwas
Gutes in die Welt
geben.
Foto: PureRaw Knufmann GmbH
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
FRAGEBOGEN
WIRTSCHAFT+MARKT61
6. Und wohin soll die Reise Ihres
Unternehmens gehen?
Der innovative Charakter meines Unternehmens
soll ausgebaut werden, um relevante
Projekte für unsere Gesundheit und Umwelt
weiter voranzutreiben. Ich möchte eine neue
Stufe schaffen von hochwertigen, innovativen
und guten Lebensmitteln mit Mehrwert,
diese vermehrt in den internationalen Handel
bringen und online verfügbar machen.
3. Zwischensprint
1. In einem Satz: Ein Buch, das Sie
jederzeit empfehlen w rden und
warum?
Hermann Hesse: Steppenwolf; Randy Pausch:
The Last Lecture; Antoine de Saint-Exupéry:
Der kleine Prinz; Haruki Murakami: Kafka am
Strand; Marc-Uwe Kling: Die Känguru-Apokryphen.
Dies sind Bücher, die die komplette
Bandbreite des Lebens aufzeigen und bei all
dem die Wunder des Lebens beinhalten.
2. In einem Satz: Ein Musikst ck,
das Sie immer wieder h ren k nnen?
Pro Pain: Don't kill yourself to live; Johnny
Cash: Hurt; Depeche Mode/Rammstein: Stripped;
Depeche Mode: Question of love.
3. Etwas, wobei Sie sich
entspannen k nnen?
Sport, lesen, kreativ sein, in der Natur sein,
mich in meine Projekte versenken können, Zeit
mit meiner Familie, neue Projekte entwickeln,
gute Gespräche.
4. Ein Lieblingsplatz in der Welt?
Da, wo ich meinen Gedanken freien Lauf lassen
kann und sich mein Herz mit Wärme und Liebe
füllt. Dies kann überall sein, solange ich mit
mir selbst im Reinen bin.
4. Ausdauertest
1. Was bedeutet f r Sie Heimat?
Heimat ist da, wo mein Herz zu Hause ist.
2. Wenn Sie drei Dinge ideell oder
finanziell unterst tzen k nnten
oder es bereits tun, welche w ren/
sind dies?
- Relevante und notwendige Projekte für
Mensch und Umwelt umzusetzen.
- Bildung und Förderung von Kindern und
Jugendlichen.
- Weichen stellen für Frauen als Unternehmerin,
insbesondere zur Vereinbarkeit von
Karriere und Familie.
3.Wenn Sie nicht Unternehmerin
geworden w ren, was w ren Sie
dann gerne geworden?
Unternehmerin ist ein so weitreichender Begriff,
dass es mir fast unmöglich scheint, nicht
irgendwann Unternehmerin geworden zu sein.
Es fasziniert mich, Neues zu entdecken und zu
entwickeln.
5. zieleinkunft
1. Welche Vision von der Zukunft
fasziniert Sie?
Dass alles möglich ist.
2. Und welche bereitet Ihnen Sorge?
Dass alles möglich ist.
3. Zum Abschluss:
Ein Rat an junge Menschen?
Finde deine Passion, folge deinem Herzen und
traue dich, Neues und Unbekanntes anzugehen.
Herausforderungen wird es immer geben.
Suche nach Lösungen. Traue dich, den eigenen
Stärken und Schwächen zu begegnen und
diese richtig einzusetzen.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
62
WIRTSCHAFT+MARKT
50 EXZELLENTE FORSCHUNGSEINRICHTUNGEN
HIER ENTSTEHT DIE
WELT VON MORGEN
Ostdeutschland verfügt über eine eindrucksvolle Dichte an weltweit anerkannten
Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Universitäten. Hier wird
an Lösungen für drängende Fragen der Zukunft etwa in der Medizintechnik,
der Energieversorgung oder der Mobilität geforscht. In enger Zusammenarbeit
mit der Wirtschaft entstehen so innovative Produkte und Verfahren,
die helfen, die Welt von morgen zu gestalten.
Dabei gesellen sich Forschungsinstitute und Universitäten mit bewegter
Geschichte und langer Tradition Seite an Seite mit neuen Forschungszentren,
wie sie gerade etwa beim Strukturumbau der Lausitz entstehen. WIRTSCHAFT+
MARKT stellt die spannendsten und innovativsten Forschungsstandorte
zwischen Ostsee und Erzgebirge vor – wohl wissend, dass die hier präsentierten
50 Einrichtungen nur einen Ausschnitt aus der reichhaltigen Forschungslandschaft
im Osten Deutschlands widerspiegeln können.
VON MATTHIAS SALM
Foto : TU Ilmenau / Michael Reichel
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
FORSCHUNG IM OSTEN
WIRTSCHAFT+MARKT63
BERLIN
01
fest zu verankern und die Aus- und Weiterbildung
der weltweit dringend benötigten
KI-Experten.
Das Zentrum wird zwischen 2019 und 2022
insgesamt über 32 Millionen Euro Förderung
erhalten. Ebenso will Berlin acht neue Professuren
an der TU und an der FU in den Bereichen
Big Data und Maschinelles Lernen finanzieren.
02
DLR – INSTITUT FÜR OPTISCHE
SENSORSYSTEME
Die Forschungsergebnisse aus Adlershof
finden in der Raumfahrt und in robotischen
Systemen Anwendung. Aber auch im Bereich
Sicherheit ist die Expertise der Berliner
gefragt. Im Zuge eines Helmholtz Innovation
Lab arbeiten DLR-Forscher gemeinsam mit
Partnern aus Industrie, Forschung und Behörden
an optischen Technologien zur Situationserfassung
im Sicherheitsbereich. Dazu wird in
Berlin das Helmholtz Innovation Lab OPTSAL
aufgebaut.
03
EINSTEIN CENTER DIGITAL
FUTURE (ECDF)
BERLIN INSTITUTE FOR THE
FOUNDATIONS OF LEARNING
AND DATA (BIFOLD)
BERLIN-ADLERSHOF
BERLIN-MITTE
BERLIN-CHARLOTTENBURG
FORSCHUNGSFELD :
SENSORSYSTEME
FORSCHUNGSFELD :
DIGITALISIERUNG
FORSCHUNGSFELD :
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ
Ein zukünftiger Leuchtturm der Spitzenforschung
zur Künstlichen Intelligenz (KI) :
das Berlin Institute for the Foundations of
Learning and Data (BIFOLD). Es vereint die
beiden bestehenden KI-Kompetenzzentren an
der TU Berlin, das Berlin Big Data Center und
das Berliner Zentrum für Maschinelles Lernen.
So entsteht in der Hauptstadt ein KI-Nukleus,
der Forschung, Ausbildung und Innovation im
Zusammenspiel von Big Data und Maschinellem
Lernen verzahnt. Mit zusätzlichen
Professuren soll ein Forschungszentrum von
internationalem Rang entstehen und Berlins
Spitzenstellung in der KI-Forschung weiter
ausgebaut werden.
Am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt
(DLR) in Berlin-Adlershof entwickelt das
Institut für Optische Sensorsysteme aktive
und passive optische Sensorsysteme. Das
Institut ist am Wissenschaftsstandort Adlershof
ansässig und legt mit der Entwicklung von
sensornahen Algorithmen für die Informationsverarbeitung
die Grundlagen für intelligente
optische Sensorsysteme. Das Institut beteiligte
sich bereits an zahlreichen nationalen und
internationalen Weltraummissionen.
Das Einstein Center Digital Future (ECDF) ist
ein interdisziplinäres Projekt der Technischen
Universität Berlin, der Charité – Universitätsmedizin
Berlin, der Freien Universität Berlin,
der Humboldt-Universität zu Berlin und der
Universität der Künste Berlin. Das ECDF sieht
sich als Zentrum für Digitalisierungsforschung
und hat sich die innovative interdisziplinäre
Spitzenforschung zu digitalen Strukturen in
Foto: DLR
Inhaltlich verfolgt das BIFOLD drei wesentliche
Ziele : Spitzenforschung in den Bereichen Big
Data und Maschinelles Lernen, die Entwicklung
von Technologien, Werkzeugen und Systemen,
um das Thema KI in der Wissenschaft, aber
auch in der Wirtschaft und der Gesellschaft
Am Helmholtz Innovation Lab OPTSAL wird auch an neuen optischen
Technologien und Methoden für Lagebilder gearbeitet.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
64
WIRTSCHAFT+MARKT
FORSCHUNG IM OSTEN
Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft auf
die Fahnen geschrieben. Auch die Bandbreite
der Themen von elektronischen Textilien über
Sicherheit im Radverkehr bis hin zur Cyberkriminalität
macht das Einstein Center Digital
Future einzigartig.
Seit der Eröffnung im April 2017 wurde es
schnell zum Motor der deutschen Digitalisierungsforschung.
Das Robert-Koch-Forum, im
Herzen Berlins in der Wilhelmstraße gelegen,
fungiert dabei als Haus der Digitalisierung mit
Co-Working-Spaces, Laboren sowie Workshop-
und Kooperationsräumen.
04
EXZELLENZCLUSTER
UNISYSCAT
BERLIN-CHARLOTTENBURG
FORSCHUNGSFELD :
KATALYSEFORSCHUNG
Die Katalyse gilt als wirtschaftliche Schlüsseltechnologie
für den Wandel zu einer nachhaltigen
und grünen chemischen Produktion.
Schließlich kommen mehr als 80 Prozent aller
Produkte im Laufe der Produktion in Kontakt
mit einem Katalysator. Ziel der interdisziplinären
Forschung sind die Verbesserung
und Entwicklung von energie- und materialeffizienten
Transformationen in der Chemie
und Biotechnologie sowie Fortschritte in der
medizinischen Diagnostik und Therapie.
05
FERDINAND-BRAUN-INSTITUT,
LEIBNIZ-INSTITUT FÜR
HÖCHSTFREQUENZTECHNIK
(FBH)
BERLIN-ADLERSHOF
FORSCHUNGSFELDER :
MIKROWELLENTECHNIK,
OPTOELEKTRONIK
Eine Mikrotechnologin arbeitet
im Reinraum am FBH
Praxisnähe gehört ebenso zu den Zielen des FBH
wie der Technologietransfer durch mittlerweile
mehr als zehn Spin-offs. Die Ausgründung UVphotonics
etwa entwickelt ultraviolette Leuchtdioden,
das Unternehmen BeamXpert bietet
Simulationssoftware für optische Systeme an.
Aus dem FBH stammen wichtige Komponenten
des LiDAR-Messsystems für den deutsch-französischen
Satelliten MERLIN, der aus dem All
die Methankonzentration auf der Erde messen
soll – ein Meilenstein in der Klimaforschung.
Diodenlaser aus dem FBH bewähren sich im
Weltraum, so in Atomuhren von GPS-Satelliten.
Auch verbesserte Verstärker für Green-IT-
Anwendungen stammen aus den Laboren der
Adlershofer ebenso wie neu entwickelte LED-
Strahler, mit denen Mikroorganismen in Krankenhäusern
mit ultrakurzwelligem UV-Licht abgetötet
werden können – ohne Nebenwirkungen.
Die Katalyseforschung ist ein wesentlicher
Bestandteil der Chemie. Das Exzellenzcluster
UniSysCat (Unifying Systems in Catalysis) an
der TU Berlin, eines von mehreren Berliner
Exzellenzclustern im Rahmen der Exzellenzstrategie
des Bundes und der Länder,
verbindet zahlreiche Forschungseinrichtungen
in Berlin inklusive im Rahmen der University
Alliance auch die Freie Universität Berlin und
die Humboldt-Universität Berlin.
Das Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut
für Höchstfrequenztechnik (FBH) zählt zu den
international führenden Instituten für anwendungsorientierte
und industrienahe Forschung
in der Mikrowellentechnik und Optoelektronik.
Hier entstehen Hochfrequenz-Bauelemente und
Schaltungen für die Kommunikationstechnik,
Leistungselektronik und Sensorik. Dies alles
geschieht in enger Zusammenarbeit mit Partnern
aus der Wirtschaft und mit Universitäten.
06
FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR
NACHRICHTENTECHNIK,
HEINRICH-HERTZ-INSTITUT
(HHI)
BERLIN-CHARLOTTENBURG
Das Hauptgebäude der TU Berlin
FORSCHUNGSFELDER :
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ,
SENSORIK, 5G
Am Berliner Einsteinufer verfolgen die Forschenden
des Fraunhofer HHI eine Mission :
den Wandel der Gesellschaft hin zu einer
Fotos: TU Berlin/Dahl, FBH / schurian.com
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
FORSCHUNG IM OSTEN
WIRTSCHAFT+MARKT65
08
FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR
ZUVERLÄSSIGKEIT UND
MIKROINTEGRATION IZM
BERLIN-MITTE
Fotos: Berlin Philharmonic Orchestra/Monika Rittershaus, Fraunhofer IZM
OmniCam-360 beim Live-Streaming eines Konzerts der Berliner Philharmoniker
digitalen Informationsgesellschaft aktiv zu
gestalten. Die Geschichte der renommierten
Berliner Forschungseinrichtung reicht dabei
bis ins Jahr 1928 zurück, zu jener Zeit noch als
Institut für Schwingungsforschung.
Das Fraunhofer HHI ist weltweit führend in der
Erforschung von mobilen und optischen Kommunikationsnetzen
sowie in der Kodierung
von Videosignalen. So stellten Forschende des
Fraunhofer HHI im Jahr 2016 einen Weltrekord
in der optischen Freiraum-Datenübertragung
auf. Am Fraunhofer HHI entwickelte photonisch
integrierte Schaltkreise sind weltweit
bei der Übertragung hoher Datenraten durch
Glasfasernetze im Einsatz.
Die Forschenden des Fraunhofer HHI sind in
Berlin sehr präsent : Jüngst übertrugen sie
erstmals eine Charité-Operation als einen
Augmented-Reality-basierten 3D-Live-Stream.
An der TU Delft in den Niederlanden konnten
so HNO-Ärztinnen und -Ärzte sowie
Masterstudierende der Fakultät „Biomedical
Engineering“ die Operation an der Charité
Berlin zu Lehrzwecken live verfolgen. Mit Hilfe
des intraoperativen Annotationsmodus können
Chirurginnen und Chirurgen zusätzliche visuelle
Informationen wie Skizzen, Verweise und
bildbasierte Anatomievermessungen in den
Live-Stream einfügen.
Ebenfalls im Fraunhofer HHI wurde eine Serie
von skalierbaren spiegelbasierten Multikamera-Systemen
entwickelt, um hochaufgelöste
2D- und 3D-Panorama-Videoaufnahmen zu
erzeugen. Die so genannte OmniCam-360
kam zum Beispiel beim ersten Live-Streaming
eines Konzerts der Berliner Philharmoniker im
Panorama-Format zum Einsatz.
Das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen
und Konstruktionstechnik IPK forscht zur
gesamten Bandbreite industrieller Aufgaben
– von der Produktentwicklung über den Produktionsprozess
und die Wiederverwertung
von Produkten bis hin zur Gestaltung und dem
Management von Fabrikbetrieben. Dazu gehören
die Themen Produktionsmanagement,
Digital Engineering, Produktionsverfahren und
-anlagen und Automatisierung. Darin finden
sich alle aktuellen Trends in der Industrie wieder
: Industrie 4.0, Additive Fertigung, Smart
Maintenance und Künstliche Intelligenz.
Direkt an der Spree zwischen Charlottenburg
und Moabit ist das Fraunhofer IPK im Produktionstechnischen
Zentrum Berlin beheimatet.
Es gehört zu den traditionsreichen Berliner
Forschungseinrichtungen mit mehr als 40-jähriger
Erfahrung.
07
FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR
PRODUKTIONSANLAGEN UND
KONSTRUKTIONSTECHNIK IPK
BERLIN-CHARLOTTENBURG
FORSCHUNGSFELDER :
PRODUKTIONSANLAGEN,
KONSTRUKTIONSTECHNIK
FORSCHUNGSFELD :
ELEKTRONIK UND DEREN
SYSTEMINTEGRATION
Das Fraunhofer IZM gehört zu den weltweit
führenden Instituten für die Forschung und
Entwicklung von zuverlässiger Elektronik und
deren Systemintegration. Als solches sind die
Berliner wichtige Partner von Unternehmen
in der Automobil- und Industrieelektronik, in
der Medizintechnik, in der Informations- und
Kommunikationstechnik und im Halbleiterbereich.
Neben dem Hauptsitz in Berlin unterhält
das Fraunhofer IZM auch Standorte in Dresden
und Cottbus. Eine enge Zusammenarbeit
wird mit der TU Berlin gepflegt. Mit mehr als
430 Mitarbeitern wurde 2019 ein Umsatz von
35,7 Millionen Euro erwirtschaftet. Rund 41,8
Prozent des Umsatzes wurde mit Vertragsforschung
aus der Wirtschaft erzielt.
Das Bewusstsein einer nachhaltigen Produktentwicklung
wächst nicht nur in der
gesamten Elektronikbranche, auch die gesetzlichen
Anforderungen an eine ressourcenschonende
Produktion nehmen zu. Forschende am
Fraunhofer IZM erstellen deshalb beispielsweise
Ökobilanzen für Elektronikprodukte und
analysieren den gesamten Lebenszyklus von
Elektronikprodukten und Produktgruppen.
Panel Level Moldtechnologien für
dreidimensionale Radarsensorik
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
66
WIRTSCHAFT+MARKT
Um beim automatisierten Fahren die höchste
Sicherheitsstufe gewährleisten zu können,
wurden beispielsweise im Projekt KoRRund
3D-Radarmodule entwickelt. Sie ermöglichen
eingebunden in ein Sensornetzwerk
die 360°-Rundumsicht. Für diese lückenlose
Abbildung der Umgebung entwickelten
Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer
IZM zusammen mit Projektpartnern Packaging-Verfahren
für zuverlässige Radarsensoren
mit revolutionären Freiformflächen, mit
denen jede Antennenform und Anbringung am
Fahrzeug künftig realisierbar wird. Ein Schritt
zum autonomen Fahren ohne tote Winkel.
Das Zuse-Institut Berlin
09
HELMHOLTZ-ZENTRUM BERLIN
FÜR MATERIALIEN UND
ENERGIE (HZB)
BERLIN-ADLERSHOF/
BERLIN-WANNSEE
zweier älterer Forschungseinrichtungen, des
ehemaligen Hahn-Meitner-Instituts und der
BESSY-Gesellschaft. Mit rund 1100 Mitarbeitenden
ist das HZB eines der größten außeruniversitären
Forschungszentren in Berlin mit
Standorten in Wannsee und Adlershof.
Das HZB hat es sich zur Aufgabe gemacht,
neue Energiematerialien zu entwickeln.
Beispielsweise neuartige Katalysatoren, die
Sonnenlicht in chemische Energie umwandeln
und so erneuerbare Brennstoffe erzeugen. Die
Forschung an Quantenmaterialien dient einer
energieeffizienten Informationstechnologie
der Zukunft.
10
ZUSE-INSTITUT BERLIN (ZIB)
BERLIN-DAHLEM
FORSCHUNGSFELDER :
COMPUTING, DATA SCIENCE
FORSCHUNGSFELDER :
MATERIALIEN ZUR
ENERGIEUMWANDLUNG,
QUANTENMATERIALIEN
Das Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien
und Energie (HZB) besteht seit 2009.
Doch seine Geschichte reicht bis ins Jahr 1959
zurück, denn das HZB entstand durch Fusion
Die BESSY-II-Halle in Adlershof
Besonders bekannt ist das HZB für BESSY
II am Wilhelm-Conrad-Röntgen-Campus in
Berlin-Adlershof. BESSY II ist eine Synchrotronstrahlungsquelle,
die extrem brillantes
Röntgenlicht erzeugt. Diese Anlage ist einzigartig
in Deutschland und lockt Forschende
aus der ganzen Welt – von der Chemie, Physik
und Biologie bis hin zur Geologie. Zirka 3 000
externe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
aus 35 Ländern kommen jährlich
dafür nach Berlin.
Hochleistungsrechnen – dahinter stehen so
genannte Supercomputer. Ein solcher steht am
Zuse-Institut Berlin. Im weltweiten Vergleich
nimmt „Lise“, so der Name, benannt nach der
Physikerin Lise Meitner, Platz 56 ein. Kein
Wunder also, dass Berlin zu einem der acht
Zentren für „Nationales Hochleistungsrechnen“
(NHR) auserkoren ist.
Als solches erhält das Zuse-Institut Berlin
(ZIB) als Zentrum für Wissenschaftliches
Rechnen unter Mitwirkung der Berlin University
Alliance (BUA), dem Exzellenzverbund der
Berliner Universitäten Freie Universität Berlin,
Humboldt-Universität zu Berlin, Technische
Universität Berlin sowie der Charité – Universitätsmedizin
Berlin künftig umfangreiche
Förderung von Bund und Ländern. Schließlich
sind Supercomputer essenziell für die Vorhersagen
von Wetter und Klima, die Entwicklung
wirksamerer Medikamente oder neuer Materialien.
Auch die Zukunftsthemen Künstliche
Intelligenz und Maschinelles Lernen sind ohne
Supercomputer nicht denkbar.
Fotos: HZB, Zuse-Institut Berlin
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
FORSCHUNG IM OSTEN
WIRTSCHAFT+MARKT67
BRANDENBURG
11
DEUTSCHES GEOFORSCHUNGS-
ZENTRUM GFZ
POTSDAM
Echtzeitmonitoring einer Bohrung durch das GFZ
in internationaler Kooperation die Gefährdung
durch Erdbeben und Tsunamis zu mindern.
Doch die Arbeit am GFZ ist auch für Ostdeutschland
relevant, sei es um die Sicherheit
in Tagebauen zu erhöhen oder um die Ursachen
von Abbrüchen der Rügener Kreideküste zu ergründen.
Ganz besonders wichtig für die wirtschaftliche
Zukunft der Region Berlin-Brandenburg
sind beispielsweise die Erkenntnisse
über die Chancen der Geothermie im künftigen
Energiemix. Zudem ist das GFZ eine wichtige
Institution bei der Entwicklung der Lausitz
zu einer Modellregion für die Anpassung der
Landnutzung an den Klimawandel.
im großtechnischen Bereich gekoppelt werden.
Sie ermöglichen neuartige Ansätze wie
Wärmespeicherkraftwerke, die erneuerbare
Energiequellen statt fossiler Rohstoffe nutzen.
Das Ziel der Cottbuser Forscher : Die Dekarbonisierung
großer energieintensiver Industrien
wie der Stahlerzeugung, Zementindustrie,
petrochemischen Industrie oder der Aluminiumproduktion.
Der Industriesektor verursacht
schließlich rund 20 Prozent aller CO 2
-Emissionen
in Deutschland. In den nächsten Jahren
soll das Institut auf rund 120 Mitarbeiter/
innen wachsen, von denen jeweils 60 am
Standort Cottbus und 60 am Standort Zittau
eingeplant sind.
13
FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR
ANGEWANDTE POLYMER-
FORSCHUNG IAP
POTSDAM
Foto: Daniel Acksel, GFZ
FORSCHUNGSFELDER :
GEORESSOURCEN, GEOENERGIE,
KLIMA, NATURGEFAHREN
Das Deutsche GeoForschungsZentrum GFZ
ist Deutschlands nationales Zentrum für die
Erforschung der festen Erde und hat seinen
Sitz auf dem Potsdamer Telegrafenberg. Mehr
als 1 200 Mitarbeiter forschen am GFZ, das
1992 innerhalb der Helmholtz-Gesellschaft
gegründet wurde und einen weltweiten Ruf in
der Geo- und Klimaforschung genießt. Es ist
die größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung
Brandenburgs. Und es verfügt über
ein in Deutschland einzigartiges Transmissions-Elektronen-Mikroskop,
das allerkleinste
Strukturen von Gesteinen, Metallen und
Biomaterialien sichtbar machen kann.
Forscherinnen und Forscher des GFZ arbeiten
auf allen Kontinenten von der Antarktis
über Afrika, Asien und Südamerika bis nach
Grönland und Spitzbergen. In der breiten
Öffentlichkeit bekannt sind die Potsdamer vor
allem mit ihrer Erdbebenforschung. Mit dem
GEOFON-Projekt versuchen die GFZ-Forscher
12
DLR-INSTITUT FÜR CO2-ARME
INDUSTRIEPROZESSE
COTTBUS
FORSCHUNGSFELD :
ENERGIE, ENERGIESPEICHER,
PROZESSTECHNIK
Das erste Institut des Deutschen Zentrums
für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Bundesland
Brandenburg wurde im Sommer 2019
ins Leben gerufen. Hier werden Technologien
entworfen, mit denen industrielle Prozesse
weniger CO₂ ausstoßen.
Ein Beispiel : Konzepte für Hochtemperaturwärmepumpen,
mit denen Strom und Wärme
FORSCHUNGSFELD :
POLYMERANWENDUNGEN
Im Science Park in Potsdam-Golm hat sich das
Fraunhofer IAP als Spitzeninstitut der Bioökonomie-Forschung
etabliert. Für die Wirtschaft
entstehen hier seit 1992 Entwicklungen
wie nachhaltige Verpackungen, abriebarme
LKW-Reifen aus Synthesekautschuk oder
biobasierte und kompostierbare Kunststoffschienen
für die Medizin.
Ziel der rund 250 Mitarbeiter ist es, umweltverträgliche
Produkte und Dienstleistungen auf
der Basis nachhaltiger Rohstoffe zu entwickeln.
Die Anwendungsfelder reichen von Biotechnologie,
Medizin, Pharmazie und Kosmetik über
Elektronik und Optik bis hin zu Anwendungen in
der Luftfahrt-, Automobil-, Bau- und Lackindustrie.
Neben Potsdam betreibt das Fraunhofer
IAP auch Standorte in Schkopau, Teltow,
Schwarzheide, Cottbus, Wildau und Hamburg.
Viele Forschungsaktivitäten werden zusammen
mit dem ostdeutschen Mittelstand betrieben.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
68
WIRTSCHAFT+MARKT
FORSCHUNG IM OSTEN
So werden beispielsweise seit über 25 Jahren
am Fraunhofer IAP Mikrokapseln für verschiedenste
Anwendungen entwickelt – vom
verkapselten Schmiermittel für bewegte
Kunststoffbauteile wie Zahnräder oder Gleitlager
über Düngemittel, die im Boden über einen
langen Zeitraum freigesetzt werden, bis hin zu
Pigmenten, die in Agrar- bzw. Gewächshausfolien
den Lichteinfall steuern.
Das IHP in Frankfurt (Oder)
14
HASSO-PLATTNER-INSTITUT
(HPI)
POTSDAM
FORSCHUNGSFELD :
IT-SYSTEME
Das Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam
ist Deutschlands universitäres Exzellenz-Zentrum
für Digital Engineering und einzigartig in
der deutschen Universitätslandschaft. Mit dem
Bachelorstudiengang „IT-Systems Engineering“
bietet die gemeinsame Digital-Engineering-Fakultät
des HPI und der Universität Potsdam ein
einmaliges und besonders praxisnahes ingenieurwissenschaftliches
Informatikstudium an,
das von rund 600 Studierenden genutzt wird.
Unterstützt durch den Stifter und Namensgeber
Hasso Plattner und durch internationale
Kooperationen belegt das HPI bei Hochschulrankings
stets Spitzenplätze. Derzeit sind am
HPI 21 Professorinnen und Professoren sowie
Das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam
über 50 weitere Gastprofessoren, Lehrbeauftragte
und Dozenten tätig. Das HPI steht so für
exzellente Forschung zu den Grundlagen und
Anwendungen hoch komplexer und vernetzter
IT-Systeme, Digital Health, Data Engineering
und Cybersecurity. Dabei legen die Potsdamer
Wert auf Praxisnähe und gemeinsame Projekte
mit der Industrie.
15
IHP – LEIBNIZ-INSTITUT FÜR
INNOVATIVE MIKROELEKTRONIK
FRANKFURT (ODER)
FORSCHUNGSFELDER :
SILIZIUMBASIERTE SYSTEME,
HÖCHSTFREQUENZ-
SCHALTUNGEN UND
-TECHNOLOGIEN
Das IHP in Frankfurt (Oder) arbeitet an
innovativen Lösungen beispielsweise für die
drahtlose Kommunikation, die Breitbandkommunikation,
Medizintechnik, Industrie
4.0, Mobilität und Raumfahrt. Rund 300
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben
Universitäts-Gebäude der BTU Cottbus-Senftenberg
das IHP zu einem international anerkannten
Kompetenzzentrum für Silizium-Germanium-Technologien
entwickelt. Auch in
der Höchstfrequenzelektronik gehören die
Frankfurter zu den weltweit führenden Forschungseinrichtungen.
Zu den Forschungsfeldern gehören drahtlose
Systeme und ihre Anwendungen, Hochfrequenz-Schaltkreise,
Technologien für smarte
Systeme und Materialien für die Mikro- und
Nanoelektronik. Das IHP ist darüber hinaus Teil
der Forschungsfabrik Mikroelektronik, einer
Kooperation von 14 Forschungseinrichtungen
mit dem Ziel, die Herstellung und Vermarktung
mikroelektronischer Produkte in Deutschland
zu fördern.
16
INNOVATIONSCAMPUS
MIKROSENSORIK (ICAMPUS)
COTTBUS
FORSCHUNGSFELD :
SENSORISCHE SYSTEME
Am Innovationscampus Elektronik und Mikrosensorik
Cottbus bündeln die BTU Cottbus-
Senftenberg, das IHP – Leibniz-Institut für innovative
Mikroelektronik, das Ferdinand-Braun-
Institut – Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik
(FBH), das Fraunhofer-Institut für
Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM)
Fotos: HPI / Kay Herschelmann, IHP - Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik, BTU Cottbus–Senftenberg
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
FORSCHUNG IM OSTEN
WIRTSCHAFT+MARKT69
und das Fraunhofer-Institut für Photo nische
Mikrosysteme (IPMS) ihre Kräfte in der
Spitzenforschung. Im Mittelpunkt steht die
wirtschaftliche Verwertbarkeit von sensorischen
Systemen in der Industrie 4.0 und im
Bereich Smart Health. Ein Ziel der Kooperation :
die Wettbewerbsfähigkeit der Region Lausitz
zu steigern.
MECKLENBURG-
VORPOMMERN
17
PANTA RHEI GGMBH –
FORSCHUNGSZENTRUM FÜR
LEICHTBAUWERKSTOFFE
COTTBUS
18
Das Fraunhofer IGP in Rostock
Floating Offshore Wind Solutions des Bundesforschungsministeriums
ist das IGP ebenfalls
beteiligt : In diesem Projekt entwickeln die
Partner Lösungen für schwimmende Windparks.
Auch an Folienbeschichtungssystemen
als Korrosionsschutz für Offshore-Windkraftanlagen
oder an der Verbesserung
der Schweißnahtqualität beim Unterwasser-Schweißen
wird in Rostock geforscht.
FORSCHUNGSFELD :
LEICHTBAUWERKSTOFFE
FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR
GROSSSTRUKTUREN IN DER
PRODUKTIONSTECHNIK IGP
19
Foto: Fraunhofer IGP
Leichtbauwerkstoffe verringern die Energiekosten
und den Schadstoffausstoß in
der Industrie. Das gilt für die Verkehrstechnik
ebenso wie für den Maschinenbau. Das
Forschungszentrum für Leichtbauwerkstoffe
Panta Rhei gGmbH widmet sich seit 2001 in
enger Abstimmung mit der Brandenburgischen
Technischen Universität Cottbus-Senftenberg
der Produktion und Verarbeitung solcher
innovativer Leichtbauwerkstoffe, insbesondere
den metallischen Leichtbauwerkstoffen,
deren Herstellungs- und Fügetechnologien.
Diese Leichtbauwerkstoffe basieren auf Aluminium,
Magnesium und Titan. Eine besondere
Expertise der Cottbuser liegt auch auf hochwarmfesten
Titanaluminid-Legierungen und
höherfesten, oberflächenveredelten Stählen.
Der Leichtbau soll in zahlreichen Projekten
für und mit Industriepartnern zu einem der
wirtschaftlichen Standbeine beim Umbau der
Wirtschaftsstruktur in der Lausitz ausgebaut
werden. Das neue Forschungslabor 3DLAB
wird hierbei eine wichtige Rolle spielen, um
die Potenziale der additiven Fertigung für
Serienanwendungen von der Ersatzteilherstellung
bis zum Ultra-Leichtbau ausschöpfen
zu können.
Das Rostocker Fraunhofer IGP erarbeitet
gemeinsam mit Kooperationspartnern aus der
Industrie Konzepte für Produkt- und Prozessinnovationen.
Das Augenmerk gilt dabei dem
Schiff- und Stahlbau, der Energie- und Umwelttechnik,
dem Schienen- und Nutzfahrzeugbau
sowie dem Maschinen- und Anlagenbau.
Seit 2020 gehört das ehemals eigenständige
Institut in der Rostocker Südstadt offiziell
zur Fraunhofer-Gesellschaft und ist damit
mit rund 200 Mitarbeitern das erste Fraunhofer-Institut
mit Hauptsitz in Mecklenburg-
Vorpommern.
ROSTOCK
FORSCHUNGSFELDER :
FERTIGUNGSTECHNIK, PRO-
DUKTIONSSYSTEME, LOGISTIK
Ein Forschungsschwerpunkt der Rostocker
wird künftig das Thema Werft 4.0 sein. Dabei
geht es unter anderem um die Forschung zu
Fertigungstechniken und Werkstoffen unter
Wasser. Am Wachstumskern OWSplus –
FRIEDRICH-LOEFFLER-INSTI-
TUT, BUNDESFORSCHUNGSIN-
STITUT FÜR TIERGESUNDHEIT
(FLI)
GREIFSWALD – INSEL RIEMS
FORSCHUNGSFELD :
TIERGESUNDHEIT
Die Corona-Pandemie rückte auch dieses in
Deutschland einzigartige Forschungsinstitut
in die Schlagzeilen. Denn rund 75 Prozent
aller neu auftretenden Infektionskrankheiten
beim Menschen haben ihren Ursprung im
Tierreich. Diesen Zoonosen, zwischen Mensch
und Tier übertragbaren Krankheiten, ist das
Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) als Bundesforschungsinstitut
für Tiergesundheit auf der Insel
Riems auf der Spur. Zur Früherkennung und
Bekämpfung solcher Infektionskrankheiten ist
das FLI in zahlreiche nationale und internationale
Forschungsprojekte eingebunden. Zur
Eindämmung der Corona-Pandemie wurden
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
70
WIRTSCHAFT+MARKT
Mit seinen aktuell 33 Mitarbeitenden sind die
Die Insel Riems vor der Küste Greifwalds
etwa Untersuchungen unternommen, welche
Gefahr für Nutztiere wie Schweine, Hühner
oder Rinder besteht.
Warnemünder Forschungs- und Entwicklungspartner
der Medizintechnikindustrie. Durch
die Unterstützung der regionalen Industrie
und die enge Hochschulkooperation trägt
der IIB e.V. wesentlich zum Ausbau Mecklenburg-Vorpommerns
als Technologiestandort
bei. Geprägt wurde das Institut von seinem
Direktor, Professor Klaus-Peter Schmitz. 1998
gelang ihm die Ausgründung und Ansiedelung
des Medizintechnikunternehmens CORTRO-
NIK. Das Unternehmen, ein Tochterunternehmen
der BIOTRONIK-Gruppe, beschäftigt
mittlerweile 450 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
und gehört damit zu einem der größten
Arbeitgeber in Rostock.
22
LEIBNIZ-INSTITUT FÜR
KATALYSE (LIKAT)
ROSTOCK
FORSCHUNGSFELD :
KATALYSEFORSCHUNG
Am Hauptstandort auf der Insel Riems arbeiten
450 Mitarbeiter, weitere Standorte befinden
sich in Jena und in Niedersachsen. Wegen
des besonderen Forschungsgegenstands verfügt
das FLI auf Riems über Sicherheitslabore,
die zum Teil in Europa einzigartig sind.
20
21
INSTITUT FÜR REGENERATIVE
ENERGIESYSTEME IRES
STRALSUND
Das Leibniz-Instituts für Katalyse e. V. an der
Universität Rostock (LIKAT), 1952 gegründet, ist
eines der größten öffentlich geförderten Forschungsinstitute
im Bereich der angewandten
Katalyse in Europa. Es gehört zu den europaweit
führenden Forschungseinrichtungen
bei der Entwicklung von homogenen und
heterogenen Katalysatoren. Forscherinnen
und Forscher des LIKAT veröffentlichen jährlich
fast 250 Artikel in anerkannten Fachjournalen
weltweit.
Das Institut für ImplantatTechnologie und Biomaterialien
e.V. (IIB e.V.) wurde 1996 im Rostocker
Ortsteil Warnemünde gegründet. Das IIB
ist eine gemeinnützige, außeruniversitäre und
wirtschaftsnahe Forschungseinrichtung. Seit
dem Jahr 2013 ist es zudem ein An-Institut der
Universität Rostock. Der IIB e.V. beherbergt
das Kompetenzzentrum für Medizintechnik
Mecklenburg-Vorpommern und ist Partner
des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums
Rostock.
INSTITUT FÜR IMPLANTAT-
TECHNOLOGIE UND BIO-
MATERIALIEN (IIB)
ROSTOCK
FORSCHUNGSFELD :
MEDIZINTECHNIK
FORSCHUNGSFELD :
REGENERATIVE ENERGIE-
SYSTEME
Die Hochschule Stralsund betreibt wirtschaftsnahe
Forschung in den Bereichen
Elektrotechnik, Informatik, Maschinenbau und
Wirtschaft. Seit 2009 stehen am Institut für
Regenerative EnergieSysteme die Nutzung
erneuerbarer Energiequellen und der Wasserstofftechnologie
im Fokus. Jüngst ist den
Stralsundern mit der hauseigenen Methanol-Synthese-Anlage
erstmals die direkte
Produktion von Methanol aus Wasserstoff und
Kohlendioxid gelungen. Die Wissenschaftler
haben damit gemeinsam mit Partnern der bse
Engineering Leipzig GmbH den problemlosen
Einsatz von Wasserstoff als Energieträger
für die Wirtschaft ermöglicht. Das Institut gilt
als international angesehenes Kompetenzzentrum
zur Speicherung, Wandlung und zum
Einsatz erneuerbarer Energien. Und es ist
wesentlicher Treiber einer Wasserstoffregion
Rügen-Stralsund.
Gegenwärtig arbeitet das LIKAT beispielsweise
im Forschungsvorhaben E4MeWi unter Leitung
des Berliner Startups CreativeQuantum mit
Chemikern und Ingenieuren aus ganz Deutschland
an einer Chemiefabrik in Containergröße,
die hocheffizient Methanol aus Wasser, Kohlendioxid
und erneuerbaren Energien produzieren
soll. Damit könnten in einigen Jahren auch kleine
und mittelständische Unternehmen sowie
regionale Versorger dezentral und umweltfreundlich
Methanol herstellen. Die Rostocker
arbeiten eng mit großen Konzernen wie Evonik
oder Henkel zusammen. So zum Beispiel bei der
Entwicklung eines Klebstoffs aus Reststoffen
der Papierindustrie.
Foto: Friedrich-Loeffler-Institut
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
FORSCHUNG IM OSTEN
WIRTSCHAFT+MARKT71
SACHSEN
Das Leibniz INP ist in Greifswald beheimatet.
23
24
25
LEIBNIZ-INSTITUT FÜR
PLASMAFORSCHUNG UND
TECHNOLOGIE (INP)
MAX-PLANCK-INSTITUT FÜR
PLASMAPHYSIK (IPP)
BARKHAUSEN INSTITUT
GREIFSWALD
GREIFSWALD
DRESDEN
FORSCHUNGSFELD :
PHYSIKALISCHE PLASMEN
FORSCHUNGSFELDER :
PLASMAPHYSIK,
FUSIONSFORSCHUNG
FORSCHUNGSFELD :
INTERNET OF THINGS (IOT)
Das Barkhausen Institut wurde 2019 in
Fotos: Leibniz INP, TUD / Eckold
Das Leibniz-Institut für Plasmaforschung und
Technologie e.V. (INP) in der Hansestadt Greifswald
zählt zu den größten außeruniversitären
Forschungseinrichtungen für Niedertemperaturplasmen
in Europa. Die Greifswalder forschen an
plasmagestützten Verfahren und Technologien,
die etwa zur Beschichtung von Oberflächen, zur
Dekontamination von Lebensmitteln, zur Reinigung
von Abwasser und Abluft, aber auch in der
Medizin eingesetzt werden können.
Das INP ist zudem leitende Einrichtung des
CAMPFIRE Bündnisses der Region Nord-Ost, in
dem sich über 30 hauptsächlich regionale Partner
die dezentrale Herstellung grünen Ammoniaks
aus Luft, Wasser und erneuerbaren Energien
zum Ziel gesetzt haben. Dieser soll beispielsweise
als emissionsfreier Schiffstreibstoff genutzt
werden. Hier hilft das INP, die Energiebranche
mit der maritimen und chemischen Industrie zu
verknüpfen. In Kooperation mit der Universität
Greifswald konnte zudem die weltweit erste
Professur für Plasmamedizin initiiert werden.
Grundlagenforschung mit Weltgeltung : Das
Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP)
mit den Standorten im bayerischen Garching
und in Greifswald erforscht die physikalischen
Grundlagen für ein Fusionskraftwerk, das
Energie aus der Verschmelzung von leichten
Atomkernen gewinnen soll. In dem 1994 gegründeten
IPP-Teilinstitut Greifswald wird die
Fusionsanlage Wendelstein 7-X betrieben.
Die Experimentieranlage, die weltweit größte
ihrer Art, soll die Kraftwerkstauglichkeit
von Fusionsanlagen des Typs „Stellarator“
nachweisen. Ziel der Fusionsforschung ist es,
ein klima- und umweltfreundliches Kraftwerk
zu entwickeln. Ähnlich wie die Sonne soll
es aus der Verschmelzung von Atomkernen
Energie gewinnen, ohne dass große Mengen
hochradioaktiver Stoffe anfallen, wie es bei
der Kernspaltung der Fall ist.
Dresden offiziell eröffnet. Hier reifen neuartige
Technologien zur Steigerung der Verlässlichkeit
von IoT-Systemen. Dazu zielt das Barkhausen
Institut, benannt nach dem deutschen Physiker
Heinrich Barkhausen, auf die Integration von
Hardware-, Software- und Kommunika tionskomponenten
ab.
Als Innovationszentrum für IoT-Technologien
ist das Institut Ansprechpartner für die nationale
und internationale Industrie. Es arbeitet
Der Barkhausenbau an der TU Dresden
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
72
WIRTSCHAFT+MARKT
FORSCHUNG IM OSTEN
eng mit der TU Dresden, dem Hightech-Netzwerk
Silicon Saxony und dem Smart Systems
Hub Dresden zusammen. Das Barkhausen Institut
fungiert als gemeinnützige GmbH und ist
eine Tochterfirma der Technischen Universität
Dresden. Es soll sich zu einem Forschungskompetenzzentrum
entwickeln, um Sachsen
für das Internet der Dinge zu rüsten. Zudem
soll es helfen, den Wissenschaftsstandort
Dresden zu einem Zentrum des Taktilen Internets
zu etablieren.
27
EXZELLENZCLUSTER MERGE
CHEMNITZ
eingebunden. Die Projektergebnisse des
Clusters kommen der Automobilindustrie, der
Luft- und Raumfahrt, dem Maschinenbau und
der Mikrosystemtechnik zugute. Die Region
Chemnitz zählt gerade im Textilen Leichtbau
eine hohe Zahl an Forschungseinrichtungen
und soll daher zum nationalen und internationalen
Leichtbau-Zentrum ausgebaut werden.
28
Das seit 2014 bestehende nationale Kompetenzzentrum
für Big Data, ScaDS Dresden/
Leipzig, wird künftig zu einem der deutschen
Zentren für Künstliche Intelligenz (KI) ausgebaut.
Dieses erweiterte Zentrum trägt den
Namen ScaDS.AI (Center for Scalable Data
Analytics and Artificial Intelligence) Dresden/
Leipzig und wird im Rahmen der KI-Strategie
der Bundesregierung gefördert. Auf
universitärer Seite sind die TU Dresden und
die Universität Leipzig beteiligt. Zusätzlich
zu den Forschungsbereichen KI-Grundlagen,
Wissensmanagement und Angewandte
KI untersucht ScaDS.AI Dresden/Leipzig die
Herausforderungen der Anwendung von KI in
vier neuen Anwendungsbereichen : Sicherheit,
Softwareengineering, hyperspektrale Bildgebung
und biomedizinische Anwendungen. Als
KI-Anwendungen werden u.a. Einsatzfälle in
der Medizin zur besseren Erkennung von Tumoren
sowie die Aufdeckung von Hacker-Angriffen
erforscht.
26
CENTER FOR SCALABLE DATA
ANALYTICS AND ARTIFICIAL
INTELLIGENCE (SCADS.AI)
DRESDEN/LEIPZIG
FORSCHUNGSFELD :
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ
Das Exzellenzcluster „Technologiefusion
für multifunktionale Leichtbaustrukturen“
(MER- GE) der Technischen Universität
Chemnitz war das erste und einzige Bundesexzellenzcluster
auf dem Gebiet der Leichtbauforschung.
In diesem Projekt arbeiten
Wissenschaftler/innen seit acht Jahren an
Technologiefusionen für multifunktionale
Leichtbaustrukturen. Es wurde von 2012
bis 2019 mit rund 40 Millionen Euro von
der Deutschen Forschungsgemeinschaft
(DFG) gefördert. Heute wird in zahlreichen
Einzelprojekten diese Forschungsarbeit
fortgesetzt.
FORSCHUNGSFELD :
LEICHTBAU
Ziel ist es, heute noch getrennte Fertigungsprozesse
in den Bereichen Kunststoff, Metall,
Textil und Smart Systems zusammenzuführen
sowie gleichzeitig Bauteile mit Sensorik
und Aktorik auszustatten. Das Forschungszentrum
„Lightweight Technologies MERGE“
schafft hierfür die Voraussetzungen.
Bei MERGE sind auch Großunternehmen und
zahlreiche kleine und mittlere Unternehmen
Das MERGE Technologiezentrum in Chemnitz
FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR
ELEKTRONISCHE NANO-
SYSTEME ENAS
Das Chemnitzer Fraunhofer-Institut für
Elektronische Nanosysteme ENAS konzentriert
sich auf die wissenschaftliche Arbeit
zu Smart Systems unter der Nutzung von
Mikro- und Nanotechnologien. Smart Systems
verbinden Elektronikkomponenten, Mikro- und
Nanosensoren sowie -aktoren mit Schnittstellen
zur Kommunikation und einer autarken
Energieversorgung. Sie spielen eine Schlüsselrolle
bei der Digitalisierung in verschiedenen
Bereichen – z.B. in der Automobilindustrie, in
der Medizintechnik oder im Logistik-Bereich.
Das Fraunhofer ENAS entwickelt Einzelkomponenten
für deren Fertigung sowie gesamte
Systemkonzepte und Technologien zur
System integration.
CHEMNITZ
FORSCHUNGSFELDER :
SMART SYSTEMS, MIKRO- UND
NANOTECHNOLOGIEN
Dazu passt der Standort Chemnitz, denn
ähnliche Kernkompetenzen gelten auch für
den Bereich Materialien und Intelligente
Systeme an der TU Chemnitz. Die Forschung
ist eingebunden in den Smart System Campus
Chemnitz, den Smart Systems HUB, den Netzwerken
Silicon Saxony und Biosaxony sowie
der Forschungsfabrik Mikroelektronik.
Foto: Wolfgang Schmidt
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
FORSCHUNG IM OSTEN
WIRTSCHAFT+MARKT73
30
FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR
VERKEHRS- UND INFRA-
STRUKTURSYSTEME IVI
DRESDEN
Forschung am Fraunhofer FEP
FORSCHUNGSFELDER :
FAHRZEUG- UND ANTRIEBS-
TECHNIK, INTELLIGENTE VER-
KEHRSSYSTEME
29
FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR
ORGANISCHE ELEKTRONIK,
ELEKTRONENSTRAHL- UND
PLASMATECHNIK FEP
DRESDEN
FORSCHUNGSFELDER :
OBERFLÄCHENTECHNOLOGIEN,
ORGANISCHE ELEKTRONIK
Das Fraunhofer FEP versteht sich als führender
Forschungs- und Entwicklungspartner
für Oberflächentechnologien und organische
Elektronik. Die Bandbreite der FEP-Forschung
ist enorm : von Wärmespeichermaterialien für
die Energiewende über Radarsensoren, die in
die Frontscheinwerfer eines Autos integriert
werden können, bis hin zu optoplasmonischen
Sensoren, die eine schnelle Qualitätsanalyse
von Milch ermöglichen.
Künftig beteiligt sich das Fraunhofer FEP am
europäischen „PhotonHub“, das kleine und mittelständische
Unternehmen bei der Lichtforschung
unterstützt. Das Fraunhofer FEP bringt
sein Know-how für organisch-elektronische
Bauelemente wie OLED (organische Leuchtdioden)
für Beleuchtung, organische Solarzellen,
OPD (Organische Photodioden) etwa zur Verbesserung
von Kamerachips und OFET (Organische
Feldeffekttransistoren) zur Entwicklung
neuartiger Displays in das Projekt ein.
Das Fraunhofer FEP ist in der Lage, kundenspezifische
OLED-Beleuchtungs- und Beschilderungsmodule
zu entwerfen und zu fertigen.
Darüber hinaus bietet das Institut Services wie
die Materialevaluation, Prozesstechnologie,
Systemintegration und elektro-optische Charakterisierung
und Zuverlässigkeitstests an.
Autonomes Fahren – das ist einer der
Forschungsschwerpunkte des Fraunhofer
IVI in Dresden. Dabei geht es aber nicht nur
um die Zukunft des Individualverkehrs auf
Deutschlands Straßen. In der sächsischen
Landeshauptstadt wird beispielsweise an autonomen
Arbeitsmaschinen für die Landwirtschaft
geforscht – im Fraunhofer-Leitprojekt
Cognitive Agriculture oder im Innovativen
Regionalen Wachstumskern „Feldschwarm“.
Aber auch Schlüsseltechnologien für autonome
Nutzfahrzeuge zum Einsatz in Logistikzentren,
Häfen oder Flughäfen entstehen am
Fraunhofer IVI.
Fotos: Fraunhofer FEP, Fraunhofer IVI
Das autartec®-Haus des Fraunhofer IVI am Bergheider See
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
74
WIRTSCHAFT+MARKT
Geforscht wird auch zu Ladesystemen für
die Elektromobilität und zur Ferndiagnose
von Batteriezustand und Akkulebensdauer
von Fahrzeugbatterien. Das Fraunhofer IVI
baut dabei auch auf die Kompetenzen seiner
Partner an der TU Dresden, der Bergakademie
Freiberg und der TH Ingolstadt. Aber auch
ganz außergewöhnliche Ideen entstehen am
Fraunhofer IVI. So wie das schwimmende
Selbstversorger-Haus autartec, eine Innovation
auf dem Gebiet der autarken Versorgungssysteme,
mit der die Attraktivität und
Lebensqualität in ländlichen Regionen wie dem
Lausitzer Seenland gesteigert werden soll.
Ein weiterer Bereich sind seit 2003 Lösungen
für die innere Sicherheit mit dem
Schwerpunkt Führungs- und Kommunikationssysteme.
Partner und Anwender dieser
Entwicklungen sind Entscheidungsträger und
Einsatzkräfte der Polizei, der Feuerwehr, des
Rettungsdienstes und des Katastrophenschutzes.
In Chemnitz, Dresden und Zittau forschen 600
Mitarbeitende des Fraunhofer-Instituts für
Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU
an Bauteilen, Verfahren und Prozessen sowie
zu den dazugehörigen komplexen Maschinensystemen.
31
FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR
WERKZEUGMASCHINEN UND
UMFORMTECHNIK IWU
CHEMNITZ
FORSCHUNGSFELDER :
MASCHINENSYSTEME,
BAUTEILE, VERFAHREN UND
PROZESSE
Im Fokus stehen die ressourceneffiziente
Produktion, Leichtbaustrukturen und die Verarbeitung
neuer Werkstoffe. Ein besonderes
Am Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie wird zu Rohstoffen und Recycling geforscht.
Highlight ist die „E³-Forschungsfabrik Ressourceneffiziente
Produktion“ – hier wird die
Fabrik der Zukunft geplant. Davon profitieren
beispielsweise Fahrzeughersteller, Anlagen-
und Maschinenbauer und die Medizintechnik.
In den für Sachsen wichtigen Innovationsclustern
„HZwo – Antrieb für Sachsen“ und „HZwo
CONNECT“ arbeitet das Fraunhofer IWU mit
der TU Chemnitz an dem Strukturwandel
im Automobilland Sachsen. Dazu gehört die
Weiterentwicklung der Wasserstofftechnologie.
Auch an der Umwandlung des Kraftwerksstandorts
Boxberg zu einem Zentrum für
carbonfaserverstärkte Leichtbaustrukturen
wirken die Chemnitzer mit.
32
HELMHOLTZ-INSTITUT
FREIBERG FÜR RESSOURCEN-
TECHNOLOGIE (HIF)
FREIBERG
FORSCHUNGSFELDER :
ROHSTOFFE, RECYCLING
Dem Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie
(HIF), eine Außenstelle
des Helmholtz-Instituts Dresden-Rossendorf,
kommt eine besondere Forschungsaufgabe
zu. Es wurde von der Bundesregierung
im Rahmen der Rohstoffstrategie im Jahr
2011 gegründet und kooperiert eng mit der
Bergakademie Freiberg, die einen bedeutenden
Ruf als Ressourcenuniversität genießt.
Am HIF sollen Wege gefunden werden, um
mineralische und metallhaltige Rohstoffe effizienter
bereitzustellen und umweltfreundlich
zu recyceln.
Das Freiberger Institut hat sich zum Ziel
gesetzt, einen bedeutenden Beitrag zur
nationalen Rohstoffversorgung zu leisten. Im
Mittelpunkt stehen Hochtechnologiemetalle
wie Gallium, Indium, Germanium und Seltene
Erden. Sie bilden die Grundlage für wirtschaftliche
Zukunftsthemen wie erneuerbare
Energien oder Elektromobilität. Aktuell sind
etwa 140 Mitarbeiter/innen am HIF beschäftigt.
Bis 2029 soll der Forschungscampus in
der Silberstadt Freiberg auf 350 Beschäftigte
wachsen. Zum Ausbau gehört beispielsweise
der Neubau eines Metallurgie-Technikums.1992
wurde das Helmholtz-Zentrum
Dresden-Rossendorf gegründet, seit 2011
ist es Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft.
Neben Dresden arbeitet das HZDR
auch an den sächsischen Standorten in
Görlitz, Freiberg und Leipzig. Mit rund 1 400
Mitarbeiter/innen und einem jährlichen Etat
von etwa 157 Millionen Euro zählt das HZDR
zu den größten außeruniversitären Forschungseinrichtungen
in Ostdeutschland.
Foto: HZDR / Frank Schinski
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
FORSCHUNG IM OSTEN
WIRTSCHAFT+MARKT75
SACHSEN-ANHALT
Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf
33
HELMHOLTZ-ZENTRUM
DRESDEN-ROSSENDORF
(HZDR)
34
HELMHOLTZ-ZENTRUM FÜR
UMWELTFORSCHUNG (UFZ)
35
FORSCHUNGSCAMPUS
STIMULATE
DRESDEN
LEIPZIG
MAGDEBURG
Foto: HZDR / Oliver Killig
FORSCHUNGSFELDER :
ENERGIE, GESUNDHEIT, MATERIE
Am nordöstlichen Rand von Dresden arbeitet
das HZDR in den Forschungsbereichen Energie,
Gesundheit und Materie. Im Forschungsbereich
Energie etwa daran, Energie und
Ressourcen in Industrieprozessen einzusparen.
Auch zur Sicherheit von Kernkraftwerken
wird in Dresden geforscht. Im Forschungsbereich
Gesundheit steht das HZDR für die
Entwicklung von Strategien im Kampf gegen
den Krebs. Im Forschungsbereich Materie
untersuchen die Dresdner Materialien unter
extremen Bedingungen wie beispielsweise
sehr hohe Magnetfelder oder sehr tiefe Temperaturen.
Dafür stehen große Forschungsanlagen
für Forschende aus dem In- und Ausland
zur Verfügung.
FORSCHUNGSFELDER :
ÖKOSYSTEME, UMWELT-UND
BIOTECHNOLOGIEN, WASSER-
RESSOURCEN
Das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung
(UFZ) beschäftigt rund 1 100 Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter an den Standorten Leipzig,
Halle (Saale) und Magdeburg. Seit 1992 hat es
sich einen anerkannten Ruf als internationales
Kompetenzzentrum für Umweltwissenschaften
erworben. In sechs Themenbereichen
befasst sich das UFZ mit Wasserressourcen,
Ökosystemen der Zukunft, Umwelt- und
Biotechnologien, Chemikalien in der Umwelt,
Modellierung und sozialwissenschaftlichen
Fragestellungen. Im jährlichen Wissenschaftsranking
der meistzitierten und damit weltweit
einflussreichsten Forscher/innen sind gleich
fünf UFZler vertreten.
Am UFZ werden Pläne zur Rettung des Leipziger
Auwalds vor der Austrocknung entworfen,
Maßnahmen gegen die Erwärmung der Wassertemperaturen
in der Rappbodetalsperre im
Harz vorgeschlagen und im UFZ-Dürremonitor
täglich flächendeckende Informationen zum
Bodenfeuchtezustand in Deutschland ermittelt.
FORSCHUNGSFELDER :
MEDIZINTECHNIK,
BILDGESTÜTZTE MINIMAL-
INTENSIVE THERAPIEN
Am Forschungscampus STIMULATE bündeln
die Universitätsmedizin und die Ingenieurwissenschaften
der Otto-von-Guericke-Universität
ihre Kräfte und arbeiten gemeinsam mit
der Industrie an neuartigen Entwicklungen in
der Medizintechnik. Schwerpunkt : bildgestützte
minimal-invasive Therapien, die sich
gerade bei Tumor- und Gefäßerkrankungen
als für den Patienten schonendere Behandlungsform
mit kürzeren Klinikaufenthalten
erwiesen haben.
Die Vision, chirurgische Eingriffe durch
minimal-invasive Techniken – unterstützt
von Bildgebung und Robotik – abzulösen,
wird nur an wenigen Standorten so wie in
Magdeburg vorangetrieben. Hier arbeiten
rund 60 Wissenschaftler/innen in der Medizintechnik,
Robotik und Kunststofftechnik mit
nationalen und internationalen KMU und
Konzernen zusammen.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
76
WIRTSCHAFT+MARKT
FORSCHUNG IM OSTEN
mobilen Test von Solarmodulen im Freien auf
so genannte Potential-induzierte Degradation
(PID), eine der häufigsten Ursachen
von Leistungseinbußen von Solarmodulen.
So können aufwendige Prüfverfahren im
Labor künftig entfallen.
37
FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR
FABRIKBETRIEB UND
-AUTOMATISIERUNG IFF
MAGDEBURG
Forschung am Forschungscampus STIMULATE
Seit letztem Jahr ist der Forschungscampus
im Magdeburger Wissenschaftshafen beheimatet.
Und genießt weiterhin Anerkennung
auch vom Bundesministerium für Forschung
und Bildung, das dem Projekt für weitere
fünf Jahre zehn Millionen Euro Fördermittel
zugesagt hat.
36
FRAUNHOFER-CENTER FÜR
SILIZIUM-PHOTOVOLTAIK CSP
HALLE (SAALE)
Die Forscher/innen am Fraunhofer CSP arbeiten
seit 2007 entlang der gesamten photovoltaischen
Wertschöpfungskette : Themen
wie Siliziumkristallisation, Waferfertigung,
Solarzellencharakterisierung und Modultechnologie
stehen dabei im Mittelpunkt. Das
Fraunhofer CSP hat sich in seiner Arbeit dabei
auch thematisch immer wieder dem starken
Wandel der Solarbranche in Sachsen-Anhalt
und Mitteldeutschland angepasst.
Beispiele für die Forschungsaktivitäten : Im
Fraunhofer-Leitprojekt „MaNiTU“ entwickeln
sechs Fraunhofer-Institute, darunter das
Fraunhofer CSP, höchsteffiziente und kostengünstige
Tandemsolarzellen. Solche Hocheffizienz-Solarzellen
können beispielsweise
in Dächern von Elektrofahrzeugen integriert
werden, um die Reichweite zu erhöhen.
FORSCHUNGSFELDER :
INTELLIGENTE ARBEITS-
SYSTEME, INDUSTRIE 4.0,
RESSOURCENEFFIZIENTE
PRODUKTION
Das Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und
-automatisierung IFF in Magdeburg forscht an
innovativen Lösungen in den Aufgabenfeldern
„Intelligente Arbeitssysteme“, „Ressourceneffiziente
Produktion und Logistik“, „Konvergente
Versorgungsinfrastrukturen“ und „Digital
Engineering“. Dabei setzen die Wissenschaftler
auf ihre Kompetenzen in der Robotik, beim
Messen und Prüfen und bei der Gestaltung von
Prozessen in Produktion und Logistik.
FORSCHUNGSFELDER :
SILIZIUMKRISTALLISATION,
WAFERFERTIGUNG,
MODULTECHNOLOGIE,
WASSERSTOFFERZEUGUNG
Das Fraunhofer CSP in Halle (Saale) ist ein gemeinschaftliches
Institut des Fraunhofer-Instituts
für Mikrostruktur von Werkstoffen und
Systemen IMWS und dem Fraunhofer-Institut
für Solare Energiesysteme ISE, dem größten
Solarforschungsinstitut in Europa.
Das mit dem Unternehmen Freiberg Instruments
entwickelte Testgerät PIDcheck
ermöglicht einen kostengünstigen und
Die Digitalisierung nutzt das Fraunhofer CSP für
die Qualitätskontrolle in der Photovoltaik.
So gehören beispielsweise neueste Entwicklungen
zur sicheren Mensch-Roboter-Kollaboration
und der Assistenzrobotik zu den
Kompetenzen des Fraunhofer IFF – ein
Themenfeld, das vor allem für die Automobilproduktion
der Zukunft von besonderer
Bedeutung ist.
Das Fraunhofer IFF ist in nationale und
internationale Wirtschafts- und Wissenschaftsnetzwerke
eingebunden und kooperiert
eng mit der Otto-von-Guericke-Universität
Magdeburg. Gegenwärtig entsteht eine
neue Forschungsfabrik im Magdeburger
Wissenschaftshafen. Im Elbfabrik getauften
Forschungszentrum wollen die Wissen-
Fotos: H. Krieg / Otto-von-Guericke-Universität, Fraunhofer CSP
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
FORSCHUNG IM OSTEN
WIRTSCHAFT+MARKT77
39
FRAUNHOFER-PILOTANLAGEN-
ZENTRUM FÜR POLYMER-
SYNTHESE UND -VERARBEITUNG
PAZ
SCHKOPAU
Bauarbeiten für die künftige Elbfabrik
FORSCHUNGSFELD :
POLYMERSYNTHESE UND
-VERARBEITUNG
schaftler/innen an Technologien arbeiten, mit
denen sich Unternehmen künftig robuster und
widerstandsfähiger gegenüber Störungen und
Krisen wappnen können. Die Fertigstellung der
Elbfabrik ist für den Herbst 2021 geplant.
38
FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR
MIKROSTRUKTUR VON WERK-
STOFFEN UND SYSTEMEN IMWS
Davon profitieren Auftraggeber aus der Mikroelektronik
und Mikrosystemtechnik ebenso
wie Unternehmen aus der Photovoltaik, der
chemischen Industrie oder dem Automobilbau.
Forschungsgebiete in enger Kooperation mit
der Industrie sind etwa Leichtbau-Technologien
oder das Chemische Recycling. In einer
Bestenliste des Wirtschaftsmagazins Capital
zu Deutschlands innovativsten Unternehmen
2020 schaffte es das Fraunhofer IMWS jüngst
in die Reihe der besten Forschungseinrichtungen
Deutschlands.
Am Fraunhofer-Pilotanlagenzentrum für
Polymersynthese und -verarbeitung PAZ im
ValuePark in Schkopau werden gemeinsam
mit industriellen Partnern Polymersyntheseund
-verarbeitungsprozesse im industrienahen
Maßstab durchgeführt. Das Fraunhofer PAZ
ist die größte außerindustrielle Polymersyntheseeinrichtung
Europas.
Es entstand 2005 auf gemeinsame Initiative
der Fraunhofer-Institute für Angewandte
HALLE (SAALE)
FORSCHUNGSFELDER :
MIKROELEKTRONIK, KUNST-
STOFFE, LEUCHTSTOFFE,
WASSERSTOFF
Fotos: Fraunhofer IFF / Viktoria Kühne, Fraunhofer IMWS
Die Frage, wie sich Werkstoffe und Bauteile
mit weniger Gewicht, höherer Zuverlässigkeit
und längerer Lebensdauer entwickeln lassen,
wird zunehmend zu einem Schlüsselfaktor für
die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.
Die Forscher am Fraunhofer IMWS untersuchen
die Mikrostruktur solcher Werkstoffe
und Bauteile auf der Grundlage experimenteller
und rechnerischer Mikrostrukturaufklärung.
Mit hochauflösenden Methoden entwickelt das Fraunhofer IMWS
Lösungen für neue Werkstoffeigenschaften.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
78
WIRTSCHAFT+MARKT
Ein Reifen aus naturidentischem, biomimetischen
Synthesekautschuk
Polymerforschung IAP in Potsdam-Golm und
für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen
IMWS in Halle. Das Fraunhofer PAZ hat
sich mittlerweile als wichtiger Bestandteil
der ostdeutschen Kunststoffindustrie und
als Partner der Wirtschaft etabliert.
Eine bedeutende Entwicklung des Fraunhofer
PAZ ist beispielsweise der BISYKA-Kautschuk
für die Reifenherstellung. Hierbei wurden die
einzigartigen mechanischen Eigenschaften
des Naturkautschuks auf Synthesekautschuk
übertragen. Der BISYKA-Kautschuk enthält
hoch mikrostrukturreines Polyisopren und
relevante Biokomponenten und überzeugt
durch 30 Prozent weniger Abrieb als Naturkautschukreifen.
Pflanzen, Stroh, Holz oder Mikroalgen statt
Erdöl als Rohstoffe für die chemische Industrie
– das ist die Vision, die am Fraunhofer CBP in
Leuna seit 2012 verfolgt wird. Das Fraunhofer
CBP ist ein Institutsteil des Fraunhofer-Instituts
für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik
in Stuttgart.
40
FRAUNHOFER-ZENTRUM FÜR
CHEMISCH-BIOTECHNO-
LOGISCHE PROZESSE CBP
LEUNA
FORSCHUNGSFELD :
NACHWACHSENDE ROHSTOFFE
Besonders bedeutend sind die Aktivitäten des
Fraunhofer CBP auf dem Gebiet der Wasserstoffforschung.
Denn Sachsen-Anhalt will
im Zuge der Energiewende und als Reaktion
auf den Kohleausstieg zu einer Modellregion
für grünen Wasserstoff heranreifen. Dazu
entsteht in Leuna gegenwärtig die Elektrolysetest-
und -versuchsplattform ELP.
Diese Pilotanlage soll grünen Wasserstoff zur
emissionsarmen Herstellung von Grundchemikalien
und Kraftstoffen produzieren. Sie setzt
dabei auf nachhaltige Quellen statt auf fossile
Rohstoffe : Strom aus Photovoltaik- oder Windkraftanlagen
wird genutzt, um mittels Elektrolyse
Wasserstoff aus Wasser zu erzeugen. Die
Elektrolysetest- und -versuchsplattform ELP
wird gemeinsam vom Fraunhofer CBP in Leuna
und dem Fraunhofer IMWS betrieben.
41
INSTITUT FÜR KOMPETENZ IN
AUTOMOBILITÄT – IKAM GMBH
MAGDEBURG/BARLEBEN
FORSCHUNGSFELDER :
ANTRIEBSTECHNIK, ELEKTRO-
MOBILITÄT, LEICHTBAU, MESS-
UND PRÜFTECHNIK
Spatenstich für die Elektrolysetest- und -versuchsplattform ELP mit
Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann (r.)
Das Institut für Kompetenz in AutoMobilität
– IKAM GmbH mit Sitz auf dem Universitätscampus
in Magdeburg sowie im Industrie- und
Gründerzentrum in Barleben versteht sich als
wirtschaftsorientierte Forschungseinrichtung
für die Automotive-Branche. Antriebstechnik,
Elektromobilität, Leichtbau sowie Mess- und
Prüftechnik gehören zum Profil der wissenschaftlichen
Arbeit der IKAM GmbH.
Das IKAM wurde 2012 an der Otto-von-
Guericke-Universität Magdeburg gegründet,
um Forschungs- und Entwicklungsprojekte
für den Automobil- und Mobilitätssektor im
21. Jahrhundert durchführen zu können. Als
solches ist es auch Teil des Forschungs- und
Transferschwerpunkts Automotive der Ottovon-Guericke-Universität.
Fotos: Fraunhofer IAP / Till Budde, Fraunhofer IMWS
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
FORSCHUNG IM OSTEN
WIRTSCHAFT+MARKT79
THÜRINGEN
Am IKAM wird an neuen Antriebstechniken geforscht.
43
42
LEIBNIZ-INSTITUT FÜR WIRT-
SCHAFTSFORSCHUNG HALLE
(IWH)
HALLE (SAALE)
ABBE CENTER OF PHOTONICS
JENA
FORSCHUNGSFELDER :
ULTRAOPTIK, STARKFELD-
PHYSIK, BIOPHOTONIK
Fotos: Dirk Mahler IKAM GmbH, IWH / freistil Fotostudios
FORSCHUNGSFELDER :
MAKROÖKONOMIK, FINANZ-
MÄRKTE, FINANZ- UND
ARBEITSMARKTFORSCHUNG
Das 1992 gegründete Leibniz-Institut für
Wirtschaftsforschung Halle (IWH) gilt als die
Stimme der wirtschaftswissenschaftlichen
Forschung in Ostdeutschland. Neben aktuellen
Erhebungen wie dem IWH-Insolvenztrend
oder den regelmäßigen Konjunkturprognosen
liefern die Forscher am IWH der Politik auch
wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse über
den Strukturwandel in Ostdeutschland. Das
IWH ist aber auch stark international ausgerichtet.
So sucht das IWH, in Halles Altstadt
beheimatet, in einem neuen Forschungsprojekt
Antworten auf die Frage, inwiefern
ökonomische Faktoren populistische Politik
in Europa befördern. Zu dem internationa-
Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung
in Halle (Saale)
len Projektteam gehören Forschende der
Wirtschafts- und Politikwissenschaften der
Universitäten von Nottingham und Glasgow
sowie des Wirtschaftswissenschaftlichen
Instituts der Tschechischen Akademie der
Wissenschaften in Prag. Auch im EU-Forschungsprojekt
MICROPROD arbeitet das IWH
mit europäischen Partnern zusammen – hierbei
zur Frage, wie sich Produktivitätswachstum
künftig in einer digitalen Welt erzielen
lassen wird.
Der Forschungsstandort Jena ist untrennbar
mit der Optik und Photonik verbunden. An der
Friedrich-Schiller-Universität Jena zählen sie
zu den herausragenden Forschungsschwerpunkten.
Im Abbe Center of Photonics auf
dem Beutenberg-Campus sind diese Kompetenzen
gebündelt.
Hier wird Spitzenforschung in den Bereichen
Ultraoptik (Nanooptik, Laserphysik,
photonische Materialien, optische Systeme),
Starkfeldphysik (Hochintensitätslaser,
Laserphysik, Röntgenoptik) und Biophotonik
(Spektraloptische Analytik, Biomedizinsche
Bildgebung, Chipbasierte Analytik und Diagnostik)
betrieben. Die disziplinenübergreifende
Forschung repräsentiert die Profillinie
LIGHT der Universität Jena.
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
80
WIRTSCHAFT+MARKT
FORSCHUNG IM OSTEN
44
CIS – FORSCHUNGSINSTITUT
FÜR MIKROSENSORIK GMBH
ERFURT
FORSCHUNGSFELDER :
MIKROSYSTEM-TECHNO-
LO GIEN, SENSORSYSTEME,
SILIZIUMDETEKTOREN
Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (r.) gibt den Startschuss
für das neue Batterieforschungszentrum.
Das CiS – Forschungsinstitut für Mikrosensorik
GmbH in Erfurt forscht zu den Themen
Mikrosystem-Technologien, Mikrosensoren,
Sensorsysteme und Siliziumdetektoren. Es
ist Mitglied der Zuse-Gemeinschaft, einem
Verbund unabhängiger privatwirtschaftlich
organisierter Forschungseinrichtungen. Das
CiS-Forschungsinstitut im Erfurter Südosten
ist Partner zahlreicher nationaler und europäischer
Netzwerke in Wissenschaft und Industrie.
45
FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR
ANGEWANDTE OPTIK UND
FEINMECHANIK IOF
Bis heute zählt Jena auch zur Speerspitze der
Forschung im Bereich der Lasertechnologien.
Am Fraunhofer IOF sowie am Institut für
Angewandte Physik der Friedrich-Schiller-Universität
Jena arbeiten seit mehr als 20 Jahren
Forscherinnen und Forscher kontinuierlich
daran, die Anwendungsmöglichkeiten von
Lasern zu verbessern.
Vielfältige Beispiele illustrieren das Forschungsspektrum
am CiS-Forschungsinstitut.
So werden etwa kleinste Drucksensorelemente
entwickelt, die Druck
und Dehnung messen. Die piezoresistiven
Drucksensorchips sind überall dort gefragt,
wo Prozesse hohe Präzision, Stabilität und
Zuverlässigkeit erfordern.
JENA
FORSCHUNGSFELDER :
LICHTQUELLEN UND LASER,
OPTO-MECHANISCHE SYSTEME,
SENSORIK
46
FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR
KERAMISCHE TECHNOLOGIEN
UND SYSTEME IKTS
In der Medizintechnik arbeitet das CiS-Forschungsinstitut
an der Entwicklung von
photoplethysmographischen Sensoren zur
kontinuierlichen Messung von Vitalparametern
wie Herzfrequenz und Blutsauerstoffsättigung.
Jüngstes Ergebnis dieser
Forschungen ist ein miniaturisierter Sensor,
der im Ohr außerdem noch den Blutdruck
überwacht.
Am traditionsreichen Optik-Standort Jena
ist das Fraunhofer IOF angesiedelt. Hier
wird buchstäblich an der Welt von morgen
geforscht. Gerade erst haben die Experten
des Fraunhofer IOF gemeinsam mit der
ZEISS-Sparte SMT und TRUMPF Lasersystems
for Semiconductor Manufacturing den
Deutschen Zukunftspreis gewonnen. Ihr
Forschungsfeld : die EUV-Lithographie. Sie
ermöglicht die Herstellung winziger Mikrochips
u.a. für die nächste Generation von Smartphones.
Mit dieser Technologie lassen sich
weitaus leistungsfähigere, energieeffizientere
und kostengünstigere Mikrochips herstellen.
HERMSDORF
FORSCHUNGSFELDER :
HOCHLEISTUNGSKERAMIK,
MEMBRANENTWICKLUNG,
BATTERIEFORSCHUNG
Das Fraunhofer IKTS wurde 1992 als Fraunhofer-Institut
für Keramische Technologien und
Sinterwerkstoffe IKTS in Dresden gegründet.
Im Februar 2010 wurde das Hermsdorfer
Institut für Technische Keramik HITK mit dem
Foto: Fraunhofer IKTS
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
FORSCHUNG IM OSTEN
WIRTSCHAFT+MARKT81
Fraunhofer IKTS vereint, um die Kompetenzen
beider Einrichtungen auf dem Gebiet der Hochleistungskeramik
zusammenzuführen.
Am Thüringer Standort in Hermsdorf bilden
vier Schwerpunkte die wesentlichen Forschungsaktivitäten.
Das Institut zählt zum
einen zu den weltweit führenden Forschungseinrichtungen
auf dem Gebiet der Membranentwicklung
für die Wasseraufbereitung,
Luftreinigung und Gastrennung.
Darüber hinaus werden dichte, hochfeste
Oxidkeramiken für die Medizintechnik, den
Werkzeug- und Maschinenbau, für die Automotivebranche
sowie für Beleuchtungstechnik
und optische Anwendungen entwickelt.
Der dritte Schwerpunkt liegt auf dem Gebiet
der Funktionskeramiken für sensorische und
aktorische Anwendungen.
Schlagzeilen machte das Fraunhofer IKTS aber
jüngst vor allem in der Batterieentwicklung :
Im Fokus stehen hier keramische Natrium-Ionen-Batterien.
So hat das vom Land Thüringen
mit über 13,5 Millionen Euro geförderte Batterie-Innovations-
und Technologie-Center BITC
in diesem Jahr im Industriegebiet Erfurter Kreuz
seine Arbeit aufgenommen. Als Außenstelle
des Fraunhofer IKTS, das als eines der größten
Batterieforschungsinstitute Deutschlands gilt,
erarbeitet es Systemlösungen für die vernetzte,
digital unterstützte Produktion und Qualitätssicherung
von Batteriezellen und -modulen. Das
Center soll zu einem europaweiten Leuchtturm
für energieeffiziente und ressourcenschonende
Batteriefertigung aufsteigen. Industriepartner
des ersten Projekts „BattLife“ ist CATT, Tochter
des chinesischen Batterieherstellers CATL.
47
IMMS INSTITUT FÜR MIKRO-
ELEKTRONIK- UND MECHATRO-
NIK-SYSTEME GGMBH (IMMS)
ILMENAU
FORSCHUNGSFELDER :
MIKROELEKTRONIK, SYSTEM-
TECHNIK, MECHATRONIK
Das Ilmenauer IMMS Institut für Mikroelektronik-
und Mechatronik-Systeme versteht
sich als strategischer Partner der kleinen und
mittleren Unternehmen. Es wurde 1995 als
An-Institut der TU Ilmenau gegründet. Neben
dem Hauptsitz im Ilmenauer Mittelstand
4.0-Kompetenzzentrum unterhält es noch
einen Institutsteil in Erfurt.
Das Institut entwickelt Gesamtlösungen für
Medizintechnik und Life Science, Automatisierungs-,
Umwelt- und Verkehrstechnik
sowie die Halbleiterfertigung. Auch zu den
Basistechnologien Kommunikationstechnik,
Mess-, Steuer- und Regelungstechnik sowie
Mikro- und Nanotechnologien wird in Ilmenau
gearbeitet. Dabei steht der Transfer von
Forschungsergebnissen in die Wirtschaft im
Vordergrund.
Die Einsatzmöglichkeiten der Innovationen am
IMMS sind vielfältig. So arbeitet das IMMS im
mitteldeutschen Experimentierfeld EXPRESS.
Dieses widmet sich Sonderkulturen im Pflanzenbau.
Digitale Technologien sollen dort die
Ressourceneffizienz steigern, eine umweltschonende
Produktion unterstützen und
die Biodiversität langfristig bewahren. Zum
Einsatz kommen innovative Technologien wie
Sensorik, Blockchain, Virtual Reality, Feldroboter
und 5G-Anwendungen. In der „Modellfabrik
Migration“ hilft das IMMS Firmen beispielsweise
bei der schrittweisen Einführung von
Digitalisierungslösungen zur Verbesserung
von Anlagen und Prozessen.
Foto: IMMS / ELMUG eG
Forschung im mitteldeutschen Experimentierfeld EXPRESS
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
82
WIRTSCHAFT+MARKT
48
LEIBNIZ-INSTITUT FÜR PHO-
TONISCHE TECHNOLOGIEN E.V.
(LEIBNIZ-IPHT)
JENA
FORSCHUNGSFELDER :
PHOTONIK, BIOPHOTONIK
der Infektionsforschung (LPI) eine Schlüsselrolle
spielen. Das nutzeroffene Zentrum
soll 2026 eröffnen und wird getragen vom
Leibniz-IPHT, der Universität, dem Universitätsklinikum
sowie dem Leibniz-Institut für
Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie
– Hans-Knöll-Institut.
49
THÜRINGER ENERGIE-
FORSCHUNGSINSTITUT
(THEFI)
Erforscht wird der gesamte Energiesektor,
angefangen bei der Energieerzeugung und
-verteilung über die Energiespeicherung und
-steuerung bis hin zur Energiewandlung.
Dazu gehören innovative Energieversorgungstechnologien,
neue Formen elektrischer
Netze, effektive Antriebe für Fahrzeuge,
Maschinen und Anlagen sowie innovative
Solar- und Windkraftanlagen.
50
THÜRINGER INNOVATIONS-
ZENTRUM MOBILITÄT (THIMO)
Das Leibniz-IPHT steht für exzellente
Leistungen in der Erforschung lichtbasierter
Verfahren für Medizin, Umwelt und Sicherheit.
Mit modernen lichtbasierten Methoden
erschafft es zukunftsweisende Lösungen zu
einer genaueren medizinischen Diagnostik, zu
sicheren Medikamenten, einer verbesserten
Lebensmittel- und Wasseranalytik und zu
innovativer Sicherheitstechnik. Die über
400 Mitarbeiter/innen (2019) stammen aus
36 Ländern.
Neben der Beteiligung des Leibniz-IPHT an
mehreren Sonderforschungsbereichen an der
Universität Jena sowie dem einzigen Exzellenzcluster
in Thüringen wird das Institut auch im
geplanten Leibniz-Zentrum für Photonik in
Das Thüringer Energieforschungsinstitut
(ThEFI) ist ein Verbund von insgesamt
13 Fachgebieten und Forschergruppen an der
Technischen Universität Ilmenau in den Bereichen
Energie- und Umwelttechnik. Es bündelt
die Forschungsaktivitäten der Fachgebiete
der TU auf dem Gebiet der Energietechnik und
bietet dafür eine einzigartige Forschungsinfrastruktur
an.
ILMENAU
FORSCHUNGSFELD :
ENERGIE- UND UMWELTTECHNIK
Das im Jahr 2011 an der TU Ilmenau gegründete
„Thüringer Innovationszentrum Mobilität“
(ThIMo) konzentriert sich in Kooperation mit
mehr als 200 nationalen und internationalen
Forschungspartnern auf die Lösung wissenschaftlicher
Fragen der Mobilität.
Dazu gehören etwa neuartige Methoden zur
Bestimmung der Umweltbelastung durch
Rußpartikel im Abgas oder durch Feinstaubabrieb
an Reifen und Bremsen. Am ThIMo wird
aber auch zur störsicheren Satellitennavigation
für hochautomatisiertes und fahrerloses
Fahren, an Testverfahren für Elektrofahrzeuge
oder an neuartigen Rad nabenmotoren
geforscht, die einem SUV-Elektrofahrzeug bei
einer einmaligen Aufladung von weniger als
90 Minuten eine Reichweite von 1 000 Kilometern
ermöglichen sollen.
ILMENAU
FORSCHUNGSFELD :
FAHRZEUGTECHNIK,
ANTRIEBSTECHNIK, LEICHTBAU
Der Campus der TU Ilmenau
Foto: Michael Reichel / arifoto.de
W+M – FRÜHJAHR/SOMMER 2021
2038
ist der
CO 2 -neutrale
Chemiepark Zeitz
ein internationales
Vorzeigeprojekt.
UND WAS MACHST DU SO? Die Zukunft im Mitteldeutschen
Revier hat begonnen. Zeit, sich einzubringen. Nutze die Möglichkeiten,
die sich in deiner Region bieten. Denk, diskutier, mach mit. 40 Mrd. Euro
stellt der Bund bis 2038 allen Revieren für den Strukturwandel zur
Verfügung. Machen wir das Beste daraus: Unsere Zukunft.
Arvid Friebe,
Geschäftsführer, Infra-Zeitz
Servicegesellschaft mbH,
Chemie- und Industriepark
Zeitz
strukturwandel.sachsen-anhalt.de
Glück auf, Zukunft.
STRUKTUR
WANDEL
MITTELDEUTSCHES
REVIER SACHSEN-ANHALT
EXPORT?
Da geht noch was
Schon mal ans Ausland gedacht?
Vielleicht haben Sie sich auch schon für die Expansion
ins Ausland entschieden, sind aber noch
unsicher, wie Sie es anpacken sollen? Oder Sie
haben bereits einen konkreten ausländischen Markt
im Blick, kennen sich vor Ort aber zu wenig aus?
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