Zirn_1920_web
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Der Lokalanzeiger | Ausgabe Stadt <strong>Zirn</strong>dorf 06.11.2020<br />
Die <strong>Zirn</strong>dorfer/innen mussten<br />
sich am Anfang des 20. Jahrhunderts<br />
das trinkbare Wasser<br />
immer noch mit Eimern und<br />
Kannen aus dem nächsten öffentlichen<br />
Brunnen holen. Das<br />
Wasser kam von den Quellen<br />
auf der Oberasbacher Höhe. Es<br />
rauschte in Tonröhren zu den<br />
fünf ständig laufenden Brunnen<br />
am Marktplatz, in der Nürnberger<br />
Straße, in der Roten Gasse,<br />
am Kirchenweg und im Vogelherd.<br />
Die Röhren waren häufig<br />
verstopft, das Wasser lief dann<br />
nur noch spärlich. Im Jahre 1891<br />
war das „Königlich technische<br />
Bureau für Wasserversorgung“<br />
beauftragt worden, Pläne für<br />
eine zentrale Wasserversorgung<br />
zu erstellen. Ein Jahr später lag<br />
das Gutachten vor. Es wurde<br />
empfohlen, Grundwasser zu fördern,<br />
denn die natürlichen Quellen<br />
auf der Oberasbacher Höhe<br />
könnten nicht mehr genügend<br />
Wasser liefern. Finanzielle Probleme<br />
standen dem Projekt im<br />
Wege, doch die Bevölkerung<br />
verlangte immer häufiger neue<br />
Brunnen im Ort.<br />
In der folgenden Zeit schimpften<br />
die <strong>Zirn</strong>dorfer/innen zwar immer<br />
häufiger über die Wassernot,<br />
18<br />
Lange wartete die Bevölkerung auf eine<br />
Wasserleitung<br />
doch große Aktivitäten der Gemeinde<br />
zur Behebung der Misere<br />
wurden nicht bekannt. Die Verwaltung<br />
wies nur darauf hin, dass<br />
die Probleme auch dadurch gemildert<br />
werden könnten, „wenn<br />
sich die Gebäudebesitzer zur Herstellung<br />
von Pumpbrunnen herbeilassen<br />
würden“. Dieser Vorschlag<br />
war riskant, denn das dabei<br />
geförderte Wasser war nicht immer<br />
genießbar. Im August 1895<br />
informierte das königliche Bezirksamt<br />
darüber, dass „das Wasser<br />
des Pfarrbrunnens zu Trinkwasser<br />
absolut unbrauchbar“ sei.<br />
Auch andere Brunnen mussten<br />
geschlossen werden.<br />
Endlich, im September 1902,<br />
schickte die Marktgemeinde eine<br />
neue Anfrage nach München.<br />
Das Königliche Wasserversorgungsbüro<br />
antwortete Anfang<br />
1903 mit einigen Vorschlägen<br />
und Kostenschätzungen. Die<br />
Vorarbeiten (Versuchsbohrungen,<br />
Pumpversuche, chemische<br />
Untersuchungen des Wassers)<br />
waren von der Gemeinde in<br />
Auftrag zu geben. Der Gemeindeausschuss<br />
entschied sich im<br />
Juli 1904 für Bohrversuche im<br />
Staatswald bei Weiherhof. Dafür<br />
musste ein Darlehen in Höhe<br />
von 15.000 Mark aufgenommen<br />
werden. Im Sommer 1906 führte<br />
die Süddeutsche Tiefbohr-<br />
Gesellschaft Gebhardt, Kraft &<br />
Co. aus Nürnberg mehrere Tiefbohrungen<br />
bei Weiherhof durch.<br />
Die Pumpversuche waren erfolgreich,<br />
das Wasser entsprach den<br />
Erwartungen.<br />
Zu Beginn des Jahres 1907<br />
drängte die Marktgemeinde<br />
auf einen schnellen Baubeginn.<br />
Die Antwort kam postwendend<br />
aus München: Das Projekt incl.<br />
Hochreservoir für 500 cbm bei<br />
der Alten Veste würde bereits<br />
ausgearbeitet. Nun ging es zügig<br />
voran. Mit der Königlichen Regierung<br />
in Ansbach wurde über<br />
eine Abtretung der Flächen für<br />
die Pumpstation und das Hochreservoir<br />
im Staatswald verhandelt.<br />
Die Staatsregierung in<br />
München stellte zu den veranschlagten<br />
Kosten von 251.500<br />
Mark einen Zuschuss in Höhe<br />
von 12 Prozent in Aussicht.<br />
Inzwischen war Kommerzienrat<br />
Georg Zimmermann in <strong>Zirn</strong>dorf<br />
zum Bürgermeister gewählt<br />
worden. Für eine neue Wasserleitung<br />
hatte er sich schon lange<br />
eingesetzt. Er schilderte dem<br />
Staatsministerium nochmals<br />
die finanzielle Notlage der Gemeinde.<br />
Sie würde Zinsen und<br />
Tilgung für den notwendigen<br />
Kredit nicht aufbringen können<br />
und deshalb „von der Ausführung<br />
des Projektes absehen<br />
müssen, wenn nicht höchstes<br />
königliches Staatsministerium<br />
des Innern der Gemeinde <strong>Zirn</strong>dorf<br />
mit einem weiteren ergiebigen<br />
Zuschuß zu Hilfe kommt“.<br />
Die Staatsregierung erhöhte daraufhin<br />
den Zuschuss von 12<br />
auf 18 Prozent. Die Gemeindeversammlung<br />
war einstimmig<br />
für die Aufnahme eines Kredits<br />
in Höhe von 250.000 Mark. Der<br />
Tilgungsplan reichte bis ins Jahr<br />
1940.<br />
Die Arbeiten wurden im Januar<br />
1908 in Angriff genommen und<br />
zum 30. September 1908 vollendet.<br />
Der Transport des Wassers<br />
vom Bohrloch bei Weiherhof<br />
in den Hochbehälter auf der<br />
Alten Veste war auf praktische<br />
Weise gelöst worden. Wenn das<br />
Wasser zur Neige ging, ertönte<br />
in Weiherhof eine elektrische<br />
Alarmklingel. Dann wusste der<br />
Maschinist, dass er Kohle für<br />
das Miniaturgaswerk nachlegen<br />
muss. Aus dem damit gewonnenen<br />
Gas wurden die Pumpen für<br />
den Transport auf die Alte Veste<br />
betrieben. War der Behälter voll,<br />
ertönte wiederum eine Klingel<br />
und die Pumpen konnten abgestellt<br />
werden.<br />
Über die Anschlusskosten der<br />
Häuser sowie über den Preis des<br />
Wassers gab es heftige Diskussionen.<br />
Für die Abrechnung der<br />
Hausanschlüsse in Höhe von insgesamt<br />
25.000 Mark waren die<br />
Anwesen in Klassen eingeteilt<br />
worden. Die Zahl der Haushalte<br />
pro Anschluss, die Größe der<br />
Wohnungen, die Viehhaltung,<br />
die Art des Gewerbes und die<br />
Anzahl der Beschäftigten wurden<br />
berücksichtigt. Im Oktober<br />
1908 beriet der Gemeindeausschuss<br />
über Vorschusszahlungen<br />
auf den künftigen Wasserverbrauch.<br />
„In der Wasserleitungskasse<br />
ist stehende Ebbe eingetreten“,<br />
schrieb die „Allgemeine<br />
Rundschau“. Als Wasserpreis<br />
schlug die Kommission 20 Pfennig<br />
pro Kubikmeter vor. Der<br />
Wasserverbrauch ließ anfangs zu<br />
wünschen übrig. Die Einnahmen<br />
reichten nicht für die Tilgung des<br />
Kredits aus. Die Gemeindekasse<br />
musste wieder einmal aushelfen.<br />
69.800 Kubikmeter Wasser wurden<br />
1909 über ein Netz von 14<br />
Kilometern an die Abnehmer geliefert.<br />
Der Bedarf stieg langsam<br />
aber stetig, vor allem durch die<br />
kontinuierlich wachsende Bevölkerung.<br />
Mehr Informationen über <strong>Zirn</strong>dorf<br />
in früheren Zeiten gibt es<br />
u. a. im Band 7 der Buchreihe<br />
„<strong>Zirn</strong>dorfer Geschichte und<br />
Geschichten“. Es trägt den Titel<br />
„Kaleidoskop der Bibertstadt“<br />
und ist zum Preis von 15 Euro in<br />
der Bücherstube <strong>Zirn</strong>dorf sowie<br />
auch direkt bei der Geschichtswerkstatt,<br />
Telefon 0911 - 60 16<br />
88, zu haben.