Sorge um den Bestand
ISBN 978-3-86859-659-5
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VII<br />
Verteilung auf das<br />
VORHANDENE in<br />
der Zwischenstadt<br />
Karoline-Goldhofer-<br />
Kindertageseinrichtung,<br />
Memmingen<br />
Architekt*innen heilergeiger architekten<br />
und stadtplaner BDA,<br />
Kempten Bauherrin Alois Goldhofer<br />
Stiftung, Memmingen Baujahr 2019<br />
Nutzfläche 864 m² Energiestandard<br />
Energieeffizienzklasse A+ (29,2 kWh /<br />
(m²a)) CO 2-Emission 4,98 kg /(m²a)<br />
(Klimaziel 2050) Energieerzeugung<br />
Regenerativer Anteil 82 % Graue<br />
Energie 75 % <strong>Bestand</strong>serhalt Ort<br />
Berwangweg 10, Memmingen<br />
Die Karoline-Goldhofer-Kindertageseinrichtung<br />
befindet sich im<br />
Memminger Ortsteil Amendingen.<br />
Vor 150 Jahren noch ein Dorf, ist er<br />
heute ein typisches Beispiel einer<br />
Zwischenstadt. Die Firma Goldhofer,<br />
deren Stiftung die Bauherrin<br />
der Kindertagesstätte ist, produziert<br />
hier Spezialfahrzeuge für <strong>den</strong><br />
Weltmarkt. Im nahen Wohngebiet<br />
lebte die Familie des Firmengründers<br />
in einem in <strong>den</strong> 1960er<br />
Jahren erbauten Bungalow. 2019<br />
entstand dort auf Initiative der Stiftung<br />
eine Tageseinrichtung für<br />
Kinder gemäß der Reggio-Pädagogik.<br />
Mit dem Umbau des Bungalows<br />
in eine Kindertagesstätte war die<br />
Suche nach architektonischen Antworten<br />
auf gesellschaftlich relevante<br />
Fragen des Bauens verbun<strong>den</strong>:<br />
Wie nutzen wir das Vorhan<strong>den</strong>e<br />
und schonen damit Ressourcen? Wie<br />
reduzieren wir Energie- und Ressourcenverbrauch<br />
und gewinnen<br />
gleichzeitig Ra<strong>um</strong>? Wie können das<br />
Wiederverwen<strong>den</strong> von Gebrauchtem<br />
und der damit verbun<strong>den</strong>e Gedanke<br />
des Klimaschutzes als eine<br />
rä<strong>um</strong>liche Bereicherung erfahrbar<br />
wer<strong>den</strong>?<br />
Ein wesentlicher Wert für die Reggio-<br />
Pädagogik liegt im kreativen Weiternutzen<br />
des Bestehen<strong>den</strong>. So war<br />
klar, dass das architektonische<br />
Konzept das alte Wohnhaus der Stifterfamilie<br />
erhalten und transformieren<br />
würde. Die neue Nutzung<br />
wird auf das schon Vorhan<strong>den</strong>e<br />
verteilt. Für die Kinder wird damit<br />
der Wert des Gebrauchten in der<br />
Architektur erfahrbar. Die Durchmischung<br />
der homogenen Wohnfunktion<br />
der Nachbarschaft mit dem<br />
sozialen und öffentlichen Leben der<br />
Kindertagesstätte ist ein erster<br />
Schritt zu einer neuen Urbanität in<br />
dieser Zwischenstadt.<br />
Die drei Gebäudeteile des alten<br />
Bungalows wur<strong>den</strong> erhalten, freigestellt<br />
und unter eine neue, transluzente<br />
Hülle gestellt. Die entstan<strong>den</strong>en<br />
Zwischenrä<strong>um</strong>e zwischen Alt<br />
und Neu sind Ra<strong>um</strong>erweiterung für<br />
die verschie<strong>den</strong>en Funktionen<br />
und gleichzeitig Element des nachhaltigen<br />
Energiekonzepts.<br />
Die neue Hülle aus recycelbarem Po lycarbonat<br />
speichert Licht und Ener -<br />
gie und erlaubte es, die <strong>Bestand</strong>swän-<br />
de ungedämmt und als histori sche<br />
Schicht zu erhalten. Das Energiekonzept<br />
ist somit ein Zusammenspiel<br />
von Ra<strong>um</strong>, Konstruktion und<br />
Nutzung. Die energetische Sanie -<br />
rung konnte hier mit einer ökologischen<br />
Alternative z<strong>um</strong> gängigen<br />
Wärmedämmverbundsystem architektonisch<br />
und rä<strong>um</strong>lich gelöst<br />
wer<strong>den</strong>. Dabei wird nicht gegen die<br />
Schwächen des <strong>Bestand</strong>s, sondern<br />
mit seinen Stärken gearbeitet.<br />
Im Alltag der Kindertagesstätte ist<br />
das Konzept des Wiederverwen<strong>den</strong>s<br />
und Aktivierens erlebbar: Materia<br />
lität und Details des <strong>Bestand</strong>s bleiben<br />
wie vorgefun<strong>den</strong>, die ergänzte<br />
Kon struktion ist sichtbar und<br />
roh. Neue Möbel vom Schreiner unterstützen<br />
die Nutzung und die<br />
Erfahrung des Alten.<br />
Dr. Jörg Heiler Architekt BDA<br />
Architekturstudi<strong>um</strong> an der TU<br />
München und der Architectural<br />
Asso ciation (AA) in London<br />
(Großbritan nien). Zusammen mit<br />
Peter Geiger führt er das Architektur -<br />
büro heilergeiger architekten und<br />
stadtplaner BDA in Kempten.<br />
Ein Arbeitsschwerpunkt ist die<br />
multifunktional gemischte, nachverdichtete<br />
und ökologische<br />
Weiter entwicklung bestehender<br />
verstädterter und industrieller<br />
Landschaften. 2011 Promotion mit<br />
der Arbeit Handlungstak tiken für<br />
<strong>den</strong> gelebten Ra<strong>um</strong> am Lehrstuhl für<br />
Städtebau und Regionalplanung der<br />
TU München bei Sophie Wolfr<strong>um</strong><br />
und Karl Ganser.<br />
Realisierte Projekte / Viten<br />
199