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Ausgabe März 2009 Erscheinungsdatum Nr. 3 19. Jahrgang ... - Ostritz

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Berliner Tagblatt, die Gartenlaube. Die Neue Züricher Zeitung kam so gar zweimal am<br />

Tag.<br />

Bis zum Ende des 3. Reiches hielten die Reichenauer Apelts und die weitverzweigte<br />

Zimmermann-Verwandtschaft seiner Ehefrau Lina eng zusammen: Man ging „zum<br />

Lichten“, das heißt, wenn es dunkel wurde, zu Zimmermann-Oswald ins Leubaer<br />

Oberdorf und lud zurück. Man war bei den verwandten Ritters oder der Familie<br />

Mittelstedt, Besitzer des Steinbruches, im Niederdorf eingeladen. Ob es die Seidels oder<br />

die Kunaks waren, ob man aus Bellmannsdorf, Hennersdorf oder Pfaffendorf Besuch<br />

bekam oder hinfuhr: Es war ein lebhaftes Hin und Her. Die Kirmst war der Höhepunkt<br />

unter den vielen Festen im Jahr, wo Porzellan und Stühle kaum reichten. Immer<br />

dazugeladen wurde der Direktor Monden aus Görlitz, der umworbene Konsum-Kunde.<br />

Ewald Apelt ließ ihn vom Bahnhof abholen und sein Bruder Max machte sich regelmäßig<br />

einen Spaß: Er lieh sich einen Landauer und Livree. Besonders die Frau Direktor Monden<br />

genoß das :“Das wird ja immer vornehmer in der Mühle“ war ihr Kommentar. Und die<br />

ganze Mühle hatte ihren Spaß daran. Gänsebraten, Kuchen, Tutti frutti, Suppen,<br />

Erdbeersahnespeisen, Kompotte. Über den ganzen Tag wurde gegessen. Wein und Bier<br />

flossen in Strömen. Zuletzt , nach Mitternacht, kam die „Heembresche“, das hieß Kuchen<br />

und Kaffee, als Wegzehrung für die Heimfahrt gedacht. Dann ging es mit dem<br />

Pferdewagen wieder davon. Oft war man heiser, so viel wurde gesungen, gelacht und<br />

geredet. Zwischendurch wanderte man durchs Dorf und feierte mit den<br />

Bauern im Kretscham. Man war unbeschwert, keiner war Spielverderber, alle hatten ihre<br />

Freude, manchmal auch an einigen Originalen. Bis zu ihrem Tode wurde immer auch die<br />

Grosche Justine zur Kirmst eingeladen. Das war eine entfernte Verwandte, die in einer<br />

kleinen Kate in Hennersdorf mit ihren Hühnern in einem Raum wohnte. Es gab wohl<br />

keinen schmuddligeren Menschen als sie. Aber sie gehörte zur Verwandtschaft und alle<br />

amüsierten sich darüber, wie sie beim Essen einer Apfelsine schweinerte. Oder der<br />

Kantor wurde vorgeführt, der nach jedem Satz „nich wohr“ sagte und alle sollten zählen,<br />

wie oft er das in einer Stunde sagte. Nur hat der Kantor am allgemeinen Kichern schnell<br />

gemerkt, dass er der Held in einer Komödie war.<br />

Am Totensonntag versammelte sich die ganze Familie, um nach dem Kirchgang zum<br />

Abendmahl zu gehen. Weihnachten waren die Kinder enttäuscht, wenn immer wieder<br />

Wäsche geschenkt wurde. Das fanden sie fürchterlich. Immer war ein doppelter<br />

Bettbezug dabei. Nach der Bescherung ging man zu den Großeltern in die<br />

Gedingewohnung der „Villa Hahn“. Karpfen polnisch war das traditionelle<br />

Weihnachtsessen.<br />

Mit dem Gebirgsverein fuhr man ins Elbsandsteingebirge, ins Riesengebirge oder ins<br />

Glatzer Bergland. Ziel des traditionellen Pfingstausfluges und der Ausflüge mit der<br />

Gefolgschaft war meist das Zittauer Gebirge.<br />

Politik<br />

Die Politik war kein Familien-Thema. Jeder urteilte nach eigenem Geschmack. In der<br />

letzten freien Wahl vor dem 3. Reich wählte jeder eine andere Partei: Ewald Apelts<br />

Schwager war Stahlhelmer, Ewalds Bruder judenfreundlich und deutsch-national, Ewalds<br />

Schwester entschied sich für eine Partei, die den heutigen Grünen ähnlich war. Die<br />

Jugend wählte natürlich nationalsozialistisch.<br />

Pfarrer Johannes Müller, Leuba, schrieb dazu 1986: “Unser Verhältnis zu den Vorgängen<br />

in der Politik am Vorabend des Krieges war zum größten Teil recht gebrochen. Wer hätte<br />

es den Menschen, die das politische und wirtschaftliche Durcheinander der 20er Jahre<br />

bewusst miterlebt, vielleicht sogar miterlitten hatten, verübeln wollen, dass sie das, was<br />

nach 1933 geschah, zunächst einmal als Wende zum Besseren verstanden? Wer hätte<br />

sich über die, die aus einer vaterländischen Tradition ihres Elternhauses kamen – und<br />

das galt für uns alle – gewundert, wenn wir nicht zunächst einmal von der allgemeinen<br />

Begeisterung erfasst worden wären! Ich weiß aber - und das gilt besonders für die<br />

Familie Apelt – dass sehr früh ernste Sorgen aufkamen und manches fragwürdig<br />

erschien. Ich denke hier nur an die sogenannte Kirchenfrage, bei deren Beurteilung mein

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