PT-Magazin 06 2020
Offizielles Magazin der Oskar-Patzelt-Stiftung. Titelthema: Ausgezeichnet.
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12 Gesellschaft<br />
Privateigentum:<br />
ein gefährdetes Freiheitsrecht<br />
Ein Essay von Heike Göbel, verantwortliche<br />
Redakteurin für Wirtschaftspolitik bei der FAZ<br />
Im<br />
dreißigsten Jahr der Wiedervereinigung<br />
gilt es erstaunlicherweise,<br />
ein für die Marktwirtschaft<br />
konstitutives Grundrecht zu verteidigen,<br />
das nach dem Zusammenbruch<br />
des DDR-Sozialismus eigentlich keiner<br />
Verteidigung mehr bedürfen sollte: den<br />
Schutz privaten Eigentums, den Artikel<br />
14 des Grundgesetzes garantiert. Während<br />
kaum jemand auf die Idee kommt,<br />
das Grundrecht auf freie Wahl des Berufs<br />
oder Gewerbes anzutasten (Artikel 12),<br />
die Niederlassungsfreiheit (Artikel 11)<br />
oder das Recht, Gewerkschaften oder<br />
Arbeitgeberverbände zur Wahrung der<br />
Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen<br />
zu bilden (Artikel 9), wird der in Deutschland<br />
bislang breit akzeptierte Eigentumsschutz<br />
vermehrt in Frage gestellt, nicht<br />
nur von links.<br />
Im Zentrum der 2019 rund um das 70.<br />
Jubiläum des Grundgesetzes mit Wucht<br />
ausgebrochenen Attacken steht privates<br />
Wohneigentum, das überraschend<br />
viele Menschen antasten wollen, weil<br />
sie glauben, Verstaatlichung behebe<br />
den Engpass an günstigen Wohnungen<br />
in den Städten. In Berlin hat der rot-rotgrüne<br />
Senat als Resonanz auf steigende<br />
Mieten ein Gesetz beschlossen, das Mieten<br />
fünf Jahre einfriert, teils gar ihre Senkung<br />
erzwingt. Der „Deckel“ beschneidet<br />
Eigentümer und Eigentümerinnen in der<br />
wirtschaftlichen Nutzung ihrer Wohnungen<br />
und Häuser; er wird derzeit vom Bundesverfassungsgericht<br />
überprüft. Den<br />
Furor einer Berliner Enteignungsinitiative<br />
bremst<br />
das nicht.<br />
Mühelos sammelte sie die Unterschriften<br />
für einen Volksentscheid, der den<br />
Senat zur Verstaatlichung der Bestände<br />
großer Wohnungsunternehmen in der<br />
Hauptstadt zwingen könnte, falls die<br />
Berliner zustimmen. Auch anderswo<br />
müssen sich Grundeigentümer wehren,<br />
wenn Hausbesetzer mit Gewalt Fakten<br />
schaffen wollen. Am Pranger linker und<br />
grüner Politik steht dann der Eigentümer,<br />
der auf sein Recht pocht, nicht der Besetzer,<br />
der es ihm mit der Faust nehmen will.<br />
Von starkem Eigentumsschutz zeugte<br />
es auch nicht, dass Kommunen auf dem<br />
Höhepunkt der Fluchtwelle 2015 private<br />
Immobilien beschlagnahmten oder entsprechende<br />
„Vorratsbeschlüsse“ fassten,<br />
um so billiger an Wohnraum für Migranten<br />
zu kommen als über freiwillig ausgehandelte<br />
Verträge.<br />
Gilt den einen der Kampf um günstigen<br />
Wohnraum als legitimes Instrument<br />
für Angriffe auf private Eigentumsrechte,<br />
sehen andere im Klimaschutz sogar eine<br />
Berechtigung für entschädigungslose<br />
Enteignungen, etwa von Kohlekraftwerksbetreibern.<br />
Nicht ohne Echo selbst<br />
in der bürgerlichen Mitte: Das Kohleausstiegsgesetz<br />
von CDU-Wirtschaftsminister<br />
Peter Altmaier legt fest, dass Steinkohlekraftwerke<br />
nach wenigen Jahren<br />
ohne Ausgleich stillgelegt werden können.<br />
Die sozialdemokratische Nachwuchshoffnung<br />
Kevin Kühnert machte<br />
2019 nicht nur mit der Idee von sich<br />
reden, Wohneigentum auf eine Immobilie<br />
pro Person zu rationieren, sondern<br />
gleich mit dem Traum vom sozialistischen<br />
Umbau. Er kann sich vorstellen,<br />
den Autokonzern BMW<br />
„auf demokratischem<br />
Wege“ zu kollektivieren.<br />
Die<br />
Verteilung<br />
der Profite<br />
müsse<br />
demokratisch<br />
kontrolliert<br />
werden:<br />
„Das<br />
schließt<br />
aus, dass es<br />
einen kapitalistischen<br />
Eigentümer<br />
dieses<br />
Betriebs<br />
gibt. Ohne<br />
Kollektivierung<br />
ist eine<br />
Überwindung<br />
des<br />
Kapitalismus<br />
nicht<br />
denkbar.“<br />
(Zit. nach<br />
Jochen<br />
Bittner/<br />
Tina Hildebrandt,<br />
Was heißt<br />
Sozialismus<br />
für<br />
Sie, Kevin<br />
Kühnert?,<br />
in: Die Zeit,<br />
2.5.2019, S. 8.)<br />
Ein Jahr hat<br />
der Juso-Chef,<br />
nun SPD-Vize<br />
auf dem Weg in<br />
den Bundestag,<br />
gebraucht, um<br />
von diesen Gedanken<br />
öffentlich etwas<br />
abzurücken. Wie gut<br />
das Grundgesetz vor<br />
solchen Träumen im<br />
Ernstfall schützt, daran<br />
gibt es Zweifel, seit mit<br />
Hilfe der CDU die Politikerin<br />
Barbara Borchardt im brandenburgischen<br />
Verfassungsgericht<br />
sitzt, die als Mitglied der<br />
Antikapitalistischen Linken für den<br />
© Jill Wellingto auf pixabay