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EGTA-Journal 2020-11

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Michael Quell

©Raphael Ophaus

Abbildung 6: Raphael Ophaus und Michael Quell im Atelier des Komponisten während der Arbeit an

„Meister Eckhart und Suhrawardi“ im Jahr 2017.

spielen dürfen, waren die Suite für Gitarre

von Krenek und die Tentos von Henze.

Mir haben allerdings schon damals

andere Strukturen vorgeschwebt,

die in einer unglaublichen Diskrepanz

zu der Musik von

beispielsweise

Tárrega

standen. Als ich dann mit

15 oder 16 Jahren im

Theorieunterricht

das

erste Mal Atmosphères

von Ligeti hörte, ist

mir bewusst geworden,

dass es schon

einige Werke gibt,

die

meiner Vorstellung

entsprechen. Ich

dachte, dass das auch

für Gitarre möglich sein müsste und

habe dann nach entsprechenden Werken

gesucht, ohne fündig zu werden. So

entstand das Bedürfnis, derartige Räume

mit dem Instrument zu öffnen.

Darüber hinaus ist mir die Tradition sehr

wichtig. Ich habe mich intensiv mit alter

Musik - also jener Musik vor 1600 - beschäftigt.

Ich fand Dowland, Mudarra

und Narváez unglaublich spannend und

auch das schwingt in meiner Musik mit.

Die Musik heute ist nicht abgekoppelt

von dem, was dereinst war. Als Abstraktum

ist es im Hintergrund und bestimmte

abstrakte Prinzipien tauchen immer

wieder auf: strukturelles Denken, formales

Denken usw.

Die Frage nach der Tradition aufgreifend

würde mich interessieren

welche Komponisten,

du hast Ligeti bereits angesprochen, für

dich prägend waren und wie du dein

Komponieren in der Gegenwart verorten

würdest. Ernst Flammer hat dein

Schaffen beispielsweise in die Nähe von

Claus-Steffen Mahnkopf gerückt. Wie

stehst du zu dieser Einordnung?

Historisch betrachtet bin ich von dem

geprägt, was ich viel gespielt und gehört

habe. Als junger Mensch hat mich

die Tradition um Bach sehr fasziniert. Ich

habe mich aber auch bereits relativ früh

für die Musik der Renaissance interessiert.

Die Sonaten von Beethoven und

auch das Ringen von Wagner am Rande

der Tonalität hat mich sehr begeistert.

Von der Wiener Schule haben mich

Schönberg und Webern am meisten beeindruckt

und auch mit Wyschngradsky

und seinem Umgang mit der Mikrotonalität

habe ich mich früh beschäftigt.

Die Argumentation von Flammer in Bezug

auf die Nähe meiner Musik zu jener

Mahnkopfs ist natürlich plausibel.

Mahnkopf ist jemand, der auf sehr hoher

Ebene ästhetisch reflektiert und das in

einen festen Zusammenhang mit seiner

Musik bringt. Das ist faszinierend und ein

Anspruch, den auch ich habe. Trotz dessen

würde ich meine Musik anders verorten.

Ich tendiere sehr viel stärker zu einer

inneren Energetik, als dies etwa bei

Mahnkopf im Zentrum stünde.

Wie würdest du deine Musik

charakterisieren?

Für mich ist wichtig, nicht in einen reinen

Subjektivismus zu geraten. Es geht

mir darum, dass die harmonische Dispo-

Ausgabe 9 • 11/2020

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