EGTA-Journal 2020-11
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Andreas Stevens
Die Gitarre, die Stille und die Nacht -
Das Notturno von Norbert Laufer
©Anreas Stevens
Biografie
Andreas Stevens fokussiert seine Forschungen
auf die Geschichte der Gitarre
und ihr Repertoire im deutschsprachigen
Raum. Er veröffentlichte Bücher
und Artikel in deutschen und internationalen
Magazinen. Er ist verantwortlich
für die Wiederentdeckung der langverlorenen
Sammlung der Gitarristischen
Vereinigung, welche nun in der Bayerischen
Staatsbibliothek München unter
dem Namen Gitarristische Sammlung
Fritz Walter und Gabriele Wiedemann
liegt. 2012 erhielt er in Alessandria den
Preis Chitarra d’oro in der Kategorie „Musikforschung“.
Seit 2007 veranstaltet er
gemeinsam mit Dr. Gerhard Penn das
Lake Konstanz Guitar Research Meeting.
Er hielt Vorträge in Österreich, England,
Deutschland, Italien und der Schweiz. In
seiner Reihe Alla tedesca: Guitar music of
the German-speaking countries hat er 2
CDs mit ausgewählten Kompositionen
von H. Albert und A. Stingl aufgenommen.
Ausgaben der Werke Albert wurden
bei Trekel und Zimmermann, sein
neu entdecktes Werk von Regondi bei
Chanterelle/Allegra veröffentlicht. Stevens
ist Fachleiter für „Zupfinstrumente“
an der Clara-Schumann Musikschule in
Düsseldorf.
www.stevens-gitarre.de
Der zarte Klang der mit den Norbert Laufer wendet sich mit
Fingern angeschlagenen Saiteninstrumente
hat schon seit
logitarre, das er im Jahr 2019
seinem kurzen Notturno für So-
Jahrhunderten Assoziationen zur Nacht geschrieben hat, an eine Zielgruppe,
angeregt. Mr. Dowland’s Midnight ist ein die zwar fortgeschritten sein sollte, aber
frühes Beispiel einer nächtlichen Stimmungsbeschreibung.
Zwar gilt John sein braucht. Der Komponist hat als aus-
notwendigerweise noch nicht virtuos
Field offiziell seit dem Jahr 1812 als „Erfinder“
des Nocturnes, aber auch im Wien fühl für Klang und Spielmöglichkeiten
gebildeter Geiger ein ausgeprägtes Ge-
des frühen 19. Jahrhunderts lassen sich der Saiteninstrumente und sein Werkkatalog
umfasst bereits eine respektable
bereits nächtliche Klänge in Notturnos,
(wahlweise auch in Serenaden) als Werktitel
oder als Titelausschmückungen wie Norbert Laufer hat bereits 1994 mit dem
Liste an Werken für und mit Gitarre. Auch
beispielsweise bei La Lira notturna (Giuliani
op. 69 für zwei Gitarren) Sonatines mit Nacht und Tag für Viola und Gitarre
Nocturne für Gitarre und Mandoline und
notturne (Vincenzo Gelli für zwei Gitarren)
ebenso in Paris (6 Duos nocturnes Diese Erfahrung und Kenntnis erweist
1992 nächtliche Klanggefilde erkundet. 2
op. 37 von Antoine de Lhoyer) schon sich als sehr hilfreich für den Zugang
ab 1803 besonders in der Kammermusik
mit Gitarre nachweisen. De Call, Küff-
die keine oder wenig Erfahrung mit zeit-
zum Stück, das besonders diejenigen,
ner, Diabelli, Carulli und Giuliani mitunter genössischen Klangwelten haben, dazu
auch weniger bekannte Gitarrenkomponisten,
wie der bereits erwähnte Vincenmosphäre
klanglich einzufangen und
einlädt, eine imaginäre nächtliche Atzo
Gelli, zählten zu den Nachtaktiven. 1 umzusetzen.
Besondere Bedeutung erlangte Matiegkas
1807 veröffentlichtes Trio Notturno ner melodischen Linie, die sich auf der 5.
Wir begegnen hier gleich zu Beginn ei-
op. 21, das für ziemliche Verwirrung sorgte,
als es 1918 in einer von Franz Schu-
vom Vierviertel- zum Dreivierteltakt ver-
Saite schön entfalten kann. Der Wechsel
bert in einer Handschrift zum Quartett leiht ihr eine rhythmische Unbestimmtheit,
die gleich die Assoziation zu den
erweiterten Fassung gefunden wurde
und die gitarristische Gemeinde sich vorübergehend
im Besitz einer Originalcher
Wahrnehmung nahe legt. Diese
verschwimmenden Konturen nächtlikomposition
von Franz Schubert wähnte.
So spannt sich ein großer Bogen in Stückes und wir folgen ihr in verschiede-
melodische Linie ist quasi die DNA des
der Gitarrenliteratur für Gitarre allein und ne Lagen und Erscheinungsformen Grave,
con rubato durch das ganze Stück.
im Zusammenklang mit anderen Instrumenten,
von kurzen Salonstücken bis Notenbeispiel Takt 1-4 (siehe S. 28)
zum Vorzeigestück dieser Gattung, dem
Nocturnal von Benjamin Britten.
1 Mein Dank geht an Gerhard Penn, der mich auf diese Werke aufmerksam machte.
2 Siehe Auswahlwerkliste im Anschluss.
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