POPSCENE Januar 01/21
Das total umsonste Popkulturmagazin
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Unfallursache entlarvte schließlich unumgänglich<br />
seine Alkoholprobleme und Andreas hatte<br />
größte Angst, dass auch seine Homosexualität<br />
in der Alkohol-Therapie aufgedeckt wird. Es gelang<br />
ihm schließlich weiterhin dies zu verbergen.<br />
Gleichzeitig lernte er durch die Therapie,<br />
die Gesundung seines Wohlbefindens in den<br />
Mittelpunkt seiner Handlungen zu stellen. Also<br />
auch Gewissensbisse und Selbstzweifel nicht<br />
mehr mit Selbstaufgabe durch Erfüllung der<br />
Erwartungshaltung anderer zu kompensieren.<br />
Die aus dieser Erkenntnis gereifte Verhaltensänderung<br />
führte letztendlich zur Trennung,<br />
„weil meine Frau diese neue Person nicht mehr<br />
wollte“, so Andreas. So zog seine Ehefrau 2<strong>01</strong>5<br />
mit den beiden jüngeren Kindern aus, der mittlerweile<br />
14-jährige älteste Sohn blieb bei ihm.<br />
Auch wenn Andreas zu dem Zeitpunkt sehr<br />
traurig war über den Verlust dreier der für ihn<br />
damals wichtigsten Menschen, fühlte er sich<br />
gleichzeitig sehr befreit, sich selbst von da an<br />
uneingeschränkt ausleben zu können. So lernte<br />
er 2<strong>01</strong>6 in einer Dating-App Jens, seinen heutigen<br />
Ehemann kennen. Mit ihm fühlte sich von<br />
Beginn an alles richtig an und Jens wollte auch<br />
dann seine Kinder kennenlernen.<br />
Jens & Andreas<br />
Das war für Andreas der Beginn seines konsequenten<br />
Outing-Prozesses. Zuerst offenbarte er<br />
sich seinem damaligen Therapie-Kollegen und<br />
übte diesen Moment der Wahrheit vorher vorm<br />
Spiegel. „Ich bin schwul!“ gestand sich Andreas<br />
selbst vorher mehrfach ein und blickte sich dabei<br />
selbst tief in die Augen. Danach folgte seine<br />
3 Jahre ältere Schwester und dann sein ältester<br />
Sohn. Beim PlayStation-Spielen erzählte er ihm<br />
von Jens, was ihm sehr schwer fiel. Sein Sohn<br />
reagierte für Andreas verblüffend unerwartet<br />
mit den Worten „Papa, wir leben im <strong>21</strong>. Jahrhundert!“.<br />
Mit dem Rückenwind dieser Selbstverständlichkeit,<br />
konnte er es endlich auch seiner<br />
damals noch Ehefrau beim Abholen der kleineren<br />
Kinder eingestehen. Auch sie reagierte überraschend<br />
positiv und Andreas fasste schließlich<br />
auch den Mut es seinem noch lebenden Vater zu<br />
sagen. Sehr konservativ und katholisch geprägt,<br />
war er sichtlich geschockt und reagierte nur mit<br />
den Worten: „Dazu sage ich jetzt nichts.“<br />
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QUEER