Urlaubsmagazin Weinland Pfalz "Aufbruch"
„Aufbruch“, so lautet das Thema dieser Ausgabe unseres Magazins „Weinland Pfalz – Entlang der Deutschen Weinstraße“.
„Aufbruch“, so lautet das Thema dieser Ausgabe unseres Magazins „Weinland Pfalz – Entlang der Deutschen Weinstraße“.
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„Man hat uns nicht als Rebellen<br />
gesehen, eher als Außenseiter<br />
und Ökospinner“<br />
1, 2<br />
Andrea Burkards Tiere<br />
leben in artgerechter,<br />
ganzjähriger Freilandhaltung<br />
und wachsen<br />
ihrer Rasse entsprechend<br />
robust, widerstandsfähig<br />
und<br />
ausgeglichen heran.<br />
1 2<br />
Wenn Engel die Nacht küssen<br />
Ein Sprung in die 1970er-Jahre: In Venningen in der Südpfalz<br />
beginnt Georg Wiedemann in das Mysterium einer „sauren<br />
Kunst“ einzutauchen. Über die Lektüre alter Bücher war er darauf<br />
gestoßen, dass Essig in früheren Zeiten ein wertvolles Gut<br />
gewesen ist. Fast alle Kulturen kannten Essig, erzählt Wiedemann.<br />
Auf die heilende Wirkung – im Zusammenspiel mit ausgesuchten<br />
Pflanzen – hätten zum Beispiel schon die Ägypter<br />
und Griechen gesetzt. Essig, der auch ein körpereigenes Produkt<br />
ist, könne Stoffwechsel und Verdauung anregen.<br />
„Für die Leute habe ich einfach den Wein verhunzt“, erinnert<br />
sich Wiedemann mit einem Schmunzeln an die Anfangsjahre.<br />
Der Beginn sei schwierig gewesen und „die Winzer haben mich<br />
nicht geliebt“. Verständlich, wenn man bedenkt, dass Oxygenium<br />
die Bezeichnung für Sauerstoff ist und vom altgriechischen<br />
Wort für sauer gewordenen Wein kommt: Essig. War Wiedemanns<br />
Idee, aus besten Weinen – etwa Beeren- und Trockenbeerenauslesen<br />
– Essig zum Trinken zu machen, revolutionär?<br />
„Eigentlich ist es Alchemie. Doch Ideen sind immer Rebellentum.<br />
Auch wenn man Vergessenes wieder hervorholt, kann<br />
man die Richtung bestimmen“, ist sich Wiedemann sicher.<br />
Sein Doktorenhof übt heute auf Genießer magnetische Anziehungskraft<br />
aus. Rund 40 verschiedene Essige vom „Armeniacum“<br />
über „Engel küssen die Nacht“ bis zur „Zitronenbraut“<br />
sind ständig im Angebot. Drei bis vier neue Geschmackskreationen,<br />
die andere ersetzen, kommen im Jahr dazu. Darunter<br />
auch „rebellische“ Essige wie aktuell der „Vatermörder“, der seinen<br />
Namen vom eleganten Stehkragen des Mannes von Welt<br />
im 19. Jahrhundert hat.<br />
Vom Außenseiter zum Ratgeber<br />
Ein weiterer Zeitsprung, diesmal ins Jahr 1990: Der Aufbruch<br />
von Andrea Burkard beginnt mit einem Zufall. In Wernersberg<br />
übernimmt sie eine kleine Herde von vier Gallowayrindern von<br />
ihrem Schwager, der sich seinem Hobby nicht weiter widmen<br />
konnte. Zusammen mit ihrem Mann Bernhard hat sie in der<br />
Folge die Rinderzucht „Am Adelberg“ aufgebaut. Heute gehören<br />
zu dem am Josefshof ansässigen landwirtschaftlichen<br />
Betrieb in Völkersweiler rund 150 Rinder der alten Rasse aus<br />
Schottland. Der zertifizierte Bio-Betrieb ist auf Erzeugung von<br />
Qualitäts-Rindfleisch ausgerichtet, das fast ausschließlich direkt<br />
vermarktet wird. Einige Tiere aus der Zucht werden auch<br />
weiterverkauft.<br />
„Haben die armen Tiere keinen Stall?“ Anfangs rief das Projekt<br />
Tierschützer auf den Plan, auch das Veterinäramt zeigte<br />
sich irritiert. Der Grund: Die Tiere werden ganzjährig im Freien<br />
gehalten. In den offenen Jahreszeiten ernähren sie sich ausschließlich<br />
vom Aufwuchs der Weiden. Im Winter erhalten sie<br />
auf dem Hof selbst geerntetes Heu und etwas Grassilage. „Man<br />
hat uns nicht als Rebellen gesehen, eher als Außenseiter und<br />
Ökospinner“, erzählt Burkard. Dies hat sich völlig geändert,<br />
auch bei ihren Kollegen genießt das Projekt heute Respekt:<br />
„Früher haben sie dich belächelt, heute fragen sie dich“.<br />
Die Rebellion der Ideen<br />
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