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38 | Bestuhlung<br />
Stehen seit 1928 in der Zürcher «Kronenhalle»:<br />
Horgenglarus-Stühle entworfen von Max<br />
Ernst Haefeli und Ernst Kadler.<br />
Foto: Marcel Studer
Bestuhlung | 39<br />
Sitz still!<br />
Die Wahl des richtigen <strong>Stuhl</strong>s ist ein kritisches Element in jedem<br />
Gastronomiekonzept. Die Sitzgelegenheit soll bequem<br />
sein, gleichzeitig edel wirken und möglichst nichts kosten.<br />
Über das Suchen einer Nadel im Heuhaufen.<br />
Text: Tobias Hüberli<br />
«Sitzen ist eine für den Menschen<br />
unnatürliche Haltung», sagte Martin Hablesreiter<br />
und setzte zu einem weiteren<br />
Schluck aus der Bierflasche an. Das war<br />
Anfang Oktober, im Zürcher Kongresshaus.<br />
Hablesreiter hatte im Rahmen<br />
der Gourmesse-Fachtagung gerade ein<br />
bemerkenswertes Referat zum Thema<br />
Fooddesign gehalten und sinnierte nun<br />
über den <strong>Stuhl</strong>, dem er in seinem neuen<br />
Buch «Eat Design» ein eigenes Kapitel<br />
widmet: «Der <strong>Stuhl</strong> zwingt uns, gerade<br />
zu sitzen, er schränkt unsere Bewegungsfreiheit<br />
ein.» Im Grunde genommen,<br />
sagt er, sei der <strong>Stuhl</strong> ein altes Symbol für<br />
Macht und damit eng verbunden mit der<br />
Entwicklung des Patriarchats.<br />
Der moderne Mensch sitzt laut unterschiedlichen<br />
Studien zirka neun Stunden<br />
täglich auf irgendetwas. Die unnatürliche<br />
Haltung führt bei vielen über kurz oder<br />
lang zu Rückenbeschwerden. Langes<br />
Sitzen verlangsamt die Magen-Darm-<br />
Tätigkeit, beeinflusst den Stoffwechsel<br />
und belastet Bandscheiben sowie Gelenke<br />
erheblich.<br />
Kein Wunder investieren Konzerne grosse<br />
Summen in ergonomische Bürostühle,<br />
um das Wohl und nicht zuletzt die Effizienz<br />
ihrer Mitarbeiter zu steigern. Und<br />
wie früher in den europäischen Königshäusern<br />
lässt auch in der Firma von heute<br />
die Form und Grösse eines <strong>Stuhl</strong>s auf<br />
die interne Hackordnung schliessen. Je<br />
höher und breiter die Rückenlehne, je<br />
feiner der Lederbezug, desto wichtiger<br />
ist der Mitarbeiter.<br />
In der Gastronomie ist das ganz anders.<br />
«Ein Bürostuhl kostet schnell einmal<br />
über 1000 Franken, so einen Preis<br />
zahlt kein Wirt oder Hotelier für einen<br />
einzelnen <strong>Stuhl</strong>», sagt Innenarchitekt<br />
Christoph Aberegg. Zusammen mit seiner<br />
Partnerin Tanja Fischbach ersinnt er<br />
exklusive Einrichtungen für Restaurants<br />
und Hotels. Die Form des <strong>Stuhl</strong>s ist dabei<br />
immer ein wichtiges Thema – und<br />
ein spannender Prozess. Denn die meisten<br />
Stühle für seine Projekte kreiert das<br />
Paar in Eigenregie. «So können wir unseren<br />
Kunden Möbelstücke präsentieren,<br />
die wirklich einzigartig sind und die sich<br />
perfekt in die Formsprache des Gesamtkonzepts<br />
einfügen», sagt Fischbach.<br />
Der Aufwand sei nicht zu unterschätzen,<br />
da ein Konzept in der Hotellerie<br />
und Gastronomie innert kürzester Zeit<br />
entworfen sein müsse. «Design ist unsere<br />
Leidenschaft. Allerdings schauen wir,<br />
dass die Kosten dafür so tief wie möglich<br />
bleiben, sonst hat man auf dem Markt<br />
keine Chance», erklärt Aberegg. Maxi-
Von der Skizze bis zur fertigen Sitzgelegenheit:<br />
<strong>Stuhl</strong> aus dem Davoser Hotel Grischa konzipiert von<br />
Fischbach&Aberegg.<br />
Fotos: z.V.g.
Bestuhlung | 41<br />
Die Innenarchitekten setzen auf maximales Design zu<br />
erschwinglichen Preisen, etwa im Restaurant Churrasco<br />
Steakhouse in Zürich oder …<br />
« Bei allen unseren<br />
Stühlen sitzen wir mehrmals<br />
Probe und<br />
feilen an den Details.»<br />
… mit streng konischen Formen im<br />
Hotel Mövenpick in Lausanne Ouchy.
42 | Bestuhlung<br />
« Die Wahl des <strong>Stuhl</strong>s<br />
ist wichtig, aber wir<br />
machen keine<br />
Wissenschaft daraus.»<br />
Der veraltete Saal des Gasthauses zum Trauben<br />
in Weinfelden nach dem «traitement» durch<br />
die Gestalter der Bel Etage AG.<br />
Fotos: z.V.g.
Bestuhlung | 43<br />
Zum <strong>Stuhl</strong><br />
Die Sitzhöhe eines <strong>Stuhl</strong>s beträgt in der Regel 44 bis 45<br />
Zentimeter, die Höhe der Rückenlehne 80 bis 100 Zentimeter<br />
und die <strong>Stuhl</strong>breite 50 bis 55 Zentimeter. Entscheidend für die<br />
Bequemlichkeit sind auch die Sitztiefe sowie der Winkel<br />
zwischen dem Sitz und der Lehne, der über 90 Grad betragen<br />
sollte. Allgemein gilt bei der Wahl der richtigen Bestuhlung das<br />
Motto «Funktionalität vor Form».<br />
Ein <strong>Stuhl</strong> muss zuallererst den Anforderungen des Betriebs und<br />
der Gäste genügen. Dazu gehören je nach Art des Restaurants<br />
die Stapelbarkeit oder – im Kongressbereich – die<br />
Verkettbarkeit. Auch das Alter sowie die Verweildauer der<br />
Gäste sind entscheidend. So sollten Stühle in einem Altersheim<br />
mehr Sitztiefe aufweisen, gepolstert sein sowie ergonomisch<br />
geformte Arm- und Sitzlehnen haben. In einem Boutiquehotel<br />
wiederum «sitzt» das Auge mit, exklusive Stühle oder Sessel<br />
werden geradezu erwartet. Vor dem Kauf neuer Stühle empfiehlt<br />
es sich, diese «Probe zu sitzen», und zwar so lange,<br />
wie es das Restaurantkonzept für die Gäste vorsieht. Stühle sind<br />
ein wichtiger Budgetfaktor und bei Dutzenden Anbietern<br />
in einer grossen Vielfalt erhältlich. Sorgfältige Preisvergleiche<br />
und direkte Verhandlungen mit den Produzenten können<br />
sich daher lohnen.<br />
males Design zu erschwinglichen Preisen<br />
sozusagen. Bei der Kreation eines neuen<br />
<strong>Stuhl</strong>s sind die Rollen bei «Fischbach &<br />
Aberegg» übrigens klar geregelt. Für die<br />
Form und Farben zeichnet Tanja Fischbach<br />
verantwortlich, Christoph Aberegg<br />
sorgt dafür, dass die Sitzgelegenheit den<br />
technischen Anforderungen genügt und<br />
bequem ist. «Ich habe einen sehr sensiblen<br />
Rücken und kann das darum gut<br />
beurteilen.»<br />
Auf den Punkt gebracht lässt sich der<br />
perfekte <strong>Stuhl</strong> für die Gastronomie etwa<br />
so beschreiben: Er muss bequem und<br />
stabil sein, elegant aussehen und er darf<br />
meistens nichts kosten. Die Vielfalt an<br />
Stühlen ist, gelinde gesagt, beträchtlich.<br />
Allein in der Schweiz produzieren mehrere<br />
Anbieter hochwertige Produkte. Da<br />
wären zum Beispiel die Firma Dietiker<br />
in Stein am Rhein oder aber die <strong>Stuhl</strong>fabrik<br />
Horgenglarus, deren 50 Mitarbeiter<br />
pro Jahr rund 20 000 Stühle herstellen.<br />
«Die Stühle aus dem Ausland kommen<br />
nicht an unsere Qualität heran», sagt<br />
Horgenglarus-Geschäftsführer Marco<br />
Wenger. Ein klares Statement.<br />
Wenger sagt dies allerdings nicht aus<br />
Überheblichkeit, sondern einzig aus dem<br />
Grund, weil die Fabrik praktisch keine<br />
Reparaturen zu beklagen hat. «Unsere<br />
Stühle überleben Generationen, was<br />
man von den allerwenigsten Restaurants<br />
behaupten kann.» Überprüfen lässt sich<br />
Wengers Aussage übrigens im Zürcher<br />
Restaurant Kronenhalle. Die von Max<br />
Ernst Häfeli und Ernst Kadler kreierten<br />
Horgenglarus-Stühle sind seit 1928 in<br />
Betrieb.<br />
So hochwertig Stühle aus schweizerischer<br />
Fabrikation auch sind, sie haben<br />
für Christoph Aberegg einen entscheidenden<br />
Nachteil. «Es sind sehr schöne<br />
Qualitäten, in der Form sind sie sich<br />
aber alle recht ähnlich, weshalb wir sie<br />
für unsere Projekte nicht oft einsetzen.»<br />
Ihre Eigenkreationen lassen Fischbach<br />
und Aberegg direkt bei unterschiedli-<br />
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Schweizer Marke für Tischprodukte<br />
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44 | Bestuhlung<br />
« Unsere Stühle überleben<br />
Generationen, was man<br />
von den allerwenigsten<br />
Restaurants behaupten kann.»<br />
chen Produzenten im In- und Ausland<br />
herstellen. So sichern sie sich nicht nur<br />
Exklusivität, sondern umgehen auch<br />
den Zwischenhandel. «Jeder Schweizer<br />
Innenarchitekt kann preislich mit dem<br />
Ausland mithalten, wenn er so arbeitet»,<br />
sagt Aberegg. Dafür braucht es allerdings<br />
ein gutes Netzwerk, ihre Fabrikanten<br />
halten Aberegg und Fischbach darum<br />
auch streng geheim.<br />
Selbst verwirklichen kann sich ein Innendesigner<br />
sowieso selten. Viele Bauherren<br />
geben neben dem Preis auch die<br />
Anzahl Sitzplätze vor. Ist ein Gastraum<br />
zu klein, werden die Sitzgelegenheiten<br />
halt schmaler gebaut. Fehlende Funktionalität<br />
ist ein anderer Grund, weshalb<br />
gewisse <strong>Stuhl</strong>modelle nicht sehr oft in<br />
einem Restaurant anzutreffen sind. So<br />
genannte Freischwingerstühle beispielsweise<br />
sind zwar edel und sehr bequem,<br />
aber auch schlecht zu handhaben und<br />
eher teuer.<br />
So weit geht Markus Kirchhofer, Inhaber<br />
des Willisauer Innenarchitekturbüros<br />
Bel Etage, nicht. «Die Wahl des <strong>Stuhl</strong>s<br />
ist wichtig, aber wir machen keine<br />
Wissenschaft daraus.» Eigene Stühle zu<br />
produzieren ist für ihn denn auch kein<br />
Thema. «Es gibt bereits zehntausende<br />
von Stühlen in allen Farben, Formen<br />
und Preisklassen, die Schwierigkeit liegt<br />
für uns vor allem darin, aus der Vielfalt<br />
das richtige Möbel für unsere Kunden<br />
herauszupicken.» Es sei übrigens ein Irrglaube,<br />
dass nur teure Stühle von guter<br />
Qualität seien. «Mittlerweile gibt es auch<br />
qualitativ gute und trotzdem preisgünstige<br />
Angebote.»<br />
Auf die Frage nach aktuellen Trends<br />
antwortet Kirchhofer vorsichtig: «Ich<br />
glaube nicht, dass wir neue Trends setzen<br />
können, es ist doch alles irgendwie<br />
schon einmal da gewesen.» Die Einrichtung<br />
– und Bestuhlung – eines Betriebs<br />
spiegelt immer auch ein wenig den persönlichen<br />
Geschmack des Gastronomen<br />
oder Innendesigners. So rät Kirchhofer<br />
eher davon ab, unterschiedliche <strong>Stuhl</strong>arten<br />
zu kombinieren, um den Gast nicht<br />
zu überreizen. Tanja Fischbach wiederum<br />
ist vor allem wichtig, dass die Formsprache<br />
des Gesamtkonzepts stimmt. «Es<br />
braucht Harmonie und Gegensätze, die<br />
Stühle sind dabei ein Mittel unter vielen,<br />
um diesen Zustand zu erreichen.»<br />
Innenarchitekten<br />
Die <strong>Stuhl</strong>qualität hat immer auch mit<br />
dem Restaurantkonzept zu tun. In einem<br />
Altersheim oder einem Gourmetrestaurant<br />
sollte dementsprechend mehr in<br />
den Sitzkomfort investiert werden als in<br />
einem Bistro. Die meisten <strong>Stuhl</strong>macher<br />
arbeiten übrigens mit etwa den gleichen<br />
Massen. Trotzdem können wenige Zentimeter<br />
bei der Sitzhöhe oder im Verhältnis<br />
zur Tischhöhe für die Bequemlichkeit<br />
entscheidend sein. «Bei allen unseren<br />
Stühlen sitzen wir mehrmals Probe und<br />
feilen an den Details, bis alles stimmt»,<br />
erklärt Aberegg.<br />
Fischbach&Aberegg<br />
Die Innenarchitekten Tanja Fischbach<br />
und Christoph Aberegg entwickeln<br />
aufsehenerregende Konzepte für die<br />
Gastronomie und Hotellerie. Der<br />
<strong>Stuhl</strong> ist dabei immer ein wichtiges<br />
Thema. Die meisten Sitzgelegenheiten<br />
zeichnet das Paar gleich selbst und<br />
lässt sie bei unterschiedlichen Herstellern<br />
zu konkurrenzfähigen Preisen<br />
produzieren.<br />
www.fischbach-aberegg.ch<br />
Bel Etage<br />
Das Innenarchitekturbüro Bel Etage<br />
aus Willisau hat sich auf die Gastronomie<br />
und Hotellerie spezialisiert. Seine<br />
Projekte verteilen sich auf die gesamte<br />
Schweiz. Eigene Stühle produziert<br />
Bel Etage zwar nicht, dafür wissen die<br />
Willisauer, wo man die richtigen Stühle<br />
findet und wie man sie einsetzt.<br />
www.beletage.ch
agentur-frontal.ch<br />
BRENNER DES JAHRES<br />
Ein herzliches Dankesch n an die Produzenten<br />
der erstklassigen Rohstoffe _ die Schweizer<br />
Bauern sowie an die K unden und Mitarbeitenden,<br />
die diesen Erfolg erst m glich machen.<br />
Erfahrung aus fast 100 Jahren<br />
Brennkunst – seit 1918<br />
Ausgezeichnet von der Distisuisse mit<br />
6 Goldmedaillen und 14 Silbermedaillen<br />
Die Distillerie Willisau ist eine der modernsten Brennereien Europas<br />
und Marktleader in der Schweiz. Das Familienunternehmen verbindet<br />
traditionelles Handwerk, Innovations kraft und Hightech in idealer<br />
Weise. Die Auszeichnung als «Brenner des Jahres <strong>2013</strong>/2014» unterstreicht<br />
die hervorragende Qualität der Produkte aus Willisau.<br />
www.diwisa.ch