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Salz & Pfeffer Stuhl November 2013

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38 | Bestuhlung<br />

Stehen seit 1928 in der Zürcher «Kronenhalle»:<br />

Horgenglarus-Stühle entworfen von Max<br />

Ernst Haefeli und Ernst Kadler.<br />

Foto: Marcel Studer


Bestuhlung | 39<br />

Sitz still!<br />

Die Wahl des richtigen <strong>Stuhl</strong>s ist ein kritisches Element in jedem<br />

Gastronomiekonzept. Die Sitzgelegenheit soll bequem<br />

sein, gleichzeitig edel wirken und möglichst nichts kosten.<br />

Über das Suchen einer Nadel im Heuhaufen.<br />

Text: Tobias Hüberli<br />

«Sitzen ist eine für den Menschen<br />

unnatürliche Haltung», sagte Martin Hablesreiter<br />

und setzte zu einem weiteren<br />

Schluck aus der Bierflasche an. Das war<br />

Anfang Oktober, im Zürcher Kongresshaus.<br />

Hablesreiter hatte im Rahmen<br />

der Gourmesse-Fachtagung gerade ein<br />

bemerkenswertes Referat zum Thema<br />

Fooddesign gehalten und sinnierte nun<br />

über den <strong>Stuhl</strong>, dem er in seinem neuen<br />

Buch «Eat Design» ein eigenes Kapitel<br />

widmet: «Der <strong>Stuhl</strong> zwingt uns, gerade<br />

zu sitzen, er schränkt unsere Bewegungsfreiheit<br />

ein.» Im Grunde genommen,<br />

sagt er, sei der <strong>Stuhl</strong> ein altes Symbol für<br />

Macht und damit eng verbunden mit der<br />

Entwicklung des Patriarchats.<br />

Der moderne Mensch sitzt laut unterschiedlichen<br />

Studien zirka neun Stunden<br />

täglich auf irgendetwas. Die unnatürliche<br />

Haltung führt bei vielen über kurz oder<br />

lang zu Rückenbeschwerden. Langes<br />

Sitzen verlangsamt die Magen-Darm-<br />

Tätigkeit, beeinflusst den Stoffwechsel<br />

und belastet Bandscheiben sowie Gelenke<br />

erheblich.<br />

Kein Wunder investieren Konzerne grosse<br />

Summen in ergonomische Bürostühle,<br />

um das Wohl und nicht zuletzt die Effizienz<br />

ihrer Mitarbeiter zu steigern. Und<br />

wie früher in den europäischen Königshäusern<br />

lässt auch in der Firma von heute<br />

die Form und Grösse eines <strong>Stuhl</strong>s auf<br />

die interne Hackordnung schliessen. Je<br />

höher und breiter die Rückenlehne, je<br />

feiner der Lederbezug, desto wichtiger<br />

ist der Mitarbeiter.<br />

In der Gastronomie ist das ganz anders.<br />

«Ein Bürostuhl kostet schnell einmal<br />

über 1000 Franken, so einen Preis<br />

zahlt kein Wirt oder Hotelier für einen<br />

einzelnen <strong>Stuhl</strong>», sagt Innenarchitekt<br />

Christoph Aberegg. Zusammen mit seiner<br />

Partnerin Tanja Fischbach ersinnt er<br />

exklusive Einrichtungen für Restaurants<br />

und Hotels. Die Form des <strong>Stuhl</strong>s ist dabei<br />

immer ein wichtiges Thema – und<br />

ein spannender Prozess. Denn die meisten<br />

Stühle für seine Projekte kreiert das<br />

Paar in Eigenregie. «So können wir unseren<br />

Kunden Möbelstücke präsentieren,<br />

die wirklich einzigartig sind und die sich<br />

perfekt in die Formsprache des Gesamtkonzepts<br />

einfügen», sagt Fischbach.<br />

Der Aufwand sei nicht zu unterschätzen,<br />

da ein Konzept in der Hotellerie<br />

und Gastronomie innert kürzester Zeit<br />

entworfen sein müsse. «Design ist unsere<br />

Leidenschaft. Allerdings schauen wir,<br />

dass die Kosten dafür so tief wie möglich<br />

bleiben, sonst hat man auf dem Markt<br />

keine Chance», erklärt Aberegg. Maxi-


Von der Skizze bis zur fertigen Sitzgelegenheit:<br />

<strong>Stuhl</strong> aus dem Davoser Hotel Grischa konzipiert von<br />

Fischbach&Aberegg.<br />

Fotos: z.V.g.


Bestuhlung | 41<br />

Die Innenarchitekten setzen auf maximales Design zu<br />

erschwinglichen Preisen, etwa im Restaurant Churrasco<br />

Steakhouse in Zürich oder …<br />

« Bei allen unseren<br />

Stühlen sitzen wir mehrmals<br />

Probe und<br />

feilen an den Details.»<br />

… mit streng konischen Formen im<br />

Hotel Mövenpick in Lausanne Ouchy.


42 | Bestuhlung<br />

« Die Wahl des <strong>Stuhl</strong>s<br />

ist wichtig, aber wir<br />

machen keine<br />

Wissenschaft daraus.»<br />

Der veraltete Saal des Gasthauses zum Trauben<br />

in Weinfelden nach dem «traitement» durch<br />

die Gestalter der Bel Etage AG.<br />

Fotos: z.V.g.


Bestuhlung | 43<br />

Zum <strong>Stuhl</strong><br />

Die Sitzhöhe eines <strong>Stuhl</strong>s beträgt in der Regel 44 bis 45<br />

Zentimeter, die Höhe der Rückenlehne 80 bis 100 Zentimeter<br />

und die <strong>Stuhl</strong>breite 50 bis 55 Zentimeter. Entscheidend für die<br />

Bequemlichkeit sind auch die Sitztiefe sowie der Winkel<br />

zwischen dem Sitz und der Lehne, der über 90 Grad betragen<br />

sollte. Allgemein gilt bei der Wahl der richtigen Bestuhlung das<br />

Motto «Funktionalität vor Form».<br />

Ein <strong>Stuhl</strong> muss zuallererst den Anforderungen des Betriebs und<br />

der Gäste genügen. Dazu gehören je nach Art des Restaurants<br />

die Stapelbarkeit oder – im Kongressbereich – die<br />

Verkettbarkeit. Auch das Alter sowie die Verweildauer der<br />

Gäste sind entscheidend. So sollten Stühle in einem Altersheim<br />

mehr Sitztiefe aufweisen, gepolstert sein sowie ergonomisch<br />

geformte Arm- und Sitzlehnen haben. In einem Boutiquehotel<br />

wiederum «sitzt» das Auge mit, exklusive Stühle oder Sessel<br />

werden geradezu erwartet. Vor dem Kauf neuer Stühle empfiehlt<br />

es sich, diese «Probe zu sitzen», und zwar so lange,<br />

wie es das Restaurantkonzept für die Gäste vorsieht. Stühle sind<br />

ein wichtiger Budgetfaktor und bei Dutzenden Anbietern<br />

in einer grossen Vielfalt erhältlich. Sorgfältige Preisvergleiche<br />

und direkte Verhandlungen mit den Produzenten können<br />

sich daher lohnen.<br />

males Design zu erschwinglichen Preisen<br />

sozusagen. Bei der Kreation eines neuen<br />

<strong>Stuhl</strong>s sind die Rollen bei «Fischbach &<br />

Aberegg» übrigens klar geregelt. Für die<br />

Form und Farben zeichnet Tanja Fischbach<br />

verantwortlich, Christoph Aberegg<br />

sorgt dafür, dass die Sitzgelegenheit den<br />

technischen Anforderungen genügt und<br />

bequem ist. «Ich habe einen sehr sensiblen<br />

Rücken und kann das darum gut<br />

beurteilen.»<br />

Auf den Punkt gebracht lässt sich der<br />

perfekte <strong>Stuhl</strong> für die Gastronomie etwa<br />

so beschreiben: Er muss bequem und<br />

stabil sein, elegant aussehen und er darf<br />

meistens nichts kosten. Die Vielfalt an<br />

Stühlen ist, gelinde gesagt, beträchtlich.<br />

Allein in der Schweiz produzieren mehrere<br />

Anbieter hochwertige Produkte. Da<br />

wären zum Beispiel die Firma Dietiker<br />

in Stein am Rhein oder aber die <strong>Stuhl</strong>fabrik<br />

Horgenglarus, deren 50 Mitarbeiter<br />

pro Jahr rund 20 000 Stühle herstellen.<br />

«Die Stühle aus dem Ausland kommen<br />

nicht an unsere Qualität heran», sagt<br />

Horgenglarus-Geschäftsführer Marco<br />

Wenger. Ein klares Statement.<br />

Wenger sagt dies allerdings nicht aus<br />

Überheblichkeit, sondern einzig aus dem<br />

Grund, weil die Fabrik praktisch keine<br />

Reparaturen zu beklagen hat. «Unsere<br />

Stühle überleben Generationen, was<br />

man von den allerwenigsten Restaurants<br />

behaupten kann.» Überprüfen lässt sich<br />

Wengers Aussage übrigens im Zürcher<br />

Restaurant Kronenhalle. Die von Max<br />

Ernst Häfeli und Ernst Kadler kreierten<br />

Horgenglarus-Stühle sind seit 1928 in<br />

Betrieb.<br />

So hochwertig Stühle aus schweizerischer<br />

Fabrikation auch sind, sie haben<br />

für Christoph Aberegg einen entscheidenden<br />

Nachteil. «Es sind sehr schöne<br />

Qualitäten, in der Form sind sie sich<br />

aber alle recht ähnlich, weshalb wir sie<br />

für unsere Projekte nicht oft einsetzen.»<br />

Ihre Eigenkreationen lassen Fischbach<br />

und Aberegg direkt bei unterschiedli-<br />

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44 | Bestuhlung<br />

« Unsere Stühle überleben<br />

Generationen, was man<br />

von den allerwenigsten<br />

Restaurants behaupten kann.»<br />

chen Produzenten im In- und Ausland<br />

herstellen. So sichern sie sich nicht nur<br />

Exklusivität, sondern umgehen auch<br />

den Zwischenhandel. «Jeder Schweizer<br />

Innenarchitekt kann preislich mit dem<br />

Ausland mithalten, wenn er so arbeitet»,<br />

sagt Aberegg. Dafür braucht es allerdings<br />

ein gutes Netzwerk, ihre Fabrikanten<br />

halten Aberegg und Fischbach darum<br />

auch streng geheim.<br />

Selbst verwirklichen kann sich ein Innendesigner<br />

sowieso selten. Viele Bauherren<br />

geben neben dem Preis auch die<br />

Anzahl Sitzplätze vor. Ist ein Gastraum<br />

zu klein, werden die Sitzgelegenheiten<br />

halt schmaler gebaut. Fehlende Funktionalität<br />

ist ein anderer Grund, weshalb<br />

gewisse <strong>Stuhl</strong>modelle nicht sehr oft in<br />

einem Restaurant anzutreffen sind. So<br />

genannte Freischwingerstühle beispielsweise<br />

sind zwar edel und sehr bequem,<br />

aber auch schlecht zu handhaben und<br />

eher teuer.<br />

So weit geht Markus Kirchhofer, Inhaber<br />

des Willisauer Innenarchitekturbüros<br />

Bel Etage, nicht. «Die Wahl des <strong>Stuhl</strong>s<br />

ist wichtig, aber wir machen keine<br />

Wissenschaft daraus.» Eigene Stühle zu<br />

produzieren ist für ihn denn auch kein<br />

Thema. «Es gibt bereits zehntausende<br />

von Stühlen in allen Farben, Formen<br />

und Preisklassen, die Schwierigkeit liegt<br />

für uns vor allem darin, aus der Vielfalt<br />

das richtige Möbel für unsere Kunden<br />

herauszupicken.» Es sei übrigens ein Irrglaube,<br />

dass nur teure Stühle von guter<br />

Qualität seien. «Mittlerweile gibt es auch<br />

qualitativ gute und trotzdem preisgünstige<br />

Angebote.»<br />

Auf die Frage nach aktuellen Trends<br />

antwortet Kirchhofer vorsichtig: «Ich<br />

glaube nicht, dass wir neue Trends setzen<br />

können, es ist doch alles irgendwie<br />

schon einmal da gewesen.» Die Einrichtung<br />

– und Bestuhlung – eines Betriebs<br />

spiegelt immer auch ein wenig den persönlichen<br />

Geschmack des Gastronomen<br />

oder Innendesigners. So rät Kirchhofer<br />

eher davon ab, unterschiedliche <strong>Stuhl</strong>arten<br />

zu kombinieren, um den Gast nicht<br />

zu überreizen. Tanja Fischbach wiederum<br />

ist vor allem wichtig, dass die Formsprache<br />

des Gesamtkonzepts stimmt. «Es<br />

braucht Harmonie und Gegensätze, die<br />

Stühle sind dabei ein Mittel unter vielen,<br />

um diesen Zustand zu erreichen.»<br />

Innenarchitekten<br />

Die <strong>Stuhl</strong>qualität hat immer auch mit<br />

dem Restaurantkonzept zu tun. In einem<br />

Altersheim oder einem Gourmetrestaurant<br />

sollte dementsprechend mehr in<br />

den Sitzkomfort investiert werden als in<br />

einem Bistro. Die meisten <strong>Stuhl</strong>macher<br />

arbeiten übrigens mit etwa den gleichen<br />

Massen. Trotzdem können wenige Zentimeter<br />

bei der Sitzhöhe oder im Verhältnis<br />

zur Tischhöhe für die Bequemlichkeit<br />

entscheidend sein. «Bei allen unseren<br />

Stühlen sitzen wir mehrmals Probe und<br />

feilen an den Details, bis alles stimmt»,<br />

erklärt Aberegg.<br />

Fischbach&Aberegg<br />

Die Innenarchitekten Tanja Fischbach<br />

und Christoph Aberegg entwickeln<br />

aufsehenerregende Konzepte für die<br />

Gastronomie und Hotellerie. Der<br />

<strong>Stuhl</strong> ist dabei immer ein wichtiges<br />

Thema. Die meisten Sitzgelegenheiten<br />

zeichnet das Paar gleich selbst und<br />

lässt sie bei unterschiedlichen Herstellern<br />

zu konkurrenzfähigen Preisen<br />

produzieren.<br />

www.fischbach-aberegg.ch<br />

Bel Etage<br />

Das Innenarchitekturbüro Bel Etage<br />

aus Willisau hat sich auf die Gastronomie<br />

und Hotellerie spezialisiert. Seine<br />

Projekte verteilen sich auf die gesamte<br />

Schweiz. Eigene Stühle produziert<br />

Bel Etage zwar nicht, dafür wissen die<br />

Willisauer, wo man die richtigen Stühle<br />

findet und wie man sie einsetzt.<br />

www.beletage.ch


agentur-frontal.ch<br />

BRENNER DES JAHRES<br />

Ein herzliches Dankesch n an die Produzenten<br />

der erstklassigen Rohstoffe _ die Schweizer<br />

Bauern sowie an die K unden und Mitarbeitenden,<br />

die diesen Erfolg erst m glich machen.<br />

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Brennkunst – seit 1918<br />

Ausgezeichnet von der Distisuisse mit<br />

6 Goldmedaillen und 14 Silbermedaillen<br />

Die Distillerie Willisau ist eine der modernsten Brennereien Europas<br />

und Marktleader in der Schweiz. Das Familienunternehmen verbindet<br />

traditionelles Handwerk, Innovations kraft und Hightech in idealer<br />

Weise. Die Auszeichnung als «Brenner des Jahres <strong>2013</strong>/2014» unterstreicht<br />

die hervorragende Qualität der Produkte aus Willisau.<br />

www.diwisa.ch

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