Zur Dokumentation (1,88 MB) - (BAG) Spiel & TheateR
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LEO<br />
Aus der Festivalzeitung:<br />
„Schreibmaschine, Tastatur, Feder, Kuli – verschiedene Gegenstände, eine Aussageabsicht: ‚Ich<br />
gehe weg!‘ Entschlossen sitzen die Kinder auf dem Boden und schreiben ihre Abschiedsbriefe.<br />
Lernstress, fehlende Liebe von Mama und Papa, gebrochene Versprechen, Streit zwischen den<br />
Eltern und geschlagen zu werden sind die Motive. Mutter Esel will bessere Noten, Vater Esel<br />
Leistung beim Fußball. Alle Eselchen tragen schwere Lasten auf ihren Schultern – dargestellt<br />
durch Kissen und Kisten. Sie sind total überfordert. Der Entschluss reift, fortzugehen. Wohin,<br />
wissen die Kleinen noch nicht, aber Musik wollen sie auf jeden Fall in der Ferne machen. Zu zweit<br />
hauen sie von zu Hause ab und schlagen einen Weg nach Bremen ein, um den Stadtmusikanten<br />
nachzueifern. Auf ihrer Reise begegnen sie einem ungehorsamen Hund, auf dem immer nur<br />
rumgehackt wird. Mit dem Motto ‚Alles wird wieder gut‘ schließt er sich dem Pärchen an. Das<br />
Trio trifft auf junge Katzen, deren Eltern sich ständig in den Haaren liegen. Ängste klammern an<br />
ihnen und reden ihnen ein: ‚Das schafft ihr nie, ihr seid zu klein, da könnt ihr nichts machen‘.<br />
Doch in der Hoffnung berühmt zu werden, packen sie ihren Mut und gehen fort. In einem<br />
Hühnerhaufen schließen die Küken eines ihrer flauschigen, piepsenden Geschwisterchen aus<br />
und finden somit den letzten Ausreißer der Tiergruppe. Hungrig und auf der Suche nach einem<br />
Schlafplatz stoßen die Kinder auf ein Räuberhaus. In einem wilden und lauten Durcheinander<br />
verjagen sie die raufenden Räuber mit ihrer ‚Zahnschmerzenmusik‘. Nun haben sie alles, was sie<br />
brauchen und können zusammen in Freiheit leben. Mit dem Wunsch, ‚es wäre zu Hause auch<br />
so‘, schreiben sie ihren Eltern und hoffen auf eine Versöhnung.“<br />
Guido Becker<br />
Kinderstimmen zum Stück:<br />
Schön, als die von den Eltern weggingen.<br />
Halt gut, dass alle sozusagen ein Stück vom Tier hatten.<br />
Das mit den Küken war witzig.<br />
Auszug aus der Rezension in der <strong>Spiel</strong>Art:<br />
„Den Zugang zum Märchen von den ‚Bremer Stadtmusikanten‘ fanden die Kinder der Theater-<br />
AG LEO nicht über das Mitleid mit den gedemütigten, weil altersschwachen Tieren, sondern über<br />
ihre eigene Erfahrung: Auch Kinder möchten oft weglaufen von zu Hause. Ein postdramatischer<br />
Zugang: Es zählt nicht so sehr, was der Autor der Geschichte ausdrücken will, sondern zuvorderst<br />
das, was die <strong>Spiel</strong>er selbst daran interessiert.<br />
Mit Methoden des Playbacktheaters nach Gitta Martens, über das Schreiben von fiktiven<br />
Abschiedsbriefen und über das Improvisieren mit Koffern, in denen Zahnbürste und Schlafanzug<br />
lagen, versuchte die Gruppe der Frage näher zu kommen, was Kinder zum Weglaufen bewegt. So<br />
werden auf der Bühne schließlich Kinder gezeigt, die aus dem Elternhaus getrieben werden, weil<br />
die Erwachsenenwelt die kindlichen Ängste und Nöte nicht oder nur unzureichend wahrnimmt.<br />
Wenn einem Kind zu viele Lasten aufgebürdet werden, so liegt es nahe, dass es sich wie ein<br />
Lastesel vorkommt – und so macht es sich dann auch als Esel auf den Weg. Und das Kind, das<br />
ständig gescheucht, geknufft, geschlagen wird, schließt sich als geprügelter Hund dem Esel an.<br />
So findet sich ein bunter Zug von Kindern in Tiergestalt zusammen, aus sehr verschiedenen<br />
Gründen, aber alle Geschichten erzählen von Leistungsdruck, Überforderung, Unsicherheit der<br />
Kinder und von Verständnislosigkeit und Ehrgeiz der Eltern …<br />
Die <strong>Spiel</strong>er sind die ganze Zeit auf der Bühne. Zwei große Paravents bilden das einzige Bühnenbild.<br />
Neue Szenen entstehen, indem sie auf Rollen hin- und herbewegt und neu arrangiert<br />
werden. Aber diese Wandschirme sind das beweglichste Element auf der Bühne, das <strong>Spiel</strong> der<br />
Kinder bleibt an ihnen kleben, anstatt die ganze große Bühne auszunutzen. Wunderbar bewegte<br />
Körper sieht man auf dem Hühnerhof und gegen Schluss beim wilden Fest der Räuber, ansonsten<br />
dominiert der Eindruck eines Zuges, der zu immer gleicher Musik in immer gleicher Gangart<br />
endlos im Kreis zieht. Die akrobatische Pyramide aber, die die Stadtmusikanten bauen, um die<br />
Räuber zu vertreiben, sieht man leider nur für eine Sekunde, und das auch nur von hinten.“<br />
Gerhard Heß