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WeltWeit 01 2021

Zeitschrift für Entwicklungspartnerschaft und globale Gerechtigkeit

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weltweit<br />

ENTWICKLUNGSPARTNERSCHAFT GLOBALEGERECHTIGKEIT<br />

Selber denken: lebensnah,<br />

beglückend, widerständig SEITE 16<br />

Rassismus: doch nicht auch<br />

bei uns!? SEITE 4<br />

1/<strong>2021</strong>


2<br />

weltweit VORWORT<br />

Wesentlich werden<br />

Schon eine Weile ist Weihnachten-Neujahr wieder<br />

vorbei. Obwohl: Wir sind nicht sicher, ob<br />

beide schon 2025 Mal stattfanden, ob Jesu’<br />

Geburtsjahr gemäss wissenschaftlichen Quellen<br />

wirklich 4 vor Chr. war. Nun wenden Sie, liebe<br />

Leserin, lieber Leser, vielleicht ein, solche Zahlenspiele<br />

seien weniger wichtig, als dass wir<br />

auch unter dem Jahr den christlichen Geist der<br />

Versöhnung, der Gerechtigkeit, der Solidarität<br />

mit den Benachteiligten und Ausgestossenen<br />

leben. Dazu gehört die österliche Überzeugung,<br />

dass unsere irdischen Realitäten nicht die endgültigen<br />

sind und wir sie deshalb auch jetzt<br />

schon anders gestalten könnten.<br />

Es gehört zusätzlich die Einsicht dazu, dass<br />

unser Verständnis, welche Wirklichkeit und Welt<br />

für uns richtig ist, nur eines unter anderen sein<br />

kann. Deshalb geht es darum, dass wir in unserem<br />

Glauben – woran wir uns im dies- und jenseitigen<br />

Leben halten – selbst wahrhaftig und<br />

überzeugend werden. Und «das Christliche»<br />

nicht nur dann «hervorgenommen» wird, wenn<br />

es durch andere (religiöse) Auffassungen herausgefordert<br />

scheint.<br />

Echte Überzeugung fragt nicht nach Unterschieden<br />

im Formalen und in der Ausgestaltung, sondern<br />

nach dem Kern: Er bietet Menschen eine<br />

Lebens- und Gemeinschaftshilfe, unterstützt<br />

Frieden zwischen Geschlechtern, Völkern, Kulturen<br />

und gegenüber der Umwelt. Wenn wir uns<br />

diesen in unserem Dasein entscheidenden<br />

Punkte zuwenden, müssen wir uns wirklich nicht<br />

wegen Aussehens-, Mentalitäts- oder Glaubensunterschieden<br />

ereifern. Dann können wir mit<br />

«Geist und Herz» darüber debattieren, wie wir all<br />

das wegräumen, was Menschlichkeit, gegenseitigem<br />

Verstehen und Wohlergehen, der Gerechtigkeit,<br />

der Teilnahme aller an der Gesellschaftsbildung<br />

im Wege steht. Dann sehen wir auch,<br />

wie viel wir an unserer eigenen Integration ins<br />

Leben noch zu arbeiten haben.<br />

Theo Bühlmann<br />

Aus Dankbarkeit: übers Leben hinaus ein Zeichen setzen<br />

Gutes tun – über den Tod hinaus? Das ist auf einfache Art möglich: In einem handgeschriebenen<br />

Testament können Sie einen Betrag bestimmen, mit dem Sie sich für Ziele einsetzen,<br />

die Ihnen am Herzen liegen. Durch Unterstützung der Anliegen von <strong>WeltWeit</strong>.<br />

In unseren Projekten setzen sich Ordensleute und Mitarbeitende Tag für Tag in vielen Ländern<br />

der Welt für benachteiligte und notleidende Menschen ein. Unsere Hilfe gilt den Armen,<br />

Existenzgefährdeten und Hungernden; Jugendlichen, die Bildung brauchen; alten Menschen,<br />

die ein sicheres Zuhause brauchen; Familienväter, die Arbeit suchen; Frauen, die Gewalt erfahren;<br />

Kindern, die zu Waisen geworden sind; Kranken, die medizinische Versorgung benötigen.<br />

Und sie gilt jenen, die sich nach der Frohen Botschaft sehnen. Für sie alle setzen wir<br />

uns mit Ihrer Solidarität durch ganzheitliche Entwicklungsarbeit ein.<br />

Verhelfen Sie mit einem Legat zugunsten Benachteiligter, deren grossen Wunsch nach Wohlergehen<br />

und Frieden zu verwirklichen. Damit können Sie Ihre Verbundenheit mit Menschen<br />

in Not noch einmal bekräftigen und übers Leben hinaus nachhaltig viel Gutes bewirken.<br />

Vergelt’s Ihnen Gott.<br />

Nehmen Sie mit uns Kontakt auf: Tel. 026 422 11 36, Chantal Tinguely-Neuhaus,<br />

Thérèse Corpataux-Roggo. <strong>WeltWeit</strong>, Postfach 345, 17<strong>01</strong> Freiburg, info@weltweit.ch


weltweit AUFTAKT<br />

3<br />

INHALT<br />

WERTEGRUND<br />

04 Rassismus: doch nicht auch bei uns?<br />

STANDPUNKT<br />

07 Politik, Wirtschaft und Medien vermenschlichen!<br />

ZUSAMMENHALT<br />

08 Vielfältige Hilfe für geflüchtete Menschen<br />

LEBENSGRUND<br />

12 Gesundheit: Körper und Seele, eine Einheit<br />

ANGEBOTE<br />

15 Veranstaltungen von Herausgebergemeinschaften<br />

THEMENSEITEN<br />

16 Zivilcouragiert selber denken,<br />

in gesunder Infragestellung von Autoritäten<br />

08 Flüchtlingshilfe konkret, herzlich, menschlich<br />

Wie geht ein solidarisches Unterstützen und Beistehen<br />

Migierter in der Schweiz? Im Kontakt-sein mit Geflüchteten<br />

überwindetet nicht nur Angst, Vorurteile und Abneigung,<br />

sondern bringt Herzlichkeit, Miteinander-Reichtum, Hoffnung.<br />

Was erleben Einheimische und «Fremde», wenn sie sich treffen?<br />

Wir haben vielfältige Stimmen eingeholt und berichten<br />

über erstaunliche Erfahrungen.<br />

23 INNEHALT<br />

AUFERSTEHEN<br />

24 Ostern wird’s: Alles und nichts ist, wie es war<br />

DENKBAR<br />

26 Jacqueline Straub möchte Priesterin werden<br />

PROJEKTHILFE<br />

28 Ein Pater bringt Freude und Hoffnung im Kongo<br />

PROJEKTHILFE<br />

30 Eine kenianische Schule wird digitalisiert<br />

NOTHILFE<br />

32 Überschwemmungen in den Philippinen lindern<br />

PROJEKTHILFE<br />

34 Theologie-Ausbildungen in Namibia<br />

16 Wer bin ich denn, um selber zu denken?<br />

Für alles und alle gibt es Fachleute, die einem raten und die<br />

Welt erklären; mit der Digitalisierung nimmt die Vereinnahmung<br />

zu. Ist das gut – und richtig für mich? Bleibe ich besser<br />

«mein eigener Experte»? <strong>WeltWeit</strong> auf Spurensuche eines<br />

Selber-Denkens und -Empfindens, welches für ein gutes<br />

Leben Spiritualität und Solidarität miterschliesst.<br />

BRÜCKENSCHLAG<br />

37 Centro Profissional Gráfico in Südbrasilien<br />

MUTMACHER<br />

40 Ägyptische Ärztin hilft Flüchtlingsfrauen<br />

Titelbild (Matthias Rabbe): (Nach)denken, Sinnen und<br />

sich mitteilen: zwischen (genug) vertrauensvoll und<br />

(nicht zu) kritsch.<br />

Alle in dieser Ausgabe verwendeten Gruppen- und<br />

Gemeinschaftsbilder ohne Schutzmasken sind vor der<br />

Corona-Pandemie entstanden.<br />

1/<strong>2021</strong>


4<br />

Rassisten:<br />

Wir sicher nicht!?<br />

Lassen wir Vorurteile nicht ausarten; setzen wir uns mit ihnen auseinander. Und pflegen wir offene<br />

Zugehörigkeiten!<br />

Vielfalt im sozialen Umgang ist zu oft<br />

keine Selbstverständlichkeit: Die Schule<br />

ist ein guter Ort, ihn zu lernen.<br />

(Bild: presse-image)


5<br />

weltweit<br />

WERTEGRUND<br />

TEXTE: CELIA GOMEZ<br />

Am 25. Mai wurde in den USA George Floyd von der Polizei<br />

umgebracht. Dieser Mord löste etwas aus. Plötzlich fragten sich<br />

viele, ob Rassismus in ihren jeweiligen Ländern eigentlich ein<br />

Problem ist und sie selbst wirklich frei davon sind. Diese Reaktion<br />

zeigt, dass die meisten Menschen das Thema abgehackt<br />

und schubladisiert haben. «People of Colour»* beantworteten<br />

die Frage nach Rassismus als fortbestehendes Problem mit<br />

einem lauten «Ja!» und rissen viele aus ihrem Schlummertraum,<br />

in einer Welt ohne Rassismus zu leben.<br />

Also gehen wir mal kritisch, aber auch pragmatisch der unbequemen<br />

Fragestellung nach: Sind wir in irgendeiner Weise rassistisch?<br />

Auch wenn die Geschichte des Begriffs fast einen eigenen<br />

Artikel hergäbe, nennen wir hier die vom Soziologen Albert<br />

Memmi stammende Definition: Rassismus ist die verabsolutierte<br />

Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Schaden<br />

eines Opfers und Nutzen seines Anklägers, um dessen Privilegien<br />

oder Aggressionen zu rechtfertigten.<br />

Wir leben mit Vorurteilen<br />

Vorurteile sind eine Form der Verallgemeinerung, die vielfältige<br />

Fakten und Meinungen über extrem viele komplexe Themen der<br />

Welt, die wir kaum kennen oder verstehen, einebnen. Wir können<br />

gar nicht alles eingehend «untersuchen», sondern müssen oft<br />

mit schwachen Grundlagen werten und entscheiden. Psychologische<br />

Studien zeigen, dass wir uns innerhalb 15 Sekunden eine<br />

Meinung über eine Person bilden, die wir eben getroffen haben.<br />

Eine Studie über Vorstellungsgespräche ergab, dass sich ArbeitgeberInnen<br />

zutiefst von Augenkontakt, äusserlicher Erscheinung,<br />

Small Talk-Fähigkeiten und der Stärke des Händedrucks beeinflussen<br />

lassen; und sich Meinungen und Urteile aufgrund ihrer<br />

eigenen Erfahrungen bilden. Das sind völlig subjektive Grössen<br />

und können zu falschen Entscheidungen führen, vor allem dann,<br />

wenn die Person, die sich vorstellt, einen anderen Hintergrund<br />

hat. In seinem Buch «Our racist heart» spricht der Psychologe<br />

Geoffrey Beattie von einem «unbegründeten Urteil und Gefühl<br />

über eine Person oder Sache, das ohne genügend Rechtfertigung<br />

positiv oder negativ ist».<br />

am besten alle WeltbürgerInnen und fühlten uns überall zugehörig.<br />

Doch wir kommen nicht darum herum, unsere Welt zu<br />

kategorisieren.<br />

Auch die Unterscheidung von «Wir» und «Sie» gehört dazu: Untersuchungen<br />

haben gezeigt, dass wir unsere «In-Group» bevorzugen,<br />

selbst wenn diese künstlich herbeigeführt wurde (etwa<br />

mit dem Zufallsprinzip in Rot und Blau eingeteilt). Dies geht so<br />

weit, dass Problematisches von Gruppenmitgliedern akzeptiert<br />

und das gleiche Verhalten in der anderen Gruppe nicht toleriert<br />

wird. Diese Dynamik zeigt sich in Diskussionen um die Integration<br />

von MigrantInnen und Geflüchteten: Wie weit müssen sich<br />

Menschen, die nicht zu «uns» gehören, anpassen, inwieweit können<br />

sie sich bleiben, um als «Mitglied» zu gelten? Wo hört Unterschiedlichkeit<br />

auf? Viele «People of Colour» beschweren sich<br />

heute über sogenannte Farbenblindheit: Im guten Willen, Hautfarbe<br />

komplett zu übersehen, behandeln Nicht-Diskriminierte<br />

(oft Weisse) «People of Colour», als ob sie auch zu ihrer In-Group<br />

gehören. Dies führt aber dazu, mit der überbetonten Gleichbehandlung<br />

die Bedürfnisse oder Traumata letzterer zu übersehen.<br />

Darunter liegt die Forderung nach Assimilation – «Seid wie wir<br />

und ihr werdet uns gleichberechtigt sein» – die oft einem rassistischen,<br />

kulturellen oder religiösen Vorurteil entspringt.<br />

Die Zugehörigkeitsgruppe bietet mit ihrer Selbst-Harmonie einen<br />

Schutz für das Individuum. Aus dem Ethnozentrismus kann<br />

jedoch auch ein offensiver Schutz entstehen, indem Mitglieder<br />

fremder Gruppen verachtet und diskriminiert werden. Es kommt<br />

auch zum Rassismus, indem Menschen um die Integrität ihrer<br />

Gruppe fürchten und feindlich gegen Leute mit gemischter<br />

Herkunft agieren. Dies zeigt sich in der Geschichte des europäischen<br />

Kolonialismus, der Apartheid in Südafrika und der<br />

US-Bürgerrechtsbewegung.<br />

Alle leben mit Vorurteilen. Ergeben wir<br />

uns ihnen nicht, sondern erkennen<br />

Situationen, wo wir für sie anfällig sind –<br />

um anders handeln zu lernen!<br />

Von Zugehörigkeit zum Ausschluss...<br />

Sicher ist nicht bei jeder negativen Reaktion zwingend ein Vorurteil<br />

am Werk. Es ist jedoch wichtig, uns einzugestehen, dass<br />

Urteile oft vorschnell, ohne Berücksichtigung genügender Faktoren<br />

gemacht werden, zum Beispiel aufgrund des Geschlechts<br />

oder Ethnie einer Person. Am Ursprung dieser Art von Vorurteil<br />

steht ein menschlicher Wunsch nach Zugehörigkeit. Wir zählen<br />

uns zur Familie, zum Heimatort, zu unserer Schule, Religion,<br />

Partei, identifizieren uns mit unserem Beruf, Geschlecht, Alter,<br />

Hobby, Club, mit der Art, wie wir sprechen, leben usw. Unsere<br />

Gruppen sind uns wichtiger als die vielen, zu denen wir nicht<br />

gehören, wie Nicht-Familienmitglieder, Kinder anderer Klassen<br />

oder Schulen, Fans anderer Fussballmannschaften und Menschen<br />

anderer Länder. Nationalhymnen vermitteln unseren Staat<br />

als Mutter oder Vater. Viele PsychologInnen finden, wir wären<br />

... bis todbringender Feindschaft<br />

Aus Vorurteilen können Überverallgemeinerung auf Basis von<br />

Ignoranz, begrenzten Erfahrungen bis zu bösartigen Unterstellungen<br />

geschehen, mit grossen Auswirkungen auf so verurteilte<br />

Personen und Gruppen. Sind Vorurteile einmal gefällt und verfestigt,<br />

haben sie Auswirkungen auf das menschliche Handeln.<br />

Sie können eine vermeintlich «natürliche» Dynamik erschaffen,<br />

in der eine ganze Reihe von schlimmen Taten «viel einfacher»<br />

geschehen und die diskriminierten Gruppemitglieder Würde und<br />

gar ihr Menschsein absprechen.<br />

Dies ist auch durch den Antisemitismus geschehen. Eine Reihe<br />

von Vorurteilen ist schon in den ersten Jahrhunderten nach<br />

Christus entstanden und hält sich bis heute. Die Dehumani-<br />

1/<strong>2021</strong>


6<br />

weltweit<br />

WERTEGRUND<br />

sierung des Jüdischen führte zu Pogromen und Verfolgungen<br />

über Jahrhunderte – bis hin zum ultimativen Schrecken des<br />

Holocaust.<br />

Was können wir tun?<br />

Vorurteile sind automatische und emotionale Prozesse, die in<br />

den «primitiven» Teilen des menschlichen Gehirns stattfinden.<br />

Sie spielen eine enorme Rolle in den komplexen Denkfunktionen,<br />

welche unser tägliches Leben führen – inklusive Bewertungen,<br />

Erinnerung und Kategorisierungen. Unterliegen wir also doch alle<br />

einer gewissen rassistischen Tendenz?<br />

Die Antwort ist Ja und Nein. Wir leben alle mit Vorurteilen und es<br />

ist wichtig, dies zu erkennen. Doch wir müssen uns ihnen nicht<br />

ergeben. Wir können unser Gehirn trainieren, um Situationen zu<br />

erkennen, in denen wir besonders anfällig für Vorurteile sind, um<br />

dann bewusst entgegen diesen zu handeln. Unter Zeitdruck neigen<br />

wir besonders dazu, auf beschränkende Muster und Kategorien<br />

zurückzugreifen, um eine Entscheidung zu treffen wie<br />

beim Vorstellungsgespräch. Anti-Bias-Trainings fokussieren auf<br />

diese Momente und stossen die Leute dazu an, sich ihrer eigenen<br />

Vorurteile bewusst zu werden und sich in Beurteilungsprozessen<br />

mehr Zeit zu lassen. Insbesondere die Kategorien «Erster<br />

Eindruck» und «Bauchgefühl» sollte aus Entscheidungsfindungen<br />

verbannt werden, da Vorurteile genau dort zuschlagen. Wir<br />

müssen mit solchem Üben jetzt beginnen, und dranbleiben.<br />

Damit wir nicht unseren irrationalen Teil gewinnen lassen gegen<br />

Menschen, sondern Fairness und eine die Vielfältigkeit wertschätzende<br />

Kultur leben. <br />

Bild: presse-image<br />

* Person oder People of Color wird aktivistisch und wissenschaftlich verwendet<br />

und meint Individuen und Gruppen, die vielfältigen Formen von<br />

Rassismus ausgesetzt sind aufgrund körperlicher und kultureller Fremdzuschreibungen<br />

weisser Dominanzgesellschaft. Im Deutschen existiert<br />

kein brauchbarer bzw. positiv konnotierter Begriff dazu.<br />

Gefährliches Erbe<br />

Sozialdarwinismus ist eine der Denkbewegungen, die heutige<br />

rassistische Vorurteile mitgeprägt hat. Anfangs der 1870er-Jahre<br />

wurde die Darwinistische Evolutionstheorie auf menschliche Gesellschaften<br />

übertragen. Der Sozialdarwinismus erlebte in der<br />

zweiten Hälfte des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts übergrosse<br />

Popularität in vielen Ländern und politischen Lagern.<br />

Wobei aus der Darwinistischen Theorie oft das herausgenommen<br />

wurde, was für die Verwirklichung der je eigenen Ziele grad<br />

genehm war.<br />

Sozialdarwinisten übertrugen Darwins Konzepte der «Kampf um<br />

Existenz» und des «Überleben des Stärksten» auf Menschen.<br />

Gemäss des britischen Philosophen Herbert Spencer (1820-<br />

1903) sind die «Stärksten» jene, welche sich den Anforderungen<br />

des Marktes und des sozialen Lebens am besten anpassen. Der<br />

britische Pfarrer und Ökonom Thomas Robert Malthus (1766-<br />

1834) glaubte, dass die Bevölkerungszahl von Natur aus schneller<br />

als die Produktion von Lebensmitteln wachse. Die daraus<br />

resultierende Überbevölkerung würde durch «nachwirkende<br />

Hemmnisse» korrigiert, etwa durch Katastrophen und Hungersnöte.<br />

Dies wiederum führe zu einem andauernden Kampf um<br />

Platz und Nahrungsmittel. Diese Theorie gab dem Naturforscher<br />

Charles Darwin den Anstoss zu seiner Evolutionstheorie, in dem<br />

er Malthus Beobachtung der englischen Gesellschaft seiner Zeit<br />

auf die Naturgeschichte übertrug – nicht umgekehrt!<br />

Sozialdarwinismus begann nicht a priori als Theorie mit rassistischer<br />

Tendenz, auch nicht durch Karl Marx, der sie als «naturwissenschaftliche<br />

Unterlage des gesellschaftlichen Klassenkampfes»<br />

sah. Sie wurde jedoch auch von jenen verwendet, die<br />

Angst vor der «Degeneration» einer «Rasse» hatten und Konzepte<br />

wie Eugenik und Rassenhygiene entwickelten. Existenzkampf<br />

wurde kollektivistisch auf «Rassen» umgedeutet. Tragischer<br />

Höhepunkt war in Europa der Holocaust, dem durch des<br />

Nazi-Regime sechs Millionen Juden und weitere Millionen Minderheiten<br />

wie Menschen mit Behinderungen, alte Menschen,<br />

Sinti und Roma, Zeugen Jehovas, slawische Menschen, Menschen<br />

mit dunkler Hautfarbe, Homosexuelle und Transpersonen<br />

zum Opfer fielen.


7<br />

weltweit<br />

STANDPUNKT<br />

Empathie kultivieren<br />

JOSÉ BALMER<br />

José Balmer studierte Philosophie und Theologie<br />

und war über 20 Jahre im kirchlichen Dienst<br />

tätig, davon sechs Jahre in Bolivien. Er war<br />

Mitarbeiter des Hilfswerks Brücke · Le pont, ist<br />

<strong>WeltWeit</strong>-Kolumnist und bearbeitet Projekteingaben<br />

für die Redemptoristen.<br />

Mitgefühl-Liebe-Barmherzigkeit: Diese drei Worte bezeichnen<br />

das Wesen Gottes in allen Religionen. Im Alten Testament heisst<br />

es, Jahwe habe das jüdische Volk aus Mitgefühl aus der Sklaverei<br />

in Ägypten befreit. Jesus sagte: «Seid barmherzig, wie euer<br />

Vater im Himmel barmherzig ist.» Im Islam ist Barmherzigkeit die<br />

wichtigste Eigenschaft Allahs. Empathie ist grundlegend. Aus ihr<br />

entsteht Wertschätzung. Und daraus wachsen Werte, ohne die<br />

es kein friedliches Zusammenleben gibt.<br />

Doch die heutige Wirtschaft, die einseitig auf Konkurrenz basiert,<br />

macht alle zu Gegnern. Sie belohnt Rücksichtslosigkeit und betrügerisches<br />

Verhalten. Der soziale Zusammenhalt zerfällt und<br />

vegetiert nur noch als Pseudo-Solidarität unter Familien, Clans<br />

und Seilschaften zum Zweck der Selbstbereicherung. Die Werbung<br />

heizt den Egoismus und die<br />

Habgier zusätzlich an. Die Folgen<br />

sind Stress, Frust, psychische Schäden,<br />

soziale Spannungen, Krieg,<br />

aber auch zynische Gleichgültigkeit<br />

gegenüber den benachteiligten Menschen.<br />

Es ist dringend, dass wir diese entmenschlichende<br />

Dynamik in den<br />

Griff bekommen und die Werte Respekt,<br />

Gemeinsinn und Solidarität<br />

wieder höher einschätzen und fördern.<br />

Der chinesische Philosoph Menzius<br />

sagte: «Ohne Mitgefühl ist der<br />

Mensch kein Mensch.» Politik, Wirtschaft<br />

und Medien müssen wieder<br />

menschlicher werden und nebst den<br />

profitorientierten Leistungen auch<br />

die sozialen Leistungen honorieren.<br />

Diese sind für das Gemeinwohl und<br />

die Weltgemeinschaft von grösstem<br />

Wert. Und sie machen unser Wesen<br />

aus. <br />

Äthiopier bingen Ernte ein.<br />

(Bild: tr-niebel)<br />

Dieser Text stammt aus dem 120-seitigen<br />

Büchlein «frei und engagiert – 52 Impulse<br />

für ein spirituelles Leben» von José Balmer,<br />

das 2<strong>01</strong>4 im Rex-Verlag Luzern<br />

erschienen ist. Es kann für Fr. 20.- (inkl.<br />

Versand) bestellt werden bei:<br />

José Balmer, Maggenbergstr. 5,<br />

1712 Tafers, humano@sensemail.ch<br />

1/<strong>2021</strong>


8<br />

Reichen wir einander<br />

die Hand!<br />

Die Einen fühlen sich bedrängt und hilflos, Andere helfen und unterstützen. Überall im Land setzen sich<br />

Menschen für die Flüchtlingshilfe ein.<br />

ANNINA GUTMANN<br />

Auf Reisen und Projekten im Ausland erlebte Eva Wimmer verschiedene<br />

Spannungsfelder hautnah mit. Es sind Notsituationen –<br />

bedingt durch Kultur, Konflikte oder Klima – welchen Menschen<br />

ausgesetzt sind und irgendwann so gross werden, dass sie sich<br />

auf den Weg nach Europa machen. Wimmer kann aus ihrer Perspektive<br />

gut nachvollziehen, was anderen Schweizern fremd<br />

bleibt, weil sie solche Lebensumstände nicht kennen. Klar, dass<br />

dies nebst Widerstand Fragen aufwirft. Wie viele können wir aufnehmen?<br />

Worauf lassen wir uns ein? Im Ausland wurde Wimmer<br />

klar, dass sie sich diesem Thema und ihrer Angst stellen möchte.


9<br />

weltweit<br />

ZUSAMMENHALT<br />

Als Mitgründerin des Vereins FRW Interkultureller Dialog in Zug<br />

engagiert sie sich seit sieben Jahren für die Integration von<br />

Flüchtlingen. Waren es anfangs fünf, sind es heute 180 Freiwillige<br />

bei FRW, davon fast die Hälfte Flüchtlinge und Zugewanderte.<br />

Entsprechend nimmt der wertvolle Austausch zwischen<br />

Einheimischen und Flüchtlingen stetig zu. «Miteinander Leben<br />

und voneinander lernen», darum geht es Eva Wimmer auch in<br />

den Projekten. Auf Spaziergängen zeigt sie Flüchtlingen die Gegend<br />

und nimmt dabei wahr, dass die Angst der Bevölkerung<br />

gegenüber «den Anderen» ebenso gross ist wie jene der Flüchtlinge,<br />

hier zu sein. «Einheimische fragen mich, woher die Flüchtlinge<br />

kommen, obwohl sie neben mir stehen und mithören.»<br />

Dass Menschen, die anders aussehen als wir, gut Deutsch sprechen,<br />

manche sogar Schweizerdeutsch, wird vielfach ausgeblendet.<br />

Durch Projekte mit Schwerpunkt Sprache, Begegnung,<br />

Prävention oder Berufsleben erhalten Flüchtlinge eine Chance,<br />

Andere auf Grund von Krieg in Afghanistan und Syrien. Bell<br />

respektiert, dass «sie nicht gerne über die Gründe und ihren<br />

schwierigen Fluchtweg sprechen». Die Geschichte eines eritreischen<br />

Jungen, wie er ohne Billet zu fünft in einer Zugtoilette<br />

durch Italien gereist ist, vergisst sie nicht mehr. «Der Weg zu<br />

Fuss durch die Sahara und in einem Boot übers Meer müssen<br />

traumatisch gewesen sein.»<br />

Menschen bringen aus andern Ländern<br />

eine enorme Hilfsbereitschaft und<br />

Herzlichkeit mit, die hier oft ungesehen<br />

bleiben.<br />

Gelingende Begegnung und<br />

hilfreicher Austausch erfreut<br />

Geflüchtete und «Einheimische»:<br />

Deutschkurs beim<br />

Mittagessen im Stauffacher<br />

in Zürich und in der Kirche<br />

Fluntern.<br />

(Bilder: H. Gehrig, Solinetz)<br />

ihre Talente und Ressourcen zu entwickeln. Wimmer erlebt sie<br />

sehr dankbar, motiviert und bemüht, sich unserem Wertesystem<br />

anzupassen. «Ihre Arbeitsfreude und ihr Wille, etwas bewirken<br />

zu können, ist ihnen so wichtig, dass sie sich als FRW-Freiwillige<br />

engagieren, dolmetschen und den sehr wertvollen kulturellen<br />

Transfer herstellen.»<br />

Existenzielle Not<br />

Karin Bell* integriert unbegleitete minderjährige Asylsuchende<br />

(UMA) in ihrer Jugendwohngruppe. Es sind Jugendliche, die ihr<br />

Heimatland Eritrea verliessen, um dem Militärdienst zu entgehen.<br />

* Namen geändert<br />

Als Hanna Gerig 2009 erfuhr, dass abgewiesene Asylsuchende<br />

mit nur 8.50 Franken pro Tag auskommen müssen, konnte sie es<br />

kaum glauben. «In der Schweiz gibt es Menschen, die sich zwischen<br />

Brot und Zugticket entscheiden müssen?» Aus Empörung<br />

über dieses System begann sie sich zu engagieren, unterrichtete<br />

Deutsch für Geflüchtete. Sie ging einen ihrer Schüler im Ausschaffungsgefängnis<br />

besuchen und war schockiert zu sehen,<br />

dass in der Schweiz Menschen nur deshalb eingesperrt werden,<br />

weil sie geflüchtet sind. «Niemand verlässt seine Heimat, wenn<br />

es nicht existentielle Nöte sind, die einen dazu zwingen», ist sich<br />

Gerig, inzwischen Geschäftsleiterin von Solinetz Zürich, sicher.<br />

«Menschen gegen ihren Willen, teils gefesselt und geknebelt, in<br />

das Land zurückzufliegen, aus dem sie geflohen sind, ist brutal<br />

1/<strong>2021</strong>


10<br />

und unmenschlich.» Geldüberweisungen von Migrierten in ihre<br />

Ursprungsländer sieht Wimmer als effizienteste Entwicklungshilfe.<br />

Von acht verdienten Franken pro Tag würden viele einen<br />

Fünflieber für ihre Familien weglegen. Viele von ihnen können<br />

sich nur so am Leben erhalten. Sie erfuhr in den Ländern, wo<br />

sie selbst war, eine enorme Hilfsbereitschaft und Herzlichkeit –<br />

Werte, welche diese Menschen mitbringen und die hier oft ungesehen<br />

bleiben. «Wir sollten darüber<br />

nachdenken, wie wir als<br />

Gesellschaft Menschen, die<br />

da sind, unterstützen, mit und<br />

von ihnen lernen können.»<br />

Fuss. Durch unseren Eigenheim-Anspruch werde die Zersiedelung<br />

vorangetrieben, viel mehr als durch Immigration. «Unsere<br />

Flüchtlingspolitik finde ich beschämend. Mit einem Funken<br />

Menschlichkeit wird auch eine dem Menschen zugewandte Haltung<br />

in der Politik möglich.»<br />

Die Frage, ob es nicht zu viele Flüchtlinge sind, wehrt Hanna<br />

Gerig ab. «Zürich wirft Essen weg, von dem sich ganz Winterthur<br />

Etwas zurückzugeben<br />

Werner Hufschmid gibt als ehemaliger<br />

Primarlehrer ausländischen<br />

Kindern zuhause Nachhilfeunterricht<br />

und ist so auf ihre<br />

Probleme aufmerksam geworden.<br />

Einem Vater aus Bangladesh<br />

wurde gekündigt, weil er<br />

den Regionalleiter von Missständen<br />

in seiner Filiale unterrichtete.<br />

Seit einem Jahr<br />

schreibt er sich im Auftrag der<br />

RAV die Finger wund – ohne<br />

Erfolg und Unterstützung. Eine<br />

freundliche Muslima wird von<br />

der Hauswartin als unerwünschtes<br />

«Kopftüechli» schikaniert.<br />

Die grosse Dankbarkeit und<br />

Wertschätzung seitens hierher<br />

gekommener Menschen berühren<br />

Hufschmid immer wieder<br />

zutiefst. Er findet, das Flüchtlings-<br />

und Asylwesen der<br />

reichen Schweiz werde ihrem<br />

humanitären Anspruch absolut<br />

nicht gerecht. «Das Boot ist<br />

auch jetzt nicht voll.»<br />

Gesetze sollen nicht Abwehr<br />

und Angst, sondern Hoffnung<br />

erzeugen.<br />

ernähren könnte». Dieser Reichtum baue darauf, dass andere<br />

Regionen der Welt ausgebeutet werden: Essen, Handy, Kleidung,<br />

Mobilität, die Dinge unseres täglichen Bedarfs stammen<br />

aus im Ausland erarbeiteten Produkten und Rohstoffen. «Hören<br />

wir auf, davon zu reden, wir hätten keinen Platz. Der Reichtum<br />

gehört nicht uns.»<br />

Ueli Wildberger, der seit vielen Jahren in diversen Friedensorganisationen<br />

mitwirkt, realisiert mit Workshops gewaltfreie Aktivitäten.<br />

Ihn interessiert in der Asylbewegung die Frage, wie aktuelle<br />

Konflikte möglichst gewaltfrei und konstruktiv zu lösen sind. Wie<br />

kann ein Flüchtling mit Vorurteilen, Feindseligkeit und Fremdenfeindlichkeit<br />

umgehen? Wie können SchweizerInnen darauf reagieren?<br />

Welche Wege für Dialog und Verständigung gibt es –<br />

anders als mit Gewalt, wie somalische Flüchtlinge es im Bürgerkrieg<br />

kennen? «Menschen lernen und können sich dadurch verändern»,<br />

weiss Wildberger. Die Schweiz lebt auf zu grossem<br />

Vielfalt tut uns gut<br />

Sadou Bah kam vor 18 Jahren aus Guinea als Flüchtling in die<br />

Schweiz. Er weiss, wie es Menschen geht, die alles hinter sich<br />

liessen. Flüchtlinge sollten nicht isoliert werden, Orte der Begegnung<br />

findet er grundlegend. Nur so könne voneinander gelernt<br />

werden. In der autonomen Schule in Zürich sind es bis zu<br />

200 Asylsuchende, die in Gruppen Deutsch lernen. Als in Teilzeit<br />

angestellter Sekretär-Koordinator ist Bah glücklich mit seiner<br />

sinnstiftenden Aufgabe. Dass so viele Ehrenamtliche mithelfen,<br />

zeigt ihm, wie viel Solidarität und Menschlichkeit vorhanden ist.


11<br />

weltweit<br />

ZUSAMMENHALT<br />

Einst wurde er kriminalisiert und als Illegaler betitelt. «Als Abgewiesener<br />

gilt man als nicht normaler Mensch, hat keine Rechte,<br />

und mit den Ausweisen wird einem die Identität weggenommen.»<br />

Wenn Verfahren wie früher vier Jahre gehen, ist dieses Warten<br />

verlorene Zeit, in der die so wichtige Integration nicht stattfinden<br />

könne. In Zentren haben isolierte Asylsuchende keine Chance<br />

auf Kontakte zu Einheimischen. Die «andere Seite» kennt Bah<br />

Nur Zwischenhalt? Bei der<br />

Migration ist die Reise nicht<br />

das Ziel: Das Kofferorchester<br />

am Landsgemeindeplatz Zug<br />

beim Strassentheater «Sich<br />

finden».<br />

Begegnungsessen zum Flüchtlingssonntag<br />

mit traditionellen Speisen<br />

aus verschiedenen Ländern im<br />

Chilematt-Zentrum Steinhausen.<br />

(Bilder: Verein FRW<br />

Interkultureller Dialog)<br />

ebenfalls: Faul und «schmarotzerhaft» werden Leute durch jahrelang<br />

angeordnetes Nichtstun, auch, indem man ihnen Bildung<br />

und angemessene Lebensbedingungen vorenthält. Sie wirft man<br />

in einen Topf mit MigrantInnen, die krank sind. Viele hätten Dramen<br />

erlebt, sind traumatisiert und brauchen Therapie. Für Sadou<br />

Bah sind Menschen ein Reichtum: «Je vielfältiger wir sind, desto<br />

besser geht es uns.» Er wünscht sich eine Gesellschaft mit Offenheit.<br />

Mit Gesetzen, die nicht Abwehr und Angst, sondern<br />

Hoffnung erzeugen. «Auch wenn es bei uns gut ist – wir sollten<br />

auch zum Leben anderswo Sorge tragen.»<br />

Amina Haj Mohammad aus Syrien ist seit 1991 unterwegs. Sie<br />

ist seit sieben Jahren in der Schweiz, nachdem sie sich in mehreren<br />

Ländern für eine kurdische Frauenorganisation eingesetzt<br />

hat. Gezwungen, die eigene Heimat zu verlassen, weiss sie, wie<br />

weh es tut, anderswo ein Leben zu suchen. Viele Tränen und<br />

Verzweiflung hat sie gesehen, was ihr zusätzliche Motivation<br />

gibt, sich für diese Menschen einzusetzen. Als Fremde kam sie<br />

mit Respekt hierher: vor dem Fremden, der Sprache, dem System.<br />

Aber auch vor Schweizern, und anderen Flüchtlingen. «Ich<br />

suchte immer ein Lachen in den Gesichtern, um darauf zu antworten.»<br />

Diszipliniert büffelte sie am Computer Deutsch, zählte<br />

ihre Schritte, um Zahlen zu lernen. Mohammad, die Kurdisch,<br />

Türkisch und Arabisch spricht, erlebte, wie «schnell sich Angst<br />

auflösen kann durch Begegnungen und positive Erfahrungen<br />

miteinander». Sie ist unendlich dankbar für die erhaltene Unterstützung.<br />

Sie bekam ein Zimmer bei einer allein lebenden Frau<br />

und pflegte zu ihr eine gute Freundschaft. In ihrer Verschiedenheit<br />

konnten sie viel voneinander lernen: «Unser Vertrauen gab<br />

mir Zuversicht.» Mohammad arbeitete zuerst als Freiwillige,<br />

heute als fest angestellte Mitarbeiterin beim FRW. Sie wird als<br />

Brückenbauerin zwischen den Kulturen sehr geschätzt. «Was<br />

ich bekomme, will ich auch zurückgeben. Gemeinsam im Frieden<br />

leben, ist mein Lebensziel.» Heute fühlt sich Amina Haj Mohammad<br />

in Zug so zu Hause wie damals in ihrer Heimatstadt<br />

Derik in Syrien. «Die Leute haben viel verloren, aber sie behalten<br />

ihre Träume. Sie hier zu verwirklichen, möchte ich ihnen mit meiner<br />

Arbeit helfen.»<br />

Dass vieles gut gelingt, betont auch Hanna Gerig. Der Fokus<br />

liegt zu oft auf dem Negativen. Doch es gibt glücklicherweise<br />

viele gute Erfahrungen mit unserem Staat. Wenn Leute mit einer<br />

Sozialarbeiterin an ihrer Seite arbeiten und sich eine Wohnung<br />

leisten können, Asyl bekommen und dank Unterstützung von<br />

Freiwilligen Deutsch lernen, sind das «wunderschöne Fälle». <br />

1/<strong>2021</strong>


12<br />

Bild:<br />

Hassan Ouajbir, Pexels


13<br />

weltweit<br />

LEBENSGRUND<br />

Körper und Seele<br />

Forschungsresultate bestätigen: Der menschliche Körper ist beseelt, Psyche und Soziales bestimmen<br />

die Gesundheit mit.<br />

THEO BÜHLMANN<br />

Angesichts der Corona-Pandemie mit vielen Angesteckten und<br />

Erkrankten und dem «fieberhaften» Impfstart geraten weit verbreitete<br />

andere schwere Erkrankungen aus dem öffentlichen<br />

Bewusstsein. Dabei sind speziell Krebs und Herzerkrankungen<br />

Langzeitthemen, die nach möglichen «Horizontausweitungen»<br />

rufen.<br />

Emotionale Belastungen gehören – gleich nach dem Rauchen<br />

und den Fettstoffwechselstörungen – zu den wichtigsten Ursachen<br />

des Herzinfarkts. Was lange als spekulativ galt, bewies<br />

2005 ein Forscherteam um den kanadischen Mediziner Salim<br />

Yusuf anhand von 15 000 Infarktpatienten und ebenso vielen gesunden<br />

Vergleichspersonen in 52 Ländern. Man fragte sie nach<br />

ihren Lebensgewohnheiten, mass ihre Blutzucker- und Fettwerte.<br />

Sie wurden interviewt, ob sie finanzielle Bedrängnis, Einschneidendes<br />

wie Scheidung oder Tod eines Angehörigen erlebten.<br />

Nicht jede seelische Belastung ist gleichbedeutend,<br />

belegten die Forscher. So erhöhen Ängste und Phobien die Gefahr<br />

von Herzrhythmusstörungen. Ungewiss bleibt, ob sie auch<br />

die Arterienverkalkung begünstigen. Dies ist bei Depressionen<br />

regelmässig der Fall, wie die US-Psychiater Lawson Wulsin und<br />

Bonita Singal festgestellten. Schädlich für das Herz sind auch<br />

anhaltender Ärger und Frustrationen; auch ein schwaches soziales<br />

Netz ist relevant.<br />

Gefühle und Träume finden wohl auch<br />

im Herzen statt.<br />

Komplexität menschlicher Natur<br />

Das Infarktrisiko steige nicht durch einen einzelnen Faktor, sondern<br />

durch einen «seelischen Summeneffekt», betonte der deutsche<br />

Psychokardiologe Christoph Herrmann-Lingen. Nachweislich<br />

gehört die politische Situation zur Hochrisikoumgebung.<br />

Jedenfalls «sind psychosoziale Faktoren bei jedem dritten Erkrankungsfall<br />

im Spiel». Demnach könnten in der Schweiz mehrere<br />

Tausend Infarkte pro Jahr psychisch mitverursacht sein.<br />

Dies wirft Fragen auf: Ist die gängige (Schul-)Medizin zu sehr auf<br />

Körpersymptome fixiert? Tappt das Gesundheitswesen teilweise<br />

im Dunkeln, wenn es eine erweiterte Lebensrealität – beispielsweise<br />

Umwelt- und Sinnfragen – und die Prävention nicht mehr<br />

einbezieht? Handelt es sich um einen hohe Kosten produzierenden<br />

Irrweg?<br />

Die Wissenschaft jedenfalls erweitert ihre Horizonte. Interdisziplinäre<br />

Verbindungen wie Soziobiologie, Neurotheologie oder Neuroökonomik<br />

lassen erahnen, wie komplex die Lebensrealitäten<br />

sind und wie wenig wir sie begreifen. Dies bestätigt auch die<br />

Quantenphysik. «Die kausale Erklärbarkeit gibt es nicht mehr.<br />

Wir müssen unser Weltbild ändern», sagte Anton Zeilinger vom<br />

Institut für Experimentalphysik in Wien.<br />

Seit über einem halben Jahrhundert beschäftigen sich Wissenschaftler<br />

mit der Frage, inwiefern beim Krebs das Seelische die<br />

Entfaltung und den Verlauf der Krankheit bestimmt. Die vermutete<br />

Rolle des Psychischen bei der Krebsabwehr via Immunsystem<br />

oder Hormone musste relativiert werden. Ebenso wenig<br />

konnte die These erhärtet werden, Krebs sei ein Resultat der<br />

Lebensgeschichte, oder dessen Verlauf lasse sich durch eine<br />

positive oder kämpferische Einstellung beeinflussen. Doch Almuth<br />

Sellschopp vom Münchner Tumortherapiezentrum betonte:<br />

«Dass bis jetzt noch kein schlüssiger Zusammenhang zwischen<br />

Psyche und Krebs gefunden wurde, bedeutet nicht unbedingt,<br />

dass keiner besteht.» Mit ein Grund ist die Tatsache, dass solche<br />

Untersuchungen sehr aufwändig sind. 2<strong>01</strong>7 veröffentlichten<br />

britische Wissenschaftler Metaanalyse-Resultate von mehr als<br />

160 000 Menschen im Alter von 16 bis über 100 Jahren, die über<br />

ein Jahrzehnt lang nach ihrem Gesundheitszustand befragt wurden.<br />

Bei Probanden unter starkem Dauerstress ermittelten sie<br />

ein 30 Prozent höheres Risiko, an Krebs zu sterben als die unbelasteten.<br />

Der Zusammenhang zeigte sich am meisten bei Leukämie,<br />

gefolgt von Bauchspeichel-, Speiseröhren-, Prostata- und<br />

Darmkrebs.<br />

Persönlichkeitsübertragung?<br />

Verblüffende Erkenntnisse gibt es aus einem anderen Bereich:<br />

Debbie Vega hat ein neues Herz eingepflanzt bekommen. Sie lag<br />

noch im Spital und wurde von der Krankenschwester gefragt:<br />

«Kann ich Ihnen etwas bringen, worauf Sie besonders Lust<br />

haben?» Debbie lächelte: «Für mein Leben gern hätte ich jetzt<br />

ein Bier.» Doch sie war Abstinenzlerin vor der Operation. Monate<br />

danach befiel die 47-Jährige immer wieder Heisshunger nach<br />

Fast Food, obwohl sie dieses Essen nie gemocht hat. Als sich<br />

auch noch der Musikgeschmack der einstigen Klassik-Liebhabe-<br />

1/<strong>2021</strong>


14<br />

LEBENSGRUND<br />

rin änderte und sie plötzlich Rap liebte, wurde es ihr unheimlich.<br />

Haben die Veränderungen mit der Transplantation zu tun? Da in<br />

den USA EmpfängerInnen meistens erfahren, von wem sie das<br />

Organ bekommen haben, suchte Debbie die Familie ihres Spenders<br />

auf und vernahm Verblüffendes: Der 18-jährige Howie Vareen,<br />

der bei einem Unfall ums Leben kam, bevorzugte Fast<br />

Food. Auch Debbies neue Lust auf Bier und Rap stammte offenbar<br />

von ihm. Ist es möglich, dass Menschen durch Organtransplantation<br />

Vorlieben, Abneigungen, Erinnerungen, Ängste und<br />

Wünsche der Spender «erben»? Oder pointiert gefragt: Wandert<br />

ein Teil der Seele mit?<br />

Im Labor werden inzwischen genveränderte<br />

menschliche Embryonen gezüchtet:<br />

Was bedeutet dies für Seele und Körper?<br />

(Bild: Jochen Tack, imago images)<br />

Immer mehr Menschen werden durch Organspenden gerettet:<br />

Schätzungsweise 54 000 Herzen wurden bis 2005 weltweit verpflanzt,<br />

eine halbe Million Nieren bis 2<strong>01</strong>2. 74 000 Lebern und<br />

10 000 Lungen wechselten im 20. Jahrhundert den «Besitzer».<br />

Lange kümmerte man sich dabei vor allem um die biotechnologischen<br />

Probleme. Seit etwa 20 Jahren beschäftigen sich<br />

Studien auch mit dem Leben nach der Operation. Rund sechs<br />

Prozent der von der österreichischen Psychologieprofessorin<br />

Brigitte Bunzel befragten Herztransplantierten berichteten von<br />

Persönlichkeitsveränderungen, die sie auf das neue Organ zurückführten.<br />

Eine Frau hatte das Gefühl, dass mit dem neuen<br />

Herzen «noch jemand anders» bei ihr war. Der amerikanische<br />

Kardiologe Dr. Paul Pearsall interviewte mehr als 100 HerzempfängerInnen,<br />

die eine Verbindung zum verstorbenen Organspender<br />

spürten. Er überprüfte die Angaben bei den Spender-<br />

Angehörigen. Sein Ergebnis: Bei mehr als zehn Prozent der<br />

EmpfängerInnen traten zwei bis fünf frappierende Parallelen<br />

zum Spender auf.<br />

«Zell-Gedächtnis» löst Mordfall<br />

Solche Hinweise erschüttern bisheriges «Wissen». Sind diese<br />

Veränderungen nur Folgen der Krankheit, des Eingriffes, der jahrelangen<br />

psychischen Belastungen, der Medikamente? Oder ist<br />

es tatsächlich so, dass Persönlichkeitsanteile der Spendenden<br />

weiterleben? «Das Herz ist der Schlüssel zu diesem Rätsel»,<br />

sagte Gary Schwatz von der University of Arizona, «es ist innerhalb<br />

des gesamten Körpers der stärkste ‹Generator› elektromagnetischer<br />

Energie». Bis 5000 Millivolt Strom kommen vom<br />

Herzen, bis fünfzigmal soviel wie vom Gehirn. Diese Energien<br />

zirkulieren durch unser gesamtes menschliches System, meinte<br />

Professor Schwartz: «Dabei könnten Informationen aufgenommen<br />

und an jedes Organ übermittelt werden.» Chemische Gehirnsubstanzen<br />

(Neurotransmitter), die im Gehirn wie im Herzen<br />

gefunden wurden, zeigen nach Ansicht des Forschers, dass<br />

«es eine direkte Kommunikation zwischen Herz und Hirn gibt,<br />

die weit über die bekannte Verbindung hinausreicht». Gedanken,<br />

Gefühle und Träume finden demnach auch im Herzen statt. Sie<br />

werden gemäss Schwartz codemässig gespeichert und an alle<br />

Zellen weitergegeben. Dass es tatsächlich ein «Zell-Gedächtnis»<br />

gibt, ist unbestritten. Aber wandert dieses mit einem Spenderherzen<br />

in den Körper des Empfängers und sendet Signale aus,<br />

die dem früheren Besitzer «am Herzen lagen»?<br />

Ein Beleg dafür könnte der Fall eines zehnjährigen Mädchens<br />

sein. Es erhielt das Herz einer Achtjährigen und wurde seit der<br />

Operation von so schweren Albträumen heimgesucht, dass ihre<br />

Eltern sie in psychologische Behandlung schickten. In den Sitzungen<br />

berichtete das Kind detailgetreu davon, umgebracht zu<br />

werden. Die Psychologin zog die Polizei hinzu. Durch die Schilderungen<br />

konnte schliesslich der Mörder des Mädchens, von<br />

dem das Herz stammte, identifiziert und verurteilt werden.<br />

Ethische Zukunftsfragen<br />

Viele Ärzte und Therapeuten erklären die Persönlichkeitsveränderungen<br />

mit Medikamenten, Überidentifikation mit dem Spender<br />

oder mit dem Umstand, dass sie «ein neues Leben bekommen<br />

haben». Doch viele Betroffene werden mit den Veränderungen<br />

kaum fertig und isolieren sich, berichtete die Psychologin Elisabeth<br />

Wellendorf. «Sie haben das Gefühl, bei ihnen stimme etwas<br />

nicht», weil man ihre Wahrnehmung nicht ernst nimmt. «Erobert»<br />

die Medizin künftig das menschliche «Königsorgan», dürften die<br />

psychischen Probleme kaum geringer werden. Mit der Einpflanzung<br />

fremder Hirnzellen wollen Ärzte Alzheimer, Parkinson, Hirnschlag,<br />

Taub- und Blindheit kurieren. Damit werde die menschliche<br />

Identität in Frage gestellt, erklärte der Neurologe Bernhard<br />

Linke. «Letztlich wissen wir nicht mehr, wer das Denken, Fühlen<br />

und Bewegen steuert – das eigene oder das fremde Gewebe.»<br />

Neurotransplantationen werden uns neben rechtlichen, neue<br />

ethische Herausforderungen bescheren. Wo führt das hin, wenn<br />

mit biotechnologisch veränderten Implantaten oder elektronischen<br />

Chips Hirnareale stimuliert und menschliches Verhalten<br />

manipulierbar wird? Wird es zur «freien Persönlichkeitsentfaltung»<br />

Privilegierter, sich oder andere hirnchirurgisch «modellieren»<br />

zu lassen?<br />

Abgesehen von Schwindel erregenden Zukunftsszenarien: Vorerst<br />

lassen uns die geschilderten Phänomene staunen über die<br />

Genialität unseres Schöpfers. Wir fühlen uns bestätigt im Glauben:<br />

Der Mensch ist eine untrennbare Einheit von Körper, Seele<br />

und Geist. Als Christen kann uns solch neuartiges Wissen letztlich<br />

in der Gewissheit stärken, dass es tatsächlich ein ewiges<br />

Leben gibt. <br />

Quellen: Tagesanzeiger, P.M. Bild der Wissenschaft, Focus oneline


15<br />

weltweit<br />

ANGEBOTE<br />

Kloster Menzingen ZG<br />

27. / 28. Februar <strong>2021</strong><br />

Einkehrtage in Höngen<br />

Tage der Stille und des Gebetes, um zur Ruhe zu kommen.<br />

Orientierung an einem biblischen Text, Entspannungsübungen,<br />

gemeinsames meditatives Sitzen.<br />

22. – 29. März <strong>2021</strong> in Höngen<br />

Einzelexerzitien für Frauen und Männer<br />

Eine längere Übungszeit, um im Lichte Gottes in Ruhe sich<br />

selbst zu begegnen, um das Leben neu auszurichten, für uns<br />

selber, mit anderen zusammen und für die Welt. Am Prozess<br />

des Einzelnen orientiert, mit vier Stunden persönlicher Gebetszeit<br />

im Tag.<br />

Kursleitung und Anmeldung: Sr. Elisabeth Maria Sauter, Höngen,<br />

4712 Laupersdorf, Tel. 062 391 33 45 / 062 391 85 43,<br />

haus-der-stille@gmx.ch – www.kloster-menzingen.ch <br />

Dominikanerinnen Ilanz GR – Haus der Begegnung<br />

Fr, 5. Februar 14.00 Uhr bis So, 7. Februar <strong>2021</strong>, 16.00 Uhr<br />

Tai Chi – Die vollkommene Bewegung<br />

Achtsamkeit und Sensibilität für den Körper, physische und<br />

psychische Grenzen erhöhen.<br />

Leitung: Franziska Pokorny, Qi Gong und Tai Chi Trainerin, Entspannungs-Coach<br />

Fr, 12. Febr.uar <strong>2021</strong>, 10.15 Uhr bis 17.00 Uhr<br />

Salben und Wickel machen<br />

Leitung: Sr. Madlen Büttler OP und Sr. Frieda Jäger OP, Imkerin<br />

Do, 25. Februar 9.00 Uhr bis Fr, 26. Februar <strong>2021</strong>, 16.30 Uhr<br />

Women only!<br />

Frauen kommunizieren anders – und das ist gut so.<br />

Sagen Sie was Sie meinen und erreichen Sie, was Sie wollen.<br />

Leitung: Sonja Kilias, Coach für verbale und nonverbale Kommunikation.<br />

Kloster Ingenbohl SZ<br />

Ferien im Kloster<br />

Mit Selbstversorgung im Haus Maria Theresia<br />

Nähere Informationen: Sr. Hildegard Zäch, Tel. 041 825 24 51<br />

haus.maria-theresia@kloster-ingenbohl.ch<br />

www.kloster-ingenbohl.ch<br />

Jeweils am Freitagabend<br />

Kontemplationsabende<br />

Information und Anmeldung:<br />

Sr. Jacqueline Clara Bühler, Tel. 041 825 24 80<br />

weggemeinschaft@kloster-ingenbohl.ch <br />

Katharina-Werk Basel<br />

3. Februar / 13. März / 17. April / 8. Mai / 12. Juni <strong>2021</strong><br />

Zen-Meditation – Zazenkai<br />

Anmeldung: e.hug@katharina-werk.org<br />

25. – 30. April <strong>2021</strong><br />

Zen-Sesshin in Les Rasses, Jura<br />

Anmeldung: e.hug@katharina-werk.org<br />

26. – 28. Februar / 23. – 25. April / 25. – 27. Juni /<br />

24. – 26. September / 19. – 21. November <strong>2021</strong><br />

Jahreskurs <strong>2021</strong>: «Mach's wie Gott – wandle!»<br />

27. März / 19. Juni <strong>2021</strong><br />

Kontemplationstage in Basel<br />

Anmeldung: m.buergler@sunrise.ch<br />

Regelmässige Angebote: Sitzen in der Stille – Kontemplation –<br />

Zen – Wüstentage – Exerzitien – Offene Abende<br />

finden Sie unter www.katharina-werk.org<br />

Anmeldung (soweit nicht anders benannt) über Katharina-Werk,<br />

Neubadstrasse 95, 4054 Basel, Tel. 061 307 23 23,<br />

sekretariat@katharina-werk.org <br />

Fr, 12. März 15.00 Uhr bis So, 14. März <strong>2021</strong>, 15.00 Uhr<br />

Lu Jong Tibetisches Heilyoga<br />

Selbstheilungskräfte aktivieren, sich von negativen Gefühlen<br />

befreien und seine Körperenergie steigern.<br />

Leitung: Michaela Tuzzolino, ausgebildte Lu Jong Lehrerin<br />

So, 28. März 16.30 Uhr bis Sa, 3. April <strong>2021</strong>, 10.00 Uhr<br />

Fastenwandern<br />

Gönnen Sie sich eine Loslösung vom Alltag und erleben Sie,<br />

wie Sie Ihre Abwehrkräfte auf natürliche Weise stärken können.<br />

Leitung: Heike A. Gödeke, Fastenleiterin (AGL), Kneipp-Gesundheitstrainerin<br />

(SKA)<br />

Weitere Angebote und Informationen: Haus der Begegnung, Klosterweg<br />

16, 7130 Ilanz, Tel. 081 926 95 40, www.hausderbegegnung.ch<br />

oder hausderbegegnung@klosterilanz.ch <br />

Zen Zentrum Offener Kreis Luzern<br />

Dienstag 6.30 – 8.00 Uhr und 19.00 – 20.00 Uhr<br />

Donnerstag 6.30 – 8.00 Uhr und 18.00 – 19.00 Uhr<br />

wöchentlich (ausser an Feiertagen und während Sesshins)<br />

Zazen (Schweigemeditation)<br />

keine Anmeldung erforderlich<br />

Samstag, 13. Februar, 10.00 – 16.00 Uhr<br />

Zazenkai<br />

Leitung: Dr. Anna Gamma<br />

Samstag, 20. März, 10.00 – 16.00 Uhr<br />

Zazenkai<br />

Leitung: Dr. Anna Gamma<br />

Sonntag, 21. März, 9.30 – 13.00 Uhr<br />

Zen Einführung<br />

Leitung: Dr. Anna Gamma<br />

Ort der Veranstaltungen und weitere Informationen: Zen Zentrum<br />

Offener Kreis, Bürgenstrasse 36, 6005 Luzern, Tel. 041 371 11 94,<br />

info@zenzentrum-offenerkreis.ch / www.zenzentrum-offenerkreis.ch <br />

1/<strong>2021</strong>


16<br />

Selber denken, seinen<br />

Empfindungen trauen<br />

Eigenständigkeit bewahren, trotz Vereinnahmung «von oben» und vom Netz, gehört zum Lebensglück.<br />

DOSSIERTEXTE: THEO BÜHLMANN<br />

«Lasst euch nicht blöd machen!», schrieb 1989 der Naturwissenschaftler<br />

und Unversalgelehrte Erwin Cargaff in seinem Buch<br />

‹Alphabetische Anschläge›. Schon kleinsten Kindern werde mit<br />

Bildchen und Tönchen Einfältigkeit aufgedrückt und genommen,<br />

was sie einzig- und grossartig macht. Er empfahl ein gesundes<br />

Misstrauen gegen alles, was mit gedruckter Weltdarstellungsund<br />

bildschirmgewaltiger Illusionsmaschinerie unterhaltsam ins<br />

Haus «flattert». Auch der Sozialpsychologe Harad Welzer warnte<br />

vor Akteuren, Schauspielern oder Fachleuten, die einem die Welt<br />

erklären, als verständen sie sie besser als jeder andere. Und uns<br />

suggerieren, keine Möglichkeit zu haben, in die Ereignisse einzugreifen.<br />

Diese seien oft nicht zwingend: Die Kullissen simulieren<br />

Stabilität, aber viele «Stücke» sind eine Farce, zu Unterhaltungszwecken<br />

arrangiert. «Immerfort treten dicke Männer auf<br />

und brüllen ‹Wachstum›, Spekulanten spielen Länderdomino,<br />

und Nummerngirls tänzeln mit Katastrophebildern» über die<br />

TV-, Computer und Smartphone-Schirme. Welzer ermutigt dazu,<br />

dem eigenen Gefühl zu trauen, dass um uns herum ein grosses<br />

Illusionstheater stattfindet. Und er empfiehlt, mit selber denken<br />

diese Gehirnwäsche zu konterkarieren. So schwer sei Selberdenken<br />

gar nicht, denn immer noch sind die Sachverhalte so<br />

grundlegend wie früher zu beurteilen. «Immer noch gibt es Werte<br />

wie Verantwortung, Gerechtigkeit, Betrug, Lüge. Und um diese<br />

Massstäbe fürs eigene Leben zu erkennen, muss man kein Experte<br />

sein. In alltagspraktischen Bereichen sind wir doch hochgradig<br />

fähig, selber zu denken.»<br />

Lebenserfahrung und Herzensbildung<br />

sind so relevant wie der IQ und Schulwissen.<br />

Trau dich!<br />

Was soll ich denken? Wie beurteilen, mich entscheiden? Was<br />

soll ich tun? Solche Fragen waren früher nicht einfach durch eingeschränkte<br />

Möglichkeiten, heute überfordernd durch ein Zuviel<br />

an Reizüberflutung, Unübersichtlichkeit und Widersprüchlichkeit<br />

einer multimedialen Welt. Sich also<br />

vor zu viel Ablenkung und Fremdeinwirkung zu<br />

schützen ist angesagt. Und sich nicht einfach Vordenkern<br />

zu überlassen, die weissmachen, was für<br />

einen gut oder schlecht, richtig oder verkehrt sei.<br />

Die meisten Menschen spüren das oft selber besser,<br />

auf die eigene Lage angemessener. Harad Welzer<br />

weist darauf hin, dass «Experten» keine neutralen,<br />

interessenfreie Informationen bereitstellen. Denken<br />

wir an die Atomenergie, die Ingenieure oder Physiker<br />

als sicher beurteilen. Spätestens seit Tschernobyl<br />

und Fukushima ist aber glasklar auf dem<br />

Tisch: Diese Technologie ist nicht beherrschbar!<br />

«Akzep-tieren Sie nicht widerspruchslos, irgendeine<br />

Entscheidung sei alternativlos», fordert Welzer<br />

auf, das gebe es nur in Diktaturen: «Werden Sie ihr<br />

eigener Experte!»<br />

Allerdings: eine eigene Meinung haben und sie auszusprechen<br />

ist in Corona-Zeiten nicht einfach, und wird auch angesichts der<br />

Digitalisierung anspruchsvoll bleiben. Generell trauen sich viele<br />

Menschen nicht, öffentlich eine Meinung zu vertreten, zu sagen,<br />

was angebracht oder daneben sein könnte. Wer bin ich, anders<br />

zu denken als die Mehrheit? (Sie zeigt sich allerdings bei Abstimmungen<br />

regelmässig in Halbe Halbe gespalten): Vielleicht bin<br />

ich nicht intelligent, gebildet, gut genug. Dies sieht der Sozialpsychologe<br />

als Irrtum, denn etwas als richtig oder falsch zu entscheiden,<br />

ist für ihn keine Bildungsfrage, sondern bemisst sich<br />

nach Kriterien wie schädlich, gefährdend oder zukunftsbehindernd:<br />

«Es gibt unendlich viele ausgesprochen hoch gebildete<br />

und trotzdem sehr dumme Menschen.» Das sei ja nur ein Vorurteil<br />

unserer Gesellschaft, dass jemand, der einen Proffessorentitel<br />

hat, gescheiter und vernünftiger sein soll als jemand, der<br />

sein Geld durch Putzen verdient. Abgesehen davon gibt es sowieso<br />

nicht nur eine Intelligenz, sondern seit Howard Gardner<br />

mindestens acht, unter anderem kulinarische, musikalische,<br />

naturalistische, psychologische, emotionale oder soziale Intelligenzen.<br />

IQ und Schulwissen sind also nicht alles; gutes Nutzen<br />

von Lebenserfahrung und Herzensbildung ist mindestens so


17<br />

THEMENSEITEN<br />

weltweit<br />

Bild: Matthias Rabbe<br />

relevant. Jeder Mensch ist einmalig. Er hat eine eigene Berufung<br />

im Leben, was er tun muss, und ist bei dieser Aufgabe unersetzbar.<br />

Das sind Gedanken von Viktor Frankl, dem Begründer der<br />

Existenzanalyse.<br />

Nicht simplifizieren<br />

Einerseits ist es schwieriger geworden, innere und äussere Orientierung<br />

zufinden, weil viel zu viele Informationen da sind. Das<br />

Internet gibt uns eine Fülle sehr widersprüchlicher Antworten auf<br />

sehr viele Fragen. Sichten und Aussortieren ist mühsam geworden<br />

– wie seriös sind die Inhalte, wem dienen sie, wie gewichte<br />

und bewerte ich sie, wie bilde ich meinen Standpunkt, was ist<br />

für mich relevant?<br />

Andererseits weist der Mediziner, Psycho- und Biologe, Unternehmensberater<br />

und leidenschaftliche Selberdenker Peter Kruse<br />

darauf hin, dass unser Gehirn als sehr gut funktionierendes Netzwerk<br />

durchaus in der Lage ist, sich anzupassen, Muster in Komplexitäten<br />

zu erkennen, diese zu reduzieren und zu bewäl-tigen.<br />

Ein guter Teil der jungen Generation macht es uns vor, angemessen<br />

mit Überflutung in Echtzeit umzugehen. Natürlich hat dazu<br />

nicht jede(r) genügend Selbstsicherheit. Einige reagieren überfordert,<br />

intuitiv, oder rennen einfach drauflos, riskieren Versuch<br />

und Irrtum. Andere analysieren, umkreisen ein Problem immer<br />

wieder, denken sich fest, grübeln. Und manche fliehen aus dieser<br />

zu komplizierten Welt in die Einfachheit, sind empfänglich<br />

für simple Antworten auf vielschichtigen Fragen – und sehen<br />

am Ende nur noch schwarz oder weiss. «Natürlich kann ich alles<br />

auf sex and crime und andere Trivalitäten reduzieren, aber damit<br />

geht geistiger Reichtum, Lebensglück verloren», sagt Kruse.<br />

Und kritisiert die Medientendenz, alles zu sehr zu vereinfachen,<br />

statt die Menschen zu fordern und ihr Selbstbewusstsein als<br />

Konsumenten zu fördern. Dazu gehört nach Erwin Chargaff die<br />

jugendliche Fähigkeit, Feuer zu fangen für die vielen Farben<br />

der Welt. Glückseligkeit beinhalte, «weder in Ablehnung zu verholzen<br />

noch in Zustimmung zu verblöden – sondern sich vielmehr<br />

weit zu öffnen dem, was das Herz erkannt und der Geist<br />

in Freiheit verstanden hat». Ebenso gehört eine Prise Gelassenheit,<br />

Humor und Über-sich-selber-lachen-können dazu. Und<br />

Kruse sagte zu Bedenken, «als einfacher Mann der Strasse<br />

zu wenig diffenzieren zu können»: Halte dich nicht für einfach.<br />

«Und tu es dir vor allem nicht an, dich von anderen vereinfachen<br />

zu lassen!»<br />

1/<strong>2021</strong>


18<br />

Seinen Empfindungen und Gefühlen zu vertrauen gehört dazu.<br />

Auf seinen ersten Impuls, die Intuition als von weiteren Kanälen<br />

gespiesene Wahrheit, die das (eigene) Denken durchaus übersteigen<br />

kann. Der Mensch ist mehr als sein Kopf. Herz und Seele<br />

gehören dazu, und sein Glaube an eine göttliche Weisheit inklusive<br />

der Möglichkeit, auch von dieser Quelle Antworten zu bekommen.<br />

Mitsamt der Demut, dass ich niemals alles selber wissen,<br />

begreifen und erfassen muss, was auch in der geistigen<br />

Welt existiert und mich lehren kann. Offen für diesen spirituellen<br />

Kanal zu sein, ihn zu pflegen und zu nähren, dies hilft ebenso.<br />

Lebensqualität<br />

Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen,<br />

heisst die berühmte Aufforderung des Philosophen Immanuel<br />

Kant. In der Aufklärung sah er «den Ausgang des Menschen<br />

aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit». Bequemlichkeit,<br />

Angst und Feigheit gehören zu den Gründen, warum dennoch<br />

ein grosser Teil der Menschen unmündig und abhängig von andern<br />

bleibt. Um auf die Spur zu kommen, was ich wissen kann,<br />

tun und hoffen darf, muss ich durchaus verschiedene Informationen<br />

und Meinungen konsultieren, Dinge immer wieder hinfragen,<br />

auf der Suche sein. Aber es lohnt sich, sich nicht einfach von<br />

Moden und flüchtigen Stimmungen bestimmen zu lassen, sondern<br />

wesentlich und verantwortet seinen eigenen Standpunkt<br />

zu entwickeln. Und Nein sagen zu lernen, wo es angebracht ist.<br />

Selberdenken gehört zur innneren Freiheit, zum Authentischsein.<br />

Sich so zu besinnen, an wichtigen Werten festzuhalten,<br />

gehört zur Lebensaufgabe und Lebensqualität. Wer Vereinfachern<br />

seinen geistigen Raum überlässt, muss zwar weniger<br />

Spannungen und Widersprüche aushalten – dies macht das Leben<br />

aber auch fader, sinnloser und langweiliger: Zu viele Dinge<br />

ergäben sich über meinen Kopf hinweg, die wenig mit mir und<br />

meinem Leben zu tun hätten. <br />

Quellen: Doris Weber: «Die Lust am Selberdenken»,<br />

Publik-Forum 2<strong>01</strong>1 – Das Magazin 50/2<strong>01</strong>3<br />

Lebensfarben bewahren<br />

Im Buch «Momo» von Michael Ende berichtet Secundus Minutius Hora, der Meister der Zeit, von einer Krankheit namens Langeweile<br />

und Gleichgültigkeit. Ausgelöst wird sie durch graue und kalte Herren, welche die Menschen zum Sparen der Zeit<br />

verführen, um sie auf Konti verzinst für später aufzubewahren. Aber dadurch schneiden die Leute eigene Empfindungen und<br />

Entscheidungen ab, werden mutlos, stumm und willenlos. Sie singen nicht mehr, verschenken keine Blumen und haben weder<br />

Auge noch Ohr für ihre Mitmenschen. Trotz Verfolgung durch die grauen Herren bestärkt Hora das kleine Mädchen Momo in<br />

ihrer Gabe, den Menschen zuzuhören, sodass in ihnen kluge Ideen erwachen, Schüchterne mutig werden und Unentschlossene<br />

wieder wissen, was sie zu tun haben.<br />

Heute würde das laut der Bremer Philosophin Dagmar Borchers bedeuten, Menschen zu motivieren, eigenen Gefühlen und<br />

Gedanken zu vertrauen, Zwischentöne und Nuancen in der Welt wieder wahrzunehmen, ein Argument nicht sofort zack, zack<br />

und leicht konsumierbar auf den Punkt zu bringen, sondern differenziert und langsam zu entwickeln. Und den Mut aufzubringen,<br />

mit neuen Ideen zur lebensnahen Vielfalt im öffentlichen Diskurs beizutragen. <br />

Hoher «IQ» und doch blöd?<br />

Einer der wenigen Nobelpreise für Psychologen war 2002 an<br />

Daniel Kahnemann gegangen, der den Wirtschaftsgötzen Homo<br />

oeconomicus vom Sockel stiess. Er wies nach, dass auch dann,<br />

wenn am Markt Millionen nutzenmaximierende Egoisten agieren,<br />

diese sehr oft nicht rational und logisch entscheiden, sondern<br />

von unbewussten Emotionen getrieben sind. Er fand heraus,<br />

dass «intuitives Denken» von übermässigem Selbstvertrauen in<br />

die Irre geführt wird. Es gibt gerade bei Menschen, die als intelligent<br />

gelten, einen Mega-Blinden-Fleck: Sie nehmen zwar die<br />

kognitiven Unzulänglichkeiten von Freunden und Feinden wahr,<br />

sind sich aber zu sicher, selbst von diesen Denkfehlern frei<br />

zu sein. Um jedoch wirklich rational entscheiden zu können,<br />

brauchte es mentale Kontrolle über Emotionen und unbewusste<br />

Assoziationen. Vonnöten sei nebst einem guten IQ ein genügender<br />

RQ, ein Rationalitätsquotient. Beide sind bei Menschen nicht<br />

veranlagungsmässig einfach so gegeben, sondern werden im<br />

Leben mehr oder weniger gebildet: Dies fand man inzwischen<br />

wissenschaftlich heraus.<br />

Wichtige Selbstkritikfähigkeit<br />

Kahnemann wies nach, dass diese Problematik in der Finanzkrise<br />

von 2008 eine Hauptrolle spielte. Generell gaben und<br />

geben Banker betreff Zukunfts-Prognosen den Investoren eine<br />

falsche Sicherheit. Andere Forscher ermittelten als Krisen-Ursachen<br />

«Fachidiotentum», Ausblendung kritischer Fragen, Unterdrückung<br />

berechtiger Zweifel, um Autoritäten in Konzernen nicht


19<br />

weltweit<br />

THEMENSEITEN<br />

Nichts sehen, hören,<br />

sagen? Wir alle möchte<br />

darüber hinaus kommen.<br />

(Bild: activelle,<br />

fotocommunity)<br />

zu verunsichern und interne Abläufe nicht zu stören. Die Studien-<br />

Autoren bemängeln eine Firmenkultur, die in strenger Auslese die<br />

besten Kandidaten gewinnen, um ihnen anschliessend ihre kritisch-analytischen<br />

Fähigkeiten auszutreiben oder nur auf kurzfristige<br />

Ziele zu richten. Zur Korrektur entwickelte Kahnemann<br />

das «Pre-Mortem»-Katastrophenszenario: Jeder in einer Gruppe<br />

soll davon ausgehen, dass Managerentscheide, die keiner mehr<br />

umzustossen wagt, sich in einem Jahr als Fiasco herausstellen –<br />

und dann die wichtigsten Faktoren eines solch schlimmen Verlaufs<br />

notieren und als Zweifel an der Planung offenlegen.<br />

Als weitere Quelle von Dummheit erkannten Wissenschaftler die<br />

Angst vor Verlust: von Geld, Gesundheit oder Leben. Heutzutage<br />

ist der Homo sapiens jedoch gefordert, für seine Zukunftssicherung<br />

quasi im Eiltempo ein Denkmuster seiner Evolution zu überwinden:<br />

Wir müssen anders handeln wegen einer Gefahr, die<br />

nicht unsere Erfahrung zeigt, sondern weil wir durch Nachdenken<br />

von ihr wissen. <br />

Quelle: Leo Pesch: «Kluge Köpfe irren öfter!», PM – Bild der Wissenschaft<br />

2<strong>01</strong>3<br />

Heiliger Geist braucht<br />

Erneuerung<br />

Wieso unser Glaube nicht allein aus Festgeschriebenem der Bibel erschliessbar ist.<br />

Viele JüdInnen und ChristInnen sehen grosszügig darüber hinweg,<br />

dass die Bibel historisch und naturwissenschaftlich unkorrekte<br />

Angaben macht, schrieb die Theologin Regula Grünenfelder.<br />

Und sie nannte ein Beispiel: In der Bibel wird der Hase als<br />

Wiederkäuer bezeichnet (Levitikus 11,6). Solche Unstimmigkeiten<br />

sind den meisten Menschen nicht so wichtig. Es geht ihnen<br />

um eine tiefere Wahrheit in der Bibel. Grünenfelder weisst jedoch<br />

darauf hin, dass Bibelfundamentalisten – zumindest in den USA<br />

eine politisch einflussreiche Bewegung – daran festhalten, dass<br />

die Welt während einer einzigen Woche erschaffen wurde, die<br />

Frau aus der Rippe des Mannes stammt, dass die Todesstrafe<br />

gottgewollt sei, und Sklaverei ebenfalls. «Kritische Stimmen fragen<br />

jedoch nach der ethischen Wahrheit. Denn mit der Bibel<br />

wurde und wird auch Unterdrückung, Ausbeutung und Gewalt<br />

legitimiert. Gewisse Sätze können weder Herz noch Verstand als<br />

wahr durchgehen lassen.» Wenn zum Beispiel im ersten Korinter<br />

14,34 steht, «die Frauen sollten in den Gemeindeversammlungen<br />

schweigen», leitet die Theologien – sozusagen als kleiner Trost –<br />

1/<strong>2021</strong>


20<br />

die historische Erkenntnis ab: Dank dieses Verbots wissen wir,<br />

dass in der Urkirche die Frauen öffentlich gesprochen haben.<br />

Erneuerung durch Leben<br />

Die meisten Menschen unterscheiden in einer komplex gewordenen<br />

Welt verschiedene Arten von wahr und richtig. Für sie<br />

enthält die Bibel in erster Linie Glaubenszeugnisse verschiedenster<br />

Menschen in sehr unterschiedlichen Zeiten und Kulturen.<br />

Die Bibel erhebt gar nicht den Anspruch, richtig oder einheitlich<br />

zu sein; ihre Gottesbilder sind vielfältig, betont Regula<br />

Grünenfelder.<br />

Als eindrucksvolles Beispiel für die praktische Wahrheit biblischer<br />

Texte nennt sie den Schluss des Markus-Evangeliums.<br />

Es endete ursprünglich ohne das Happy-End der Auferstehung:<br />

«Die Frauen gingen hinaus und flohen aus dem Grab, denn sie<br />

waren ausser sich vor Zittern und Exstase. Und sie sagten niemandem<br />

etwas, denn sie fürchteten sich.» (Mk 16,8, Übersetzung:<br />

Bibel in Gerechter Sprache). Dazu erklärt die Theologin:<br />

«Falls die Frauen tatsächlich geschwiegen haben, konnte der<br />

Evangelist gar nicht wissen, was im Grab geschah – und falls<br />

nicht, hat er falsch oder schlecht erzählt. Der Autor setzte diesen<br />

Schluss, meine ich, mit voller Absicht: Spätere LeserInnen sollen<br />

den ersten JüngerInnen nicht einfach ‹zuschauen› beim Glauben,<br />

sondern verstehen: Das Evangelium ist nicht zu Ende. Es geht<br />

in ihrem Leben weiter!» Bibel beginnt und wird erneuert auch in<br />

unserem Leben: Dies verleiht ihr Autorität und verlangt gleichzeitig<br />

nach einem aktiven Gespräch. «Stolpernd oder tanzend<br />

bringen alltägliche Schritte des Lobens, der Liebe und der Gemeinschaft<br />

die Wahrheit der Bibel zum Leuchten».<br />

Jesus vertraute Petrus den «Schlüssel<br />

des Himmelreiches» an: Er soll Zukunft<br />

erschliessen, nicht abschliessen oder<br />

einsperren.<br />

In unserer Verantwortung<br />

Auch der Theologe und Erwachsenenbildner Thomas Markus<br />

Meier sagte, wir ChristInnen seien beauftragt, den Glauben im<br />

Geist Jesu weiterzugestalten. Wenn angesichts umstrittener<br />

Fragen Argumente versagen, heisse es, Jesus habe schliesslich<br />

auch nicht... Aber Meier fragt: Gilt nur Jesu Wort, oder hat auch<br />

die Kirche etwas zu sagen? Wenn nur das Wort der Schrift gälte,<br />

müssten wir ehrlicherweise einige Glaubensinhalte arg überdenken.<br />

«Es war bereits den Kirchenvätern bewusst, dass nicht<br />

alles, was sie glaubten, schon Schwarz auf Weiss in der Bibel<br />

zu lesen stand. Was sie glaubten, war auch ein Geschenk, eine<br />

Offenbarung Gottes Heiliger Geistkraft. Also etwas Neues, und<br />

nicht buchstäblich aus der Bibel abzuschreiben. Wenn heute die<br />

Frage der Frauenordination abgeschmettert wird mit dem Argument,<br />

Jesus habe keine Frauen geweiht, dann müssten wir<br />

ehrlicherweise auch viel Liebgewordenes abschaffen, was nicht<br />

wörtlich im Neuen Testament verankert ist. Und Überholtes<br />

müsste uns einholen: Vom Verbot der Blutwurst (Apg 15,29) bis<br />

zur Pflichtehe für den Bischof (1 Tim 3,2)».<br />

Mit Jesu Weggang kam die Zeit, wo sein Werk in unsere Verantwortung<br />

überging: «Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie<br />

vergeben» (Joh 20,23). Die Kirche hat den Glauben immer wieder<br />

neu formuliert und zuvor Unbekanntes eingeführt. «Gottes<br />

Geisteskraft ist uns gegeben, damit weitergeht, was mit Jesus<br />

begonnen hat. Damit die Geschichte fortschreitet und nicht<br />

stehen bleibt», schreibt Thomas Markus Meier. «Was du auf<br />

Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein,<br />

und was du auf Erden löst, wird auch im Himmel gelöst sein»<br />

(vgl. Mt 16,19)! Der Theologe sieht darin ein «Schlüssel des<br />

Himmelreiches», der Petrus anvertraut wurde: Er soll Zukunft<br />

erschliessen – nicht abschliessen oder einsperren. Mit Gottes<br />

Geisteskraft ist auch uns Verantwortung und Entscheidungs -<br />

befugnis gegeben. Und Meier merkt kritisch an: «Wenn behauptet<br />

wird, die Kirche habe kein Recht, über das oder jenes nachzudenken,<br />

wird sie zu wenig ernst genommen. Der historische<br />

Jesus ist nicht mehr da, aber die Kirche als lebendiger Leib<br />

Christi. Wenn sie erstarrt und nicht mehr lebendig und mutig<br />

weitergeht, wird sie schuldig. Jesus will, dass wir uns nicht<br />

ängstlich hinter Vergangenem oder dem Wortlaut verschanzen,<br />

sondern zukunftsweisende Wege aufschliessen.» Nicht von ungefähr<br />

warnte er vor der Sünde wider den Heiligen Geist, betont<br />

Meier: Seine eigene Person gilt Jesus weniger schützenswert<br />

als sein Anliegen, sein Werk. Sonst verliert sich das Ganze aus<br />

dem Blick, weil das Augenmerk auf alte Lösungen fixiert bleibt.<br />

Oder neue Wege und alternative Vorschläge nicht einmal mehr<br />

frag-würdig, einen Versuch wert, wären. <br />

Quelle: TTreffpunkt, christlich-sozialethisches Magazin der katholischen<br />

Arbeitnehmer-Bewegung der Schweiz (KAB).<br />

Gute Gründe geben Halt<br />

Nicht nur Kinder haben das Gefühl, dass sie zu oft nur nachvollziehen,<br />

was von «Gescheiteren» vorgegeben ist. Wie kommen<br />

wir also vom Gefühl los, angesichts der Machtstrukturen in der<br />

Welt nichts ausrichten zu können, weil «die da oben ja doch<br />

(mit uns) machen, was sie wollen!» Solcher Resignation gilt es<br />

als selbstständig entscheidende und handelnde Menschen entgegenzuwirken:<br />

mit dem alltagsphilosophischen Ansatz «selber<br />

denken macht schlau». Weil es besser ist, auf sich selber zu<br />

«hören», statt vorgefertigte Antworten ungeprüft zu übernehmen.<br />

Die Kinderphilosophin Eva Zoller Morf beschreibt in ihrem Buch<br />

«Die kleinen Philosophen», wie ein eigenes Urteil zu bilden ist.<br />

Es bedingt erst mal, dass wir uns das Recht zu fragen niemals


21<br />

weltweit<br />

THEMENSEITEN<br />

Solidaritätsdemonstration für Papierlose<br />

in Bern 2<strong>01</strong>0: Wie denken wir<br />

darüber? Wie stark hat das Los dieser<br />

Menschen mit Gerechtigkeit zu tun?<br />

(Bild: bleiberecht.ch)<br />

absprechen. Wir sollten auch bereit sein, unsere Handlungen<br />

und Vorschriften und damit ein wenig uns selber in Frage stellen<br />

zu lassen.<br />

Werte-Bildung<br />

Dazu gehört, sich über vorliegende Moral und Normen Gedanken<br />

zu machen: Sind sie mit eigenen überlegten Prinzipien vereinbar?<br />

Gefragt sind nicht vorgefertigte, sondern begründete<br />

Antworten: Denn erst gute Gründe geben unseren Standpunkten<br />

Halt. Was darf oder muss ich (nicht) tun? Was ist gut, und unter<br />

welchen Bedingungen? Worauf stütze ich meine Entscheide, so<br />

oder so zu handeln? Sind es meine – durchdachten und immer<br />

wieder überprüften – Kriterien, oder «macht man das halt einfach<br />

so»?<br />

Zum ersten Schritt, die eigenen Werte zu klären und zu ihnen<br />

zu stehen – folgt als zweites, diejenigen der Mitmenschen wahrund<br />

ernst zunehmen: Wie wäre es für mich, wenn ich in ihrer<br />

Situation stünde? Dann geht es in einer Gemeinschaft darum,<br />

«im partnerschaftlichen Dialog Wertvorstellungen und Normen<br />

zu erarbeiten, bei denen keiner als Verlierer dastehen muss»,<br />

schreibt Zoller Morf. «Durch gegenseitige Achtung und Toleranz<br />

können wir wenigstens in der Familie einen Teil der autoritären<br />

Strukturen abbauen. Vielleicht ermöglichen wir den Kindern dadurch<br />

sogar, auch ausserhalb des Elternhauses freundschaftlich<br />

und einfühlsam Meinungsverschiedenheiten auszudiskutieren,<br />

statt Machtmittel anzuwenden.» Und bauen Persönlichkeitskompetenzen<br />

auf, um eigene Überzeugungen aktiv einzubringen, ohne<br />

aufdringlich zu sein. Oder sich in brenzlichen Situationen Brücken<br />

schlagend für Benachteiligte und Gefährdete einzusetzen.<br />

1/<strong>2021</strong>


22<br />

weltweit<br />

THEMENSEITEN<br />

Autoritätskollision<br />

Aber worauf können wir uns berufen, wenn es «brenzelig» wird?<br />

Der Philosophie-Lehrer Philipp Dörig wies darauf hin, dass<br />

«christliche Kirchen in ethischen Fragen und Entscheidungen<br />

das eigene (persönliche) Gewissen als letzte Autorität sehen. Ich<br />

muss demnach also immer meinem Gewissen gehorchen. Und<br />

auch alle andern müssen dies tun. Jedoch sollten Gewissensentscheide<br />

auf ein (aus)gebildetes Gewissen zurückgehen und<br />

auf Prinzipien beruhen, hinter denen ich stehen kann.» Zum Beispiel:<br />

Keinem Menschen darf geschadet werden. Oder: Die<br />

Liebe ist meine Richtschnur, sie steht im Zweifelsfall über dem<br />

Gesetz. Weiter gehört dazu, sich zu informieren, auch selbstkritisch<br />

zu sein, und Handlungen nach reiflicher Überlegung<br />

vor sich selbst zu verantworten. «Schwierig wird die Lage dann,<br />

wenn sich unser Gewissen gegen anerkannte Autoritäten wie<br />

Staat oder Kirche stellt. Was soll ich dann tun? Die Antwort ist<br />

zugleich einfach und schwierig. Ich muss – auch nach der Lehre<br />

der christlichen Kirchen – meinem Gewissen folgen. Selbst dann,<br />

wenn ich harte Sanktionen zu erwarten habe.» <br />

‹Ethischer Dreischritt› und Sozialprizipien<br />

Der aus der katholischen Soziallehre entstandene ethische Dreischritt ist mit seinen Sozialprinzipien ein gutes Orientierungswerkzeug<br />

speziell in gesellschaftlichen und politischen Themen. Er besteht aus der Sehen-Urteilen-Handelns-Analyse. Mit<br />

dieser Methode treffen wir Entscheidungen mit genug Wirklichkeitsbezug, ohne sie zu sehr unseren Bedürfnissen anzupassen.<br />

Sehen bedeutet als erstes genaues Hinschauen, worum es geht. Zweitens klärt das Urteilen die Wertgrundlagen, was wir mit<br />

fünf ‹Wegweisern› tun können: Das mit den Menschenrechten verwandte Personalitätsprinzip besagt, dass jeder Mensch mit<br />

unverlierbarer und unantastbarer Würde zu achten ist. Es zeigt, worauf für ein gutes Zusammenleben aufbaut. Dies tut auch<br />

das Gemeinwohlprinzip, welches eine Gesellschaft so ordnet, dass sie sich zum Vorteil aller entwickeln kann. Niemand soll<br />

übermässig begünstigt oder belastet werden. Damit wird auch das ethische Ziel wirtschaftlichen, politischen und sozialen Handelns<br />

formuliert: Wohlstand und ein gutes Leben für wirklich alle Menschen. Das Solidaritätsprinzip meint ein Geben, ‹nicht<br />

damit es mir etwas bringt›, sondern ‹weil der Andere in Not ist›. Hier verbindet sich die Forderung nach Gerechtigkeit mit der<br />

Praxis der Liebe. Das Subsidiaritätsprinzip schlägt einen gesellschaftlichen Aufbau vor, sodass grössere Sozialgebilde im Dienste<br />

kleinerer stehen und Hilfe zur Selbsthilfe geben. Die übergeordnete Ebene – etwa der Staat – soll nicht Aufgaben an sich<br />

reissen, welche die untergeordnete Instanz – der Kanton, eine Gemeinde oder Familie – selber besser erfüllen kann. Abgerundet<br />

werden diese Wertungen durch das Nachhaltigkeitsprinzip, das die Bereiche Umwelt, Wirtschaft, Gesellschaft angeht: Die Entwicklung<br />

von heute soll die Möglichkeiten späterer Generationen, Bedürfnisse zu befriedigen und ihren eigenen Lebensstil zu<br />

wählen, nicht gefährden, und die Natur in ihrer Regenrationsfähigkeit nicht überfordern.<br />

Als dritter Schritt kommt das Handeln, nicht nur jenes von Einzelpersonen, sondern auch durch Organisationen, Staaten oder<br />

der Weltgemeinschaft: Denn Ethik endet nicht im Erkennen des Guten und Richtigen, sondern in dessen Tun. <br />

Quelle: Bildungsbroschüren «Perspe©tive» der Union der Christlichsozialen Schweiz. https://ucs-ch.ch/bestellungen/<br />

Fürchtet die Hoffnung nicht?<br />

Pessimismus ist die «Krankheit», nicht mehr richtig an Fortschritt<br />

und Zukunft zu glauben. Wir denken mit der Klimabedrohung<br />

manchmal in die Richtung. Aber die Menschen im Kalten Krieg<br />

hatten angesichts der Nuklearbedrohung auch Grund dazu. In<br />

Weltuntergangserwartung war man schon zu Jesu Zeiten. Sicher<br />

finden sich heute Fakten zur Endzeitstimmung – aber auch für<br />

ein Goldenes Zeitalter: Wir haben einen Lebensstandard und<br />

Wohlstand wie nie, leben länger denn je, haben eine lange Zeit<br />

des Friedens, sind mobil und gebildet usw. Lassen wir uns also<br />

nicht von apokalyptischen Verschwöreren einschüchtern, die ihre<br />

Rettungs-Produkte verkaufen. Entwickeln wir echten, konstruktiven<br />

Widerstand, Resilienz gegen die Angstindustrie! Lassen wir<br />

uns «durch Hoffnung retten», getreu der Enzyklika «Spe salvi»<br />

des früheren Papst Benedikt XVI. Alles kommt darauf an, den<br />

Mechanismus der sich selbst erfüllenden Prophezeihung vom<br />

Negavien ins Postitive zu wenden, vor allem auch im Handeln –<br />

ebenso in einer Fehlerkultur, aus Fehlschlägen Lehren fürs Besseres<br />

zu ziehen. Jede(r) Einzelne kann den Motor der Hilf- und<br />

auf Hoffungslosigkeit umprogrammieren. Wieso sollen wir nicht<br />

auch durch das Gebet ermutigt noch mehr in den gelebten Glauben<br />

der Frohen Botschaft gelangen? Gute Ideen wecken Lust<br />

auf Realisierung, auf Prototypen. Auf gute Unternehmer, die<br />

etwas wieder von vorne beginnen, falls die Tests zu wenig überzeugend<br />

sind, neu einschätzen, Neubeantwortungen wagen,<br />

verbessern, bis sie funktionieren und sich auf dem Markt durchzusetzen<br />

können. Visionen zeigen schon seit Kant Grundzüge<br />

eines «gesunden Geistes», in dessen Zentrum Mut, Hoffnung<br />

und Vertrauen steht.


23<br />

weltweit INNEHALT<br />

Erfahrungen einer Seniorin<br />

Es fiel mir auf, dass alles weiter<br />

entfernt ist als vor einigen Jahren.<br />

Es ist sogar zweimal so weit bis<br />

zur Strassenecke, und ein Hügel<br />

war früher auch nicht da.<br />

Das Rennen zum Bus<br />

habe ich aufgegeben,<br />

er fährt immer zu früh ab.<br />

Die Treppen sind auch höher<br />

als in den goldenen Jahren.<br />

Bücher und Zeitschriften werden<br />

mit kleineren Buchstaben gedruckt.<br />

Aber es hat keinen Sinn,<br />

jemanden ums Vorlesen zu bitten,<br />

da jeder so leise spricht,<br />

dass man es kaum hören kann.<br />

Für die Kleider wird zu wenig Stoff<br />

verwendet, besonders um die Hüfte.<br />

Auch die angegebenen Grössen<br />

fallen kleiner aus als früher.<br />

Sogar die Menschen verändern sich;<br />

sie sind viel jünger<br />

als wir in ihrem Alter waren.<br />

Andererseits sind die Leute<br />

unseres Alters so viel älter als wir.<br />

Ich traf neulich eine Klassenkameradin,<br />

die war so alt,<br />

dass sie mich nicht erkannte.<br />

Ich dachte an das arme Wesen,<br />

während ich meine Haare kämmte.<br />

Und als ich in den Spiegel sah – wirklich:<br />

Die Spiegel sind auch nicht mehr das,<br />

was sie einmal waren!<br />

Quelle unbekannt<br />

Bild: Madlen Schafer<br />

1/<strong>2021</strong>


24<br />

Ostern:<br />

nichts ist, wie es war<br />

Dem Wunder die Hand hinhalten.<br />

JACQUELINE KEUNE<br />

So also wurde es zum ersten Mal Ostern: Auf einem Friedhof, am<br />

Ende einer langen Nacht, mit einer Hand voll ratloser Männer<br />

und einer untröstlichen Frau.<br />

Keiner weit und breit, der gefeiert hätte – erst recht keinen Sieg.<br />

Keiner, der gejubelt, nur einer, der gefragt hat, warum jemand<br />

weint. Leise ist es zum ersten Mal Ostern geworden. So leise wie<br />

das Gras, das wächst, und die Erde, die sich dreht. Und nicht,<br />

weil einer unsterblich war, ist es Ostern geworden, sondern gerade<br />

weil er gestorben ist.<br />

Erste Lebensboten<br />

Gewiss: Es gibt Ostergeschichten, in denen der Jubel viel lauter<br />

ist. Für mich aber gibt es keine schönere, als die des Johannes.<br />

Weil die Trauer das Lichte und Laute nicht erträgt, geht Maria<br />

aus Magdala, dem kleinen Dorf am See Genezaret, frühmorgens,<br />

als es noch dunkel ist, zum Grab. Ein letztes Mal will sie dem<br />

nahe sein, der ihr gezeigt hat, wie das Leben geht.<br />

Maria stand draussen vor dem Grab und weinte. Wie hätte sie<br />

nicht weinen sollen? – Sie, die mit angesehen hatte, wie er starb,<br />

und die sich selber wie fremd war, bevor sie dem Rabbi aus Galiläa<br />

begegnet war. Besessen von sieben Dämonen, hatte Lukas<br />

von ihr gesagt. Das Leben mit dem Bruder aus Nazaret hatte die<br />

Kräfte in ihr geordnet und das Zerrissene zusammengefügt. Nun<br />

war er tot, und ihr auch noch das Letzte genommen, was ihr vom<br />

geliebten Menschen geblieben war: sein Leib.<br />

In ihrem grossen Kummer beugt sich Maria in die Grabkammer<br />

hinein und schaut durch ihre Tränen hindurch, was die Männer<br />

mit prüfendem Blick nicht gesehen haben: die ersten Boten des<br />

Lebens. Und wie die Engel, spricht auch der Mann im Garten<br />

Maria an: «Warum weinst du? Was suchst du?»<br />

Halt gebende Verheissung<br />

Maria aus Magdala sucht, was auch die Menschen vor und nach<br />

ihr gesucht haben, was auch ich suche: eine Gewissheit, von der<br />

sich leben; eine Hoffnung, an die sich halten und einen Sinn, der<br />

morgens aufstehen lässt. Einen Menschen, der sie liebt. Und der<br />

nun ihren Namen ausspricht und sie damit auf sich selber verweist<br />

und die Wirklichkeit der Auferstehung schauen lässt.<br />

So also wurde es zum ersten Mal Ostern. In einem Garten, am<br />

Beginn eines aufsteigenden Tages, mit Männern, die voll Erwartung<br />

rennen, und einer Frau, die aus dem Neuen Verheissung<br />

liest.<br />

Keiner weit und breit, der gefeiert hätte – erst recht keinen Sieg.<br />

Keiner, der gejubelt, nur einer, der gesagt hat: Halte mich nicht<br />

fest. Ja, leise ist es Ostern geworden. Nicht lauter als der Baum,<br />

der sein Blütenkleid anzieht.<br />

Es ist Ostern, und alles ist, wie es immer war: Der Krebs wuchert<br />

noch, der Schuss trifft noch und die Todeszelle wartet noch.<br />

Das Kind sucht noch immer im Müll nach Essen, und der Wal<br />

schwimmt immer noch um sein Leben.<br />

Ostern ist, weil Gottes Güte ungleich<br />

mehr mit uns vorhat, als sie zu<br />

Lebzeiten wahrmachen kann.<br />

Und es ist Ostern, und nichts ist mehr, wie es einmal war. Weil<br />

allem, was lebt, seit jenem schönen Morgen nicht allein Vergänglichkeit,<br />

sondern auch Verheissung innewohnt. Und Gottes Güte<br />

ungleich mehr mit uns vorhat, als sie zu unseren Lebzeiten wahrmachen<br />

kann: dass jede Träne getrocknet wird, dass jede Nacht<br />

sich lichtet und jeder Weg sich weitet in gelobtes Land. Dass<br />

man nichts Böses mehr tut und das Lämmlein beim Wolf liegt.<br />

Dass die stumm Gemachte Sprache findet und der Arme selig<br />

ist. Dass jede Flur sich mit unvergänglichem Grün bekleidet, und<br />

Gott allem, was tot ist, behutsam das neue Leben einhaucht.<br />

Gemachte Hoffnung<br />

Es ist Ostern – immer wieder, immer noch – weil da Menschen<br />

sind, an der Sternhalde und am Hügelweg, auf der Bodenhofterrasse<br />

und an der Elfenaustrasse, die zusammen mit der Mutter<br />

des kleinen Mose, mit der Tochter des Pharao, mit Maria aus<br />

Magdala und Jesus von Nazaret glauben: Es lässt sich was machen!<br />

Sie behalten nicht für sich, was sie an Hoffnung schauen. Sie<br />

lassen einander beim Sterben nicht alleine und nicht beim<br />

Leben. Sie machen Musik, säen Blumen aus, bauen Häuser und


25<br />

weltweit<br />

AUFERSTEHEN<br />

Bild:<br />

Theo Bühlmann<br />

gebären Kinder. Sie lieben und streiten sich und fragen nach,<br />

wenn jemand weint.<br />

Immer wieder und immer noch Ostern, weil da Kinder sind, Frauen<br />

und Männer, die ihre Hunde streicheln, die ihren Pflanzen gut zureden<br />

und reparieren, was kaputt gegangen ist. Sie wägen ab,<br />

sie gehen mit, sie halten aus, sie denken nach, sie lesen und<br />

leben vor: Es lässt sich was machen, und sei es nur, die Hand<br />

auftun.<br />

Nicht müde werden – erinnert Hilde Domin. Nicht müde werden,<br />

sondern dem Wunder, leise wie einem Vogel, die Hand hinhalten. <br />

1/<strong>2021</strong> 6/2<strong>01</strong>6<br />

1/2<strong>01</strong>8


26<br />

«Warum darf ich als Frau<br />

nicht Priesterin sein?»<br />

Die in Muri (Freiamt) wohnende Jacqueline Straub (28) ist eine<br />

vielbeschäftigte Theologin, die sich schon seit Jahren gewohnt<br />

ist, stets auf «mehreren Hochzeiten» zu tanzen. So ist es keineswegs<br />

untypisch für sie, dass für sie kurz nach dem<br />

Interviewtermin auch noch ein Training im Boxklub<br />

in Uster bei Zürich ansteht – nur zwei Dörfer von<br />

ihrem derzeitigen Arbeitsort entfernt, der Redaktion<br />

der christlichen TV-Produktionsfirma «Fenster<br />

zum Sonntag». Das Boxen sei für sie mehr als<br />

bloss ein sportlicher Ausgleich, betont Jacqueline<br />

Straub: «Neben meinem kirchlichen Engagement<br />

ist Boxen definitiv meine grosse Leidenschaft –<br />

und das hat auch mit einer gewissen Haltung zu<br />

tun.» Nur wer regelmässig trainiere, könne im<br />

Ring bestehen, erklärt die junge Theologin und<br />

zieht Parallelen zu ihren Erfahrungen im kirchlichen<br />

Umfeld: «Als Frau brauche ich im Kampf für die<br />

Gleichberechtigung in der Kirche einen langen<br />

Atem und den Willen, nach einer Niederlage immer<br />

wieder aufzustehen und weiterzukämpfen.»<br />

Die Theologin Jacqueline Straub auf<br />

einem Schiff in Luzern. (Bilder: zVg)<br />

BENNO BÜHLMANN<br />

Frauen hatten Leitungsfunktionen<br />

Der Kampf für die Frauenordination in der katholischen<br />

Kirche dauert schon eine halbe Ewigkeit<br />

und etliche theologische Fachleute – auch Männer<br />

– haben bereits vor Jahren in dieser Frage Klartext<br />

gesprochen. So beispielsweise der heute emeritierte<br />

Luzerner Bibelwissenschaftler Walter Kirchschläger:<br />

«Aus dem Befund der Bibel lässt sich<br />

heute der Ausschluss der Frauen vom Priesteramt<br />

nicht mehr rechtfertigen. Wir wissen heute, dass<br />

die kirchlichen Dienste in der neutestamentlichen<br />

Zeit nicht aufgrund des Kriteriums von Geschlecht<br />

und Lebensstand übertragen worden sind. Es hat<br />

in der Jesusbewegung zahlreiche Frauen gegeben,<br />

denen wichtige Dienste übertragen worden<br />

sind: Etliche Frauen wurden mit Leitungsfunktionen<br />

betraut und waren im Diakonenamt oder als<br />

Apostellinnen tätig.» So lässt Kirchschläger auch<br />

das häufig vorgebrachte Argument, wonach Jesus<br />

nur Männer zu Aposteln berufen hat, nicht gelten: «Die Zusammensetzung<br />

des ‹Zwölferkreises› ist als Gegenargument gegen<br />

die Frauenordination nicht haltbar, weil darin eine prophetische<br />

Zeichenhandlung Jesu zum Ausdruck kommt: Die zwölf Apostel<br />

stehen sinnbildlich für die zwölf Söhne Jakobs. Nur weil Jesus


27<br />

weltweit DENKBAR<br />

im Zwölferkreis nochmals ganz Israel sammeln wollte, setzte er<br />

sich ausschliesslich aus Männern zusammen.» Im Klartext heisst<br />

das: Diese Zeichenhandlung kann nicht herangezogen werden,<br />

um ein auf das Geschlecht bezogenes, unveränderliches Kriterium<br />

für die Zulassung zum Priesteramt zu definieren. Von Bibelforschern<br />

wird heute beinahe unisono die Meinung zurückgewiesen,<br />

die Berufung des Zwölferkreises könne als Argument gegen<br />

die Priesterweihe der Frau ins Feld geführt werden.<br />

Auch der Theologe Josef Imbach teilt diese Auffassung und<br />

weist darauf hin, dass das Neue Testament an verschiedenen<br />

Stellen davon Zeugnis gebe, dass es bereits in den Anfängen<br />

des Christentums keineswegs an starken Frauengestalten fehlte:<br />

«Natürlich finden Frauen auch im Neuen Testament viele Vorbilder<br />

und Identifikationsfiguren. Sie erkennen sich wieder in Marta<br />

aus Betanien, in der Schwester des Lazarus, welche gemäss<br />

Bibel ein Messiasbekenntnis ablegt, das jenem von Petrus in<br />

nichts nachsteht. Oder da wäre auch Maria von Magdala zu<br />

nennen: Sie gehört zu jenen Frauen, die nicht nur bei der Kreuzigung<br />

Jesu, sondern auch bei seiner Grablegung anwesend<br />

waren und später zu den ersten Zeuginnen der Auferstehung<br />

Jesu wurden. <br />

Zur Priesterin berufen<br />

Jacqueline Straub, in einem Ihrer Bücher<br />

haben Sie dargelegt, dass Sie von Ihrem Herzenswunsch<br />

«Endlich Priesterin sein!» auch<br />

in Zukunft nicht abrücken werden. Halten Sie<br />

es für realistisch, dass dieser sehnlichste<br />

Wunsch noch zu Ihren Lebzeiten in Erfüllung<br />

geht?<br />

Ich weiss im Innersten meines Herzens,<br />

dass ich zur Priesterin berufen bin. Im Alter<br />

von 15 Jahren habe ich diese Berufung<br />

zum ersten Mal gespürt und empfinde<br />

es deshalb bis auf den heutigen Tag als<br />

grosse Ungerechtigkeit, dass ich diese<br />

Berufung nicht innerhalb der katholischen<br />

Kirche leben kann, nur weil ich eine Frau<br />

bin. Ich bleibe trotzdem optimistisch und<br />

lebe weiterhin in der Hoffnung, dass dieser<br />

Wunsch noch in Erfüllung gehen wird. Ein<br />

Blick in die Kirchengeschichte zeigt, dass<br />

Veränderungen manchmal erstaunlich<br />

schnell geschehen können, wenn wir mit<br />

der notwendigen Hartnäckigkeit dranbleiben.<br />

Konservative Kreise in der katholischen Kirche<br />

argumentieren, dass Jesus damals nur<br />

Männer zu Aposteln berufen habe. Wie reagieren<br />

Sie auf diese Argumentation?<br />

Es stimmt, dass Jesus nur Männer als<br />

seine Nachfolger berufen hat. Nach biblischer<br />

Überlieferung waren es genau genommen<br />

zwölf jüdische Männer. Erstaunlich<br />

ist dabei die Tatsache, dass die Kirche<br />

heute zwei von drei Kriterien ausklammert:<br />

Dass seine Nachfolger Männer sind,<br />

scheint eine Rolle zu spielen, während die<br />

Zahl 12 und die Zugehörigkeit zum Judentum<br />

offenbar nicht mehr relevant sind.<br />

Es ist laut einschlägiger Literatur von Seiten<br />

der modernen Bibelforschung ohnehin davon<br />

auszugehen, dass beim letzten Abendmahl<br />

auch Frauen dabei waren...<br />

Ja, selbstverständlich finden wir in der<br />

Jesus-Nachfolge sowohl Männer wie<br />

Frauen, die für die damaligen Verhältnisse<br />

sehr ‹emanzipiert› waren und die Jesus<br />

letztlich aus den patriarchalen Strukturen<br />

befreien wollte. Ich denke da auch an<br />

Maria Magdalena, die eine herausragende<br />

Stellung hatte und von den Kirchenvätern<br />

nicht umsonst als ‹Apostelin der Apostel›<br />

bezeichnet wurde.<br />

Das Zölibat wird<br />

freigestellt, bevor es<br />

Priesterinnen gibt.<br />

Der Basler Bischof Felix Gmür, Präsident der<br />

Schweizer Bischofskonferenz, hat kürzlich<br />

die Option eines Frauendiakonates erwähnt:<br />

Dieses sei in Rom gewissermassen in der<br />

Pipeline. Glauben Sie das?<br />

Bischof Felix Gmür wird es wohl besser<br />

wissen, da er ja nähere Connections zu<br />

den Verantwortlichen des Vatikans hat als<br />

ich. Entscheidend ist dabei aber die Frage,<br />

ob es sich dabei um ein sakramentales<br />

Diakonat handelt oder bloss um eine Beauftragung.<br />

Es gibt etliche feministische Theologinnen,<br />

die es heute gar nicht mehr als erstrebenswert<br />

betrachten, sich den Zugang einem über<br />

Jahrhunderte hinweg von Männern dominierten<br />

Priesteramt zu erkämpfen. Was sagen Sie<br />

dazu?<br />

In der Politik und in der Wirtschaft haben<br />

wir letztlich die gleiche Situation. Da wurden<br />

die Leitungsfunktionen ebenfalls über<br />

lange Zeit von Männern geprägt. Ich bin<br />

allerdings überzeugt davon, dass in der Kirche<br />

vor Ort sehr viel Weibliches einfliessen<br />

könnte, würden auch Frauen zum Priesteramt<br />

zugelassen.<br />

Und wie beurteilen Sie das Zölibat als Zulassungsbedingung<br />

zum Priesteramt? Sie selber<br />

sind inzwischen ja auch verheiratet...<br />

Ich bin überzeugt davon, dass das Zölibat<br />

ohnehin freigestellt wird, noch bevor es<br />

Priesterinnen gibt. Theologisch spricht<br />

nichts gegen die Aufhebung des Pflichtzölibates.<br />

Es ist denkbar, dass die katholische<br />

Kirche schon bald dem orthodoxen Modell<br />

folgen wird, wonach Priester vor der Weihe<br />

heiraten dürfen.<br />

In der christkatholischen Kirche gibt es bereits<br />

seit 2006 die Möglichkeit, dass Frauen zu<br />

Priesterinnen geweiht werden können. Ist für<br />

Sie ein Übertritt zu den Christkatholiken keine<br />

Option?<br />

Nein. Ich fühle mich grundsätzlich wohl in<br />

der römisch-katholischen Kirche und<br />

möchte mich deshalb weiterhin entschieden<br />

dafür einsetzen, dass die Frauen auch<br />

in dieser Kirche die gleichen Rechte bekommen<br />

wie Männer. Treten alle Frauen<br />

aus, die mit dem bestehenden Unrecht<br />

Probleme haben, kommt es in dieser Kirche<br />

nie zu einer Veränderung. <br />

1/<strong>2021</strong>


28<br />

PROJEKTHILFE<br />

28003<br />

REDEMPTORISTEN<br />

Den Tatendrang<br />

Pater Hugues unterstützen<br />

Der Neupriester P. Hugues Kadiambiko hat im Kongo in kurzer Zeit zahlreiche Initiativen gestartet,<br />

für Jung und Alt.<br />

Bildung, Spiele und soziale Einsätze<br />

machen das Programm der<br />

200 PfadfinderInnen aus. Frauen<br />

und Männer stellen Ziegelsteine<br />

für die neue Kapelle selber her.<br />

(Bilder: Redemptoristen)<br />

JOSÉ BALMER<br />

Die Menschen der Pfarrei Miyamba, Kongo RDC, sind von<br />

P. Hugues Kadiambiko begeistert. Was er in anderthalb Jahren<br />

auf die Beine gestellt hat, bringt Licht in ihr Leben. Selbst während<br />

des Corona-Lockdowns mobilisierte er Jugendliche.<br />

Pater Hugues lebt und arbeitet im Städtchen Miyamba, im Nordwesten<br />

von Kongo RDC. Zur ausgedehnten Pfarrei Miyamba gehören<br />

auch abgelegene Dörfer, die er regelmässig besucht. Als<br />

er erstmals ins Dorf Kinsumbu kam, stellte er fest, dass die Kapelle<br />

zerstört ist; ein Sturm hatte sie vor ein paar Jahren umgeworfen.<br />

Also feierte er den Gottesdienst im Schatten von Palmen-<br />

blättern. Im Gespräch mit der Dorfbevölkerung hatte er erfahren,<br />

dass sie gern eine neue Kapelle oder einen Mehrzweckraum<br />

hätten, um sich auch bei Regenwetter für Gottesdienste und Versammlungen<br />

treffen zu können. Sie würden die Ziegelsteine selber<br />

herstellen und Holz beschaffen, aber für Eisen, Zement und<br />

das Wellblechdach hätten sie kein Geld. Eine zaghafte Anfrage um<br />

Hilfe in der Schweiz – sie war als Projekthilfe in <strong>WeltWeit</strong> 6/2<strong>01</strong>9 –<br />

löste das Problem. Corona verzögerte zwar den Bau, aber die<br />

Wände sind hochgezogen, es fehlt nur noch das Dach. Bald wird<br />

P. Hugues Gottesdienst im geschützten Raum feiern können.


29<br />

weltweit<br />

PROJEKTHILFE<br />

Lebenspraktische Hilfe ...<br />

Die Pfarrei Miyamba unterhält seit längerem soziale Projekte wie<br />

eine Nähschule für Frauen, eine Schweinezucht sowie Gemüseanbau<br />

mit Frauen und Männern. Pater Hugues ist auch da involviert.<br />

Nun, bei diesen Arbeiten geht ab und zu etwas kaputt, beispielsweise<br />

die Pumpe für die Bewässerung der recht grossen<br />

Gemüsefelder. Man stellt fest: Die Pumpe ist alt, es gibt keine<br />

Ersatzteile mehr; es braucht eine neue. Pater Hugues nutzte den<br />

Draht in die Schweiz zur Problemlösung. Nun sprudelt das Wasser<br />

wieder, das Gemüse gedeiht und die Familien freuen sich auf<br />

die selbst angepflanzten Lebensmittel. Von der neuen Pumpe<br />

profitiert sogar das nahe gelegene Krankenhaus.<br />

Als im März der Corona-Lockdown verordnet und die Schulen<br />

geschlossen wurden, hingen die Jugendlichen unmotiviert herum.<br />

Das gefiel Pater Hugues ganz und gar nicht. Was ist zu tun? Ihm<br />

fiel der katastrophale Zustand der Strasse nach Kinsumbu ein.<br />

Das Dorf ist praktisch von der Umwelt abgeschnitten und bei<br />

nassem Wetter hat er selbst<br />

grösste Mühe, mit dem Motorrad<br />

durchzukommen. Also rief er<br />

Jugendliche zusammen und begann,<br />

den schlimmsten Teil der<br />

Strasse zu reparieren, mit einfachen<br />

Werkzeugen von Hand!<br />

Und so reparierte die Gruppe<br />

von 20 Jugendlichen in fünf Monaten<br />

über zehn Kilometer<br />

Strasse. Einen Lohn konnte Pater<br />

Hugues den Jugendlichen nicht<br />

bezahlen. Ein T-Shirt, ab und zu<br />

einen Ball, etwas zwischen die<br />

Zähne und die Befriedigung,<br />

etwas Sinnvolles geleistet zu<br />

haben, dies genügte den jungen<br />

Leuten.<br />

Bewässerungspumpe<br />

für die Gemüsefelder,<br />

Jugendliche beim<br />

Strassenbau, und<br />

der Fussballclub.<br />

Freude und Hoffnung<br />

Sehr schnell merkte Pater Kadiambiko auch, dass die Jugendlichen<br />

in den Dörfern keine organisierten Freizeitaktivitäten hatten.<br />

«Wenn die Jungen ihrem traurigen Schicksal überlassen sind,<br />

kommen sie auf dumme Gedanken und begehen unmoralische,<br />

teils kriminelle Sachen», sagt er. Also gründete er Pfadfindergruppen<br />

und Fussballvereine. Das Echo war überwältigend. Viele<br />

Jugendliche wollen etwas gemeinsam unternehmen und sich<br />

auch nützlich machen; Fussball ist ohnehin beliebt. Nur, die Jungen<br />

und ihre Familien sind arm. Wie können Pfadfindergruppen<br />

und Sportclubs ausgerüstet werden? Pfadi-Hemden und Fussball-Leibchen<br />

sind wichtig, sie schaffen Identität und Motivation,<br />

und fürs «Tschutten» braucht es Bälle. Die zaghafte Anfrage in<br />

der Schweiz löste auch dieses Problem. Nun sind die 200 PfadfinderInnen<br />

ausgerüstet und selber voll Lerneifer und Tatendrang.<br />

Und in der Pfarrei gibt es inzwischen zehn Männer- und vier<br />

Frauen-Fussballclubs. Sie richten ein Turnier aus und bereiten<br />

nicht nur sich selbst, sondern auch der Bevölkerung viel Freude.<br />

... und christliche Werte<br />

Am 13. September gab der neue<br />

Kirchenchor der Pfarrei Miyamba<br />

sein Debut. Pater Hugues hat<br />

ihn vor einem Jahr mit 40 jungen<br />

Leuten gegründet und mit zwei<br />

Chorleitern ausgebildet. Geprobt<br />

wird zwei Mal pro Woche. Zusammen<br />

mit den 20 «Mamas»,<br />

die schon zuvor die Lieder in den<br />

Gottesdiensten animiert hatten,<br />

sorgt der Chor nun jeden Monat<br />

ein Mal für kräftigen, hellen Klang.<br />

Jetzt macht das Singen auch<br />

den Jungen Spass.<br />

Der Tatendrang von P. Hugues<br />

Kadiambiko ist bewundernswert.<br />

Seine Initiativen bewirken, dass<br />

die Jungen auch mehr Interesse an religiösen Fragen zeigen.<br />

So führt er regelmässig Besinnungstage durch, die den Jugendlichen<br />

christliche Werte vermitteln und Lebensorientierung bieten.<br />

Die von ihm initiierten sozialen und sportlichen Aktivitäten<br />

sind ebenfalls Seelsorge. In einem von Armut und Trostlosigkeit<br />

geprägten Umfeld bewirken sie Zusammenhalt, Freude und<br />

Hoffnung bei Jung und Alt. Er wird weiterhin Unterstützung brauchen.<br />

Helfen Sie ihm? <br />

1/<strong>2021</strong>


30<br />

PROJEKTHILFE<br />

27061<br />

MISSIONS-BENEDIKTINERINNEN<br />

Digitalisierung der<br />

St. Scholastica Catholic<br />

School<br />

SR. CHRISTIANE SPANNHEIMER, MICHAEL SCHOLTZ<br />

Es begann vor etwas mehr als zehn Jahren, als ich in unserem<br />

Nairobi-Priorat auf das Projekt «Linux4Afrika» der Freiburger<br />

Open Source Society aufmerksam wurde. Ich konnte den Vorsitzenden<br />

des Vereins, Hans-Peter Merkel, gewinnen, unsere<br />

St. Scholastica Catholic School in Nairobi-Ruaraka mit Computern<br />

auszustatten. Er war mit seiner Gruppe damals bereits in<br />

einigen afrikanischen Ländern tätig. Seine ersten Projekt-Installationen<br />

erfolgten 2006 in Mosambik und Tansania und waren<br />

als herausragende Projekte ausgezeichnet worden im Rahmen<br />

der UN-Dekade «Bildung für nachhaltige Entwicklung» 2009<br />

und 2<strong>01</strong>1. Ihr Erfolgsrezept war der Einsatz des Linux-Betriebssystems,<br />

das kostenlos zugänglich und weniger anspruchsvoll<br />

für die Ausstattung von Computern (Speichergrösse, Prozessor)<br />

ist. Die Anfälligkeit gegenüber Computerviren ist ebenfalls gering.<br />

Grossartige Aktion<br />

Wir konnten als Spenden nicht mehr gebrauchte Computer von<br />

IT-Unternehmen erhalten; und diese bildeten die Basis für die<br />

Hardware-Ausstattung. Sie wurden nach Reinigung, Prüfung und<br />

Verpackung auf Paletten in Containern nach Mombasa verschifft<br />

und dann weiter auf dem Landweg nach Nairobi gebracht.<br />

Wirklich: eine grossartige Aktion Freiwilliger mit Hilfe von Spenden!<br />

Alle Computer wurden als sogenannte Clients mit der Lernsoftware<br />

«Edubuntu» an einen zentralen Server über ein Netzwerk<br />

angeschlossen, auf dem ein Mail-Programm, die Offline-Wikipedia,<br />

Wordpress und das Client-Steuerungsprogramm Epoptes<br />

installiert waren. Das gesamte Netzwerk wurde vorher im St. Ursula<br />

Gymnasium in Freiburg getestet, um sicher zu gehen, dass<br />

alles funktioniert.<br />

Nachhaltig sind derartige Projekte aber nur, wenn sie betreut<br />

werden. Besonders die ständige Weiterentwicklung der Pro-


31<br />

welt-<br />

PROJEKTHILFE<br />

SchülerInnen mit IT-Lehrer Richard Sakai –<br />

der IT-Raum mit den Computern – das Liinux4Afrika-Team<br />

2020 – Sr. Christiane und<br />

Hans-Peter Merkel – und das Ruaraka-Geländes<br />

vom Dach der Volksschule aus.<br />

(Bilder: Missions-Benediktinerinnen)<br />

gramme und Betriebssysteme erfordern Überprüfung. Der ursprüngliche<br />

Plan, einen lokalen IT-Betreuer für diese Arbeit in<br />

Deutschland auszubilden, ging leider schief, da dieser kurz nach<br />

dem Aufenthalt in Freiburg in ein Unternehmen in Kenia wechselte.<br />

Bis ein neuer Betreuer gefunden und ausgebildet wird,<br />

reisen Freiwillige auf eigene Kosten noch jedes Jahr nach Kenia<br />

und führen die notwendigen Arbeiten durch. Die Suche nach lokalen<br />

IT-Spezialisten steht also weiterhin sehr hoch auf der Prioritätenliste,<br />

denn Flug und Aufenthalt sind sehr kostenintensiv.<br />

Nachhaltig nur mit Unterhalt<br />

Seit der ersten Installation vor zehn Jahren wurde die Hardware<br />

bereits zwei Mal ausgetauscht. Dieses Jahr wurde der Computerraum<br />

mit leistungsfähigen Mini-Geräten ausgestattet. Das hat<br />

den Vorteil, dass Ersatzteile problemlos und kostengünstig nach<br />

Kenia transportiert werden können. Ausserdem hat die Schule<br />

begonnen, die SchülerInnen nach und nach mit Tablets auszustatten,<br />

die von den Eltern bezahlt werden, sodass in einigen<br />

Jahren der Computerraum vermutlich nicht mehr gebraucht<br />

wird.<br />

Priorität für die Schwestern an der St.Scholastica Catholic School<br />

ist nebst der Ausbildung eines IT-Betreuers die Installation eines<br />

leistungsfähigen lokalen Netzwerks (WLAN), so dass die Schüler<br />

die Programme des Edubuntu-Servers im gesamten Schulgebäude<br />

nutzen können.<br />

Wie wir sehen, werden die jährlichen Besuche der Linux4Afrika-<br />

Projektmitglieder sicher in den kommenden Jahren noch notwendig<br />

sein, um die Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Dennoch<br />

sind wir glücklich, dass das Projekt soweit gediehen ist und<br />

nachhaltig für die digitale Entwicklung im Land beiträgt. Wenn<br />

Sie diese Arbeit unterstützen mögen, sind wir Schwestern Ihnen<br />

sehr dankbar. <br />

Projektwebsite: www.linux4afrika.de<br />

1/<strong>2021</strong>


32<br />

PROJEKTHILFE<br />

34042<br />

KATHARINA-WERK<br />

Hilfe für<br />

Überschwemmungsopfer<br />

Philippinische Familien brauchen Hilfe wegen den Verwüstungen durch Taifun Vamco und für die<br />

Katastrophenvorsorge.<br />

Die Verwüstungen in San Mateo, Rizal,<br />

sind gross, entsprechend ist es auch<br />

der Aufräumungs- und Aufbaubedarf.<br />

Viele Häuser wurden überflutet. Edith<br />

Acosta, ein KGP-Mitglied, beim Verteilen<br />

von Essenspaketen.<br />

(Bilder: Nica Bacalla und Dorfbewohner<br />

von Banaba)<br />

CHLOE GARCERA BEN<br />

Gegen 12 Uhr am 13. November postete Nica Bacalla, eine<br />

medizinische Sozialarbeiterin und ehemalige Katharina-Werk-<br />

Stipendiatin, einen Facebook-Status mit den Worten: «Lasst uns<br />

lächelnd bleiben, auch wenn wir schon müde sind. Kämpfe, Rizal!»<br />

Sie postete verschiedene Bilder von sich und ihrer Familie, die<br />

zeigen, wie sehr sie von den jüngsten schweren Überschwemmungen<br />

durch den Taifun Vamco betroffen waren.<br />

Lebensrettende Evakuierung<br />

Nica's Post zeigt zwei ausgeprägte Eigenschaften der Filipinos:<br />

Widerstandsfähigkeit und Humor, selbst in schwierigen Zeiten.<br />

Da sie in einem der am stärksten von Naturkatastrophen betroffenen<br />

Länder leben, erleben viele philippinische Familien den<br />

Kreislauf von Zerstörung, Hilfe, Erholung und wieder Zerstörung.<br />

Nach dem Taifun Ketsana 2009 wurden die Vorsorge-Bemühungen<br />

intensiviert, um die Auswirkungen von Naturkatastrophen<br />

auf das Leben der Menschen zu mildern. Das Katharina-Werk<br />

Basel (KtW) sammelte Geld für die Opfer des Taifuns Ketsana<br />

und über die Katharina Group Philippines (KGP) lernten wir die<br />

Mitglieder von Samakaba kennen, einem Gemeindeverband von<br />

Menschen, die in der Nähe des Flussufers in San Mateo, Rizal<br />

im Grossraum Manila leben. Mit dem Geld, das das KtW aufbringen<br />

konnte, waren wir in der Lage, die Familien mehrere Tage<br />

lang zu verpflegen und Samakaba durch Katastrophenvorsorge-<br />

Seminare und -Ausrüstungsgegenständen zu unterstützen.<br />

Die Bewohner von Banaba wissen jetzt, dass ein erster Alarm<br />

bedeutet, sich auf die Evakuierung vorzubereiten, der zweite<br />

Alarm, dass die betroffenen Bewohner evakuiert werden sollten,<br />

während der dritte Alarm eine Zwangsevakuierung erfordert.<br />

Samakaba ist immer wieder stolz darauf, dass es seither keine


33<br />

weltweit NOTHILFE<br />

Todesopfer mehr gab und die meisten Familien ihre wichtigen<br />

Geräte wie Fernseher, Ventilatoren oder Waschmaschinen retten<br />

konnten.<br />

Dennoch Verbesserungen<br />

Elf Jahre nach Ketsana kam der Taifun Vamco und brachte Verwüstung.<br />

Bilder, welche die Schäden der beiden Taifune zeigten,<br />

sahen exakt gleich aus. Einige Mitglieder von Samakaba erzählten,<br />

dass diesmal der Zeitunterschied zwischen dem ersten und<br />

dem zweiten Alarm sehr<br />

kurz war und die Menschen<br />

daher nicht viel Zeit hatten,<br />

sich auf eine Evakuierung<br />

vorzubereiten.<br />

Die Familien stehen wieder<br />

am Anfang, sie haben fast<br />

alles verloren. Neben dem<br />

Bedarf an Lebensmitteln<br />

und Wasser bitten einige Familien<br />

um Pappunterlagen,<br />

Matten und Decken, um sich<br />

in der Nacht warm zu halten.<br />

Nica und ihre Familie sind<br />

auch von den jüngsten<br />

Überschwemmungen betroffen,<br />

aber weil sie und ihre<br />

Schwester Isa, eine weitere<br />

Katharina-Stipendiatin, ihr<br />

Studium beenden konnten und sichere Jobs gefunden haben,<br />

haben sie nun ein Haus in einem Hochwasser geschützten Bereich<br />

gemietet.<br />

Nica erzählt, dass während des Taifuns Ketsana ihr zweistöckiges<br />

Barackenhaus noch komplett unter Wasser stand. Dieses<br />

Mal stand das Wasser, verursacht durch den Taifun Vamco, in<br />

ihrer gemieteten Wohnung nur hüfthoch, und sie mussten nicht<br />

evakuiert werden.<br />

Konkrete und vorbeugende Hilfe<br />

San Mateo ist eine überschwemmungsgefährdete Stadt, aber<br />

weil KtW und KGP junge Menschen in ihrer Ausbildung unterstützen<br />

konnten, müssen Nica, Isa und die anderen Katharina-<br />

Stipendiaten nicht mehr Schlange stehen und mit anderen Familien<br />

um ein Hilfspaket kämpfen. Vielmehr bereiten sie sich jetzt<br />

selbst darauf vor, Hilfspakete für ihre ehemaligen Nachbarn zu<br />

verteilen. So konnten sie aus dem Kreislauf der Bedürftigkeit<br />

ausbrechen, den Katastrophenopfer durchlaufen.<br />

Im Stadtteil von San Mateo, in dem Samakaba-Bewohner leben,<br />

wohnen mehr als tausend Familien. Wir können nicht allen Familien<br />

helfen, aber mit Ihrer Unterstützung können wir mehr junge<br />

Menschen zur Schule schicken, und dadurch hoffen wir, dass es<br />

mehr junge Leute wie Nica Bacalla geben wird, die in solchen<br />

Katastrophenzeiten auf eigenen Füssen stehen können. <br />

Chloe Garcera Ben ist Sozialarbeiterin, Teamleiterin bei der philippinischen<br />

Rundfunk- und Fernsehgesellschaft und Mitglied der KGP. Sie<br />

lebt mit ihrer Familie in Quezon City.<br />

weltweit NACHRUF<br />

9. April 1944 – 15. November 2020<br />

P. Anton Schönbächler, Redemptorist<br />

Dem kleinen Toni wurde die Berufung zum<br />

Priester in die Wiege gelegt, denn sie stand<br />

im alten Pfarrhaus von Aarau. Dort kam er<br />

am 9. April 1944 als erstes von sechs Kindern<br />

zur Welt. Sein Vater Anton war Uhrmacher,<br />

seine Mutter Lina kümmerte sich<br />

um die Kinderschar.<br />

Toni Schönbächler absolvierte das Gymnasium<br />

bei den Redemptoristen in Matran und<br />

studierte Theologie an der ordenseigenen<br />

Hochschule in Gars am Inn in Oberbayern.<br />

1972 wurde er in Beckenried von Bischof<br />

Johannes Vonderach zum Priester geweiht.<br />

Dann wirkte er in der Pfarrei Santa Teresa in Viganello, wo er<br />

sich stark für die Jugendlichen engagierte. 1979 wurde er in die<br />

Gemeinschaft Mariawil nach Baden gerufen, wo er in der Seelsorge<br />

der umliegenden Pfarreien mitarbeitete und die Missionsprokur<br />

für Bolivien übernahm. Durch seine Arbeit und Besuche<br />

in Bolivien bekam er Einblick in das Leben, die Freuden und<br />

Nöte der Menschen und in die Arbeit der Mitbrüder in diesem<br />

Land. Auch zu Mitbrüdern in Brasilien pflegte er Kontakte.<br />

Von 1979 bis 1996 beteiligte sich Pater Toni an zahlreichen Volksmissionen<br />

in der Deutschschweiz. Ab 1980 begleitete er über<br />

200 Lourdes-Wallfahrten. Ordensintern amtete er unter anderem<br />

als Rektor der Gemeinschaft von Mariawil, als Regional-Ökonom<br />

der Schweizer Redemptoristen sowie als Verwalter des Hilfswerks<br />

St. Klemens. Etwas Abwechslung und Luft gönnte er sich<br />

mit Besuchen bei seinen Geschwistern und seinem betagten<br />

Vater sowie beim Volleyball im Stadtturnverein Baden.<br />

Mitte Oktober hustete P. Toni Schönbächler leicht und hielt es für<br />

eine Grippe. Aber nach einigen Tagen musste er sich in Spitalpflege<br />

begeben. Covid-19 liess ihn nicht mehr los, sodass er,<br />

für alle überraschend und schmerzlich, am 15. November starb.<br />

Pater Toni war ein hilfsbereiter und stets fröhlich gestimmter<br />

Mensch. Er verfügte über ein ausgezeichnetes Gedächtnis und<br />

war sehr gewissenhaft und exakt. Auf ihn trifft das Gleichnis vom<br />

Verwalter zu: «Herr, fünf Talente hast du mir gegeben. Siehe, ich<br />

habe noch fünf dazu gewonnen. Sehr gut, komm, nimm teil am<br />

Freudenfest deines Herrn!» Möge P. Toni Schönbächler das<br />

Freudenfest geniessen!<br />

Wir alle danken ihm von Herzen für alles. <br />

<strong>WeltWeit</strong>-Vorstand und -Redaktion<br />

1/<strong>2021</strong>


34<br />

PROJEKTHILFE<br />

24085<br />

weltweit<br />

PROJEKTHILFE<br />

MISSIO<br />

Kirchen-Investition<br />

Die katholische Kirche kann in Namibia<br />

ohne Einschränkungen leben. – Studium<br />

am Seminar St. Charles Lwanga.<br />

SIEGFRIED OSTERMANN<br />

Namibia im südlichen Afrika ist ein weitgehend christliches Land.<br />

Etwa 20 Prozent der Bevölkerung gehören zur katholischen Kirche,<br />

die in drei Diözesen gegliedert ist. Die theologische Ausbildung<br />

erfolgt im Seminar St. Charles Lwanga in Windhoek, aktuell<br />

mit über 40 Studierenden. «Das ist die höchste Anzahl seit<br />

vielen Jahren!» schreibt uns stolz Pater Benny Karuvelil, der Rektor<br />

des Seminars. Neben den Priesteramtskandidaten (24) sind<br />

es die Studenten der «Oblaten der Unbefleckten Jungfrau Maria»<br />

und die Ordensfrauen der «Missionsschwestern des Heiligsten<br />

Herzen Jesu», die im Seminar Kurse in Theologie belegen.<br />

Akademisches und Soziales<br />

Das St. Charles Lwanga Seminar ist bemüht, einen<br />

hohen akademischen Standard einzuhalten. «Unsere<br />

Abschlüsse sind von der Nationalen Bildungsbehörde<br />

anerkannt. So können wir seit 2<strong>01</strong>0 Bachelor-Diplome<br />

sowie Abschlussdiplome in Theologie und Philosophie<br />

vergeben», zeigt sich Pater Benny zufrieden. Die Vorlesungen<br />

erfolgen zum Teil auch online mit Videoübertragungen!<br />

«Im St. Charles Lwanga Seminar legen wir nebst der<br />

theoretischen Ausbildung auch grossen Wert auf die<br />

menschliche Entwicklung der Studierenden», erzählt<br />

der Rektor aus der Ausbildungspraxis. «Die jungen<br />

Leute sollen zu reifen Menschen heranwachsen und gesunde<br />

zwischenmenschliche Beziehungen entwickeln<br />

und pflegen.»<br />

Selbstständigkeit und Selbstversorgung gehören zum<br />

Selbstverständnis jeder Ortskirche. Das setzt voraus,<br />

dass das Kirchenpersonal in gewissem Umfang in allen<br />

Aspekten des Gemeindelebens geschult ist. Das St.<br />

Charles Lwanga Seminary legt grossen Wert auf diesen<br />

Aspekt, insbesondere darauf, die Seminaristen mit allen<br />

Arten von Reparatur- und Renovierungsarbeiten vertraut<br />

zu machen.<br />

Seelsorgerliche Bildung<br />

Durch die regelmässige Feier der Liturgie, der gemeinschaftlichen<br />

und persönlichen Bibellektüre und anderer<br />

geistlicher Übungen wird die Beziehung zu Gott vertieft.<br />

Jährlich gibt es auch Retraiten, die sich verschiedenen<br />

Themen widmen, wie zum Beispiel den Schreiben von<br />

Papst Franziskus.<br />

Um die seelsorgerliche Arbeit praktisch zu erlernen und<br />

zu vertiefen, bieten sich den Studierenden verschiedene<br />

Möglichkeiten. Sie nehmen regelmässig an Pfarreiaktivitäten<br />

teil, sind als Katecheten tätig, besuchen Krankenhäuser,<br />

beten mit den Kranken und begleiten deren<br />

Angehörige. Auch regelmässige Besuche in sozialen<br />

Einrichtungen gehören dazu.<br />

12 181 Franken steuerte Missio Schweiz 2<strong>01</strong>9 an die Ausbildungskosten<br />

für die Priesterseminaristen bei. Wir sind überzeugt<br />

davon, dass dies eine sehr gute Investition in die Kirche von<br />

Namibia ist. Deshalb wollen wir das Seminar St. Charles Lwanga<br />

weiterhin unterstützen. Dank vieler treuer Spenderinnen und<br />

Spender kann Missio den Wunsch tausender junger Frauen und<br />

Männer weltweit erfüllen, die sich in den Dienst der Kirche und<br />

ihrer Mitchristen stellen wollen. Danke, dass Sie diese jungen<br />

Menschen fördern.


35<br />

weltweit<br />

ABOKARTE<br />

Nicht frankieren<br />

Ne pas affranchir<br />

Non affrancare<br />

Ja, ich bestelle Gratis-Probeexemplare von <strong>WeltWeit</strong><br />

Ja, ich bestelle ein Jahresabo für CHF 36.– (Europa EUR 35.–/übriges Ausland CHF 54.–)<br />

Ja, ich unterstütze <strong>WeltWeit</strong> mit einer Spende von CHF<br />

Geschäftsantwortsendung Invio commerciale risposta<br />

Envoi commercial-réponse<br />

Rechnungsadresse:<br />

Name/Vorname:<br />

Strasse/Postfach:<br />

Telefon:<br />

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PLZ/Ort:<br />

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Ja, ich schenke <strong>WeltWeit</strong> für ein Jahr und CHF 36.– an<br />

Empfängeradresse:<br />

Name/Vorname:<br />

<strong>WeltWeit</strong><br />

Postfach 85<br />

17<strong>01</strong> Freiburg<br />

Strasse/Postfach:<br />

PLZ/Ort:<br />

Bei Fragen erreichen Sie <strong>WeltWeit</strong> unter:<br />

Telefon +41 (0)26 422 11 36<br />

Telefax +41 (0)26 422 11 37<br />

E-Mail: info@weltweit.ch<br />

www.weltweit.ch<br />

Zeitschrift<br />

ALLGEMEINE SPENDEN<br />

Mess-Stipendium (Fr. 10. –)<br />

40 0<strong>01</strong><br />

Kinder- und Jugendarbeit («Taufspende»)<br />

40 003<br />

Hungernde<br />

40 004<br />

Lepra und andere Tropenkrankheiten<br />

40 005<br />

Kinder in Not<br />

40 <strong>01</strong>5<br />

WÄHLEN SIE DIE KENNZIFFER IHRER SPENDE<br />

Postkonto: Freiburg 17-6021-7<br />

NOT- UND PROJEKTHILFE<br />

Hilfe für Überschwemmungsopfer und<br />

Katastrophenvorsorge in San Mateo,<br />

Rizal, Philippinen (S. 32–33).<br />

34042<br />

KATHARINA-WERK<br />

Sozialaprojekte von P. Hugues Kadiambiko<br />

in Miyamba im Nordwesten von<br />

Kongo RDC (S. 28–29).<br />

28003<br />

REDEMPTORISTEN<br />

Ausbildung von jungen Männern und<br />

Frauen im Seminar St. Charles Lwanga,<br />

Namibia (S. 34).<br />

24085<br />

MISSIO<br />

Digitalisierung der St. Scholastica<br />

Catholic School in Ruaraka, Kenia<br />

(S. 30–31).<br />

27061<br />

MISSIONS-BENEDIKTINERINNEN<br />

Grafik- und Druckereikurse für Jugendliche<br />

im Centro Profissional Gráfico in<br />

Porto Alegre, Brasilien (S. 37–38).<br />

33036<br />

SALESIANER DON BOSCOS


36<br />

weltweit<br />

ENTWICKLUNGSPARTNERSCHAFT GLOBALEGERECHTIGKEIT<br />

weltweit<br />

ABOKARTE<br />

Schenken Sie sich und anderen<br />

Zuversicht und Perspektiven<br />

11 in der Entwicklungshilfe<br />

engagierte Gemeinschaften<br />

– eine Zeitschrift.<br />

<strong>WeltWeit</strong> vermittelt Ihnen Hoffnung und Optimismus –<br />

in einer manchmal entmutigenden Weltentwicklung.<br />

<strong>WeltWeit</strong> gibt Ihnen christliche und ethische Orientierung –<br />

in einem widersprüchlichen Zeitgeschehen.<br />

<strong>WeltWeit</strong> zeigt Ihnen, wie im Kleinen Grosses möglich ist –<br />

in Alltag und Gesellschaft, in Partnerschaft für globale Gerechtigkeit.<br />

Mit einem Abonnement und Ihrer<br />

Spende ermöglichen Sie, dass wir<br />

anderen Menschen helfen können.<br />

Postkonto: Freiburg 17-6021-7<br />

IBAN: CH56 0900 0000 1700 6021 7<br />

BIC POFICHBEXXX<br />

Herzlichen Dank!<br />

Liebe Leserin, lieber Leser<br />

Bitte verwenden Sie die Karte oben zur Weitergabe eines Abonnements und den Einzahlungsschein unten<br />

zur Unterstützung eines Hilfsprojektes. Herzlichen DANK!<br />

Empfangsschein / Récépissé / Ricevuta Einzahlung Giro Versement Virement Versamento Girata<br />

Einzahlung für / Versement pour / Versamento per<br />

Einzahlung für / Versement pour / Versamento per<br />

<strong>WeltWeit</strong>, Spendenkonto<br />

<strong>WeltWeit</strong>, Spendenkonto<br />

17<strong>01</strong> Freiburg<br />

17<strong>01</strong> Freiburg<br />

IBAN: CH56 0900 0000 1700 6021 7<br />

IBAN: CH56 0900 0000 1700 6021 7<br />

Konto / Compte / Conto 17-6021-7 Konto / Compte / Conto 17-6021-7<br />

CHF<br />

▼<br />

▼<br />

❑ Freie Gabe<br />

❑ Kennziffer Nr.<br />

❑ Für folgenden Zweck:<br />

CHF<br />

▼<br />

▼<br />

Total<br />

Fr.<br />

Fr.<br />

Fr.<br />

Fr.<br />

Einbezahlt von / Versé par / Versato da<br />

Empfangsbestätigung<br />

erwünscht:<br />

❑ ja<br />

❑ nein<br />

BAG 2<strong>01</strong>9<br />

Einbezahlt von / Versé par / Versato da<br />

•<br />

•<br />

202<br />

441.02<br />

Die Annahmestelle<br />

L’office de dépôt<br />

L’ufficio d’accettazione<br />

170060217><br />

170060217>


37<br />

PROJEKTHILFE<br />

33036<br />

weltweit<br />

BRÜCKENSCHLAG<br />

SALESIANER DON BOSCOS<br />

Centro Profissional Gráfico<br />

Jugendliche lernen Techniken<br />

der Grafik und Druckvorstufe.<br />

(Bilder: Salesianer Don Boscos)<br />

KATHARINA KOCHERHANS<br />

In den 1950er Jahren gründeten die Salesianer Don Boscos die<br />

Casa do Pequeno Operário in Porto Alegre, Brasilien. Sie führen<br />

dort die Schule Colégio Dom Bosco. Diese bietet vom Kindergarten<br />

bis zur Oberschule alle Stufen an. Um das Angebot zu<br />

ergänzen, wurde 1996 ein Kompetenzzentrum gegründet, in<br />

dem Jugendliche aus sozial benachteiligten Verhältnissen eine<br />

Ausbildung im Grafikgewerbe (Design, Druck, Binden) absolvieren<br />

können. Diese dauert drei Semester und vermittelt den Jugendlichen<br />

praktische, theoretische und menschliche Kompetenzen,<br />

die es ihnen ermöglichen, in die Berufswelt einzusteigen.<br />

Die erfolgreichen Absolventen erhalten ein staatlich anerkanntes<br />

Diplom. Seit dem Start haben mehr als 1700 Jugendliche die<br />

Kurse erfolgreich durchlaufen.<br />

Hochwertiger Berufskurs<br />

Porto Alegre ist mit ungefähr 1,5 Millionen Einwohnern eine der<br />

grössten Städte Brasiliens. Sie liegt im Südosten des Landes.<br />

Kriminalität, Drogenhandel und Suchtprobleme prägen den<br />

Alltag der Menschen. Das karge Familieneinkommen reicht oft<br />

nicht für das Notwendigste. Einige Familien leben auch von der<br />

Alterspension der Grosseltern. Die Eltern gehen meist einer informellen<br />

Tätigkeit nach – der Verdienst ist starken Schwankungen<br />

unterworfen. Deshalb ist der Druck auf die Kinder sehr hoch –<br />

jede Hand muss mithelfen und zum Familieneinkommen beitragen.<br />

Dies verhindert, dass Jugendliche aus diesen benachteiligten<br />

sozialen Schichten eine Ausbildung absolvieren. Die Einbussen<br />

wären zu hoch.<br />

Gegen diesen Umstand kämpfen die Salesianer Don Boscos mit<br />

dem Centro Profissional Gráfico an. Sie bieten einen hochwertigen<br />

Berufskurs an, leisten wertvolle Sensibilisierungsarbeit und<br />

überzeugen die Eltern davon, dass es sich lohnt, Zeit für eine<br />

gute Schul- und Berufsbildung einzusetzen. Deshalb wird eine<br />

Ausbildung in grafischer Verfahrenstechnik angeboten. Bedingung,<br />

um am Programm teilzunehmen, ist, paralell zu den Berufskursen<br />

die Schule zu besuchen und abzuschliessen. Ebenso<br />

wird ein Empfehlungsschreiben eines Erwachsenen verlangt, sei<br />

es von einem Lehrer, einem Pfarrer oder einem Bekannten der<br />

Herkunftsgemeinde. Unter diesen Voraussetzungen fördern die<br />

Salesianer Don Boscos Jugendliche aus armen Verhältnissen.<br />

Diese bringen grossen Ehrgeiz mit und wollen ihr Leben selbst<br />

in die Hand nehmen.<br />

Ganzheitliche Bildung<br />

Jedes Jahr haben ungefähr 80 Jugendliche zwischen 15 und 18<br />

Jahren die Möglichkeit, im Centro Profissional Gráfico eine Ausbildung<br />

zu absolvieren. Die Berufskurse finden am Morgen oder<br />

1/<strong>2021</strong>


38<br />

weltweit<br />

BRÜCKENSCHLAG<br />

am Nachmittag statt und dauern drei Semester. In Brasilien besuchen<br />

alle Schülerinnen und Schüler die Schule nur halbtags.<br />

Dies ermöglicht ihnen, während dem andern halben Tag den<br />

Kurs zu besuchen.<br />

Der Fokus der Ausbildung liegt auf dem Erwerb von praktischen<br />

Fähigkeiten im Bereich Grafik, Design, Layout, sowie dem Aufbau<br />

und der Funktionsweise von Unternehmen. Jedoch sollen<br />

nicht nur technische Fähigkeiten vermittelt, sondern die Integration<br />

und das Bewusstsein jedes Einzelnen gefördert werden.<br />

Aktivitäten wie religiöse Bildung, der Besuch von zwei Druckund<br />

Grafikfirmen pro Semester sowie ein Ausflug in die Umgebung<br />

von Porto Alegre fördern diese Fähigkeiten. Besonders<br />

Abschluss an der Faculdade Dom Bosco anstreben. Dies wird<br />

durch eine Vereinbarung zwischen dem Ausbildungszentrum und<br />

der Fakultät ermöglicht. Jugendliche, die den technischen Kurs<br />

erfolgreich absolviert haben und ein Studium an der Fakultät<br />

Dom Bosco aufnehmen wollen, können ein Stipendium zu beantragen.<br />

Dieses reduziert die monatlichen Studiengebühren um<br />

80 Prozent. So ausgebildet haben Jugendliche in Porto Alegre<br />

Instrumente in der Hand, eine gut bezahlte feste Arbeitsstelle<br />

zu finden und dank dem Einkommen für sich und ihre Familien<br />

zu sorgen. Die Betreuenden stellen fest, dass sich die jungen<br />

Menschen dank diesem Programm grundlegend verändern. Sie<br />

erhalten nicht nur Zugang zum Arbeitsmarkt – sie übernehmen<br />

In der Druckerei gilt es, etliche<br />

Maschinen zu bedienen.<br />

der Besuch von Firmen ist für die Jugendlichen wertvoll, da sie<br />

einen Einblick in den Berufsalltag bei möglichen Arbeitgebern erhalten<br />

und sich für eine Anstellung empfehlen können.<br />

Jobanschluss<br />

Die jungen Frauen und Männer werden während der Ausbildung<br />

auch ermuntert, dass sie nach der Basisausbilung einen höheren<br />

auch Verantwortung in Familie und Gesellschaft. Durch Bildung<br />

entwickeln sie ihre Fähigkeiten, die früher verschüttet waren.<br />

Das persönliche und berufliche Wachstum verändert nicht nur<br />

das Leben dieser jungen Menschen, sie werden zu Protagonisten<br />

ihrer Geschichte: als selbständige, ausgebildete Frauen und<br />

Männer dienen sie als Ansporn und Vorbild für ihre Geschwister,<br />

Verwandten und Freunde. <br />

Grosse Herausforderung<br />

«Mein Name ist Maria Glaci da Silva. Ich gehöre zum Ausbildungs-Team des Centro Profissional Gráfico<br />

Don Bosco in Porto Alegre. Wegen der Pandemie mussten wir den Präsenzunterricht unterbrechen. Die<br />

grösste Herausforderung besteht für mich darin, die Jugendlichen zu motivieren, an den online-Aktivitäten<br />

teilzunehmen sowie den Kontakt zu ihnen nicht zu verlieren. Zu diesen Herausforderungen gehört nebst<br />

dem Verständlichmachen der Inhalte die Schwierigkeit der Jugendlichen, auf die Lehrplattformen zuzugreifen.<br />

Viele von ihnen verfügen weder über einen Computer noch über ein Handy, die für den Zugang zu den<br />

virtuellen Räumen nötig sind.<br />

Es liegt an uns Betreuerinnen und Betreuern, der Koordination und den Lehrern, nach Alternativen zu suchen,<br />

um sie motiviert zu halten und allen eine effektive und effiziente Begleitung anzubieten. Die Lehrpersonen<br />

bemühen sich um ein abwechslungsreiches Programm mit dynamischen Unterrichtsstunden, die<br />

leicht verständlich sind, angemessene Mittel verwenden und den Schülerinnen und Schülern die nötige<br />

Zeit geben, die Aufgaben zu machen und einzusenden. Die Herausforderungen sind gross, aber wir hoffen,<br />

dass all dies gut vorübergeht. An dieser Stelle bedanke ich mich herzlich für die Unterstützung, die wir aus<br />

der Schweiz für die integrale Bildung im Geiste Don Boscos unserer jungen Menschen erhalten.»


39<br />

weltweit<br />

SCHLUSSPUNKT<br />

VORSCHAU 2/21<br />

Weltgemeinwohl braucht Priorität<br />

«Gegenwerte» zu National-Egoismen<br />

weltweit<br />

HERAUSGEBERGEMEINSCHAFT<br />

MARIANNHILLER MISSIONARE<br />

Missionshaus St. Josef, St. Josefsweg 15,<br />

6460 Altdorf, Postkonto Luzern 60-187-8<br />

Tel. 041 874 04 40, Fax 041 874 04 41<br />

Redaktion: P. Peter Grand<br />

www.stiftung-mariannhill.ch<br />

SCHWEIZER REDEMPTORISTEN<br />

Bruggerstrasse 143, 5400 Baden<br />

Postkonto Bolivien-Mission, Baden 50-182-9<br />

Tel. 056 203 00 44, Fax 056 203 00 40<br />

Redaktion: José Balmer<br />

www.redemptoristen.de<br />

Corona und Agenda 2030<br />

Transformation statt Rückschritt<br />

Schlaf: Wie ins Lot kommen?<br />

IMPRESSUM<br />

<strong>WeltWeit</strong><br />

Ausgabe 1/<strong>2021</strong>: Februar-März<br />

Zeitschrift für Entwicklungspartnerschaft und<br />

globale Gerechtigkeit.<br />

61. Jahrgang, erscheint 6x im Jahr.<br />

Jahresabonnement:<br />

Schweiz: CHF 36.– (inkl. 2,5% MWST.)<br />

Europa: Euro 35.–, übrige Länder: CHF 54.–<br />

Herausgebergemeinschaft:<br />

Sr. Ingrid Grave (Präsidentin),<br />

Klosterweg 16, 7130 Ilanz, Tel. 081 926 95 00,<br />

ingrid.grave@klosterilanz.ch<br />

Redaktion: Theo Bühlmann,<br />

Fuchsacker 3, 6233 Büron,<br />

Tel. (bitte auf Beantworter sprechen): 041 933 13 23,<br />

at.buehlmann@bluewin.ch<br />

Administration, Abonnemente und Werbung:<br />

Thérèse Corpataux-Roggo/Chantal Tinguely-Neuhaus,<br />

Postfach 85, 17<strong>01</strong> Freiburg<br />

Tel. 026 422 11 36, info@weltweit.ch<br />

Postkonto: PostFinance AG 17-6021-7<br />

IBAN CH56 0900 0000 17006021 7<br />

Layout/Gestaltung:<br />

Othmar Huber, Luzern<br />

Satz, Druck und Versand:<br />

Brunner Medien AG,<br />

6<strong>01</strong>0 Kriens, www.bag.ch<br />

Redaktionsschluss:<br />

<strong>WeltWeit</strong> 2/<strong>2021</strong>: Mitte Februar<br />

BARMHERZIGE SCHWESTERN<br />

VOM HEILIGEN KREUZ INGENBOHL<br />

Klosterstrasse 10, 6440 Brunnen<br />

Postkonto Luzern 60-4000-2<br />

Tel. 021 825 20 00<br />

Redaktion: Sr. Anna Affolter<br />

Tel. 041 825 21 04<br />

www.scsc-ingenbohl.org<br />

www.kloster-ingenbohl.ch<br />

SCHWESTERN VOM HEILIGEN KREUZ<br />

Missionsprokura, Hauptstrasse 11,<br />

6313 Menzingen, Postkonto Zürich 80-4085-5<br />

Tel. 041 757 40 40, Fax 041 757 40 30<br />

Redaktion: Sr. Thomas Limacher<br />

www.kath.ch/kloster-menzingen<br />

www.holycross-menzingen.org<br />

MISSIO<br />

Internationales Katholisches Missionswerk<br />

Rte de la Vignettaz 48, Postfach 187<br />

1700 Freiburg, Postkonto Freiburg 17-1220-9<br />

Tel. 026 425 55 70, Fax 026 425 55 71<br />

Redaktion: Siegfried Ostermann<br />

www.missio.ch<br />

MISSIONS-BENEDIKTINERINNEN<br />

Missions-Prokura, Benediktenweg 5,<br />

82327 Tutzing, Tel. 0049 8158 90710-0<br />

Kreissparkasse München-Starnberg<br />

IBAN: DE72 7025 <strong>01</strong>50 0430 5709 86<br />

Redaktion: Sr. Eva-Maria Zierl<br />

www.missions-benediktinerinnen.de<br />

MISSIONSFRANZISKANERINNEN<br />

VON MARIA IMMAKULATA<br />

Franziskusstrasse 15, 9463 Oberriet<br />

Postkonto St. Gallen 90-2312-4, Tel. 071 763 70 40<br />

Missionsprokura und Redaktion:<br />

Sr. Angela Jojoa, Laura Schmiedeknecht<br />

FRANZISKANER MISSIONSSCHWESTERN<br />

VON MARIA HILF<br />

Sinserstrasse 12, 5644 Auw (AG)<br />

Postkonto Luzern 60-20513-6, Tel. 056 668 27 08<br />

Mail: gen.missionsprokur@bluewin.ch<br />

Missionsprokura und Redaktion: Sr. Angela Fink<br />

www.fmmh.org<br />

SALESIANER DON BOSCOS<br />

Don Boscostrasse 29, 6215 Beromünster<br />

Postkonto Luzern 60-28900-0<br />

Tel. 041 932 11 11, Fax 041 932 11 99<br />

Redaktion: P. Toni Rogger<br />

www.donbosco.ch<br />

KATHARINA-WERK<br />

Neubadstrasse 95, 4054 Basel<br />

Tel. 061 307 23 23, Fax 061 307 23 53<br />

Redaktion: Heidi Rudolf<br />

www.katharina-werk.ch<br />

DOMINIKANERINNEN<br />

Klosterweg 16, 7130 Ilanz<br />

Tel. 081 926 95 60, Postkonto 70-188-7<br />

Missionsprokur: Sr. Ingrid Grave, Christine Imholz<br />

www.kloster-ilanz.ch<br />

weltweit UNERHÖRT<br />

«Am Ursprung der Krise, die wir durchmachen, steht eine tiefe<br />

anthropologische Krise. Wir haben neue Götzen geschaffen.<br />

Die Anbetung des antiken goldenen Kalbs (Ex 32,1-35) hat eine<br />

neue und erbarmungslose Form gefunden im Fetischismus des<br />

Geldes und in der Diktatur einer Wirtschaft ohne Gesicht und<br />

ohne ein wirklich menschliches Ziel.»<br />

Apostolisches Schreiben «Evangelii gaudium» von Papst Franziskus<br />

1/<strong>2021</strong>


40<br />

weltweit<br />

MUTMACHER<br />

Tiefe des Menschseins<br />

Riham Mahfouz.<br />

(Bild: zVg)<br />

Vor rund drei Jahren lernte ich bei interreligiösen Begegnungen<br />

und in der Frauengruppe der Ferdaws-Moschee in Basel<br />

Riham Mahfouz kennen. Schnell habe ich gespürt, mit wie viel<br />

Empathie, Verständnis und Hinhören sie auf höchst kompetente<br />

Weise auf die Frauen zugegangen ist. Ihre Kurse zu Gesundheit<br />

und Beziehungen waren auch für mich ein Highlight.<br />

In der Moschee waren bis vor Corona Menschen aus aller<br />

Welt, viele Flüchtlinge mit ihren traumatischen Lebenserfahrungen,<br />

anwesend. An interreligiösen Veranstaltungen gab<br />

Riham Inputs zu verschiedensten spirituellen Fragen – vielen<br />

von uns gingen dabei Lichter auf, was denn hinter den oft zitierten<br />

fünf Säulen des Islam, hinter Vorschriften und Geboten<br />

stand. Ein lebendiges «Stützkorsett» für das Leben entstand<br />

vor unseren Augen.<br />

Riham Mahfouz, Fachärztin für Kardiologie, arbeitete im Spital<br />

und als Assistentin an der medizinischen Hochschule in Kairo.<br />

Sie ist vor zehn Jahren mit ihrem Mann und drei Kindern in<br />

die Schweiz gekommen. Mit Studium in Ägypten ist sie in der<br />

Schweiz als Ärztin nicht zugelassen. Die Labortätigkeit befriedigte<br />

sie aber nicht. «Ich wollte unbedingt mit Menschen arbeiten»,<br />

so Riham. An der Uni Basel machte sie deshalb ein<br />

Nachdiplomstudium (MAS) in Friedens- und Konfliktmanagement<br />

– und schloss in England mit einem Master in Positiver<br />

Psychologie ab. Das brachte sie zu dem Engagement, das sie<br />

heute alltäglich für die Menschen tut, die sie brauchen.<br />

Die Verhaltenstherapie ist gerade auch für Flüchtlinge<br />

von Bedeutung, schafft sie doch auch ein «Umpolen»<br />

des Gehirns bis hin zu neuen positiven Erfahrungen.<br />

Danach arbeitete sie ein Jahr lang bei der ökumenischen<br />

Stelle für Asylbewerber an der Empfangsstelle in Basel.<br />

Religion und Sprache waren für deren Willkommenserfahrung<br />

immens wichtig, ebenso wie ihr Engagement<br />

beim Frauenkreis für Flüchtlinge in Lörrach. Seit drei<br />

Jahren bietet sie Therapien in unterschiedlichem Rahmen<br />

an, vor allem in Arabisch und Englisch, auch für<br />

Nicht-Flüchtlingsfrauen und Frauen, die nicht Muslimas<br />

sind. Sie tut dies in der Moschee, aber auch übers Internet,<br />

besonders für Frauen in Kriegsgebieten (Yemen und<br />

andere Länder), die sonst keinen Zugang zu einer therapeutischen<br />

Unterstützung haben. Daneben ist sie regelmässig<br />

in der Moschee engagiert. Dies ist auch in Corona-Zeiten<br />

sehr wichtig. Wir müssen physisch Distanz<br />

halten, sollen aber die spirituelle und menschliche Nähe<br />

fördern. Bevor es den Lockdown in Basel gab, führte sie<br />

einen fünfwöchigen Kurs durch, unter anderem mit der<br />

Fragestellung: Wie kann ich durch verschiedene Übungen<br />

und Techniken glücklich sein, Frieden in meine Seele<br />

bringen? All diese Engagements tut sie auf freiwilliger<br />

Basis. Oder zu einem nur symbolischen Preis!<br />

Menschen wie Riham sind gemeinsam mit uns auf einem<br />

Weg der spirituellen Vertiefung. «Fast alle Aspekte meines<br />

Lebens sind durch die Werte des Islam bestimmt»,<br />

so Riham Mahfouz. «Der Islam als Lebensmanifest bestimmt,<br />

wie ich mit meinem Partner, den Kindern, Nachbarn,<br />

mit meinem Chef – und mit Fremden – umgehe.<br />

Er zeigt mir, wie ich Mitgefühl und Empathie haben und<br />

die Gefühle der andern respektieren kann. Wie ich die körperliche<br />

Gesundheit durch Essen und Bewegung erhalten kann.<br />

All dies steht schon im Koran und ist auch der tiefere Sinn<br />

aller Gebote. Sie sind nicht dazu da, dem Menschen Angst zu<br />

machen vor einem strafenden Gott, sondern helfen uns aus<br />

Liebe von und zu Gott und zu allen Menschen zu leben». <br />

Heidi Rudolf<br />

1/<strong>2021</strong>

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