WeltWeit 01 2021
Zeitschrift für Entwicklungspartnerschaft und globale Gerechtigkeit
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24<br />
Ostern:<br />
nichts ist, wie es war<br />
Dem Wunder die Hand hinhalten.<br />
JACQUELINE KEUNE<br />
So also wurde es zum ersten Mal Ostern: Auf einem Friedhof, am<br />
Ende einer langen Nacht, mit einer Hand voll ratloser Männer<br />
und einer untröstlichen Frau.<br />
Keiner weit und breit, der gefeiert hätte – erst recht keinen Sieg.<br />
Keiner, der gejubelt, nur einer, der gefragt hat, warum jemand<br />
weint. Leise ist es zum ersten Mal Ostern geworden. So leise wie<br />
das Gras, das wächst, und die Erde, die sich dreht. Und nicht,<br />
weil einer unsterblich war, ist es Ostern geworden, sondern gerade<br />
weil er gestorben ist.<br />
Erste Lebensboten<br />
Gewiss: Es gibt Ostergeschichten, in denen der Jubel viel lauter<br />
ist. Für mich aber gibt es keine schönere, als die des Johannes.<br />
Weil die Trauer das Lichte und Laute nicht erträgt, geht Maria<br />
aus Magdala, dem kleinen Dorf am See Genezaret, frühmorgens,<br />
als es noch dunkel ist, zum Grab. Ein letztes Mal will sie dem<br />
nahe sein, der ihr gezeigt hat, wie das Leben geht.<br />
Maria stand draussen vor dem Grab und weinte. Wie hätte sie<br />
nicht weinen sollen? – Sie, die mit angesehen hatte, wie er starb,<br />
und die sich selber wie fremd war, bevor sie dem Rabbi aus Galiläa<br />
begegnet war. Besessen von sieben Dämonen, hatte Lukas<br />
von ihr gesagt. Das Leben mit dem Bruder aus Nazaret hatte die<br />
Kräfte in ihr geordnet und das Zerrissene zusammengefügt. Nun<br />
war er tot, und ihr auch noch das Letzte genommen, was ihr vom<br />
geliebten Menschen geblieben war: sein Leib.<br />
In ihrem grossen Kummer beugt sich Maria in die Grabkammer<br />
hinein und schaut durch ihre Tränen hindurch, was die Männer<br />
mit prüfendem Blick nicht gesehen haben: die ersten Boten des<br />
Lebens. Und wie die Engel, spricht auch der Mann im Garten<br />
Maria an: «Warum weinst du? Was suchst du?»<br />
Halt gebende Verheissung<br />
Maria aus Magdala sucht, was auch die Menschen vor und nach<br />
ihr gesucht haben, was auch ich suche: eine Gewissheit, von der<br />
sich leben; eine Hoffnung, an die sich halten und einen Sinn, der<br />
morgens aufstehen lässt. Einen Menschen, der sie liebt. Und der<br />
nun ihren Namen ausspricht und sie damit auf sich selber verweist<br />
und die Wirklichkeit der Auferstehung schauen lässt.<br />
So also wurde es zum ersten Mal Ostern. In einem Garten, am<br />
Beginn eines aufsteigenden Tages, mit Männern, die voll Erwartung<br />
rennen, und einer Frau, die aus dem Neuen Verheissung<br />
liest.<br />
Keiner weit und breit, der gefeiert hätte – erst recht keinen Sieg.<br />
Keiner, der gejubelt, nur einer, der gesagt hat: Halte mich nicht<br />
fest. Ja, leise ist es Ostern geworden. Nicht lauter als der Baum,<br />
der sein Blütenkleid anzieht.<br />
Es ist Ostern, und alles ist, wie es immer war: Der Krebs wuchert<br />
noch, der Schuss trifft noch und die Todeszelle wartet noch.<br />
Das Kind sucht noch immer im Müll nach Essen, und der Wal<br />
schwimmt immer noch um sein Leben.<br />
Ostern ist, weil Gottes Güte ungleich<br />
mehr mit uns vorhat, als sie zu<br />
Lebzeiten wahrmachen kann.<br />
Und es ist Ostern, und nichts ist mehr, wie es einmal war. Weil<br />
allem, was lebt, seit jenem schönen Morgen nicht allein Vergänglichkeit,<br />
sondern auch Verheissung innewohnt. Und Gottes Güte<br />
ungleich mehr mit uns vorhat, als sie zu unseren Lebzeiten wahrmachen<br />
kann: dass jede Träne getrocknet wird, dass jede Nacht<br />
sich lichtet und jeder Weg sich weitet in gelobtes Land. Dass<br />
man nichts Böses mehr tut und das Lämmlein beim Wolf liegt.<br />
Dass die stumm Gemachte Sprache findet und der Arme selig<br />
ist. Dass jede Flur sich mit unvergänglichem Grün bekleidet, und<br />
Gott allem, was tot ist, behutsam das neue Leben einhaucht.<br />
Gemachte Hoffnung<br />
Es ist Ostern – immer wieder, immer noch – weil da Menschen<br />
sind, an der Sternhalde und am Hügelweg, auf der Bodenhofterrasse<br />
und an der Elfenaustrasse, die zusammen mit der Mutter<br />
des kleinen Mose, mit der Tochter des Pharao, mit Maria aus<br />
Magdala und Jesus von Nazaret glauben: Es lässt sich was machen!<br />
Sie behalten nicht für sich, was sie an Hoffnung schauen. Sie<br />
lassen einander beim Sterben nicht alleine und nicht beim<br />
Leben. Sie machen Musik, säen Blumen aus, bauen Häuser und