19.03.2021 Aufrufe

WeltWeit 01 2021

Zeitschrift für Entwicklungspartnerschaft und globale Gerechtigkeit

Zeitschrift für Entwicklungspartnerschaft und globale Gerechtigkeit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

20<br />

die historische Erkenntnis ab: Dank dieses Verbots wissen wir,<br />

dass in der Urkirche die Frauen öffentlich gesprochen haben.<br />

Erneuerung durch Leben<br />

Die meisten Menschen unterscheiden in einer komplex gewordenen<br />

Welt verschiedene Arten von wahr und richtig. Für sie<br />

enthält die Bibel in erster Linie Glaubenszeugnisse verschiedenster<br />

Menschen in sehr unterschiedlichen Zeiten und Kulturen.<br />

Die Bibel erhebt gar nicht den Anspruch, richtig oder einheitlich<br />

zu sein; ihre Gottesbilder sind vielfältig, betont Regula<br />

Grünenfelder.<br />

Als eindrucksvolles Beispiel für die praktische Wahrheit biblischer<br />

Texte nennt sie den Schluss des Markus-Evangeliums.<br />

Es endete ursprünglich ohne das Happy-End der Auferstehung:<br />

«Die Frauen gingen hinaus und flohen aus dem Grab, denn sie<br />

waren ausser sich vor Zittern und Exstase. Und sie sagten niemandem<br />

etwas, denn sie fürchteten sich.» (Mk 16,8, Übersetzung:<br />

Bibel in Gerechter Sprache). Dazu erklärt die Theologin:<br />

«Falls die Frauen tatsächlich geschwiegen haben, konnte der<br />

Evangelist gar nicht wissen, was im Grab geschah – und falls<br />

nicht, hat er falsch oder schlecht erzählt. Der Autor setzte diesen<br />

Schluss, meine ich, mit voller Absicht: Spätere LeserInnen sollen<br />

den ersten JüngerInnen nicht einfach ‹zuschauen› beim Glauben,<br />

sondern verstehen: Das Evangelium ist nicht zu Ende. Es geht<br />

in ihrem Leben weiter!» Bibel beginnt und wird erneuert auch in<br />

unserem Leben: Dies verleiht ihr Autorität und verlangt gleichzeitig<br />

nach einem aktiven Gespräch. «Stolpernd oder tanzend<br />

bringen alltägliche Schritte des Lobens, der Liebe und der Gemeinschaft<br />

die Wahrheit der Bibel zum Leuchten».<br />

Jesus vertraute Petrus den «Schlüssel<br />

des Himmelreiches» an: Er soll Zukunft<br />

erschliessen, nicht abschliessen oder<br />

einsperren.<br />

In unserer Verantwortung<br />

Auch der Theologe und Erwachsenenbildner Thomas Markus<br />

Meier sagte, wir ChristInnen seien beauftragt, den Glauben im<br />

Geist Jesu weiterzugestalten. Wenn angesichts umstrittener<br />

Fragen Argumente versagen, heisse es, Jesus habe schliesslich<br />

auch nicht... Aber Meier fragt: Gilt nur Jesu Wort, oder hat auch<br />

die Kirche etwas zu sagen? Wenn nur das Wort der Schrift gälte,<br />

müssten wir ehrlicherweise einige Glaubensinhalte arg überdenken.<br />

«Es war bereits den Kirchenvätern bewusst, dass nicht<br />

alles, was sie glaubten, schon Schwarz auf Weiss in der Bibel<br />

zu lesen stand. Was sie glaubten, war auch ein Geschenk, eine<br />

Offenbarung Gottes Heiliger Geistkraft. Also etwas Neues, und<br />

nicht buchstäblich aus der Bibel abzuschreiben. Wenn heute die<br />

Frage der Frauenordination abgeschmettert wird mit dem Argument,<br />

Jesus habe keine Frauen geweiht, dann müssten wir<br />

ehrlicherweise auch viel Liebgewordenes abschaffen, was nicht<br />

wörtlich im Neuen Testament verankert ist. Und Überholtes<br />

müsste uns einholen: Vom Verbot der Blutwurst (Apg 15,29) bis<br />

zur Pflichtehe für den Bischof (1 Tim 3,2)».<br />

Mit Jesu Weggang kam die Zeit, wo sein Werk in unsere Verantwortung<br />

überging: «Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie<br />

vergeben» (Joh 20,23). Die Kirche hat den Glauben immer wieder<br />

neu formuliert und zuvor Unbekanntes eingeführt. «Gottes<br />

Geisteskraft ist uns gegeben, damit weitergeht, was mit Jesus<br />

begonnen hat. Damit die Geschichte fortschreitet und nicht<br />

stehen bleibt», schreibt Thomas Markus Meier. «Was du auf<br />

Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein,<br />

und was du auf Erden löst, wird auch im Himmel gelöst sein»<br />

(vgl. Mt 16,19)! Der Theologe sieht darin ein «Schlüssel des<br />

Himmelreiches», der Petrus anvertraut wurde: Er soll Zukunft<br />

erschliessen – nicht abschliessen oder einsperren. Mit Gottes<br />

Geisteskraft ist auch uns Verantwortung und Entscheidungs -<br />

befugnis gegeben. Und Meier merkt kritisch an: «Wenn behauptet<br />

wird, die Kirche habe kein Recht, über das oder jenes nachzudenken,<br />

wird sie zu wenig ernst genommen. Der historische<br />

Jesus ist nicht mehr da, aber die Kirche als lebendiger Leib<br />

Christi. Wenn sie erstarrt und nicht mehr lebendig und mutig<br />

weitergeht, wird sie schuldig. Jesus will, dass wir uns nicht<br />

ängstlich hinter Vergangenem oder dem Wortlaut verschanzen,<br />

sondern zukunftsweisende Wege aufschliessen.» Nicht von ungefähr<br />

warnte er vor der Sünde wider den Heiligen Geist, betont<br />

Meier: Seine eigene Person gilt Jesus weniger schützenswert<br />

als sein Anliegen, sein Werk. Sonst verliert sich das Ganze aus<br />

dem Blick, weil das Augenmerk auf alte Lösungen fixiert bleibt.<br />

Oder neue Wege und alternative Vorschläge nicht einmal mehr<br />

frag-würdig, einen Versuch wert, wären. <br />

Quelle: TTreffpunkt, christlich-sozialethisches Magazin der katholischen<br />

Arbeitnehmer-Bewegung der Schweiz (KAB).<br />

Gute Gründe geben Halt<br />

Nicht nur Kinder haben das Gefühl, dass sie zu oft nur nachvollziehen,<br />

was von «Gescheiteren» vorgegeben ist. Wie kommen<br />

wir also vom Gefühl los, angesichts der Machtstrukturen in der<br />

Welt nichts ausrichten zu können, weil «die da oben ja doch<br />

(mit uns) machen, was sie wollen!» Solcher Resignation gilt es<br />

als selbstständig entscheidende und handelnde Menschen entgegenzuwirken:<br />

mit dem alltagsphilosophischen Ansatz «selber<br />

denken macht schlau». Weil es besser ist, auf sich selber zu<br />

«hören», statt vorgefertigte Antworten ungeprüft zu übernehmen.<br />

Die Kinderphilosophin Eva Zoller Morf beschreibt in ihrem Buch<br />

«Die kleinen Philosophen», wie ein eigenes Urteil zu bilden ist.<br />

Es bedingt erst mal, dass wir uns das Recht zu fragen niemals

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!