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WeltWeit 01 2021

Zeitschrift für Entwicklungspartnerschaft und globale Gerechtigkeit

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LEBENSGRUND<br />

rin änderte und sie plötzlich Rap liebte, wurde es ihr unheimlich.<br />

Haben die Veränderungen mit der Transplantation zu tun? Da in<br />

den USA EmpfängerInnen meistens erfahren, von wem sie das<br />

Organ bekommen haben, suchte Debbie die Familie ihres Spenders<br />

auf und vernahm Verblüffendes: Der 18-jährige Howie Vareen,<br />

der bei einem Unfall ums Leben kam, bevorzugte Fast<br />

Food. Auch Debbies neue Lust auf Bier und Rap stammte offenbar<br />

von ihm. Ist es möglich, dass Menschen durch Organtransplantation<br />

Vorlieben, Abneigungen, Erinnerungen, Ängste und<br />

Wünsche der Spender «erben»? Oder pointiert gefragt: Wandert<br />

ein Teil der Seele mit?<br />

Im Labor werden inzwischen genveränderte<br />

menschliche Embryonen gezüchtet:<br />

Was bedeutet dies für Seele und Körper?<br />

(Bild: Jochen Tack, imago images)<br />

Immer mehr Menschen werden durch Organspenden gerettet:<br />

Schätzungsweise 54 000 Herzen wurden bis 2005 weltweit verpflanzt,<br />

eine halbe Million Nieren bis 2<strong>01</strong>2. 74 000 Lebern und<br />

10 000 Lungen wechselten im 20. Jahrhundert den «Besitzer».<br />

Lange kümmerte man sich dabei vor allem um die biotechnologischen<br />

Probleme. Seit etwa 20 Jahren beschäftigen sich<br />

Studien auch mit dem Leben nach der Operation. Rund sechs<br />

Prozent der von der österreichischen Psychologieprofessorin<br />

Brigitte Bunzel befragten Herztransplantierten berichteten von<br />

Persönlichkeitsveränderungen, die sie auf das neue Organ zurückführten.<br />

Eine Frau hatte das Gefühl, dass mit dem neuen<br />

Herzen «noch jemand anders» bei ihr war. Der amerikanische<br />

Kardiologe Dr. Paul Pearsall interviewte mehr als 100 HerzempfängerInnen,<br />

die eine Verbindung zum verstorbenen Organspender<br />

spürten. Er überprüfte die Angaben bei den Spender-<br />

Angehörigen. Sein Ergebnis: Bei mehr als zehn Prozent der<br />

EmpfängerInnen traten zwei bis fünf frappierende Parallelen<br />

zum Spender auf.<br />

«Zell-Gedächtnis» löst Mordfall<br />

Solche Hinweise erschüttern bisheriges «Wissen». Sind diese<br />

Veränderungen nur Folgen der Krankheit, des Eingriffes, der jahrelangen<br />

psychischen Belastungen, der Medikamente? Oder ist<br />

es tatsächlich so, dass Persönlichkeitsanteile der Spendenden<br />

weiterleben? «Das Herz ist der Schlüssel zu diesem Rätsel»,<br />

sagte Gary Schwatz von der University of Arizona, «es ist innerhalb<br />

des gesamten Körpers der stärkste ‹Generator› elektromagnetischer<br />

Energie». Bis 5000 Millivolt Strom kommen vom<br />

Herzen, bis fünfzigmal soviel wie vom Gehirn. Diese Energien<br />

zirkulieren durch unser gesamtes menschliches System, meinte<br />

Professor Schwartz: «Dabei könnten Informationen aufgenommen<br />

und an jedes Organ übermittelt werden.» Chemische Gehirnsubstanzen<br />

(Neurotransmitter), die im Gehirn wie im Herzen<br />

gefunden wurden, zeigen nach Ansicht des Forschers, dass<br />

«es eine direkte Kommunikation zwischen Herz und Hirn gibt,<br />

die weit über die bekannte Verbindung hinausreicht». Gedanken,<br />

Gefühle und Träume finden demnach auch im Herzen statt. Sie<br />

werden gemäss Schwartz codemässig gespeichert und an alle<br />

Zellen weitergegeben. Dass es tatsächlich ein «Zell-Gedächtnis»<br />

gibt, ist unbestritten. Aber wandert dieses mit einem Spenderherzen<br />

in den Körper des Empfängers und sendet Signale aus,<br />

die dem früheren Besitzer «am Herzen lagen»?<br />

Ein Beleg dafür könnte der Fall eines zehnjährigen Mädchens<br />

sein. Es erhielt das Herz einer Achtjährigen und wurde seit der<br />

Operation von so schweren Albträumen heimgesucht, dass ihre<br />

Eltern sie in psychologische Behandlung schickten. In den Sitzungen<br />

berichtete das Kind detailgetreu davon, umgebracht zu<br />

werden. Die Psychologin zog die Polizei hinzu. Durch die Schilderungen<br />

konnte schliesslich der Mörder des Mädchens, von<br />

dem das Herz stammte, identifiziert und verurteilt werden.<br />

Ethische Zukunftsfragen<br />

Viele Ärzte und Therapeuten erklären die Persönlichkeitsveränderungen<br />

mit Medikamenten, Überidentifikation mit dem Spender<br />

oder mit dem Umstand, dass sie «ein neues Leben bekommen<br />

haben». Doch viele Betroffene werden mit den Veränderungen<br />

kaum fertig und isolieren sich, berichtete die Psychologin Elisabeth<br />

Wellendorf. «Sie haben das Gefühl, bei ihnen stimme etwas<br />

nicht», weil man ihre Wahrnehmung nicht ernst nimmt. «Erobert»<br />

die Medizin künftig das menschliche «Königsorgan», dürften die<br />

psychischen Probleme kaum geringer werden. Mit der Einpflanzung<br />

fremder Hirnzellen wollen Ärzte Alzheimer, Parkinson, Hirnschlag,<br />

Taub- und Blindheit kurieren. Damit werde die menschliche<br />

Identität in Frage gestellt, erklärte der Neurologe Bernhard<br />

Linke. «Letztlich wissen wir nicht mehr, wer das Denken, Fühlen<br />

und Bewegen steuert – das eigene oder das fremde Gewebe.»<br />

Neurotransplantationen werden uns neben rechtlichen, neue<br />

ethische Herausforderungen bescheren. Wo führt das hin, wenn<br />

mit biotechnologisch veränderten Implantaten oder elektronischen<br />

Chips Hirnareale stimuliert und menschliches Verhalten<br />

manipulierbar wird? Wird es zur «freien Persönlichkeitsentfaltung»<br />

Privilegierter, sich oder andere hirnchirurgisch «modellieren»<br />

zu lassen?<br />

Abgesehen von Schwindel erregenden Zukunftsszenarien: Vorerst<br />

lassen uns die geschilderten Phänomene staunen über die<br />

Genialität unseres Schöpfers. Wir fühlen uns bestätigt im Glauben:<br />

Der Mensch ist eine untrennbare Einheit von Körper, Seele<br />

und Geist. Als Christen kann uns solch neuartiges Wissen letztlich<br />

in der Gewissheit stärken, dass es tatsächlich ein ewiges<br />

Leben gibt. <br />

Quellen: Tagesanzeiger, P.M. Bild der Wissenschaft, Focus oneline

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