erlebt Seerettung der Slrg retter in der Seenot Wenn in der Bodensee-Bucht zwischen dem Alten Rhein und Steinach jemand in Seenot oder in eine missliche Lage gerät, ist der Seerettungsdienst der SLRG Sektion Rorschach innert weniger Minuten zur Stelle. Rund um die Uhr. An 365 Tagen im Jahr. Freiwillig. «Weil helfen einfach Freude macht», sagt Präsident Mauro Montagner. TExT: ISABEL RUTSCHMANN BILDER: TRES CAMENZIND 22 <strong>Humanité</strong> 3/2012
Neptun II ist flott auf dem Bodensee unterwegs. Am Steuer des Rettungsbootes sitzt Mauro Montagner, Präsident der Seerettung der Schweizerischen Lebensrettungs-Gesellschaft (SLRG) Rorschach. Er drückt den Gashebel noch ein wenig tiefer hinunter und fährt eine langgezogene Kurve über das spiegelglatte Wasser. «Achtung, jetzt kommen wir ein bisschen in Schräglage», sagt er mit einem Schmunzeln. Auch wenn ihm die Ausfahrt sichtlich Spass zu machen scheint, bleibt der 52-Jährige stets hoch konzentriert und beobachtet das Geschehen auf dem Wasser. Neben ihm sitzt Obmann Remo Pfändler (43) und überwacht aufmerksam den Radarbildschirm. Freude an der Sache und Konzentration – das sind denn auch zwei wichtige Faktoren, um die Aufgabe als Seeretter erfüllen zu können. Wenn jede Minute zählt Innert weniger Minuten erreicht Neptun II die Grenze des Einsatzgebiets. Es umfasst eine Fläche von insgesamt rund 46 Quad- Die Mitglieder der Seerettung halten sich freiwillig allzeit bereit für einen einsatz. ratkilometern auf dem sankt-gallischen Teil des Bodensees zwischen Steinach und der Mündung des Alten Rheins. «Wir sind nach einem Alarm in weniger als zehn Minuten einsatzfähig und erreichen in sieben Minuten fast jeden Punkt in unserem Einsatzgebiet», erklärt Mauro Montagner. Nach einem Zwischenfall auf dem Wasser kann jede eingesparte Minute lebensrettend sein. Ein Einsatzteam besteht mindestens aus einem Bootsführer und einer Zweiermannschaft. Für Taucheinsätze sind acht Mitglieder ausgebildet. Eine Person bleibt nach Möglichkeit jeweils in der Zentrale, um den Einsatz bei Bedarf vom Land her zu unterstützen. Damit an 365 Tagen im Jahr während 24 Stunden täglich gewährleistet ist, dass die Retter innerhalb so kurzer Zeit am Einsatzort eintreffen, sind die 22 Mitglieder der Seerettung Rorschach nonstop auf Empfang. Die 22 Frauen und Männer stellen sich freiwillig zur Verfügung, unter der Woche jederzeit bei einer Alarmierung alles stehen und liegen zu lassen. Will heissen, ihren Arbeitsplatz zu verlassen, ihre Familien allein Mauro Montagner navigiert (Bild links), Remo Pfändler hält die Schleppleine bereit (rechtes Bild) beim Essen sitzen zu lassen oder mitten in der Nacht aus dem Bett zu springen. Hinzu kommen pro Jahr sechs bis sieben Wochenenden, an denen sie Pikettdienst leisten. Warum tut man das freiwillig? «Dafür muss man ein Enthusiast sein, gell Remo», sagt Mauro Montagner und zwinkert seinem Kollegen Remo Pfändler zu. «Ja, aber es ist auch der Reiz an dieser hochinteressanten Aufgabe, bei der man nie weiss, was einen erwartet. Da ist bei jedem Einsatz ein Adrenalinkick», ergänzt dieser. Ausser der Freude am Helfen und starken Nerven müssen Seeretter das Schwimm- oder Tauchbrevet mitbringen und sich auch bei rauem Wellengang auf dem Boot wohlfühlen. Freud und Leid nah beieinander Die Einsätze der Seeretter reichen von Bagatellfällen, wie beispielsweise der Bergung eines Surfbretts, bis zu dramatischen Unfällen wie Flugzeugabstürzen in den See oder vermissten Personen. «Freud und Leid liegen bei unseren Einsätzen oft nah beieinander», sagt Remo Pfändler. Letztes Jahr war er als einer der ersten Helfer vor Ort, als eine Frau auf einem Motorboot Alarm schlug, weil ihr Partner in der Nacht in den See gefallen war. «Die Frau war einerseits sehr dankbar, dass wir ihr zu Hilfe kamen, aber andererseits war sie verzweifelt», erinnert er sich. Die Leiche des Mannes wurde erst ein paar Tage später geborgen. Die erste Bergung eines Toten sei für jeden Seeretter wohl das einschneidendste Erlebnis, fügt Mauro Montagner an. Zur Verarbeitung von dramatischen Rettungsaktionen erlebt gibt es im Team jeweils ein Debriefing und es besteht die Möglichkeit, psychologische Unterstützung anzufordern. Da wir einen guten Zusammenhalt haben, reicht es in der Regel aus, wenn wir den Einsatz innerhalb der Mannschaft nochmals durchsprechen», sagt Remo Pfändler. «Stimmt», sagt Mauro Montagner. Dann machen sich die beiden gemeinsam daran, Neptun II wieder vorschriftsgemäss und einsatzbereit zu vertäuen. Und das geht ohne Worte. ➥ slrgrorschach.ch apropoS Schweizerische Lebensrettungsgesellschaft SLRg Die SLRG ist als Rettungsorganisation Mitglied beim SRK und landesweit in Sektionen unterteilt. Je nach Sektion ist die SLRG im Auftrag des Kantons für die Seerettung zuständig, wie die Sektion Rorschach im Bericht. Die SLRG setzt sich ein für Schutz und Rettung des menschlichen Lebens im und um das Wasser. Sie leistet Aufklärungsarbeit über mögliche Gefahren und sensibilisiert die Bevölkerung für korrektes Verhalten. Das Ausbildungsangebot beinhaltet Kurse für jeden Wissensstand. Wassersportler, Jugendliche, zukünftige Rettungsschimmerinnen und -schwimmer, Eltern und andere Aufsichtspersonen – alle finden im Angebot der SLRG einen passenden Kurs. ➥ slrg.ch <strong>Humanité</strong> 3/2012 23