Erfolg_Ausgabe Nr. 9/10 - Sep/Okt 2019
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Energiepolitik
Ausgabe 9/10 September / Oktober 2019 / ERFOLG
Stimme aus Bern: Soll die alte
Energiewelt tatsächlich die Zukunft sein?
Die Klimakrise ist auf der Agenda hoch nach
oben gerückt. Die Medien berichten täglich:
Klimastreiks, Klimawahl, Flugticketabgabe,
CO2-Gesetz, Energiewende. Letztere erlebt
derzeit ein regelrechtes «Bashing»: Alles laufe
schief mit der Energiewende. Sie werde
nie funktionieren. 2017 sei ein Fehlentscheid
passiert, den wir teuer zu bezahlen hätten.
Ich frage mich: Woher kommt diese massive und
(man wird den Verdacht nicht los) gut orchestrierte
Kritik an der Energiewende? Und was wäre
eigentlich die Alternative dazu? Die alte Welt?
Fossil und nuklear? Das eine ist der Ursprung
der Klimakrise und das andere schafft gewaltige
Probleme für Zehntausende von Jahren. Ganz
zu schweigen von den Kosten, die gerade bei
Atomkraftwerken kein Investor mehr bereit ist
zu zahlen, ausser der Staat garantiert fixe und
überhöhte Abnahmepreise für den produzierten
Strom (Beispiel England). Wir meinen: keine
echte und vor allem keine nachhaltige Alternative
zum Aufbau eines erneuerbaren Energiesystems.
Trotzdem: eine Berichterstattung dazu
sucht man vergebens.
Dabei ist die Ausgangslage längst geklärt. Es gibt
heute mindestens zwei politische Entscheide,
demokratisch legitimiert, die uns in dieser Frage
leiten müssen. 2017 hat die Schweizer Bevölkerung
mit grosser Mehrheit Ja gesagt zu einem
neuen Energiegesetz und damit zum Ausstieg
aus der alten nuklearen und fossilen Energiewelt.
Und das Parlament hat im gleichen Jahr nachgedoppelt
und das Pariser Klimaabkommen ratifiziert.
Bis dato war es so, dass in der Schweiz,
was demokratisch entschieden wurde, auch umgesetzt
wurde. Was aber passiert, ist das Gegenteil.
Wo immer möglich mobilisieren die Anhänger
der alten Welt gegen diese Entscheide. Sei es
in den Kantonen, wenn sie die Revision kantonaler
Energiegesetze bekämpfen, sei es im Parlament,
wenn sie im ersten Anlauf die Revision des
CO2-Gesetzes versenken, sei es in Kommentaren
und Berichten, in denen sie das Neue schlecht
reden und das Alte in den Himmel loben.
Wir dürfen und müssen kritisieren, was schlecht
läuft an der Umsetzung der Energiewende. Es bedeutet
aber nicht, die Demokratie auf den Kopf
zu stellen und Sturm zu laufen gegen Entscheide,
die von der Bevölkerung getragen werden. Vielmehr
müssen wir uns fragen, wo die Rahmenbedingungen
optimiert und angepasst werden
müssen, damit die Energiewende zügiger und
konsequenter umgesetzt werden kann. Wenn
der Zubau erneuerbarer Energien, die übrigens
Stefan Batzli, Geschäftsführer AEE SUISSE Dachorganisation der Wirtschaft
für erneuerbare Energien und Energieeffizienz, www.aeesuisse.ch
heute die günstigste Form der Energieproduktion
sind, stockt oder zu langsam vorwärtskommt,
müssen die tatsächlichen Ursachen
auf den Tisch. Zum Beispiel: Es braucht mehr
Verlässlichkeit und widerspruchsfreie Signale
der Politik. Es braucht einen verbindlichen Ausbaupfad
für erneuerbare Energien. Es braucht
Investitionsanreize, die der Dimension eines
Generationenprojektes gerecht werden (Man
baut ein neues Energiesystem schliesslich nicht
in 5 oder 10 Jahren.). Es braucht vereinfachte
Bewilligungsverfahren und mehr Zusammenarbeit
zwischen Gemeinden, Kantonen und
dem Bund. Es braucht eine Roadmap zum Ausbau
der Energiespeicher und zur Optimierung
der Netz- und Leitungsinfrastruktur. Es braucht
Spielregeln, die es privaten und institutionellen
Anlegern erlauben, ihr Kapital auch in Schweizer
Energieanlagen zu investieren. Es braucht Forschung
und Entwicklung. Die Schweiz als Innovationsweltmeister
kann das. Und es braucht
schliesslich viel Kommunikation und einen offenen
Dialog mit der Bevölkerung.
Wir brauchen Vieles, aber vor allem den klaren
Willen, dass man die neue Energiewelt stemmen
will. Eine halbe Energiewende, wie sie derzeit
von Teilen der Politik angestrebt wird, wird
zu keinem befriedigenden Resultat führen. Nur
nörgeln und keine echten Lösungen aufzeigen,
ist wenig zielführend. Wir haben zur Energiewende
als zentrale Antwort auf die Klimakrise
keine Alternative. Denken wir daran: Es war die
alte Welt der fossilen Energien und Grosskraftwerke,
die uns in diese Krise geführt hat. Sich
darauf zu verlassen, dass uns ein Zurück in die
Vergangenheit die Zukunft sichern kann, ist fahrlässig
und zeugt von wenig Mut und Weitsicht.
Auch weil wir viele positive Signale haben, dass
der Umbau im Gange ist und immer mehr Fahrt
aufnimmt. Beispiele dafür: Heute produzieren
wir 6 Prozent unserer Energie aus Photovoltaik,
Wind, Kleinwasserkraft und Biomasse – vor zehn
Jahren bewegten wir uns noch im Promillebereich.
Die CO2-Einsparungen im Gebäudepark
lagen 2017 bei 26.4 Prozent gegenüber dem Jahr
1990. Fossile Wärmeerzeugung wird zu Recht zu-