04.08.2021 Aufrufe

gie_08_2021

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.



EDITORIAL

Alles dreht sich ums Metall

FOTO: BDG

Martin Vogt,

Chefredakteur

(E-Mail: martin.vogt@bdguss.de)

Bisweilen ergeben sich die Dinge am

Ende so, dass sie geradezu als Strategie

durchgehen: Wenn Sie diese August-Ausgabe

der GIESSEREI lesen, werden

Ihnen gleich mehrere Beiträge aus den Themenbereichen

„Rohstoffe“ und „Metalle“

auffallen. In Summe haben wir einen diesbezüglichen

Themenschwerpunkt produziert,

der sich über die gesamte Ausgabe

verteilt. Das ist auch deswegen richtig, weil

wir mit der GIESSEREI durchaus den Anspruch

haben, eine Fachzeitschrift mitten

aus dem Leben zu sein. Und das bedeutet

nach unserer Lesart: Aus dem Leben der

Gießerei-Industrie. Neben den Themenbereichen

Forschung und Wissenschaft, die

in Prozess- und Produktverbesserungen einfließen

und damit die Leistungsfähigkeit jedes

Betriebes immer weiter verbessern, sind

dies aktuelle Themen.

Im Vorgriff auf den wichtigen Termin

Ende September geboten ist unser Special

zum „Aluminium Business Summit 2021“,

wie die alternative Veranstaltung zur Messe

„Aluminium“ jetzt heißt. Ab Seite 55 lesen

Sie mehrere Beiträge dazu – und ein einordnendes

Interview mit Marius Baader, Hauptgeschäftsführer

des Branchenverbandes

GDA. Baader betont darin, wie stark das Bedürfnis

der Branche nach persönlicher Begegnung

ausgeprägt ist – nach eineinhalb

Jahren Corona-Pandemie.

Nächstes Thema: Rohstoffe. Gefühlt war

es um die Rohstoffe eine ganze Weile recht

ruhig, aber nun kommt das Thema mit großer

Wucht auf die Agenda deutscher Gießereien.

Und zwar auf verschiedenen Ebenen.

Eisenschrott, jahrelang ein eher unproblematisch

zu beschaffender Rohstoff für die

Eisengießer, könnte knapp und teuer werden.

Ab Seite 70 beleuchten wir vertieft Verfügbarkeit

und Marktsituation rund um dieses

Thema.

Während dieser Beitrag auf die Jetzt-

Situation fokussiert, beschreibt ein anderer

im Längsschnitt die Entwicklung von Rohstoffpreisen:

Wir konnten Prof. Rüdiger Deike,

ausgewiesener Spezialist von der Uni

Duisburg-Essen, zu seinem Fachartikel ab

Seite 36 motivieren. Deike betrachtet jenseits

aktueller Flüchtigkeit und stattdessen

mit wissenschaftlicher Gründlichkeit im Beitrag

„Was auf den Rohstoffmärkten passiert

– und wie die Zukunft aussieht“ die Entwicklung

im Abriss der vergangenen Jahre, untermauert

mit Charts und Tabellen. Und der

Fachmann ordnet, das halte ich für besonders

wertvoll, die gesammelten Fakten auch

noch ein. Wohlwissen und betonend, das

Märkte auch immer etwas mit Psychologie

zu tun haben. Eine wohltuend-souveräne

Helikopterperspektive auf den Sachbereich.

Abschließend sei zur Zukunft und den

Bedingungen unserer Branche noch der Hinweis

auf eine Veranstaltung erlaubt: Ende

September (nähere Infos auf den Seiten 6

bis 8) trifft sich die Branche zur „Iron Melting

Conferenz & Exibition“ in Saarbrücken.

Das ist die Chance insbesondere für Eisengießer,

den eigenen Investitionspfad in die

Zukunft klarer zu bekommen: Wie wird sich

das Thema Prozesswärme entwickeln? Und

welche Aggregate machen in einigen Jahren

Sinn?

Ich wünsche Ihnen inspirierende Einblicke

und spannende Ausblicke mit der Lektüre

der neuen GIESSEREI.

GIESSEREI 108 08/2021 3


INHALT

FOTO: FEINGUSS BLANK

FOTO: MARTIN VOGT/BDG

FOTO: ASK

48

Change-Prozesse

UNTERNEHMEN & MÄRKTE

Die Blank-Gruppe hat die Gussprozesse

umstrukturiert. Vorgestellt werden drei

Ansätze, die zu erheblichen Verbesserungen

führten und dadurch den Prozessablauf

nachhaltig verändert haben.

9

BDG-Zukunftstag

AKTUELLES/TAGUNGEN

Politik und Gießer im Gespräch – das wollte

der BDG erreichen. Auf der Veranstaltung

gab es aber auch noch zwei interessante

Vorträge zur Zukunft der Auto-Mobilität

und zu den Potenzialen des Gießens.

30

Additive

TECHNOLOGIE & TRENDS

ASK Chemicals hat aufgrund der ökologischen

und sozialen Probleme bei Abbau

und Aufbereitung von Lithium lithiumfreie

Sandadditive entwickelt. Dadurch sinkt

dessen Gesamtbedarf um mehr als 60 %.

36

Metallpreise

UNTERNEHMEN & MÄRKTE

Ein aktueller Überblick zur

Marktposition verschiedener

gießereirelevanter Metalle.

FOTO: ANDREAS BEDNARECK

4 GIESSEREI 108 08/2021


AKTUELLES/TAGUNGEN

8 Iron Melting Conference & Exhibition, Martin Vogt

9 Nachklapp Zukunftstag: Einfach miteinander sprechen – Mobilitätsgesellschaft

der Zukunft – Neue Chancen für die deutsche Gießerei-Industrie, Berit Franz,

Martin Vogt, Monika Wirth

AKTUELLES

14 Siempelkamp: Erster voll digitalisierter Schmelzbetrieb

19 Rheinmetall: Wasserstoffentwicklungszentrum in Neuss geplant

23 Schaufler Tooling: Formenbauer feiert 60-jähriges Bestehen

FORSCHUNG & INNOVATION

26 Zellulare Metalle – gießtechnologische Fertigung offenzelliger Metallschäume,

Tobias Schubert, Christian Hannemann, Eric Riedel

SCK

SPEISERSYSTEM

FOSECO. Your partner to build on.

TECHNOLOGIE & TRENDS

30 Lithiumfreie Kernsandadditive, Ismail Yilmaz

UNTERNEHMEN & MÄRKTE

36 Metallpreise: Was auf den Rohstoffmärkten passiert – und wie die Zukunft

aussieht? Rüdiger Deike

48 Gussprozesse: Mehr Effizienz durch Umstrukturierung, Manuela Schmid

STANDPUNKT

52 Dicke Bretter bohren oder Macht.Es.Wie.Die.Wissenschaft! – Update Klimaschutz

im Überblick, Christian Schimansky

70 Droht ein Engpass beim Eisenschrott? Hans-Bernd Pillkahn

SPEKTRUM

74 Roboterbearbeitung – Finish mit automatisierter Oberflächenbearbeitung,

Kathrin Müller

76 Temperatur- und Prozessregler – Alles unter Kontrolle, Johann Lainer

78 Gedruckte Gießform für E-Motorrad-Kühlung, Frederik von Saldern

SPECIAL ALUMINIUM BUSINESS SUMMIT 2021

56 Gemeinsam fit für eine klimaneutrale Zukunft –

Interview mit Marius Baader, GDA

58 Aluminium Business Summit, Konjunkturbericht

Aluminiumindustrie

60 Elektromobilität: Mit Aluminium-Verbundgießen

Gewicht reduzieren, Andreas Kiebel, Andreas

Kleine

64 Hochleistungsfräse für Prototypformen, Klaus

Vollrath

BERUF & KARRIERE

80 Projektplanung – Smart auch ohne PC,

Stefan Bald

RUBRIKEN

3 Editorial

6 Foto des Monats

83 Patente

89 News

100 Medien & Bücher

102 Personalien

103 VDG intern

104 Termine

105 Inserentenverzeichnis/Stellenmarkt

106 Vorschau/Impressum

FOTO: A. BEDNARECK

Special

Das Special zum

Aluminium

Business Summit

2021

GIESSEREI 108 08/2021 55

HAUPT-

Vorteile

+ Modulares

Speisersystem

+ Kleiner Speiserhals

+ Enge Platzierung

möglich

video

https://bcove.video/34e8pZB

Noch kein Abo? Dann wählen Sie die Hotline 06123/9238-242

oder schicken eine E-Mail an: dvsmedia@vuservice.de

GLOBAL LEADER IN MOLTEN

METAL GLOBAL FLOW LEADER ENGINEERING

MOLTEN

METAL FLOW ENGINEERING


AKTUELLES

FOTO: HORST BERNHARD

6 GIESSEREI 108 08/2021


Foto des Monats:

Weltkulturerbe

Völklinger Hütte

Iron Melting Conference & Exhibition mit Abendveranstaltung in historischem

Ambiente: Bereits 1873 hatte ein Hütteningenieur bei Völklingen ein erstes

Walz- und Puddelwerk gegründet. Seit 1994 ist die Roheisenerzeugung der

Völklinger Hütte, in der Dunkelheit wunderbar illuminiert, UNESCO-Weltkulturerbe:

Auf diese Location dürfen sich Teilnehmer der Veranstaltung freuen.

Mehr zur Konferenz lesen Sie auf der nächsten Seite.

Hat auch Ihr Unternehmen interessante Bildmotive? Senden Sie Ihre Bildvorschläge

an: soschinski@bdguss.de oder per Post an die Bildredaktion, Giesserei,

Hansa allee 203, 40549 Düsseldorf.

GIESSEREI 108 08/2021 7


Iron Melting Conference & Exhibition

Ein Branchen-Muss im

Nachhaltigkeits-Trend

Melden Sie sich unter

www.ironmelting.de an.

Die Plätze sind begrenzt!

Woher kommt künftig die Prozesswärme der Gießereien? Und wovon hängt das ab? Die

Konferenz liefert Antworten, schafft Orientierung, bereitet Investitionen vor. Sie ist ein Muss

für Eisengießer. Seien Sie vor Ort und am Abend in der Völklinger Hütte dabei, wenn es in

spannenden Sessions um die Zukunft geht – natürlich mit ausgefeiltem Hygienekonzept.

Nachhaltigkeit und Klimaschutz haben

im Wahljahr 2021 nochmals

deutlich an Brisanz und Relevanz

zugenommen. Konsequent fokussiert die

Iron Melting Conference & Exhibition auf

Status quo und Zukunft der energieintensiven

Prozesse insbesondere in Eisengießereien.

Acht Sessions beleuchten am 28.

und 29. September den Status quo und

die Perspektiven des Schmelzbetriebs

und thematisieren Kupol- wie auch Induktionsöfen

vor dem Hintergrund der Klimaziele

der EU und Deutschlands.

Namhafte Experten auf ihrem Gebiet,

darunter mehrere Fachreferenten des

BDG, tragen ihre Themen in den Sessions

vor. So ist die grundlegende Frage, die

sich durch alle Programmpunkte zieht:

Wie kann die Transformation zur klimaneutralen

Industrie erreicht werden? Die

Konferenz in der CCS Kongresshalle Saarbrücken

(s. Bild) schließt gewissermaßen

an die Kupolofenkonferenz von 2017 an,

steckt aber entsprechend der gerade skizzierten

dramatischen Weiterentwicklung

der Themen den Rahmen anders und

weiter.

Kann Erdgas als Brückentechnologie

helfen? Haben biogene Brennstoffe eine

Chance? Ist grüner Wasserstoff die Zukunft?

Wenn ja, woher kommt er? Über

allem steht die Frage, wie der Schmelzbetrieb

der Eisengießerei von morgen aussehen

wird. Viel diskutiert wird die Umstellung

vom Kupolofen auf den Induktionsofen.

Aktuelle Beispiele lassen

erkennen, mit welchem Aufwand dies

verbunden ist. Die Transformation in die

klimaneutrale Fertigung ist machbar, erfordert

aber verlässliche Rahmenbedingungen

der Politik, ganz besonders im

Hinblick auf erschwingliche Strompreise.

Digitalisierung wird zur Prozesssteuerung

eingesetzt, doch hier können noch weitere

Potenziale gehoben werden. Ein Weg

ist die vorbeugende Instandhaltung.

Wir werfen einen klaren Blick in die

Zukunft und freuen uns, wenn wir Sie auf

diesem spannenden Weg mitnehmen können.

Die Themen erfordern eine intensive

fachliche Diskussion, der wir ausreichend

Zeit einräumen werden. Eine Fachausstellung

mit innovativen Produkten und Lösungen

rundet die Veranstaltung ab.

FOTO: CONGRESS-CENTRUM SAAR GMBH

Inhalte:

> Konjunktur und politische Rahmenbedingungen

(Carbon Leakage, EU, weltweit)

> Session 1: Effizienter Betrieb: Optimierungen,

Abwärmenutzung

> Session 2: Innovation: alternative Konzepte

zum klimaneutralen Schmelzen

> Session 3: Biokoks: Konzepte mit verschiedenen

Reifegraden

> Session 4: Transformation: Umstellung vom

Kupolofen auf den Induktionsofen

> Session 5: Wasserstoff: von der Stahlindustrie

zu potentiellen Gießereianwendungen

> Session 6: Einsatzstoffe: Verknappung von

Stahlschrotten, Alternativen

> Session 7: F&E: Dekarbonisierungsprojekt

> Session 8: Digitalisierung (vorbeugende

Instandhaltung, Automatisierung, Edge C.)

8 GIESSEREI 108 08/2021


AKTUELLES/TAGUNGEN

Nachklapp Zukunftstag

Einfach miteinander sprechen

Wir hatten in der GIESSEREI-Ausgabe 7 über den Zukunftstag des BDG überblicksartig

berichtet. Nachfolgend die Besprechung von zwei Vorträgen auf der Veranstaltung –

Prof. Andreas Knie mit seinen streitbaren Thesen zur Zukunft der Auto-Mobilität sowie

Prof. Wolfram Volk zu den Potenzialen unseres Verfahrens – inklusive durchaus origineller

Ideen.

Vorab noch die Einordnung eines Bildes,

mit dem wir hier auch in unseren Nachklapp

des BDG-Zukunftstages einsteigen:

Sie sehen darauf Dr. Ludger Ohm,

Gießer und Geschäftsführer bei Ohm &

Häner aus Olpe im Sauerland, sowie

Mona Neubaur, NRW-Vorsitzende von

Bündnis 90/Die Grünen. Und sie tun

das, was der Verband unter anderem

mit seinem Zukunftstag erreichen wollte:

Politik und Branche miteinander zu

vernetzen, ins Gespräch zu kommen. In

diesem Sinne ist die Einordnung der

Veranstaltung durch die Politikerin in

einem Posting als Erfolg verbuchen:

„Die Einladung atmet den Geist der Dialogbereitschaft.

Einige Gießereien haben

sich bereits auf den Weg gemacht.

Mein Eindruck: Die Branche wartet auf

klare Rahmenbedingungen, damit ihr

Weg zum Erfolg führt.“ Insbesondere

im Jahr der Bundestagswahl ist dies ein

erfreuliches Feedback.

Und damit zu den beiden Vorträgen, die

im Rahmen der Veranstaltung gehalten

wurden.

FOTOS: MARTIN VOGT/BDG

GIESSEREI 108 08/2021 9


AKTUELLES/TAGUNGEN

Mobilitätsgesellschaft der Zukunft

Die Alternative zum Auto ist das bessere Auto, das sich nicht mehr im Privatbesitz des

Nutzers befindet und mithilfe der Digitalisierung ganz neue Strukturen für den Verkehr

von morgen ermöglicht – das sind die Thesen von Mobilitätsforscher Prof. Dr. Andreas

Knie in seinem Vortrag auf dem Zukunftstag.

FOTOS: ADOBE STOCK

Der Sozialwissenschaftler ist einer

der Leiter der Forschungsgruppe

„Digitale Mobilität und gesellschaftliche

Differenzierung“ am Wissenschaftszentrum

Berlin für Sozialforschung

(WZB). Knie stellte seinen Thesen erst

einmal eine Reihe Zahlen und Fakten zur

Mobilität in Deutschland voran:

> Noch immer ist der gesamte Verkehr

für rund ein Drittel der CO 2 -Emissionen

verantwortlich, eine Reduktion in

den letzten Jahren ist praktisch nicht

gelungen

> Der Autoverkehr verursacht pro Jahr

Kosten von 110 Mrd. Euro (Quelle: EU)

> Es gibt 48 Mio. Verbrenner-Pkw, aber

nur 333 000 BEV und 40 000 Ladepunkte

> Jeden Tag werden rund 22 Hektar für

Verkehrsflächen versiegelt

> Ein Auto steht 94,8 % seiner Zeit, fährt

es, ist es statistisch mit nur einer Person

besetzt.

Weiter führt er an, dass Wirtschaft und

Gesellschaft seit fast 100 Jahren rund um

das Verkehrsmittel Auto konzipiert seien

– angefangen beim priorisierten Verkehrswegebau

und dem Vorrang des Autos in

der Straßenverkehrsordnung über besondere

Förderungen Mitte des letzten Jahr-

10 GIESSEREI 108 08/2021


hunderts bis hin zu dem Privileg, es auf

öffentlichen Straßen überall abstellen zu

dürfen. Es gäbe keine gesetzlichen Regelungen,

welche die Attraktivität des

Autos einschränken würden. Noch immer

ist für die OECD die Zahl der zugelassenen

Pkw ein Wohlstandsindikator. Das

Auto hat es in Deutschland ermöglicht,

mehr Fläche zu erschließen – schließlich

zählen 60 bis 65 % in unserem Land zum

ländlichen Raum – und so Wohnen und

Arbeiten zu trennen. Die Kehrseite ist,

dass nun viele Orte zu reinen Schlafstätten

werden, in denen Läden und Kneipen

„dicht“ machen. Die Pendelgesellschaft

stecke daher, so Knie, in einer durch die

Priorisierung des Autos selbst gestellten

Falle.

Corona hat Umdenken eingeleitet

Die Corona-Pandemie erforderte dann

ein kurzfristiges Umdenken, mit dem Ergebnis,

dass die Verkehrsleistung nur

noch rund 66 % im Vergleich zum Vor-

Corona-Jahr betrug. Für mehr als 40 %

der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze

plus Freiberufler war es aufgrund

der neuen Situation plötzlich möglich,

zeit- und ortsflexibel zu arbeiten,

sodass Knie prognostiziert, dass sich

auch in Zukunft die arbeitsbedingt zurückgelegten

Strecken (Pendeln, Dienstreisen)

verringern werden.

Aber Corona hat auch die Zusammensetzung

der gewählten Verkehrsmittel

verändert: So werden mehr Wege zu Fuß

zurückgelegt (ca. 30 %), auch das Fahrrad

hat gewonnen (12 %), obwohl hier die Verkehrspolitik

mehr symbolisch sei und sich

dessen Nutzung mehr in den Kernstädten

konzentriere. Der ÖPV ist von 16 % auf

8 % gesunken, sodass das Auto seinen

Anteil mit rund 50 % noch einmal erhöhen

konnte, was Knie natürlich bedauerte.

Die Pendelgesellschaft steckt in einer durch

die Priorisierung des Autos selbst gestellten

Falle.

Ein Akteur für die

Umsetzung des vorgeschlagenen

Konzepts

fehlt laut Knie in

Deutschland.

Das „bessere“ Auto

Knie stellte die Forderung, dass in der

Klimakrise im Kampf um bessere Lebensgrundlagen

alles getan werden müsse –

koste es, was es wolle. Er fragte dann,

ob Deutschland die Kraft hat, sich dafür

aus bisherigen Denkmustern und Strukturen

zu lösen. Aber auch dem Berliner

Knie ist klar, dass ein Umstieg auf Bus

und Bahn gerade im ländlichen Raum

nicht von heute auf morgen möglich ist.

Sein Credo: Die einzige Alternative zum

Auto ist das „bessere“ Auto, das die maximale

Flexibilität ohne ein permanentes

Vorhalten eines eigenen Fahrzeugs verspricht.

Er fordert die Gesellschaft auf, zu

überlegen, ob jeder ein eigenes Auto haben

müsse und wie es möglich wäre, die

Belegungsdichte beim Einsatz zu erhöhen.

Die Digitalisierung stellt seiner Ansicht

nach mithilfe des Smartphones jedem

eine Privatsphäre auch im öffentlichen

Raum zur Verfügung, sodass

Privates, aber auch Arbeit unterwegs

möglich sei. Also bräuchte niemand mehr

einen eigenen Raum um sich herum, d. h.

kein eigenes Auto. Um den Privatbesitz

vom Auto zu lösen, aber trotzdem mobil

zu sein, propagiert er On-Demand-Shuttles,

die anfangs bemannt, später autonom

Fahrgäste entweder von Tür zu Tür

oder zu größeren Verkehrsknotenpunkten

befördern sollen. Als Beleg, dass dies

funktioniert, führte er Städte in den USA

und China an und berichtete von einem

Pilotprojekt in Paderborn, das so ein Konzept

umsetzen soll.

Als Problem erkennt Knie, dass ein

Akteur fehlt, der dieses Konzept umsetzen

könne. Den ÖPV sieht er hier nicht, da

dieser nicht unternehmerisch aufgestellt

sei und nur in Fahrplänen denken könne.

Auch die deutsche Auto industrie sieht er

hier nicht, da diese nicht in der Lage sei,

als öffentliches Verkehrsunternehmen

aufzutreten, sondern ganz auf den Verkauf

von Fahrzeugen ausgerichtet sei.

Dabei seien nun auch vom Gesetzgeber

die Grundlagen für die Legalisierung

des autonomen Fahrens geschaffen worden,

sodass mit einer Umsetzung seines

Konzepts ganz neue Industrieformen, Servicekulturen

und Vernetzungsstrukturen

möglich seien. Nach seiner Ansicht gibt

es im Land aber keinen Akteur, der dies

alles umsetzen könne, Deutschland wisse

nicht, wie man mit einer Trial-and-Error-

Kultur umgehen müsse. Sein Fazit: Solange

wir diese Konzepte nicht umsetzen

können, haben wir in der Mobilität keine

Zukunft und werden vom Ausland abgehängt.

Wir sollten und wir können uns

aber verändern. Wir werden uns weiterhin

bewegen, aber weniger und anders.

Feedbackfunktion ausgiebig genutzt

Die Teilnehmer des Zukunftstages konnten

im Chat Fragen und Kommentare zur

Veranstaltung posten. Beim Vortrag von

Prof. Knie gab es hier auch einen ersten

Aktivitätshöhepunkt. Viele seiner Thesen

stießen auf Widerspruch, beispielsweise

bezüglich der Verfügbarkeit von Robo-

Taxis im ländlichen Raum, um den Umgang

mit Gemeineigentum (Beispiel E-

Roller im Rhein) und zur Sicherheit für

Fahrgäste in autonomen Fahrzeugen. Ein

Teilnehmer fürchtete auch, dass autokratische

Strukturen erforderlich seien, um

solche Konzepte durchzusetzen. Resümee

des Vortrags: Wie erwartet polarisierte

Knie mit seinen Thesen, stellt er die bisherige

Form der Auto-Individualmobilität

doch grundsätzlich infrage. Zu sehen war

dies an vielen gesenkten digitalen Daumen,

die der Dienstleister FeedBeat als

Feedback möglich gemacht hatte.

GIESSEREI 108 08/2021 11


AKTUELLES/TAGUNGEN

Neue Chancen für die deutsche

Gießerei-Industrie

Auf dem Zukunftstag kam auch die wissenschaftlich-technische Seite der Umorientierung

der Gießerei-Industrie zur Sprache. Dies übernahm Prof. Dr.-Ing. Wolfram Volk,

Lehrstuhl für Umformtechnik und Gießereiwesen utg, TU München. Sein Tenor: Die

Branche hat noch viel positives Potenzial.

FOTOS: MARTINVOGT, TU MÜNSCHEN

Volk mahnte in seinem Vortrag an,

dass die Wissenschaft einen Blick

„von außen“ auf das Thema Nachhaltigkeit

behalten muss, sich nicht in

der gesellschaftlichen Diskussion verlieren

darf. Es sei Aufgabe von Wissenschaft

und Forschung, sich dem Thema

offen zu stellen, um Lösungen zu entwickeln

und gemeinsam mit der Gießerei-

Industrie den Markt mit zukunftsfähigen

Innovationen zu überzeugen.

Doch wo stehen wir aktuell bei den

Megatrends der Wirtschaft? Volk sieht

die Gießer in puncto Digitalisierung, Prozessregelung,

intelligente Produkte und

Energiewende auf dem richtigen Weg,

wenn auch noch einiges zu tun sei und

bediente sich dabei des Vergleichs mit

einem Weizenbierglas, das es zu füllen

gelte.

12 GIESSEREI 108 08/2021


Megatrends der Produktionstechnik –

Realisierungsgrad in der Gießerei

Regelung

Individualisierung

Digitalisierung

Intelligente Produkte

Energiewende

Das Glas ist halb voll?

Viel Luft nach oben sei allerdings beim

Image, da die Gießerei-Industrie nach wie

vor als veraltet, alchemistisch, schmutzig,

energieintensiv und qualitativ minderwertig

gilt. Hieraus ergeben sich insbesondere

die Handlungssäulen Vernetzung,

Innovation, Funktionsintegration

und Marketing. Die Gießer müssen den

Weg zu den Entscheidern fi nden und Ansprechpartner

vor Ort werden. So können

ganze Produktionsprozesse im Vorhinein

optimal den örtlichen Gegebenheiten angepasst

und Innovationen eingeführt werden.

Beispiele: Durch Funktionsintegration

etwa lassen sich beispielsweise

großfl ächige Druckgussteile fertigen, die

vorher gefügt werden mussten, im Verbundguss

können lokale Materialeigenschaften

optimiert werden. Wichtiger

Bestandteil künftiger Entwicklungsarbeit

wird der Digitale Zwilling sein.

Mit Wind schmelzen

Als einen interessanten Schritt zu mehr

Nachhaltigkeit stellte Volk das interdisziplinäre

Projekt „Windmelt“ vor. Die Idee

dahinter ist, dass bei Windspitzen Windkraftanlagen

oft stillstehen, weil die

Netzkapazität nicht ausreicht, den dann

erzeugten Strom aufzunehmen. Dadurch

bleiben jährlich 4 Billionen kWh Strom

ungenutzt. Gäbe es Schmelzwerke direkt

an den Windkraftanlagen, könnten sie

mit den Energieüberschüssen Metall

schmelzen und so den CO 2 -Footprint der

Gießerei-Industrie um mehr als 85 % senken.

Der Schmelzetransport per Lkw zu

den Gießereien würde sich bis zu einem

Umkreis von 200 km rentieren.

Umbruch als Chance

Abschließend mahnte Volk an, Umwälzungen

zu nutzen, um Innovationskraft zu

entwickeln und damit die Wertigkeit des

Gießens als Produktionsverfahren herauszustellen.

Er würde gerne ein Gütesiegel

etablieren, das für Qualität und Nachhaltigkeit

steht, um den Kunden bei seiner

Entscheidung positiv zu unterstützen und

der deutschen Gießerei-Industrie den

guten Ruf zu verleihen, den sie verdient.

Berit Franz, Martin Vogt, Dr. Monika Wirth

Nachhaltigkeit

Windmelt

Motivation

• Energiekosten als massiver Kostenblock

• CO 2 -neutrale Windenergie

• Windenergie zeitweise im Überschuss

Zielsetzung

• Potenzial dezentraler Schmelzebereitstellung

• Gießerei am Windpark

Windparkbetreiber

Dezentraler

Schmelzer

• Argumentation für die Politik Überschüssige Windenergie

soll beim Projekt

Gießerei

Windmelt zum Schmelzen

von Metall genutzt werden.

GIESSEREI 108 08/2021 13


AKTUELLES

Die Installation

des vollständig

digitalisierten

Schmelzbetriebs

bei Siempelkamp

soll Anfang 2022

abgeschlossen

sein.

FOTO: SIEMPELKAMP

SIEMPELKAMP

Erster voll digitalisierter

Schmelzbetrieb

Der Handformgießer Siempelkamp digitalisiert

seinen gesamten Ofenbetrieb.

Eine solche als Komplettkonzept geplante

Digitalisierung von Induktionstiegelöfen

dieser Größenordnung hat es bis

dato in Deutschland nicht gegeben.

Partner sind der Ofenbauer ABP Induction

Systems und das Start-up Zorc

Technology.

Anfang Juni haben die drei Partner die

Neukonzeption des Schmelzofens als State-of-the-Art-Projekt

der Schwerindustrie

vertraglich vereinbart. Die Krefelder Siempelkamp

Giesserei fungiert in der Partnerschaft

als Auftraggeber und Betreiber der

zu digitalisierenden Ofenanlagen. Darüber

hinaus bringt das Traditionsunternehmen

seine umfassende Betriebserfahrung aus

der Produktion von bis zu 320 Tonnen

schweren Eisenbauteilen ein.

Von ABP aus Dortmund stammen neben

der installierten Steuerungshardware

auch die notwendigen Schnittstellen zum

Betriebssystem der Gießerei. Die neue

Steuerungstechnik sorgt für eine klar

messbare Steigerung der Produktivität,

der Zuverlässigkeit und der Effizienz im

komplexen Gießprozess. Herzstück ist das

myABP-Portal, das Überblick über alle relevanten

unternehmenseigenen Anlagen

und Prozesse gibt – alle Elemente von

Öfen über Waagen bis zu Lanzen sind herstellerübergreifend

eingebunden. Das Portal

liefert dank seiner Datenqualität und

Transparenz die Basis für einen kontinuierlichen

Verbesserungsprozess. Zudem

stellt es mit Digital Expert on Demand einen

direkten Kontakt zu ABP-Experten zur

virtuellen Problembehebung her, ermöglicht

direkte Ersatzteilbestellung und sogar

die Planung der nötigen Mitarbeitertrainings.

ABP liefert für das Potsdamer Start-up

Zorc Technology die komplette Infrastruktur

der Zorc Foundry Cloud. Diese neue

Software zur Überwachung der metallurgischen

Steuerung und Dokumentation

speichert die Betriebsparameter der Gießerei

und sendet erfahrungs- und KI-basierte

Vorschläge zur Optimierung der

Produktion direkt an die Mitarbeiter. Indem

die Betriebsparameter fortlaufend

dokumentiert werden, baut sich dank der

Software mit jedem Abguss ein stetig

wachsender Datensatz auf, von dem folgende

Gießvorgänge in dem metallurgisch

hochkomplexen Prozess qualitativ profitieren.

War in der Vergangenheit jeder Abguss

vor allem abhängig vom Erfahrungshintergrund

des Schmelzers, wird dieser nun in

der Überwachung und Dokumentation der

Parameter unterstützt und kann sich voll

auf ihre Interpretation für die richtigen

Handlungsweisen konzentrieren. Die zu

überwachenden Betriebsparameter sind

komplex und vielfältig: Beladung, Startund

Zieltemperatur, Prozesszeiten und

nicht zuletzt die optimale Energienutzung

spielen jeweils eine große Rolle.

„Die Sammlung und Abbildung von Daten

allein ergibt aber noch keine qualitative

Steigerung“, weiß SGK-Geschäftsführer

Dr. Georg Geier. „Erst im Zusammenspiel

von Mensch und Algorithmik ergibt

sich der Sprung in der Prozessqualität,

daher werden wir unsere Mitarbeiter im

Gebrauch der neuen digitalen Möglichkeiten

auch intensiv schulen.“

Wenngleich das Vorhaben nur ein Teil

einer großen Digitalisierungsoffensive der

SGK ist, die eine vollumfänglichere Umrüstung

der Betriebssysteme und Fertigungs-Maschinerie

beinhaltet, sorgt die

digitale Aufrüstung für erheblich mehr

energetische Nachhaltigkeit und damit

CO 2 -Einsparungen bei einem seiner Zentralaggregate,

das für Zweidrittel des Energieverbrauchs

des Unternehmens verantwortlich

ist.

SGK freut sich zudem, stetig anspruchsvollere

Kundenbedürfnisse hinsichtlich

Materialsicherheit und Bauteilqualität

künftig schneller, effizienter und

nachhaltiger umsetzen zu können – und

seinen Mitarbeitern einen sowohl anspruchsvolleren

wie sichereren Arbeitsplatz

zu bieten.

Nach nun erfolgtem Vertragsschluss

werden über den Sommer hinweg verschiedene

Installations- und Testphasen

durchlaufen. Mit der regelmäßigen Abschaltung

der Öfen zum Jahresende erfolgt

die finale Installation für eine voll

digitalisierte Wiederaufnahme des Betriebs

ab Januar 2022. Im digitalisiertem

Regelbetrieb werden in der Folge regelmäßige

Optimierungsschleifen eingeplant.

www.siempelkamp.com

14 GIESSEREI 108 08/2021


ERFAHREN SIE MEHR AUF

UNSERER NEUEN WEBSITE:

www.lungmuss.de

Unseren Unternehmensfilm

finden Sie online unter

www.lungmuss.de/#film

Tradition trifft

Innovation

Feuerfeste Erzeugnisse für

• Stahlgießereien

• Eisengießereien

• Aluminiumindustrie

• Nichteisenindustrie

• Stahlwerke

• Hochofenwerke

• Ofenanlagen

Über 60-jährige Erfahrung und ständige

Weiter entwicklung unserer Produkte

garantieren unseren Partnern

optimale und maßge schnei derte

System lösungen bei größtmöglicher

Flexibilität durch kurze Reaktionswege.

Chemikalien-Gesellschaft Hans Lungmuß mbH & Co. KG · Franziusstraße 84 · 44147 Dortmund (Germany)

Telefon +49 (0)231 – 982 333-0 · Fax +49 (0)231 – 982 333-82 · info@lungmuss.de · www.lungmuss.de


AKTUELLES

BUDERUS GUSS

Bosch will Bremsengeschäft

abspalten

Robert Bosch will sich offenbar von seinem

Produktbereich Brake Components

trennen, zu dem die Gießereien von Buderus

Guss in Breidenbach und Ludwigshütte

sowie die Robert Bosch Lollar

Guss gehören. An den Standorten arbeiten

mehr als 930 Beschäftigte.

Die Gießereien von Brake Components

produzieren hauptsächlich Bremsscheiben

für Pkw. Die Gussprodukte weisen

kaum Synergien mit den bestehenden Geschäftsfeldern

der Bosch-Gruppe auf,

heißt es in einer Pressemitteilung von Buderus

Guss. Deshalb gebe es nur sehr eingeschränkte

unternehmerische Spielräume,

um den Produktbereich langfristig

innerhalb des Konzerns weiterzuentwickeln.

Nun soll ein Verkaufsprozess starten.

Die Zusammenarbeit wird derweil wie

gewohnt weitergeführt.

www.buderus-guss.de

Arbeiter bei Buderus Guss in Breidenbach.

Hier werden bis zu 20 Mio. Guss-

Bremsscheiben im Jahr gefertigt.

FOTO: BUDERUS GUSS

SUPERLATIV DRUCKGIESSANLAGE

Groß, größer, am

größten

Der chinesische Druckgießanlagenbauer

LK hat mit der Dreampress 9000T

einen weiteren Superlativ der Druckgießtechnik

auf der China Diecasting-

Messe in Shanghai vorgestellt. Ziel ist

es, immer größere, funktionsintegrierte

Automobilteile zu produzieren. Mit 9000

Tonnen Schließkraft ist es die aktuell

größte Druckgießmaschine weltweit.

FOTO: LK

Schon die von LK bereits im Dezember

2019 vorgestellte Anlage vom Typ 6000T

ist zu beachtlicher Funktionsintegration

in der Lage. Mit einem Schuss sollen 70

Teile zu einem werden. Zudem soll die

Anlage „intelligent“ produzieren. Die neue

Dreampress 9000T wurde nun auch auf

der China Diecasting in Shanghai Anfang

Juli vorgestellt. Wenn man einem Zitat des

LK-Gründers Liu Siong Song glauben

schenken möchte, ist sie Teil einer ambitionierten

Vision: „Zu Beginn meiner Karriere

habe ich Maschinen an Kunden geliefert,

die Spielzeugautos im Druckgießverfahren

herstellten. Damals haben wir

davon geträumt, ein Auto in voller Größe

auf die gleiche Weise zu gießen. Ich glaube,

dass dieser Traum in naher Zukunft

wahr werden wird.“

Die Maschinenhersteller für Druckgießer

überbieten einander beim Thema Größe,

seit Elon Musk in einem Podcast im

April 2020 von einem einteiligen Gussheck

für das Tesla Modell Y sprach, das

ebenfalls 70 Teile ersetzen und von einer

IDRA-Giga-Presse gefertigt werden soll.

Druckgießer für die Autobranche brauchen

künftig viel Platz in ihren Werkshallen.

Eine XXL-Anlage wie die 9000T ist im

wahrsten Sinne des Wortes raumfüllend.

Auch der deutsche Maschinenbauer Oskar

Frech richtet seine Anlagenpalette

zunehmend auf die Fertigung großer

Strukturgussteilen aus.

www.lk.world

16 GIESSEREI 108 08/2021



UNTERNEHMEN & MÄRKTE

Gussprozesse

Mehr Effizienz durch

Umstrukturierung

„Ein Change-Prozess kann nur dann funktionieren, wenn man die Mitarbeiterinnen und

Mitarbeiter abholt und aktiv einbindet“, sagt Peter Schäfer, Leitung des Fertigungsabschnittes

Guss 2 bei der Blank-Gruppe. Dies zeigte er anhand der Umstrukturierung der

Gussprozesse im Unternehmen – und der Erfolg gibt ihm recht. Dieser Beitrag stellt drei

Ansätze vor, die zu erheblichen Verbesserungen geführt und dadurch den Prozessablauf

nachhaltig verändert haben.

FOTOS: FEINGUSS BLANK

VON MANUELA SCHMID, RIEDLINGEN

Ansatz I: Transparenz und Kommunikation

Veränderungen und Prozessanpassungen

müssen nicht immer Rocket Science sein.

Oftmals hilft es, sich auf den Kernprozess

zu besinnen sowie auf die goldene Regel:

Kommunikation und Offenheit im Umgang

mit der Belegschaft. Was zunächst

einfach klingt, wird besonders in vielen

mittelständischen Unternehmen, die

schnell gewachsen sind, zu einer echten

Herausforderung. So auch bei der Blank-

Gruppe in Riedlingen. „Was früher auf

dem „kleinen Dienstweg“ funktionierte,

ist inzwischen komplexer geworden und

hat einen Wirkungskreis auf angrenzende

Arbeitsabläufe“, so Schäfer. Hinzu

kommt, dass sich die Anlagen und Brennöfen

auf verschiedene Gebäudeteile erstrecken,

was eine durchgängige Kommunikation

und Abstimmung schwieriger

gestaltet als in einer Gebäudestruktur,

die ursprünglich speziell für eine Tätigkeit

ausgerichtet wurde. Die Folge: Es wird

schnell unübersichtlich – ein No-Go für

eine sichere Produktionsplanung.

Diesem Zustand hat Peter Schäfer den

Kampf angesagt und innerhalb von kurzer

Zeit viel erreicht. Unter dem Lean-Management-Ansatz

wurden bestehende

48 GIESSEREI 108 08/2021


Bild 1: Die Planungsecke in der Gießerei und Aufsteller an den Anlagen (Bild rechts) verschaffen allen Mitarbeitenden einen übersichtlichen

Einblick in die Schichtplanung und die aktuelle Auslastung.

Düsseldorf

Riedlingen

Kiel

Prozesse durchleuchtet und unter der

Prämisse „Was kann schnell verbessert

werden?“ kritisch hinterfragt. Das Ergebnis:

Ein vielfältiges Maßnahmenpaket, das

durch viele kleine Verbesserungen einen

hohen Mehrwert liefert und die Mitarbeitermotivation

steigert.

1. Transparenz schaffen

Um die Transparenz innerhalb der einzelnen

Schichten zu erhöhen, wurde der

Arbeitsablauf durch eine strukturelle Änderung

grundlegend umgestellt. „Über

die gesamte Unternehmensgruppe hinweg

wurden pro Schicht sogenannte

Gruppensprecher eingeführt. Diese planen

die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

an einem Einsatz-Board ein“, erklärt

Peter Schäfer. Im Falle der Gießerei gibt

es beispielsweise die Einsatzfelder

„Offener Guss“, „Roll-Over-Verfahren“

oder „Multi-Move-Roboter“.

2. Informationen leicht zugänglich machen

Peter Schäfer etablierte im Bereich Guss

zusätzlich Informationsaufsteller, die Auskunft

über den Status der einzelnen Anlagen

geben (Bild 1). „Gerade durch die

über Jahre gewachsenen Strukturen ist

nicht auf den ersten Blick ersichtlich, wie

die Gesamtleistung einer Anlage tagesoder

schichtaktuell ist. Hier helfen Informationstafeln

mit einem integrierten

Abakus, um die Anzahl der erfolgten Abgüsse

darzustellen“, so Schäfer. „Auch

ein Ausblick ist auf diese Weise möglich.

Die Tafeln zeigen nicht nur den aktuellen

Status, sondern auch was im Laufe der

Woche noch abgearbeitet werden muss.“

Die grafische Darstellung ermöglicht den

Gruppensprechern außerdem einen

schnellen Überblick und ggf. eine schnelle

Reaktion bei Abweichungen (Bild 2).

3. Kommunikation verbessern

Eine offene Kommunikation ist die Basis

für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. In

der Gießerei ergeben sich aber allein

schon durch die Arbeitsabläufe Einschränkungen:

Das gesamte Team einer

Schicht kann sich nicht zum Team-Meeting

treffen, da die Öfen immer besetzt

Bild 2: Visuelle Darstellung des IST-Zustandes

über Tafeln und einen Abakus.

GIESSEREI 108 08/2021 49


UNTERNEHMEN & MÄRKTE

Bild 3: Schulungsnachweis als Pilotprojekt in der Trennerei der Blank-Gruppe.

Peter Schäfer

sein müssen. Wie aber wird gewährleistet,

dass die Informationen trotzdem bei

allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern

ankommen? Durch kurze Informationswege,

regelmäßige Gespräche und die

Einbindung der neuen Informationstafeln

konnte dieses Defizit schnell und unkompliziert

beseitigt werden. Als Pilotprojekt

testet die Abteilung zusätzlich den Nachweis

von Schulungen über ein Ticket-System

(Bild 3). „Die Mitarbeiter lesen sich

die nummerierten Schulungsblätter

durch und „stempeln“ anschließend auf

ihrer Schulungskarte die erhaltenen Informationen

ab“, erklärt Schäfer. „Wir

haben über die Karten einen schnellen

Einblick, falls es noch Nachholbedarf geben

sollte. Zudem wird auch hier wieder

das Thema Eigenverantwortung gefördert,

denn wir verlassen uns auf die gewissenhafte

Schulungsangabe der Mitarbeiterinnen

und Mitarbeiter.“

dann zunächst ausgeschmolzen, bevor

diese dem Gussprozess zugeführt werden

können. Die Herausforderung hierbei:

Die Schalen gleichen sich oftmals,

was eine Sichtprüfung erschwert. Ein Bezug

zum Fertigungsauftrag ist nur über

die beiliegenden Produktionspapiere

möglich. In diesem Fall konnte die Übersichtlichkeit

durch ein Farbsystem erhöht

werden. Jedes Schmelzaggregat, wie z.B.

„Roll-Over-Verfahren“ oder „Multi-Move-

Roboter“, erhält eine Farbe zugewiesen,

die sich an den zugehörigen Wägen wiederfindet,

die die Schalen transportieren

(Bild 4).

5. Bezug zum Endprodukt erhöhen

Ein weiteres Thema, das Peter Schäfer

am Herzen liegt, ist der Bezug zum Endprodukt.

„Bei Blank werden jährlich ca.

1500 verschiedene Modelle für ca. 400

Kunden gefertigt. Die meisten Mitarbeiterinnen

und Mitarbeiter wissen dadurch

nicht, woran sie gerade arbeiten oder in

welchem Gerät ein Gussteil später seinen

Einsatz findet. Ich bin aber davon überzeugt,

dass die Motivation im Team steigt,

wenn man weiß, woran man arbeitet. Außerdem

muss man sich auch immer wieder

vor Augen führen, dass hinter jedem

Gussteil ein Wert, ein Einsatz, eine Aufgabe

steht – dieser Respekt, auch gegenüber

dem aufwendigen Fertigungsprozess,

ist meiner Meinung nach eine

Grundvoraussetzung.“ Daher wurde eine

Vitrine in der Gussabteilung installiert,

die Feingussteile mit Informationen zur

Endanwendung zeigt. Zusätzlich wird im

Ansatz II: Übersichtlichkeit und

Eigenverantwortung

Für den allgemeinen Prozessablauf ist

neben einer offenen Kommunikation

auch ein übersichtlicher Prozess und das

Enabling und Empowering der Mitarbeiter

entscheidend für ein erfolgreiches Miteinander.

4. Übersichtlichkeit

Während des Feingussprozesses werden

Wachsteile mithilfe eines Aluminiumwerkzeuges

hergestellt, diese zu sogenannten

Bäumen zusammengesetzt und

anschließend mit Keramikmasse überzogen

und besandet. Die dadurch entstandenen

Schalen werden in der Gießerei

Bild 4: Übersichtlichkeit durch Farbsystem für verschiedene Anlagen steigern.

50 GIESSEREI 108 08/2021


gesamten Unternehmen monatlich ein

Neuteil und dessen Einsatzzweck vorgestellt.

Es steckt aber auch noch eine weitere

Intention hinter der Einbeziehung der

Gießer. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

im Gussbereich sehen nur die

Schale und die heiße Schmelze. Kommt

es beim Gießprozess zu Auslauffehlern,

sind diese in vielen Fällen nicht immer

gleich erklärbar“, so Schäfer. „Hier können

uns die Gießer weiterhelfen, denn

sie stecken mitten im Prozess und erkennen

oftmals besser ein Muster hinsichtlich

Schmelze, Geometrie und Auslauffehlern.“

6. Eigenverantwortung fördern

Diese Überzeugung spielte auch bei einem

weiteren Anliegen von Peter Schäfer

eine entscheidende Rolle. Bei allen Tätigkeiten,

die im Bereich Guss anfallen,

gilt für ihn eine Prämisse: die Mitarbeiter

mehr in die Verantwortung zu nehmen.

„Wir sind nicht alle Automechaniker.

Trotzdem kann jeder den Ölstand prüfen

und die Räder wechseln. Diesen Zustand

möchte ich auch in der Gießerei erreichen.“

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

sollen proaktiv reagieren können

und sich mit ihrem Handwerkszeug, den

Gussöfen, gut auskennen. Instandhaltungseinsätze

können so vorgebeugt

oder bei Auftreten rechtzeitig erkannt

und mit wenig Aufwand abgearbeitet

werden.

„Als Vorgesetzter ist es wichtig loszulassen

und dem Werker Selbstbestimmung

und Verantwortung zurückzugeben.

Nur dann können sich Potenziale entfalten

und es tritt ein Lerneffekt ein. Es ist tödlich,

wenn sich Vorgesetzte im Mikromanagement

verrennen.

Ansatz III: Zusammenarbeit

Der dritte Ansatz beleuchtet den wichtigen

Aspekt der Zusammenarbeit. Neben

vieler Hard Facts sind es besonders die

Soft Facts, die zur Mitarbeitermotivation

und zu einem produktiven Miteinander

beitragen. Daher wurde auch im Rahmen

der Verbesserungsprozesse im Gießereibereich

dieser Gesichtspunkt kritisch

hinterfragt.

7. Zusammenarbeiten

Der Zusammenhalt einer Abteilung spielt

eine entscheidende Rolle für einen reibungslosen

Arbeitsablauf. Innerhalb der

Schichten entsteht durch die tägliche Zusammenarbeit

schnell ein Wir-Gefühl.

Man hilft sich gegenseitig weiter und ggf.

auch mal aus. Schwieriger wird es bei

schichtübergreifenden Tätigkeiten. „In

Bild 5: Auf Wägen werden die Abgüsse der kommenden Schicht vorbereitet.

der Gießerei müssen beispielsweise Materialien

für die Folgeschicht bereitgestellt

oder die Öfen entsprechend vorbereitet

werden. Hier gab es in der Vergangenheit

immer wieder Reibungspunkte.

Jede Schicht arbeitete für sich, was oftmals

die Tätigkeiten in der Folgeschicht

verzögerte“, erklärt Peter Schäfer. „An

dieser Stelle konnten wir durch gezielte

Gespräche und neue Arbeitsabläufe viel

erreichen. Die Vorbereitung für die nächste

Schicht gehört nun regulär zum Arbeitsablauf

dazu (Bild 5).“

Doch nicht nur innerhalb der Abteilungen

ist der Zusammenhalt wichtig. Auch

vorgelagerte und nachgelagerte Prozesse

müssen eingebunden werden. „Es wurde

oftmals zu isoliert gedacht. Heute hilft

man sich gegenseitig aus, wechselt zwischen

Abteilungen und wächst dadurch

weiter zusammen.“

Dies ist richtig und wichtig, um auf

lange Sicht im Mittelstand bestehen zu

können. Die Märkte sind volatil und um

auf diese reagieren zu können, müssen

Unternehmen flexibel sein. Viele der vorgestellten

Ansätze zielen darauf ab, einen

Gemeinschaftssinn unter den Mitarbeiterinnen

und Mitarbeitern zu schaffen.

„Wenn man sich gegenseitig hilft, profitieren

am Ende alle von einfacheren und

schnelleren Abläufen. Dies musste in der

Abteilung erst wieder gelernt werden.“

Die Umstellungen führten zu einer

nachhaltigen Verbesserung des Arbeitsklimas.

„Die bisherigen Rückmeldungen

sind durchweg positiv. Die Leute haben

mehr Spaß an der Arbeit“, freut sich Peter

Schäfer. Das zeigt sich auch an einer Verbesserung

der Kennzahlen: Die Maßnahmen

haben zu einer stabileren und planbareren

Ausbringung geführt. „Mein Fazit

der vergangenen Monate ist, dass Automatisierung,

Industrie 4.0 und Optimierungen

in der Produktion nicht mehr wegzudenken

sind, um am Puls der Zeit zu

bleiben. Genauso wichtig ist es allerdings,

die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abzuholen

und mitzunehmen – und sie nicht

einfach vor vollendete Tatsachen zu stellen.

Strukturierung vor Automatisierung

ist hier der richtige Ansatz.“

www.feinguss-blank.de

Manuela Schmid, Marketing & Unternehmenskommunikation,

Feinguss Blank

GmbH

Mit unseren

interface-Lösungen

Werden MessWerte

zu ergebnissen.

die bobe-box:

Für alle gängigen Messmittel, für

nahezu jede PC-Software und mit

USB, RS232 oder Funk.

Ihre schnittsteLLe zu uns:

www.bobe-i-e.de

GIESSEREI 108 08/2021 51


SPEKTRUM

Printed Casting

Gedruckte Gießform für

E-Motorrad-Kühlung

Von Studierenden der ETH Zürich entwickelt,

ist das E-Motorrad ethec city nicht nur in

technischer, sondern auch in optischer Hinsicht

eine gelungene Konstruktion.

Ein neuartiges Kühlsystem sorgt im Elektromotorrad ethec city für eine längere Lebensdauer

der Batteriezellen. Um den Studenten der ETH Zürich Fertigungsverfahren näher

zu bringen, die abseits des Prototypenbaus für die Serienproduktion eingesetzt werden

können, fertigte voxeljet aus Friedberg die Gießform für das innovative Batteriegehäuse

des Prototypen im Binder Jetting-Verfahren.

FOTOS: VOXELJET

VON FREDERIK VON SALDERN, FRIED-

BERG

Mit dem E-Motorrad rasend

schnell und nahezu lautlos die

Weite der Landschaft durchqueren:

Was in Science-Fiction-Filmen

selbstverständlich ist, wird in der Gegenwart

durch die Tücken der Batterietechnologie

kräftig ausgebremst. Hohe Geschwindigkeit

und große Reichweite sind

in der E-Mobilität anno 2021 praktisch

immer mit extrem schweren und voluminösen

Energiespeichern verbunden. Pkw

und Lkw mögen den dafür nötigen Platz

bereits bieten; auf dem Weg zum klimafreundlich

angetriebenen Feuerstuhl

muss die Ingenieurskunst aber erst noch

einige Hürden überwinden. Was es an

vergleichsweise leistungsstarken E-Motorrädern

am Markt bereits gibt, eignet

sich mangels Akkukapazität bislang eher

für den Stadtverkehr als für ausgedehnte

Überlandfahrten.

Prototyp aus dem 3-D-Drucker

Der technologische Ansatz des ethec

könnte das ändern. ETHEC steht für „ETH

Electric Cruiser“, das Konzept eines Elektromotorrades

von Studenten der Eidgenössischen

Technischen Hochschule Zürich.

Im Rahmen von „Fokusprojekten“

bekommen Studierende der ETH die Möglichkeit,

ihre theoretisch erworbenen

Kenntnisse in reale Technologien umzusetzen.

Als Projektträger fungiert die in-

78 GIESSEREI 108 08/2021


spire AG, die als strategischer Partner der

Hochschule den Technologietransfer von

Forschungsergebnissen in praktische Anwendungen

begleitet. Im 2017 gestarteten

Projekt ethec sollte es darum gehen,

die Effizienz von E-Motorrädern über die

Rückgewinnung von Bremsenergie und

eine veränderte Konstruktion der Batterie

deutlich zu steigern. Zugleich musste das

Team aus Maschinenbau-Studierenden,

angehenden Elektroingenieuren und künftigen

Industriedesignern von der ETH Zürich,

der Fachhochschule Nordwestschweiz

und der Züricher Hochschule der

Künste entscheiden, welche Verfahren zur

Herstellung der benötigten Bauteile jeweils

am besten geeignet wären. Da es

zunächst um einen Prototyp ging, galt die

Aufmerksamkeit vor allem dem 3-D-

Druck.

Begrenzter Raum erschwert Batteriekühlung

Die Rekuperation, also die Rückgewinnung

von Bremsenergie, realisierten die

Schweizer Tüftler über den Einbau eines

Radnabenmotors ins Vorderrad der Maschine.

Deutlich schwieriger gestaltete

sich die Frage, wie der zusätzlich verfügbare

Strom am besten zur Steigerung der

Reichweite gespeichert werden könne.

Auf geringstem Raum eine hohe Energiedichte

zu schaffen, ist eine Sache. Die im

Batteriebetrieb entstehende Wärme auf

einem konstanten Niveau zu halten, gestaltet

sich am Motorrad hingegen

schwieriger als in einem größeren Fahrzeug.

Für die Lebensdauer des Akkus ist

optimales Temperaturmanagement jedoch

von entscheidender Bedeutung.

„Die Batteriekühlung von E-Fahrzeugen

erfolgt normalerweise mit einem

Kühlmittel, das durch einen Schlauch oder

ein Rohr an den Zellen vorbeifließt“, erklärt

Dr. Josef Mayr, Gruppenleiter Thermische

Simulation bei der inspire AG aus

Zürich und Koordinator des ETHEC-Projektes.

„Der Nachteil dieser Methode liegt

darin, dass lediglich Punkt- oder Linienberührungen

stattfinden und ein direkter

Kontakt mit den Zellen eigentlich gar nicht

erreicht wird.“ Mit Blick auf den knapp

bemessenen Raum in der Mitte des Motorradrahmens

kam damit letztlich nur ein

Konzept infrage: die komplette Einbettung

aller Batteriezellen in ein Bad aus Öl.

Als Vorbild diente dem ethec-Team das

Kühlsystem von Transformatoren in den

Umspannwerken der großen Stromnetze.

Das Silikonöl hat eine ähnlich gute dielektrische

Eigenschaft wie Luft, wodurch ein

Kurzschluss in der Batterie verhindert

wird, gleichzeitig ist die Wärmekapazität

aber um ein Vielfaches höher.

Sandform im 3-D-Druck als Einstieg

in die Serienfertigung

Lackiert und einsatzbereit: Die neuartige Konstruktion

zur Kühlung der Batteriezellen in Silikonöl

verlängert die Lebensdauer des Energiespeichers

und erhöht zugleich die Reichweite

des E-Motorrads ethec city.

Verteilt auf zwei Module, montierten die

ETH-Studierenden insgesamt 1260 Lithium-Ionen-Rundzellen

mit einer Gesamtleistung

von etwa 15 kWh. Auf Basis computergestützter

Strömungssimulationen

entstand dann die optimale Struktur des

Batteriegehäuses, das nicht nur absolut

dicht sein musste, sondern auch den perfekten

Kontakt zwischen den einzelnen

Zellen und dem Fluss aus Silikonöl sicherstellen

sollte. Ein Objekt von der Größe

des ethec-Batteriegehäuses überstieg

aber die Kapazitäten der verfügbaren Direkt

Metalllasersinter (DMLS)-Anlagen.

Und um den Studierenden, so Josef Mayr,

„die Richtung vom Prototyp zur Serie aufzuzeigen“,

fiel die Wahl auf das Metallgießen.

Konkret: Auf eine im 3-D-Druck angefertigte

Sandform als Vorlage für den

Abguss einer Aluminium-Kupfer-Legierung

– kurz Printed Casting.

Die vom ethec-Team bereitgestellten,

digitalen CAD-Daten des Batteriegehäuses

bildeten für den 3-D-Druckerhersteller

und On-Demand-Dienstleister voxeljet

die Basis zur Herstellung einer Sandgussform

im Binder Jetting-3-D-Druck. Dabei

werden abwechselnd eine wenige Mikrometer

dünne Schicht aus Quarzsand und

ein darauf gejettetes Bindemittel aufeinandergeschichtet,

bis die vorgegebene

Geometrie des späteren Bauteils mit

höchster Präzision abgebildet ist. Die Fertigstellung

des ETHEC-Batteriegehäuses

erfolgte schließlich in der Aluminiumgießerei

von Kupral Spa mit Sitz im italienischen

Brescia.

Eine vollumfängliche praktische Erprobung

des ethec-Prototyps steht derzeit

noch aus. Doch das von Studenten erdachte

Konzept eines energieeffizienten

E-Motorrads zeigt ein beeindruckendes

Potenzial: Die Höchstgeschwindigkeit soll

maximal 160 km/h betragen und dank

Rekuperation und dem neuartigen Batteriekonzept

könnte ethec city eine Reichweite

von rund 400 Kilometern erreichen.

Ob das Konzept auch potenzielle Käufer

überzeugt, bleibt für den Moment offen

– die Suche nach einem Partner für die

industrielle Serienfertigung von ethec city

dauert noch an.

Reinigung der fertig gedruckten Sandform. Das Negativ für den Abguss zeigt bereits die feinen

Rippen des Batteriegehäuses. Sie sorgen für eine gleichmäßige Abgabe der entstehenden

Wärme der 1260 Lithium-Ionen-Zellen an die Umgebungsluft.

Frederik von Saldern, voxeljet AG, Friedberg

www.voxeljet.com.

GIESSEREI 108 08/2021 79


MEDIEN & BÜCHER

Das Kupferamulett von Mehrgarh

6000 Jahre alter Guss per Wachs-Ausschmelzen gefertigt

Haben auch Sie interessante Videos

zum Thema Gießereitechnik im Internet

gefunden? Senden Sie Ihre Videovorschläge

an: redaktion@bdguss.de

Das Amulett schlummerte Tausende von Jahren im Boden und korrodierte. Jetzt wurde es mit einer neuen Analysemethode untersucht.

Institut Synchrotron Soleil. Hier kam die Photolumineszenz-Spektroskopie

zum Einsatz.

Forscher bestahlten das Amulett mit Licht

vom UV- bis in den Infrarotbereich.

So konnten chemische Zusammensetzung

und Kristallstruktur ermittelt werden.

SCREENSHOTS: HÜTTENES ALBERTUS

Mysteriöses Artefakt: Das Amulett von

Mehrgarh ist einzigartig, wie Analysen

enthüllen. Das in Pakistan entdeckte

Kupfer-Artefakt ist der älteste per

Wachsmodell gefertigte Metallguss.

Wie Forscher im Fachmagazin „Nature

Communications“ berichten, besteht

er zudem aus besonders reinem Kupfer.

Der Film ist auch auf der neuen

Branchenplattform guss.de verfügbar.

Die Siedlungen von Mehrgarh gehören zu

den wichtigsten Zeugnissen der Jungsteinzeit

in Asien. „Mehrgarh ist ein Schmelztiegel

für technologische Innovationen

während des Neolithikums und der Kupferzeit

im alten Südasien“, erklären Mathieu

Thoury vom Synchrotron Soleil in Gifsur-Yvette

und seine Kollegen. Zu den

wichtigsten Funden gehört das 6000 Jahre

alte Amulett. Thoury und sein Team haben

es mit einer für Archäologen neuen

Technik analysiert, der Photolumineszenz-

Spektroskopie. Dafür legten sie das Amulett

unter ein Umkehr-Mikroskop und bestrahlten

es mit Licht vom UV- bis in den

Infrarotbereich. Die reflektierte Strahlung

enthüllte die chemische Zusammensetzung

und Kristallstruktur und zeigte, dass

das Amulett tatsächlich einst durch

Wachs-Ausschmelzen entstanden ist: Geformt

aus Wachs oder einer ähnlichen Substanz,

die dann von Ton umgeben, erhitzt,

vom ausgeschmolzenen Wachs befreit und

schließlich abgegossen wurde – von Gießern

aus der Frühzeit der Menschheit. Gießen

fasziniert!

QR-CODE/Link:

Link zum YouTuber-Video

über das Kupferamulett:

https://bit.ly/3BJW7q0

100 GIESSEREI 108 08/2021


VORSCHAU & IMPRESSUM

Und diese Themen gibt es in der GIESSEREI im September:

GIESSEREI

Die Zeitschrift für Technik,

Innovation und Management

Im nächsten Heft:

Druckguss-Gehäusekomponenten

Leckagefreie Kühlkanäle bei E-Fahrzeugen

Mit der breiten Markteinführung der Elektromobilität geraten bisher weniger relevante

Phänomene in den Fokus der Auslegung von Komponenten. Machten sich die Entwickler

bisher vor allem Gedanken über eine Erhöhung der Leistungsdichte, steht heute

mehr die Einhaltung der optimalen thermischen Verhältnisse im Vordergrund. Von

zentraler Bedeutung sind dabei häufig Druckguss-Bauteile, in die für eine fluidbasierte

Temperierung Kanalstrukturen integriert werden müssen. Dies betrifft das Batteriegehäuse,

aber auch Gehäuse für Leistungselektronik oder den Antriebsmotor selbst.

Von Dirk Lehmhus, Christoph Pille, Dustin Borheck, Felicia Bumbu, Thomas Schwegler,

Justin Lee, Jinho Yoo, Peter Lutze, Reinhard Vomhof und Konrad Weiss.

Reinigung per Laser: Innovative Lasertechnik bietet dem Druckgießer bei der Formenreinigung

erhebliches Einsparpotenzial. Neben Kosteneinsparungen durch kurze

Reinigungsdauer, Erhöhung der Standzeit und der Möglichkeit zur Inline-Reinigung

zeichnet sich dieses Verfahren durch seine Umweltfreundlichkeit aus.

Von Edwin Büchter, Daniel Jahn, Michael Marzlin und Holger Hartig

Prozesswärme: Wasserstoff wird eine zentrale Komponente der Dekarbonisierung.

Hierzu zählen auch Hochtemperaturanwendungen in der fertigenden Industrie. Neben

den wirtschaftlichen Herausforderungen ergeben sich zahlreiche technische

Fragen wie bestehende Anlagen und Prozesse für einen neuen Brennstoff ohne Einbußen

bei Produktqualität, Effizienz oder Schadstoffemissionen angepasst werden

können. Von Jörg Leicher, Tim Nowakowski, Anne Giese und Klaus Görner

Optimierte Fertigung: Der Bereich der Additiven Fertigung (AM) wächst rasant.

Dabei sind Innovation und Entwicklung der Schlüssel, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Die Firma ExOne investiert große Anstrengungen in neue Verbrauchsmaterialien,

Komponenten und Prozesse, um die Produkte des Unternehmens benutzerfreundlicher,

zuverlässiger und effizienter zu machen. Von Martin Kaiser

BUCHEN SIE

JETZT IHRE

ANZEIGE!

Kontakt: Tel.: +49 (0) 211/1591-142,

E-Mail: markus.winterhalter@dvs-media.info

Leserbriefe:

redaktion@bdguss.de

FOTO: ADOBESTOCK

108. Jahrgang

Herausgeber: Bundesverband der

Deutschen Gießerei-Industrie (BDG)

Chefredakteur: Martin Vogt Dipl.-Journalist

Stv. Chefredakteur: Robert Piterek M.A.

Redaktion: Dipl.-Phys. Berit Franz,

Dr.-Ing. Monika Wirth

Grafik/Bildbearbeitung: Darius Soschinski

Art Direction: Dietmar Brandenburg

dietmar.brandenburg@bdguss.de

Anschrift der Redaktion:

Hansaallee 203, 40549 Düsseldorf

Tel.: +49 (0) 211/6871-0, Fax: -365

E-Mail: redaktion@bdguss.de

Verlag: DVS Media GmbH

Aachener Straße 172, 40223 Düsseldorf

Telefon: +49(0) 211/1591-0, Fax: -150

E-Mail: media@dvs-media.info

Internet: www.dvs-media.eu

Geschäftsführung: Dirk Sieben

Anzeigen: Markus Winterhalter (verantwortlich)

Tel.: +49(0) 211/1591-142

E-Mail: markus.winterhalter@dvs-media.info

Vertrieb: Leser-Service DVS Media GmbH

Tel.: +49 (0) 6123/9238-242, Fax: -244

E-Mail: dvsmedia@vuservice.de

Druck: D+L Printpartner GmbH

Schlavenhorst 10

46395 Bocholt, Printed in Germany

Erscheinungsweise: monatlich

Jahresbezugspreis Print inkl. E-Paper

(inkl. Versandkosten):

Inland € 203,-- inkl. 7% MwSt., VDG/DFB-Personen-

Mitglieder € 129,-- inkl. 7% MwSt,

Studenten € 45,-- inkl. 7% MwSt

Binnenmarktländer – Empfänger mit Umsatzssteuer-

Identifikations-Nr. € 257,--

Drittländer € 275,--, VDG/DFB-Personen-Mitglieder

€ 177,--;

Binnenmarktländer – Empfänger ohne Umsatzssteuer-

Identifikations-Nr. € 275,--

VDG/DFB-Personen-Mitglieder € 177,--

Einzelheft € 28,--

Der Abonnementpreis gilt bei einer Mindestbezugszeit

von 12 Monaten, Abonnementskündigungen sind nur

möglich zum 31. Dezember und müssen bis zum 15. November

beim Verlag eingetroffen sein. Ansonsten verlängert

sich das Abonnement um weitere 12 Monate.

Haftung: Für Leistungsminderungen durch höhere

Gewalt und andere vom Verlag nicht verschuldete Umstände

(z. B. Streik) können keine Entschädigungsansprüche

von Abonnenten und/oder Inserenten geltend

gemacht werden.

Copyright: Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen

Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung außerhalb der durch das Urheberrechtsgesetz

festgelegten Grenzen ist ohne Zustimmung

des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere

für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen

und die Einspeicherung und Verarbeitung in

elektronischen Systemen.

Urheberrecht für Autoren: Mit Annahme des Manu -

skripts gehen das Recht zur Veröffentlichung sowie die

Rechte zur Übersetzung, zur Vergabe von Nachdruckrechten,

zur elektronischen Speicherung in Datenbanken,

zur Herstellung von Sonderdrucken, Fotokopien

und Mikrokopien an den Verlag über. In der unaufgeforderten

Zusendung von Beiträgen und Informationen

an den Verlag liegt das jederzeit widerrufliche Einverständnis,

die zugesandten Beiträge bzw. Informationen

in Datenbanken einzustellen, die vom Verlag oder von

mit diesem kooperierenden Dritten geführt werden.

Anzeigenpreise: Zurzeit gilt die Preisliste Nr. 47, gültig

seit 1. Januar 2020.

ISSN 0016-9765, Erfüllungsort Düsseldorf

© 2021 DVS Media GmbH,

Düsseldorf, IVW-geprüfte Auflage

Gedruckt auf vollkommen chlorfrei gebleichtem

Papier (TCP) mit schwermetallfreien Farben.

106 GIESSEREI 108 08/2021

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!