Süßes Wunderwerk der Natur Alles auf Zucker
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AUSGABE 03.2021<br />
Stadt. Land. Wissen.<br />
Mo<strong>der</strong>ne Landwirtschaft – an<strong>der</strong>s, als du denkst.<br />
<strong>Süßes</strong> <strong>Wun<strong>der</strong>werk</strong> <strong>der</strong> <strong>Natur</strong><br />
<strong>Alles</strong> <strong>auf</strong><br />
<strong>Zucker</strong><br />
MEHR TIERWOHL<br />
Außenklimastall mit<br />
Indoor-Spielplatz<br />
MEHR ARTENVIELFALT<br />
Wo Uferschwalben und<br />
Wildbienen daheim sind<br />
MEHR KLIMASCHUTZ<br />
Wetterdaten<br />
vom Acker<br />
Forum Mo<strong>der</strong>ne Landwirtschaft
INHALT<br />
8<br />
TITELTHEMA <strong>Natur</strong>süße vom<br />
Feld Hofbesuch bei <strong>Zucker</strong>rübenbauer<br />
Jan-Wilhelm Strampe<br />
4TITELTHEMA<br />
<strong>Alles</strong> <strong>auf</strong> <strong>Zucker</strong><br />
Deutschland ist<br />
europaweit einer <strong>der</strong><br />
besten Standorte<br />
für den <strong>Zucker</strong>rübenanbau.<br />
Wozu die<br />
<br />
<strong>Zucker</strong>gewinnung<br />
noch genutzt wird,<br />
erfahren Sie <strong>auf</strong> den<br />
Folgeseiten<br />
14<br />
Eine Hülsenfrucht,<br />
die Wärme sucht<br />
Sojaanbau in Deutschland<br />
6<br />
TITELTHEMA<br />
<strong>Zucker</strong>mythen<br />
<strong>auf</strong> dem<br />
Prüfstand<br />
Macht <strong>Zucker</strong><br />
dick?<br />
Großes<br />
Gewinnspiel<br />
<strong>auf</strong> <strong>der</strong> Heftrückseite<br />
Jetzt mitmachen und ein<br />
Wochenende für 4 Personen<br />
<strong>auf</strong> dem Land gewinnen<br />
<br />
von Engelbert Strauss<br />
Landwirt für einen Tag Was die Teilnehmer<br />
erlebten: So wurde Politikerin Anne König<br />
18Aktion<br />
Zeugin <strong>der</strong> Geburt von Anne junior, einem Kälbchen<br />
TITEL: T. JAWORR; FOTOS DIESE SEITE: T. JAWORR, FML<br />
2
Hähnchenhalter Stefan Teepker<br />
for<strong>der</strong>t auch in <strong>der</strong> Gastronomie eine<br />
Herkunftskennzeichnung für Hähnchen<br />
26<br />
Außerdem in<br />
diesem Heft<br />
34<br />
Wald ist Leben Nils Thun<br />
gehört hierzulande zu den zwei<br />
Millionen Waldeigentümern,<br />
die das beson<strong>der</strong>e Ökosystem<br />
<br />
TITELTHEMA<br />
Wissenschaft schafft Umweltschutz<br />
Drei Projekte für mehr Nachhaltigkeit<br />
im <strong>Zucker</strong>rübenanbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 10<br />
So kommt <strong>der</strong> <strong>Zucker</strong> aus <strong>der</strong> Rübe<br />
Über die <strong>Zucker</strong>gewinnung . . . . . . . . . . . . . . S. 12<br />
Wo Uferschwalben und Wildbienen daheim sind<br />
Artenvielfalt praxistauglich för<strong>der</strong>n . . . . . . . S. 16<br />
Tierwissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 22<br />
Außenklimastall mit Indoor-Spielplatz<br />
Schweinemäster Tobias Lucht nimmt<br />
an <strong>der</strong> Initiative Tierwohl teil . . . . . . . . . . . . . S. 24<br />
Wetterdaten vom Acker Wie sich<br />
Landwirte mithilfe einer Kooperation besser<br />
<strong>auf</strong> das Klima einstellen können . . . . . . . . . . S. 28<br />
Unser Lieblingsobst Frisch und knackig<br />
schmecken diese vier am besten . . . . . . . . . S. 30<br />
Auf den Apfel gekommen Zu Besuch <strong>auf</strong> dem<br />
Hof von Familie Linhorst . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 32<br />
Zwischen Tradition und Zukunft<br />
Verrückte Ideen <strong>auf</strong> einem alten Weingut . . . S. 36<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
noch immer schränkt die Corona-Pandemie<br />
unseren gewohnten Alltag ein. In <strong>der</strong> Krise hat die<br />
Landwirtschaft eine noch stärkere Rolle als Versorger<br />
<strong>der</strong> Bevölkerung eingenommen. Das sehen auch Verbraucherinnen<br />
und Verbraucher so. 24 Prozent <strong>der</strong> Menschen<br />
in Deutschland sagen, dass sich ihr Bild <strong>der</strong> Landwirtschaft<br />
während <strong>der</strong> Corona-Pandemie positiver darstellt.*<br />
60 Prozent sagen, dass es gleich geblieben ist.<br />
Inmitten dieser Krise wird Ende September ein neuer<br />
Bundestag gewählt. Dabei wird die Landwirtschaft für<br />
die Wählerinnen und Wähler eine hohe Relevanz haben.<br />
41Prozent <strong>der</strong> Menschen in Deutschland sagen, dass<br />
die Landwirtschaftspolitik <strong>der</strong> einzelnen Parteien für ihre<br />
Wahlentscheidung bei <strong>der</strong> kommenden Bundestagswahl<br />
eine „große“ bzw. „eher große“ Rolle spielen wird.*<br />
Mit <strong>der</strong> Pandemie und <strong>der</strong> anstehenden Wahl bestimmen<br />
zwei Themen gerade jeden Tag die gesellschaftliche Debatte,<br />
bei denen die Landwirtschaft eine bedeutende Rolle spielt.<br />
Den Menschen ist die Zukunft <strong>der</strong> deutschen Landwirtschaft<br />
ein großes Anliegen. Danach gefragt, sagen 75 Prozent, dass<br />
es ihnen wichtig ist, dass die Lebensmittel, die sie konsumieren,<br />
in Deutschland angebaut o<strong>der</strong> produziert werden. Mehr<br />
als 80 Prozent von ihnen sagen, das gilt sowohl für Fleisch,<br />
Eier und Milch als auch für saisonales Obst und Gemüse.*<br />
Mit unserer dritten Ausgabe von Stadt.Land.Wissen. wollen<br />
wir Ihnen angesichts dieser Relevanz wie<strong>der</strong> zahlreiche Einblicke<br />
in die Landwirtschaft in Deutschland ermöglichen.<br />
Ob <strong>Zucker</strong>, Obst o<strong>der</strong> Wein – wir zeigen Ihnen die Menschen<br />
dahinter. Wir zeigen ihre Leidenschaft und Innovationsfreude,<br />
mit <strong>der</strong> sie jeden Tag wertvolle Lebensmittel produzieren.<br />
Wir zeigen, wie wichtig ihnen dabei <strong>der</strong> <strong>Natur</strong>haushalt und<br />
das Wohl ihrer Tiere sind. Und wir zeigen, wie die Landwirtschaft<br />
mit Herausfor<strong>der</strong>ungen wie dem Klimawandel umgeht<br />
und einen wichtigen Beitrag im Kampf dagegen leistet.<br />
Erhältlich ist das Magazin in 180 K<strong>auf</strong>land-Filialen, als<br />
Postwurfsendung direkt im Briefkasten, und sogar in <strong>der</strong><br />
Deutschen Bahn fährt es mit, als Reiselektüre für unterwegs.<br />
Noch ein kleines Stück näher an die Landwirtschaft wollen<br />
wir Sie mit unserem Gewinnspiel bringen, bei dem Sie ein<br />
Wochenende für vier Personen <strong>auf</strong> dem „Sauwohlfühlhof“<br />
<strong>der</strong> Familie Winkelkötter im schönen Münsterland gewinnen<br />
können. Sie müssen nur die Frage <strong>auf</strong> <strong>der</strong> letzten Seite<br />
beantworten – die Antwort finden Sie im Magazin.<br />
Ich wünsche Ihnen ganz viel Spaß beim Lesen.<br />
Ihre Lea Fließ<br />
Geschäftsführerin Forum Mo<strong>der</strong>ne Landwirtschaft<br />
*Civey-Umfragen aus Mai und Juni 2021<br />
Feinfruchtige Weine bevorzugt<br />
Winzer Stephan Klöckner erklärt die Trends<br />
<strong>auf</strong> dem Weinmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 38<br />
Forum Mo<strong>der</strong>ne Landwirtschaft<br />
3
<strong>Alles</strong> <strong>auf</strong><br />
<strong>Zucker</strong><br />
<strong>Süßes</strong> <strong>Wun<strong>der</strong>werk</strong> <strong>der</strong> <strong>Natur</strong><br />
Sobald <strong>der</strong> Ackerboden trocken und <strong>auf</strong><br />
mindestens fünf bis acht Grad erwärmt ist,<br />
beginnt die Aussaat <strong>der</strong> <strong>Zucker</strong>rüben in den<br />
Monaten März bis April. Die <strong>Zucker</strong>rübe liebt<br />
nährstoffreiche, tiefgründige Böden, wie sie<br />
hierzulande in vielen Regionen vorkommen.<br />
Deshalb ist Deutschland europaweit einer <strong>der</strong><br />
besten Standorte für den Rübenanbau. Neben<br />
<strong>der</strong> <strong>Zucker</strong>gewinnung dient die <strong>Zucker</strong>rübe<br />
<strong>der</strong> Erzeugung von Energie, als Futter- und<br />
Dünge mittel sowie <strong>der</strong> Herstellung von Alkohol,<br />
Verpackungen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Hefeproduktion.<br />
-<br />
<br />
<br />
FOTOS: ISTOCK QUELLEN: NATIONALE VERZEHRSTUDIE 2, WVZ 2021<br />
t<br />
Melasse<br />
für die Hefeindustrie<br />
o<strong>der</strong> Alkoholproduktion<br />
wurden im Wirtschaftsjahr<br />
2019/2020 produziert<br />
Mio. l<br />
Sauerstoff<br />
pro Jahr speist ein<br />
Hektar <strong>Zucker</strong> rüben<br />
in die Luft ein<br />
kg<br />
<strong>Zucker</strong><br />
pro Kopf und Jahr werden in<br />
Deutschland gegessen<br />
%<br />
des <strong>Zucker</strong>s weltweit<br />
werden aus Rüben<br />
hergestellt, <strong>der</strong> Rest<br />
aus <strong>Zucker</strong>rohr<br />
2,8 <br />
Futtermittel<br />
für die Erzeugung<br />
tierischer Lebensmittel<br />
wurden im Wirtschaftsjahr<br />
2019/2020 erzeugt<br />
%<br />
des erzeugten <strong>Zucker</strong>s gingen 2019/2020 an die<br />
verarbeitende Industrie, an die chemische<br />
o<strong>der</strong> Pharmaindustrie, das Handwerk o<strong>der</strong> die<br />
Fermentationsindustrie<br />
Biokunststoffe<br />
sind für nachhaltige<br />
Verpackungen sehr gefragt<br />
4
kg<br />
schwer wird eine<br />
<strong>Zucker</strong>rübe in<br />
etwa bei guten<br />
Wuchsbedingungen<br />
Gründünger<br />
%<br />
des Rübenblatts verbleiben klein<br />
gehäckselt als natürlicher Gründünger<br />
<strong>auf</strong> dem Feld und bringen<br />
so Nährstoffe in den Boden<br />
TITELTHEMA <strong>Zucker</strong>rüben<br />
Tage<br />
nach <strong>der</strong> Aussaat werden <strong>Zucker</strong>rüben<br />
geerntet. Die Kampagne, wie die Zeit <strong>der</strong><br />
<strong>Zucker</strong>rübenernte und -verarbeitung<br />
genannt wird, beginnt Mitte September und<br />
kann je nach Witterung und Erntemenge<br />
bis Dezember o<strong>der</strong> Anfang Januar andauern<br />
Wasser<br />
in <strong>der</strong> Rübe wird zur<br />
Produktion genutzt<br />
Fast<br />
100 %<br />
des Wassers, das für die<br />
<strong>Zucker</strong>produktion benötigt<br />
wird, stammt aus <strong>der</strong><br />
<strong>Zucker</strong>rübe selbst<br />
Bioethanol<br />
als Ersatz für fossile Kraftstoffe:<br />
15 %<br />
des produzierten Bioethanols<br />
wurden 2020 aus <strong>Zucker</strong>rüben<br />
hergestellt<br />
Biomethan<br />
ergänzt über das öffentliche<br />
Gasnetz die Energieversorgung<br />
Düngemittel<br />
<br />
<strong>der</strong> Landwirtschaft Verwendung<br />
Meter<br />
tief können die fein verzweigten <strong>Zucker</strong>rübenwurzeln<br />
reichen. Sie lockern das Erdreich <strong>auf</strong><br />
und tragen so zur Bodenfruchtbarkeit bei<br />
Rund<br />
<br />
Landwirte in Deutschland<br />
bauen <strong>Zucker</strong>rüben an<br />
4500<br />
Beschäftigte gibt es in<br />
<strong>der</strong> <strong>Zucker</strong>industrie<br />
5
TITELTHEMA <strong>Zucker</strong>rüben<br />
<strong>Zucker</strong>mythen<br />
<strong>auf</strong> dem Prüfstand<br />
Macht <strong>Zucker</strong> dick? Sind Agavendicksaft und Co.<br />
<br />
<br />
<br />
Wird man dick, wenn man<br />
<br />
<strong>Zucker</strong>, in Maßen konsumiert,<br />
macht nicht dick. Grund sätzlich<br />
gilt: Wer mehr Kalorien zu sich nimmt, als er<br />
o<strong>der</strong> sie verbraucht, nimmt zu. Dabei ist es<br />
egal, ob diese Kalorien von <strong>Zucker</strong>, Fett o<strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en Nährstoffen stammen. Generell<br />
sollte man immer <strong>auf</strong> eine aus gewogene<br />
<br />
Angaben wie „weniger <strong>Zucker</strong>“ bedeuten<br />
nicht, dass ein Produkt auch weniger<br />
Kalorien als das Original hat. Denn wer<br />
<strong>Zucker</strong> in festen Lebensmitteln reduziert,<br />
muss ihn durch an<strong>der</strong>e Zutaten ersetzen.<br />
Diese bringen auch Kalorien mit, manchmal<br />
sogar mehr. Daher können zuckerfreie o<strong>der</strong><br />
zuckerreduzierte Produkte also schnell zur<br />
<br />
<br />
Wird <strong>Zucker</strong> in Produkten<br />
<br />
Wer wissen will, wie viel<br />
<strong>Zucker</strong> in einem Produkt<br />
steckt, kann das mit einem Blick in die<br />
Nährwerttabelle <strong>auf</strong> <strong>der</strong> Verpackung<br />
erkennen. In <strong>der</strong> Rubrik „Kohlenhydrate“<br />
steht „davon <strong>Zucker</strong>“, damit ist <strong>der</strong><br />
gesamte im Lebensmittel enthaltene<br />
<strong>Zucker</strong> gemeint. Also <strong>der</strong> von <strong>Natur</strong> aus<br />
im Produkt enthaltene <strong>Zucker</strong> und <strong>der</strong><br />
zugesetzte <strong>Zucker</strong>. Das umfasst zum<br />
Beispiel Fruktose (Fruchtzucker), Glukose<br />
(Traubenzucker) o<strong>der</strong> Zweifachzucker wie<br />
Saccharose (Haushaltszucker) und Laktose<br />
(Milchzucker). Die Gesamtmenge all<br />
<br />
<br />
Hat Haushaltszucker<br />
im Vergleich zu Agavendicksaft<br />
& Co. gesund heit-<br />
<br />
Aus gesundheitlicher Sicht unterscheiden<br />
sich Haushaltszucker und Alternativen<br />
<br />
-<br />
<br />
<br />
r<strong>auf</strong> verweisen die Deutsche Gesellschaft<br />
Prof. Dr. Hans<br />
Hauner von <strong>der</strong> TU München: „Gegen-<br />
<br />
<strong>Zucker</strong> alternativen keine gesundheitlichen<br />
Vorteile, da sie <strong>auf</strong> dieselbe Weise<br />
verstoffwechselt werden.“ Hinzu kommt<br />
<strong>der</strong> Nachhaltigkeitsaspekt. <strong>Zucker</strong>rüben<br />
sind ein regionales Produkt, das nicht aus<br />
Übersee importiert werden muss.<br />
Vielfältige <strong>Zucker</strong>arten:<br />
Ob als Kandis, Pu<strong>der</strong>zucker<br />
o<strong>der</strong> Haushaltszucker,<br />
<strong>Zucker</strong> versüßt unser Leben<br />
<br />
Der Begriff „zuckerkrank“ führt<br />
<br />
<br />
Diabetes mellitus (umgangs sprachlich<br />
Diabetes). Mit Haushaltszucker hat diese<br />
aber nichts zu tun. Vielmehr sind überhöhte<br />
Blutglukosewerte charakteristisch<br />
für Diabetes. Die meisten Patienten sind<br />
<br />
Wissenschaftlich lassen sich keine<br />
Zusammenhänge von <strong>der</strong> Aufnahme<br />
verschiedener <strong>Zucker</strong>arten und <strong>der</strong> Ent-<br />
<br />
Der größte Risikofaktor ist hier ein hohes<br />
<br />
<br />
Wer das Risiko, an Diabetes zu erkranken,<br />
senken möchte, sollte daher <strong>auf</strong> sein<br />
<br />
6
Rezepte<br />
FOTOS: ISTOCK, FML<br />
<br />
<br />
Ja, so wie alle (fermentier<br />
baren) Kohlenhydrate.<br />
Das können Stärke o<strong>der</strong><br />
verschiedene Arten von <strong>Zucker</strong> sein, wie<br />
Saccharose, Fruktose und Milchzucker.<br />
Sie können also überall vorkommen: in<br />
salzigen Snacks und Brot ebenso wie<br />
in Frühstückscerealien o<strong>der</strong> Süßigkeiten<br />
und Obst. Bakterien im Zahnbelag bilden<br />
Säuren beim Abbau <strong>der</strong> Kohlenhydrate.<br />
Diese Säuren greifen den Zahnschmelz<br />
<br />
er porös wird und Karies entstehen kann.<br />
Gründliches und regelmäßiges Zähne-<br />
<br />
<br />
mäßige Zahnarzt besuche. Durch Aufklärung<br />
zu guter Mund hygiene und zahnärztliche<br />
Vorsorge konnte das Auftreten von<br />
Karies hierzulande in allen Altersgruppen<br />
und sozialen Schichten reduziert wer-<br />
<br />
<br />
<br />
Deutschland im internationalen Vergleich<br />
<br />
Macht <strong>Zucker</strong> süchtig?<br />
Ob Schokolade o<strong>der</strong> Gummibärchen,<br />
manche Menschen<br />
können von Süßigkeiten nicht genug<br />
bekommen. Suchtexperten sagen, dass<br />
ein süßer Geschmack von den meisten<br />
als positiv empfunden werde und im Gehirn<br />
das sogenannte Belohnungssystem<br />
aktiviere. Die Behauptung, <strong>Zucker</strong> könne<br />
süchtig machen, ist wissenschaftlich nicht<br />
belegt. Die internationale Forschergruppe<br />
NeuroFAST kommt zu folgendem Schluss:<br />
<br />
für die Behauptung, einzelne Nährstoffe<br />
wie <strong>Zucker</strong> könnten süchtig machen.<br />
<br />
Was sich aus einer <strong>Zucker</strong>rübe<br />
Köstliches zaubern lässt<br />
Und warum unser Körper <strong>Zucker</strong> braucht<br />
Für unser Kochvideo haben wir diesmal drei Experten<br />
<br />
Christopher Kümper, Lebensmittelwissenschaftler<br />
<br />
<br />
Christopher Kümper ein ganz beson<strong>der</strong>es Dessert, einen Rübenkraut-<br />
werk<br />
gelingt, erfahren Sie, wenn Sie den QR-Code einscannen.<br />
Multitalent <strong>Zucker</strong>: Lebensmittelchemiker<br />
nimmt <strong>Zucker</strong> als Lebensmittel wissenschaftlich unter die Lupe.<br />
Der Dozent <strong>der</strong> Hochschule Bremerhaven erklärt, welche Funktionen<br />
<strong>Zucker</strong> in unseren Lebensmitteln hat und warum er oft eine wichtige<br />
Zutat ist.<br />
AgrarScoutin und Landwirtin betreibt einen Biobetrieb<br />
in Sachsen-Anhalt. Sie beleuchtet die <strong>Zucker</strong>rübe von <strong>der</strong><br />
praktischen Seite und beschreibt, wie und unter welchen Bedingungen<br />
die Frucht am besten wächst und was aus Sicht eines landwirtschaftlichen<br />
Betriebs das Beson<strong>der</strong>e am <strong>Zucker</strong>rübenanbau ist.<br />
Viel Spaß beim Nachkochen wünscht das Team<br />
vom Forum Mo<strong>der</strong>ne Landwirtschaft!<br />
Mehr<br />
Infos<br />
Zu Gesundheit und <strong>Zucker</strong><br />
<br />
www.schmecktrichtig.de<br />
Einscannen und los geht’s<br />
mo<strong>der</strong>ne-landwirtschaft.de/menue_zuckerruebe<br />
7
TITELTHEMA <strong>Zucker</strong>rüben<br />
FOTOS: TIMO JAWORR<br />
<strong>Natur</strong>süße<br />
vom Feld<br />
Als <strong>Zucker</strong>rübenbauer passt Jan-Wilhelm Strampe<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
wird <strong>Zucker</strong>rübensaat in<br />
<br />
Dabei<br />
umschließt eine farbige<br />
Gips ummantelung den<br />
mit einem Schutz gegen<br />
Schädlinge versehenen<br />
Keimling, aus dem etwa<br />
<br />
rund ein Kilo schwere Frucht erwachsen<br />
sein wird.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Wenn Jan-Wilhelm Strampe<br />
im Frühjahr die Drillmaschine<br />
mit <strong>der</strong> Aussaat für<br />
seine 63 Hektar <strong>Zucker</strong>rü-<br />
würde er aus einer Apotheke stammen.<br />
-<br />
-<br />
-<br />
-<br />
ckerrüben<br />
in Reihen mit einem Abstand<br />
<br />
<br />
meine Fel<strong>der</strong> fest. Jeweils ein Viertel <strong>der</strong><br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
meistens reif für die Saat. Der Zeitpunkt<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Früchte <strong>auf</strong> unseren Fel<strong>der</strong>n sind <strong>Zucker</strong>-<br />
<br />
-<br />
-<br />
-<br />
-<br />
-<br />
-<br />
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-<br />
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-<br />
-<br />
-<br />
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<br />
ich für jedes Feld im Winter eine Applika-<br />
-<br />
-<br />
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<br />
Unfairer Wettbewerb<br />
-<br />
-<br />
-<br />
-<br />
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<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Sieben Rüben für 1 kg <strong>Zucker</strong><br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
um den C0 <br />
-<br />
-<br />
-<br />
-<br />
-<br />
lands<br />
werden diese Standards unter-<br />
-<br />
<br />
-<br />
-<br />
-<br />
<br />
-<br />
<br />
-<br />
-<br />
<br />
beschert uns immer neue Hürden. Also<br />
müssen wir noch einfallsreicher werden<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
8
„Auf dem EU-Markt wird nicht<br />
überall nach gleichen Spiel regeln<br />
agiert, vom Weltmarkt einmal<br />
ganz abgesehen“<br />
9
Wissenschaft schafft<br />
Exakt angelegt In Kirschgartshausen werden die Blühstreifen regelmäßig<br />
<br />
Umweltschutz leisten müssen. Aber wir verzichten <strong>auf</strong> diesen Flächen <strong>auf</strong><br />
Erträge. Der Mehrwert, den wir <strong>auf</strong> diese Weise für uns alle schaffen, muss<br />
unserer Gesellschaft auch etwas wert sein“, sagt Betriebsleiter Dr. Peter Risser<br />
FORSCHUNG I<br />
Blühstreifen sind Lebensräume<br />
Auf dem Versuchsgut Kirschgartshausen<br />
wird die Zukunft<br />
<strong>der</strong> <strong>Zucker</strong>rüben erforscht.<br />
Dazu zählt auch die Frage nach<br />
<strong>der</strong> Steigerung <strong>der</strong> Artenvielfalt<br />
<strong>auf</strong> den Fel<strong>der</strong>n<br />
Seit 160 Jahren betreibt die Südzucker<br />
AG das Hofgut Kirschgartshausen<br />
bei Mannheim und<br />
erarbeitet dort Konzepte und<br />
Produktionsmethoden für den erfolgreichen<br />
und nachhaltigen Anbau von <strong>Zucker</strong>rüben.<br />
In den vergangenen zwei Jahren<br />
befassten sich Betriebsleiter Dr. Peter Risser<br />
und sein Team unter an<strong>der</strong>em intensiv<br />
mit <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Biodiversität. „Wir<br />
experimentieren mit verschiedenen Blühmischungen<br />
und Blühstreifen, um in Erfahrung<br />
zu bringen, wie sie sich <strong>auf</strong> Schädlinge und<br />
Nützlinge auswirken und wie wir dadurch<br />
<br />
„Über 1600 <strong>Zucker</strong>rübenbetriebe<br />
allein in Deutschland haben Blühstreifen<br />
für die Artenvielfalt angelegt“<br />
gleichzeitig die Biodiversität steigern kön-<br />
schaftler.<br />
In enger Kooperation mit dem Institut<br />
für Agrarökologie und Biodiversität (IFAB)<br />
testet <strong>der</strong> Versuchshof aktuell zwei Blühmischungen.<br />
Eine einjährige zur kurz fristigen<br />
Begrünung kleinerer Flächen, die unter<br />
an<strong>der</strong>em aus Mohn- und Kornblumen<br />
besteht. Sie eignet sich sehr gut für die<br />
Rän<strong>der</strong> von <strong>Zucker</strong>rübenfel<strong>der</strong>n, fanden<br />
die Wissenschaftler bereits heraus. „Diese<br />
Mischung geben wir kostenlos an unsere<br />
<strong>Zucker</strong>rübenlandwirte aus“, erklärt Risser.<br />
Die zweite Blühmischung, die mehrjährige<br />
Veitshöchheimer Bienenweide, setzt sich<br />
aus über 60 Pflanzen- und Kräuterarten<br />
zusammen, unter an<strong>der</strong>em aus Malven,<br />
aber auch Dill, Fenchel und Sonnenblumen.<br />
„Sie duftet wun<strong>der</strong>bar und wird von uns<br />
wie eine eigene Kultur in die <strong>Zucker</strong>rüben-<br />
<br />
Ihre Vorteile: Durch die Blühdauer und die<br />
<br />
allein den Insekten eine mehrjährige Versorgung.<br />
Die ersten Ergebnisse zeigen, dass die<br />
Blühstreifen in Kirschgartshausen mit einer<br />
tene<br />
Bestäuberarten wie Wildbienen o<strong>der</strong><br />
Hummeln anziehen, son<strong>der</strong>n auch Feldhasen,<br />
Fasanen o<strong>der</strong> Rebhühnern einen<br />
Lebensraum bieten.<br />
„Über 1600 <strong>Zucker</strong>rübenbetriebe in<br />
Deutschland haben Blühstreifen für die<br />
Artenvielfalt angelegt. Und die Zahl nimmt<br />
stetig zu“, erzählt Dr. Risser. „Landwirte sind<br />
die idealen Partner, weil sie über das Wis-<br />
<br />
und zu bewirtschaften sind. Wir setzen uns<br />
dafür ein, dass die Blühstreifen so ausgesät<br />
werden, dass die Insekten und an<strong>der</strong>e Tiere<br />
von Streifen zu Streifen wan<strong>der</strong>n und sich<br />
ansiedeln können und es zu einer Vernetzung<br />
<strong>der</strong> Flächen kommt.“<br />
<br />
<strong>Zucker</strong>rübenlandwirte sein, die sich gemeinsam<br />
mit Südzucker für die Steigerung <strong>der</strong><br />
Biodiversität einsetzen.<br />
10
Umweltschutz<br />
TITELTHEMA <strong>Zucker</strong>rüben<br />
FORSCHUNG II<br />
Revolutionäre Entdeckung<br />
gegen Blattkrankheit<br />
Den Forschern von KWS ist es gelungen, <strong>Zucker</strong>rübensorten zu entwickeln, die gegen eine<br />
Pilzerkrankung eine extrem hohe Wi<strong>der</strong>standskraft haben. Dadurch können die Landwirte bei<br />
<br />
Entscheiden<strong>der</strong> Durchbruch<br />
Die erste Generation <strong>der</strong><br />
<br />
sich <strong>der</strong>zeit in Deutschland<br />
und in Italien im Testanbau<br />
FOTOS: SÜDZUCKER AG, KWS<br />
Vor über 100 Jahren tauchte in<br />
Italien erstmals die Krankheit<br />
Cercospora in <strong>Zucker</strong>rüben <strong>auf</strong>.<br />
Vor allem in <strong>der</strong> Nähe von Flussläufen,<br />
also dort, wo es schön<br />
<br />
Cercospora die Blätter <strong>der</strong> <strong>Zucker</strong>rüben, und<br />
sie starben ab. Die Krankheit nahm seitdem<br />
an Intensität immer weiter zu und breitete<br />
sich schnell aus. In den vergangenen Jahrzehnten<br />
sind zunehmend auch die <strong>Zucker</strong>rübenfel<strong>der</strong><br />
in nördlicheren Teilen Europas<br />
von dieser Pilzkrankheit befallen. Allein in<br />
Deutschland betrifft das rund 60 bis 90 Pro-<br />
<br />
zerstört <strong>der</strong> Pilz das Blattgewebe, was die<br />
Fotosynthese und damit die <strong>Zucker</strong>produk-<br />
<br />
bis zu 50 Prozent sind die Folge. Um dies<br />
zenschutzmittel<br />
zur Abwehr <strong>der</strong> Krankheit<br />
eingesetzt werden.<br />
Der Durchbruch ist jetzt dem<br />
Saatgutherstellerunternehmen<br />
KWS mit einer echten Fleißarbeit<br />
gelungen. Die Züchter<br />
haben <strong>auf</strong> einer langen Suche<br />
unzählige Rüben zwischen<br />
<strong>der</strong> Adria und <strong>der</strong> Ostsee gesammelt und<br />
analysiert. Dabei sind sie <strong>auf</strong> eine ganz beson<strong>der</strong>e<br />
Wildrübe gestoßen, <strong>der</strong>en enorme<br />
Wi<strong>der</strong>standskraft gegenüber Cercospora<br />
sie überrascht hat. Die Eigenschaften <strong>der</strong><br />
Wildrübe konnten in das vorhandene <strong>Zucker</strong>rübenmaterial<br />
<strong>auf</strong> klassischem Wege eingekreuzt<br />
werden. Das Ergebnis übertraf<br />
die Erwartungen bei Weitem: sehr wi<strong>der</strong>standsfähige<br />
<strong>Zucker</strong>rüben mit gleichzeitig<br />
höchster Ertragsleistung. Damit besteht die<br />
Möglichkeit, auch unter starken Befallsbedingungen<br />
ein gesundes Wachstum und den<br />
<br />
<br />
einzusparen.<br />
„Die <strong>Zucker</strong>rübe zählt zu den wi<strong>der</strong>-<br />
<br />
erzählt Dr. Carsten Stibbe, Leiter des Bereichs<br />
Agroservice bei <strong>der</strong> KWS. „Die Züchtung<br />
gesun<strong>der</strong>, resistenter Sorten hat bei <strong>der</strong><br />
<strong>Zucker</strong>rübe eine lange Tradition. Schon<br />
heute sind die aktuellen Sorten<br />
resistent gegenüber den meisten<br />
Viruserkrankungen. Viele<br />
Sorten sind sogar zusätzlich<br />
<br />
durch<br />
die Blattkrankheit<br />
Cercospora<br />
gegen einen bestimmten<br />
<br />
Durch den Klimawandel breiten sich jedoch<br />
beson<strong>der</strong>s Pilzkrankheiten und Schädlinge<br />
stetig weiter aus, sie sind immer weniger<br />
<br />
bekommen.<br />
„Mit den neuen CR+ genannten Sorten<br />
ist uns ein revolutionärer Durchbruch gelun-<br />
<br />
<br />
in Deutschland und in Italien im Testanbau.<br />
Darüber hinaus erarbeitet KWS aktuell die<br />
besten Anbaustrategien für CR+, um einen<br />
optimalen Nutzen für den Umweltschutz und<br />
die Landwirte zu erreichen. „Damit können<br />
wir einen wirklich wichtigen Beitrag für eine<br />
nachhaltige Landwirtschaft in Deutschland<br />
<br />
<br />
Dr. Carsten Stibbe<br />
ist Leiter des Bereichs<br />
Agroservice bei<br />
<strong>der</strong> KWS. Sein Team<br />
erarbeitet aktuell<br />
die besten Anbaustrategien<br />
für CR+<br />
11
TITELTHEMA <strong>Zucker</strong>rüben<br />
Wissenschaft schafft<br />
Umweltschutz<br />
FORSCHUNG III<br />
Auf <strong>der</strong> Suche nach <strong>der</strong><br />
optimalen Lösung<br />
Dr. Olga Fishkis erforscht am Institut für <strong>Zucker</strong>rübenforschung<br />
(IfZ) an <strong>der</strong> Universität Göttingen<br />
unterschiedliche Methoden zur Unkrautbekämpfung<br />
So praxisnah wurden mechanische<br />
und chemische Methoden<br />
zur Unkrautbekämpfung<br />
bisher noch nicht verglichen:<br />
In dreijährigen Feldversuchen<br />
an verschiedenen Standorten untersuchte<br />
Dr. Olga Fishkis gemeinsam mit Partnern<br />
im Auftrag des Bundesministeriums<br />
für Ernährung und Landwirtschaft Umweltauswirkungen<br />
wie Energieverbrauch,<br />
toxikologische Risiken und weitere Variablen<br />
bei <strong>der</strong> Beseitigung von Unkraut <strong>auf</strong><br />
<strong>Zucker</strong>rübenfel<strong>der</strong>n.<br />
„Heutzutage setzen <strong>Zucker</strong>rübenbauern<br />
zu rund 90 Prozent Herbizide, also<br />
chemische Mittel, zur Unkrautregulierung<br />
ein, und nur acht Prozent nutzen<br />
eine mechanische Hackmaschine und<br />
hacken zusätzlich per Hand“, erklärt die<br />
wissenschaftliche Mitarbeiterin des IfZ.<br />
<strong>Zucker</strong>rüben werden in Reihen mit 45<br />
<br />
„Hackmaschinen können zwar gut zwischen<br />
den Reihen arbeiten, aber nahe<br />
an den Rüben muss per Hand gehackt<br />
werden. Das ist sehr zeit<strong>auf</strong>wendig und<br />
wird aktuell nur von Biobauern geleistet,<br />
die einen höheren Preis für die Ernte erhalten“,<br />
sagt die Agrarwissenschaftlerin.<br />
boter.<br />
„Der Roboter speichert schon bei<br />
<strong>der</strong> Aussaat die genauen Koordinaten<br />
<strong>der</strong> <strong>Zucker</strong>rüben, o<strong>der</strong> er nimmt mit ei-<br />
<br />
<strong>auf</strong> und unterscheidet beim Hackvor-<br />
zen<br />
von Unkräutern“, so die gebürtige<br />
Moskauerin.<br />
Doch diese Methoden könnten<br />
ebenfalls Nachteile haben. „Wir befürchteten,<br />
dass die Roboter, ähnlich<br />
wie die Hackmaschine, Bodenerosionen<br />
verstärken könnten. Aber das hat<br />
sich nicht bei allen Böden bewahrheitet“,<br />
sagt die Bodenkundlerin. Gegen<br />
den Einsatz mechanischer Hackmaschinen<br />
spricht allerdings <strong>der</strong> fossile<br />
Energieverbrauch und damit <strong>der</strong><br />
CO 2<br />
-Ausstoß, <strong>der</strong> höher liegt als beim<br />
Ausbringen chemischer Mittel. „Noch<br />
kann ich nicht abschätzen, welche<br />
Methoden am besten zur Bewahrung<br />
einer schadstofffreien Umwelt unter<br />
Berücksichtigung <strong>der</strong> Kostenkalkulation,<br />
des Klimaschutzes und <strong>der</strong> Biodiversität<br />
beitragen“, sagt Dr. Fishkis.<br />
Ihre Ergebnisse liegen spätestens in<br />
einem Jahr vor.<br />
So<br />
Von September bis Januar<br />
herrscht Hochbetrieb <strong>auf</strong> den<br />
Fel<strong>der</strong>n und in den <strong>Zucker</strong>fabriken:<br />
Rund um die Uhr<br />
an sieben Tagen die Woche<br />
werden die geernteten Rüben<br />
zu <strong>Zucker</strong> verarbeitet<br />
FOTOS: IFZ, WVZ, NORDZUCKER, SÜDZUCKER<br />
Feldversuche Dr. Olga Fishkis<br />
misst die Auswirkungen von<br />
Unkrautbeseitigungsmethoden<br />
D-<br />
<br />
<br />
-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
12
Vom Feld <strong>auf</strong>s<br />
Fließband<br />
In <strong>der</strong> <strong>Zucker</strong>fabrik<br />
werden die Rüben<br />
gereingt, geschnitzelt<br />
und in einem<br />
Wasserbad erhitzt.<br />
In <strong>der</strong> Verdampfstation<br />
wird <strong>der</strong><br />
goldgelbe Saft<br />
ein gedickt<br />
kommt <strong>der</strong> <strong>Zucker</strong><br />
aus <strong>der</strong> Rübe<br />
Nicht nur die landwirtschaftlichen Mitarbeiter<br />
sind vielbeschäftigt, auch die<br />
Maschinen in den <strong>Zucker</strong>fabriken l<strong>auf</strong>en<br />
in diesen anstrengenden Wochen<br />
<strong>der</strong> Kampagne pausenlos. Zehn Stunden<br />
dauert es in etwa, bis aus <strong>der</strong> Rübe <strong>Zucker</strong><br />
geworden ist. Für die <strong>Zucker</strong>gewinnung<br />
durchl<strong>auf</strong>en die wertvollen Feldfrüchte<br />
mehrere Verarbeitungsschritte.<br />
Nach einer gründlichen Reinigung zerkleinert<br />
eine Schneidemaschine die<br />
Rüben mitsamt <strong>der</strong> Schale zu schmalen<br />
Rübenschnitzeln.<br />
Alle Abfälle werden<br />
weiterverarbeitet<br />
In riesigen Kochtöpfen, den Extraktionstürmen,<br />
werden die Rübenstreifen anschließend<br />
in heißem Wasser <strong>auf</strong> 70 Grad<br />
erhitzt. Die hohe Temperatur sorgt dafür,<br />
dass die Zellwände <strong>der</strong> <strong>Zucker</strong> rüben platzen<br />
und sich <strong>der</strong> <strong>Zucker</strong> aus den Rüben-<br />
<br />
Die getrockneten Schnitzelabfälle werden<br />
zu Tierfutterpellets weiterver arbeitet.<br />
Dem gewonnenen Rohsaft werden Kalk<br />
und Kohlensäure zugefügt. Mit diesen<br />
Zusätzen werden alle Nichtzuckerstoffe<br />
<br />
lassen. Die beim Filtern entstehenden Ab-<br />
<br />
Rohsaft wird verdickt<br />
In <strong>der</strong> sogenannten Verdampfstation erfolgt<br />
die Eindickung des Dünnsafts, <strong>der</strong><br />
anfangs einen <strong>Zucker</strong>anteil von nur um<br />
16 Prozent enthält. Durch das Erhitzen<br />
und Verdampfen wird <strong>der</strong> goldgelbe Saft<br />
ckergehalt<br />
steigt durch das beson<strong>der</strong>e<br />
Verfahren <strong>auf</strong> rund 70 Prozent an.<br />
<strong>Zucker</strong>kristalle bilden sich<br />
Der als „Magma“ bezeichnete Sirup<br />
kommt nun in große Kochapparate. Dort<br />
wird <strong>der</strong> Dicksaft so lange reduziert, bis<br />
sich <strong>Zucker</strong>kristalle bilden. Haben diese<br />
eine bestimmte Größe erreicht, wird die<br />
Masse abgekühlt, und <strong>der</strong> Kristallisationsprozess<br />
beschleunigt sich.<br />
Zuletzt befreit ein Schleu<strong>der</strong>vorgang<br />
in einer Zen trifuge die <strong>Zucker</strong>kristalle<br />
von den Sirupresten. Die gewonnenen<br />
Kristalle werden noch getrocknet und<br />
anschließend in Silos gelagert o<strong>der</strong> direkt<br />
in Päckchen zum Verzehr abgefüllt.<br />
Fertig ist <strong>der</strong> <strong>Zucker</strong>, <strong>der</strong> uns das Leben<br />
versüßt!<br />
Einscannen und<br />
mehr entdecken<br />
13
Voll im Trend: Sojaprodukte<br />
wie Tofu, Milch und Miso-Paste<br />
Sojafan Landwirt Paul Groh hat<br />
vor drei Jahren mit 3,5 Hektar<br />
begonnen und ist jetzt bei fast<br />
<strong>der</strong> dreifachen Flächengröße<br />
14
Sojaanbau<br />
<br />
die Wärme sucht<br />
Soja könnte in Deutschland eine große Zukunft haben, glaubt Dr. Joachim<br />
E<strong>der</strong>. Landwirt Paul Groh jedenfalls hat Spaß am Anbau <strong>der</strong> Sommerkultur<br />
Eingebettet ins Ronneburger Hügelland<br />
liegt Hof Waldeck, ein<br />
familiengeführter Marktfruchtbetrieb,<br />
<strong>der</strong> Raps, Körnermais,<br />
Gerste und an<strong>der</strong>e Tierfutter-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
bohnen aus dem Ausland importiert,<br />
<br />
Dr. Joachim<br />
E<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Bayerischen Landes-<br />
<br />
<br />
stammende Hülsenfrucht nach Auffassung<br />
des Wissenschaftlers eine einfache<br />
<br />
<br />
<br />
-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
-<br />
<br />
<br />
sind damit die enormen Waldrodungen<br />
-<br />
FOTOS: ISTOCK, PRIVAT<br />
<br />
<br />
<br />
-<br />
-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Anspruchslos im Anbau<br />
<br />
<br />
Paul Groh<br />
über einen regionalen Händler als ei-<br />
<br />
<br />
-<br />
-<br />
<br />
Trockenheit mehr und mehr verschlechtert,<br />
deshalb suchte er nach einer mög-<br />
<br />
haben sich die Rapserträge allerdings<br />
-<br />
<br />
<br />
-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
man den Bestand auch noch unkrautfrei,<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<strong>der</strong> Falter kommt nur alle paar Jahre mit<br />
lieben die frischen Keimlinge und kön-<br />
-<br />
betrieben,<br />
in denen auch <strong>der</strong> Anbau von<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
-<br />
-<br />
land<br />
noch in den Kin<strong>der</strong>schuhen steck-<br />
-<br />
-<br />
-<br />
<br />
<br />
schon fast bei <strong>der</strong> dreifachen Flächen-<br />
<br />
„Wenn mehr Soja in Deutschland angebaut<br />
würde, könnten wir auch Importe aus Län<strong>der</strong>n<br />
<br />
<br />
15
Biodiversität<br />
Im Einklang mit <strong>der</strong> <strong>Natur</strong><br />
Dr. Thomas Gäbert nimmt am Projekt<br />
FarmNetzwerk Nachhaltigkeit teil<br />
Wo Uferschwalben und<br />
Wildbienen daheim sind<br />
Artenvielfalt praxistauglich för<strong>der</strong>n<br />
16<br />
Wie kann die Landwirtschaft<br />
Biodiversität steigern,<br />
ohne an Produktivität zu<br />
verlieren? Für das BASF-<br />
Projekt FarmNetzwerk Nachhaltigkeit<br />
erforschen Wissenschaftler und landwirtschaftliche<br />
Betriebe praktikable<br />
Maßnahmen zur Steigerung <strong>der</strong> Artenvielfalt.<br />
Ein Teilnehmer ist die Agrargenossenschaft<br />
Trebbin (agt).<br />
300 Fel<strong>der</strong>, <strong>auf</strong> denen zwölf ver-<br />
baut<br />
werden, Grünland, 950 Milchkühe,<br />
eine Nachzucht mit rund 800 Rin<strong>der</strong>n,<br />
Baumaschinenverleih, landwirtschaftliche<br />
Dienstleistungen, ein Hotel, eine<br />
Tankstelle, eine Fahrzeugwerkstatt mit<br />
Lackiererei. Die Agrargenossenschaft<br />
Trebbin mit 119 Mitarbeitern gehört zu<br />
den facettenreichsten landwirtschaftlichen<br />
Großbetrieben in Brandenburg.<br />
Dabei steht für die agt die erfolgreiche<br />
Produktion von qualitativ hochwertigen<br />
Lebensmitteln im Mittelpunkt.<br />
„Das heißt für uns auch, dass wir in Biodiversität<br />
investieren wollen“, erklärt<br />
„Insekten erbringen<br />
für unsere Landwirtschaft große Bestäuberleistungen.<br />
Genauso sorgen Regenwürmer<br />
und an<strong>der</strong>e Lebewesen für<br />
einen bioaktiven Boden. Das ist bei unserer<br />
leichten und sandigen Erde beson<strong>der</strong>s<br />
wichtig“, erklärt <strong>der</strong> agt-Betriebsleiter.<br />
Schon früh haben sich Gäbert und sein<br />
Team mit Biodiversität und Bodengesundheit<br />
auseinan<strong>der</strong>gesetzt und eine<br />
regenerative Landwirtschaft betrieben.<br />
Erste Blühstreifen legte die Agrargenossenschaft<br />
Trebbin bereits vor vielen<br />
Jahren ohne Zuschüsse an. För<strong>der</strong>programme<br />
wurden in Brandenburg<br />
erst 2020 eingeführt.<br />
„Die Zusammenarbeit mit<br />
den Landes ministerien ist<br />
mit großen Planungsrisiken<br />
und zu viel Bürokratie<br />
verbunden“, erläutert<br />
<br />
mehr Brutvögel<br />
haben sich <strong>auf</strong> den<br />
Flächen <strong>der</strong> Agrargenossenschaft<br />
Trebbin<br />
seit <strong>der</strong> Teilnahme am<br />
BASF-Projekt angesiedelt<br />
<strong>der</strong> Agrarwissenschaftler.<br />
„Die Behörden machen beispielsweise<br />
Vorgaben bei Blühmischungen, die <strong>auf</strong><br />
unseren Böden teilweise gar nicht gedeihen<br />
können, o<strong>der</strong> För<strong>der</strong>anträge werden<br />
abgelehnt, weil beim Nachmessen <strong>der</strong><br />
<br />
Zentimetern <strong>auf</strong>tauchen. Das komplizierte<br />
Proze<strong>der</strong>e sorgt verständlicherweise für<br />
große Hemmschwellen bei den landwirtschaftlichen<br />
Betrieben“, erklärt Gäbert.<br />
Vernetzte Biodiversität<br />
Ende 2015 erfuhr <strong>der</strong> brandenburgische<br />
Pflanzenexperte vom FarmNetzwerk<br />
Nachhaltigkeit. Mit dem Projekt erforscht<br />
BASF zehn verschiedene Biodiversitätsmaßnahmen,<br />
die den betrieblichen<br />
Abl<strong>auf</strong> einer Landwirtschaft<br />
nicht unter brechen,<br />
son<strong>der</strong>n vielmehr den<br />
Schutz von Klima und<br />
biologischer Artenvielfalt<br />
mit den ökonomischen<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen einer
„Das Ziel <strong>der</strong> Initiative ist, bis zu zehn Prozent<br />
<br />
für vernetzte Biodiversität zu nutzen,<br />
ohne dabei Ertragsverluste zu erleiden“<br />
„Staatliche<br />
Beratung ist rar“<br />
Zur erfolgreichen Umsetzung <strong>der</strong><br />
Maßnahmen steht den 55 Betrieben<br />
des FarmNetzwerks Nachhaltigkeit ein Forscherteam<br />
beratend und analysierend zur<br />
Seite. Dazu zählt auch <strong>der</strong> Agrar ingenieur<br />
und Wildbienen forscher Dr. Christian<br />
Schmid-Egger.<br />
Lässt sich Biodiversität leicht umsetzen?<br />
Nein, denn allein um Blühstreifen sinnvoll<br />
anzulegen, benötigen die Landwirte fachliche<br />
Anleitung. Aber staatliche Beratung ist rar.<br />
In Sachsen-Anhalt gibt es bislang nur eine<br />
halbe Stelle für Biodiversität. Außerdem halte<br />
ich die staatlichen För<strong>der</strong>programme für<br />
wirklichkeitsfremd und kompliziert. Dadurch<br />
werden viele Landwirte abgeschreckt, sich<br />
mit dem Thema zu befassen.<br />
FOTOS: FML, BASF<br />
mo<strong>der</strong>nen Landwirtschaft in Einklang<br />
bringen. Zu den Maßnahmen zählen unter<br />
<br />
Feldlerchenfenstern o<strong>der</strong> Kiebitzinseln.<br />
<br />
Prozent einer landwirtschaftlichen Be-<br />
<br />
-<br />
<br />
<br />
„Dieser Ansatz hat mich sehr interessiert.<br />
Deshalb besuchte ich einen Land-<br />
<br />
<strong>der</strong> schon Projektpartner war. Was ich<br />
<br />
Seit <strong>der</strong> Projektteilnahme sät die agt<br />
<br />
-<br />
<br />
hängt über 100 Nistkästen für Singvögel<br />
<br />
„Die Mehrarbeit sehen wir nicht als<br />
<br />
<br />
-<br />
gelegt<br />
und bei Bedarf ein Schröpfschnitt<br />
<br />
zenarten<br />
durchsetzen wollen.<br />
„Der Arbeits<strong>auf</strong>wand ist unser Bei-<br />
<br />
eine möglichst intakte Umwelt zu hin-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
und Aufwandsentschädigung funktionie-<br />
<br />
<br />
-<br />
<br />
und Landeplätze nutzen können. Die<br />
Kosten dafür werden über geringe Aufpreise<br />
beim Brotverk<strong>auf</strong> kompensiert.<br />
„In diesem Jahr haben wir zum ersten<br />
Mal in einer Übersichtskarte unsere<br />
Aktivitäten markiert. In den kommenden<br />
zwei bis drei Jahren wollen wir Bewe-<br />
<br />
damit sie sich noch besser vermehren<br />
<br />
<br />
Der Einsatz lohnt sich. „Bei uns hat<br />
sich ein Schwarm selten gewordener<br />
Uferschwalben angesiedelt. Außerdem<br />
sind seit letztem Jahr 17 Wildbienenarten<br />
<br />
stehen. Auch die Anzahl <strong>der</strong> Brutvögel<br />
<br />
Welche Erfahrungen haben Sie mit dem<br />
FarmNetzwerk Nachhaltigkeit gemacht?<br />
Wir stellen fest, dass die Landwirte ein reges<br />
und stark zunehmendes Interesse an solchen<br />
Maßnahmen haben. Von daher hoffen wir<br />
auch, dass sich unsere praxistauglichen Maßnahmen<br />
herumsprechen. Durch unsere Forschungsergebnisse<br />
wissen wir, dass sich zum<br />
Beispiel im lokalen Bereich die Vogeldichte<br />
und die Anzahl <strong>der</strong> Wildbienen erhöht haben.<br />
Was geschieht, wenn sich das<br />
Artensterben fortsetzt?<br />
Die Folgen für die <strong>Natur</strong> und auch die Landwirtschaft<br />
sind schwer abzuschätzen, werden<br />
aber gravierend sein. Doch es geht auch um<br />
den kulturellen Wert von Biodiversität. Wollen<br />
wir unseren Kin<strong>der</strong>n eine kaputte <strong>Natur</strong> hinterlassen?<br />
Ist eine Erhöhung <strong>der</strong> Ökolandwirtschaft<br />
eine Lösung?<br />
Die Bewirtschaftungsweise spielt für Artenvielfalt<br />
nur eine geringe Rolle. Die meisten<br />
Insekten leben neben und nicht in den Fel<strong>der</strong>n.<br />
Das heißt, es geht um den Aufbau von Randstrukturen.<br />
Obwohl vielfach behauptet wird,<br />
dass Pestizide die Hauptursache des Insektensterbens<br />
seien, gehe ich davon aus, dass vor<br />
allem <strong>der</strong> Wegfall ihrer Lebensräume das zentrale<br />
Problem ist. In unserem Projekt konnten<br />
wir zum Beispiel sehr schön zeigen, dass sich<br />
die Arten- und Individuenzahlen <strong>der</strong> Wildbienen<br />
<strong>auf</strong> Blühstreifen neben einem konventionell<br />
bearbeiteten Acker über die Jahre deutlich<br />
erhöhen.<br />
17
Landwirt für einen Tag<br />
Auf Augenhöhe Politikerin Anne König interessiert<br />
sich für die Belange <strong>der</strong> Landwirtschaft und<br />
sprach mit Tobias Honvehlmann <strong>auf</strong> dessen Hof<br />
„Mich hat <strong>der</strong> Tag geerdet<br />
Weidegang<br />
Landwirtin Klara Wolf<br />
zeigt Gymnasiallehrer<br />
Thomas Brinkmann,<br />
wo die Kühe täglich<br />
grasen<br />
18
Die kleine Anne<br />
Welche täglichen Aufgaben<br />
fallen <strong>auf</strong> einem Milchviehbetrieb<br />
an? Wie nachhaltig<br />
arbeitet die mo<strong>der</strong>ne Landwirtschaft?<br />
Das Forum<br />
Mo<strong>der</strong>ne Landwirtschaft<br />
organisiert für Interessierte<br />
einen Besuch <strong>auf</strong> dem<br />
Bauernhof. Mitanpacken<br />
inklusive<br />
und glücklich gemacht“<br />
Hilfreich Landwirtin Klara Wolf und ihr Gast Thomas<br />
Brinkmann reparieren gemeinsam die Kälberbürste<br />
Die kleine Anne hat ihren Namen<br />
ihrer ersten Besucherin<br />
zu verdanken: Anne König<br />
war mitten im Gespräch mit<br />
Landwirt Tobias Honvehlmann,<br />
als sich bei Milchkuh Thea die<br />
Geburt des Kälbchens ankündigte. Vielmehr<br />
zweier Kälbchen. „Die Zwillinge<br />
wollten einfach nicht mehr länger warten“,<br />
sagt die CDU-Politikerin, die ihren<br />
<br />
<br />
bei ihrer Ankunft <strong>auf</strong> dem Milchviehbetrieb<br />
in Raesfeld erzählten die Be-<br />
terlän<strong>der</strong>in<br />
von dem bevorstehenden<br />
<br />
noch genügend Zeit für einen ausgiebigen<br />
Gang über Blühwiesen, Fel<strong>der</strong><br />
<br />
FOTOS: TIMO JAWORR<br />
kühen. „Die Zukunft des Berufsstandes<br />
ist durch die wachsenden Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
infrage gestellt“, sagt Anne König.<br />
Viele Verbraucher machten sich gar<br />
keine Gedanken darüber, wie hoch die<br />
Fleisch- und Milchproduktionsstandards<br />
19
Landwirt für einen Tag<br />
Bei den Rin<strong>der</strong>n Auf dem Hof von Matthias Bierth<br />
wartet einmal ganz an<strong>der</strong>e Arbeit <strong>auf</strong> Sabrina Kampmeier,<br />
<br />
Ein Hauch von Frankreich<br />
Auf Burg Berg werden französische<br />
Charolais-Rin<strong>der</strong> gezüchtet<br />
in Deutschland seien. Stattdessen achteten<br />
sie nur <strong>auf</strong> die Preise. „Auf diesem<br />
Hof habe ich eine große Fürsorge <strong>der</strong><br />
Landwirte gegenüber ihren Tieren erlebt.<br />
Zu je<strong>der</strong> Kuh hatten Vater und Sohn<br />
eine Geschichte zu erzählen“, resümiert<br />
die CDU-Politikerin, <strong>der</strong> es ein beson<strong>der</strong>es<br />
Anliegen ist, regelmäßig mit den<br />
Landwirten ihrer Region zu diskutieren.<br />
-<br />
<br />
zu wenig Dialog statt“, moniert Hofnachfolger<br />
Tobias Honvehlmann. Seine Milch<br />
ist mit mehreren Gütezeichen und einem<br />
Tierschutzlabel <strong>der</strong> Premiumstufe ausgezeichnet.<br />
„Mir ist <strong>der</strong> persönliche Kontakt<br />
zu Anne König sehr wichtig, da ich so<br />
die Möglichkeit erhalte, meine Meinung<br />
<strong>der</strong> Politik sachlich schil<strong>der</strong>n zu können.<br />
Anne König ist sehr interessiert und hat<br />
in Sachen Landwirtschaft auch viele Vorkenntnisse“,<br />
urteilt <strong>der</strong> Landwirt. „Mit<br />
mehr Öffentlichkeitsarbeit muss es uns<br />
gelingen, den Graben zwischen Verbrauchern<br />
und Landwirten zu schließen und<br />
junge Menschen als Nachwuchskräfte für<br />
die Landwirtschaft zu gewinnen. So ein<br />
Hofbesuch ist dafür bestens geeignet“,<br />
sagt die Politikerin. „Ich freue mich, dass<br />
be<br />
interessierte Stadtbewohner bei sich<br />
willkommen heißen und ihnen ihren Alltag<br />
nahebringen.“<br />
Ein Lehrer, <strong>der</strong> melkt<br />
Zu den engagierten Landwirten, die<br />
<br />
auch Klara Wolf aus dem Odenwald.<br />
Die junge Landwirtin stellt <strong>auf</strong> ihrem<br />
konventionell betriebenen Milchviehbetrieb<br />
mit 80 Milchkühen und <strong>der</strong>en<br />
Nachzucht Tierwohl und Nachhaltigkeit<br />
in den Mittelpunkt. Davon konnte<br />
sich erst kürzlich Thomas Brinkmann<br />
„Ich freue mich, dass landwirtschaftliche<br />
Betriebe interessierte Stadtbewohner bei sich<br />
willkommen heißen“ Anne König<br />
überzeugen. Der Gymnasiallehrer aus<br />
dem hessischen Königstein hatte <strong>auf</strong><br />
<strong>der</strong> Facebook-Seite des Forums Mo<strong>der</strong>ne<br />
Landwirtschaft von <strong>der</strong> Möglichkeit<br />
erfahren, einen Tag lang <strong>auf</strong> einem land-<br />
<br />
können. „Ich wollte wissen, ob und wie<br />
<br />
mit <strong>der</strong> <strong>Natur</strong> wirtschaftet, und habe ab<br />
<br />
gereinigt und mit einem kleinen Traktor<br />
mit Schiebeschild den Kot <strong>der</strong> Tiere<br />
<br />
stand für ihn fest: Diesen Job kann man<br />
nur hassen o<strong>der</strong> lieben. „Aber mit halbem<br />
Herzen kann man einfach kein Landwirt<br />
<br />
<br />
hat den Familienvater die Vielfältigkeit<br />
<br />
einer Milchtankstelle, in <strong>der</strong> auch an<strong>der</strong>e<br />
Produkte des Hofs angeboten werden,<br />
<br />
<strong>auf</strong>gestellt, um gegen mögliche Krisen<br />
gewappnet zu sein. Gleichzeitig würden<br />
mo<strong>der</strong>nste Technologien eingesetzt, um<br />
das Fressverhalten und die Gesundheit<br />
<strong>der</strong> Tiere zu überwachen, die bis in den<br />
20
Im Getreidelager<br />
Sabrina Kampmeier lässt sich die Abläufe<br />
<strong>der</strong> Getreideproduktion erklären<br />
FOTOS: TIMO JAWORR<br />
späten Herbst hinein jeden Tag ein paar<br />
Stunden lang <strong>auf</strong> <strong>der</strong> Weide verbringen.<br />
„Mich hat <strong>der</strong> Tag so bereichert, geerdet<br />
und glücklich gemacht, dass ich gerne<br />
mit meiner Familie zu den Wolfs fahren<br />
möchte“, sagt <strong>der</strong> 41-jährige Pädagoge.<br />
„Ich glaube, dass diese mo<strong>der</strong>ne und<br />
sinnvolle Landwirtschaft eine Zukunft<br />
hat, und wäre froh, wenn sich an<strong>der</strong>e<br />
Menschen ihrer Klischees gegenüber den<br />
Landwirten entledigen und ebenfalls einen<br />
Tag <strong>auf</strong> einem landwirtschaftlichen<br />
Betrieb verbringen würden.“<br />
Ohne Landwirte? Nein, danke<br />
Zur Burg Berg führte es Sabrina Kampmeier.<br />
Die Apothekenmitarbeiterin war<br />
aus Mönchengladbach in die idyllische<br />
Eifel gefahren, um einen Tag lang Matthias<br />
Bierth und seiner Familie bei ihrer<br />
täglichen Arbeit über die Schulter zu<br />
schauen. Der landwirtschaftliche Betrieb<br />
hat sich <strong>auf</strong> die Zucht von französischen<br />
Charolais-Rin<strong>der</strong>n spezialisiert,<br />
<strong>der</strong>en Fleisch direkt vermarktet wird.<br />
Heu, Silage, also das Silofutter, Getreide<br />
und Braugerste, eine Beson<strong>der</strong>heit<br />
in dieser Region, baut die Familie selbst<br />
„Viele Verbraucher wollen nur das hören, was<br />
sie möchten, o<strong>der</strong> sie ärgern sich, weil im<br />
Sommer so viele Trecker unterwegs sind“<br />
Sabrina Kampmeier<br />
an. Der Betrieb liegt teilweise in einer<br />
zenschutz<br />
noch Dünger ausgebracht<br />
werden dürfen. „Die Gesetze für diese<br />
Gebiete werden ständig strenger, was<br />
unsere Arbeit immer mehr erschwert“,<br />
sagt <strong>der</strong> junge Landwirt. Deshalb ist es<br />
ihm auch ein Anliegen, den Verbrauchern<br />
die realen Umstände <strong>auf</strong> dem Betrieb<br />
darzulegen. „Wir zeigen, was <strong>auf</strong> dem Hof<br />
verbesserungswürdig ist, o<strong>der</strong> sprechen<br />
darüber, welche Vor- und Nachteile bestimmte<br />
Vorgänge haben“, so Bierth.<br />
Sabrina Kampmeier legt Wert dar<strong>auf</strong>,<br />
sich selbst ein Bild von <strong>der</strong> heutigen<br />
Landwirtschaft zu machen, statt sich<br />
allein <strong>auf</strong> Medienberichte zu verlassen.<br />
„Viele Verbraucher wollen nur das hören,<br />
was sie möchten, o<strong>der</strong> sie ärgern sich,<br />
weil im Sommer so viele Trecker unterwegs<br />
sind. Wie würde Deutschland aber<br />
ohne Landwirtschaft dastehen?“, fragt<br />
sie. Hierzulande würden wenigstens gute<br />
<br />
wichtig, regionale Produkte zu k<strong>auf</strong>en,<br />
auch wenn <strong>der</strong> Preis etwas höher liegt.<br />
„Auf jeden Fall kann ich diesen Aktionstag<br />
sehr empfehlen – vor allem eine Treckerfahrt.<br />
Die bringt echt Spaß.“<br />
21
Tierwissen<br />
Tierwissen<br />
Erst Ritual, dann Lebensmittel:<br />
Seit rund 2300<br />
Jahren begannen die<br />
Menschen im östlichen<br />
Mittelmeerraum, Hühner<br />
wegen ihrer Eier und<br />
des Fleisches zu halten.<br />
Davor wurden sie für<br />
Rituale und als Kampfhähne<br />
eingesetzt.<br />
Das fanden Wissenschaftler<br />
durch Funde<br />
in Israel heraus. Von<br />
dort verbreitete sich<br />
die landwirtschaftliche<br />
Hühner haltung nach<br />
ganz Europa.<br />
FOTOS: FML<br />
22
ANZEIGE<br />
Fair vom Stall bis ins Regal<br />
<br />
<br />
Auf die Haltungsbedingungen von Tieren in <strong>der</strong><br />
Landwirtschaft ist aktuell mehr denn je <strong>der</strong> Fokus<br />
<strong>der</strong> Öffentlichkeit gerichtet. Verbraucherinnen<br />
und Verbraucher interessieren sich immer stärker<br />
dafür, woher tierische Produkte stammen und wie die Tiere<br />
gehalten werden, von denen Erzeugnisse wie Fleisch, Milch<br />
o<strong>der</strong> Eier stammen. Jede Eink<strong>auf</strong>sentscheidung kann dar<strong>auf</strong><br />
<br />
tiergerechteren Produkten erhöht das Angebot. Und davon<br />
<br />
sich den Sortiments-Ausbau von faireren Haltungsbedingungen<br />
zur Aufgabe gemacht und bietet ab sofort mit <strong>der</strong><br />
<br />
<br />
<br />
Produkte tierischen Ursprungs mit gutem Gewissen k<strong>auf</strong>en<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Artikel und wird kontinuierlich weiter ausgebaut.<br />
Die verbesserten Haltungsbedingungen im<br />
Überblick:<br />
<br />
✓ Aus Freilandhaltung, eingestuft in Haltungsform 3<br />
✓ Langsam wachsende Rasse<br />
✓ <br />
✓ Aufzucht in überwiegend traditionellen Familienbetrieben<br />
Molkereiprodukte:<br />
✓ Verzicht <strong>auf</strong> Anbindehaltung<br />
✓ Gutes Stallklima, viel Tageslicht und teilweise Ställe mit<br />
Offenfront<br />
✓ <br />
✓ Fütterung ohne Gentechnik<br />
Eier:<br />
✓ Aus Freilandhaltung<br />
✓ <br />
✓ <br />
✓ Faire Bezahlung <strong>der</strong> Erzeuger<br />
✓ Von ausgewählten Familienbauernhöfen<br />
<br />
Fleisch und Wurst vom Schwein:<br />
✓ <br />
vorgeschrieben<br />
✓ Fütterung ohne Gentechnik<br />
✓ Viel frische Luft durch Ausl<strong>auf</strong> o<strong>der</strong> Offenfrontställe<br />
✓ Stroh als natürliches Beschäftigungsmaterial<br />
✓ Eingestuft in Haltungsform 3
Tiere<br />
Außenklimastall mit<br />
Indoor-Spielplatz<br />
Die Lucht GbR nimmt an <strong>der</strong> Initiative Tierwohl teil und setzt dafür<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen um, die zweimal im Jahr, auch unangekündigt, überprüft<br />
werden. Im Gegenzug erhält <strong>der</strong> Betrieb ein Tierwohlentgelt von<br />
seinen Abnehmern. Gegründet wurde die Initiative von Partnern aus Landwirtschaft,<br />
Fleischwirtschaft und Lebensmittelhandel<br />
Tierfreundlich<br />
Thorben Lucht<br />
streut Stroh in die<br />
Schweineboxen ein<br />
„Bei uns können sich die<br />
Schweine den Bodenbelag<br />
selbst aussuchen“<br />
24
Bei Wärme Im Sommer liegen die<br />
Schweine lieber <strong>auf</strong> dem Spaltenboden,<br />
da er schön kühl ist<br />
Die Silbermöwen kreisen über<br />
den langen Kohlfel<strong>der</strong>n des<br />
Lucht-Hofs, <strong>der</strong> sich unweit<br />
<strong>der</strong> Nordsee im Kreis Dithmarschen<br />
befindet. Neben<br />
dem Gemüse- und Tierfutteranbau<br />
widmen sich Thorben Lucht und sein<br />
FOTOS: ITW<br />
Vater Gerhard <strong>der</strong> Schweinemast.<br />
2100 Plätze bieten ihre<br />
beiden Ställe.<br />
um das Wohl <strong>der</strong> Tiere<br />
„In unserem alten Stall<br />
täglich neueinzu ordnen“,<br />
halten wir eine Gruppe sagt <strong>der</strong> Landwirt. Hören,<br />
se hen, riechen: Die<br />
von 700 Tieren“, erzählt<br />
Betriebe nehmen<br />
Lucht junior. Dabei besaß<br />
an <strong>der</strong> Initiative Schweine machen bestimmte<br />
das Gebäude zwar<br />
schon lange einen kleinen<br />
Ausl<strong>auf</strong> sowie Spalten- und<br />
Strohflächen, „aber wenn ein Tier<br />
Tierwohl teil<br />
Geräusche, wenn<br />
es ihnen nicht gut geht.<br />
Lucht beobachtet außerdem,<br />
wie die Tiere liegen o<strong>der</strong> wie ihre<br />
im hinteren Teil des Stalls stand, konnte<br />
es nicht nach vorn zum überdachten<br />
Ausl<strong>auf</strong> kommen, da damals noch Trennwände<br />
das Gebäude teilten. Das fand ich<br />
ungerecht“, erläutert <strong>der</strong> junge Betriebsleiter,<br />
<strong>der</strong> 2010 sein Agrarwissenschaftsstudium<br />
erfolgreich beendete.<br />
Also beschloss die Familie, vor den<br />
alten Stall ein neues Außengehege zu<br />
bauen, sodass es seitdem allen Tieren<br />
möglich ist, nach draußen zu kommen.<br />
Damit nicht genug: 2012 errichtete Familie<br />
Lucht einen sogenannten Außenklimastall,<br />
bei dem sich, je nach Wetterlage,<br />
die Außenwände automatisch öffnen und<br />
schließen lassen. Dazu messen Sensoren<br />
die Außentemperatur. Wird es sehr<br />
heiß, klappen die Jalousien zu. Über Zeitschaltuhren<br />
werden zusätzlich künstliches<br />
Licht und Fütterung gesteuert. Der<br />
neue Stall ist in vier Abteile zu je 350 Tieren<br />
unterteilt.<br />
Ohrstellung ist und ob sich ihre Körperfarbe<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geruch verän<strong>der</strong>n. „Ich<br />
bin mindestens zweimal pro Tag in den<br />
Ställen. Dabei entgeht mir nichts.“<br />
Seit 2016 beteiligt sich <strong>der</strong> Betrieb an<br />
<strong>der</strong> Initiative Tierwohl. Diese wurde von<br />
Partnern aus Landwirtschaft, Fleischwirtschaft<br />
und Lebensmittelhandel gegründet<br />
mit dem Ziel, durch die Vergütung<br />
bestimmter Kriterien das Tierwohl<br />
in Deutschland zu för<strong>der</strong>n. Tatsächlich<br />
nehmen mittlerweile 10 200 Schweineund<br />
Geflügelbetriebe an dem Großprojekt<br />
teil, wovon wie<strong>der</strong>um 647 Millionen<br />
Tiere jährlich profitieren. Das heißt, 34<br />
Prozent <strong>der</strong> Mastschweine und 80 Prozent<br />
Geflügel werden in Deutschland<br />
nach den Vorgaben <strong>der</strong> Initiative gehalten.<br />
Alle Tierhalter müssen .bestimmte<br />
Kriterien erfüllen und erhalten pro Tier<br />
einen festgesetzten Betrag.<br />
Tiere genau beobachten<br />
Neben Beschäftigungsmaterialien wie<br />
Bällen o<strong>der</strong> Jutesäcken haben die Tiere im<br />
Außenklimastall nicht nur eine Indoor-<br />
Spielfläche, son<strong>der</strong>n auch mehr Platz<br />
und die Möglichkeit, eigenständig und<br />
je nach Bedarf zum Futterbereich zu<br />
gehen. Dabei müssen<br />
sie jedes Mal eine Waage<br />
passieren – im Schnitt mindestens<br />
zweimal täglich. „Zwischen 15 und 22<br />
Uhr ist hier ordentlich Bewegung. Wir<br />
setzen zwar keine Sensorenhalsbän<strong>der</strong><br />
für unsere Schweine ein, aber dafür<br />
Überwachungskameras. Zudem<br />
nutze ich alle meine Sinne,<br />
Vorurteile abbauen<br />
Optimal fände <strong>der</strong> schleswig-holsteinische<br />
Landwirt<br />
ein Punktesystem,<br />
das für die unterschiedlichen<br />
Haltungsformen<br />
eingeführt würde. Da-<br />
47%<br />
Rückgang bei<br />
<strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong><br />
Schweinemast betriebe<br />
<br />
durch erhielten mehr<br />
Landwirte entsprechend <strong>der</strong><br />
Möglichkeiten ihrer Betriebe die Chance,<br />
Punkte zu sammeln und <strong>auf</strong> diese Weise<br />
mehr für das Tierwohl tun zu können.<br />
Aktuell werden die Produkte <strong>der</strong> Teilnehmer<br />
<strong>der</strong> Initiative Tierwohl in Haltungsform<br />
2 eingestuft. Das bedeutet,<br />
die Tiere haben mehr Platz und mehr<br />
Beschäftigungsmöglichkeiten.<br />
Dass Schweine im Dunkeln gehalten<br />
würden o<strong>der</strong> sich <strong>auf</strong> Stroh wohler fühlen,<br />
seien reine Vorurteile. „Tatsächlich<br />
sind wir Schweinemasthalter verpflichtet,<br />
eine Mindestanzahl an Fenstern in<br />
unsere Ställe zu bauen. Und tatsächlich<br />
liegen Schweine freiwillig gerne<br />
<strong>auf</strong> kahlen Spaltenböden, vor allem im<br />
Sommer, wenn es heiß ist“, erklärt Lucht.<br />
Hinzu kommt, dass Strohlager zu mehr<br />
Krankheiten führen könnten, da sie zu<br />
Feuchtigkeit neigen und vorm Ausmisten<br />
unsauber sein können. „Bei uns können<br />
sich die Schweine den Bodenbelag selbst<br />
aussuchen“, so Lucht.<br />
<br />
Die Anzahl <strong>der</strong> Schweinemastbetriebe<br />
hat sich in Deutschland drastisch reduziert:<br />
Laut Statistischem Bundesamt verringerte<br />
sich die Zahl <strong>der</strong> Betriebe seit<br />
2010 um 47 Prozent.<br />
„Die deutschen Verbraucher sollen<br />
mit gutem Gewissen Schweinefleisch essen<br />
können“, for<strong>der</strong>t Thorben Lucht. Deshalb<br />
sei es wichtig, dass die deutschen<br />
Betriebe weiterhin bestehen bleiben. In<br />
vielen an<strong>der</strong>en Exportlän<strong>der</strong>n spiele das<br />
Tierwohl nicht so eine vor<strong>der</strong>gründige<br />
Rolle wie hierzulande, und es würde<br />
erst recht nicht so intensiv kontrolliert<br />
wie in Deutschland,<br />
ist sich Lucht sicher.<br />
Auch er investiert<br />
weiter ins Tierwohl: Als<br />
Nächstes plant <strong>der</strong> Betrieb<br />
den Bau eines Ausl<strong>auf</strong>s<br />
am neuen Stall.<br />
25
wird außer Haus verzehrt,<br />
also im Imbiss, in einem<br />
Restaurant o<strong>der</strong> in<br />
einer Bäckerei<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Stefan Teepker ist Hähnchenhalter aus Leidenschaft.<br />
Er for<strong>der</strong>t eine Herkunftskennzeichnung für Hähnchen –<br />
nicht nur im Handel, son<strong>der</strong>n auch in <strong>der</strong> Gastronomie<br />
<br />
<br />
<br />
Die deutsche Hähnchenhaltung unterliegt<br />
sehr scharfen Kontrollen und Verordnun-<br />
<br />
privatwirtschaftliche Inspektionen in den<br />
Betrieben statt, die <strong>auf</strong> das Tierwohl und<br />
eine Qualitätsbegutachtung abzielen. Das<br />
gestaltet sich im Ausland an<strong>der</strong>s.<br />
<br />
<br />
diese Haltungskriterien gar nicht.<br />
<br />
<br />
Europaweit gilt, dass das Gewicht <strong>der</strong><br />
Hähnchen, die sich <strong>auf</strong> einem Quadratme-<br />
<br />
<br />
<br />
<strong>der</strong> Initiative Tierwohl beteiligen, das sind<br />
<br />
halten noch weniger Hähnchen <strong>auf</strong> einem<br />
Quadratmeter, nämlich nur so viel, dass<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
werden von jedem Hähnchen beide<br />
<br />
ausgewertet. Bei Verän<strong>der</strong>ungen o<strong>der</strong><br />
<br />
mit Sanktionen belegt. Sollte es <strong>auf</strong><br />
teneinsatz<br />
kommen, wird dies an eine<br />
Datenbank gemeldet und strengstens<br />
kontrolliert. Auch die Sachkenntnis <strong>der</strong><br />
Tierbetreuer in den Betrieben muss<br />
einmal jährlich nachgewiesen werden.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
verzehrt, also im Imbiss, Restaurant o<strong>der</strong><br />
in einer Bäckerei. Der Kunde weiß nicht,<br />
<br />
<br />
<br />
Gastronomie aus dem Ausland.<br />
<br />
<br />
Der Zentralverband <strong>der</strong> Deutschen<br />
<br />
zwei Jahren eine Kampagne gestartet,<br />
<br />
zung<br />
einer Herkunftskennzeichnung und<br />
<br />
Außer-Haus-Verzehr erscheint schwierig.<br />
Von daher rate ich jedem Verbraucher,<br />
auch in <strong>der</strong> Gastronomie nachzufragen,<br />
<br />
ihm offeriert wird.<br />
26
Interview<br />
Mo<strong>der</strong>ne Technologien<br />
<br />
<br />
-<br />
<br />
Rampensystem <br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Sie betreiben selbst eine Hähnchenmast.<br />
Wie groß ist diese?<br />
Gemeinsam mit vier Familien halten wir<br />
<br />
-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Wie können Sie bei <strong>der</strong> Anzahl noch<br />
den Überblick über jedes Tier und<br />
<br />
<br />
<br />
-<br />
<br />
<br />
-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
-<br />
<br />
<br />
<br />
Wofür ist <strong>der</strong> Roboter im Stall<br />
zuständig?<br />
<br />
<br />
-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Wie schätzen Sie die Zukunft des<br />
<br />
-<br />
<br />
<br />
-<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
„Je<strong>der</strong> Verbraucher sollte in <strong>der</strong> Gastronomie<br />
<br />
das ihm offeriert wird“<br />
27
September warm und klar, verheißt<br />
ein gutes nächstes Jahr“<br />
o<strong>der</strong> „Viel Nebel im November,<br />
viel Schnee im Winter“: Bauernregeln<br />
klingen altmodisch,<br />
basieren aber <strong>auf</strong> langjährigen Beobachtungen,<br />
die über Generationen gesammelt<br />
und weitergegeben wurden. Auch heute ist<br />
kein an<strong>der</strong>er Berufszweig so abhängig vom<br />
Wetter wie die Landwirtschaft.<br />
Mehr als 500 Millionen Euro Schaden<br />
entstehen den Betrieben jährlich<br />
durch Hagel, Sturm, Starkregen, Dürre<br />
o<strong>der</strong> Frost – Tendenz steigend! Allein<br />
2018 führte die extreme Trockenheit in<br />
Deutschland zu Ernteeinbußen in Höhe<br />
von über drei Milliarden Euro.<br />
„Der Klimawandel ist mit schuld an<br />
diesen schweren Verlusten. Im letzten<br />
Winter hatten wir plötzlich Temperaturen<br />
von unter minus 25 Grad in einigen<br />
Regionen, während es in den Jahren zuvor<br />
extreme Dürreperioden gab“, sagt<br />
Thomas Gehrke, Vorstandsmitglied <strong>der</strong><br />
Vereinigten Hagel. Er liefert weitere Beispiele:<br />
„Raps ist kurz vor <strong>der</strong> Ernte beson<strong>der</strong>s<br />
empfindlich gegen Hagel, sodass<br />
die Schoten mit den Körnern <strong>auf</strong>platzen<br />
können. Innerhalb weniger Minuten<br />
kann somit die Arbeit eines ganzen Jahres<br />
vernichtet werden“, sagt <strong>der</strong> Manager.<br />
Auch Starkregenereignisse können bei<br />
frisch ausgesäten Kulturen zu einem Abschwemmen<br />
<strong>der</strong> Saat führen, o<strong>der</strong> wenn<br />
Kirsch- und Apfelbäume früher blühen<br />
und ein plötzlicher Kaltlufteinbruch das<br />
Thermometer unter null Grad sinken<br />
lässt, kann das für Obstbauern den Totalverlust<br />
bedeuten, da die Blüte erfriert<br />
und sich keine Frucht am Baum bildet.<br />
Ernteverluste minimieren<br />
Exakte regionale Wettervorhersagen unterstützen<br />
die Landwirte dabei, Ernteverluste<br />
durch richtige unternehmerische<br />
Entscheidungen abzumil<strong>der</strong>n o<strong>der</strong><br />
sogar ganz zu vermeiden und gleichzeitig<br />
nachhaltiger zu agieren. Das heißt, gezielt<br />
Flächen zu befeuchten o<strong>der</strong> die Frostbe-<br />
Wetterdaten<br />
vom Acker<br />
Über 600 Wetterstationen wurden<br />
in einer Kooperation zwischen<br />
<strong>der</strong> Vereinigten Hagel und dem<br />
bekannten Meteorologen<br />
Jörg Kachelmann in den letzten<br />
zwei Jahren bundesweit errichtet.<br />
Mithilfe <strong>der</strong> gesammelten Daten<br />
können Landwirte ihre Arbeitsabläufe<br />
und Entscheidungen präziser <strong>auf</strong><br />
das Wetter abstimmen<br />
Verschiedene Ausführungen Solartechnologie<br />
sorgt dafür, dass bestimmte Wetterstationsmodelle<br />
direkt <strong>auf</strong> dem Feld völlig autark arbeiten<br />
Klimaabhängig<br />
Unwetter wie die Flutkatastrophe<br />
im Juli 2021 können in <strong>der</strong><br />
Landwirtschaft zum Totalverlust<br />
einer Ernte führen<br />
28
Wetter<br />
FOTOS: VEREINIGTE HAGEL<br />
<br />
regnung im Obstbau<br />
Ort begutachteten<br />
einzuschalten, wenn<br />
Schadenereignisse<br />
es erfor<strong>der</strong>lich ist. Millionen Euro Schaden nicht mit öffentlich<br />
zugänglichen<br />
entstehen den landwirtschaftlichen<br />
Betrieben<br />
Auch Hagelnetze <strong>auf</strong>zuspannen,<br />
bevor die jährlich allein durch Hagel Wetterdaten übereinstimmten.<br />
Das liegt<br />
ersten Körner fallen, gehört<br />
zu den Beispielen für<br />
daran, dass diese nur<br />
aktives Risikomanagement.<br />
großflächig erhoben werden<br />
Zur lokalen Wetterbestimmung<br />
und kleinräumige Extremereignisse<br />
unter dem Radarschirm durchrut-<br />
sind valide Daten notwendig, die nach<br />
wissenschaftlichen Standards verlässlich schen. Hobbylösungen sind sogar noch<br />
gemessen werden. „Auf dieser Grundlage weniger verlässlich und aussagekräftig“,<br />
können passgenaue Versicherungslösungen<br />
zum Beispiel gegen Dürre entwickelt sammen mit Herrn Kachelmann nach<br />
erklärt Gehrke. „Deshalb haben wir zu-<br />
werden“, so <strong>der</strong> Versicherungsexperte. Lösungen gesucht und die Meteosol-<br />
Um die Genauigkeit von lokalen Wetterstationen entwickelt. Neben <strong>der</strong><br />
Wettervorhersagen zu steigern, kooperieren<br />
die Vereinigte Hagel und Jörg Ka-<br />
mehr Organisationen und Behörden da-<br />
Landwirtschaft sind inzwischen immer<br />
chelmann seit mehr als zwei Jahren und ran interessiert. Damit kommen die gemessenen<br />
Daten nicht nur <strong>der</strong> Landwirt-<br />
gründeten mittlerweile ein Tochterunternehmen.<br />
Gemeinsam bieten sie Wetterstationen<br />
in verschiedenen Ausführungen zugute“, sagt Gehrke.<br />
schaft, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> ganzen Gesellschaft<br />
an. Dabei sind die Mastsysteme mit leistungsstarken<br />
Sensoren und Messgeräten <strong>der</strong>en Kosten im drei- bis vierstelligen<br />
Bei den kleinen Wetterstationen,<br />
ausgestattet, die über Funk mit dem Internet<br />
verbunden sind und Daten über reinigen die Landwirte regelmäßig die<br />
Euro-Bereich liegen, kontrollieren und<br />
Temperatur und Luftfeuchtigkeit, Nie<strong>der</strong>schlag<br />
sowie Windparameter bis hin hen Temperaturfühler frei. „Die kleinen<br />
Regenmesser o<strong>der</strong> halten die bodenna-<br />
zur Bodentemperatur und Blattfeuchte Wartungsarbeiten sind für die Landwirte<br />
eine Selbstverständlichkeit, da ihnen<br />
sammeln. Die von den Stationen ermittelten<br />
Wetterdaten werden dem Nutzer die Genauigkeit ihrer Daten wichtig ist,<br />
in Echtzeit über eine App zur Verfügung damit sie besser und frühzeitiger <strong>auf</strong><br />
gestellt. Der Vorteil: Wenn die Wetterstation<br />
18 Monate lang störungsfrei Daten nen“, so Gehrke. Dar über hinaus l<strong>auf</strong>e<br />
Wetterverän<strong>der</strong>ungen reagieren kön-<br />
geliefert hat, fließen ihre Ergebnisse auch vor <strong>der</strong> Installation <strong>der</strong> Wetterstation<br />
in die eigene, lokale Wetterprognose ein. ein Kon trollprozess ab, bei dem ermittelt<br />
Schutz für die Gesellschaft<br />
„Wir haben in den letzten Jahren mehrfach<br />
feststellen müssen, dass unsere vor<br />
wird, ob <strong>der</strong> Standort passt. Sobald eine<br />
Wetter station ans Netz gegangen ist,<br />
werden die gemessenen Daten l<strong>auf</strong>end<br />
einer Kontrolle unterzogen und fehlerhaft<br />
gemessene Werte identifiziert.<br />
Über 1000 weitere lokale Wetter stationen<br />
sollen im kommenden Jahr bundesweit<br />
errichtet werden.<br />
Die Landwirtschaft liegt im Trend:<br />
Mit den lokalen Wetterstationen überführen<br />
die mo<strong>der</strong>nen Landwirte die traditionellen<br />
Bauernregeln in das digitale<br />
Zeitalter.<br />
Lösungen für den<br />
Klimaschutz<br />
Die mo<strong>der</strong>ne Landwirtschaft ist vom<br />
Klimawandel unmittelbar betroffen<br />
und gleich zeitig selbst Verursacher von<br />
Treibhausgasen. Aber sie trägt auch<br />
einen wichtigen Teil dazu bei, die Ursachen<br />
für den Klimawandel zu reduzieren.<br />
Hier einige Beispiele:<br />
Landwirtschaft liegt unter <strong>der</strong> festgelegten<br />
Jahresemissionsmenge:<br />
Die deutsche Landwirtschaft konnte ihre<br />
Treibhausgasemissionen zuletzt um<br />
gut zwei Prozent <strong>auf</strong> 66 Millionen Tonnen<br />
CO 2<br />
-Äquivalente senken. Sie bleibt damit<br />
unter dem für 2020 im Klimaschutzgesetz<br />
festgelegten Jahresgrenzwert von<br />
70 Millionen Tonnen. (Umweltbundesamt)<br />
Landwirtschaft schafft Luft: Die<br />
mo<strong>der</strong>ne Landwirtschaft ist <strong>der</strong> einzige<br />
Wirtschaftssektor, <strong>der</strong> mit dem Anbau<br />
von Ackerfrüchten über die Fotosynthese<br />
klimaschädliches Kohlen dioxid (CO 2<br />
)<br />
binden und Sauerstoff freisetzen kann.<br />
Beispiel: 1 Hektar Mais speichert jährlich<br />
rund 32 Tonnen CO 2<br />
und gibt 24 Tonnen<br />
Sauerstoff ab. (Statista)<br />
Schutz vor Erosion: Die Landwirtschaft<br />
schützt Ackerböden vor Abtrag durch<br />
Wind o<strong>der</strong> Wasser, indem die Landwirte<br />
<br />
Zwischenfrüchte aussäen.<br />
<br />
<br />
sorten<br />
entwickelt, die gegen zunehmende<br />
Wetterextreme wie Hitze und Starkregen<br />
resistenter sind.<br />
Technologien schonen Ressourcen:<br />
Durch den Einsatz digital gestützter<br />
Bewirtschaftungssysteme werden Res-<br />
<br />
CO 2<br />
-Fußabdruck wird durch optimierte<br />
Fütterung verringert: Landwirte setzen<br />
zunehmend Futtermittel ein, die unter<br />
an<strong>der</strong>em den Methan- und Ammoniakausstoß<br />
reduzieren.<br />
Ehrung Dr. Reiner Haseloff (Mitte),<br />
Ministerpräsident von Sachsen-<br />
Anhalt, überreicht Jörg Kachelmann<br />
(links) und Thomas Gehrke eine<br />
Anerkennungsmedaille<br />
Umwelt- und klimaschonende Düngung:<br />
Mit <strong>der</strong> neuen Düngeverordnung<br />
sollen die Stickstoffüberschüsse sowie<br />
die Stickstoff- und Ammoniakemissionen<br />
in <strong>der</strong> Landwirtschaft so weit wie möglich<br />
reduziert werden.<br />
29
Frisch und knackig schmecken<br />
diese vier am besten<br />
Birne<br />
Auf 2140 Hektar Land wurden 2020 in Deutschland<br />
laut Statista Birnen angebaut. Dabei wurden die<br />
<br />
Kirsche<br />
In diesem Jahr erwarten die Landwirte eine geringere<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Auch ein guter Baum<br />
bringt ungleiches Obst<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Sie ist eine gelbe Zwetschge und eine<br />
<br />
<br />
<br />
30
ANZEIGE<br />
Die Erntezeit hat begonnen<br />
Saisonale und regionale Lebensmittel haben bei<br />
<br />
<br />
Im Spätsommer herrscht bei Landwirt<br />
Jürgen Faby aus Steinkirchen in Nie<strong>der</strong>sachsen<br />
Hochbetrieb. Denn jetzt sind<br />
unter an<strong>der</strong>em die Zwetschgen <strong>auf</strong> seinen<br />
Obstplantagen reif, die er bereits in vierter<br />
Generation zusammen mit seinem Vater und<br />
seinem Bru<strong>der</strong> bewirtschaftet. „Zwetschgen<br />
müssen im besten Reifezustand geerntet<br />
werden, dann schmecken sie beson<strong>der</strong>s<br />
lecker und müssen deshalb schnellst-<br />
<br />
ist da ein guter Partner“, erzählt <strong>der</strong> Obstbauer,<br />
<strong>der</strong> mit seinen frischen Früchten<br />
<br />
beliefert. Denn kurze Transportwege vom<br />
Baum bis ins Regal sind entscheidend dafür,<br />
dass das Obst frisch und aromatisch bleibt.<br />
Das gilt natürlich nicht nur für die Zwetschgen<br />
von Jürgen Faby, son<strong>der</strong>n für alle Obstund<br />
Gemüsesorten.<br />
Saisonal einzuk<strong>auf</strong>en ist deshalb nicht nur<br />
für das Geschmackserlebnis, son<strong>der</strong>n auch<br />
mit Blick <strong>auf</strong> die Umwelt zu empfehlen.<br />
Kurze Lieferwege verursachen nämlich<br />
weniger klimaschädliches CO 2<br />
. Genau<br />
<br />
als 400 Obst- und Gemüseartikeln überall<br />
da wo es geht, <strong>auf</strong> heimische Artikel, die<br />
die Kundinnen und Kunden am grünen<br />
„Marktfrisch“- und dem „Qualität aus<br />
Deutschland“-Logo erkennen können. „Jetzt<br />
im Spätsommer und Herbst ist die Haupterntezeit<br />
für viele Lebensmittel. Doch wir<br />
haben hier in Deutschland das Glück, dass<br />
zu je<strong>der</strong> Jahreszeit leckeres Obst und<br />
Gemüse wächst. So können wir das<br />
ganze Jahr über regional geerntete<br />
Artikel anbieten. Mit dem K<strong>auf</strong> dieser Produkte<br />
werden außerdem heimische Erzeuger<br />
und Familienbetriebe wie <strong>der</strong> von Jürgen<br />
Faby unterstüzt“, sagt Robert Pudelko, Leiter<br />
<br />
Doch nicht nur bei Obst und Gemüse setzt<br />
<br />
produkte, Wurstspezialitäten, Backwaren,<br />
Mineralwasser, Wein, Bier o<strong>der</strong> noch vieles<br />
mehr: All das gibt es in den mehr als 700<br />
<br />
ten aus dem jeweiligen Bundesland. Denn<br />
<br />
Produktionsstandort eines Artikels maximal<br />
30 Kilometer von <strong>der</strong> Filiale entfernt liegt.<br />
<br />
schon mit mehr als 1.600 solcher regionalen<br />
<br />
Regionalgesellschaften besteht direkter<br />
Kontakt zu den Erzeugern und die Qualität<br />
und Frische <strong>der</strong> Produkte können vor Ort<br />
geprüft werden. Das Sortiment kann sich<br />
dabei sehen lassen. Mehr als 25.000<br />
<br />
<br />
Das Zugreifen ist hier ganz leicht. Denn<br />
die Produkte erkennt man am braun-roten<br />
Regio-Herz, das sich am Regaletikett des<br />
<br />
Weitere Informationen dazu unter
Voll im Einsatz Renate Linhorst,<br />
Malin Speckmann, Hartwig und Heiko<br />
Linhorst (v.l.n.r.)<br />
Wie ein XXL-Rasenmäher Mit<br />
dem Mulcher wird das Gras in <strong>der</strong><br />
Obstplantage kurz gehalten<br />
Frische Äpfel Malin Speckmann füllt<br />
jeden Tag das reichhaltige Angebot<br />
<br />
32
Obstanbau<br />
<br />
<br />
Familie Linhorst aus Werther betreibt traditionell<br />
Ackerbau und Schweinehaltung. Vor 21 Jahren kam<br />
noch eine Obstplantage hinzu<br />
FOTOS: TIMO JAWORR<br />
Wer nicht wagt, <strong>der</strong> nicht<br />
gewinnt. So ähnlich ging es<br />
Renate und Hartwig Linhorst<br />
sowie Sohn Heiko,<br />
als ihr Nachbar ihnen Anfang 2000 seine<br />
4000 Apfelbäume zur Pacht anbot. Er<br />
wollte in Rente gehen und suchte einen<br />
Nachfolger für seine Obstplantage. „Für<br />
uns war das die Gelegenheit, etwas Neues<br />
auszuprobieren“, erzählt Linhorst senior.<br />
Zwar war die Familie <strong>auf</strong> Ackerbau und<br />
Schweinemast spezialisiert, aber dank <strong>der</strong><br />
Beratung eines befreundeten Obstbauern<br />
trauten sie sich zu, die Anlage zu übernehmen.<br />
Ökonomisch betrachtet sorgte<br />
<strong>der</strong> neue Bereich für eine Absicherung, da<br />
die Linhorsts mit dem Obst ihres „Apfelgartens“<br />
in die Direktvermarktung gehen<br />
wollten, während ihre an<strong>der</strong>en Produkte<br />
wie Schweinefleisch, Raps und Kartoffeln<br />
vom Weltmarkthandel abhängig sind.<br />
„Natürlich mussten wir lernen, wie<br />
man Apfelbäume so beschneidet, dass<br />
sie wie<strong>der</strong> junge Triebe entwickeln, o<strong>der</strong><br />
dass nicht zu viele Äpfel an einem Baum<br />
hängen dürfen, damit dieser nicht überfor<strong>der</strong>t<br />
wird“, erklärt Renate Linhorst,<br />
die hauptberuflich als Lehrerin tätig ist.<br />
Doch das hat die Familie, die sich 2013<br />
um Malin Speckmann, Schwiegertochter<br />
in spe, vergrößert hat, schnell verstanden.<br />
2016 pflanzten die Linhorsts dann<br />
eine neue Anlage mit 5000 Apfel- und<br />
200 Birnbäumen an. Die alte Anlage<br />
wurde gerodet. „Nach 15 Jahren lässt die<br />
Leistung <strong>der</strong> Bäume nach. Wo sie standen,<br />
betreiben wir jetzt wie<strong>der</strong> Ackerbau“,<br />
sagt Heiko Linhorst.<br />
<br />
19 Apfel- und eine Birnensorte bieten<br />
sie in ihrem Hofladen an, den sie 2016<br />
ausgebaut haben. Dazu Schweinefleisch<br />
und Wurst aus eigener Produktion sowie<br />
Kartoffeln und saisonales Gemüse wie<br />
Möhren, Zwiebeln o<strong>der</strong> Spargel, Marmeladen,<br />
Eier und vieles mehr. Diese Waren<br />
stammen von umliegenden Höfen. „Wir<br />
tauschen unsere Erzeugnisse mit an<strong>der</strong>en<br />
Landwirten aus, sodass wir unseren<br />
Kunden eine große Vielfalt an regionalen<br />
Produkten anbieten können“, erzählt<br />
Heikos Verlobte Malin. Und die Kunden<br />
danken es ihnen mit Treue und Vertrauen.<br />
90 Prozent <strong>der</strong> Apfelernte werden im<br />
eigenen Laden verk<strong>auf</strong>t, <strong>der</strong> Rest über<br />
örtliche Supermärkte.<br />
Das Highlight des Jahres beginnt ab<br />
Mitte September und geht bis Ende Oktober.<br />
„Dann können Interessierte zum<br />
Selberpflücken zu uns kommen. Daran<br />
haben die Leute wirklich großen Spaß,<br />
<br />
<br />
<br />
Dieser Sommerapfel ist mild und<br />
saftig. Er wird von Konsumenten<br />
bevorzugt, die keine Säure vertragen.<br />
••••••••••••••••••••<br />
Elstar, Rubinette:<br />
Diese beliebten Sorten schmecken<br />
süß und sauer zugleich.<br />
••••••••••••••••••••<br />
<br />
Säuerlich aromatische Sorten.<br />
••••••••••••••••••••<br />
Gala, Fuji Kiku:<br />
Sie schmecken süß, saftig und<br />
sind für Allergiker geeignet.<br />
••••••••••••••••••••<br />
<br />
Beide Sorten sind sehr gut<br />
verträglich, aromatisch süßsäuerlich.<br />
••••••••••••••••••••<br />
Zum Backen werden Äpfel mit höherem<br />
Säureanteil bevorzugt, für Apfelmus<br />
eignet sich immer eine gute Mischung,<br />
ebenso für die Saftproduktion.<br />
nicht nur Familien“, meint Renate Linhorst.<br />
„Neulich kam eine Dame ziemlich<br />
übellaunig <strong>auf</strong> den Hof gefahren. Nachdem<br />
sie ihre Äpfel gepflückt hatte, fuhr<br />
sie selig und entspannt nach Hause“, erzählt<br />
die Landwirtin lächelnd.<br />
Von den 40 Tonnen Obst, die die<br />
Familie pro Jahr erntet, wird ein Drittel<br />
über das Selbstpflücken verk<strong>auf</strong>t.<br />
<br />
Beson<strong>der</strong>s schmunzeln müssen die vier,<br />
wenn Kunden im Mai anfragen, ob sie<br />
Äpfel pflücken dürften. „Das zeigt uns,<br />
wie weit die Verbraucher von <strong>der</strong> Landwirtschaft<br />
entfernt sind. Deshalb schätzen<br />
wir das Interesse unserer Kunden<br />
im direkten Kontakt sehr“, sagt Malin<br />
Speckmann.<br />
So entsteht auch das Verständnis<br />
für den einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en natürlichen<br />
Makel. „Wenn es hagelt, bekommen die<br />
Äpfel natürlich Narben. Das hat aber mit<br />
ihrer geschmacklichen Qualität überhaupt<br />
nichts zu tun“, erklärt die Ostwestfälin.<br />
Auch Schorf ist nur ein optischer<br />
Mangel. „Supermärkte würden dieses<br />
Obst allerdings nicht abnehmen“, fügt<br />
Hartwig Linhorst hinzu.<br />
Äpfel, die nicht zum Verzehr verk<strong>auf</strong>t<br />
werden können, werden zu Saft verarbeitet,<br />
<strong>der</strong> ebenfalls im Hofladen angeboten<br />
wird.<br />
Im Umkreis von Bielefeld gehört<br />
<strong>der</strong> Betrieb <strong>der</strong> Familie Linhorst zu den<br />
wenigen, die Obst anbauen. „Wir sind ein<br />
kleiner Betrieb und machen alles selbst.<br />
,Apfelgarten Linhorst‘ steht für Qualität<br />
und Tradition“, sagt Heiko stolz.<br />
Den Namen „Apfelgarten“ für die<br />
Obstplantage erfand übrigens ein chinesischer<br />
Student, <strong>der</strong> als Erntehelfer<br />
nach einem Begriff für die Anlage suchte.<br />
Dabei ist es dann geblieben.<br />
33
Es gibt zwei Millionen private Waldeigentümer in Deutschland.<br />
<br />
und Aufwand. Nils Thun aus Schleswig-Holstein ist einer von ihnen<br />
%<br />
<br />
<br />
Wenn Nils Thun am verborgenen<br />
Horst des Schwarzstorchs vorbeikommt,<br />
freut er sich jedes Mal.<br />
Immerhin leben laut <strong>Natur</strong>schutzbund<br />
nur rund 800 bis 900 Brutpaare<br />
<strong>der</strong> scheuen Waldbewohner in ganz Deutschland.<br />
Und dieses schwarz schillernde Paar hat sich<br />
ausgerechnet seinen 30 Hektar großen Wald als<br />
Wohn- und Brutstätte ausgewählt, genau wie <strong>der</strong><br />
rotbraun gefie<strong>der</strong>te Greifvogel, ein Rotmilan, und<br />
dazu Rotwild, Füchse, Hasen und Mar<strong>der</strong>.<br />
„Nur Wildschweine gibt es bei uns nicht“, berichtet<br />
<strong>der</strong> 31-Jährige, <strong>der</strong> gemeinsam mit seinem<br />
Vater den seit knapp 500 Jahren im Familienbesitz<br />
befindlichen Hof im schleswig-holsteinischen Tappendorf<br />
betreibt. Er ist <strong>der</strong> mittlere von drei Brü<strong>der</strong>n.<br />
Während es für Nils schon früh feststand, in<br />
die Fußstapfen seines Vaters Hans-Jürgen zu treten,<br />
haben sich seine Brü<strong>der</strong> Henrik und Ole für an<strong>der</strong>e<br />
Berufe entschieden.<br />
<br />
Auf dem Thun-Hof im Ostseekreis Rendsburg-<br />
Eckernförde werden Ackerbau und Schweinemast<br />
betrieben. Unweit des Dorfs befindet sich ein <strong>Natur</strong>juwel,<br />
das zu den schönsten Schmuckstücken<br />
des Betriebs zählt: ein intakter Laubmischwald, <strong>der</strong><br />
hauptsächlich aus Eichen, Buchen, Eschen, Lärchen<br />
und Fichten besteht und über keine öffentlichen<br />
Wege verfügt.<br />
Knapp zwei Millionen private Waldeigentümer<br />
gibt es laut <strong>der</strong> Familienbetriebe Land und Forst e. V.<br />
in Deutschland. Deren Flächen umfassen fast die<br />
Hälfte des gesamten Waldbestands in Deutschland.<br />
Die Besitzer pflegen und schützen diesen einmaligen<br />
Rückzugsort für Tiere und Pflanzen, <strong>der</strong> Tausende<br />
34
Forstwirtschaft<br />
80 %<br />
<strong>der</strong> deutschen<br />
<br />
sind mit Nachhaltig-<br />
<br />
ausgezeichnet.<br />
Qualitativ wertvoll<br />
Der Waldboden steckt<br />
voller Mikroorganismen<br />
und Humus<br />
Weltweit sind es<br />
<br />
Baummarkierung<br />
Im Sommer<br />
markiert Nils Thun<br />
die Bäume, die<br />
im Winter gefällt<br />
werden müssen<br />
Ehrfürchtig Manchmal<br />
nimmt sich Nils die Zeit und<br />
zählt die Jahresringe eines<br />
Baums. In seinem Wald sind<br />
viele mehr als 100 Jahre alt<br />
FOTOS: TIMO JAWORR<br />
Tonnen an Sauerstoff produziert, Kohlenstoff speichert<br />
und einen klimafreundlichen Rohstoff liefert.<br />
„Wenn ich bei einem Baum die Jahresringe zähle<br />
und bei 250 ins Trudeln gerate, dann ist das schon<br />
sehr eindrucksvoll“, erzählt Nils Thun. „Auch <strong>der</strong><br />
weiche Waldboden mit seinem hohen Humus gehalt<br />
fasziniert mich immer wie<strong>der</strong>“, bekundet <strong>der</strong> junge<br />
Agrar wissenschaftler. Aus diesem Grund versucht<br />
er, die guten Eigenschaften des Waldbodens <strong>auf</strong><br />
den Acker zu übertragen. Dafür löst er Stücke<br />
des Waldbodens in speziell angereichertem Wasser<br />
<strong>auf</strong> und vermehrt darin die Mikroorganismen.<br />
„Danach spritze ich das mit den Mikroorganismen<br />
des Waldes angereicherte Wasser <strong>auf</strong> dem Acker<br />
aus“, erklärt er. „Ich stelle tatsächlich fest, dass die<br />
behandelten Pflanzen stresstoleranter und vitaler<br />
werden und ich dadurch chemischen Pflanzenschutz<br />
reduzieren kann.“<br />
Ein Wald als Hobby<br />
Jedes Jahr im Sommer, wenn alles grünt, durchläuft<br />
<strong>der</strong> Landwirt gemeinsam mit seinem Vater den Wald<br />
und markiert Bäume, die krank sind, zu eng stehen<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en das Licht nehmen. Im Winter werden<br />
diese dann gefällt, zerlegt und <strong>auf</strong> einem Holzplatz<br />
sortiert. „Der Förster übernimmt die Holzvermarktung“,<br />
sagt Thun junior. Es gebe sogar Holzauktionen,<br />
<strong>auf</strong> denen beson<strong>der</strong>s schöne Stämme<br />
an Edeltischlereien versteigert würden, erzählt er.<br />
Im Frühjahr und Herbst pflanzt <strong>der</strong> Landwirt<br />
neue Bäume. Deren junge Stämme werden zum<br />
Schutz ummantelt.<br />
Die Arbeit im Wald sieht <strong>der</strong> Schleswig-Holsteiner<br />
als reines Hobby an. „Wir verdienen nicht an<br />
unserem Forst. Aber es ist ein tolles Gefühl, einen<br />
eigenen Wald zu haben, in dem es so friedlich zugeht<br />
und die Welt noch intakt zu sein scheint.“<br />
3<br />
Tonnen Sauerstoff<br />
pro Hektar<br />
produziert ein Wald<br />
Deutschland<br />
hat in Europa<br />
den größten<br />
Holzvorrat<br />
35
Drei verrückte Jungs<br />
So nennen sich Jakob, Johann<br />
und Julius Becker (v.l.n.r.) in<br />
den sozialen Medien. Unten:<br />
Ihre Eltern Alexandra und Marco<br />
Zwischen Tradition<br />
und Zukunft<br />
Drei Söhne plus Eltern. Mit dieser personellen<br />
Mischung entstehen <strong>auf</strong> dem Weingut Becker in Mainz<br />
die verrücktesten Anbauideen<br />
Die schönsten Stunden des Tages<br />
beginnen für Alexandra und<br />
Marco Becker an lauen Sommerabenden,<br />
wenn das Ehepaar<br />
nach getaner Arbeit über<br />
einem seiner Weinberge in <strong>der</strong> rheinhessischen<br />
Gemeinde Ebersheim sitzt und den<br />
Blick über die grüne, hügelige Landschaft<br />
genießt. „Das erdet und erfüllt, besser als<br />
je<strong>der</strong> Urlaub“, erzählt die Winzerin.<br />
Gemeinsam mit ihrem Mann und ihren<br />
drei Söhnen Johann, Jakob und Julius<br />
bewirtschaftet die Rheinland-Pfälzerin<br />
<strong>auf</strong> ihrem konventionellen Betrieb eine<br />
23Hektar große Weinanb<strong>auf</strong>läche sowie<br />
30 Hektar Acker- und Apfelanbau.<br />
„Wir haben 20 verschiedene Rebsorten<br />
<strong>auf</strong> unseren unterschiedlichen Böden angepflanzt<br />
und produzieren pro Jahr rund<br />
30 000Flaschen Wein“, sagt die Landwirtin.<br />
Allein in diesem Jahr hat die Familie<br />
8000 neue Rebstöcke gepflanzt und damit<br />
eine Anlage aus 1970 ersetzt. „Je älter <strong>der</strong><br />
Rebstock ist, desto geringer, aber stabiler<br />
und gehaltvoller werden die Erträge. Im<br />
Schnitt überdauert eine Rebanlage 30 bis<br />
40 Jahre“, so die Weinexpertin.<br />
Wein und Tomaten<br />
Bei <strong>der</strong> Weinproduktion steht für die<br />
Winzerfamilie das Thema Nachhaltigkeit<br />
im Fokus. Das beginnt schon bei <strong>der</strong> Wahl<br />
<strong>der</strong> Weinreben. „Wein ist sehr empfindlich<br />
und hat einen natürlichen Feind: Pilz.<br />
Deshalb bauen wir auch wi<strong>der</strong>standsfähige<br />
Rebsorten an.“ Neben einer organischen<br />
Düngung säen die Beckers regionale Kräuter<br />
und Mischungen für Blühstreifen zwischen<br />
den Rebstöcken an, um den Böden<br />
genügend Nährstoffe zuzuführen und für<br />
mehr Biodiversität zu sorgen.<br />
Darüber hinaus probierten sie vor zwei<br />
Jahren etwas Neues <strong>auf</strong> ihren Jungfel<strong>der</strong>n<br />
aus. „Wir haben 500 Tomatenstauden und<br />
Kohlgemüse zwischen die Reben gepflanzt<br />
und die Ernte in unserem Selbstbedienungsladen<br />
verk<strong>auf</strong>t“, erzählt Johann. Mit<br />
seinen 20Jahren ist er <strong>der</strong> älteste <strong>der</strong> drei<br />
Söhne. „Das kam sehr gut bei unseren Kunden<br />
an“, freut er sich.<br />
Nachhaltiges Handeln hat <strong>auf</strong> dem<br />
Weingut Vorrang. So wurde die Familie<br />
für ihr vorbildliches Engagement im Rahmen<br />
des Projekts „Blühendes Rheinhessen<br />
– Wein, Weizen, Wildbienen“ vom BUND<br />
Landesverband Rheinland-Pfalz ausgezeichnet.<br />
Statt künstlicher Schönungsmittel<br />
setzen die Beckers natürliche Hefen<br />
und lange Lagerzeiten in den Fässern ein.<br />
Einzig <strong>auf</strong> den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln<br />
verzichtet <strong>der</strong> Betrieb nicht.<br />
„Das ist auch bei den Teilnehmern unserer<br />
Weinwan<strong>der</strong>ungen immer wie<strong>der</strong> ein<br />
Gesprächsthema“, sagt Alexandra Becker.<br />
„Um den Verbrauchern zu demonstrieren,<br />
was passiert, wenn wir <strong>auf</strong> Pflanzenschutz<br />
verzichten, wird seit 2016 in einer Parzelle<br />
überhaupt kein Schutzmittel mehr ausgebracht.<br />
Tatsächlich hatten wir dort auch<br />
schon einen Nullertrag. Die Trauben sahen<br />
klein und verschrumpelt aus. Sie haben<br />
keinerlei Most geliefert und waren stattdessen<br />
vom Pilz befallen.“<br />
Von lieblich bis spritzig<br />
Grundsätzlich experimentieren die Beckers<br />
gerne mit ihren Böden und den<br />
36
Weinbau<br />
Neues ausprobieren Zwischen ihren<br />
<br />
und Kohl an. Die Produkte verk<strong>auf</strong>en<br />
sie in ihrem Selbstbedienungsladen<br />
Nah an den Kunden Bei Weinwan<strong>der</strong>ungen<br />
und an<strong>der</strong>en Veranstaltungen führen die Beckers<br />
konstruktive Dialoge mit ihren Besuchern<br />
<br />
Weinsorten herum. „Unsere drei Söhne<br />
haben sehr viele Ideen, die sie zukünftig<br />
in unserem Betrieb testen wollen“, sagt<br />
die Mutter stolz. Jakob, mit 18 Jahren <strong>der</strong><br />
zweitälteste Sohn, ergänzt: „Wir sind gerade<br />
dabei, unseren ersten eigenen Sekt zu<br />
produzieren, und auch alkoholfreie Saft-<br />
Seccos sind sehr gefragt.“ Die Beckers<br />
probieren zudem gern neue Rebsorten<br />
aus, zum Beispiel die in Deutschland bisher<br />
selten vorkommende rosa Chardonnay-<br />
Traube, die einen spritzig-cremigen Wein<br />
ergibt, sowie einen Blütenmuskateller aus<br />
Österreich, <strong>der</strong> ebenfalls zu den pilz wi<strong>der</strong>-<br />
Neuer Glanz in alten Fässern Vor <strong>der</strong><br />
<br />
„Es ist nicht selbstverständlich, dass<br />
gleich alle drei Söhne für die Landwirtschaft<br />
und den Weinbau brennen“<br />
standsfähigen Rebsorten gehört. „Diese<br />
Sorte ist in Deutschland bisher noch gar<br />
nicht zugelassen“, beschreibt Jakob. „Uns<br />
schwebt eine liebliche Variante vor, die<br />
man sehr gut auch ohne eine Mahlzeit<br />
genießen kann.“<br />
Ein weiteres Spielfeld <strong>der</strong> Beckers ist<br />
<strong>der</strong> Ausbau von Weißweinen in Eichenfässern.<br />
„Durch das Holz erhält <strong>der</strong> Wein<br />
nicht nur eine stärkere Farbe, son<strong>der</strong>n wird<br />
auch intensiver im Geschmack“, erklärt<br />
Julius (16), <strong>der</strong> dritte im Bunde.<br />
Von ihrem Beruf überzeugt<br />
Die Eltern freuen sich über ihre hochmotivierten<br />
Söhne. „Es ist ja nicht selbstverständlich,<br />
dass gleich alle drei für die Landwirtschaft<br />
und den Weinbau brennen“, sagt<br />
Alexandra Becker.<br />
Jeden Morgen um sechs Uhr bespricht<br />
die Familie beim Frühstück die anfallenden<br />
Arbeiten sowie neue Pläne und Innovationen.<br />
Auch <strong>der</strong> Großvater sitzt mit<br />
am Tisch. Alle drei Generationen sind mit<br />
großem Eifer und viel Spaß dabei. „Keiner<br />
von uns könnte sich einen schöneren Beruf<br />
vorstellen“, sagen die Beckers.<br />
Ihr gemeinsames Ziel: „Wir wollen unser<br />
Angebot weiter ausbauen und unseren<br />
Kunden eine möglichst große Bandbreite<br />
an Weinen und Sekt bieten“, sagt Johann.<br />
„Das Tolle ist, dass je<strong>der</strong> von uns unterschiedliche<br />
Aufgaben favorisiert. Ich arbeite<br />
zum Beispiel gerne im Keller, kümmere<br />
mich ums Keltern, Vergären o<strong>der</strong> die<br />
Abfüllung“, berichtet Johann weiter. Er hat<br />
erst kürzlich seinen Abschluss zum Winzer<br />
gefeiert. Jakob dagegen ist am liebsten<br />
<strong>auf</strong> den Weinbergen, er sorgt für den<br />
Pflanzenschutz o<strong>der</strong> das Ausdünnen <strong>der</strong><br />
Weinblätter. Und Julius liegt die Vermarktung<br />
sowie <strong>der</strong> Besuch von Messen und die<br />
Kundenansprache im Blut.<br />
„Wir ergänzen uns alle hervorragend.<br />
Und selbst, wenn wir einmal diskutieren,<br />
wissen wir, dass wir auch in Zukunft zusammenhalten<br />
und erfolgreich arbeiten<br />
werden“, schließt Alexandra Becker ab.<br />
37
Weinbau<br />
„Feinfruchtige Weine<br />
bevorzugt“<br />
Seit 1999 führt Stephan<br />
Klöckner das Familienweingut<br />
Aloys Klöckner in<br />
Guldental zusammen mit<br />
seiner Frau Simone. Hier<br />
erklärt <strong>der</strong> diplomierte<br />
Weinbauingenieur, welche<br />
Trends sich <strong>auf</strong> dem deutschen<br />
Markt abzeichnen<br />
und wor<strong>auf</strong> man beim<br />
K<strong>auf</strong> achten sollte<br />
Ihre Familie übt seit 400 Jahren<br />
das Winzerhandwerk aus. Was ist so<br />
spannend an dem Beruf?<br />
Wir waren früher ein Gemischtbetrieb mit<br />
Acker- und Weinbau. Als ich von meinem<br />
Vater den Hof übernahm, haben wir zum<br />
-<br />
<br />
und Pacht erheblich vergrößert und uns<br />
in <strong>der</strong> Folge ausschließlich dem Weinbau<br />
verschrieben. Seitdem konzentrieren wir<br />
uns ganz <strong>auf</strong> die Bewirtschaftung <strong>der</strong><br />
<br />
<br />
Arbeit in und mit <strong>der</strong> <strong>Natur</strong>, das kreative<br />
Management des Weinausbaus und<br />
damit verbunden das Entwickeln eigener<br />
<br />
Austausch mit den Konsumenten.<br />
Welche Weinsorten bauen Sie an?<br />
<br />
Rebsorten vertreten. Es sind in erster Linie<br />
die weißen und roten Burgun<strong>der</strong>sorten,<br />
Riesling, Silvaner, Sauvignon blanc, aber<br />
<br />
Sorten wie Regent o<strong>der</strong> Calardis blanc,<br />
<br />
-<br />
<br />
die Auswahl <strong>der</strong> Sorte wohlüberlegt sein<br />
muss. Immerhin stehen die Weinstöcke<br />
<br />
<br />
Wie viel Wein produzieren Sie jährlich?<br />
Wir ernten etwa 7500 bis 8000 Liter Wein<br />
<br />
<br />
berücksichtigen, dass junge Reben erst<br />
<br />
-<br />
<br />
<br />
Welche Weine liegen <strong>der</strong>zeit im Trend?<br />
<br />
mit mo<strong>der</strong>atem Alkoholgehalt interes-<br />
<br />
<br />
<br />
insbeson<strong>der</strong>e Grau- und Weißburgun<strong>der</strong>,<br />
Rivaner, Bacchus o<strong>der</strong> Muskat Ottonel,<br />
aber auch leichtere Roséweine und<br />
ausdrucksvolle Rotweine. Edelsüße Weine<br />
wie Eiswein o<strong>der</strong> Beerenauslesen werden<br />
dagegen kaum noch nachgefragt. Stattdessen<br />
werden eher feinfruchtige Weine<br />
bevorzugt, <strong>der</strong>en Aroma durch eine leichte<br />
Restsüße unterstrichen wird.<br />
Wor<strong>auf</strong> sollte ein Nicht-Weinkenner<br />
beim K<strong>auf</strong> eines Weines achten?<br />
Er sollte sich am Etikett orientieren, auch<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<strong>auf</strong> einen individuellen und weniger <strong>auf</strong><br />
<br />
<br />
„Ich bin praktizieren<strong>der</strong> Christ.<br />
Für mich ist es selbstverständlich,<br />
die Schöpfung zu wahren“<br />
einem allzu günstigen Wein kann ich nicht<br />
geschmacklich Großes o<strong>der</strong> einen ausge-<br />
<br />
Welchen Herausfor<strong>der</strong>ungen müssen<br />
sich Winzer heute stellen?<br />
<br />
Klimawandel dar. Anhaltende Trockenheit<br />
<br />
letzten Jahren bringt massive Probleme<br />
mit sich, gerade in Ertragsanlagen <strong>auf</strong><br />
<br />
<br />
nachgedacht werden. Weiterhin verzehren<br />
<br />
neue Verordnungen und zahlreiche<br />
-<br />
<br />
und Geld. Es wird in <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />
kaum über Billigwein und die daraus resultierende<br />
nicht kostendeckende Entlohnung<br />
<br />
Wein ein Luxusgut und nicht essenziell<br />
fürs Leben ist.<br />
Wie stehen Sie zum Thema Biowein?<br />
Ökologischer Weinanbau ist mir teilweise<br />
zieren<strong>der</strong><br />
Christ. Für mich ist es selbst-<br />
<br />
und den Einsatz synthetisch-chemischer<br />
Substanzen <strong>auf</strong> das notwendige Maß zu<br />
-<br />
<br />
o<strong>der</strong> Grünschnitt, wir bauen in unseren<br />
Rebgassen Gelbsenf, Ölrettich, Roggen<br />
-<br />
38
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
<br />
Fanny-Zobel-Str. 7<br />
12435 Berlin<br />
<br />
info@mo<strong>der</strong>ne-landwirtschaft.de<br />
www.mo<strong>der</strong>ne-landwirtschaft.de<br />
nung an, um freien Stickstoff im Boden<br />
zu binden. Anschließend mulchen wir das<br />
Grün und arbeiten es als Biomasse in<br />
den Boden ein, was einer Düngung gleichkommt.<br />
Dennoch hat Nachhaltigkeit bei<br />
Wein eine Grenze. Letztlich handelt es sich<br />
um eine Monokultur, und nur wenn Reben<br />
und Trauben gesund sind, kann daraus<br />
auch ein qualitativ guter Tropfen gewonnen<br />
werden.<br />
Tolles Team<br />
Stephan Klöckner ist<br />
<strong>der</strong> Bru<strong>der</strong> von Julia<br />
Klöckner, Bundesministerin<br />
für Ernährung und<br />
Landwirtschaft. Seine<br />
Frau Simone und er<br />
konzentrieren sich<br />
ganz <strong>auf</strong> den Weinbau<br />
Verantwortlich für den Inhalt:<br />
Lea Fließ<br />
Projektverantwortlich: Renate Wegert<br />
Redaktion: Catrin Krawinkel<br />
Gestaltung und Layout: Anja Giese<br />
Litho: <br />
Druck: Krögers Buch- und<br />
<br />
<br />
Nachdruck und Reproduktion sind nach<br />
schriftlicher Genehmigung durch das<br />
Forum Mo<strong>der</strong>ne Landwirtschaft möglich<br />
FOTO: WEINGUT ALOYS KLÖCKNER<br />
Diskutieren Sie solche Themen mit<br />
Ihrer Schwester Julia Klöckner, unserer<br />
Bundesministerin für Ernährung und<br />
Landwirtschaft?<br />
Aufgrund ihrer Aufgaben ist sie nicht<br />
<br />
schaut immer wie<strong>der</strong> vorbei. Dann probieren<br />
wir Weine im Keller und tauschen<br />
<br />
im Weinbau. Wir kommunizieren ebenfalls<br />
viel via Mail o<strong>der</strong> soziale Medien.<br />
Da meine Schwester ihre Beziehung zur<br />
Guldentaler Scholle nicht verloren hat,<br />
weiß sie durchaus, was notwendig und<br />
sinnvoll für die Landwirtschaft ist, und<br />
steht auch dafür ein.<br />
Was Sie schon immer über Weinbau<br />
wissen wollten, erfahren Sie hier.<br />
Einfach den QR-Code einscannen, und<br />
<br />
35
Großes<br />
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<strong>auf</strong> dem Land gewinnen<br />
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für vier Personen <strong>auf</strong> dem „Sauwohlfühlhof“<br />
<strong>der</strong> Familie Winkelkötter in traumhafter Lage<br />
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Wan<strong>der</strong>n und Radfahren ein. Sauwohl fühlen sich <strong>auf</strong> dem „Sauwohlfühlhof“ vor allem<br />
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o<strong>der</strong> gehen Sie online unter<br />
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<strong>Zucker</strong>rüben <strong>auf</strong> ihren Fel<strong>der</strong>n an?<br />
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Unser Tipp<br />
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Magazin <strong>auf</strong>merksam durchschauen.<br />
Wir wünschen Ihnen viel Glück!<br />
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mo<strong>der</strong>ne.landwirtschaft<br />
mo<strong>der</strong>nelandwirtschaft<br />
Stadt.Land.Wissen.<br />
forum-mo<strong>der</strong>ne-landwirtschaft<br />
mo<strong>der</strong>nelw<br />
Forum Mo<strong>der</strong>ne Landwirtschaft