EVL erleben 02|2021 Sonderausgabe
Sonderausgabe über das Hochwasser am 14. Juli 2021.
Sonderausgabe über das Hochwasser am 14. Juli 2021.
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EVL ERLEBEN I SONDERAUSGABE
SONDERAUSGABE I EVL ERLEBEN
Daniel Fischermann (l.) und Stefan Müller (r.)
vor einer zerstörten Trafostation.
„SO STELLE ICH MIR KRIEG VOR“
INTERVIEW: ZWEI DER EVL-NETZMEISTER ZIEHEN NACH DER FLUT BILANZ
Stefan Müller (40) und Daniel Fischermann
(38) sind als Netzmeister
für die Energieversorgung
Leverkusen (EVL) im Einsatz und
kümmern sich im Alltag um Entstörung
und Instandhaltung des Stromnetzes.
Seit ihrer Ausbildung bei der EVL haben
beide mehr als 20 Jahre Berufserfahrung
gesammelt und die ein oder
andere größere Hürde im Tagesgeschäft
genommen. Dass die größte berufliche
Herausforderung noch vor ihnen
liegt, hätten beide am Morgen des
14. Juli nicht gedacht. Ein Rückblick –
über viele Arbeitsstunden, starke Partner
und große Solidarität.
Mit ein paar Wochen Abstand, habt
ihr die Flutkatastrophe gut verarbeitet?
Daniel Fischermann: Die Müdigkeit
war schnell aus den Knochen. Dennoch
war ich froh, dass ich danach erst
einmal ein paar Tage Urlaub in Kroatien
machen konnte.
Stefan Müller: Urlaub war auch bei
mir wichtig: In der Spitze haben wir bis
zu 20 Stunden gearbeitet. Man lebt für
eine Woche an seiner Familie und allen
vorbei und hat kein Privatleben mehr.
Du funktionierst in so einer Situation
einfach nur und läufst auf Autopilot.
Wie habt ihr den Mittwoch, als der
Starkregen kam, erlebt?
Fischermann: Ich hatte Rufbereitschaft
und der Tag begann ganz ruhig.
Müller: Am frühen Nachmittag hatten
wir nur Einsätze in Alkenrath. Da habe
ich gar nicht mitbekommen, was im
Hintergrund gerade passiert. Ab 16 Uhr
Stefan Müller koordinierte nach der
Flutkatastrophe die Einsätze in
Schlebusch und Opladen.
ging die Post ab und dann krachte es
an allen Ecken und Enden. Zum Abend
hin kamen immer mehr Meldungen
aus den Krisengebieten und das ganze
Ausmaß der Situation wurde immer
klarer.
Welche Einsatzschwerpunkte hattet
ihr am Abend?
Müller: Zahlreiche Trafostationen und
Schalthäuser standen schnell unter
Wasser. Diese haben wir versucht zu
schützen und von außen freizuschalten,
wie das Schalthaus in der Fixheide, das
1,20 Meter unter Wasser stand. Da bin
ich hingeschwommen. Zum Glück kam
die Feuerwehr an der Stelle auch nicht
weiter und konnte uns mit Sandsäcken
helfen. Danach sind wir rüber zum Klinikum
in Schlebusch. Dort mussten wir
wegen des extrem schnell steigenden
Wassers gegen 23 Uhr die Trafostation
aufgeben. Um 23:14 Uhr sind die
Uhren in Schlebusch dann stehen geblieben
und es ist zu einem massiven
Kurzschluss in der Trafostation im Klinikum
gekommen und daraufhin zu einem
Stromausfall in großen Teilen des
Stadtgebiets.
Fischermann: In der Nacht sind wir
nach Opladen und haben die Stromversorgung
so umgeschaltet, dass das
St. Remigius Krankenhaus Opladen
versorgt bleibt. Wir wollten wenigstens
ein Krankenhaus im Einsatz halten. Die
nächsten beiden Tage bestanden dann
aus Gefahrenabwehr. Erst am Samstag
wurde der ganze Schaden sichtbar.
Die Schäden und Aufgaben, die
dann auf euch zukamen waren immens,
wie habt ihr das bewältigt?
Müller: Die Bilder vor Ort mit den ganzen
Schäden waren heftig. So stelle ich
mir Krieg vor. Wir haben im Netz viel verloren,
aber als Unternehmen auch viel
gewonnen. Die interne Solidarität und
Hilfsbereitschaft waren großartig. Kollegen
haben ihre Urlaube abgebrochen,
sind aus anderen Abteilungen eingesprungen
und haben an den Wochenenden
mitgearbeitet. Wir hätten für uns
keine bessere Teambuilding-Maßnahme
finden können. Wenn es hart auf hart
kommt, können wir uns aufeinander und
die Expertise des Anderen verlassen.
Fischermann: Die Kollegen haben
ohne mit der Wimper zu zucken alles
mitgetragen und es uns Netzmeistern
einfach gemacht. In so einer Situation
können wir ja nicht überall sein und
mussten auch Vertrauen schenken. Die
Kollegen konnten wir laufen lassen und
die Zusammenarbeit und das Teamwork
waren einfach super. Genauso wie mit
dem Krisenstab in der EVL-Zentrale.
Dann war beim Einsatz in Leichlingen
die Unterstützung durch die MEGA
Monheim natürlich sehr hilfreich.
Wie haben die Betroffenen in den
überfluteten Gebieten reagiert?
Müller: Die Anwohner haben gemerkt,
dass sie die EVL jetzt brauchen und
Daniel Fischermann (fünfter v. l.) bei einer
kurzen Pause mit seinen Kollegen von der
EVL und der MEGA vor Ort in Leichlingen.
Stefan Müller (l.) und Daniel Fischermann
(r.) zusammen mit Fikret Köprülü (m.), der
sich gemeinsam mit Sascha Barberowski und
Marcus Bärwinkel, ebenfalls als Netzmeister
vor Ort engagierte.
dass unsere Mitarbeiter an ihre Grenzen
gehen und alles geben. Zusammen mit
der hohen Präsenz vor Ort hat das viel
Dankbarkeit ausgelöst. Im Gedächtnis
ist mir eine ältere Dame geblieben, die
unserem Kollegen in die Arme gefallen
ist und geweint hat, nachdem er für sie
einen Elektriker organisiert hat.
Fischermann: In Leichlingen war die
Bevölkerung anfangs sehr genervt,
weil sie neben dem Hochwasser keinen
Strom hatten. Nach einiger Zeit hatten
sie dann Verständnis und nachdem sie
wiederversorgt waren, haben sie dich
gefeiert. Das war großartig. In so einer
Situation übernimmt man auch eine
Seelsorgerfunktion. Viele Menschen
hatten zehn Tage keinen Strom und es
sind schlüsselfertige Neubau-Häuser
zerstört worden.
Wie geht es jetzt weiter?
Fischermann: Die Fehlerbeseitigung
beschäftigt uns immer noch. Aktuell
arbeiten wir alle Listen mit den Nachwirkungen
der Flut ab. Dazu kommen
Folgeschäden: Manch überflutete Kabelstrecken
haben erst Wochen später
eine Störung, weil sie Wasser gezogen
haben, das kondensiert. Für die Zukunft
kann uns jetzt aber eigentlich nicht
mehr viel schocken.
Müller: Die Nachwehen beschäftigen
uns jede Minute. So müssen wir mehrere
neue Stationen stellen. Da muss
auch strategisch vieles neu gedacht
werden. Wir werden die Stationen aus
den Tiefgaragen und Kellern holen. In
der Rückschau gibt es natürlich auch
Optimierungsbedarf und Punkte, die
aufgearbeitet werden müssen. In der
Summe können wir aber sehr zufrieden
und stolz auf uns sein.
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