Mehr Platz für Cocktails - Ultimo auf draht
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10 ULTIMO<br />
PARADA<br />
Verrückte<br />
Krieger<br />
Die erste Gay-Parade in Belgrad<br />
als Hintergrund <strong>für</strong> eine<br />
Balkankomödie<br />
D<br />
er schwule Designer Mirko will<br />
die erste Gay-Parade in Belgrad<br />
durchführen. Aber schon bei der<br />
Pressekonferenz, <strong>auf</strong> der er das ankündigt,<br />
wird er von Nazis brutal zusammengeschlagen.<br />
Auch die Polizei<br />
ist keine Hilfe. „Ich kenn solche perversen<br />
Spielchen aus dem Knast, da<br />
ist mir das egal“, sagt der Polizeichef<br />
und empfiehlt den Schwulen und Lesben,<br />
sich einfach mal „umerziehen“<br />
zu lassen.<br />
Mirkos Freund Radmilo ärgert<br />
sich. Die Schwulenparade ist ihm eigentlich<br />
egal, er ist eher vorsichtig<br />
und zurückhaltend mit seinem Outing.<br />
Aber weil Mirkos Herz so sehr<br />
an dieser Parade hängt und weil er<br />
einfach nicht <strong>auf</strong>geben will, nutzt<br />
Radmilo einen seiner Kontakte. Als<br />
Tierarzt hatte Radmilo nämlich<br />
jüngst einen goldkettchenbehangenen<br />
Kunden, der mit der Knarre in<br />
der Hand die Tierarztpraxis stürmte<br />
und dr<strong>auf</strong> bestand, dass seine angeschossene<br />
Bulldogge sofort behandelt<br />
werde. Weil Radmilo dem Vieh<br />
das Leben rette, ist Limun, der<br />
Kleinkriminelle, ihm was schuldig.<br />
Dieser Limun ist die eigentliche<br />
Sensation und Hauptfigur in Srdjan<br />
Dragojevics Komödie Parada.Homophob<br />
bis ins Mark, hat es sich der<br />
Ex-Söldner und Ex-Kriminelle in Belgrad<br />
gut eingerichtet. Er betreibt<br />
eine Judo-Schule und eine Sicherheitsfirma.<br />
Und genau deshalb soll<br />
Alte Kameraden: Der Serbe Limun (re.) und sein kroatischer Kriegsgegner: „Parada“<br />
er den Schutz der Gay-Parade<br />
übernehmen.<br />
Schon im Freundeskreis eckt Limun<br />
gewaltig an mit dem Auftrag,<br />
Schwule zu beschützen. Seine Verlobte<br />
allerdings, die die kommende<br />
Hochzeit zufällig von Mirko organisieren<br />
lässt, ist begeistert und<br />
schließt die neuen schwulen und lesbischen<br />
Freunde schnell ins Herz.<br />
Weil ihm in Belgrad niemand hilft,<br />
wendet sich Limun an alte Freunde<br />
und Feinde. Er fährt nach Kroatien,<br />
Bosnien und in den Kosovo, und<br />
wenn gegen Ende die alten Feinde<br />
aus den 90ern in einem rosa Kleinwagen,<br />
der mit schwulenfeindlichen<br />
Spraygraffitis überzogen ist, einträchtig<br />
gen Belgrad fahren, weil das<br />
Drehbuch sehr verrückte Wege gegangen<br />
ist, um sie alle zusammenzubringen<br />
– dann sieht man da auch<br />
eine Sehnsucht nach dem alten Jugoslawien,<br />
als die Balkanvölker noch<br />
gemeinsam verrückt waren und<br />
Nazis und Nationalisten in den Knast<br />
wanderten.<br />
Parada ist kein Belehrungsfilm,<br />
sondern eine brillante Komödie, in<br />
der die Gags in Minutenfrequenz einschlagen.<br />
Von der Ausstattung bis zu<br />
den Dialogen sitzt hier alles perfekt.<br />
Limun und seine verrückten Krieger<br />
sind dabei ebenso klischeebelastet<br />
wie die etwas zu weichen Schwulen.<br />
Wer die Filme von Emir Kusturica<br />
mag, wird sich hier sofort zu Hause<br />
fühlen.<br />
Am Ende wird Limun <strong>auf</strong> der<br />
Schwulenparade mitmarschieren.<br />
Nicht als Beschützer, sondern als<br />
Teilnehmer. Und eine Texttafel wird<br />
erklären, dass die erste Schwulenparade<br />
in Belgrad von 5000 Polizisten<br />
beschützt wurde. Dann kommt der<br />
Abspann zur Musik eines alten<br />
Partisanenliedes.<br />
Parada erhielt <strong>auf</strong> der Berlinale<br />
2012 den Publikumspreis. In Serbien<br />
wurde er als bester Spielfilm ausgezeichnet,<br />
Nikola Kojo bekam <strong>für</strong> seine<br />
Rolle des Limun den Preis als<br />
bester Schauspieler.<br />
Der Verleih bringt den Film synchronisiert<br />
und im Original mit Un-<br />
Ein wirklich schwules Auto: „Parada“<br />
tertiteln ins Kino. Wenn man Spaß<br />
haben will, sollte man der deutschen<br />
Fassung aus dem Weg gehen.<br />
Thomas Friedrich<br />
Serbien / Slowenien / Kroatien / Montenegro<br />
/ Rep. Makedonien 2011 R & B:<br />
Srdjan Dragojevic K: Dusan Joksimovic D:<br />
Nikola Kojo, Miloš Samolov, Goran Jevtic,<br />
Goran Navojec<br />
DAS BOURNE VERMÄCHTNIS<br />
Kalter Entzug<br />
Dem vierten Teil der Serie fehlt<br />
etwas<br />
Wer sich auskennt in der Welt des<br />
Jason Bourne und mindestens den<br />
dritten Teil gesehen hat, merkt bald:<br />
Der vierte Teil ist gar keine Fortsetzung.<br />
Und auch kein Prequel. Sondern<br />
eine Art Parallelquel. Und wohl<br />
auch eine Art Rache des Drehbuchautors<br />
Tony Gilroy an Matt Damon<br />
und Paul Greengrass, die nach der<br />
Bourne Verschwörung keine Lust<br />
mehr <strong>auf</strong> Agenten-Overkill hatten.<br />
Tony Gilroy erfand flugs eine weitere<br />
Verschwörung hinter der Verschwörung,<br />
setzte einen neuen Helden<br />
in Alaska unter Drogen und einen<br />
neuen Bösewicht unter Dampf.<br />
Während Jeremy Renner als zunächst<br />
namenloser Supermann barfuß<br />
in Alaska unter Eiswasser und<br />
zwischen Wölfen ein Überlebenstraining<br />
absolviert, beschließt Edward<br />
Norton als Obergeheimer die finale<br />
Abschaltung aller Geheimprogramme<br />
weltweit. Während die Staatsmacht<br />
in Hinterzimmern intrigierend<br />
den Fortgang der Bourne-Verschwörung<br />
verfolgt, Draht zieht und<br />
Schlingen knüpft, entpuppt sich der<br />
einsame Kämpfer als medikamentenabhängiger<br />
Killer.<br />
Und kaum brechen überall verdiente<br />
Agenten tot zusammen, explodiert<br />
Aaron Cross. Die menschliche<br />
Kampfmaschine trickst Natur und<br />
Technik aus, hüpft aus Alaskas vereister<br />
Bergwelt gleich ins idyllische<br />
Landhaus einer Chemikerin, die irgendetwas<br />
mit den Pillen zu tun hat,<br />
die den Helden so heftig machen. Es<br />
folgt eine lange, rasante Prügelei<br />
und eine zweite Filmhälfte, in der<br />
Bournes Erbe sich mit der relativ<br />
farblosen Frau an seiner Seite durch<br />
eine Schar von Gegnern tankt, immer<br />
<strong>auf</strong> der Suche nach seiner nächsten<br />
Dosis und immer bemüht, keinen<br />
von denen am Leben zu lassen, die<br />
ihn abschalten wollten.<br />
Das ergibt eine seltsame Mischung<br />
aus paranoidem 70er-Jahre-Thriller,<br />
als Filme erstmals mit<br />
dem Gedanken spielten, hinter den