Mehr Platz für Cocktails - Ultimo auf draht
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mit all seiner intriganten Macht, das<br />
Paar auseinander treibt.<br />
Und nebenbei das große Glück ist<br />
keine dieser feinsinnigen, wohl temperierten<br />
französischen Liebeskomödien,<br />
die ihr humoristisches Anliegen<br />
intellektuell ummanteln, sondern<br />
ein romantisches Lustspiel, das<br />
<strong>auf</strong> das ganz breite Publikum zielt.<br />
Gad Elmaleh ist einer der beliebtesten<br />
Komiker Frankreichs und auch<br />
Sophie Marceau kann sich immer<br />
noch <strong>auf</strong> eine große Fangemeinde<br />
verlassen. Mit dichter Pointenfrequenz<br />
spielt Regisseur James Huth<br />
die Differenz der Lebensstile innerhalb<br />
der romantischen Konstellation<br />
aus und überzeugt vor allen in den<br />
Szenen, in denen er Mut zum Slapstick<br />
beweist. Klischeehafte Passagen,<br />
wie die, in der das Kind nachts<br />
ins Schlafzimmer der Liebenden hineinspaziert,<br />
werden mit sichtbarer<br />
Lust an der Übertreibung ins Bild gesetzt.<br />
Die Verbindung zwischen körperlicher<br />
Komödie, in der schon einmal<br />
ein Waschbecken aus der Wand<br />
schießt und Sophie Marceau niedermäht,<br />
und hindernisreicher Romanze<br />
funktioniert über weite Strecken<br />
sehr gut, auch wenn sich in der<br />
letzten halben Stunde die<br />
Dramaturgie in ihren eigenen<br />
Plotwendungen verstolpert.<br />
Martin Schwickert<br />
Un bonheur n’arrive jamais seul F 2012<br />
R: James Huth B: James Huth, Sonja Shillito<br />
K: Stéphane Le Parc D: Gad Elmaleh,<br />
Sophie Marceau, Maurice Barthélémy<br />
Z<br />
WIR WOLLTEN AUFS MEER<br />
Flüchten oder<br />
standhalten<br />
Noch eine DDR-Geschichte<br />
ur See zu fahren ist ihr größter<br />
Wunsch, aber Fernweh ist eine<br />
Sehnsucht, die man sich in der<br />
DDR des Jahres 1982 nicht leisten<br />
kann. Dennoch ziehen Cornelis (Alex-<br />
12 ULTIMO<br />
Warten <strong>auf</strong> den Untergang der DDR: „Wir wollten <strong>auf</strong>s Meer“ Deutsch-polnische Grenze: „Revision“<br />
ander Fehling) und Andreas (August<br />
Diehl) gen Rostock, die einzige Stadt<br />
mit Hochseehafen im Arbeiter- und<br />
Bauernstaat. Sie hoffen bei der Handelsmarine<br />
anheuern zu können,<br />
müssen sich aber erst einmal als<br />
Hafenarbeiter bewähren.<br />
Aber auch nach Jahren Schufterei<br />
am Kai verwähren die Parteikader ihnen<br />
den Zugang zur großen, weiten<br />
Welt. Die beiden sind nicht verheiratet,<br />
haben keine Familie und sind damit<br />
<strong>für</strong> die Staatssicherheit in höchstem<br />
Maße republikfluchtverdächtig.<br />
Aber dann machen die grauen<br />
Herren ein Angebot: Die Landmatrosen<br />
sollen den Vorarbeiter Matze (Ronald<br />
Zehrfeld) aushorchen und damit<br />
ihre Loyalität zum Sozialismus<br />
bekunden. Als Belohnung wird die<br />
Aufnahme in die Handelsmarine in<br />
Aussicht gestellt. Die beiden lassen<br />
sich dar<strong>auf</strong> ein, aber Cornelis packen<br />
Gewissensbisse und er zerstört<br />
das belastende Tonband. Andreas<br />
verpfeift seinen Vorarbeiter trotzdem<br />
und hat nach einem Streit mit<br />
Cornelis einen Arbeitsunfall, der ihn<br />
<strong>für</strong> den Rest seines Lebens an den<br />
Rollstuhl fesselt. Cornelis hingegen<br />
unternimmt mit seiner vietnamesischen<br />
Freundin Phuong Mai (Thao<br />
Vu) an der tschechischen Grenze einen<br />
Fluchtversuch, wird erwischt<br />
und landet im Gefängnis, während<br />
Andreas als offizieller Mitarbeiter<br />
bei der Stasi unter Vertrag<br />
genommen wird.<br />
Dass man aus der DDR-Geschichte<br />
publikumswirksame Dramen entwickeln<br />
kann, das hat Florian Henkel<br />
von Donnersmarck in Das Leben<br />
der Anderen bewiesen. Mit Wir wollten<br />
<strong>auf</strong>s Meer tritt Toke Constantin<br />
Hebbeln unübersehbar in die<br />
Fußstapfen des deutschen Oscarsiegers.<br />
Anders als Christian Petzolds<br />
Barbara, der das Thema Republikflucht<br />
und Bespitzelung in leisen Tönen<br />
analytisch gestaltete, setzt Hebbeln<br />
<strong>auf</strong> großes, emotionales Kino, in<br />
dessen Zentrum der Konflikt um<br />
Freundschaft und Verrat steht. Alexander<br />
Fehling (Goethe!) spielt überzeugend<br />
den Dr<strong>auf</strong>gänger, der seine<br />
moralische Integrität gegen das repressive<br />
System verteidigt und da<strong>für</strong><br />
im Bau landet. Weitaus interessanter<br />
ist jedoch August Diehls Spitzelfigur,<br />
die sich immer ein wenig<br />
Undurchsichtigkeit bewahrt und als<br />
tragischer Charakter angelegt ist.<br />
Nach einer plotintensiven ersten<br />
Hälfte schaltet der Film mit der Inhaftierung<br />
Cornelis ein paar Gänge herunter<br />
und entwickelt sich zum genau<br />
gezeichneten Gefängniskammerspiel.<br />
Hier wird das perfide Knastsystem<br />
der DDR, mit dem die Republik<br />
ihre politischen Gegner traktierte,<br />
ungeschönt abgebildet. Dabei spart<br />
Hebbeln auch dort nicht an dramatischer<br />
Emotionalisierung, wo weniger<br />
manchmal doch ein bisschen<br />
mehr gewesen wäre.<br />
Trotz seiner starken Stimmungsschwankungen<br />
und gewagten Wendemanövern<br />
im Handlungsgeschehen<br />
gelingt es Hebbeln, die Spannung<br />
über zwei Kinostunden <strong>auf</strong>recht<br />
zu erhalten und DDR-Geschichte<br />
aus einer kompromisslos dramatischen<br />
Perspektive lebendig werden<br />
zu lassen. Martin Schwickert<br />
D 2012 R: Toke Constantin Hebbeln B: Ronny<br />
Schalk, Toke Constantin Hebbeln K: Felix<br />
Novo de Oliveira D: Alexander Fehling,<br />
August Diehl, Sven Gerhardt, Phuong<br />
Thao Vu, Sylvester Groth<br />
I<br />
REVISION<br />
Tod im Kornfeld<br />
Eine etwas umständliche<br />
Dokumentation über einen ganz<br />
normales Ende in Deutschland<br />
m Juni 1992 werden an der<br />
deutsch-polnischen Grenze die Leichen<br />
von Grigore Velcu und Eudache<br />
Calderar mitten in einem Getreidefeld<br />
entdeckt. Warum das Feld<br />
kurz nach der Entdeckung in Flammen<br />
steht, ob einer der beiden Männer<br />
noch stundenlang gelebt hat und<br />
einfach verblutet ist – vieles an diesem<br />
Todesfall wird nicht geklärt. Ge-<br />
schossen haben zwei deutsche Jäger,<br />
die behaupten, die Gruppe illegaler<br />
Einwanderer, die da nachts übers<br />
Feld marschierte, <strong>für</strong> Wildschweine<br />
gehalten zu haben, die sich nach den<br />
Schüssen erstmal vom Tatort entfernten.<br />
Später passten die gefundenen<br />
Kugelreste im Kopf eines der Opfer<br />
zu keiner Munition, die die Jäger<br />
verwendet haben wollen.<br />
Diesen Fall, der sich während des<br />
Höhepunktes des staatlich geduldeten<br />
Ausländerhasses in Deutschland<br />
abspielte, an dem eigentlich alles<br />
seltsam ist, rollt der Künstler und Filmemacher<br />
Philip Scheffner in seiner<br />
Dokumentation Revision wieder <strong>auf</strong>.<br />
Das macht er allerdings derart umständlich<br />
und un-filmisch, dass man<br />
sich zwingen muss, die ersten 15<br />
Filmminuten zu überstehen, denn<br />
erst dann lässt sich der Regisseur<br />
dazu herab, uns zu erklären, worum<br />
es überhaupt geht.<br />
Er und sein Team treiben Zeugen<br />
<strong>auf</strong>, Angehörige in Rumänien (die<br />
nie über den Prozess informiert wurden),<br />
und er wurschtelt sich recht<br />
mühsam durch die künstlerische<br />
Selbstreflexion. Manchmal weiß<br />
man nicht, was <strong>für</strong> Scheffner wichtiger<br />
ist: Der skandalöse Totschlag an<br />
zwei Rumänen oder seine dilettantischen<br />
Versuche, aus dem Tod dieser<br />
Emigranten künstlerisch Kapital<br />
schlagen zu wollen. „Wo beginnt so<br />
eine Geschichte“, fragt er aus dem<br />
Off immer wieder, nervtötend und altklug.DennankeinerStellekanner<br />
auch nur andeuten, was sich an der<br />
Geschichte ändern würde, je<br />
nachdem, wo man sie beginnen<br />
ließe.<br />
Dementsprechend ist Scheffner<br />
auch an dem Ende nur interessiert,<br />
insofern es stattgefunden hat. Der<br />
Tod zweier Ausländer, die von zwei<br />
deutschen Jägern in einem Kornfeld<br />
<strong>für</strong> Wildschweine gehalten und mit<br />
einem Kopfschuss mit Spezialmunition<br />
getötet werden (drei Jahre wird<br />
das Gutachten brauchen, um die Munition<br />
zu analysieren) führt nicht zur<br />
Analyse einer Gesellschaft, in der<br />
das stattfindet. Sondern zu reflexiven<br />
Kopfschmerzen beim Künstler,