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Dossier: Unternehmenskultur

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Miss Moneypenny<br />

<strong>Dossier</strong>Nr. 26<br />

Richard Müller<br />

<strong>Unternehmenskultur</strong><br />

verstehen und gestalten<br />

Theorie, Handlungsfelder, Praxisbeispiele<br />

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der<br />

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind<br />

im Internet über portal.dnb.de abrufbar.<br />

Richard Müller<br />

<strong>Unternehmenskultur</strong> verstehen und gestalten<br />

Theorie, Handlungsfelder, Praxisbeispiele<br />

Impressum<br />

SPEKTRAmedia und ALMA Medien AG, Zürich, 2020<br />

ISBN 978-3-906271-24-8<br />

© 2020 by<br />

SPEKTRAmedia, Albisriederstrasse 252, CH-8047 Zürich,<br />

Tel. 043 311 01 80, info@SPEKTRAmedia.ch, www.SPEKTRAmedia.ch<br />

ALMA Medien AG, Hofackerstrasse 32, CH-8032 Zürich,<br />

Tel. 044 269 50 10, info@almamedien.ch, www.almamedien.ch<br />

Gedruckt und hergestellt in der Schweiz.<br />

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jedes Kopieren, insbesondere Vervielfältigen,<br />

Übersetzen, Mikroverfilmen und Einspeichern sowie Verbreiten in elektronischen Systemen<br />

ist ohne Zustimmung des Verlags verboten (vgl. www.fair-kopieren.ch).<br />

Der einfacheren Lesbarkeit halber verwendet der Verlag i.d.R. die männliche Form – die<br />

weibliche Form ist eingeschlossen. Dieses Buch basiert auf Erfahrungen des Autors, auf<br />

Gesprächen mit Fachleuten aus dem HR und auf Fachliteratur. Es wurde mit grosser Sorgfalt<br />

erstellt, trotzdem können Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden. Verlag und Autor<br />

können für fehlerhafte Angaben und deren Folgen weder juristische Verantwortung noch<br />

irgendeine Haftung übernehmen. Für Verbesserungsvorschläge und Hinweise sind der<br />

Verlag beziehungsweise der Autor dankbar.


Richard Müller<br />

<strong>Unternehmenskultur</strong><br />

verstehen und gestalten<br />

Theorie, Handlungsfelder, Praxisbeispiele<br />

SPEKTRAmedia und ALMA Medien AG


Richard Müller<br />

M.Sc.IM<br />

Dozent, Programmleiter<br />

Fachhochschule Nordwestschweiz<br />

Institut für Personalmanagement und Organisation<br />

richard.mueller@fhnw.ch<br />

www.fhnw.ch/wirtschaft<br />

Richard Müller ist erfahrener Dozent für Betriebswirtschaft und Personalmanagement<br />

an der FHNW und übernimmt 2019 die Leitung Human Resources<br />

einer Pflegeeinrichtung. Dank jahrelanger Tätigkeit in seiner eigenen Beratungsfirma<br />

kann er spannende Praxiserkenntnisse aufzeigen. Richard Müller publiziert<br />

seit mehreren Jahren Fachartikel und Buchbei träge im Bereich Personalmanagement<br />

mit Schwerpunkt Unternehmens kultur.


Inhaltsverzeichnis<br />

<strong>Unternehmenskultur</strong> in der Arbeitswelt 4.0...........................................6<br />

Was ist <strong>Unternehmenskultur</strong>?.................................................................9<br />

Definitionen von <strong>Unternehmenskultur</strong>....................................................9<br />

Ebenen der <strong>Unternehmenskultur</strong> (nach Schein).....................................10<br />

Funktionen von <strong>Unternehmenskultur</strong>....................................................14<br />

Ausrichtungen der <strong>Unternehmenskultur</strong>..............................................16<br />

Veränderte Umweltbedingungen..........................................................16<br />

Innerbetriebliche Anforderungen..........................................................20<br />

Gestaltung von <strong>Unternehmenskultur</strong> ..................................................29<br />

Einflussmöglichkeiten und Rollen..........................................................30<br />

Instrumente der Kulturvermittlung........................................................31<br />

Kultur erfassen und managen...............................................................34<br />

Praxisbeispiel Süssbach .........................................................................37<br />

Initiierung des Veränderungsprozesses .................................................38<br />

Resultate der Kulturbefragung..............................................................41<br />

Verankerung der Werte........................................................................43<br />

Fazit.....................................................................................................45<br />

Praxisbeispiel Energie Thun...................................................................46<br />

Ausgangslage.......................................................................................46<br />

Resultate der Befragung.......................................................................50<br />

Fazit.....................................................................................................53<br />

Literatur ..................................................................................................56


<strong>Unternehmenskultur</strong><br />

in der Arbeitswelt 4.0<br />

In der gegenwärtigen Diskussion über die Arbeitswelt 4.0 wird davon ausgegangen,<br />

dass mit dem Anbruch der digitalen Revolution ein technologischer<br />

Entwicklungsschub stattfindet. Dieser verändert nicht nur den Markt, seine<br />

Bedingungen und Geschäftsprozesse grundlegend, sondern auch die Arbeitsweisen<br />

und die Art der Zusammenarbeit. So führt die neue Qualität der Technologie<br />

mit deutlich erweiterten Anwendungspotenzialen zu einer ansteigenden<br />

Automatisierung und Digitalisierung von Arbeitsschritten und -prozessen<br />

und damit auch zu veränderten Funktionsprofilen und Aufgabenbereichen.<br />

Routinetätigkeiten verschwinden zunehmend und von Mitarbeitenden werden<br />

höhere Qualifikationen und andere Kompetenzen gefordert.<br />

Passende Mitarbeitende zu rekrutieren, zu entwickeln und zu halten, stellt<br />

besonders für Klein- und Mittelunternehmen oft eine grössere Herausforderung<br />

dar, als etwa die Einführung und rein technische Umsetzung neuer digitaler<br />

Prozesse. Um mit den aktuellen Veränderungen und Herausforderungen<br />

umgehen zu können, braucht es nicht nur attraktive Arbeitsmodelle- und<br />

-bedingungen, sondern auch eine starke <strong>Unternehmenskultur</strong>, welche den<br />

Menschen in den Mittelpunkt stellt und die bewusst die Anliegen, Erwartungen<br />

und Wertvorstellungen der Mitarbeitenden auf allen Hierarchiestufen<br />

einbezieht. Eine solche Kultur fördert nicht nur die Innovations- und Anpassungsfähigkeit<br />

des Unternehmens, sondern auch die Leistungsbereitschaft der<br />

Mitarbeitenden und die Attraktivität des Arbeitgebers am Arbeitsmarkt.<br />

In den letzten Jahren hat die Diskussion über <strong>Unternehmenskultur</strong> Fahrt<br />

aufgenommen. In vielen Chefetagen ist <strong>Unternehmenskultur</strong> unterdessen als<br />

wichtiges Steuerungsthema angekommen. In einer globalen Studie von Deloitte<br />

2016 nannten 86 % der 7000 Führungskräfte die Bedeutung der Kultur für<br />

den zukünftigen Unternehmenserfolg als eine der drei Top-Prioritäten neben<br />

«Organisational Design» und «Leadership». Die Studie von Deloitte zeigt weiter,<br />

dass Unternehmen, die sich bei der digitalen Transformation auf Kultur<br />

konzentrierten, häufiger in der Lage sind Durchbrüche zu erzielen und finanziell<br />

erfolgreich zu sein, als Unternehmen, die die Kultur vernachlässigten<br />

(Deloitte 2016). Führungskräfte sehen sich dementsprechend immer öfter veranlasst,<br />

die <strong>Unternehmenskultur</strong> aktiv zu beeinflussen. Der ökonomische<br />

Erfolg einer Unternehmung lässt sich jedoch weder alleine durch die Kultur<br />

6<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26


noch lediglich an der technologischen Anpassung erklären. Vielmehr ist Erfolg<br />

ein «Potpourri von Faktoren». Eine wichtige Voraussetzung ist, dass wir Veränderungen<br />

nicht als lästig oder gar bedrohlich ansehen, sondern als Möglichkeit<br />

zu wachsen und die dynamische Entwicklung mitzugestalten. Dies ist aber<br />

nur möglich, wenn die in der Unternehmung arbeitenden Menschen dies wollen.<br />

Dann bringen sie ihre Arbeitskraft, ihre Kreativität und ihre Flexibilität in<br />

die Prozesse ein.<br />

Die Vorstellung, dass die <strong>Unternehmenskultur</strong> vor allem dazu beitragen<br />

soll, die organisatorische Effizienz zu steigern, war in der Zeit der Produktionsindustrie<br />

korrekt und führte zum Erfolg. Heute in der Wissensökonomie suchen<br />

die Menschen nach Selbstbestimmung, Verantwortung und vor allem<br />

nach dem Sinn in ihrer Verdienstarbeit. Eine sinnstiftende <strong>Unternehmenskultur</strong><br />

geht einher mit dem wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmung.<br />

Bevor wir uns betriebswirtschaftlichen Definitionen und Modellen zur <strong>Unternehmenskultur</strong><br />

annehmen, soll in Anlehnung an Schein (2018) einsteigend<br />

kurz darauf eingegangen werden, wie und wo sich <strong>Unternehmenskultur</strong><br />

erfahren und erleben lässt. Wie nachfolgend aufgeführt, zeigt sich <strong>Unternehmenskultur</strong><br />

im Alltag bei verschiedenen Verhaltensweisen und menschlichen<br />

Interaktionen:<br />

Miss Moneypenny<br />

Interaktionsform<br />

im direkten Kontakt<br />

zu den Mitarbeitenden<br />

in formellen Ritualen<br />

und Feierlichkeiten<br />

in Gruppennormen<br />

Erkennbar …<br />

… wenn Sie als Kunde im Kleidergeschäft sofort<br />

freundlich empfangen werden, auch wenn Sie<br />

relativ kurz vor Ladenschluss eintreten.<br />

… wenn Sie bei einer Online-Anfrage sofort ein Mail<br />

mit einer Ticketnummer erhalten, dann aber nie<br />

wieder etwas hören.<br />

… wenn der Abschluss eines wichtigen Geschäftes<br />

unter den Kolleginnen gefeiert wird.<br />

… wenn Leitungssitzungen und Informationsveranstaltungen<br />

nicht nach Geschäft, sondern nach<br />

Datum gehalten werden.<br />

… wenn es in Diskussionen auch Platz für Widerspruch<br />

und sachlich heftigere Diskussionen hat.<br />

… wenn die vom Team beschlossenen Lösungen<br />

auch von den Nicht-Befürwortern unterstützt<br />

werden.<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26 7


in Spielregeln<br />

in gewählten und<br />

kommunizierten<br />

Werten<br />

in Denkgewohnheiten<br />

und gemeinsamer<br />

Bedeutung<br />

… wenn die Führungskraft Aufträge nach<br />

der klassischen Rollenverteilung, «dass Mann oder<br />

Frau eine Arbeit nicht machen darf», verteilt.<br />

… wenn der Führungskraft auch bei Miss billigung<br />

über ihre Entscheidung immer ein wohlwollend<br />

bejahendes Nicken geschenkt wird.<br />

… wenn in Broschüren, Inseraten und sonstigen<br />

Werbeschriften mit «beste Qualität», «beste Preise»<br />

oder «höchste Sicherheit» geworben wird, also mit<br />

den Werten, die eine Unternehmung angeblich<br />

verfolgt.<br />

… wenn ein Neuling in der Gruppe bei Diskussionen<br />

merkt, dass die verwendeten Wörter für ihn bislang<br />

eine teilweise oder gänzlich andere Bedeutung hatten.<br />

<strong>Unternehmenskultur</strong>en haben also konkrete, arbeitsalltägliche und somit betriebswirtschaftliche<br />

Auswirkungen. Kunden, die eine Wahl haben, werden<br />

freundliche und professionelle Anbieter bevorzugen. Lieferanten, die nicht auf<br />

jeden Auftrag angewiesen sind, werden kooperative Abnehmer wählen. Talentierte<br />

Mitarbeitende suchen sich ein Umfeld, in welchem sie Leistung erbringen<br />

können, Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten erhalten sowie<br />

Mitsprache bekommen und, wohl am wichtigsten, eine sinnstiftende Aufgabe<br />

haben.<br />

Doch wie genau muss eine <strong>Unternehmenskultur</strong> in schnelllebigen Zeiten<br />

mit zunehmend neuen Formen der Zusammenarbeit aussehen? Wo können<br />

Unternehmen wichtige Akzente setzen, wenn neuerdings neben einer Qualitätskultur,<br />

einer Leistungskultur und einer Vertrauenskultur auch noch eine<br />

Willkommenskultur, eine Dialogkultur, ja sogar eine Trennungskultur gefordert<br />

werden (Berner 2019)?<br />

8<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26


Was ist <strong>Unternehmenskultur</strong>?<br />

Miss Moneypenny<br />

Fragt man Praktiker, was die <strong>Unternehmenskultur</strong> ist, erhält man oft die kurzen,<br />

aber treffenden Antworten: «Wie die Dinge hier gemacht werden», «Der Stil<br />

des Hauses», «Das, wofür wir stehen», «Die Art und Weise, wie die Menschen<br />

im Betrieb miteinander umgehen» oder «Die vielen Regeln, an die sich jeder im<br />

Betrieb hält, die aber nirgendwo aufgeschrieben sind (heimliche Spielregeln)».<br />

Diese vereinfachten Beschreibungen sind zwar korrekt und auf der Verhaltensebene<br />

bedeutsam, erklären aber nur wenig über Kultur und helfen nicht dabei,<br />

<strong>Unternehmenskultur</strong> fundiert zu erfassen und aktiv zu gestalten.<br />

Definitionen von <strong>Unternehmenskultur</strong><br />

Um die obigen Fragen annähernd zu klären, beschäftigt man sich in der Wissenschaft,<br />

nicht zuletzt in der Betriebswirtschaftslehre, seit den 1980er Jahren<br />

mit dem Entstehen, Bestehen und der Funktionsweise von <strong>Unternehmenskultur</strong>.<br />

In der Betriebswirtschaftslehre wird <strong>Unternehmenskultur</strong> definiert als «die<br />

unternehmensbezogenen Werte und Normen der Mitglieder einer betriebswirtschaftlichen<br />

Organisation mit dem betriebswirtschaftliche Zweck als ein Reservoir<br />

zusätzlicher, im positiven Falle komplementärer, normativer Bezugspunkte<br />

individuellen Entscheidungsverhaltens zu dienen» (Heinen, 1987, S. 32).<br />

Edgar H. Schein, der sicherlich als Vorreiter und als einer der einflussreichsten<br />

Autoren zu <strong>Unternehmenskultur</strong> gilt, definierte Kultur als<br />

«ein Muster von Grundannahmen, das eine Gruppe bei der Bewältigung<br />

ihrer Probleme externer Anpassung und interner Integration erfunden,<br />

entdeckt oder entwickelt hat, das sich bewährt hat und als bindend betrachtet<br />

wird; und das daher an neue Mitglieder als rationaler und emotional<br />

korrekter Ansatz für den Umgang mit Problemen weitergegeben<br />

wird.» (Schein 2004, vom Autor übersetzt).<br />

In Anlehnung an Schein definiert Sonja Sackmann (2017) Kultur im Kontext<br />

von Unternehmen als<br />

«… das von einer Gruppe gemeinsam gehaltene Set an grundlegenden<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26 9


Überzeugungen, das für die Gruppe insgesamt typisch ist. Dieses Set an<br />

grundlegenden Überzeugungen beeinflusst Wahrnehmung, Denken, Handeln<br />

und Fühlen der Gruppenmitglieder und kann sich in deren Handlungen<br />

und Artefakten manifestieren. Die grundlegenden Überzeugungen<br />

werden nicht mehr bewusst gehalten, sie sind aus der Erfahrung der<br />

Gruppe entstanden und haben sich durch die Erfahrung der Gruppe weiterentwickelt,<br />

d. h. sie sind gelernt und werden an neue Gruppenmitglieder<br />

weitergegeben.» (Sackmann 2017).<br />

Weitere Definitionen von Kultur bieten etwa Davis (1984): «das Muster gemeinsamer<br />

Überzeugungen und Werte, die den Mitgliedern einer Institution<br />

Bedeutung geben und ihnen die Regeln für das Verhalten in ihrer Organisation<br />

geben» (Davis zitiert in Martin 2002), Pekruhl (2001): «Kultur ist auch ein<br />

Geflecht von unhinterfragten Grundannahmen, die die Wahrnehmung, das<br />

Denken sowie Fühlen von Organisationsmitgliedern prägen, wenn sie sich<br />

selbst bestimmten wiederkehrenden Situationen gegenüberstehen.» und<br />

Berner (2019) «die Menge der Gewohnheiten, in denen sich ein Unternehmen<br />

von seiner Umgebung unterscheidet.»<br />

Die verschiedenen Beschreibungen und Definitionen von <strong>Unternehmenskultur</strong><br />

basieren auf unterschiedlichen Annahmen, Zugängen, Erwartungen<br />

und Interpretationen und befassen sich mit verschiedenen Perspektiven, Merkmalen<br />

und Ebenen der <strong>Unternehmenskultur</strong>. Gemeinsam ist allen die Einsicht,<br />

dass die <strong>Unternehmenskultur</strong> nicht momentan oder kurzfristig ist, sondern<br />

Dauer und Kraft besitzt, sodass kein Mitarbeitender davon unberührt bleibt.<br />

Gleichsam bestimmt sie und wird bestimmt über Gefühle, Handlungs- und<br />

Verhaltensweisen, aber auch über die Art und Weise, wie die Mitarbeitenden<br />

untereinander umgehen und von den Führungskräften behandelt werden.<br />

Ebenen der <strong>Unternehmenskultur</strong> (nach Schein)<br />

Das Modell von Edgar Schein bietet einen differenzierten Zugang zum Phänomen<br />

«<strong>Unternehmenskultur</strong>» und erlaubt es, Wesensmerkmale zu erfassen, zu<br />

benennen und schliesslich zu beschreiben. Dadurch ermöglicht dieses Modell<br />

zu erklären, welche strukturellen und personellen Merkmale einer Unternehmung<br />

zur Kultur gehören und welche nicht. Besonders durch die Möglichkeit<br />

der Beschreibung erhält Scheins Modell einen hohen Praxisbezug, weil so <strong>Unternehmenskultur</strong><br />

kritisch betrachtet und diskutiert werden kann.<br />

Schein (2017) unterscheidet in seinem Modell drei Ebenen der <strong>Unternehmenskultur</strong>,<br />

die nach dem Grad ihrer Sichtbarkeit für den Beobachter analysiert<br />

und entsprechend konstruiert bzw. nicht konstruiert werden können. An<br />

10<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26


der Oberfläche und damit auf der sichtbarsten Ebene der Kultur sind die Artefakte<br />

und Kreationen (z. B. Gebäude, Rituale, Sprache). Unter den Artefakten<br />

liegen verbreitete Werte und Verhaltensnormen, welche erst durch Beobachtung<br />

und Erfahrung sichtbar werden. Auf der untersten Ebene des Modells<br />

liegen die Grundannahmen darüber, wie die Welt funktioniert, wobei diese<br />

Annahmen nur sehr beschränkt erfasst und beeinflusst werden können.<br />

Miss Moneypenny<br />

Framework der <strong>Unternehmenskultur</strong> (adaptiert nach Schein 2017)<br />

Ebenen der Kultur<br />

Beispiele<br />

Charakteristik<br />

Messbarkeit<br />

Artefakte und<br />

Kreationen<br />

sichtbare Strukturen<br />

(z. B. Gebäude, Rituale),<br />

sichtbares Handeln,<br />

gemeinsame Sprache<br />

sichtbar, spürbar,<br />

hörbar, aber oft nicht<br />

direkt interpretierbar<br />

messbar<br />

und teilweise<br />

gut steuerbar<br />

Werte und<br />

Normen<br />

Strategien,<br />

Leitbilder, Philosophien,<br />

Reglemente<br />

durch Beobachtung<br />

und Erfahrung<br />

zugänglich und<br />

sichtbar<br />

teilweise messbar<br />

und teilweise<br />

steuerbar<br />

unhinterfragte<br />

Grundannahmen<br />

unsichtbare Ansichten,<br />

Erwartungen,Gedanken<br />

und Gefühle<br />

tiefste Quelle für<br />

Werte, Erwartungen<br />

und Handlungen,<br />

‹Essenz der Kultur›<br />

sehr schwer<br />

messbar<br />

und eher nicht<br />

steuerbar<br />

Ebene der Artefakte<br />

Die sichtbarste Ebene einer Kultur sind ihre Artefakte und Erzeugnisse. Dazu<br />

gehören zum Beispiel das Logo, die Produkte der Unternehmung, die schriftliche<br />

und mündliche Sprache sowie das offensichtliche Verhalten ihrer Mitglieder.<br />

Artefakte sind sicht-, fühl- und hörbar und somit am besten zugänglich, da<br />

sie beobachtet und kategorisiert werden können. Gerade weil die Artefakte<br />

leicht erfassbar sind, werden sie schnell und oft fehlinterpretiert. Denn Artefakte<br />

(z. B. die Gestaltung von Arbeitsplätzen oder die Anordnung von Maschinen)<br />

können zwar durchaus einen ersten Eindruck von einer Unternehmung<br />

vermitteln, sind aber nicht zwingend und in jedem Fall Ausdruck einer bestimmten<br />

Kultur oder kulturellen Verhaltensweise, auf die sich schliessen lässt.<br />

Auf der Ebene der Artefakte werden eine gemeinsame Sprache, Symbole<br />

und Rituale häufig als klar erkennbare Kulturelemente genannt. Ihre kulturelle<br />

Gültigkeit erhalten sie jedoch erst für diejenigen, die ihre Bedeutung kennen.<br />

Anhand eines Beispiels aus dem Alltag lässt sich dies veranschaulichen: Jeder<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26 11


kennt die menschliche Geste «Faust ausstrecken und den Daumen nach oben<br />

zeigen» für «Zustimmung oder Zusage». Alle sprachlichen Zeichen (Worte<br />

oder Symbole) haben eine Ausdrucksseite und eine Inhalts- bzw. Bedeutungsseite.<br />

In diesem Fall ist die Faust mit Daumen das Signal, das der Betrachter mit<br />

den Augen wahrnimmt (Ausdrucksseite) – die andere Seite ist das, was das<br />

Signal dem Betrachter sagt, nämlich «Zustimmung oder Zusage» (Bedeutungsseite).<br />

Ein Symbol ist also eine Einheit aus Ausdruck und Inhalt mit Verbindung<br />

zu einer Bedeutung. Interessant ist, dass diese Verbindung nicht zwangsläufig<br />

so ist, wie sie ist – denn theoretisch könnte sie auch ganz anders sein. So<br />

könnte z. B. unser auf der Spitze stehendes Dreieck, das als Zeichen für «Vorfahrt<br />

gewähren» steht, als «Pizzastück» verstanden werden. Auch in Unternehmen<br />

werden Symbolen und Worten feste Verbindungen zugeordnet, die<br />

dann gültig sind und als allgemeine Grundlagen der Kommunikation gelten.<br />

Wer diese Verbindungen nicht kennt, was häufig bei neu eingetretenen Mitarbeitenden<br />

der Fall ist, versteht seine Kolleginnen und Kollegen nicht. «Daumen<br />

hoch» ist für uns in unserem Kulturkreis eine durchwegs positive Geste, in einigen<br />

arabischen Ländern wird sie jedoch als Beleidigung verstanden.<br />

Ebene der Werte und Normen<br />

Die Ebene der Werte und Normen bietet die meisten Handlungsfelder, um zu<br />

bestimmen, wie die Dinge im Unternehmen getan werden (Müller 2013).<br />

Werte sind schwierig zu definieren und werden je nach Disziplin unterschiedlich<br />

erfasst. Sie können u. a. als Konzeptionen des Wünschenswerten (Kluckhohn<br />

1954) verstanden werden, als Vorstellungen, die das «gute Leben» beschreiben<br />

und häufig auf das dafür «richtige Handeln» schliessen lassen. Im<br />

Kontext der <strong>Unternehmenskultur</strong> beschreiben Werte soziale Prinzipien, Ziele<br />

und Standards, die innerhalb einer Kultur gelten. Sie definieren, was den Mitgliedern<br />

einer Unternehmung wichtig ist, Dinge wie beispielsweise Freiheit,<br />

Demokratie, Tradition, Leistung oder Loyalität (Hatch 1997). Werte haben einen<br />

Einfluss auf das Handeln und sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich<br />

nicht von heute auf morgen verändern, sondern relativ stabil sind. Mitarbeitende<br />

werden dann besonders auf Werte aufmerksam, wenn jemand versucht,<br />

diese grundlegend zu verändern.<br />

Normen sind verhaltensorientierte Regeln (soziale Skripte), die mehr oder<br />

weniger genau festlegen, was in einer bestimmten sozialen Situation eine<br />

angemessene und erwartete Verhaltensweise ist. Sie bringen (äusserliche) Erwartungen<br />

der Gemeinschaft in Bezug auf das Handeln oder Nichthandeln<br />

von Individuen zum Ausdruck.<br />

12<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26


Formelle und informelle Normen helfen uns u. a.<br />

• bei der Orientierung im Alltag (Verhaltenssicherheit),<br />

• beim Abwägen des eigenen Handelns,<br />

• bei der Erwartung und Einschätzung des Handelns von anderen.<br />

Miss Moneypenny<br />

Der Geltungsgrad der jeweiligen Normen kann sehr unterschiedlich sein. Das<br />

Spektrum geht von sehr weichen «Kann»-Vorschriften (soziale Gewohnheiten)<br />

über stärkere «Soll»-Verhaltensansprüche (Bräuche) bis hin zu «Muss»-Normen<br />

(gesellschaftlichen Sitten), die häufig juristisch abgesichert werden. Normen<br />

stammen aus Quellen, die ausserhalb des Einzelnen liegen und müssen<br />

daher mit Sanktionen verbunden werden, um wirksam zu sein. Denn eine<br />

Norm, deren Missachtung nicht irgendwie bestraft wird, verschwindet nach<br />

und nach aus dem Bewusstsein der Leute. In Unternehmen können diese Muster<br />

und Regeln für gewolltes Verhalten und anerkannte Normen über Belohnung<br />

bei Befolgung (Lob, Anerkennung) beziehungsweise Sanktionen bei<br />

Nichteinhaltung (Massreglung, Verwarnung, Abmahnung) durchgesetzt werden.<br />

Eine Herausforderung der <strong>Unternehmenskultur</strong> ist, diejenigen Unternehmenswerte<br />

und kulturellen Normen aufzubauen und aufrechtzuerhalten, welche<br />

den grundlegenden Überzeugungen der Mitarbeitenden entsprechen,<br />

weil solche von ihnen leichter übernommen werden.<br />

Ebene der Grundannahmen<br />

Auf der untersten Ebene von Scheins Modell sind die von den Mitarbeitenden<br />

als selbstverständlich betrachteten Grundannahmen und Überzeugungen angesiedelt,<br />

welche die Art und Weise, wie auf die Umwelt reagiert wird, mitbestimmen.<br />

Dieses unbedachte Wissen, das kollektiv erlebt, aber nicht bewusst<br />

wahrgenommen oder explizit benannt wird, ist der Kern der <strong>Unternehmenskultur</strong>.<br />

Es beeinflusst die Wahrnehmung, das Denken und Fühlen der Mitglieder.<br />

Anders als die Artefakte sind die Grundannahmen jedoch weder sichtbar<br />

noch zugänglich.<br />

Die Grundannahmen werden einerseits von Mitarbeitenden über ihre geteilte<br />

Professionalität in die Unternehmung eingebracht, andererseits sind sie<br />

das Resultat eines gemeinsamen Lernprozesses einer Gruppe oder entwickeln<br />

sich aus den Weltsichten der Führungskräfte.<br />

So können etwa Manager und Managerinnen eine bestimmte Vorgehensweise<br />

zur Problemlösung einführen und durchsetzen. Funktioniert diese immer<br />

wieder, wird sie wiederholt angewendet und mit der Zeit als selbstverständlich<br />

angenommen.<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26 13


Dank bestimmter Grundannahmen müssen Dinge nicht jedes Mal von<br />

Grund auf neu erfunden und ausgehandelt werden. Pekruhl (2001) nennt<br />

diese tiefe Verankerung «unhinterfragte Grundannahmen» und bringt damit<br />

zum Ausdruck, dass sie für die Mitglieder Wahrheiten darstellen, die meist<br />

weder infrage gestellt werden, noch zur Diskussion stehen. Damit Grundannahmen<br />

produktiv geteilt werden können, setzt beispielsweise die Frage nach<br />

der Qualität einer Arbeit ein gemeinsames Verständnis davon voraus, was<br />

«gute Qualität der Arbeit» ist. Hierfür helfen für neueintretende Mitarbeitende<br />

gemeinsam verstandene Qualitätskriterien oder Skalenwerte, welche<br />

definieren, was «gute Qualität» der Leistung im Unternehmen bedeutet.<br />

Sofern die Grundannahmen und etablierten Überzeugungen von den Mitgliedern<br />

der Kultur anerkannt, befürwortet und aufrechterhalten werden, erstrecken<br />

sie sich durch Werte und Verhaltensnormen nach aussen. Die Werte<br />

und Normen wiederum beeinflussen die Entscheidungen und Aktivitäten der<br />

Kulturschaffenden. Das kulturell gesteuerte Handeln produziert schliesslich an<br />

der Oberfläche sichtbare Artefakte und somit die öffentliche Präsentation des<br />

kollektiven Selbst; die organisatorische Persona.<br />

Gleichzeitig wirken die sichtbaren Artefakte aber auch zurück. Das heisst,<br />

sie werden so interpretiert, dass sie genau die Werte und Annahmen darstellen,<br />

die sie überhaupt hervorgebracht haben. «Dies geschieht, weil Artefakte<br />

und Normen von Mitgliedern einer Kultur bewusst und kreativ genutzt werden,<br />

um ihre Identität auszudrücken und ihre Ziele zu formulieren und zu<br />

verfolgen.» (Hatch 1997, S. 217).<br />

Funktionen von <strong>Unternehmenskultur</strong><br />

Wenn wir die <strong>Unternehmenskultur</strong> aktiv gestalten wollen, ist es wichtig, mögliche<br />

Funktionen von <strong>Unternehmenskultur</strong>en zu kennen, um so auch die Richtung<br />

und Erwartung zu bestimmen. Die Funktionen, die <strong>Unternehmenskultur</strong>en<br />

innehaben können, sind vielfältig. So kann die Kultur die notwendige<br />

institutionelle Legitimität schaffen, um Ressourcen zu erhalten (Brown 2001),<br />

sie kann aber auch als informelles Mittel der Managementkontrolle innerhalb<br />

einer diffusen Autoritätsstruktur dienen. (Zaheer et. al. 2003) oder durch ein<br />

starkes Identitätsgefühl die notwendige Vertrauensbasis schaffen, um strategische<br />

Veränderungen proaktiv anzugehen. Folgen wir der Idee, dass die <strong>Unternehmenskultur</strong><br />

Lösungen auf betriebliche Herausforderungen bieten kann,<br />

unterstellen wir ihr bestimmte Funktionen:<br />

14<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26


• Sie soll sicherstellen, dass Mitarbeitende sich mit dem Unternehmen<br />

identifizieren, ein «Wir-Gefühl» entwickeln und aufrechterhalten<br />

(Identifikationsfunktion).<br />

• (Neue) Mitglieder sollen durch ihren persönlichen Beitrag möglichst<br />

einbezogen werden (Integrationsfunktion).<br />

• Indem die Kultur den Mitarbeitenden ermöglicht, bei wiederkehrenden<br />

Herausforderungen die Anforderungen und die Grenzen<br />

ihres Handlungsspielraums genau einzuschätzen, übernimmt sie<br />

eine Koordinationsfunktion.<br />

• Die <strong>Unternehmenskultur</strong> soll Mitarbeitende motivieren und ihr Engagement,<br />

ihre Selbstständigkeit und ihre Bereitschaft zur Übernahme<br />

von Verantwortung fördern (Motivationsfunktion; Beatge<br />

et. al. 2007).<br />

• Die <strong>Unternehmenskultur</strong> schafft eine begünstigende Atmosphäre<br />

und vertrauensvolle Rahmenbedingungen, die Ideen und Vorschläge<br />

der Mitarbeitenden wertschätzend annehmen (Vertrauensfunktion;<br />

Schein 2017).<br />

• Durch die positive Einstellung zu den Mitarbeitenden stärkt die Kultur<br />

die Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit (Sinnstiftungsfunktion) sowie<br />

Effizienz (Leistungsfunktion) und Innovationskraft (Kreativitätsfunktion)<br />

der Unternehmung.<br />

• Schliesslich gibt sie uns die Gewissheit, ohne klare Vorgaben angemessen<br />

im Sinne des Ganzen zu agieren (Gewissheitsfunktion;<br />

Rüegg-Stürm & Gand 2017).<br />

Miss Moneypenny<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26 15


Ausrichtungen der <strong>Unternehmenskultur</strong><br />

Durch den technischen Fortschritt, die zunehmende Globalisierung und den<br />

gesellschaftlichen Wandel stehen Unternehmen mehr denn je vor der Herausforderung,<br />

ihre Anpassungs- und Innovationsbereitschaft gegenüber Veränderungen<br />

zu bestimmen. Eine zentrale Aufforderung an das Management ist die<br />

Klärung, was eine «angemessene» Anpassung an diese äusseren Veränderungen<br />

und Anforderungen ist.<br />

Um zu entscheiden, ob sich die Unternehmung weitgehend offen für<br />

Neues zeigt oder eher abwartet, bis sich ein Trend im Markt etabliert hat, muss<br />

das Management die für die Unternehmung bedeutenden Umweltsituationen<br />

und internen Bedingungen analysieren. Als Folge davon kann eine Unternehmungsstrategie<br />

darauf gerichtet sein, sich möglichst schnell und in möglichst<br />

vielen Bereichen an äussere Veränderungen anzupassen, um attraktive Chancen<br />

im Markt zu nutzen und sich frühzeitig gegen Risiken des Marktes zu<br />

wappnen. Sie kann aber auch das Ziel verfolgen, die vorhandenen internen<br />

Ressourcen optimal einzusetzen und dabei insbesondere die eigenen Kernkompetenzen<br />

möglichst vielfältig zu nutzen, um am Markt erfolgreich zu sein.<br />

Welcher Ausrichtung eine Unternehmung folgt, ist situationsabhängig und<br />

wird von der Absicht des Managements bestimmt. Klar ist, dass es nicht genügt,<br />

neue Organisationsformen oder Arbeitszeitregelungen einzuführen,<br />

sondern es vor allem auch eine <strong>Unternehmenskultur</strong> braucht, welche die vom<br />

Unternehmen angestrebten Anpassungsleistungen «mitträgt».<br />

Veränderte Umweltbedingungen<br />

Nachfolgend werden einige Umweltsituationen und unternehmensinternen<br />

Gegebenheiten angesprochen, die eine bewusste Kulturgestaltung und Kulturvermittlung<br />

fordern.<br />

Diversity<br />

Die Schweiz hat eine ihrer Stärken in einer historisch und regional begründeten<br />

kulturellen Diversität. Diese Vielfalt an ethnischer Herkunft und die damit<br />

einhergehenden unterschiedlichen Werteeinstellungen beeinflussen sowohl<br />

16<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26


das Zusammenleben in der Gesellschaft als auch das Zusammenarbeiten in der<br />

Wirtschaft. Gleichzeitig wird die Bevölkerung in der Schweiz immer älter, mit<br />

der Folge, dass Menschen länger im Arbeitsleben bleiben. Dies führt vermehrt<br />

zu Generationenunterschieden zwischen den jungen Mitarbeitenden mit<br />

neuen Wertvorstellungen und den älteren Mitarbeitenden mit ihren Ansichten<br />

über geltende Normen.<br />

Kulturell vielfältige und altersdurchmischte Unternehmen bilden die<br />

Gesellschaft und somit die Lebenswirklichkeiten aller Mitarbeitenden besser<br />

ab – sie können dadurch flexibler und kreativer am Markt agieren. Weiter ist<br />

bekannt, dass gemischte Arbeitsgruppen wichtige Treiber für Innovation und<br />

erfolgreiche Zusammenarbeit sind.<br />

Das Fördern und professionelle Managen einer diversen und inklusiven<br />

<strong>Unternehmenskultur</strong> steigern jedoch nicht nur die Leistungsfähigkeit, sondern<br />

ebenso die Arbeitgeberattraktivität. Talente wählen Arbeitgeber nicht nach<br />

dem Basisgehalt, sondern nach der gebotenen Vielfalt und den möglichen<br />

Herausforderungen. Richtig umgesetzt, kann diese Diversität demnach helfen,<br />

den Fachkräftemangel zu meistern sowie die Nachfolge in Schlüsselpositionen<br />

zu sichern, was heute ein Erfolgsfaktor und entscheidender Wettbewerbsvorteil<br />

ist. Dafür benötigen Unternehmen Konzepte, mit denen sie in der Lage<br />

sind, Vielfalt zu entdecken, zu unterstützen und sowohl in den Leistungserstellungsprozess<br />

als auch in die <strong>Unternehmenskultur</strong> zu integrieren.<br />

Ein wichtiger Ansatz hin zu Diversity ist, dass Unternehmen ihre Recruitinginstrumente<br />

den vielfältigen Adressanten auf dem Arbeitsmarkt anpassen<br />

und ihre Kriterien und Verfahren der Personalauswahl, der Personalbeurteilung<br />

und Beförderung (Fokus auf Leistungsfähigkeit statt auf Herkunft und<br />

Werdegang) daraufhin prüfen, ob diese diskriminieren und gegebenenfalls<br />

geändert werden müssen (Krell 1997).<br />

Auch eine in die <strong>Unternehmenskultur</strong> eingebettete altersgerechte Führung<br />

kann als Ressource verstanden werden, welche die Gesamtperformance des<br />

Unternehmens verbessert. Gemäss Ilmarinen (1999, S. 202 ff.) gelten vier<br />

Qualitäten für ein gutes, altersgerechtes Führungsverhalten:<br />

(1) Kooperation, also die Bereitschaft der Führungskraft zur Gesprächsführung<br />

und Teamorientierung; (2) Organisation der Arbeitsabläufe mit Berücksichtigung<br />

der Arbeitsfähigkeit jedes Mitarbeitenden bei der Arbeitsplanung;<br />

(3) Kommunikation, ältere Mitarbeitende benötigen bei Veränderungen oft<br />

mehr Zeit, diesem Umstand soll die Führungskraft mit Erklärungen und dem<br />

Eingehen auf Fragen und Bedenken Rechnung tragen; (4) positive oder negative<br />

Einstellung und Haltung der Vorgesetzten zum eigenen Alter und Älterwerden.<br />

Nicht zuletzt müssen sich Führende und HR-Verantwortliche bei der Personalauswahl,<br />

der Entlohnung und Beförderung mit der oft vorhandenen patriarchalischen,<br />

asymmetrischen Geschlechterordnung, also mit den nach Geschlecht-<br />

Miss Moneypenny<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26 17


lichkeit zugeteilten Rollen der Mitarbeitenden im Unternehmen, befassen, um<br />

in Richtung Chancengleichheit zu gehen. Ein wichtiger Schritt in die Gleichstellung<br />

ist die Anerkennung geschlechtsbedingter Verschiedenheit und die<br />

Gewichtung der individuellen Ansprüche auf Gleichheit und Andersartigkeit.<br />

Die langfristige Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit für den Hochtechnologiestandort<br />

Schweiz, der nur marginal über natürliche Rohstoffe verfügt, ist<br />

nur möglich, wenn das gesamte Humankapital des Arbeitsmarktes erschlossen<br />

und von Unternehmen genutzt wird. Das bedeutet eine Verbesserung der<br />

Beschäftigungsperspektiven für Frauen, älteren Mitarbeitenden, die Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Familie sowie die Nachqualifizierung von Mitarbeitenden<br />

(häufig mit Migrationshintergrund) als Teil der unternehmerischen kulturellen<br />

Verantwortung anzunehmen.<br />

Neue Technologie<br />

«Die datenbasierte Wirtschaft ist nicht einfach ein Trend, der wieder verschwindet.<br />

Im Gegenteil: Gegenwärtig entsteht die digitale Infrastruktur, auf<br />

der Wirtschaft und Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten aufbauen werden.»<br />

(Rühl M. & Karrer H. 2017). Eines der wichtigsten Merkmale der sich<br />

selbst beschleunigenden technologischen Entwicklung ist die Entstehung der<br />

Vielfalt an Möglichkeiten der Zusammenarbeit von MenschMensch und<br />

Mensch-Maschinen-Systemen. Damit kann die Digitalisierung einerseits neue,<br />

spannende und herausfordernde Arbeits- und Beschäftigungsformen bieten,<br />

andererseits aber auch einförmige, langweilige Einfacharbeitsformen und<br />

maximale Arbeitsteilung verstärken. Unternehmen sind daher gefordert, eine<br />

Lagebeurteilung zu machen und abzuwägen, welche Technologien sie einsetzen<br />

wollen und welche Neustrukturierungen der Arbeit sich daraus ergeben –<br />

aber auch, wie sich dies auf die <strong>Unternehmenskultur</strong> auswirkt.<br />

In den bisherigen <strong>Unternehmenskultur</strong>diskussionen ist der Einfluss der Technologie<br />

generell wenig thematisiert worden und wird überdies sehr unterschiedlich<br />

eingeschätzt. Sind es eher die Eigenschaften und Merkmale der Mitarbeitenden<br />

und in weit geringerem Masse die Technologie, welche das Organisationsverhalten<br />

bestimmen, oder hat die eingesetzte Technologie fundamentalen Einfluss<br />

auf Arbeitshaltung und Sozialbeziehungen im Unternehmen?<br />

Der Einsatz moderner Produktions- und Datensysteme soll helfen, bestehende<br />

Aufgaben effizienter oder besser zu erledigen, flexibler zu produzieren<br />

sowie Maschinen zu vernetzen oder Aufgaben an Maschinen zu übertragen.<br />

Eine nicht nur auf Effizienz und Effektivität ausgelegte Unternehmungskultur<br />

achtet jedoch darauf, dass auch Menschen in der Einfacharbeit nicht lediglich<br />

zum verlängerten Arm der Maschine werden und nur Kleinstarbeiten machen<br />

dürfen. Innerhalb der intensiven Diskussion über den Mangel an Fachkräften<br />

geht häufig der ebenso bestehende Bedarf an mässig bis gering qualifizierten<br />

18<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26


Mitarbeitenden vergessen. Viele Führungskräfte orientieren sich in ihrem Verhalten<br />

und ihrem Handeln nur an den gut qualifizierten Mitarbeitenden und<br />

vernachlässigen häufig ihr Personal in der Einfacharbeit. Eine <strong>Unternehmenskultur</strong>,<br />

die bewusst die Anliegen, Erwartungen und Wertvorstellungen aller<br />

Mitarbeitenden auf allen Hierarchiestufen einbezieht, fördert sowohl die Leistungsbereitschaft<br />

der im Unternehmen arbeitenden Menschen als auch die<br />

Attraktivität der Unternehmung am Arbeitsmarkt.<br />

Miss Moneypenny<br />

Veränderte Kundenbeziehung<br />

Der wissenschaftlich-technische Fortschritt, allem voran die Digitalisierung,<br />

bringt uns nicht nur technische Grundlagen für neue Anwendungsformen wie<br />

selbstfahrende Autos, Avatare und Roboter, sondern auch neue Kundenwünsche<br />

und Kundenbeziehungen. Um eine hohe Kundenzufriedenheit zu erreichen,<br />

muss es der Unternehmung gelingen, aktuelle und zukünftige Bedürfnisse<br />

und Erwartungen zu verstehen, aufzunehmen und umzusetzen. Der<br />

moderne Kunde will mehr Transparenz, verlangt kürzere Antwortzeiten und<br />

hat eine höhere Nutzenerwartung.<br />

Eine zeitgerechte <strong>Unternehmenskultur</strong> ermutigt die Mitarbeitenden, nach<br />

aussen zu schauen und mit den Kunden zusammenzuarbeiten, um schnell<br />

neue, individuelle Lösungen zu entwickeln. Sie nutzt die digitale Infrastruktur<br />

zur Vernetzung von Mitarbeitenden und Kunden und lebt von der Transparenz<br />

und den Mitarbeiter-Kunden-Interaktionen.<br />

In dieser Kultur fördert die Führungskraft den Mut, auch Risiken einzugehen<br />

und aus Fehlern zu lernen. Die direkten Mitarbeiter-Kunden-Interaktionen<br />

verbreiten die dezentrale Entscheidungsfindung und fordern Delegation anstelle<br />

von Kontrolle. Eine solche Kultur, die weniger Planung, dafür die Kunden<br />

und die Aktionen in den Mittelpunkt stellt, zieht Talente an und hält sie in der<br />

Unternehmung (BCG 2019).<br />

Corporate Social Responsibility<br />

Für den Erfolg und den Wohlstand einer Gesellschaft braucht es sowohl die<br />

Eigenverantwortung der Menschen wie auch einen Gemeinsinn von Unternehmen.<br />

Unternehmerische Verantwortung, verstanden als «gemeinsinnliche<br />

Verantwortungskultur» oder als Corporate Social Responsibility (CSR), ist dabei<br />

keineswegs als gegeben zu erachten, sondern wird durch verantwortungsbewusstes<br />

unternehmerisches Handeln gestaltet.<br />

Gemäss Rühl & Stiefel (2015) steht Corporate Social Responsibility (CSR)<br />

«für sozial und ökologisch verantwortungsvolles Handeln von Unternehmen,<br />

das sich am Grundgedanken des nachhaltigen und zukunftsverträglichen<br />

Wirtschaftens orientiert.» CSR beinhaltet zunächst die Einhaltung entsprechender<br />

Gesetze, Vorschriften, Standards und Reglementierungen (klassische<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26 19


Compliance). Diese Bestrebungen beziehen sich auch auf Themen wie Arbeitsbedingungen<br />

inkl. Gesundheitsschutz. Weiter nimmt CSR soziale, ökologische<br />

und ökonomische Verantwortung im Kerngeschäft wahr (nachhaltiges<br />

Management) und erfüllt ein gesellschaftliches Engagement, das über das<br />

Kerngeschäft hinausgeht (Corporate Citizenship).<br />

Führungskräfte und HR-Fachkräfte stehen in der Verantwortung, das nötige<br />

Fachwissen und das Bewusstsein der unternehmerischen Verantwortung<br />

in der Unternehmung zu verankern. Sie müssen die Wertschöpfungskette<br />

überprüfen, kontrollieren und nötigenfalls den CSR-Anforderungen anpassen.<br />

Eine Vernetzung des Personalmanagements und der Unternehmenskommunikation<br />

sowie aktives Nachhaltigkeitsmanagement führen zu einer gemeinsamen<br />

«Geschichte» und «mentalem Modell», die sich als Verantwortungskultur<br />

in den Aktionen der Mitarbeitenden zeigt (Heidbrink & Seele 2007).<br />

Eine zentrale Aufgabe der Unternehmensleitung ist es, die in der Umweltanalyse<br />

aufgenommenen Anforderungen des unternehmerischen Umfeldes zu<br />

erfassen und in für die Mitarbeitenden verständliche Strategien und Aktionskurse<br />

zu übersetzen. Strategien und Aktionspläne sind klare und sichtbare<br />

Bekenntnisse zu den unternehmerischen Werten, Normen und den angestrebten<br />

Verhaltensmustern. Durch die Strategien und Aktionspläne werden innerbetriebliche<br />

Verantwortungen, Rollen und Anforderungen an die Mitarbeitenden<br />

zugewiesen. Sie ermöglichen die Grundwerte und die daraus abgeleiteten<br />

Standards der Beträge zur Erreichung eines auf nachhaltigen Erfolg ausgerichteten<br />

Unternehmens durchzusetzen (Müller 2012).<br />

Innerbetriebliche Anforderungen<br />

Unternehmen müssen sich heute fortwährend hinterfragen, wie sie sich organisieren<br />

können und welches Verhalten sie anstreben, um den an sie herangetragenen<br />

Anforderungen erfolgreich zu begegnen. Heute gehen bereits einige<br />

Unternehmen dazu über, Hierarchiestufen abzubauen und auf Teamarbeit<br />

anstelle von Kontrolle zu setzen. Organisationsansätze wie beispielsweise<br />

Holacracy oder agile Arbeitsweisen (agile Teams), mit mehr Verantwortung für<br />

jeden Einzelnen, fördern die Reaktionsgeschwindigkeit und die Innovationsfähigkeit.<br />

Zugleich gehen sie stark auf soziale Aspekte wie Unterstützung,<br />

Mitbestimmung, Vertrauen und gegenseitigen Respekt ein. Werte und Verhaltensweisen<br />

einer <strong>Unternehmenskultur</strong> werden dabei zu einem wichtigen<br />

Grundpfeiler für den Zusammenhalt und die Zusammenarbeit.<br />

Gefragt sind daher Personalprozesse, Führungsstile und Arbeitsverhältnisse,<br />

die derart gestaltet sind, dass sie eine <strong>Unternehmenskultur</strong> schaffen<br />

beziehungsweise erhalten, die mit den neuen Anforderungen umgehen und<br />

20<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26


den Wandel mittragen kann und die sowohl auf Effizienz wie auch auf Sinnstiftung<br />

ausgerichtet ist.<br />

Rekrutierung<br />

Für eine starke, wertebasierte <strong>Unternehmenskultur</strong> braucht es die richtigen<br />

Leute. Wenn nun aber Führende und Rekrutierungsverantwortliche von den<br />

richtigen Leuten sprechen, meinen sie oft hochqualifizierte Fachkräfte mit<br />

meist spezifischen Kompetenzen. Wie eine Studie von Leadership IQ (2016)<br />

zeigt, scheitern die meisten Neueinstellungen jedoch nicht aufgrund mangelnder<br />

fachlicher Qualifikation, sondern aufgrund der schlechten zwischenmenschlichen<br />

Fähigkeiten der neu eingestellten Mitarbeitenden. Gemäss dieser Studie<br />

scheitern 46% der Neueinstellungen innerhalb von 18 Monaten, während nur<br />

19% einen eindeutigen Erfolg vorweisen. In seinem Buch «Hiring for Attitudes»<br />

hat Mark Murphy (2016) die 5 wichtigsten Gründe für das Scheitern von<br />

Neueinstellungen kategorisiert:<br />

Miss Moneypenny<br />

1. Coachingfähigkeit (26%): Die Fähigkeit, Feedback von Vorgesetzten,<br />

Kollegen, Kunden und anderen zu akzeptieren und umzusetzen.<br />

2. Emotionale Intelligenz (23%): Die Fähigkeit, die eigenen Emotionen<br />

zu verstehen und zu verwalten und die Emotionen anderer genau<br />

zu bewerten.<br />

3. Motivation (17%): Ausreichende Anstrengungen, um das volle<br />

Potenzial zu erreichen und in der Arbeit zu überzeugen.<br />

4. Temperament (15%): Einstellung und Persönlichkeit, die auf den<br />

jeweiligen Arbeitsplatz und das Arbeitsumfeld abgestimmt sind.<br />

5. Technische Kompetenz (11%): Die funktionalen oder technischen<br />

Fähigkeiten, die für die Ausführung der Aufgabe erforderlich sind.<br />

Erfolgreiche Führungskräfte und Rekrutierungsverantwortliche kennen die<br />

Unterscheidungsmerkmale der Einstellungen und Eigenschaften ihrer Leistungsträger,<br />

ihrer mittleren Leistungsträger und ihrer gescheiterten Mitarbeitenden.<br />

Sie sind fähig, im Auswahlprozess auf Merkmale für die Passung in die<br />

Kultur und für Erfolg zu achten und Menschen mit entsprechenden Eigenschaften<br />

einzustellen. Scharfsinnige und psychologisch versierte Interviewer<br />

können die Kandidatinnen und Kandidaten lesen und die wahrscheinliche Leistung<br />

beurteilen. Leider fehlt der Mehrheit der Führungskräfte dazu die Ausbildung.<br />

Murphy (2016) stellt fest: «Fehlversuche bei der Einstellung können<br />

verhindert werden, wenn Manager mehr von ihrer Interview-Energie auf Coachingfähigkeit,<br />

emotionale Intelligenz, Motivation und Temperament der Kandidaten<br />

konzentrieren.» Dennoch bleibt die fachliche Kompetenz nach wie<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26 21


vor das beliebteste Thema bei Interviews, da sie leichter zu beurteilen ist –<br />

obwohl diese Kompetenz ein eher schlechter Indikator dafür ist, ob die neu<br />

eingestellte Person erfolgreich sein wird oder nicht (Murphy 2016). Damit eine<br />

Neueinstellung erfolgreich wird, sollten sich die Führungskräfte die Frage stellen:<br />

«Was macht Mitarbeitende hier erfolgreich, welches sind die Eigenschaften,<br />

die jemand haben muss und wie passen diese zur <strong>Unternehmenskultur</strong>?»<br />

Die Werte und Einstellungen der Mitarbeitenden müssen nicht zu hundert<br />

Prozent übereinstimmen. Weitaus weniger Deckungsgleichheit reicht bestimmt<br />

aus. Dennoch sollten vorwiegend Menschen eingestellt werden, die ins<br />

Team passen und deren Werte und Einstellungen nicht allzu weit von denen<br />

der Unternehmung entfernt sind (Cultural-Fit-Recruiting).<br />

Psychologisches Arbeitsverhältnis<br />

Ein Arbeitsverhältnis ist eine gegenseitige Verpflichtung von Arbeitgebenden<br />

und Arbeitnehmenden, die auf Werten, Erwartungen und Hoffnungen basiert,<br />

die über den formalen Arbeitsvertrag hinausgeht. Davon ausgehend,<br />

dass eine Anstellung dann passiert, wenn beide Seiten davon überzeugt sind,<br />

dass sie den gegenseitigen Anforderungen genügen (alles andere wäre schon<br />

im Ansatz falsch), darf eine hohe Leistungsbereitschaft und die Bereitschaft zu<br />

gegenseitigem Vertrauen angenommen werden. Beides sind Kernelemente<br />

einer <strong>Unternehmenskultur</strong>. Arbeitgeberversprechen wie: «Bei uns sind alle<br />

gleich. Unsere Zusammenarbeit ist von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung<br />

geprägt.» sind klare und sichtbare Bekenntnisse zu den unternehmerischen<br />

Normen, Werten und den gewünschten Verhaltensmustern.<br />

Fähige Mitarbeitende merken schnell, ob solche Abmachungen nur auf<br />

dem Papier gelten oder ob sie auch gelebt werden. Es hat sich gezeigt, dass<br />

die Verletzung eines sogenannten «psychologischen Vertrages» eine starke<br />

negative Auswirkung auf die Arbeitsmoral und die Leistungsbereitschaft von<br />

Mitarbeitenden hat. Führende und HR-Verantwortliche müssen darauf achten,<br />

dass diese Versprechen in der Personalpolitik (z. B. Lohnentwicklung, Weiterbildungsmöglichkeiten)<br />

sowie in der alltäglichen Arbeit erkennbar sind und<br />

eingehalten werden. Führungskräfte müssen lernen, vorbildliches Verhalten<br />

mit Lob und Wertschätzung anzuerkennen und unerwünschte Handlungen<br />

nicht zu ignorieren, sondern verhältnismässig mit Tadel bis hin zu Sanktionen<br />

zu bestrafen. Eine Kultur, die Erwartungen und Versprechen bekannt gibt und<br />

diese einhält, ist eher kooperativ, meist offener für Veränderung und häufiger<br />

bereit, abschätzbare Risiken einzugehen.<br />

22<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26


Bindung der Mitarbeitenden<br />

In der Zeit des Fachkräftemangels ist es wichtig, dass es Unternehmen gelingt,<br />

ihre Arbeitskräfte ausserordentlich zu befähigen. Was meist unter Mitarbeitenden-Bindung<br />

aufgeführt ist, könnte auch Mitarbeitenden-Befreiung genannt<br />

werden. Dadurch würde betont, dass die Mitarbeitenden derart befähigt und<br />

kompetent sind, dass sie jederzeit ihre Anstellung wechseln könnten. Sie tun<br />

dies jedoch nicht, weil sie nur in «ihrem» Unternehmen arbeiten und Teil «ihrer»<br />

Kultur sein wollen. Die Befreiung der Mitarbeitenden führt dazu, dass die<br />

Menschen, die im Unternehmen arbeiten, dies aus freien Stücken tun und<br />

nicht, weil sie keine oder nur eine geringe Chance auf eine Alternative sehen.<br />

Unternehmen werden in Zukunft eine mit der <strong>Unternehmenskultur</strong> und<br />

auf die Unternehmensziele abgestimmte Personalentwicklung etablieren müssen.<br />

Nur so gelingt es ihnen, Talente auf einem Markt mit steigender Nachfrage<br />

und sinkendem Angebot zu gewinnen, zu entwickeln und zu binden (zu<br />

befreien). Auch wenn betont wird, dass Mitarbeitende selbst für ihre Weiterentwicklung<br />

(mit)verantwortlich sind (z. B. Selbsteinschätzung der eigenen<br />

Möglichkeiten), so spielen Führende bei der Personalentwicklung eine grundlegende<br />

und entscheidende Rolle. Sie treten gleichzeitig als Stratege, Recruiter,<br />

Evaluator, Coach und Mentor auf, indem sie die Personalplanung anhand<br />

strategischer Vorgaben umsetzen, sich für die Gewinnung von Talenten einsetzen,<br />

Beurteilungen und Entlohnungen der jeweiligen Leistungen vornehmen,<br />

ihre Mitarbeitenden motivieren und fördern und schlussendlich gewillt<br />

sind, diese weiterzuentwickeln. Weiter gilt es, die Unternehmensstrategie mit<br />

dem Talentmanagement zu unterstützen und dadurch einen wesentlichen Beitrag<br />

zur Erreichung der Unternehmensziele zu leisten (Löffler & Nagler 2017).<br />

Eine <strong>Unternehmenskultur</strong>, die bewusst Raum für die Ausschöpfung und Entwicklung<br />

von Potenzial schafft, wird eine motivierende Kraft zur Leistungserbringung<br />

abgeben und somit wesentlich zum Unternehmenserfolg beitragen.<br />

Miss Moneypenny<br />

Neues Führungsverständnis<br />

Die Führungskraft entscheidet, welche Strategie die Unternehmung wählt,<br />

welche Aktionspläne daraus abgeleitet werden und sie bestimmt die Machtund<br />

Rollenverteilung in Teams. Somit sind Führungskräfte sicherlich bedeutende<br />

Treiber, wenn es um die Gestaltung der <strong>Unternehmenskultur</strong> geht. Mit<br />

ihrem Führungsverhalten und ihren bestimmenden Handlungen geben sie der<br />

<strong>Unternehmenskultur</strong> zumindest eine Richtung.<br />

Die sehr analytisch- und sachorientierte, transaktionale Führung wird<br />

heute in vielen <strong>Unternehmenskultur</strong>en als die «richtige» angesehen. Sie basiert<br />

auf einer auf Verstärkung beruhenden Austauschbeziehung zwischen<br />

Führungskraft und Mitarbeitenden. Die Basis dieses Kontrakts ist die Belohnung<br />

(in Form von Geld, Beförderung, Lob, Wertschätzung) in Verbindung mit<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26 23


der Leistungserfüllung beziehungsweise Bestrafung bei Nichterfüllung. Die<br />

bedingte Belohnung und die damit verbundenen «Wenn...dann»-Prozesse<br />

sind der Kern der transaktionalen Führung. Transaktionale Führungskräfte fokussieren<br />

stärker auf das «Wie» als auf das «Was» oder das «Warum». Sie<br />

gelten als gute Prozessoptimierer und stehen für gute Qualität des Produktes<br />

oder der Dienstleistung.<br />

In der Praxis zeichnen sich transaktionale Kulturen aus durch:<br />

• definierte Ziele und Ergebnisorientierung sowie Kontrollen des<br />

Zielerreichungsfortschritts,<br />

• «Belohnung» bei Zielerreichung, «Sanktionen» bei Nichterreichung,<br />

• klare Strukturen, beschriebene Prozesse und feste Regeln,<br />

• aktives Management by Exception<br />

• und die Gewissheit, die Dinge richtig zu tun.<br />

Der Pferdefuss der transaktionalen Führungskultur ist, dass die Klarheit beziehungsweise<br />

Berechenbarkeit zu durchschnittlichen oder erwarteten Leistungen<br />

führen, aber nicht zu ausserordentlichen Anstrengungen. Aufgaben werden<br />

nicht aus sich selbst heraus ausgeführt, sondern weil es die geltenden<br />

Rahmenbedingungen erforderlich machen oder weil darauf eine materielle<br />

Belohnung oder eine Beförderung (extrinsische Motivation) folgt.<br />

Ein anderes Konzept ist dasjenige der transformationalen oder transformativen<br />

Führung. Diese Führungsform erweitert das Konzept der transaktionalen<br />

Führung um die Komponente der intrinsischen Motivation. Diese wird definiert<br />

durch die Handlung um ihrer selbst willen. Eine Tätigkeit wird ausgeführt,<br />

weil sie Spass macht, durch die Freude der Herausforderung oder weil das<br />

Ergebnis der Handlung derart Freude bereitet. Der wahrgenommene Ort der<br />

Handlungskontrolle liegt in der Person selbst (Deci, Ryan 2008). Mit dem Konzept<br />

der transformativen Führung soll beschrieben werden, wie Führungskräfte<br />

grundlegende Veränderungen in ihrem Verantwortungsbereich einleiten,<br />

durchführen und erfolgreich vollenden können.<br />

24<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26


Transformative Führungskräfte<br />

• geben den Mitarbeitenden mehr Entscheidungskompetenzen<br />

(Empowerment),<br />

• stellen ein Vorbild für ihre Mitarbeitenden dar,<br />

• haben ein hohes Selbstbewusstsein, hohe Kompetenz und klare<br />

Wertvorstellungen, nach denen sie leben,<br />

• können aktiv zuhören, sind offen für abweichende Meinungen und<br />

haben ein hohes Mass an Kooperationsbereitschaft,<br />

• entwickeln eine klare und verständliche Vision,<br />

• setzen Veränderungsprozesse in Gang,<br />

• motivieren ihre Mitarbeitenden, die Vision zu verfolgen und umzusetzen.<br />

Miss Moneypenny<br />

Transformative <strong>Unternehmenskultur</strong>en stellen die Ziele der Gemeinschaft und<br />

nicht die individuellen, selbstsüchtigen Ziele Einzelner in ihr Zentrum. Die<br />

Mitglieder sind fähig und bereit, ihre eigenen Interessen zum Wohle der Unternehmung<br />

zurückzustellen und identifizieren sich mit ihr. Die Führenden<br />

inspirieren durch vorbildliches Handeln und durch die Vermittlung attraktiver<br />

Zukunftsvisionen. Die Aufgaben werden intellektuell stimulierend gestaltet<br />

und fördern auf diese Weise gegenseitiges Vertrauen sowie neue Denkmuster.<br />

Die Grundidee der transformativen Kultur ist das Entflammen einer Begeisterung,<br />

die bei allen Beteiligten zu (Mehr-)Leistung, Commitment, Identifikation<br />

und einer hohen Arbeitszufriedenheit führt.<br />

Mitbestimmung<br />

Während bei der transaktionalen Führung die Entscheidungen vor allem von<br />

den Führenden getroffen werden, trägt die transformative Führung mit der<br />

Verteilung der Entscheidungskompetenzen (Empowerment) im besonderen<br />

Masse der Mitbestimmung der Mitarbeitenden Rechnung. Unter dem Titel<br />

«Wir sind heute mehr Mensch als früher» schrieb Karl Lauschte bereits vor<br />

mehr als fünfzig Jahren über die Demokratisierung durch das Mitbestimmungsgesetz<br />

in den Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden<br />

Industrie Deutschlands. Für viele Mitarbeitende, gerade für solche<br />

mit geringer bis mittlerer Berufsqualifikation, hat sich in den Mitbestimmungsmöglichkeiten<br />

bis heute nur wenig getan. Als Folge des digitalen Wandels<br />

gewinnt die Forderung nach Mitbestimmung wieder an Bedeutung. Inwieweit<br />

man Mitarbeitende in den Entscheidungsprozess einbeziehen soll, kann und<br />

darf, ist nicht allgemeingültig zu beantworten und hängt stark von der Situation<br />

und der Organisation des Entscheidungsprozesses zusammen. Der Handlungsspielraum<br />

geht von Informieren bis zur quasi autonomen Selbstentschei-<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26 25


dung. Führungskräfte haben den Auftrag, Strategien zu entwickeln und unternehmensrelevante<br />

Entscheidungen zu treffen, diese Aufgabe darf man<br />

ihnen nicht als verstandene Demokratisierung abnehmen. Unbestritten ist jedoch<br />

der Anspruch der Mitarbeitenden auf Selbstbestimmung bezüglich der<br />

Organisation und Ausführung ihrer Arbeit. Eine <strong>Unternehmenskultur</strong>, die<br />

diese (Mit-)Selbstbestimmung fördert, schafft ein Gefühl der Eigenverantwortung<br />

und der Verantwortung gegenüber der Unternehmung und deren Zielerreichung.<br />

Vertrauen<br />

In der heutigen Zeit ist die Fähigkeit, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu<br />

gestalten, eine der wichtigsten Fähigkeiten von erfolgreichen Führungskräften.<br />

Vertrauen ist die wichtigste Grundlage zwischenmenschlicher Beziehungen<br />

und somit eine zentrale Dimension der <strong>Unternehmenskultur</strong>. Der<br />

Unterschied zwischen Vertrauensbeziehungen und Beziehungen mit wenig Vertrauen<br />

liegt auf der Hand. In einer vertrauensbasierten Zusammenarbeit finden<br />

sich Ehrlichkeit, Integrität, Wohlwollen, Loyalität oder Toleranz in der Haltung<br />

der Beteiligten. Während bei wenig Vertrauen Vermutungen, Hintergedanken<br />

und Vorwürfe dazu führen, dass nur zögerlich Entscheidungen gefällt werden.<br />

Diese Entscheidungen wollen zusätzlich über Bürokratie und Kontrollsysteme<br />

hinsichtlich sämtlicher Eventualitäten abgesichert sein. Ein Morast der Verdächtigungen<br />

führt zu Frustration, zu Winkelzügen, zu taktischen Spielen und<br />

schliesslich zu erheblichem Zeit- und Geldverlust. Je mehr Vertrauen vorhanden<br />

ist, desto produktiver kann eine Beziehung sein.<br />

Unternehmen geniessen keinen Vertrauensvorschuss, sondern verdienen<br />

sich Vertrauen über die Zeit hinweg, wenn sie Regeln und Handlungen erwartungsgemäss<br />

wiederholt anwenden und wenn deren Einhaltung überwacht<br />

wird. Vertrauen ist das Folgeergebnis von Handlungen, also eines Entwicklungsvorganges,<br />

der Zeit braucht. Weiter kommt der ökonomische Wert von<br />

Vertrauen vor allem dann zum Tragen, wenn Veränderungen anstehen und<br />

dadurch bisherige Bindungen an Bedeutung verlieren. Bestehendes Vertrauen<br />

kann die Instabilität des Wandels mindern (Seele 2007).<br />

Vertrauen aufzubauen ist eine der zentralen Aufgaben von Führungskräften,<br />

wobei es letztlich um Glaubwürdigkeit und die Übereinstimmung von<br />

Taten und Worten geht. Die Fähigkeit, glaubwürdig zu sein und zu bleiben<br />

sowie Vertrauen aufzubauen und es zu halten wird häufig bestimmten Schlüsselfaktoren<br />

zugesprochen. Nimmt man Covey (2018) und Robbins & Judge<br />

(2019) zusammen, ergeben sich sieben Faktoren, von denen die Glaubwürdigkeit<br />

sowohl im Privat- als auch im Geschäftsleben abhängt:<br />

26<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26


Konsistenz<br />

Loyalität<br />

Offenheit<br />

Integrität<br />

Absichten<br />

Fähigkeiten<br />

Ergebnisse<br />

Verlässlichkeit, Berechenbarkeit und Urteilsfähigkeit eines<br />

Individuums in verschiedenen Situationen.<br />

Bereitschaft, einen anderen Menschen in Schutz zu<br />

nehmen und seinen Ruf zu verteidigen.<br />

ist gegeben, wenn man davon ausgehen kann, dass der<br />

andere nichts verschweigt.<br />

Dazu gehört neben Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit auch<br />

der Mut, im Einklang mit seinen Werten und Überzeugungen<br />

zu handeln.<br />

Vertrauen wächst, wenn wir ehrlich sind und unsere<br />

Absichten auf dem Willen beruhen, allen Beteiligten<br />

Vorteile zu verschaffen.<br />

Die Talente, Einstellungen und Fertigkeiten, unser<br />

Wissen und unseren ganz persönlichen Stil, die wir<br />

nutzen, um Ergebnisse und Erfolg zu erzielen.<br />

Das Vertrauen steigt, wenn wir etwas vorzuweisen<br />

haben, wenn wir die Erwartungen anderer erfüllen und<br />

die versprochenen Ergebnisse auch liefern.<br />

Miss Moneypenny<br />

Wichtig ist, dass Führende nichts verheimlichen, sich aufrichtig bemühen zu<br />

erklären, auf welchen Überlegungen ihre Entscheidungen beruhen. Bei Angelegenheiten,<br />

bei denen es möglich ist, offen über Daten, Absichten und Fakten<br />

informieren und wo es nicht möglich ist, die Gründe dafür erklären. Erfolgreiche<br />

Führende schauen hin, sprechen an und hören zu. Sie stellen Fragen,<br />

sind offen für konstruktive Kritik und sind fähig, ihre Ideen auch gegen Widerstand<br />

zu vertreten und unbeliebte Entscheidungen zu treffen. Mitarbeitende<br />

suchen Vorgesetzte, die berechenbar sind und auch bei kleinen Dingen achtsam<br />

mit der Wahrheit umgehen.<br />

Sinnhaftigkeit<br />

Eine zeitgemässe <strong>Unternehmenskultur</strong> achtet neben dem Vertrauen aufbauenden<br />

Führungsstil auch auf ihre Sinnhaftigkeit. Unternehmen vermitteln ihren<br />

wesentlichen Sinn in der Mission. Diese beschreibt, warum das Unternehmen<br />

existiert und zeigt die Philosophie und Kultur des Unternehmens, indem sie<br />

sagt, was das Unternehmen für seine Stakeholder (Kunden, Eigentümer, Mitarbeiter<br />

oder Partner) sein will. Damit dieser Unternehmenssinn bis an die<br />

Mitarbeitenden gelangt, sollten Führungskräfte über die Hintergründe und<br />

Sinnhaftigkeit ihrer Entscheidungen und ihrer Anweisungen reden. Dadurch<br />

können die Vorgehensweisen und die Ergebnisse ihrer Anstrengungen in den<br />

unternehmerischen Kontext eingeordnet werden und sie erkennen in ihrem<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26 27


Tun den Sinn. Es muss nicht immer ein «hochwertiger» Sinn wie das Bauen<br />

eines abgasfreien Motors sein, sondern es kann auch einfacheren Sinn ergeben.<br />

Mitarbeitende, die wissen, warum sie etwas tun, halten sich nicht lange<br />

mit dem «Was» auf und erledigen die Aufgaben mit der Überzeugung, etwas<br />

Sinnvolles zu tun.<br />

«Diese Fähigkeit der Arbeit, dem individuellen Leben Sinn und Gewicht zu<br />

geben, wohnt irgendwie jeder Arbeit inne, ob sie schwer oder leicht, abwechslungsreich<br />

oder monoton ist, sofern sie nur keine Scheinleistungen hervorbringt<br />

wie das sinnlose Hin- und Herstapeln von Holz in Gefängnishöfen<br />

[…]» (Lewin 1920).<br />

Mitarbeitenden den Sinn einer Aufgabe nicht deutlich zu machen, unterstellt<br />

(unbewusst) blinden Gehorsam und ist nur in seltenen Ausnahmefällen die<br />

richtige Handlungsweise. Besonders bei Mitarbeitenden, die durch den fundamentalen<br />

Wandel in der Arbeitswelt verunsichert sind, muss es der <strong>Unternehmenskultur</strong><br />

gelingen, ein Gefühl der Sinnhaftigkeit in ihre Arbeit zu vermitteln<br />

– einen Grund, jeden Morgen aufzustehen.<br />

28<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26


Gestaltung von <strong>Unternehmenskultur</strong><br />

Miss Moneypenny<br />

In Bezug auf die Frage, ob und wie sich <strong>Unternehmenskultur</strong>en überhaupt<br />

gestalten lassen, gibt es unterschiedliche Auffassungen. Nach Ogbonna und<br />

Harris (2002) können diesbezügliche Meinungen und Einschätzungen grob in<br />

drei Kategorien eingeteilt werden:<br />

• Optimisten glauben, dass eine kulturelle Kontrolle durch das Topmanagement<br />

möglich und wünschenswert ist. Sie argumentieren im Allgemeinen,<br />

dass den Unternehmen, die ihre Kulturen nicht kontrollieren, eine<br />

Möglichkeit entgeht, ihre Humanressourcen zu nutzen. Die Ansicht basiert<br />

oft auf der Annahme, dass einheitliche Werte und Interessen der<br />

Führungskräfte über Organisationshierarchien hinweg geteilt werden.<br />

• Die Pessimisten glauben, dass Kultur nicht verwaltet werden kann und<br />

stellen infrage, dass Manager eine geplante kulturelle Neuorientierung<br />

erreichen können. Sie argumentieren, dass sich die Kultur auf der tiefsten<br />

Ebene des menschlichen Bewusstseins befindet, von der weder Forscher<br />

noch Manager über genügend Wissen verfügen, um sie zu beeinflussen<br />

oder streng kontrollieren zu können.<br />

• Die Realisten schliesslich vertreten die Ansicht, dass sich <strong>Unternehmenskultur</strong><br />

verändern kann und will und demnach zumindest teilweise beeinflussbar<br />

ist. Realisten sind weder für noch gegen das Management der<br />

<strong>Unternehmenskultur</strong>. Sie erkennen an, dass der Kulturwandel eine<br />

schwierige Aufgabe ist und dass die bewusste Entwicklung der Kultur<br />

unter bestimmten Umständen – zu denen die Gründung, Krisenzeiten<br />

und Führungswechsel gehören – beeinflusst, aber nicht kontrolliert werden<br />

kann (Ogbonna und Harris 2002).<br />

Der vorliegende Beitrag vertritt die realistische Auffassung, dass die <strong>Unternehmenskultur</strong><br />

in ihrer Gesamtheit nicht direkt gesteuert beziehungsweise kontrolliert<br />

werden kann, es aber einen gewissen Spielraum für das Management<br />

gibt, bestimmte Aspekte der Kultur eines Unternehmens zu beeinflussen.<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26 29


Einflussmöglichkeiten und Rollen<br />

Folgt man dem Kulturmodell von Schein, so kann man in der Praxis Kultur<br />

zumindest auf der Ebene der Artefakte sowie der Ebene der Werte und Normen<br />

als Instrument ansehen, welches dem Management erlaubt, einen entscheidenden<br />

Einfluss auf die Entwicklung der <strong>Unternehmenskultur</strong> zu nehmen.<br />

Hierbei bildet das «normative Management» den stabilisierenden Teil einer<br />

Unternehmung. Damit wird jener Teil der Unternehmensführung beschrieben,<br />

welcher die Prinzipien und Spielregeln für verantwortungsvolles Führungshandeln<br />

festlegt (Ruegg-Stürm & Gand 2017). Über die von der Unternehmensleitung<br />

gewählten Strategien, die definierten Prozesse und den angewendeten<br />

Führungsstil können Manager und Managerinnen Normen und Regeln des<br />

gewünschten Verhaltens einführen und durchsetzen. Falls diese die gewünschte<br />

Wirkung erzeugen, werden sie wiederholt angewendet und die Gruppe wird<br />

sie mit der Zeit als «ihre» Verhaltensweisen und Werte übernehmen. Damit<br />

wird kollektiv und einvernehmlich zum Ausdruck gebracht, was die zentralen<br />

Merkmale der eigenen Organisation sind – die Vorstellung, die Mitglieder der<br />

Unternehmung darüber haben, «wer sie sind» – womit eine Kultur geformt<br />

wurde (Müller 2013).<br />

Übereinstimmend sprechen Schein (2017) und Sackmann (2017) den<br />

Gründern einer Organisation sowie dem Topmanagement die grösste Macht<br />

für Veränderungen von <strong>Unternehmenskultur</strong> zu. Sie entscheiden über Ressourcenverteilung<br />

(Geld, Zeit, Raum und Materialien) und übertragen ihre<br />

eigenen Überzeugungen, Werte und Annahmen darüber, wie Angelegenheiten<br />

von ihren Mitarbeitenden erledigt werden sollen, in ihre Strategien für die<br />

Unternehmung. Weiter attestieren sie den Führungskräften über ihren Führungsstil<br />

eine bedeutende Rolle in der Kulturgestaltung, da sie als Vorbilder<br />

gelten.<br />

Aktionsparameter des Managements<br />

Einflussmöglichkeiten des<br />

Managements<br />

Strategien<br />

Kultur<br />

Ressourcenzuteilung<br />

Führungsstil<br />

30<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26


Inwieweit das Personalmanagement auf die Gestaltung und Vermittlung der<br />

<strong>Unternehmenskultur</strong> aktiv einwirken kann, ist in starkem Masse davon abhängig,<br />

welchen Stellenwert das HR-Management im Unternehmen einnimmt.<br />

Seine Rolle wiederum richtet sich nach dem Ausmass der «Ressource Mensch»<br />

als strategisch relevante Erfolgsgrösse. Die Einflussmöglichkeiten sind stark<br />

limitiert, falls die Aufgaben des Personalmanagements auf einen operativen<br />

Fokus wie Personalverwaltung beschränkt sind. Erst wenn das Personalmanagement<br />

innerbetrieblich als Mitakteur bei der Strategie- und Unternehmensentwicklung<br />

wirkt, kann es eine bedeutende Funktion bei der Kulturgestaltung<br />

beziehungsweise Kulturvermittlung übernehmen. Als strategischer Partner<br />

besitzt das Personalmanagement hohe Kompetenz und genügend Gestaltungs-<br />

und Entscheidungsfreiraum, um organisatorische Veränderungen zu<br />

initialisieren und aktiv voranzutreiben, aber auch um wertvolle kulturelle Traditionen<br />

und bewährte Richt linien zu erhalten.<br />

Miss Moneypenny<br />

Instrumente der Kulturvermittlung<br />

Im Hinblick auf das Personalmanagement als Gestalter und Vermittler der <strong>Unternehmenskultur</strong><br />

werden nachfolgend einige HR-Aufgaben aufgeführt, die<br />

einen beträchtlichen Einfluss auf die <strong>Unternehmenskultur</strong> haben. Personalprozesse,<br />

die lediglich die Einbettung in die Kultur unterstützen (z. B. Organisation<br />

eines Firmenevents, Weihnachts- und Geburtstagskarten usw.), werden nicht<br />

betrachtet.<br />

Personalgewinnung<br />

Um die Unternehmungskultur zu gestalten oder zu erhalten, spielt die Rekrutierung<br />

eine wichtige Rolle. Bei Neueinstellungen müssen Personalverantwortliche<br />

und Linienvorgesetzte bei der Selektion vermehrt nicht nur auf entsprechende<br />

Fähigkeiten, sondern auch auf die Persönlichkeit achten. Dies, weil<br />

notwenige Verhaltensweisen und Fähigkeiten erlernt werden können, unpassende<br />

Persönlichkeitsmerkmale eines Mitarbeitenden jedoch nur schwer veränderbar<br />

sind. Zur Unterstützung der Führungskräfte sollten die HR-Verantwortlichen<br />

Kriterien- und Fragekataloge zur Verfügung stellen, die neben der<br />

Beurteilung von fachlichen Qualifikationen auch Werte und Einstellungen der<br />

Kandidatinnen und Kandidaten erfassen. Entweder sucht der Recruiter «Passung»<br />

zur bestehenden oder gewollten <strong>Unternehmenskultur</strong> oder bewusst eine Persönlichkeit,<br />

die sich von den jetzigen Mitarbeitenden deutlich unterscheidet.<br />

Beides kann je nach Situation und Gestaltungsziel durchaus Sinn machen.<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26 31


Bei Neueinstellungen ist die Kulturvermittlung durch Patensysteme möglich.<br />

Hierbei wird dem neu Eintretenden mindestens eine Person zur Seite gestellt,<br />

die in fachlichen Fragen und bei der kulturellen Eingliederung als Ansprechpartner/in<br />

dient. Wichtig ist, dass die Patin bzw. der Pate nicht nur fachlich<br />

geeignet ist, sondern auch kommunikative Fähigkeiten mitbringt und nicht<br />

zum stellvertretenden Vorgesetzten wird.<br />

Personalcontrolling<br />

Der mögliche Einfluss von Personalcontrolling auf die Kulturgestaltung wird in<br />

vielen Unternehmen nicht genügend gewürdigt. Personalkennzahlen drücken<br />

aus beziehungsweise sind ein Indikator dafür, was in einer Unternehmung<br />

personalwirtschaftlich relevant ist. Sie zeigen an, worauf geachtet, was gemessen<br />

und kontrolliert wird (oder werden soll) und haben damit auch Einfluss<br />

auf Entscheidungen von Führungskräften, zum Beispiel auf die Anzahl Mitarbeitenden<br />

(Lohnkosten), die Lohnentwicklung oder die Weiterbildungs- und<br />

Karrieremöglichkeiten. So führt etwa ein auf die Personalkosten fokussiertes<br />

Kennzahlensystem auch zu einer kostenorientierten <strong>Unternehmenskultur</strong>, die<br />

vorwiegend nach Sparpotenzial im Personal sucht. Ein auf Personalleistung<br />

konzentriertes Kennzahlensystem hingegen fördert die individuelle Leistungsbereitschaft<br />

über Motivation, Weiterbildung, Kundenorientierung und variable<br />

Lohnanteile bei den Mitarbeitenden. Die entsprechende Betonung der<br />

personalwirtschaftlich relevanten Daten und Informationen darf demzufolge<br />

als Einflussfaktor auf die <strong>Unternehmenskultur</strong> betrachtet werden. Wichtig ist,<br />

neben der Ausgewogenheit, die Kennzahlen systembildend und systemkoppelnd<br />

koordiniert einzusetzen und nicht einfach als «neues Kontrollinstrument»<br />

im Sinne eines Personal-Überwachungssystems (dies hätte negative<br />

Einwirkung auf die Kultur). Nur dann unterstützt Personalcontrolling das<br />

Unternehmen als Ganzes.<br />

Führungs- und Verhaltensdokumentationen<br />

Die Unternehmenspolitik legt die unternehmerischen Handlungsfelder und<br />

Leistungsbereiche, die Unternehmensziele und die Verhaltensgrundsätze gegenüber<br />

den massgeblichen Anspruchsgruppen fest. Sie definiert die Rahmenbedingungen<br />

und Leitlinien für das Unternehmen und bestimmt die<br />

Werte sowie das langfristige Verhalten der Unternehmung nach aussen und<br />

innen. Aus der Unternehmenspolitik abgeleitete Führungsgrundsätze sowie<br />

Leitbilder kodifizieren die Erwartungen über gewollte kulturelle Werte und<br />

Normen im Sinne des ganzen Unternehmens. Sie bieten den Mitarbeitenden<br />

Orientierung und schaffen Rahmenbedingungen für ihr Handeln.<br />

32<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26


Die Personalpolitik ist auf die Unternehmenspolitik und auf das Leitbild abgestimmt<br />

und bildet die Basis für die Definition der Personalprozesse. Sie stellt<br />

ein einheitliches, transparentes Vorgehen in allen Personalangelegenheiten<br />

sicher. Als Grundlage sämtlicher Handlungen innerhalb der Funktionen eines<br />

Personalmanagements hat die Personalpolitik wesentlichen Einfluss auf die<br />

gewollte <strong>Unternehmenskultur</strong>. Die Aussagen in der Personalpolitik haben direkten<br />

Einfluss auf die Mitarbeitenden. Dadurch werden Widersprüche zwischen<br />

den schriftlich festgelegten Erwartungen (z. B. über die Komponenten<br />

der Honorierung oder die Voraussetzungen für Weiterbildungen) und der tatsächlich<br />

gelebten Alltagspraxis schnell sichtbar. Grössere Diskrepanzen führen<br />

geradewegs zu wahrgenommener Ungleichbehandlung und merkbarer Unzufriedenheit<br />

unter den Mitarbeitenden. Dies wiederum schwächt den Zusammenhalt<br />

und somit die <strong>Unternehmenskultur</strong>.<br />

Miss Moneypenny<br />

Die Personalpolitik regelt in den meisten Fällen die Ausgestaltung von:<br />

• Arbeitszeitregelungen (flexible Arbeitszeiten, Bandbreitenmodelle,<br />

Jahresarbeitszeiten),<br />

• Arbeitsortregelung (Einsätze bei Kunden, Homeoffice),<br />

• Kommunikation und Mitwirkung,<br />

• Leistungsbewertungen (jährlich, halbjährlich oder gar keine),<br />

• Lohnpolitik (Zeitlohn, Leistungslohn, Erfolgsbeteiligung),<br />

• Personalentwicklung,<br />

• Laufbahnplanung,<br />

• Diversitymanagement,<br />

• Trennungsmanagement,<br />

und vermittelt somit direkt kulturelle Werte an die Mitarbeitenden.<br />

Vorschriften und Reglemente, aber auch Stellenbeschreibungen, sind wichtig,<br />

damit Mitarbeitende ihre Aufgaben wie auch die Grenzen ihres Gestaltungsund<br />

Handlungsspielraums in der täglichen Alltagspraxis kennen. Damit Mitarbeitende<br />

die Gewissheit haben, angemessen im Sinne des Ganzen zu agieren,<br />

müssen diese Führungsdokumente so aufeinander abgestimmt sein, dass die<br />

Mitarbeitenden den Sinn und die Ziele ihrer Stelle und ihres persönlichen Beitrags<br />

zur Unternehmensleistung erkennen. Dies fördert ihre individuelle Bereitschaft<br />

zur Übernahme von Herausforderungen, Verantwortung und ein<br />

zielgerichtetes Handeln – und schliesslich die Erreichung der in der Unternehmenspolitik<br />

definierten unternehmerischen Gesamtziele.<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26 33


Von der Unternehmenspolitik zur Stellenbeschreibung<br />

Unternehmenspolitik<br />

Handlungsfelder<br />

Leistungsbereiche<br />

Leitbild<br />

Werte und Normen<br />

Führungsgrundsätze<br />

Teilpolitiken<br />

Finanz-, Produktions-,<br />

Personalpolitik<br />

Kultur erfassen und managen<br />

Heute versteht man Werte zunehmend als bedeutenden unternehmens-internen<br />

Erfolgsfaktor und diverse Unternehmen beschäftigen sich im Moment mit<br />

ihrer <strong>Unternehmenskultur</strong>. Allerdings befinden sich noch viele in der Analyseund<br />

Beobachtungsphase, die mitunter von operativen Einzelprojekten begleitet<br />

werden, die wenig gemeinsame Ausrichtungen haben.<br />

Ein bewusstes Kulturmanagement gibt der Entwicklung der Unternehmung<br />

wichtige Impulse, erfordert jedoch, dass die bestehende Kultur zuerst<br />

analysiert und hinterfragt wird, bevor sie optimiert werden kann. Die Messung<br />

und Beurteilung einer spezifischen <strong>Unternehmenskultur</strong> ist nur ein Schritt im<br />

gesamten Prozess des kulturellen Wandels. Sie hilft den Beteiligten, das Konzept<br />

und die Bedeutung der Kultur besser zu verstehen. Die Ergebnisse erlauben<br />

eine Beurteilung der jetzigen Kultur und zeigen Handlungsbedarf an.<br />

Wichtig bei der aktiven Kulturgestaltung ist, dass genügend Ressourcen<br />

und der Wille zur Veränderung vorhanden sind. Auch die Bereitschaft, Ergebnisse<br />

sowohl innerhalb der Unternehmung als auch ausserhalb mit den Stakeholdern<br />

ausführlich zu diskutieren sowie die Macht, kritische Entwicklungsschritte<br />

zu bestimmen, sind dabei wichtig. Schliesslich müssen die erreichten<br />

Standards und das veränderte Verhalten respektiert und auch in Zukunft beibehalten<br />

werden (Müller 2012). Die oben genannten Bedingungen sind eng<br />

34<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26


miteinander verknüpft. Eine Kulturveränderung ist ein iterativer Prozess, bei<br />

dem isolierte Techniken zu vermeiden sind und der wie folgt eingeführt werden<br />

kann:<br />

Miss Moneypenny<br />

1. Erfassung der Ist-Kultur: Erste Voraussetzung für eine Kulturgestaltung<br />

ist die Ermittlung der vorhandenen, unternehmensspezifischen<br />

Kultur («Ist-Kultur»). Diese Kulturdiagnose hat die Aufgabe, die<br />

<strong>Unternehmenskultur</strong> zu erfassen, zu messen, zu beschreiben und zu<br />

bewerten. Sie dient als Grundlage für Managemententscheidungen<br />

zur Zielbestimmung und der Evaluation von anzugehenden Veränderungen.<br />

2. Definition der Soll-Kultur: Zweite Voraussetzung für eine Kulturgestaltung<br />

ist die Bestimmung der für die Unternehmung günstigsten<br />

Kultur. Diese «Soll-Kultur» leitet sich aus der definierten Unternehmensstrategie,<br />

den Vorstellungen der Führungskräfte (im besten Fall<br />

auch der Angestellten) und dem Umfeld der Unternehmung ab.<br />

3. Entwicklung relevanter, fassbarer und verhaltensführender Werte:<br />

Häufig sind Werte bereits in einem Leitbild aufgenommen. Diese gilt<br />

es nun in alltagstauglicher Sprache festzuhalten und mit Handlungsankern<br />

zu illustrieren. Die Werte können auch als Indikatoren zur Erfassung<br />

der individuellen <strong>Unternehmenskultur</strong> herangezogen werden.<br />

4. Festlegung kritischer Entwicklungsschritte: Der Gestaltungsbedarf<br />

(Handlungsbedarf) zeigt sich entsprechend dem Ausmass der<br />

Übereinstimmung zwischen der gewünschten «Soll-Kultur» und der<br />

tatsächlich gemessenen «Ist-Kultur». Wenn die Übereinstimmung<br />

stark ist, dann gibt es wenig zu tun, ausser, die bestehende Kultur zu<br />

pflegen. Wenn starke Abweichungen sichtbar werden, dann ist Handlungsbedarf<br />

angezeigt.<br />

5. Vermittlung und Verankerung der definierten Werte und des<br />

Verhaltens: Solange Führungskräfte und Mitarbeitende das Problem<br />

nicht sehen, kann man von ihnen auch kein grosses Interesse an dessen<br />

Lösung erwarten. Dies gilt besonders, wenn diese Lösung mit<br />

Anstrengungen verbunden ist. Deshalb müssen die Verankerung der<br />

Werte und das gewollte Verhalten nicht nur darauf angelegt sein, in<br />

der Sache den Handlungsbedarf zu identifizieren, sondern vor allem<br />

auch darauf, diesen Handlungsbedarf für die Führungskräfte und Mitarbeitenden<br />

sichtbar und nachvollziehbar zu machen.<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26 35


Die Vorgehensweisen der Kulturerfassung sind vielfältig und müssen auf die<br />

Voraussetzungen, Anforderungen und die Zielsetzung der Unternehmung abgestimmt<br />

sein. Die Varianten führen von der Beobachtung über standardisierte<br />

Leitfadeninterviews zu individuell ausgestalteten Fragebögen bis hin zu<br />

online abrufbaren Standardfragekatalogen. Bei jeder Methode herrscht weitgehende<br />

Einigkeit darüber, dass sie Teilaspekte der <strong>Unternehmenskultur</strong> ohne<br />

Anspruch auf Vollständigkeit aufnehmen.<br />

Bei aller kultureller Anpassung ist zu akzeptieren, dass es keine absolut<br />

homogene Einheitskultur sein muss, in welcher alle dieselbe Denke und ein<br />

identisches Handlungsmuster ausweisen. Eine <strong>Unternehmenskultur</strong> kann<br />

durchaus aus mehreren Subkulturen bestehen, die inhaltlich verschieden geprägt<br />

sind und sich auch unterschiedlich zueinander verhalten, vor allem,<br />

wenn diese nicht notwendigerweise oft und eng miteinander agieren. Wenn<br />

durch diese Verschiedenheiten jedoch Produktivitätsprobleme und interne Ineffizienzen<br />

entstehen, ist es dringend angesagt, die bestehende <strong>Unternehmenskultur</strong><br />

mit ihren potenziellen Subkulturen zu analysieren und kritisch zu<br />

reflektieren (Sackmann 2017).<br />

Wie <strong>Unternehmenskultur</strong>en erfasst und Veränderungsprozesse initiiert werden<br />

können, zeigen die nachfolgenden zwei Praxisbeispiele auf:<br />

Beim ersten Beispiel, dem süssbach, war der Arbeitskräftemangel bei Pflegefachpersonen<br />

der Anstoss zur Messung und aktiven Gestaltung der <strong>Unternehmenskultur</strong>.<br />

Für den Betrieb des Pflegezentrums mit stationärer Langzeitpflege<br />

ist der süssbach auf geschultes und motiviertes Personal angewiesen. Diese auf<br />

dem Markt zu rekrutieren, stellt eine der grossen Herausforderungen dar, der<br />

man mit einer positiven und nach aussen tragbaren Kultur begegnen will.<br />

Beim zweiten Praxisfall, der «Energie Thun AG», war die bevorstehende<br />

Liberalisierung des Strommarktes in der Schweiz der Grund, warum die Geschäftsleitung<br />

den Kulturwandel angegangen ist. Die Kulturmessung war hier<br />

ein Basiselement und ein wesentlicher Schritt zur Überprüfung der Markenidentität.<br />

Die beiden Unternehmen wurden gewählt, weil sie zwei verschiedene<br />

Heran gehensweisen zur Definition der Unternehmenswerte zeigen und die<br />

Kulturmessungen anders gelagerte Ziele verfolgen.<br />

Die Praxisbeispiele sind Zusammenfassungen aus Abschlussberichten der<br />

Kulturerfassung der jeweiligen Unternehmung und somit auf die wesentlichen<br />

Inhalte beschränkt. Selbstverständlich sind mit den hier lediglich grob skizzierten<br />

Vorgehensweisen zur Kulturerfassung eine Reihe offener Fragen verbunden, auf<br />

die hier aus Platzgründen nicht abschliessend eingegangen werden kann.<br />

36<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26


Praxisbeispiel Süssbach<br />

Miss Moneypenny<br />

Das Kerngeschäft der Süssbach Pflegezentrum AG (nachfolgend süssbach) ist<br />

die stationäre Langzeitpflege, das heisst die medizinische und soziale Betreuung<br />

von Menschen, die über einen längeren Zeitraum hinaus nicht in der Lage<br />

sind, die alltäglichen Aufgaben des Lebens alleine zu bewältigen. Mit seinen<br />

222 Betten und 320 Angestellten gehört der süssbach überregional zu den<br />

drei grössten Langzeitpflegeanbietern und steht folglich im harten Wettbewerb<br />

sowohl um Kundschaft als auch um Arbeitskräfte.<br />

Der Langzeitpflegebereich sieht sich seit den letzten fünf Jahren in zunehmender<br />

Konkurrenz mit den stark aufkommenden ambulanten Geschäftsmodellen,<br />

wie beispielsweise Versorgungszentren, Spitex oder Ärztekliniken. Die<br />

gestiegenen Ansprüche der Kundschaft an die stationäre Leistungserbringung<br />

erfordern von den Mitarbeitenden eine hohe Fach- und Sozialkompetenz. Entsprechend<br />

qualifizierte Fachkräfte zu erreichen ist eine grosse Herausforderung.<br />

Erschwerend kommt hinzu, dass eine Anstellung in der Langzeitpflege<br />

für Pflegefachpersonen oft nicht die erste Wahl ist. Spitäler und ambulante<br />

Kliniken gelten bezüglich der Tätigkeiten als abwechslungsreicher und damit<br />

interessanter.<br />

2017 wurden die Auswirkungen der Ambulantisierung (gemäss dem politischen<br />

Grundsatz «ambulant vor stationär») und des Fachkräftemangels für<br />

den süssbach zunehmend spürbar. Die Bettenbelegung sank innerhalb von<br />

5 Jahren von 98% auf 94% und die Personalfluktuation stieg in derselben Zeit<br />

von 17.9% auf 21%.<br />

Damit der süssbach seine dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit sichern kann,<br />

muss er weiterhin in der Lage sein, qualifizierte Fachkräfte zu rekrutieren und<br />

im Betrieb zu halten. Unter dem Titel die «Arbeitsmarktattraktivität steigern,<br />

um wettbewerbsfähig zu bleiben» startete daher 2017 ein Organisationsentwicklungsprojekt<br />

mit dem Ziel, sich durch eine bewusste Gestaltung einer positiven<br />

und starken <strong>Unternehmenskultur</strong> auf dem Arbeitsmarkt und für die<br />

Kundschaft als die erste Wahl unter den Langzeitpflegeanbietern über die<br />

Region hinaus zu positionieren.<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26 37


Initiierung des Veränderungsprozesses<br />

Der Kulturmessung lag die Annahme zugrunde, dass die bestehende und die<br />

gewünschte Kultur im süssbach nicht übereinstimmen und daher möglicherweise<br />

eine Kulturveränderung angezeigt ist. Als Ausgangspunkt für die angestrebte<br />

positive und starke <strong>Unternehmenskultur</strong> wurde von der Geschäftsleitung<br />

die Vision «Der süssbach gilt bei Kunden und Mitarbeitenden als die erste Wahl<br />

unter den Langzeitpflegeanbietern im Kanton» formuliert und die Zustimmung<br />

der Kadermitarbeitenden im Sinne eines Verstehens und Mittragens eingeholt.<br />

Reflexion der Ist-Kultur<br />

Um die bestehende Kultur des süssbach mit der Geschäftsleitung und den<br />

Führungskräften diskutieren zu können, musste sie zuerst greifbarer gemacht<br />

werden. Dazu wurden strukturierte Leitfadeninterviews mit dem gesamten<br />

Kader durchgeführt. Der Interviewleitfaden basierte auf einem Standardfragebogen,<br />

welcher an die Gegebenheiten des süssbach angepasst wurde. Zudem<br />

wurden die Interviewten aufgefordert, den süssbach in seiner Gesamtheit in<br />

bildlichen Ausdrücken zu beschreiben. Mit dem Mittel des bildhaften Ausdrucks<br />

konnten das Kader Sichtbares aus ihrer Realität, Erinnerung und Vorstellung<br />

über den süssbach sprachlich anschaulich verdeutlichen.<br />

Nach Auswertung der Gespräche wurden die Resultate in einem Workshop<br />

präsentiert. Auch hierfür wurde das Mittel des bildhaften Ausdrucks verwendet.<br />

So wurde beispielsweise für die erwähnte fehlende Zusammenarbeit über die<br />

Teams hinweg der bildhaften Ausdruck «ein Meer mit verschiedenen Inseln –<br />

Brücken und Boote fehlen noch» verwendet und weiter mit «Seilziehen – nicht<br />

in gemeinsame Richtung» sprachlich dargestellt. Diese ganz oder teilweise assoziierten<br />

oder symbolisierten Bilder erlaubten ein erstes, gemeinsames Verständnis<br />

der Ist-Kultur im süssbach aus Sicht der Führungsebene. Die «Bilder»<br />

wurden anschliessend miteinander verglichen, nebeneinandergerückt und gebündelt,<br />

sodass daraus wertebezogene Themengebiete wie beispielsweise gegenseitiges<br />

Vertrauen oder Kundenorientierung abgleitet werden konnten.<br />

Festlegung von Werten und Grundsätzen der Soll-Kultur<br />

Nach der Erarbeitung eines gemeinsamen Verständnisses der Kultur wurden<br />

unter den beiden Leitfragen «Worin müssen wir speziell gut sein?» und «Welche<br />

Kernfähigkeiten und Anforderungen braucht es in Zukunft?» in zwei<br />

Workshops von der Geschäftsleitung und den Kadermitarbeitenden fünf Führungsgrundsätze<br />

und drei Unternehmenswerte festgelegt.<br />

Um die Werte und Grundsätze fassbar zu machen, wurden sie mit praxisbezogenen<br />

Verhaltensankern konkretisiert. Diese Anker sollten dem Kader<br />

und den Mitarbeitenden dazu dienen, ihr tägliches Handeln zu messen und<br />

unstimmige Einzelaktionen oder schlechte Gewohnheiten zu thematisieren,<br />

zu vermeiden und nötigenfalls zu korrigieren.<br />

38<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26


Werte<br />

Professionalität: Wir<br />

identifizieren uns mit<br />

unserer Aufgabe.<br />

Verhaltensanker<br />

Durch Weiterbildung, Innovation und Nachhaltigkeit<br />

stellen wir unseren hohen Qualitätsanspruch<br />

sicher. Gemeinsam nutzen wir Wissen und Erfahrung<br />

und nehmen im Alltag unsere Verantwortung wahr.<br />

Miss Moneypenny<br />

Respekt: Wir sind<br />

empathisch, ehrlich und<br />

offen.<br />

Lebendigkeit: Wir sind<br />

neugierig, bleiben beweglich<br />

und orientieren uns an<br />

der Zukunft.<br />

Wir geben konstruktives Feedback. Wir begegnen<br />

uns mit einer positiven Grundhaltung und pflegen<br />

gegenseitig einen wertschätzenden, vertrauensvollen<br />

und achtsamen Umgang.<br />

Unsere Einzigartigkeit entsteht durch Kreativität,<br />

Engagement und Mut. Zusammen schreiben wir<br />

Geschichte!<br />

Führungsgrundsätze<br />

des süssbach<br />

Unternehmerisches Denken<br />

und Handeln<br />

Dienstleistungs- und<br />

Kundenorientierung<br />

Vertrauenswürdigkeit<br />

Verbindlichkeit<br />

Reflexionsfähigkeit<br />

Verhaltensanker<br />

Wir antizipieren und wir handeln frühzeitig. Wir<br />

denken langfristig und entscheiden mutig. Wir sind<br />

innovativ, neugierig und offen gegenüber Veränderungen.<br />

Bei all unserem Tun stellen wir die gewünschte<br />

Wirksamkeit und Nachhaltigkeit sicher.<br />

Wir nehmen Anliegen ernst, indem wir uns in die<br />

Lage unseres Gegenübers versetzen. Wir denken<br />

vernetzt und richten unsere Prozesse optimal auf<br />

den Kundennutzen aus. Gemeinsam finden wir die<br />

jeweils beste Lösung und setzen diese um.<br />

Unsere konstruktivwertschätzende Grundhaltung<br />

kommt insbesondere in der Kommunikation und<br />

beim Feedbackgeben zum Ausdruck. Wir sind<br />

glaubwürdig und schenken Vertrauen. Unsere<br />

Entscheide sind nachvollziehbar.<br />

Wir treffen klare Abmachungen, holen die Quittung<br />

ein und vereinbaren bei Bedarf schriftlich die<br />

Konsequenzen bei Nichteinhalten. Wir halten unsere<br />

Versprechen.<br />

Das eigene Handeln überprüfen wir kritisch, auch<br />

indem wir Feedback einholen. Unsere daraus<br />

resultierenden Erkenntnisse nutzen wir für die<br />

kontinuierliche Verbesserung. Wir zeichnen uns<br />

durch hohe Lernbereitschaft aus.<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26 39


In einem weiteren Workshop wurden mit der Geschäftsleitung und den Kadermitarbeitenden<br />

die Bedeutung der Werte und der Grundsätze diskutiert und<br />

diese anschliessend in einer Vernehmlassungsrunde als die acht Indikatoren<br />

bestimmt, anhand derer die <strong>Unternehmenskultur</strong> vom süssbach gemessen<br />

werden sollte.<br />

Ein weiterer wichtiger Punkt des Workshops war die Festlegung, wie ausgeprägt<br />

jeder Wert gelebt werden sollte. Mit der Absicht, dass die Werte den<br />

süssbach fordern sollen, gleichzeitig aber erreichbar sind, wurde für jeden<br />

einzelnen Wert eine Soll-Ausprägung ausgemacht. Mit diesem Vorgehen<br />

wurde das Bild der gewünschten Soll-<strong>Unternehmenskultur</strong> konkretisiert. Als<br />

höchstes Gut beziehungsweise als den Wert mit der stärksten Ausprägung<br />

wurde die «Professionalität» angenommen, gefolgt von der «hohen Dienstleistungs-<br />

und Kundenorientierung».<br />

Soll-<strong>Unternehmenskultur</strong> 2018<br />

Reflexionsfähigkeit<br />

Verbindlichkeit<br />

Professionalität<br />

100<br />

95<br />

90<br />

85<br />

80<br />

75<br />

70<br />

65<br />

60<br />

55<br />

50<br />

Respekt<br />

Lebendigkeit<br />

Vertrauenswürdigkeit<br />

Unternehmerisches<br />

Denken<br />

Hohe Dienstleistungs- und<br />

Kundenorientierung<br />

Umfrage zur Soll-Kultur<br />

Ergänzend zu den Kaderworkshops wurde in der Analysephase eine umfassende<br />

Befragung der Mitarbeitenden durchgeführt. Der dazu angewendete<br />

Fragekatalog enthielt neben allgemeinen Zugehörigkeitsfragen insgesamt 47<br />

Aussagen über die drei Werte und die fünf Führungsgrundsätze, zu welchen<br />

die Mitarbeitenden ihre Bestätigung von «stimme gar nicht zu» bis «stimme<br />

40<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26


völlig zu» geben konnten. Mit insgesamt 314 versendeten Fragebogen wurden<br />

alle Mitarbeitenden erreicht. Die Rücklaufquote von 50% mit 155 validen<br />

Fragebogen erlaubte es, interessante Erkenntnisse über die momentane <strong>Unternehmenskultur</strong><br />

darzustellen. In einer halbtägigen Informationsveranstaltung<br />

wurden die Ergebnisse allen Mitarbeitenden ohne Zensur vorgestellt.<br />

Diese ungeschönte, offene Information zeigte den Mitarbeitenden, dass sie<br />

und ihre Meinung ernst genommen werden. Sie war deshalb auch eine Einladung<br />

zur aktiven Kultur(mit)gestaltung.<br />

Miss Moneypenny<br />

Resultate der Kulturbefragung<br />

Grundsätzlich hat die Befragung positive Resultate über alle Kulturindikatoren<br />

ergeben. Sieben der insgesamt acht Werte und Führungsgrundsätze erhielten<br />

als Grad der Zustimmung im Mittelwert ein «stimme eher zu». Einzig das<br />

unternehmerische Denken und Handeln wurde mit «neutraler» bis «geringer<br />

positiver» Zustimmung bewertet.<br />

Leistungsbereitschaft<br />

Der langfristige Erfolg aller Unternehmen – unabhängig von Grösse und Branche<br />

– liegt in der Fähigkeit, Leistungen zu erbringen und Werte zu schaffen.<br />

Da im süssbach die Mitarbeitenden die zentralen Leistungsträger darstellen,<br />

sind Aussagen über ihre Bereitschaft zu arbeiten, um ein Ziel oder einen Standard<br />

zu erreichen, wichtig für die <strong>Unternehmenskultur</strong>.<br />

Aus der schriftlichen Befragung ergab sich, dass die Mitarbeitenden …<br />

• sich mit ihren Aufgaben, Fähigkeiten und Anliegen aktiv in den<br />

Betrieb einbringen,<br />

• bereit sind, mit persönlicher Anstrengung Werte zu schaffen,<br />

• die Sinnhaftigkeit ihrer eigenen Arbeit erkennen,<br />

• Verbesserungsmöglichkeiten im eigenen Tun erkennen,<br />

• das Gefühl haben, an der Erbringung gesellschaftlich nützlicher<br />

Leistungen beteiligt zu sein,<br />

• sich selbst als zentralen Leistungsträger empfinden,<br />

• in den Arbeitsabläufen noch Optimierungspotenzial erkennen und<br />

suchen,<br />

• Verantwortung übernehmen wollen und bereit sind, sich weiterzuentwickeln.<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26 41


Die Mitarbeitenden des süssbach sind täglich bereit, ihre Kompetenzen und<br />

Fähigkeiten in einem hohen Mass einzusetzen und professionelle Leistungen<br />

zu erbringen. Die Umfrageergebnisse zeigen über alle Bereiche und Hierarchiestufen<br />

hinweg den Willen, sich im Sinne der Unternehmung zu engagieren<br />

und aktiv an deren Zukunft mitzugestalten.<br />

Vertrauen<br />

Eine Anstellung ist nicht lediglich eine rein statische und einmalige wirtschaftliche<br />

Transaktion, sondern beinhaltet nicht exakt definierte gegenseitige Vorstellungen<br />

und Erwartungen, die dieser Beziehung ein starkes Element der<br />

Unbestimmtheit und der sozialen Dynamik verleihen (Müller 2014). Eine ausgesprochen<br />

wichtige Erwartung in der Zusammenarbeit unter Menschen ist<br />

das gegenseitige Vertrauen.<br />

Die Mitarbeitenden vom süssbach gaben in der Erhebung an, dass sie …<br />

• wissen, wie wichtig Vertrauen für die erfolgreiche Zusammenarbeit ist,<br />

• den vertrauensvollen und achtsamen Umgang untereinander als mangelhaft<br />

empfinden,<br />

• der Geschäftsleitung nicht in allen Belangen der Unternehmensführung<br />

vertrauen,<br />

• teilweise Angst haben, gemachte Fehler gegenüber Vorgesetzten einzugestehen,<br />

• Offenheit und Ehrlichkeit nicht als verankerte Werte im süssbach sehen.<br />

Die Kulturbefragung hat ergeben, dass dem Thema Vertrauen ein besonderes<br />

Augenmerk gegeben werden muss. Allen Beteiligten ist klar, dass Vertrauen<br />

von allen gewünscht und als wichtig wahrgenommen wird, gleichzeitig ist<br />

offenbar jedoch kein hohes Mass an gegenseitigem Vertrauen vorhanden.<br />

Dies wird vom Kader mit der fehlenden gemeinsamen Ausrichtung, der ungenügenden<br />

Transparenz in den Entscheidungen und schliesslich mit dem Mangel<br />

an achtsamem Umgang untereinander erklärt.<br />

Der Aufbau einer über alle Stufen hinweg gelebten und getragenen Vertrauenskultur<br />

wird eine zentrale – wenn nicht die zentrale – Herausforderung<br />

im süssbach sein, um die Motivation und Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden<br />

zu erhalten oder zu fördern und Kommunikation sowie Entscheidungsfindung<br />

zu erleichtern. Dies alles sind Faktoren, die eine wichtige Rolle<br />

für die erfolgreiche Aufgabenerfüllung und die Erreichung einer hohen Kunden-<br />

und Mitarbeitenden-Zufriedenheit spielen.<br />

42<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26


Silodenken<br />

Auffallend in der Befragung war, dass «Ich-Botschaften» wie beispielsweise<br />

«Ich bin bereit eine überdurchschnittliche Leistung zu erbringen» oder «Ich<br />

leiste einen Beitrag zur Steigerung der Kundenzufriedenheit» einheitlich und<br />

hoch positiv bewertet wurden. Die Identifikation mit der eigenen Arbeit ist<br />

gross, ebenso die Verbundenheit mit dem Arbeitsteam. Innerhalb der Teams<br />

sind die Mitarbeitenden durch die gemeinsame Zielorientierung, Kollaboration<br />

und geteilte Verantwortungsübernahme miteinander verbunden.<br />

Über die Teams hinweg scheint allerdings lediglich ein Raumverbund zu<br />

bestehen («man arbeitet im selben Haus»). Das Bewusstsein der Notwendigkeit,<br />

für die eigene Aufgabenerfüllung mit anderen zu kollaborieren, fehlt<br />

(weitgehend). In den Interviews wurden diese Silos als Inseln ohne Brücken<br />

beschrieben. Es zeigte sich deutlich, dass sich der einzelne Mitarbeitende als<br />

zentraler Leistungsträger sieht, jedoch die gemeinsame Orientierung für die<br />

Gesamtaufgabe fehlt. Diese häufig als Silo-Kultur benannte Situation ist charakteristisch<br />

für eine Expertenorganisation, in der Professionalität als höchstes<br />

Ziel angesehen wird, ist aber kontraproduktiv für ein gemeinsames Wir-Gefühl<br />

und eine starke, gemeinsam getragene <strong>Unternehmenskultur</strong>.<br />

Miss Moneypenny<br />

Verankerung der Werte<br />

Damit die 2017 begonnene Organisationsentwicklung nicht an ihrer Dynamik<br />

verliert, hat die Geschäftsleitung das Jahr 2019 als «Jahr der Konsequenzen»<br />

proklamiert. Abgeleitet aus der Idee, die <strong>Unternehmenskultur</strong> positiv zu<br />

gestalten, um die «erste Wahl unter den Langzeitpflegeanbietern über die<br />

Region hinaus» zu sein, wurden verschiedene Massnahmen für die gesamte<br />

Unternehmung beschlossen und umgesetzt.<br />

Die Schaffung einer Vertrauenskultur hat im süssbach oberste Priorität<br />

erhalten. Denn ohne Vertrauen geht nichts. Die im Organisationsentwicklungsprozess<br />

definierten Werte und Führungsgrundsätze müssen in die alltägliche<br />

Praxis transferiert und in den tatsächlichen Handlungen gefestigt werden.<br />

Die Geschäftsleitung hat beschlossen, die Überprüfung der Führung auf ihre<br />

Übereinstimmung mit den Unternehmenswerten regelmässig anhand von<br />

Personalbefragungen und mittels Erfassung der Austrittgründe aufzunehmen.<br />

Abweichungen des individuellen Führungsstils von den Führungsgrundsätzen<br />

haben Konsequenzen, beginnend mit einem klärenden Gespräch durch die<br />

Vorgesetzten. Auch regelmässige Schulungen gehören zu den Verbesserungsmassnahmen.<br />

Damit Entscheide der Geschäftsleitung transparent und nachvollziehbar<br />

sind, werden sie häufiger innerhalb des Gesamtgremiums gefällt<br />

und es wird darauf geachtet, sie zeitnah und stufengerecht zu kommunizie-<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26 43


en. Eine wertschätzende, ehrliche und konsequente Feedbackkultur ist ein<br />

wichtiger Teil, um das Vertrauen im gesamten Betrieb zu erhöhen. Das Beachten<br />

und Ansprechen von Leistungen der Mitarbeitenden muss von der Geschäftsleitung<br />

«nach unten» gelebt werden. Handeln wird zukünftig auf die<br />

Vertrauenskultur sowohl im positiven als auch im negativen Sinne hin beurteilt,<br />

wertgeschätzt oder nötigenfalls sanktioniert.<br />

Das gut funktionierende operative Personalwesen wird in ein Human Resources<br />

Management überführt. Aufbauend auf den Erkenntnissen der Kulturerhebung<br />

und abgeleitet aus der Gesamtstrategie sowie unter Berücksichtigung<br />

der Interessen der verschiedenen Stakeholder, wird eine Personalpolitik<br />

gestaltet, welche die Basis für die Kulturverankerung in den zentralen Personalprozessen<br />

sein soll. Als Teil der Geschäftsleitung und in enger Zusammenarbeit<br />

mit der Abteilung Kommunikation und Organisationsentwicklung werden<br />

Konzepte und Prozesse definiert, die einerseits das bestehende Personal<br />

motivieren, fördern und erhalten und andererseits in der Personalgewinnung<br />

interessante Bewerbende erreichen. Konkret werden beispielsweise die bestehenden<br />

Arbeitszeitmodelle hinterfragt und geprüft, ob spezielle Angebote für<br />

Wiedereinsteigerinnen möglich sind. Unter Wahrung und Berücksichtigung<br />

der Interessen von Mitarbeitenden und des süssbach (Sicherstellung der Personal-<br />

und Führungskräfteentwicklung, Förderung von Professionalität und<br />

des unternehmerischen Denkens und Handeln) wird ein Potenzial- und Weiterbildungsmanagement<br />

aufgebaut.<br />

Mit einer verstärkten bereichsübergreifenden Zusammenarbeit soll eine<br />

gemeinsame Ausrichtung auf das Gesamtprodukt (Dienstleistungen im Bereich<br />

Pflege, Hotellerie und Restauration) erreicht werden. Konkret werden<br />

auftretende Schwierigkeiten wie Schnittstellenproblematik oder Beschwerden<br />

in interdisziplinären Arbeitsgruppen lösungsorientiert angegangen. Gefässe<br />

wie Geschäftsleitungs- und Kadersitzungen werden auch dazu genutzt, die<br />

Lernerfolge aus der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit zu würdigen<br />

und zu kommunizieren. Die Haltung, dass eine professionelle und kundenorientierte<br />

Dienstleistung nur gemeinsam möglich ist, muss vom Management<br />

vorgelebt werden. Geschieht dies feststellbar und glaubwürdig, wird jeder<br />

Mitarbeitende seinen Beitrag zum Gesamten erkennen und es wird ein «Wir-<br />

Gefühl» entstehen, das stärker ist als das Denken und Handeln im «eigenen»<br />

Team beziehungsweise «eigenen» Silo.<br />

44<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26


Fazit<br />

Die Geschäftsleitung ging davon aus, dass die bestehende und die gewünschte<br />

Kultur im süssbach nicht übereinstimmen. Die Kulturanalyse hat diese Annahme<br />

in einzelnen Punkten bekräftigt. Zusammen mit der Vision «Der süssbach<br />

gilt bei Kunden und Mitarbeitenden als die erste Wahl unter den Langzeitpflegeanbietern<br />

im Kanton.» führten die Resultate zu intensiven Diskussionen<br />

über notwendige Veränderungen. Gemeinsam kam man zum Schluss,<br />

dass einer wirksamen Kulturveränderung die solide Erarbeitung gemeinsam<br />

gültiger Werte vorausgehen muss. Mit der Kulturmessung wurde ein wichtiger<br />

Schritt in die Neuausrichtung gemacht. Die Geschäftsleitung ist sich bewusst,<br />

dass nicht die gesamte Kultur erfasst worden ist, sondern nur die von der<br />

Führung ausgewählten Teilbereiche. Dies ist jedoch eine Limitation, die in allen<br />

Kulturmessungen gegeben ist und die dem Ziel der Kulturgestaltung keinen<br />

Abbruch tut. Damit der begonnene Weg weitergeführt werden kann, müssen<br />

regelmässige Personalbefragungen über die Anwendung und Wirksamkeit<br />

der Werte durchgeführt werden. Somit wird Transparenz geschaffen und weiter<br />

kann sichergestellt werden, dass sich die Mitarbeitenden auch in Zukunft<br />

für die Entwicklung einer positiven und starken <strong>Unternehmenskultur</strong> engagieren,<br />

die sich sowohl an Kunden als auch an den Mitarbeitenden orientiert.<br />

Miss Moneypenny<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26 45


Praxisbeispiel Energie Thun<br />

Die Energie Thun AG (nachfolgend EnT) ist das führende Energieversorgungsunternehmen<br />

in der Region Thun. Ihr Kerngeschäft beinhaltet den Bau und<br />

den Betrieb der Versorgungsinfrastruktur, die Beschaffung und den Verkauf<br />

von Strom, Gas, Wärme und Wasser sowie das Erbringen von Dienstleistungen<br />

für Unternehmen, Private und die öffentliche Hand.<br />

Im Zuge der digitalen Transformation der Energieanbieter sowie der anstehenden<br />

Liberalisierung des Strommarktes hat die EnT erkannt: Will sie zukünftig<br />

«top of mind» und «top of heart» sein, muss sie ihre Markenidentität<br />

überprüfen und ihre Alleinstellungsmerkmale geschärft kommunizieren.<br />

Ausgangslage<br />

Ausgangspunkt der Markenpositionierung war die Überzeugung, dass die<br />

114 Mitarbeitenden der EnT mit ihrem Auftreten und Handeln den grössten<br />

Einfluss darauf haben, wie die Marke «Energie Thun AG» in den Köpfen der<br />

Kunden und Kundinnen verankert ist. Da die gelebte oder wahrgenommene<br />

<strong>Unternehmenskultur</strong> wesentlich mitbestimmt, was die Mitarbeitenden gegen<br />

aussen vertreten und vermitteln, wurde eine Kulturerhebung an den Beginn<br />

des Prozesses zur Neupositionierung gestellt.<br />

Das Ziel der Kulturerhebung war es zu ermitteln, ob die von der Belegschaft<br />

wahrgenommene Kultur mit der für die Neupositionierung definierten<br />

Soll-Kultur übereinstimmt. In weiteren Schritten sollte die Selbst evaluation<br />

dann mit der Kundensicht verglichen und aus der Gegenüberstellung von Aussen-<br />

und Innensicht Handlungsempfehlungen zur Markenpositionierung abgegeben<br />

werden.<br />

Definition von Werten und Grundsätzen<br />

Im Jahr 2017 wurden von der Geschäftsleitung der EnT neun handlungsleitende<br />

Werte und Grundsätze definiert. Diese Werte dienten als Kultur-Indikatoren<br />

und bildeten somit die Grundlage, um die <strong>Unternehmenskultur</strong> zu erheben.<br />

46<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26


Werte<br />

Wirtschaftliche<br />

Grundsätze<br />

Grundsätze<br />

Wir führen das Unternehmen nach wirtschaftlichen Grundsätzen.<br />

Die erzielte Rendite soll den Unternehmenswert langfristig<br />

steigern, die Finanzierung der weiteren Unternehmensentwicklung<br />

sicherstellen und eine angemessene Ausschüttung an die<br />

Eigentümerin ermöglichen.<br />

Miss Moneypenny<br />

Effektivität<br />

und Effizienz<br />

Engagierte<br />

Mitarbeitende<br />

Arbeitssicherheit<br />

Innovationskultur<br />

Offene und<br />

ehrliche<br />

Kommunikation<br />

Vorbildfunktion<br />

in Umweltfragen<br />

Regionale<br />

Wertschöpfung<br />

Fairness und<br />

Verlässlichkeit<br />

Wir achten auf eine hohe Effektivität und Effizienz in unseren<br />

Geschäftsprozessen und stärken unsere Leistungsfähigkeit durch<br />

zielführende Kooperationen.<br />

Wir anerkennen die Wichtigkeit von engagierten Mitarbeitenden<br />

für unseren Erfolg und sind ein attraktiver, verantwortungsbewusster<br />

Arbeitgeber mit herausfordernden Aufgabengebieten<br />

und zeitgemässen Anstellungsbedingungen. Eine stetige<br />

Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden im Hinblick auf die<br />

zukünftigen Herausforderungen ist uns wichtig.<br />

Wir erhöhen durch eigenverantwortliches Handeln sowie<br />

konsequentes Durchsetzen der Sicherheitsbestimmungen die<br />

Arbeitssicherheit.<br />

Wir fördern die Innovationskultur auf allen Stufen, sind offen<br />

gegenüber neuen Entwicklungen und nutzen sich bietende<br />

Chancen und neue Geschäftsmöglichkeiten.<br />

Wir kommunizieren offen und ehrlich. Damit schaffen wir<br />

Vertrauen und Glaubwürdigkeit.<br />

Wir nehmen eine Vorbildfunktion in Umweltfragen wahr und<br />

tragen aktiv zur Umsetzung der umwelt- und energiepolitischen<br />

Ziele von Bund, Kanton sowie der Stadt Thun bei.<br />

Wir unterstützen die regionale Wertschöpfung unter Berücksichtigung<br />

von Wirtschaftlichkeit, Kunden- und Partnerschaftspotenzial<br />

sowie ökologischen Überlegungen. Eine starke regionale<br />

Verbundenheit prägt unsere Geschäftsbeziehungen, unsere<br />

Marktleistungen und unseren Auftritt.<br />

Wir sind ein fairer und verlässlicher Geschäftspartner und legen<br />

hohen Wert auf ethisch korrektes und verantwortungsbewusstes<br />

Verhalten.<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26 47


Wertediskussion und Wertebarometer<br />

Um die Kultur der EnT mit der Geschäftsleitung und dem Kader diskutieren zu<br />

können, wurden im Rahmen eines Kaderworkshops die neun festgelegten<br />

Werte durch konkrete, illustrierende Handlungen präzisiert und als «Verhaltensanker»<br />

für den operativen Alltag fassbar gemacht.<br />

Als Vorbereitungsauftrag zum Workshop wurden die Führungskräfte aufgefordert,<br />

jeden der neun Werte auf die für sie gültige Art zu beschreiben. Zudem<br />

wurden sie gebeten, jeweils zwei konkrete Handlungen aus dem Arbeitsalltag<br />

festzuhalten, welche die definierten Werte veranschaulichen würden.<br />

Beispiel<br />

Innovationskultur<br />

bedeutet für mich: «wir hinterfragen im Team Bestehendes konsequent,<br />

um Verbesserungsmöglichkeiten und neue<br />

Lösungsansätze im Sinne der Kunden zu prüfen.»<br />

ist mir wichtig, weil … «wir so neue Dienstleistungen und Produkte<br />

generieren, die einen spürbaren Mehrwert für<br />

unsere Kundschaft haben.»<br />

Handlung/Beispiel: «Einmal pro Woche findet im Team ein Debriefing<br />

über Kundenbesuche statt, das unter anderem<br />

auch ermöglichen soll, alte Wege zu verlassen und<br />

Neues auf Basis von Kundenwünschen auszuprobieren.»<br />

Kernstück des Workshops stellte die Diskussion über die Vorarbeiten der Führungskräfte<br />

(Wertebeschreibungen und Verhaltensanker) dar, welche durch<br />

einen externen Berater vorgängig auf Postern zusammengefasst worden waren.<br />

Im Gegensatz zu den neun handlungsleitenden Werten, die nicht mehr<br />

verändert werden sollten, konnten die Verhaltensgrundsätze noch umformuliert<br />

werden, damit sie zukünftig als Kompass für das tägliche Arbeiten dienen.<br />

Um sicherzustellen, dass die Werte für die Mitarbeitenden relevant, fassbar<br />

und verhaltensführend sind, erhielten die Kadermitglieder den Auftrag, die<br />

präzisierten Werte mit ihrem Team beziehungsweise mit ihrer Abteilung zu<br />

besprechen und Rückmeldungen einzuholen. Diese Rückmeldungen flossen –<br />

soweit möglich – in die definitive Festlegung der Handlungsgrundsätze für den<br />

operativen Alltag ein.<br />

Zur Erhebung der Soll-Kultur hat sich die EnT für einen sogenannten Wertebarometer<br />

entschieden. Dieser ist eine modellhafte Grundlage, welche auf<br />

den individuellen Unternehmenswerten aufgebaut wird. Er ermöglicht es, die<br />

Soll-Ausprägung eines Wertes auf einer variabel zu definierenden Skala festzu-<br />

48<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26


legen und grafisch darzustellen. Die einzelnen Werte können zudem entsprechend<br />

ihrer Ausrichtung strukturiert werden und ermöglichen so eine Übersicht<br />

über die Orientierung der definierten Werte (nach innen, nach aussen, nach<br />

stabil oder flexibel) und damit auch der kulturellen Ausrichtung. Weiter lässt sich<br />

mithilfe von Standardwerten festhalten, als wie wichtig die einzelnen Werte für<br />

die Zielerreichung (Markenpositionierung) wahrgenommen werden.<br />

Der Wertebarometer der EnT wurde ebenfalls in einem Workshop erarbeitet.<br />

In vierer oder fünfer Gruppen sollten die Kadermitarbeitenden zuerst ihre<br />

individuelle Sicht auf die Soll-Ausprägung und die Orientierung der neun<br />

Werte auf einem A4-Blatt vermerken. Danach wurden die Einzelaussagen in<br />

der Gruppe zusammengefasst, auf einen A0-Poster als Soll-Gruppenprofile<br />

eingetragen und anschliessend im Plenum mit allen Teilnehmenden diskutiert.<br />

In einer weiteren Runde wurde schliesslich der Mittelwert der sechs Soll-Gruppenprofile<br />

als Soll-Profil der <strong>Unternehmenskultur</strong> verabschiedet. Die nachfolgende<br />

Abbildung zeigt die im Barometer der EnT eingetragenen Werte auf<br />

Wichtigkeit und Orientierung.<br />

Miss Moneypenny<br />

Wertebarometer der EnT (Soll-Kulturprofil)<br />

Aussenorientiert<br />

Regionale Wertschöpfung<br />

Vorbildfunktion in<br />

Umweltfragen<br />

Innovationskultur<br />

100<br />

20<br />

40<br />

60<br />

80<br />

100<br />

Fairness und<br />

Verlässlichkeit<br />

Offene und ehrliche<br />

Kommunikation<br />

Veränderung<br />

Stabilität<br />

Engagierte<br />

Mitarbeiter<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

Wirtschaftliche<br />

Grundsätze<br />

Effektivität und<br />

Effizienz<br />

100<br />

100<br />

Wichtigkeit:<br />

> 80 sehr Wichtig<br />

50 bis 80 wichtig<br />

25 bis 50 OK falls vorhanden<br />

< 25 eher unwichtig<br />

Innenorientiert<br />

Arbeitssicherheit<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26 49


Umfrage zur Ist-Kultur<br />

Nach der Definition der Soll-Kultur in den Workshops folgte eine Umfrage<br />

unter den Mitarbeitenden und dem Kader, um die Ist-Ausprägung der neun<br />

Werte zu erfassen.<br />

Der Fragekatalog enthielt neben allgemeinen Zugehörigkeitsfragen insgesamt<br />

57 Aussagen, zu welchen die Mitarbeitenden ihre Bestätigung von<br />

«stimme gar nicht zu» bis «stimme völlig zu» geben konnten. Die Befragung<br />

erfolgte mit Zusicherung der Datensicherheit und -anonymität online. Der<br />

Befragungszeitraum betrug lediglich zehn Tage, um zu garantieren, dass die<br />

Auswertung rasch vorliegt. Befragt wurden sämtliche angestellten Mitarbeitenden<br />

inklusive Auszubildende und Praktikanten. Die Beteiligungsquote von<br />

66% erlaubte es, mittels standardisierten Auswertungsverfahren aussagekräftige<br />

Erkenntnisse zur bestehenden <strong>Unternehmenskultur</strong> zu gewinnen.<br />

Anlässlich einer Informationsveranstaltung stellten die Teamleiter gemeinsam<br />

mit dem externen Berater den Mitarbeitenden die Untersuchungsresultate vor.<br />

Diese wurden in Tabellenform und grafisch im Wertebarometer dargestellt.<br />

Die Präsentation beinhaltete ebenso die Definition der neun Kernwerte auf<br />

operativer Ebene (Verhaltensanker), ihre Gewichtung sowie die Gegenüberstellung<br />

ihrer Ist- und Soll-Ausprägungen.<br />

Resultate der Befragung<br />

Alle neun Werte erhielten in ihrer Ausprägung eine mittlere positive Zustimmung.<br />

Die höchste Zustimmung bekamen die «Wirtschaftlichen Grundsätze»<br />

als das «oberste zu schützende Gut», gefolgt von «Engagierte Mitarbeitende».<br />

Der «Innovationskultur» wurde mit 71 von 100 Punkten die tiefste Zustimmung<br />

ausgesprochen.<br />

50<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26


Soll- und Ist-Kultur EnT 2018<br />

Regionale<br />

Wertschöpfung<br />

Fairness und<br />

Verlässlichkeit<br />

Wirtschaftliche Grundsätze<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Effekivität und Effizienz<br />

Engagierte<br />

Mitarbeiter<br />

Miss Moneypenny<br />

Vorbildfunktion in<br />

Umweltfragen<br />

Arbeitssicherheit<br />

Offene und ehrliche<br />

Kommunikation<br />

Innovationskultur<br />

Ist-Kultur<br />

Soll-Kultur<br />

Ist-Ausprägungen der einzelnen Werte in Punkten<br />

Durchschnittliche Bewertung in Punkten<br />

Wirtschaftliche Grundsätze 83<br />

Effektivität und Effizienz<br />

Engagierte Mitarbeitende<br />

Arbeitssicherheit<br />

Innovationskultur<br />

Offene und ehrliche Kommunikation<br />

Vorbildfunktion in Umweltfragen<br />

Regionale Wertschöpfung<br />

Fairness und Verlässlichkeit<br />

82<br />

83<br />

79<br />

71<br />

80<br />

78<br />

76<br />

81<br />

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26 51


Engagement<br />

Die Energie Thun AG will bei den bestehenden Anspruchsgruppen und<br />

potenziellen Neukunden relevant bleiben und präferiert werden. Dieses Ziel<br />

erreicht sie nur mit engagierten, leistungsorientierten Mitarbeitenden, die<br />

überzeugt sind, dass hochwertige Arbeit wichtig und richtig ist. Die Werteerhebung<br />

zeigte, dass die Überzeugung sowie die Bereitschaft, sich für die EnT<br />

überdurchschnittlich einzusetzen und auch in Zukunft noch wertvollen Kundennutzen<br />

zu schaffen, deutlich gelebt wird. Die auf der Unternehmenswebseite<br />

aufgeführte «Wirtschaftlichkeit» findet sich beispielsweise in der hohen<br />

Zustimmung zum kostenbewussten Handeln und in den klaren Zielsetzungen.<br />

Attraktivität<br />

Die Attraktivität eines Arbeitgebers hängt stark mit der wahrgenommenen<br />

Sinnhaftigkeit und der Qualität der Führung und des Arbeitsumfeldes zusammen.<br />

Die Werteerhebung hat gezeigt, dass die Mitarbeitenden der EnT überdurchschnittlich<br />

gerne zur Arbeit gehen, an eine gemeinsame gute Zukunft<br />

glauben und sich stark zur Firma und ihrem Arbeitsteam zugehörig fühlen. Die<br />

offene und ehrliche Kommunikation und der faire Umgang miteinander<br />

führten bei den Angestellten zu einem hohen Mass an gegenseitigem Vertrauen,<br />

welches sich beim direkten Vorgesetzten bis hinauf zur Geschäftsleitung<br />

zeigt. Die Führungskräfte und Mitarbeitenden fällen Entscheidungen im<br />

Dienste der EnT und deren Kunden. Als wichtig wurde angegeben, dass den<br />

Worten Taten folgen müssen. Uneinig – jedoch im mittleren positiven Zustimmungsbereich<br />

– war man sich über das Ausmass, wie weit die eigene Arbeitsleistung,<br />

insbesondere von Kunden, wahrgenommen und wertgeschätzt wird.<br />

Vorbild<br />

Während unter «Vorbildern» meist Personen verstanden werden, deren idealisiertes<br />

Verhaltensmuster man nachzuahmen versucht, bezeichnet der Begriff<br />

hier richtungsweisendes Verhalten der Energie Thun AG als Gesamtes. Trotz<br />

der Aussage, dass es die Umstände manchmal nicht erlauben, 100% sicher<br />

arbeiten zu können, zeigt sich die EnT in den Belangen der Arbeitssicherheit<br />

als wegweisend. Alle Angestellten sprechen offen über Unfälle oder Zwischenfälle,<br />

um Verbesserungen einzuleiten und kümmern sich genügend um Arbeitssicherheit<br />

beziehungsweise Gesundheit am Arbeitsplatz. Weiter ist den<br />

Mitarbeitenden bewusst, dass in Zukunft die Notwendigkeit, das Konzept der<br />

Nachhaltigkeit zu verstehen und danach zu handeln, hoch sein wird. Die EnT<br />

verhindert – wo möglich – negative Umwelteinflüsse in ihrer Arbeit und<br />

bezieht Fragen der Umwelt und der regionalen Verantwortung in ihre Wirtschaftlichkeitsbestrebungen<br />

mit ein. Wenn es darum geht, Neuland zu betre-<br />

52<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26


ten und Veränderungen mutig anzugehen, zeigen die Resultate der Befragung<br />

ein eher vorsichtiges Bild der Innovationskultur.<br />

Es kann festgehalten werden, dass nach Meinung der Befragten bei fast allen<br />

Werten die gewünschte Soll-Kultur bereits gelebt wird. Die Befragung zeigt<br />

generell ein hohes Mass an Zustimmung und Zufriedenheit innerhalb der Belegschaft.<br />

Bei Fragen zur erwarteten Kundenwahrnehmung wie: «Aus meiner<br />

Sicht betrachten unsere Kunden das Engagement der Mitarbeitenden der EnT<br />

als gross», «Unsere Kunden schätzen unsere offene und ehrliche Kommunikation»<br />

oder «Wir werden von unseren Kunden und Partnern in Umweltfragen<br />

als Vorbild wahrgenommen» zeigt die Erhebung im Durchschnitt eine signifikant<br />

tiefere Zustimmung von den Mitarbeitenden. Die Kundenwahrnehmung<br />

ist für die «Markenpositionierung» von hoher Bedeutung, schliesslich geht es<br />

dabei um Nutzenversprechen an den Kunden. Die Empfindungen der Mitarbeitenden<br />

darüber, wie der Kunde die EnT sieht, sind folglich besonders wichtig<br />

für die Markenidentität mit dem Ziel der Neupositionierung.<br />

Miss Moneypenny<br />

Fazit<br />

Die interne Werteerhebung war die Basis zum Projekt «Markenpositionierung»,<br />

welches das Ziel hatte, emotionale und nutzenorientierte Markenwerte<br />

für ein abstraktes, «unsichtbares» Produkt (Energie) zu schaffen.<br />

Im Rahmen eines halbtägigen Workshops mit ausgewählten Kundinnen<br />

und Kunden der Energie Thun AG wurden die für die Positionierung relevanten<br />

und erhobenen Werte mit der Aussensicht abgeglichen. Aus den Abweichungen<br />

zwischen den von der EnT gewünschten und den von den Kunden und Kundinnen<br />

wahrgenommenen Unternehmens- beziehungsweise Markenwerten<br />

wurden einerseits Massnahmen zur Entwicklung der <strong>Unternehmenskultur</strong><br />

(insbesondere der Werte, die nach aussen gelebt werden sollen) als auch zur<br />

Positionierung abgeleitet. In einer weiteren Phase wurde in Form eines Screenings<br />

beziehungsweise Pitchs eine geeignete Kommunikationsagentur gewählt,<br />

welche anschliessend die Konzeptvorschläge für das neue Erscheinungsbild<br />

(CI/CD) auf Grundlage der neu formulierten Positionierung entwickelt hat.<br />

Die differenzierte Auseinandersetzung mit den Werten ist sowohl Voraussetzung<br />

für eine Kulturveränderung als auch für eine wirksame Markenpositionierung.<br />

Es wird jedoch weitaus aufwändiger und auch schwieriger sein, die<br />

Werte und die damit einhergehenden Verhaltensänderungen auf allen Ebenen<br />

der Energie Thun AG zu verankern.<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26 53


Wie in anderen Kulturmessungen ist auch bei der EnT festzuhalten, dass kein<br />

Anspruch auf vollständige Messung der <strong>Unternehmenskultur</strong> gestellt werden<br />

kann. Die <strong>Unternehmenskultur</strong> wurde auf Basis der im Leitbild festgelegten<br />

Werte erfasst und zeigt somit diese von der Führung bestimmten Kulturbereiche.<br />

Weiter ist bei der EnT erwähnenswert, dass der Kulturfragebogen zeitlich<br />

vor dem Fragebogen zur Kundenwahrnehmung ausgearbeitet wurde. Um<br />

die Vergleichbarkeit von Innen- und Aussensicht noch genauer abzubilden,<br />

wäre eine gleichzeitige Ausarbeitung der Fragekataloge vorteilhaft gewesen.<br />

Diese Limitation der Vergleichbarkeit ist der Geschäftsleitung der EnT bewusst<br />

und wird bei der Markenpositionierung berücksichtigt.<br />

Der Kulturmessung beim süssbach Pflegezentrum und der Kulturmessung bei<br />

der Energie Thun AG lagen unterschiedliche Annahmen und Zielsetzungen<br />

zugrunde. Dennoch wurden in einigen Prozessphasen ähnliche bis gleiche Herangehensweisen<br />

gewählt. So hielten sich beispielsweise beide Praxisfälle an<br />

die auch in der Theorie oft vertretene Meinung, dass sich vor allem die Ebene<br />

der Werte und Normen zur Kulturmessung und zur aktiven Gestaltung eignet.<br />

Während bei der Kulturdiskussion im süssbach der Fokus vor allem auf<br />

dem nach Innen und Aussen spür- und tragbaren «Wir-Gefühl» liegt, um damit<br />

als attraktiver Arbeitgeber aufzutreten, ist es bei der Energie Thun AG vor<br />

allem die Annahme, dass über das Verhalten und die Handlungen der Mitarbeitenden<br />

eine «Marke» nach aussen getragen wird. In beiden Praxisfällen<br />

wird also versucht, die Funktion der <strong>Unternehmenskultur</strong> bewusst über Werte<br />

und Normen zu verändern.<br />

Sowohl beim süssbach wie auch bei der Energie Thun AG sind die zentralen<br />

Werte und Normen in Leitbildern und Unternehmensgrundsätzen von der<br />

Geschäftsleitung explizit festgehalten und verbalisiert worden. Dies ermöglichte<br />

die Beschreibung, Thematisierung und Diskussion bis hin zur Festlegung<br />

von Indikatoren zur Messung der Werteausprägungen.<br />

Statt standardisierte und bewährte Fragebogen anzuwenden, haben beide<br />

Unternehmen individuell auf ihre Werte und Grundsätze ausgearbeitete Fragekataloge<br />

als Messinstrument gewählt. Solche firmenspezifischen Erhebungen<br />

bieten den Vorteil, dass exakt auf die von der Unternehmung als wichtig angesehenen<br />

Werte eingegangen wird. Nachteilig daran ist, dass sie aufgrund der<br />

unterschiedlichen Messindikatoren keinen oder nur einen sehr beschränkten<br />

Vergleich mit anderen Unternehmen zulassen. Ein weiterer Nachteil dieser Methode<br />

ist, dass die Validität, also die Verlässlichkeit, des Fragekatalogs nicht vor<br />

der ersten Erhebung geprüft werden kann. Dieser Mangel verschwindet mit<br />

jeder Durchführung und wird vor allem in der Theorie diskutiert. In der Praxis<br />

wird er in der Regel weder erwähnt noch empfunden.<br />

54<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26


Durch das Top-Down-Vorgehen attestieren beide Unternehmen dem Topmanagement<br />

grosse Macht und Einflussmöglichkeiten auf die Kulturgestaltung.<br />

Inwieweit sich die von der Geschäftsleitung und vom Kader gewollten<br />

Werte und Verhaltensnormen durchsetzen und etablieren können, hängt von<br />

verschiedenen Faktoren ab. Neben einem Führungsstil, der die Menschen in<br />

den Mittelpunkt stellt, ist auch entscheidend, wie weit sich die neuen Werte<br />

von den bisher gelebten unterscheiden. Werte und Normen, die von der Tradition<br />

und somit vom «gewohnten Vorgehen» stark abweichen, haben es weit<br />

schwerer, akzeptiert, gewollt und übernommen zu werden, als solche, die<br />

dem Bisherigen ähnlich sind.<br />

Allgemein wird davon ausgegangen, dass sich die Arbeitsmarktsituation in<br />

Pflegeberufen in den nächsten Jahren nicht erholen wird, und die Liberalisierung<br />

des Strommarktes ist beschlossene Sache. Sowohl der süssbach wie auch<br />

die Energie Thun AG müssen sich in ihrem herausfordernden Umfeld beweisen<br />

und die Fähigkeit erhalten, erfolgreich im Markt bestehen bleiben zu können.<br />

Eine positive <strong>Unternehmenskultur</strong> kann wesentlich dazu beitragen, wenn<br />

sie sowohl Sinn schafft als auch auf wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtet ist.<br />

Miss Moneypenny<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26 55


Literatur<br />

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Stand der empirischen Forschung und Konsequenzen für die Entwicklung eines<br />

Messkonzeptes, in: State-of-the-Art-Artikel, Wirtschaftsuniversität Wien, 2017.<br />

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Abgerufen unter: https://www.bcg.com/digital-bcg/digital-transformation/how-to-drivedigital-transformation-culture.aspx<br />

(14.04.2019)<br />

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Macht, 7. Aufl., Offenbach 2018<br />

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Motivation, Development, and Health, in: Canadian Psychology 49, 182-185, 2008<br />

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https://www2.deloitte.com/ch/de/pages/human-capital/articles/human-capitaltrends-2016.html<br />

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UK: Oxford University Press, 1997<br />

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EU-Projekt am KWI Essen zu Corporate Culture and Regional Embeddedness (CURE),<br />

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Heinen, E., <strong>Unternehmenskultur</strong>, Perspektiven für Wissenschaft und Praxis, München und<br />

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Krell, G., Chancengleichheit durch Personalpolitik, Wiesbaden 1997<br />

Lauschte, K. (o. a), Wir sind heute mehr Mensch als früher, <strong>Unternehmenskultur</strong> in einem<br />

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Lewin, K., Die Sozialisierung des Taylorsystems, Eine grundsätzliche Untersuchung zur<br />

Arbeits- und Berufspsychologie, Berlin-Fichtenau 1920<br />

Martin, J., Organizational Culture, Mapping the Terrainess, Sage Publications, 2002<br />

Müller, R., Neues Kultur-Messinstrument für KMUs, HRM-Praxis, HI2968397, 2012<br />

Müller, R., Personalmanagement und <strong>Unternehmenskultur</strong>. Einflussmöglichkeiten des<br />

Personalmanagements auf die <strong>Unternehmenskultur</strong>. In Pekruhl, U. (Hrsg.), Müller, R. et.<br />

al. Erfolgsfaktor Personalmanagement, Neue Ideen und Lösungen für die HRM-Praxis (S.<br />

51-71), Zürich 2013<br />

56<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26


Murphy, M., Hiring for Attitude: A Revolutionary Approach to Recruiting and Selecting<br />

People with Both Tremendous Skills and Superb Attitude, Leadership IQ, 2016<br />

Nagler, S., Löffler, G., Strategisches Talentmanagement, Die besten Mitarbeiter<br />

finden, fördern und binden, Weinheim Basel 2017<br />

Ogbonna, E., Harris, L. C., Managing Organisational Culture: Insights from the<br />

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Pekruhl, U., Partizipatives Management Konzepte und Kulturen, Institut Arbeit und Technik<br />

Wissenschaftszentrum Nordheim-Westfalen, München 2001<br />

Perrone, V., Zaheer, A., McEvily, B., Free to be trusted? Organizational constraints on<br />

trust at the boundaries, Organization Science, 14 (4), 422-439, 2003<br />

Maull, R., Brown, P., Cliffe, R., «Organisational culture and quality improvement»,<br />

International Journal of Operations & Production Management, Vol. 21 No. 3,<br />

pp. 302-326, 2001<br />

Robbins, S. P., Judge, T. A., Organizational Behavior, 18th Edition, San Diego State University.<br />

University of Notre Dame Pearson, 2019<br />

Rüegg-Stürm, J., Grand, S., Das St. Galler Management-Modell, 3. überarb. und<br />

weiterentw. Aufl., Bern 2017<br />

Rühl, M., Stiefel, C., Corporate Social Responsibility aus Sicht der Unternehmen,<br />

Publikationsreihe von economiesuisse und SwissHoldings 2015<br />

Rühl, M., Karrer H., Zukunft digitale Schweiz. Wirtschaft und Gesellschaft weiterdenken.<br />

Publikationsreihe von economiesuisse und Think Tank W.I.R.E., 2017<br />

Sackmann, S., <strong>Unternehmenskultur</strong>: Erkennen – Entwickeln – Verändern, Erfolgreich<br />

durch kulturbewusstes Management, 2., vollständig überarb. und erw. Aufl.,<br />

Wiesbaden 2017<br />

Schein, E., Organizational Culture and Leadership, third ed., San Francisco 2004<br />

Schein, E., Schein, P., Organisationskultur und Leadership. 5. Aufl., München 2018<br />

Spath, D. (Hrsg.), Ganschar, O., Gerlach, S. Hämmerle, M., Krause, T., Schlund,<br />

Studie: Produktionsarbeit der Zukunft – Industrie 4.0, Stuttgart 2013<br />

Miss Moneypenny<br />

Fallbeispiele<br />

Die Energie Thun AG (EnT):<br />

Kradolfer, N., Müller, R. & Wagner, C.: Werteerhebung und Marken-(Re)Positionierung<br />

2018. Schlussbericht. Fachhochschule Nordwestschweiz Hochschule für<br />

Wirtschaft. Olten 2018<br />

Süssbach Pflegezentrum AG:<br />

Müller, R.: Werteerhebung – Kulturerhebung 2018. Schlussbericht. Clavis Informatik &<br />

Organisation GmbH. Rombach 2018<br />

Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> Nr. 26 57


Bereits erschienene Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong>s<br />

Nr. 1 Interne Kommunikation<br />

Nr. 2 Selbstkenntnis<br />

Nr. 3 Gewaltfreie Kommunikation (GFK)<br />

Nr. 4 Mobbing und Arbeitsplatzkonflikte<br />

Nr. 5 Outdoor Training<br />

Nr. 6 Eine wie keine<br />

Nr. 7 Aufgeräumt & kreativ organisiert im Büro<br />

Nr. 8 Feelgood Management und Corporate Happiness<br />

Nr. 9 Dress for Success<br />

Nr. 10 Achtsamkeit<br />

Nr. 11 Souverän und erfolgreich im Kundenkontakt<br />

Nr. 12 KMU-Events organisieren<br />

Nr. 13 Konfliktmanagement<br />

Nr. 14 Resilienz<br />

Nr. 15 Business Knigge to Go<br />

Nr. 16 Home Office<br />

Nr. 17 Bewerben – aber richtig<br />

Nr. 18 Projektmanagement für die Assistenz<br />

Nr. 19 Der HR-Einstieg<br />

Nr. 20 Win-Win-Referate<br />

Nr. 21 Die Assistenz 4.0<br />

Nr. 22 Virtuelle Chefentlastung<br />

Nr. 23 Führung im Wandel – Assistenz im Wandel<br />

Nr. 24 Selfmarketing für die Assistenz<br />

Nr. 25 Tools & Apps für das Office Management<br />

Nr. 26 <strong>Unternehmenskultur</strong> verstehen und gestalten<br />

Zu bestellen auf missmoneypenny.ch/angebote


<strong>Unternehmenskultur</strong><br />

verstehen und gestalten<br />

Theorie, Handlungsfelder, Praxisbeispiele<br />

Aktives Kulturmanagement stellt keine vorbeiziehende Managementmethode<br />

dar, sondern ist für Unternehmen zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor<br />

geworden. Denn um im heutigen Marktumfeld wettbewerbsfähig zu bleiben,<br />

braucht es nicht nur flexible Organisationsstrukturen und schlanke Geschäftsprozesse,<br />

sondern auch eine starke <strong>Unternehmenskultur</strong>, welche die<br />

angestrebten Veränderungen mitträgt. Eine bewusst gestaltete Kultur, die<br />

auf unternehmerische Effizienz und Effektivität, aber auch auf soziale Faktoren<br />

wie Mitbestimmung, Verantwortung und Sinnhaftigkeit ausgerichtet ist,<br />

fördert die Innovations- und Anpassungsfähigkeit des Unternehmens, die<br />

Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden und die Arbeitgeberattraktivität am<br />

Arbeitsmarkt.<br />

Das vorliegende <strong>Dossier</strong> erläutert die konzeptionellen Grundlagen und die<br />

Wirkungsweisen von <strong>Unternehmenskultur</strong> und zeigt Handlungsfelder für<br />

eine aktive Kulturgestaltung auf. Zwei Praxisbeispiele geben schliesslich einen<br />

Einblick, wie <strong>Unternehmenskultur</strong> erfasst, ausgewertet und entsprechend<br />

unternehmensstrategischer Überlegungen ausgerichtet werden kann.<br />

Jedes Miss Moneypenny <strong>Dossier</strong> ist einem Thema<br />

gewidmet, das für Personen in Assistenzfunktion oder im<br />

Office Management relevant ist. Die Bücher erscheinen<br />

quartalsweise und können als Einzelexemplare<br />

bei ALMA Medien AG bezogen werden bzw. sind im<br />

Abonnement mit Miss Moneypenny erhältlich.<br />

ISBN<br />

978-3-906271-24-8<br />

ALMA Medien AG, Hofackerstrasse 32, 8032 Zürich

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