Betriebliches Gesundheitsmanagement 2022
Hörst du mich oder verstehst du mich schon?
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Special<br />
BETRIEBLICHES GESUNDHEITSMANAGEMENT<br />
Die themenspezifische Beilage zum HR Today in Zusammenarbeit mit Gesundheitsförderung Schweiz<br />
2<br />
0<br />
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HÖRST DU MICH<br />
ODER VERSTEHST<br />
DU MICH SCHON?<br />
BGM zielführend kommunizieren und umsetzen: 31.8.<strong>2022</strong> im Kursaal Bern<br />
Wechsel BGM-Leitung<br />
René Marcello Rippstein geht in<br />
Pension, Eric Bürki übernimmt<br />
BGM im KMU<br />
Zwei neue Angebote<br />
für KMU ab 2023<br />
Anabel Ternès<br />
Interne BGM-Kommunikation –<br />
Trends und Strategien<br />
Friendly Work Space<br />
Was das Label<br />
Grossverteilern bringt<br />
BGM-Tagung <strong>2022</strong><br />
Nationale Tagung<br />
am 31. August in Bern
NATIONALE TAGUNG FÜR BETRIEBLICHES GESUNDHEITSMANAGEMENT <strong>2022</strong><br />
HÖRST DU MICH ODER<br />
VERSTEHST DU MICH SCHON?<br />
BGM zielführend kommunizieren und umsetzen<br />
MITTWOCH, 31. AUGUST <strong>2022</strong> | KURSAAL BERN<br />
Interne BGM-Kommunikation –<br />
Trends und Strategien für ein<br />
zukunftsfähiges Unternehmen<br />
Prof. Dr. Anabel Ternès,<br />
SRH Hochschule Berlin<br />
Gamechanger Lohntransparenz –<br />
Der visionäre Weg der Familie<br />
Wiesner Gastronomie AG<br />
Annina Brühwiler, DoDifferent<br />
Manuel Wiesner, Familie Wiesner<br />
Gastronomie AG<br />
Beziehungsmanagement ist<br />
das A und O des erfolgreichen BGMs<br />
Martin Wyler,<br />
Wyler Safety Consulting GmbH<br />
Musikalisches Intermezzo<br />
Der Vormittag wird musikalisch durch Liedermacher Boris Bittel begleitet.<br />
Employer Branding als Output interner BGM-Kommunikation<br />
Helmut Perreten, Industrielle Betriebe Interlaken AG<br />
Samuel Bissig-Scheiber, Schindler Aufzüge AG<br />
bgm-tagung.ch<br />
Politik-Talk: Gesund im Homeoffice: Was braucht’s?<br />
Manuela Weichelt, Nationalrätin (Grüne/ZG)<br />
Michèle Blöchliger, Regierungsrätin (SVP/NW)<br />
Moderation durch Marina Villa<br />
3 Plenen, 4 Vertiefungsworkshops und 19 Workshops<br />
Schweizerische Eidgenossenschaft<br />
Confédération suisse<br />
Confederazione Svizzera<br />
Confederaziun svizra<br />
Eidgenössische Koordinationskommission<br />
für Arbeitssicherheit EKAS
INHALT/EDITORIAL<br />
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Gesundheitsmanagement</strong><br />
INHALT<br />
04 Wechsel BGM-Leitung In den vergangenen zwölf Jahren<br />
hat René Marcello Rippstein das BGM bei Gesundheitsförderung<br />
Schweiz von Grund auf neu aufgebaut. Nun geht er in Pension.<br />
Sein Nachfolger Eric Bürki steht bereit. Was ihn antreibt.<br />
05 Einleitung Hybride Zusammenarbeit ist die Herausforderung<br />
der Stunde, sagen Thomas Mattig, Direktor von Gesundheitsförderung<br />
Schweiz, und Noémi Swoboda, Leiterin Training<br />
& Support. Denn BGM muss für Mitarbeitende spürbar sein.<br />
06 BGM im KMU Gesundheitsförderung Schweiz unterstützt<br />
mit zwei neuen Angeboten Führungskräfte und HR-Verantwortliche<br />
in KMU dabei, sich mit gesundheitsrelevanten Aspekten<br />
auseinanderzusetzen.<br />
08 Interview Anabel Ternès Sie ist Zukunftsforscherin, Leiterin<br />
des Internationalen Instituts für Nachhaltigkeitsmanagement,<br />
Expertin für Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Zukunftskompetenzen<br />
sowie Keynote Speaker an der BGM-Tagung <strong>2022</strong>.<br />
Ein Vorab-Gespräch.<br />
10 Wirkung von BGM Gesundheitsförderung Schweiz befragte<br />
im Rahmen einer Studie mit «GIM Suisse» zehn Grossbetriebe<br />
und KMU, die mit dem Label «Friendly Work Space» ausgezeichnet<br />
sind, über die Wirkung von BGM.<br />
12 New Work Flexibel, hybrid und digital: So sieht die Arbeitswelt<br />
der Zukunft aus. Was Unternehmen tun können, um die<br />
Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden auch in<br />
den neuen Arbeitsformen zu fördern.<br />
14 Label «Friendly Work Space» BGM-Verantwortliche von<br />
Schweizer Detailhändlern erzählen, was ihnen das Label<br />
«Friendly Work Space» bringt und weshalb ein funktionierendes<br />
BGM für ihre Branche wichtig ist.<br />
16 Apprentice Jugendliche leiden am Arbeitsplatz häufiger<br />
unter Stress. Das Angebot Apprentice hilft Berufsbildungsverantwortlichen,<br />
die psychische Gesundheit von Lernenden<br />
zu fördern.<br />
18 Business Case Was müssen Betriebe tun, um mit dem<br />
Label «Friendly Work Space» zertifiziert zu werden? Wir haben<br />
BGM-Beraterin Marta Sokol Cavin bei ihrer Arbeit im Réseau<br />
hospitalier neuchâtelois begleitet.<br />
Liebe Leserin, lieber Leser<br />
Endlich wieder zurück im Büro. Endlich wieder mit den<br />
Kolleginnen und Kollegen direkt vor Ort kommunizieren,<br />
nicht mehr nur vor den Computerbildschirmen – welche<br />
Wohltat! Wie wichtig Kommunikation nicht nur im Privaten,<br />
sondern auch in unserem Berufs alltag ist, wurde uns wohl<br />
erst so richtig in den letzten zwei Jahren bewusst.<br />
Kommunikation ist essenziell: Auch im betrieblichen<br />
<strong>Gesundheitsmanagement</strong> ist sie ein wichtiges Instrument,<br />
das aber nach wie vor zu wenig zum Einsatz kommt. Doch<br />
wie soll BGM zielführend kommuniziert und umgesetzt werden?<br />
Die nächste BGM-Tagung am 31. August <strong>2022</strong> im Kursaal<br />
Bern – wieder vor Ort – liefert dazu wertvolle Hinweise<br />
und Unter stützung. So werden dort die während der Tagung<br />
gezeigten Kommu nikationsinstrumente und -methoden<br />
mit den Themen der Organisationsentwicklung verknüpft.<br />
Anhand von Best Practices wird zudem aufgezeigt, wo die<br />
Grenze zwischen interner und externer Kommunikation<br />
liegen und warum «Employer Branding» nicht zu reinem<br />
Marketing mutieren sollte.<br />
Wertvolle Inputs für das BGM im Betriebsalltag liefert auch<br />
das aktuelle BGM Special, das Sie gerade in Ihren Händen<br />
halten. Hier finden Sie Lesenswertes zur Umsetzung von<br />
BGM in KMU (Seite 6), zum neuen New-Work- Projekt<br />
«WoHo» (Seite 12), zum Nutzen des Labels «Friendly Work<br />
Space» (Seiten 14 und 18) sowie zum Angebot Apprentice<br />
für Berufsbildungsverantwortliche (Seite 16).<br />
Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre.<br />
Christine Bachmann<br />
Verantwortliche Special «<strong>Betriebliches</strong> <strong>Gesundheitsmanagement</strong>»<br />
und stv. Chefredaktorin HR Today<br />
Unsere Bilder sind<br />
jetzt mehr als Bilder –<br />
lassen Sie sie<br />
lebendig werden!<br />
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2 Öffnen Sie im Hauptmenü<br />
die Funktion<br />
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3 Halten Sie die Kamera<br />
auf das mit markierte<br />
Bild und klicken Sie auf<br />
«scannen».<br />
Special <strong>2022</strong><br />
3
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Gesundheitsmanagement</strong><br />
WECHSEL BGM-LEITUNG<br />
ANGETRETEN, UM ZU GESTALTEN<br />
RENÉ MARCELLO RIPPSTEIN HAT BEI GESUNDHEITSFÖRDERUNG SCHWEIZ IN DEN LETZTEN ZWÖLF JAHREN<br />
DAS BETRIEBLICHE GESUNDHEITSMANAGEMENT (BGM) VON GRUND AUF NEU AUFGEBAUT. NUN GEHT<br />
DER BGM-LEITER IN PENSION. SEIN NACHFOLGER ERIC BÜRKI HAT EINIGES VOR.<br />
Interview: Christine Bachmann<br />
Sie waren über zwölf Jahre BGM-Leiter. Was<br />
haben Sie erreicht?<br />
René Marcello Rippstein: In den letzten zwölf<br />
Jahren passierte viel in der Arbeitswelt: Berufliches<br />
und Privates verschmolzen, neue Arbeitsmodelle<br />
etablierten sich. Ein perfekter Nährboden,<br />
um BGM-Pionierarbeit zu leisten. So<br />
konnten wir in den letzten zwölf Jahren ein<br />
Bewusstsein für das BGM-Potenzial in Unternehmen<br />
schaffen und zeigen, dass es um weit<br />
mehr als Präventionsthemen geht – beispielsweise<br />
um die psychische Gesundheit. Das ist<br />
keine Selbstverständlichkeit: Bis heute gibt es<br />
kein Gesetz, das Betriebe zu einem umfassenden<br />
BGM verpflichtet. Es ist ein freiwilliger Entscheid,<br />
der sich lohnt. Gesunde und sich wohlfühlende<br />
Mitarbeitende stärken nicht nur die<br />
Innovationskraft des Unternehmens, sondern<br />
auch dessen Employer Branding.<br />
Wie hat sich Ihr BGM-Team verändert?<br />
Wir haben damals zu zweit gestartet. Heute<br />
beschäftigen wir am Hauptsitz in Bern rund<br />
25 Personen und arbeiten schweizweit mit<br />
170 freischaffenden Consultants sowie akkreditierten<br />
Assessoren zusammen. Das ist grossartig,<br />
genügt aber noch nicht. Das Potenzial<br />
für BGM ist in den Betrieben nach wie vor riesig.<br />
Erst jede vierte Firma betreibt ein einigermassen<br />
systematisches BGM – die Systematik<br />
macht es aber aus und ist wichtig für die Nachhaltigkeit.<br />
Viele Firmen starten zwar mit einem<br />
BGM, brechen es aber wieder ab. Beim BGM<br />
muss man aber wie im Sport dranbleiben.<br />
Was wünschen Sie sich für die BGM-Community?<br />
Dass wir weiterhin als Pioniere die Voraussetzungen<br />
dafür schaffen, BGM in den Unternehmen<br />
zu integrieren. In Zahlen ausgedrückt:<br />
Heute sind es 25 Prozent der Betriebe, die einigermassen<br />
nachhaltig BGM betreiben – in den<br />
nächsten fünf Jahren möchten wir 30 bis 35<br />
Prozent der Firmen erreichen. Ich wünsche mir<br />
zudem, dass in der Corporate Social Responsibility<br />
künftig vermehrt auf Menschen fokussiert<br />
wird und nicht nur darauf, wie viel CO 2<br />
-<br />
Ausstoss ein Unternehmen vermeiden kann.<br />
An die Politik wäre mein persönlicher Appell,<br />
Investitionen ins BGM steuerlich abziehbar zu<br />
machen. Das würde einen Boom auslösen und<br />
insbesondere die Arbeitgeberattraktivität von<br />
KMU befeuern.<br />
Der neue BGM-Leiter in wenigen Worten?<br />
Eric Bürki: Ich bin 43 Jahre alt und seit 2013<br />
als Leiter Training & Support für Gesundheitsförderung<br />
Schweiz tätig, begleite Betriebe und<br />
helfe ihnen, ein internes BGM zu implementieren.<br />
Nebst dieser Arbeit baute ich bei Gesundheitsförderung<br />
Schweiz das BGM mit auf.<br />
Zudem bin ich schweizweit in unserem Ökosystem<br />
gut vernetzt – von Assessierenden und<br />
Beratenden bis hin zu den Unternehmen. Ich<br />
bin verheiratet, Familienvater und trainiere seit<br />
vielen Jahren eine vietnamesische Kampfkunst.<br />
Was reizt Sie an Ihrer neuen Rolle als BGM-<br />
Leiter?<br />
Ich bin angetreten, um zu gestalten. Mich interessiert,<br />
wie sich die Arbeitswelt durch die Digitalisierung<br />
und die Flexibilisierung verändert<br />
und welchen Einfluss das auf uns sowie unsere<br />
Gesundheit hat. Aufgrund dieser Entwicklungen<br />
wollen wir in den kommenden Jahren die<br />
Grundlagen für gutes BGM schaffen.<br />
Wo sehen Sie das BGM in der Schweiz in fünf<br />
Jahren?<br />
Dass in fünf Jahren etwa 35 Prozent der<br />
Betriebe ein BGM implementiert haben, ist<br />
realistisch. Gerade weil die «Gesundheit» laut<br />
Umfragen an oberster Stelle in den Betrieben<br />
steht – angetrieben durch ein Personalmarketing,<br />
das jungen Arbeitnehmenden gute<br />
Arbeitsbedingungen sowie eine gute Führung<br />
verspricht. Meine Vision ist, dass es uns immer<br />
weniger braucht und sich eine regionale Eigendynamik<br />
entwickelt, wenn das BGM-Ökosystem<br />
genügend gross ist.<br />
Was möchten Sie der BGM-Community<br />
sonst noch sagen?<br />
Drei Dinge, die ich für die Nachfolgestrategie<br />
vorschlage: Dass wir ein State of the Art des<br />
BGMs für die neue Arbeitswelt (New Work)<br />
entwickeln, vermehrt mit anderen Organisationen<br />
kooperieren und KMU für BGM begeistern<br />
können. 70 Prozent der Schweizer Erwerbstätigen<br />
arbeiten in KMU. Aus unseren<br />
Monitorings wissen wir, dass KMU gegenüber<br />
den Grossunternehmen weniger und weniger<br />
gezielt BGM-Massnahmen umsetzen. Dort<br />
sehen wir viel Potenzial. Deshalb möchten wir<br />
KMU mit neuen Angeboten für das BGM<br />
begeistern und für uns gewinnen (Anm. d.<br />
Red.: Konkretes zu den neuen Angeboten für<br />
KMU entnehmen Sie dem Artikel ab Seite 6).<br />
Übergabe: Eric Bürki übernimmt<br />
von René Marcello Rippstein<br />
(Foto: Christine Bachmann)<br />
4 Special <strong>2022</strong>
EINLEITUNG<br />
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Gesundheitsmanagement</strong><br />
BGM MUSS FÜR DIE<br />
MITARBEITENDEN SPÜRBAR SEIN<br />
Thomas Mattig ist seit 2007<br />
Direktor der Stiftung Gesundheitsförderung<br />
Schweiz<br />
und Titularprofessor an der<br />
Universität Genf.<br />
Noémi Swoboda ist seit 2015 in<br />
der Einheit BGM bei Gesundheitsförderung<br />
Schweiz, zuerst<br />
als Projektleiterin und seit<br />
diesem Jahr als Leiterin Training<br />
& Support.<br />
Die Herausforderung der Stunde heisst «hybrid<br />
zusammenarbeiten». Der Arbeitsalltag hat sich in<br />
den letzten beiden Jahren bei vielen Arbeitnehmenden<br />
verändert. Er ist geprägt von einer hohen Flexibilität,<br />
die die meisten Arbeitnehmenden beibehalten<br />
möchten. Unternehmen, die ihre Arbeitnehmenden<br />
wieder vollumfänglich ins Büro beordern, werden sich<br />
möglicherweise mit einer erhöhten Fluktuation<br />
befassen müssen.<br />
Die Arbeitnehmenden setzen zudem neue Prioritäten.<br />
So zeigt der «Work Trend Index <strong>2022</strong>» von<br />
Microsoft, dass nach der Pandemie mehr Arbeitnehmende<br />
in der Schweiz der Gesundheit und dem<br />
Wohlbefinden Vorrang vor der Arbeit geben.<br />
Bei den jungen Erwerbstätigen (Generation Z und<br />
Millennials) überlegen sich in der Schweiz 53 Prozent<br />
im kommenden Jahr, den Arbeitsplatz zu wechseln.<br />
Gemäss «Work Trend Index <strong>2022</strong>» sind es im Durchschnitt<br />
über alle Altersgruppen 39 Prozent der Arbeitnehmenden.<br />
Demgegenüber steht dieses Jahr eine<br />
hohe Anzahl ausgeschriebener Stellen. Gut qualifizierte<br />
Arbeitnehmende werden kein Problem haben,<br />
eine geeignete Stelle zu finden, vor allem in Berufen<br />
mit erhöhtem Fachkräftemangel wie beispielsweise<br />
dem Gesundheits-, Bildungs- oder Ingenieurwesen.<br />
Durch den Wertewandel und die veränderten Prioritäten<br />
bei den Arbeitnehmenden gewinnt das systematische<br />
betriebliche <strong>Gesundheitsmanagement</strong><br />
(BGM) weiter an Bedeutung. Die Herausforderung<br />
liegt darin, sich den erwähnten Veränderungen anzupassen.<br />
Die Unternehmen müssen sich überlegen,<br />
wie BGM in einer hybriden Arbeitswelt ausschaut:<br />
Welche Zielgruppe hat welche neuen Herausforderungen<br />
und welche Angebote sind dabei notwendig?<br />
Oder: Wie können Führungskräfte und Mitarbeitende<br />
am besten unterstützt werden?<br />
Für Unternehmen und Führungskräfte stellt sich<br />
ausserdem die Frage, wie eine optimale soziale<br />
Interaktion und Nähe innerhalb der Teams oder<br />
teamübergreifend geschaffen werden können. Das<br />
hat nicht nur einen wesentlichen Effekt auf die<br />
Arbeitsatmosphäre, sondern auch auf die Innovationskraft<br />
der Unternehmen und demzufolge auf<br />
das Betriebsergebnis.<br />
Unternehmen, die diese Herausforderungen meistern,<br />
verfügen über eine Unique Selling Proposition<br />
(USP). Es ist an der Zeit, in die Gesundheit der Mitarbeitenden<br />
am Arbeitsplatz noch mehr zu investieren<br />
und das gegen innen wie aussen stärker zu kommunizieren.<br />
Zum einen, um bewährte Mitarbeitende<br />
weiter in der Organisation halten zu können, zum<br />
anderen, um sich erfolgreich auf dem Arbeitsmarkt<br />
zu positionieren.<br />
Dabei geht es nicht in erster Linie darum, sich kommunikativ<br />
gut zu verkaufen und den Mitarbeitenden<br />
aufzuzeigen, über welche Annehmlichkeiten sie<br />
verfügen. Entscheidend dabei ist, dass BGM für sie<br />
spürbar ist. Somit sollen die Mitarbeitenden die Einstellung<br />
des Unternehmens zum Thema Gesundheit<br />
wahrnehmen. Sie müssen wissen, welche Ziele das<br />
BGM in ihrem Unternehmen verfolgt und wie diese<br />
erreicht werden. Auch im BGM gilt somit der populäre<br />
Grundsatz der Kommunikation: «Tue Gutes und<br />
sprich darüber!»<br />
Wir empfehlen Ihnen diesbezüglich auch den Artikel<br />
über «New Work» auf den Seiten 12 und 13, in dem<br />
unsere Kollegen Eric Bürki und Dominik Fässler unter<br />
anderem das interne Projekt «WoHo» von Gesundheitsförderung<br />
Schweiz vorstellen.<br />
Special <strong>2022</strong><br />
5
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Gesundheitsmanagement</strong><br />
BGM IM KMU<br />
FOKUS KMU: PRAXISORIENTIERTE<br />
HILFE MIT SOFORTIGEM NUTZEN<br />
MIT ZWEI NEUEN ANGEBOTEN UNTERSTÜTZT GESUNDHEITSFÖRDERUNG SCHWEIZ FÜHRUNGSKRÄFTE UND<br />
PERSONALVERANTWORTLICHE DABEI, SICH NOCH BEWUSSTER MIT GESUNDHEITSRELEVANTEN ASPEKTEN<br />
ZU BESCHÄFTIGEN – UND DIESE IM DO-IT-YOURSELF-MODUS UMZUSETZEN.<br />
Text: Eliane Stöckli<br />
Im Gegensatz zu Schweizer Grossbetrieben ist<br />
betriebliches <strong>Gesundheitsmanagement</strong> (BGM)<br />
in KMU weniger verbreitet. Unter anderem<br />
bedingt durch weniger Ressourcen wie Zeit und<br />
Geld. Das zeigen verschiedene Erhebungen von<br />
Gesundheitsförderung Schweiz. Das Bedürfnis<br />
indes ist vorhanden (siehe Grafik). Gesundheitsförderung<br />
Schweiz analysierte auch ihr<br />
bestehendes Angebot «KMU-vital». Mit dem<br />
Resultat, dass dieses fast 20-jährige BGM-<br />
Programm inhaltlich zwar zu einem grossen<br />
Teil noch aktuell ist, jedoch von der Handhabung<br />
und Präsentation her nicht mehr dem<br />
Zeitgeist entspricht. Das soll sich nun ändern.<br />
Gesundheitsförderung Schweiz lanciert 2023<br />
zwei neue Angebote: ein auf gesunde Führung<br />
ausgerichtetes «Leadership-Kit» und die «HR-<br />
Toolbox» für Personalverantwortliche.<br />
Werkzeugkasten für Führungskräfte<br />
Gerson Schärli, Projektleiter Innovation und<br />
Produktentwicklung BGM, und Martin Degen,<br />
Projektleiter BGM, von Gesundheitsförderung<br />
Schweiz sind für die beiden Neuheiten verantwortlich.<br />
Während das «Leadership-Kit» das Thema<br />
positive Führung behandelt und sich in erster Linie<br />
an Führungspersonen richtet, ist das Angebot<br />
«HR-Toolbox» für Personalverantwortliche<br />
gedacht. «Durch die Bedarfsanalyse bei KMU<br />
haben wir ausserdem festgestellt, dass ein grosses<br />
Bedürfnis für möglichst einfache und vor allem<br />
selbstständig anwendbare Angebote besteht»,<br />
erklären die beiden Experten. «Deshalb verlaufen<br />
die Angebote im Do-it-yourself-Modus.»<br />
Das «Leadership-Kit» soll Führungskräften<br />
helfen zu verstehen, welche Aspekte für eine<br />
gesunde Führung wichtig sind und was sie für<br />
Gerson Schärli<br />
Projektleiter Innovation<br />
und Produktentwicklung BGM<br />
Martin Degen<br />
Projektleiter BGM<br />
das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit<br />
ihrer Mitarbeitenden tun können. «Dazu<br />
stellen wir Werkzeuge zur Verfügung wie beispielsweise<br />
einen Online-Check, mit dem sich<br />
die Führungspersonen selbst einschätzen können.»<br />
Ziel sei es, dass sich Führungskräfte vertiefter<br />
oder regelmässiger mit den Informationen<br />
und Werkzeugen zu «gesunder Führung<br />
auseinandersetzen und so im Team spürbar<br />
und nachhaltig etwas verändern», so Schärli<br />
und Degen. Praxisorientierte Hilfe also, die<br />
schnell und direkt einen Nutzen bringt: «Nebst<br />
der persönlichen Einschätzung zu gesundem<br />
Führungsverhalten unterstützen unsere individuell<br />
passenden Werkzeuge beispielsweise<br />
dabei, wie man eine fruchtbare Feedbackkultur<br />
etabliert», erklärt Schärli. «Oder auch<br />
Werkzeuge, die für Mitarbeitendengespräche<br />
hilfreich sind, wie etwa motivierende Ziele, die<br />
gezielt auf entsprechende Phasen im Jahr terminiert<br />
werden können und so den Arbeitsprozess<br />
fördern.» Das alles soll zu einem besseren<br />
Verständnis für gesundheitsrelevante<br />
Aspekte beitragen und schlussendlich dazu,<br />
dass sich die Mitarbeitenden wohler fühlen.<br />
HR trägt massgeblich zur<br />
Gesundheitsförderung bei<br />
Das Angebot «HR-Toolbox» adressiert Personalverantwortliche,<br />
die «die Dinge selbst angehen<br />
und ein bestehendes Personalproblem<br />
lösen möchten». Ziel dieses Angebots sei es,<br />
auf betrieblicher Ebene die entsprechenden<br />
Verhältnisse so anzupassen, damit die Gesundheit<br />
der Mitarbeitenden aufrechterhalten oder<br />
im besten Fall sogar verbessert werden könne.<br />
«Da geht es um gesamtbetriebliche Anpassungen<br />
bei der Unternehmenskultur, den<br />
6 Special <strong>2022</strong>
BGM IM KMU<br />
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Gesundheitsmanagement</strong><br />
ABBILDUNG 10<br />
Investitionsbedarf 2016 und 2020<br />
Bei welchen Themen finden Sie, dass Ihr Betrieb mehr<br />
investieren sollte? (Maximal 3 Nennungen pro Betrieb)<br />
2020 2016<br />
Umgangsformen oder bei der Mitbestimmung<br />
der Mitarbeitenden», so die Experten Schärli<br />
und Degen.<br />
Entsprechende Regeln und Angebote werden<br />
meistens durch die Geschäftsleitung erarbeitet.<br />
Personalverantwortliche spielen hierbei<br />
eine tragende Rolle. Nicht nur, weil sie im<br />
Unternehmen meist den Überblick haben, wie<br />
es bei den Mitarbeitenden um Belastung und<br />
Ressourcen steht, sondern auch, indem sie sich<br />
in der GL für gesundheitsfördernde Massnahmen<br />
einsetzen. Die «HR-Toolbox» liefert Schützenhilfe:<br />
«Sie bietet nebst Informationen, Fakten,<br />
Links und rechtlichen Aspekten eine<br />
Vielzahl an Werkzeugen, speziell auf die Rolle<br />
der verant wortlichen HR-Person zugeschnitten»,<br />
erklärt Martin Degen. Beispielsweise Vorlagen<br />
für Reglemente sowie Ideen, wie Mitarbeitende<br />
Feedback an die GL geben können<br />
oder auch einen Jahreskalender für wichtige<br />
Mitarbeitendengespräche. «Ziel dabei ist<br />
immer, Personalverantwortliche in ihrer Arbeit<br />
für die Gesundheit der Mitarbeitenden zu<br />
unterstützen.»<br />
Die beiden Angebote von Gesundheitsförderung<br />
Schweiz unterstützen ausserdem längerfristige<br />
Ziele wie beispielsweise weniger Ausfälle<br />
oder eine geringere Fluktuation. Denn<br />
gesunde und motivierte Mitarbeitende sind der<br />
Schlüssel zum Unternehmenserfolg.<br />
Sensibilisierung zu Stress/<br />
psychischer Gesundheit<br />
Bewegungsförderung/<br />
Sportangebote<br />
Personalentwicklung/<br />
Personalförderung<br />
Ergonomische Arbeitsplätze/<br />
Arbeitsumgebung<br />
Gute Betriebskultur/wertschätzende<br />
Führungskultur<br />
Förderung gesunder Ernährung/gesundes<br />
Essensangebot<br />
Vereinbarkeit von Berufsund<br />
Privatleben<br />
Gesundheitsförderliche<br />
Aufgabengestaltung<br />
Förderung von Erholung/<br />
Pausen<br />
165<br />
173<br />
158<br />
131<br />
148<br />
150<br />
141<br />
151<br />
123<br />
138<br />
123<br />
154<br />
117<br />
114<br />
66<br />
83<br />
324<br />
303<br />
Die neuen<br />
BGM-Angebote von<br />
Gesundheitsförderung<br />
Schweiz<br />
Arbeitssicherheit und<br />
Gesundheitsschutz<br />
Keines<br />
55<br />
47<br />
73<br />
100<br />
Die beiden Angebote «Leadership-Kit»<br />
und «HR-Toolbox» sind zurzeit in der<br />
Entwicklung und Fertigstellung. Im<br />
Herbst <strong>2022</strong> folgen Anwendertests<br />
und letzte Überarbeitungen, damit die<br />
Angebote entsprechend Anfang 2023<br />
für Führungskräfte und HR-Verantwortliche<br />
verfügbar sind. Ab 2023<br />
finden Sie detaillierte Infos unter<br />
friendlyworkspace.ch<br />
Weiss nicht<br />
0<br />
23<br />
Grafik: Die 2020er-Ausgabe des BGM-Monitorings zeigte die gleiche Tendenz. Hier mit<br />
einem Vergleich zu 2016. Quelle: Füllemann et al. (2021). Arbeitspapier 54, <strong>Betriebliches</strong><br />
<strong>Gesundheitsmanagement</strong> in der Schweiz Monitoring-Ergebnisse 2020, Seite 23.<br />
100<br />
50 100 150 200 250 300 350<br />
Anzahl Nennungen<br />
Special <strong>2022</strong><br />
7
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Gesundheitsmanagement</strong><br />
INTERVIEW ANABEL TERNÈS<br />
«KI ERSETZT KEINE MENSCHEN»<br />
ANABEL TERNÈS IST ZUKUNFTSFORSCHERIN, PROFESSORIN, LEITERIN DES INTERNATIONALEN<br />
INSTITUTS FÜR NACHHALTIGKEITSMANAGEMENT, EXPERTIN FÜR NACHHALTIGKEIT, DIGITALISIERUNG<br />
SOWIE ZUKUNFTSKOMPETENZEN UND KEYNOTE SPEAKER AN DER BGM-TAGUNG <strong>2022</strong>.<br />
EIN GESPRÄCH ÜBER ZUKUNFTSKOMPETENZEN UND DIE DIGITALISIERUNG VON BGM.<br />
Interview: Christine Bachmann<br />
Welche Zukunftskompetenzen brauchen wir,<br />
um fit für die Arbeitswelt 4.0 zu bleiben?<br />
Anabel Ternès: Einige. Insgesamt sind es so<br />
viele, dass wir darüber ein seitenstarkes Buch<br />
gefüllt haben (siehe Buchtipp). Zwei Kompetenzen<br />
möchte ich jedoch hervorheben: die<br />
Selbstwirksamkeit und die digitale Souveränität.<br />
Beide geben in dieser schnelllebigen Welt<br />
Orientierung. So fragen wir uns bei der Selbstwirksamkeit:<br />
Wer bin ich, was kann ich und<br />
wohin will ich? Bei der digitalen Souveränität<br />
wiederum: Welche digitalen Mittel benötige<br />
ich und wo schränkt das Digitale meine Freiheit<br />
und Unabhängigkeit ein? Digitale Souveränität<br />
schärft unseren Blick dafür, dass Technik kein<br />
Selbstzweck sein darf.<br />
Wie können wir uns diese Souveränität<br />
aneignen?<br />
Infrastruktursouveränität ist das Fundament<br />
der digitalen Souveränität: Wir müssen die<br />
Schlüsseltechnologien und -kompetenzen<br />
beherrschen und benötigen dafür eine<br />
vertrauenswürdige IT-Infrastruktur. Zudem<br />
braucht es Datensouveränität. Das bedeutet,<br />
kompetent informiert zu sein und selbstbestimmt<br />
zu entscheiden, von wem und wie<br />
Informationen über die eigene Organisation,<br />
die eigenen Produkte, Personen oder Handlungen<br />
an die Öffentlichkeit gelangen.<br />
Entscheidungssouveränität ist dabei der<br />
Schlüssel. Personen mit entsprechendem<br />
Kontextwissen müssen dazu selbstbestimmt<br />
agieren und digitale Technologien für sich<br />
selbst und zum Gemeinwohl aller Mitarbeitenden<br />
kompetent und nutzenbringend<br />
einsetzen.<br />
Die Digitalisierung hat zwei Seiten. Wie<br />
verändert sie uns Menschen?<br />
Sie führt bei vielen Menschen dazu, sich in<br />
allen Lebensbereichen auf digitale Tools und<br />
Geräte zu verlassen. So messen, speichern und<br />
analysieren wir heute viele Lebensdaten mit<br />
digitalen Tools. Deshalb verlassen sich viele<br />
nicht mehr auf den eigenen Körper, sondern<br />
nur noch auf die Auswertung dieser Tools.<br />
Diese wissen bald besser als wir, was für uns<br />
gut ist: ausruhen oder weiterlaufen, essen oder<br />
fasten, arbeiten oder Freizeit. Gleichzeitig<br />
führt die Informationsflut aufgrund der<br />
KI KANN DATEN ÜBER<br />
DIE BESCHÄFTIGTEN<br />
UND DIE GESUND-<br />
HEITSGERECHTEN<br />
ARBEITSBEDIN-<br />
GUNGEN LIEFERN.<br />
ANABEL TERNÈS<br />
Datenmenge zu einem Informations-Gap.<br />
Und dieser wiederum führt zu einer ständigen<br />
Unsicherheit, Wichtiges nicht mitzubekommen<br />
sowie zu dem Drang, ständig online zu<br />
sein.<br />
Werden uns künftig Algorithmen analysieren<br />
und uns Gesundheitstipps geben?<br />
Das ist bereits heute der Fall – wenn man das<br />
möchte. Google analysiert beispielsweise<br />
bereits heute unser Nutzerverhalten und<br />
schickt uns passende Werbung, wenn wir<br />
vermehrt nach Gesundheitsthemen suchen.<br />
Das österreichische Start-up Medicus.ai geht<br />
noch weiter: Es speichert Gesundheitsdaten<br />
und gibt den Nutzenden der Seite Verhaltenstipps.<br />
Werden meine Vorgesetzten künftig schon<br />
vor mir wissen, dass ich ein Gesundheitsproblem<br />
habe?<br />
Das liegt an den Arbeitgebenden. In einigen<br />
Organisationen wird diese Möglichkeit bereits<br />
seit einigen Jahren im Arbeitsalltag genutzt,<br />
jedoch von den Mitarbeitenden kontrovers<br />
aufgenommen: beispielsweise durch Anti-<br />
Rauch-Programme oder Gewichtsreduktionskampagnen,<br />
aber auch in Form von<br />
regelmässigen Fragebögen, in denen Mitarbeitende<br />
mitteilen können, welche gesundheitlichen<br />
Herausforderungen sie mit Unterstützung<br />
ihres Unternehmens angehen<br />
möchten. Manche fühlen sich vom Arbeitgebenden<br />
umsorgt, andere wiederum kontrolliert<br />
– verbunden mit der Angst, ihre<br />
Selbstbestimmung zu verlieren.<br />
Welche Möglichkeiten bietet künstliche<br />
Intelligenz (KI) im betrieblichen <strong>Gesundheitsmanagement</strong><br />
(BGM)?<br />
KI kann Daten über die Beschäftigten und die<br />
gesundheitsgerechten Arbeitsbedingungen<br />
liefern. Diese Daten lassen sich auch in das<br />
BGM und HR integrieren – beispielsweise<br />
Analysen zum Verhalten und zur Prävention. Die<br />
Daten und Kennzahlen müssen jedoch qualitativ<br />
hochwertig sein, um verlässliche Aussagen<br />
über die Gesundheit der Beschäftigten ableiten<br />
8 Special <strong>2022</strong>
INTERVIEW ANABEL TERNÈS<br />
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Gesundheitsmanagement</strong><br />
FOTO: ZVG<br />
zu können, das heisst valide, objektiv und<br />
reliabel.<br />
Wo liegen die Grenzen von KI?<br />
KI kann den Menschen nicht ersetzen und sollte<br />
auch nicht entscheiden, ob Mitarbeitende<br />
gefördert und befördert werden oder nicht. KI<br />
ist letztlich nur so gut wie die Menschen, die<br />
sie programmiert haben.<br />
Welche Möglichkeiten bietet die Digitalisierung<br />
im BGM schon heute?<br />
Je weiter das Internet der Dinge (Internet of<br />
Things, IoT) und die Sensorik entwickelt sind,<br />
desto besser lassen sich mithilfe von KI und<br />
Data Analytics Daten erheben, die wir aufeinander<br />
beziehen und analysieren können.<br />
Ausgehend davon lassen sich Lernprozesse,<br />
neue Tools und Technologien entwickeln, um<br />
eine gesamtsystemische und nachhaltige<br />
Optimierung zu ermöglichen. Nebst den<br />
Chancen sind die Herausforderungen der<br />
digitalen BGM-Transformation nicht wegzudiskutieren.<br />
Insbesondere vor dem hohen<br />
Ressourcenbedarf, der steigenden Komplexität<br />
digitaler Technologien sowie Infrastrukturen<br />
schrecken viele zurück.<br />
BGM-Tagung <strong>2022</strong><br />
«Hörst du mich oder verstehst du<br />
mich schon?»<br />
Am Mittwoch, 31. August <strong>2022</strong>, findet<br />
im Kursaal Bern die 18. Nationale Tagung<br />
für betriebliches <strong>Gesundheitsmanagement</strong><br />
statt.<br />
Anmelden unter: bgm-tagung.ch<br />
Biografie<br />
Prof. Dr. Anabel Ternès gilt als eine der<br />
führenden Köpfe für nachhaltige Digitalisierung.<br />
Sie ist Autorin und Herausgeberin<br />
von über 50 Büchern und schreibt unter<br />
anderem für Focus, Forbes und t3n. Die<br />
geschäftsführende Direktorin des Berliner<br />
SRH Instituts für Nachhaltigkeitsmanagement<br />
ist mehrfache Gründerin, Vorstandsvorsitzende<br />
des Deutschen Instituts für<br />
Gesunde und Nachhaltige Digitalisierung,<br />
Verwaltungsrätin der britischen Handelskammer<br />
und Leiterin der Expertengruppe<br />
für Life Science, Health & Well Being.<br />
Buchtipp:<br />
«Future Skills»<br />
Die wichtigste Kompetenz im 21. Jahrhundert<br />
ist, neue Kompetenzen zu<br />
erlernen. Darüber sind sich Bildungsund<br />
Innovationsforschende weitgehend<br />
einig. In diesem Buch liefern 69 Bildungsund<br />
Innovationsforschende neue<br />
Weiterbildungsansätze.<br />
Future Skills, Verlag Vahlen, 2021,<br />
414 Seiten.<br />
Wie steht es um die Digitalisierung des BGMs<br />
in den Unternehmen und was könnten diese<br />
noch besser machen?<br />
Die BGM-Digitalisierung in Unternehmen findet<br />
europaweit sehr unterschiedlich statt.<br />
Während eine zunehmende Zahl an Unternehmen<br />
digitale Tools für ihre BGM-Aktivitäten<br />
verwendet, gibt es noch viele, die sich mit der<br />
Einführung von BGM wie auch der Digitalisierung<br />
schwertun.<br />
Gibt es länderspezifische Unterschiede?<br />
Knapp 75 Prozent der Schweizer Betriebe mit<br />
50 oder mehr Mitarbeitenden setzen bereits<br />
BGM-Massnahmen um.* Je grösser der Betrieb,<br />
desto systematischer. Das ist eine viel grössere<br />
Zahl als in Deutschland. Dort verfügen nur<br />
gerade 60 Prozent der Betriebe über ein BGM.<br />
An der BGM-Tagung <strong>2022</strong> werden Sie über<br />
interne BGM-Kommunikation sprechen. Auf<br />
was dürfen sich die Teilnehmenden freuen?<br />
Die Teilnehmenden erhalten Tipps für die<br />
Praxis, veranschaulicht an echten Best-<br />
Practice-Beispielen basierend auf aktuellen<br />
Fakten aus der Forschung sowie eigenen<br />
Umfragen.<br />
* BGM-Monitoring 2020 von Gesundheitsförderung Schweiz<br />
www.gesundheitsfoerderung.ch/bgm-monitoring<br />
Special <strong>2022</strong><br />
9
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Gesundheitsmanagement</strong><br />
WIRKUNG VON BGM<br />
DIE WIRKUNG VON BGM<br />
AM BEISPIEL VON CASE STUDIES<br />
CASE STUDIES DOKUMENTIEREN, WIE BGM GELINGT. SIE ZEIGEN ABER AUCH, DASS WIRKUNGSMESSUNG AUCH<br />
FÜR BGM-ERFAHRENE BETRIEBE EINE HERAUSFORDERUNG SEIN KANN. GESUNDHEITSFÖRDERUNG SCHWEIZ<br />
(GFCH) BEFRAGTE IM RAHMEN EINER STUDIE MIT «GIM SUISSE» ZEHN GROSSBETRIEBE UND KMU, DIE MIT DEM<br />
LABEL «FRIENDLY WORK SPACE» AUSGEZEICHNET SIND. DR. REGINA JENSEN WAR ALS PROJEKTLEITERIN<br />
WIRKUNGSMANAGEMENT BEI GESUNDHEITSFÖRDERUNG SCHWEIZ MASSGEBLICH DARAN BETEILIGT.<br />
Interview: Thomas Brändli<br />
Was ist die wichtigste Erkenntnis aus der<br />
Studie?<br />
Regina Jensen: Alle zehn Betriebe, mit denen<br />
vertiefende Interviews geführt wurden,<br />
beobachten, erleben und messen positive<br />
Wirkungen von BGM. Diese beobachteten<br />
Veränderungen sind zwar nicht immer 1:1 auf<br />
BGM-Massnahmen zurückzuführen, da beispielsweise<br />
die Fluktuation und die Absenzenquote<br />
durch verschiedene Faktoren beeinflusst<br />
werden und nicht alle Wirkungen quantifizierbar<br />
sind. Dennoch können Betriebe beschreiben,<br />
welche Kennzahlen oder Problemfelder<br />
sie durch BGM-Mass nahmen verbessern konnten.<br />
ERFOLGSFAKTOREN Nimmt man | die ÜBERBLICK erlebten Wirkungen<br />
BERGEORDNETE<br />
zusammen, ergibt sich ein vielfältiges Bild von<br />
elevante positiven Erfolgsfaktoren Effekten. für gelingendes BGM<br />
WIRKUNGSMESSUNG<br />
Regelmässiges Monitoring der Wirkung<br />
und Potenzials für Optimierungen<br />
Gibt es spezifische Kennzahlen, die sich<br />
besonders gut eignen, um die Wirkung von<br />
BGM-Massnahmen aufzuzeigen?<br />
Die Wirkung von BGM-Massnahmen kann auf<br />
unterschiedlichen Ebenen deutlich werden.<br />
Welche die «richtige» ist, hängt davon ab,<br />
welche Ziele mit einer Massnahme erreicht<br />
werden sollen. Jeder Betrieb sollte für sich<br />
definieren, welche Kennzahlen und Zielgrössen<br />
für ihn relevant sind und welche nicht. Dabei<br />
kann das Wirkungsmodell von GFCH als<br />
Unterstützung genutzt werden (www.gesundheitsfoerderung.ch/wirkung-bgm).<br />
Welche Erfolgsfaktoren nennen die Betriebe?<br />
Die Erfolgsfaktoren lassen sich in fünf<br />
Kategorien beschreiben (siehe Abbildung):<br />
STAKEHOLDER<br />
Alle relevanten Akteure<br />
involvieren und motivieren<br />
BGM-ERFOLGS-<br />
FAKTOREN<br />
PLANUNG<br />
Systematische Vorgehensweise<br />
und BGM in allen Prozessen als<br />
Bestandteil mitdenken<br />
Ziele des Projekts<br />
• Übergreifende Erfolgsfaktoren für<br />
gelingendes BGM und dessen<br />
Wirkungsmessung verstehen<br />
• Best-Practice-Beispiele für erfolg reiche<br />
BGM-Massnahmen und Wirkungsmessung<br />
aus Betrieben mit dem Label<br />
«Friendly Work Space» sammeln<br />
• Konkrete Fallbeschreibungen als<br />
Inspiration und Hilfestellung für an BGM<br />
interessierte Betriebe zur Verfügung stellen<br />
Vorgehensweise<br />
und Produkt<br />
Mehrstufige qualitative Fallstudie in mit<br />
dem Label «Friendly Work Space» ausgezeichneten<br />
Betrieben. Publiziert werden<br />
ein Synthesebericht mit Erkenntnissen zu<br />
Erfolgsfaktoren und zur Wirkung von<br />
BGM sowie zehn Fall beschreibungen aus<br />
verschiedenen Betrieben.<br />
Folgende Betriebe haben teilgenommen:.<br />
FEEDBACK<br />
KOMMUNIKATION<br />
In stetem Kontakt mit den<br />
Zielgruppen bleiben<br />
Niederschwellig und<br />
zielgruppengerecht<br />
Case Study in Label-Betrieben | GFCH 1<br />
10 Special <strong>2022</strong>
WIRKUNG VON BGM<br />
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Gesundheitsmanagement</strong><br />
ZWEI AUSSCHNITTE AUS CASE STUDIES<br />
ALLE DETAILLIERTEN CASE STUDIES FINDEN SIE HIER<br />
SBB<br />
Die SBB ist eines der heterogensten und komplexesten Unternehmen in der<br />
Schweiz, mit über 150 Berufsbildern, mehreren hundert Standorten und über<br />
33 000 Mitarbeitenden.<br />
Massnahme: BGM bei zunehmender Digitalisierung mitdenken: Human Factors<br />
Dr. Regina Jensen<br />
Projektleiterin Wirkungsmanagement<br />
• Stakeholder: Gelingendes BGM involviert<br />
und motiviert alle relevanten Akteure im<br />
Unternehmen, vor allem auch die Geschäftsleitung.<br />
• Planung: BGM ist dann erfolgreich, wenn es<br />
bei den verschiedenen Unternehmensprozessen<br />
die Auswirkungen auf die Gesundheit<br />
der Mitarbeitenden berücksichtigt und<br />
die BGM-Verantwortlichen miteinbezieht.<br />
• Kommunikation: Mitarbeitende müssen<br />
über die vorhandenen BGM-Massnahmen<br />
informiert werden. Deshalb ist eine<br />
zielgruppengerechte Kommunikation über<br />
BGM wichtig.<br />
• Feedback: Um die passenden BGM-Massnahmen<br />
umzusetzen, sind ein ständiger Austausch<br />
mit und eine Rückmeldung von der<br />
Zielgruppe notwendig.<br />
• Wirkungsmessung: Ein regelmässiges Monitoring<br />
der BGM-Wirkung ermöglicht die zielgerichtete<br />
Ausgestaltung sowie das Aufdecken<br />
von Optimierungspotenzial.<br />
Inwieweit helfen Case Studies einem<br />
Betrieb?<br />
Case Studies oder Best Cases zeigen, wie<br />
andere Betriebe BGM-Massnahmen umsetzen.<br />
Vor allem aber, welche Erkenntnisse sie<br />
daraus ziehen. Sie helfen dadurch, eigene<br />
Massnahmen zu optimieren und neue zu<br />
entwickeln.<br />
Wie stellen Sie sicher, dass die Erkenntnisse<br />
aus diesen Case Studies wahrgenommen<br />
werden?<br />
Wir planen, den Synthesebericht und die einzelnen<br />
Fallbeschreibungen respektive Massnahmen<br />
zielgruppenspezifisch zu ver breiten und<br />
alle unsere Kommunikations kanäle zu bespielen,<br />
das heisst unter anderem Webseiten,<br />
Social Media und Newsletter. Die Erkenntnisse<br />
sollen aber auch in unsere Schulungen und<br />
Produkte fliessen und an Events vorgestellt<br />
werden.<br />
«Die Einführung technischer Systeme führte in der Vergangenheit manchmal zur Überforderung der<br />
Mitarbeitenden, die beispielsweise mit bestimmten Geräten nicht zurechtkamen», sagt SBB-Fachspezialistin<br />
Anna Windischer. Dafür zu sorgen, dass die Technologie die Mitarbeitenden entlastet<br />
und nicht belastet, fällt in die Zuständigkeit von «Human Factors». Für die Zugreinigung wurde<br />
beispielsweise eine App eingeführt, die den Mitarbeitenden den Sauberkeitszustand des Zugs in Rot,<br />
Orange und Grün angezeigt. Dementsprechend wird die Arbeit priorisiert. Windischer erklärt, dass<br />
je nach App-Gestaltung das digitale Hilfsmittel unterstützend oder «auch als zusätzlicher Druck<br />
für die Mitarbeitenden empfunden werden könnte». Würde das Tool beispielsweise zu einer verstärkten<br />
Kontrolle der Mitarbeitendenleistung oder zu Zeitdruck führen, nähme der Stress zu. Wenn<br />
das Tool aber so eingesetzt wird, dass sich das Team untereinander besser organisieren und seinen<br />
Handlungsspielraum nutzen kann, führt die Digitalisierung sogar zur Entlastung. Um schon vor der<br />
Einführung zu untersuchen, welche Auswirkungen eine neue Technologie auf die Mitarbeitenden,<br />
ihre Tätigkeiten und ihr Arbeitsumfeld hat, führt die SBB unter anderem Interviews und Beobachtungen<br />
von Arbeitsabläufen im Rahmen von Pilotstudien durch. Mögliche Technologieanpassungen<br />
werden anschliessend mit Personen diskutiert, die für die Einführung der neuen Technologie zuständig<br />
sind. Zudem werden Vorgesetzte sensibilisiert: «Es verändert die Führung, wenn die Leute autonomer<br />
arbeiten können.» Windischer ist vom Nutzen eines frühen Einbezugs von Human Factors<br />
überzeugt: «Wenn man erst am Ende dazukommt, ist es schwierig, noch etwas zu verändern. Oder<br />
man muss das ganze System zurücknehmen, weil es überhaupt nicht funktioniert. Das ist viel kostenintensiver,<br />
als wenn man Human Factors schon von Beginn an berücksichtigt.»<br />
Loterie Romande<br />
Die Loterie Romande ist ein KMU in der Glücksspielbranche, das mit seinen Erträgen<br />
gemeinnützige Projekte unterstützt und rund 300 Mitarbeitende beschäftigt.<br />
Massnahme: Etablierung von BGM im Unternehmen<br />
Bei der Loterie Romande führte die Vielfalt der Berufsprofile zu sehr unterschiedlichen Belastungen<br />
und Anforderungen an ein gutes Arbeitsumfeld. Um die Arbeitgeberattraktivität für bestehende<br />
und potenzielle Mitarbei tende zu erhöhen, implementierten sie eine Gesundheitsstrategie. Auf der<br />
Suche nach einer systematischen Methodik überzeugte das Label «Friendly Work Space» von Gesundheitsförde<br />
rung Schweiz. «Es stellte strukturierte Tools und Verfahren zur Verfügung, wodurch wir<br />
uns auf die Inhalte und die Umsetzung konzentrieren konnten, ohne zusätzlich noch eine Methode<br />
entwickeln zu müs sen», sagt Anne Michellod, BGM-Verantwortliche und HR-Leiterin. Die Komplexität<br />
und die hohen Anforderungen des Assessments waren teilweise eine Herausforderung. «Für den<br />
Einstieg war es hilfreich, den Prozess in Zwischenstufen zu unterteilen, die es ermöglichten, das BGM<br />
mit gezielter Aufwandssteuerung aufzubauen und es in die globale HR-Strategie des Unternehmens<br />
zu integrieren. Dieses schrittweise Vorgehen kann ich anderen KMU nur empfehlen», sagt Michellod.<br />
«Bei einer BGM-Einführung ist es zudem wichtig, die volle Unterstüt zung der Geschäftsleitung zu<br />
haben.» BGM werde zu einem strategischen Schwerpunkt und Ressourcen müssen dafür bereitgestellt<br />
werden. Operativ unterstützt wird die BGM-Verantwortliche durch eine partizipative BGM-<br />
Lenkungsgruppe. In dieser Gruppe sind alle relevanten Bereiche vertreten. Sie übernimmt im Wesentlichen<br />
drei Aufgaben: Erstens steht sie im engen, persönlichen Kontakt mit allen Mitarbeitenden.<br />
Zwei tens analysiert, plant und organisiert sie BGM-Massnahmen und kontrolliert deren Wirkung.<br />
Drittens ist sie Botschafterin für BGM im Unternehmen und informiert die Mitarbeitenden. Zur<br />
Wirkungskontrolle der BGM-Massnahmen führte die Loterie Romande zwei Instrumente ein. Eine<br />
übergeordnete, regelmässige Zufriedenheitsbefragung (alle drei Jahre) und ein flexibles Adhoc-<br />
Befragungstool. Zuletzt konnte eine sehr positive Entwicklung abgelesen werden. «Letztlich zahlt<br />
sich der Einsatz klar aus», sagt Anne Michellod.<br />
Special <strong>2022</strong><br />
11
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Gesundheitsmanagement</strong><br />
NEW WORK<br />
GESUND BLEIBEN IN DIGITALER<br />
UND HYBRIDER ZUSAMMENARBEIT<br />
DIE PANDEMIE HAT DIE GESUNDHEIT VON MITARBEITENDEN IN DEN FOKUS GERÜCKT.<br />
GLEICHZEITIG HAT SICH DIE ARBEIT RASCH VERÄNDERT UND NEUE ARBEITSFORMEN SIND<br />
ENTSTANDEN: FLEXIBEL, HYBRID, DIGITAL. WAS KÖNNEN UNTERNEHMEN TUN, UM DIE GESUNDHEIT<br />
UND DAS WOHLBEFINDEN AUCH IN NEUEN ARBEITSFORMEN ZU FÖRDERN?<br />
Text: Eliane Stöckli<br />
Dominik Fässler<br />
Projektleiter BGM<br />
Die Corona-Pandemie trug dazu bei, dass<br />
Arbeitszeit und Arbeitsort flexibler geworden<br />
sind – Homeoffice sowie hybride Arbeitsformen<br />
haben sich stark verbreitet. «Arbeitgebende<br />
wie -nehmende mussten sich kurzfristig<br />
anpassen, was nicht allen leichtfiel», sagt<br />
Dominik Fässler, Projektleiter BGM bei Gesundheitsförderung<br />
Schweiz und New-Work-<br />
Experte. Studien zeigen: Wer sozial, gesundheitlich<br />
oder finanziell bereits gut aufgestellt<br />
ist, kann besser mit Krisen und raschen Veränderungen<br />
umgehen oder diese sogar als<br />
Chance nutzen. Beispielsweise kann die Flexibilität<br />
zu einer ausgewogeneren Work-Life-<br />
Balance beitragen. Wer hingegen nur über<br />
wenige dieser Ressourcen verfügt, den treffen<br />
Krisen stärker. «Das gilt sowohl auf individueller<br />
als auch auf organisatorischer Ebene.»<br />
Letztere sei in diesem Zusammenhang auch<br />
gefordert, die technischen Voraussetzungen<br />
für hybrides Arbeiten zu erfüllen.<br />
Mit der flexiblen und der digitalen Zusammenarbeit<br />
können die Grenzen der Arbeitswelt und<br />
des Privatlebens verschwimmen. Da brauche<br />
es gemeinsam definierte, klare Regelungen,<br />
sagt Fässler. Beispielsweise bezüglich Erreichbarkeit:<br />
«Wann bin ich erreichbar, über welche<br />
Kommunikationskanäle und wie rasch muss ich<br />
auf eine Nachricht reagieren?» Einschneidend<br />
kann durch die vermehrte digitale Arbeitsweise<br />
und Homeoffice auch der abnehmende physische<br />
Kontakt zu den Arbeitskolleginnen und<br />
-kollegen sein: «Digitale Kommunikation hat<br />
Vorteile, trotzdem birgt sie bei fehlendem physischem<br />
Kontakt gesundheitsrelevante Risiken<br />
wie Isolations- und Einsamkeitsgefühle.» Wichtig<br />
sei deshalb, den physischen und sozialen<br />
Kontakt auch bei vermehrter digitaler Zusammenarbeit<br />
aufrechtzuerhalten und Beziehungen<br />
zu pflegen. «Soziale Beziehungen sind ein<br />
Grundpfeiler psychischer Gesundheit.» Dafür<br />
benötige es regelmässigen physischen Kontakt,<br />
bei dem Offenheit und Vertrauen im Zentrum<br />
stehen, sagt Fässler. «Beispielsweise mit Teamtagen,<br />
an denen alle im Büro sind. Wichtig ist,<br />
dass an diesen Tagen auch Raum für den sozialen<br />
Austausch wie die persönlichen Gespräche<br />
geschaffen wird.»<br />
Kompetenzerweiterung<br />
Fehlt der persönliche Kontakt, erschwert das<br />
auch die Früherkennung von Stress und<br />
Erschöpfung. Der Job-Stress-Index 2020 von<br />
Gesundheitsförderung Schweiz1 zeigt: Drei von<br />
zehn Erwerbstätigen (29,6 Prozent) leiden<br />
unter Stress. Fast gleich viele sind emotional<br />
erschöpft. Arbeitsbezogener Stress kostet<br />
Arbeitgebende rund 7,6 Milliarden Franken pro<br />
Jahr. Insbesondere Führungskräfte brauchen<br />
entsprechende Kompetenzen, um auf Distanz<br />
zu erkennen, wenn es den Mitarbeitenden nicht<br />
gut geht, und um sie entsprechend zu unterstützen.<br />
Insbesondere Sozialkompetenzen<br />
seien entscheidend, betont Fässler. «Darüber<br />
hinaus spielt die Kommunikationsfähigkeit eine<br />
wichtige Rolle: Wie verhalte ich mich über digitale<br />
Kanäle wertschätzend gegenüber meinen<br />
Mitarbeitenden? Wie erteile ich Lob oder Kritik?»<br />
Gleichzeitig verändert sich die Rolle von<br />
Führungskräften, erklärt der New-Work-<br />
Experte. «Sie unterstützen, coachen und befähigen<br />
die Mitarbeitenden, ihre Projekte und<br />
Aufgaben selbst zu steuern und Verantwortung<br />
zu übernehmen.»<br />
Die Übernahme von mehr Verantwortung kann<br />
Mitarbeitende aber auch überfordern, gerade<br />
bei erhöhter Flexibilität und mehr digitaler<br />
Zusammenarbeit. Deshalb sollten sich auch<br />
diese entsprechende Kompetenzen aneignen<br />
können, sagt Fässler. «Dazu gehören unter<br />
anderem digitale Kompetenzen, Abgrenzungsfähigkeit<br />
sowie Selbstkenntnisse: Wie viel<br />
Sozialkontakt möchte oder brauche ich? Und<br />
wie kann ich meine Arbeit und mein Umfeld<br />
für mich passend gestalten?» Auf organisationaler<br />
Ebene wiederum müssen Möglichkeiten<br />
geschaffen werden, damit sich Führungspersonen<br />
und Mitarbeitende diese Kompetenzen<br />
aneignen können – Stichwort Lernkultur.<br />
Unterstützung und Inspiration<br />
Gesundheitsförderung Schweiz hilft in vielerlei<br />
Hinsicht sowohl den Unternehmen wie den<br />
Arbeitnehmenden. «Wir haben zu New Work<br />
und BGM eine Website2 eingerichtet, auf der<br />
Informationen zu Studien, Blogbeiträge, Best-<br />
12 Special <strong>2022</strong>
NEW WORK<br />
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Gesundheitsmanagement</strong><br />
Practice-Videos und Tools sowie Austauschmöglichkeiten<br />
zu finden sind», führt Fässler aus.<br />
Ausserdem habe die Stiftung ein eigenes, laufendes<br />
Transformationsprojekt namens «WoHo»<br />
(siehe Kasten «Projekt WoHo»).<br />
Die Themen Führung, soziale Beziehungen bei<br />
der Arbeit sowie Kompetenzentwicklung, die in<br />
diesem Artikel angesprochen werden, sind drei<br />
von fünf New-Work-Schwerpunkten, die<br />
Gesundheitsförderung Schweiz für die Weiterentwicklung<br />
des BGMs vertieft untersucht (siehe<br />
Kasten rechts). Die beiden weiteren Schwerpunkte<br />
sind die Gestaltung der Arbeitsprozesse<br />
und das Thema Daten und BGM. «Ziel der fünf<br />
Vertiefungsprojekte ist es, mit Wissenschaft und<br />
Praxis für jedes Thema konkrete Grundlagen und<br />
Empfehlungen für die Weiterentwicklung des<br />
BGMs zu schaffen», erklärt Fässler.<br />
«Projekt WoHo»<br />
Quellen:<br />
1 bit.ly/Job_Stress_Index<br />
2 gesundheitsfoerderung.ch/new-work<br />
In einer internen Befragung wurden die<br />
Bedürfnisse der Mitarbeitenden und Führungskräfte<br />
von Gesundheitsförderung<br />
Schweiz in Bezug auf neue Arbeitsformen<br />
(Workoffice – Homeoffice) abgeholt.<br />
Eine Arbeitsgruppe trug die wichtigsten<br />
Handlungspunkte zusammen<br />
und erarbeitete anhand von bereits<br />
bestehenden Best-Practice-Beispielen<br />
entsprechende Massnahmen. In vier Teilprojekten<br />
wurde «WoHo» systematisch<br />
umgesetzt. Detaillierte Informationen<br />
zum Projekt finden Sie im Video.<br />
Vertiefungsprojekt 1:<br />
Führung und Entscheidungsprozesse<br />
Rollen und Aufgaben von Führungspersonen verändern sich aufgrund der zunehmenden<br />
Digitalisierung und Dezentralisierung. Es braucht neue Führungskompetenzen,<br />
Führungsstile und Entscheidungsprozesse. Welche Hebel kann das BGM nutzen und<br />
welche Rollen müssen dafür geschaffen werden?<br />
Vertiefungsprojekt 2:<br />
Social Health<br />
Für die Pflege sozialer Beziehungen braucht es neue Ansätze und Konzepte. Wie gelingt<br />
Teamintegration in einer digitalisierten Arbeitswelt? Wie bleiben Beziehungen erhalten,<br />
werden Isolation und Einsamkeit vermieden, wird Wertschätzung ausgedrückt und<br />
der informelle Austausch gefördert?<br />
Vertiefungsprojekt 3:<br />
Kompetenzentwicklung für neue Arbeitswelten<br />
Die neuen Arbeitswelten verlangen Kompetenzen im Umgang mit Flexibilisierung,<br />
den Möglichkeiten zur Selbstgestaltung und Autonomie, der Übertragung<br />
von Verantwortungen, der ständigen Erreichbarkeit und dem Verlangen nach<br />
lebenslangem Lernen.<br />
Vertiefungsprojekt 4:<br />
Gestaltung von Arbeitsprozessen<br />
und Work-Worker-Fit<br />
Neue Arbeitsweisen, Technologien oder Automatisierungen verlangen ein Zusammenspiel<br />
von Mensch, Technik und Organisation – auf gesundheitsförderlicher Basis. Der<br />
Mensch ist dabei der zentrale Faktor. Es gilt, die Mitwirkung aller Beteiligten zu ermöglichen<br />
und Berufsbilder so attraktiv und sinnerfüllt wie möglich zu gestalten.<br />
Lernen Sie den Zusammenhang von New<br />
Work und psychischer Gesundheit besser<br />
kennen – anhand von Studien, Best-Practice-Beispielen<br />
und Erfahrungsberichten.<br />
Sämtliche Informationen zu den Projekten<br />
und Empfehlungen finden Sie auf der<br />
New-Work-Website von Gesundheitsförderung<br />
Schweiz:<br />
gesundheitsfoerderung.ch/new-work<br />
Vertiefungsprojekt 5:<br />
Daten und BGM<br />
Die datenbasierte Früherkennung gesundheitlicher Chancen und Risiken birgt grosses<br />
Potenzial. Wie kann das BGM dieses Potenzial gesundheitsförderlich nutzen?<br />
Dies unter Berücksichtigung von Aspekten wie der Interpretation der Daten,<br />
Überwachung und Ethik sowie Datenschutz.<br />
Special <strong>2022</strong><br />
13
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Gesundheitsmanagement</strong><br />
LABEL «FRIENDLY WORK SPACE»<br />
LABEL «FRIENDLY WORK SPACE»:<br />
BGM SICHTBAR MACHEN<br />
SCHWEIZWEIT SIND 86 ORGANISATIONEN MIT RUND 210 000 MITARBEITENDEN MIT DEM LABEL<br />
«FRIENDLY WORK SPACE» VON GESUNDHEITSFÖRDERUNG SCHWEIZ AUSGEZEICHNET, DARUNTER AUCH<br />
ALLE GENOSSENSCHAFTEN DER MIGROS ODER LIDL SCHWEIZ. DIE BGM-VERANTWORTLICHEN DER LEBENS-<br />
MITTELKONZERNE ERZÄHLEN, WESHALB EIN FUNKTIONIERENDES BGM IN IHRER BRANCHE WICHTIG IST<br />
UND WIE IHNEN DIE ZERTIFIZIERUNG HILFT, BESSER ZU WERDEN.<br />
Text: Christine Bachmann<br />
Lidl Schweiz und alle Genossenschaften der<br />
Migros vereint nicht nur die Branche, sondern<br />
auch die Tatsache, dass sie seit mehreren Jahren<br />
ein betriebliches <strong>Gesundheitsmanagement</strong><br />
(BGM) betreiben und mit dem Label<br />
«Friendly Work Space» von Gesundheitsförderung<br />
Schweiz ausgezeichnet sind. Ihre Beweggründe:<br />
«Wir haben unterschiedliche Massnahmen<br />
bezüglich Gesundheitsförderung,<br />
Arbeitssicherheit und Absenzenmanagement<br />
umgesetzt und wollten wissen, ob wir damit<br />
auf dem richtigen Weg sind und wo wir im<br />
Vergleich zu anderen Unternehmen stehen»,<br />
erklärt Dunja Freise, BGM-Verantwortliche bei<br />
Lidl Schweiz. Deshalb habe sich Lidl Schweiz<br />
für einen syste matischen Qualitätscheck<br />
durch das Label «Friendly Work Space» entschieden.<br />
Ähnliche Gründe nennt BGM-Leiter<br />
Markus Sidler, der mit dem Label aber auch<br />
die BGM-Anstrengungen der Migros Luzern<br />
besser sichtbar machen möchte. «So zeigen<br />
wir unseren Mitarbeitenden, dass wir unsere<br />
Personalarbeit pflegen und stetig verbessern<br />
wollen.»<br />
«Lidl Schweiz beschäftigt 4500 Mitarbeitende<br />
in 100 verschiedenen Berufen», sagt Freise und<br />
ergänzt: «Jede dieser Berufsgruppen birgt spezielle<br />
Herausforderungen und Belastungen.»<br />
In den Warenverteilzentren und Filialen sind es<br />
beispielsweise hohe körperliche Belastungen.<br />
«Deshalb bieten wir diesen Mitarbeitenden<br />
Schulungen zu ‹Heben und Tragen› oder<br />
beschaffen für sie moderne, ergonomische<br />
Arbeitsmittel.» Mitarbeitende mit PC-Arbeitsplätzen<br />
würden zusätzlich für Stress- und Zeitmanagement<br />
sensibilisiert.<br />
Auch bei der Migros Luzern kommen Mitarbeitende<br />
aus verschiedensten Geschäftsbereichen<br />
zusammen: von Logistik und Produktion über<br />
Sport- und Freizeitparks bis hin zu Gastronomie<br />
oder Administration. Von den BGM-Massnahmen<br />
profitieren alle: «Eine gute Gesundheit<br />
ist die Grundvoraussetzung, um die tägliche<br />
Arbeit zu meistern – unabhängig von der<br />
Funktion», betont Sidler. So gesehen sei das<br />
Unternehmen mit allen Facetten an physischen<br />
und psychischen Herausfor derungen konfrontiert,<br />
deren Ursachen nicht nur im beruflichen<br />
Umfeld auszumachen seien: «Wir unterstützen<br />
unsere Mitarbeitenden in ihrem beruflichen,<br />
aber auch privaten Alltag. Beispielsweise mit<br />
mehrjährigen Projekten und Kampagnen zu<br />
‹Rücken›, ‹Psychische Gesundheit› oder aktuell<br />
‹Regeneration›.»<br />
Vom Nutzen der<br />
«Friendly Work Space»-Auszeichnung<br />
Die Migros Luzern hat den Auszeichnungsprozess<br />
für das Label «Friendly Work Space»<br />
bereits im Jahr 2009 in Angriff genommen.<br />
«Die Auszeichnung wurde vorwiegend mit HR-<br />
Mitarbeitenden und dem internen Fachgremium<br />
Santé (Arbeitsgruppe Direktionsvertreter)<br />
erarbeitet und nahm einige Zeit in<br />
Anspruch», erinnert sich Markus Sidler. Herausfordernd<br />
war, bereits vorhandene Massnahmen<br />
und Prozesse zu erkennen und sie für alle<br />
sicht- und messbar zu machen. Beispielsweise<br />
als fester Bestandteil der Führungsschulung<br />
und mittels Verankerung auf Geschäftsleitungsebene.<br />
«So wird das Thema bewusster<br />
Top-down gelebt und es werden zusätzliche<br />
Budgets für Gesundheitsprojekte bewilligt.»<br />
Daneben implementierte die Migros Luzern<br />
einen Personalbe treu ungsprozess, bei dem die<br />
Gesundheit und die Mitarbeitendenzufriedenheit<br />
eine massgebende Rolle spielen: von der<br />
Rekrutierung über Aus- und Weiterbildung,<br />
Wiedereingliederung und Umplatzierung bis<br />
hin zum Vertragsende. Die Folgen: Die Zufriedenheit<br />
stieg, die Absenzen sanken und das<br />
Gesundheits- und das Sicherheitsbewusstsein<br />
der Mitarbeitenden erhöhten sich.<br />
14 Special <strong>2022</strong>
LABEL «FRIENDLY WORK SPACE»<br />
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Gesundheitsmanagement</strong><br />
Lidl Schweiz dagegen ist ein noch junges<br />
Mitglied im «Friendly Work Space»-Label-Club.<br />
Erst im Frühjahr 2021 entschloss sich der<br />
Lebensmittelkonzern, am Zertifizierungsprozess<br />
teilzunehmen. «Wir sammelten innerhalb<br />
von vier Monaten BGM-relevante Themen aus<br />
unterschiedlichsten Fachbereichen, verarbeiteten<br />
diese und reichten sie mit einem Self-<br />
Assessment sechs Wochen vor dem Assessment-Tag<br />
ein», erzählt Dunja Freise. «Ende<br />
August wurden wir von den BGM-Assessoren<br />
zu 25 BGM-Kriterien auf Herz und Nieren<br />
geprüft und bewertet. Im Oktober 2021 konnten<br />
wir dann im Berner Zentrum Paul Klee die<br />
Auszeichnung entgegennehmen.»<br />
Beim Zertifizierungsprozess waren Verantwortliche<br />
aus HR, BGM, Führungs-, Kultur- sowie<br />
Absenzenmanagement involviert. Eine zeitliche<br />
Herausforderung: «Wir fragten uns, wie tief und<br />
detailliert die einzelnen Kriterien beschrieben<br />
werden sollten. Zudem musste der Zertifizierungsprozess<br />
ins Tagesgeschäft integriert werden.<br />
Das war nicht immer einfach. Dank dieser<br />
Überarbeitung und Systematisierung wurde<br />
unser BGM jedoch messbar und damit systematisch<br />
sowie nachhaltig. Deshalb nutzen wir<br />
auch jetzt punktuelle Massnahmen in den drei<br />
BGM-Säulen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz,<br />
betriebliche Gesundheitsförderung<br />
und Abwesenheits- und Case Management.»<br />
Das Label wirkt nicht nur nach innen, sondern<br />
auch nach aussen. So nutzen sowohl Lidl<br />
Schweiz wie die Migros das Label vor allem<br />
auch fürs Employer Branding. «Nebst der prominenten<br />
Platzierung auf unseren Kommunikationskanälen<br />
zeigen wir es in der Kommunikation<br />
gegenüber Bewerbenden, beispielsweise<br />
auf der Karriereseite, auf Plattformen oder im<br />
Interview», sagt Freise. Auch Migros Luzern<br />
präsentiert das interne BGM und das Label im<br />
Employer Branding und in Bewerbungsgesprächen.<br />
«Aktuell erarbeiten wir eine weitere<br />
BGM-Kampagne. Wir zeigen unseren Mitarbeitenden<br />
in redaktionellen Beiträgen, welchen<br />
Nutzen sie vom Label und von einer guten<br />
Personalarbeit haben», erzählt Sidler. Weiter<br />
werden Labelbetriebe von Gesundheitsförderung<br />
Schweiz immer wieder in nationalen Kampagnen<br />
porträtiert.<br />
Noch nicht zertifiziert, dennoch engagiert<br />
Wert auf motivierte und fitte Mitarbeitende<br />
legt auch Aldi Suisse. Deshalb habe das Unternehmen<br />
unter dem Motto «Gemeinsam.<br />
Gesund.» ein betriebliches <strong>Gesundheitsmanagement</strong><br />
(BGM) eingeführt, welches das<br />
körperliche, geistige und soziale Wohlbefinden<br />
der Mitarbeitenden in den Mittelpunkt stellt.<br />
Nebst dem Fokus auf Themen wie gesunde<br />
Ernährung, Bewegung, Arbeitsklima, Acht-<br />
Jérôme Meyer<br />
Country Managing Director von Aldi Suisse<br />
(noch kein Labelbetrieb)<br />
Markus Sidler<br />
BGM-Leiter bei Migros Luzern<br />
Labelbetrieb<br />
samkeit und innere Balance sowie Arbeitsmedizin<br />
und Gesundheitssc hutz plant das<br />
Unternehmen nun wieder mehr physische<br />
Aktivitäten. Eines der Highlights? «Die jährliche<br />
schweizweite Teilnahme an Firmenläufen.» Auf<br />
der eigenen Mitarbeiterapp gäbe es zudem<br />
Fitness- und Yoga-Videos, die zu Workouts und<br />
Challenges ermutigen. «Ausserdem planen wir<br />
dieses Jahr einen Gesundheitsmonat für alle<br />
Mitarbeitenden», sagt Jérôme Meyer, Country<br />
Managing Director von Aldi Suisse.<br />
Eine Label-Assessierung des Unternehmens, wie<br />
das die Migros und Lidl Schweiz bereits gemacht<br />
haben, ist für Aldi Suisse grundsätzlich eine interessante<br />
Option. «Das würde unser Engagement<br />
auch nach aussen hin besser sichtbar machen».<br />
Das Label «Friendly Work Space» sowie andere<br />
Möglichkeiten würden daher zurzeit geprüft. Ob<br />
damit das Label «Friendly Work Space» schon<br />
bald zum Branchenstandard gehört?<br />
EINE GUTE<br />
GESUNDHEIT IST<br />
DIE GRUNDVORAUS-<br />
SETZUNG, UM DIE<br />
TÄGLICHE ARBEIT<br />
ZU MEISTERN.<br />
MARKUS SIDLER<br />
Dunja Freise<br />
BGM-Verantwortliche bei Lidl Schweiz<br />
Labelbetrieb<br />
Label<br />
«Friendly Work Space»<br />
Das Label «Friendly Work Space» setzt<br />
den Schweizer Qualitätsstandard für<br />
systematisch umgesetztes betriebliches<br />
<strong>Gesundheitsmanagement</strong> (BGM), das<br />
vom Staatssekretariat für Wirtschaft<br />
(Seco) und vom Bundesamt für<br />
Gesundheit (BAG) unterstützt wird.<br />
Die Auszeichnung stellt die Stiftung<br />
Gesundheits förderung Schweiz aus, die<br />
von Kantonen und Versicherern getragen<br />
wird und einen gesetzlichen Auftrag hat.<br />
bit.ly/Label_FWS<br />
Special <strong>2022</strong><br />
15
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Gesundheitsmanagement</strong><br />
APPRENTICE<br />
«EIN GUTER START INS<br />
BERUFSLEBEN IST ESSENZIELL»<br />
JUGENDLICHE ZWISCHEN 16 UND 24 JAHREN LEIDEN HÄUFIGER UNTER STRESS AM ARBEITSPLATZ.<br />
DAS ANGEBOT APPRENTICE HILFT SEIT SEINER EINFÜHRUNG VOR EINEINHALB JAHREN<br />
BERUFSBILDUNGSVERANTWORTLICHEN DABEI, JUGENDLICHE IM HINBLICK AUF<br />
IHRE PSYCHISCHE GESUNDHEIT BESSER ZU UNTERSTÜTZEN.<br />
Text: Erik Freudenreich<br />
Digitalisierung und technischer Fortschritt<br />
haben zu einem Anstieg der Produktivität<br />
beigetragen. Gleichzeitig wächst der Druck im<br />
Berufsleben. Das führt zu Unfällen und<br />
krankheitsbedingten Abwesenheiten. Der<br />
Stress am Arbeitsplatz verursacht laut dem<br />
Job-Stress-Index 2020 von Gesundheitsförderung<br />
Schweiz in Unternehmen einen Produktivitätsverlust<br />
von rund 7,6 Milliarden Franken<br />
pro Jahr.<br />
Der Job-Stress-Index 2020 zeigt auch, dass<br />
berufstätige Jugendliche am meisten von<br />
Stress betroffen sind. So bekannten fast<br />
42 Prozent der 16- bis 24-Jährigen, dass sie sich<br />
diesbezüglich in einer kritischen Situation<br />
befänden, wohingegen nur 24 Prozent der<br />
Personen zwischen 55 und 65 Jahren die gleiche<br />
Angabe machten. Die befragten Jugendlichen<br />
sagten zudem häufiger, sie seien von<br />
der Arbeitsverdichtung und den damit einhergehenden<br />
Herausforderungen für das eigene<br />
Karrieremanagement betroffen. «Das lässt<br />
sich insbesondere dadurch erklären, dass<br />
Jugendliche höheren Einschränkungen am<br />
Arbeitsplatz unterliegen als ältere Kolleginnen<br />
und Kollegen», sagt Anne-Julie Choffat, die<br />
bei Gesundheitsförderung Schweiz unter anderem<br />
für das Angebot Apprentice zuständig ist.<br />
Anne-Julie Choffat<br />
Projektleiterin Training & Support BGM<br />
Gesundheitsförderung Schweiz<br />
«Auf der anderen Seite fehlen den Jugendlichen<br />
die Erfahrung und die Ressourcen, um<br />
sich diesen Herausforderungen zu stellen und<br />
sich einen gewissen Handlungsspielraum zu<br />
schaffen.»<br />
Ein anstrengender Lebensabschnitt<br />
Die Übergangsphase ist für berufstätige Jugendliche<br />
mit vielen Veränderungen verbunden: beispielsweise<br />
dem Übergang von der Schule in ein<br />
Unternehmen, den körperlichen Veränderungen<br />
und dem Aufbau der persönlichen Identität.<br />
«Aus Sicht der psychischen Entwicklung handelt<br />
es sich um einen sehr anstrengenden Lebensabschnitt»,<br />
sagt Choffat. «Die An passung an<br />
die verschiedenen Parameter kostet viel Kraft,<br />
insbesondere für Jugendliche, die sich für den<br />
Berufsbildungsweg entscheiden.»<br />
Berufsbildende spielen eine entscheidende<br />
Rolle, damit dieser Lebensabschnitt so gut und<br />
mit so wenig Stress wie möglich verläuft, sagt<br />
Choffat. «Die dafür verfügbaren Ressourcen<br />
unterscheiden sich erheblich von Unternehmen<br />
zu Unternehmen. Ganz zu schweigen davon,<br />
dass Berufsbildungsverantwortliche angesichts<br />
der Bedürfnisse und Forderungen der<br />
jüngeren Generationen zuweilen ganz schön<br />
ratlos sind.»<br />
16 Special <strong>2022</strong>
APPRENTICE<br />
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Gesundheitsmanagement</strong><br />
Konkrete Fälle, praktische Ratschläge<br />
Diese Feststellungen führten Ende 2020 zur<br />
Einführung des Angebots Apprentice für<br />
Berufsbildende. Das Ziel? Kenntnisse und<br />
geeignete Tools bereitstellen, um die psychische<br />
Gesundheit der Jugendlichen in der<br />
Berufsbildung zu stärken. Apprentice besteht<br />
aus vier zentralen Elementen. «Der erste Teil<br />
des Angebots ist eine Toolbox, die auf der Website<br />
fws-apprentice.ch aufgerufen werden<br />
kann», erläutert Choffat. «Diese beinhaltet<br />
praktische Ratschläge zu Themen wie Motivation<br />
oder Gesundheits förderung von Jugendlichen,<br />
die anhand konkreter Beispiele verdeutlicht<br />
werden.»<br />
Als Ergänzung zur Toolbox wird die «Experts<br />
App» angeboten. «Über diese App stellen<br />
unsere Partner Suva, Pro Juventute und Sucht<br />
Schweiz regelmässig Inhalte zu unterschiedlichsten<br />
Fachthemen gratis zur Verfügung»,<br />
sagt Choffat. «Beispielsweise zu Unfällen,<br />
Hobbys, Alkoholkonsum usw.» Alle zwei<br />
Monate rücke ein neues Thema in den<br />
Mittelpunkt. Zusätzlich finden regelmässige<br />
Experten-Chats via die App statt.<br />
Austausch und Weiterbildungsangebote<br />
Der dritte Teil von Apprentice betrifft die Organisation<br />
von Treffen mit anderen Unternehmen,<br />
damit sich die Berufsbildungsverantwortlichen<br />
über Best Practices austauschen<br />
können. «Pandemiebedingt führten wir Ende<br />
letzten Jahres bislang nur einen einzigen Termin<br />
online durch. Wir planen in Zukunft wieder<br />
mehr Veranstaltungen, auch vor Ort.»<br />
Der vierte Teil von Apprentice fokussiert auf<br />
Weiterbildungen, damit die nötigen Ressourcen<br />
zur Stärkung der psychischen Gesundheit<br />
von Lernenden aufgebaut werden können.<br />
«Diese kostenpflichtigen Weiterbildungen dauern<br />
jeweils einen Tag und werden von unseren<br />
Spezialistinnen und Spezialisten in der ganzen<br />
Schweiz angeboten.» Aktuell finden sie jährlich<br />
auf Deutsch und Französisch statt. Dazu arbeiten<br />
wir mit dem Kaufmännischen Verband<br />
Schweiz und Cursus Formation zusammen. Auf<br />
Anfrage können die Kurse branchenübergreifend<br />
im Unternehmen durchgeführt<br />
werden, wobei sich das Format nach dem<br />
jeweiligen Bedarf richtet.»<br />
AUS<br />
SICHT DER<br />
PSYCHISCHEN<br />
ENTWICKLUNG<br />
HANDELT<br />
ES SICH UM<br />
EINEN SEHR<br />
ANSTRENGENDEN<br />
LEBENSABSCHNITT.<br />
ANNE-JULIE CHOFFAT<br />
Seit der Einführung von Apprentice im Dezember<br />
2020 werden die Angebote rege genutzt.<br />
«Die Rückmeldungen zeigen uns, dass das<br />
Angebot einem Bedürfnis der Berufsbildenden<br />
entspricht», unterstreicht Anne-Julie Choffat.<br />
«Zurzeit analysieren wir das Angebot Apprentice<br />
im Detail, um es danach weiterzuentwickeln<br />
und es auf die sich verändernden Bedürfnisse<br />
anzupassen.» Schon heute zeigt sich<br />
aber, dass die Website immer mehr Besuchende<br />
verzeichnet und die Nachfrage nach<br />
Weiterbildungen steigt.»<br />
Experts App:<br />
«Jederzeit Zugriff<br />
auf die Ressourcen»<br />
Corinna Nigg ist Verantwortliche für<br />
Berufsbildung in der Krankenpflege bei<br />
den St. Gallischen Psychiatrie-Diensten<br />
Süd. Sie erzählt, wie die Apprentice-App<br />
sie im Arbeitsalltag unterstützt.<br />
«Ich habe die Experts App vor ein paar<br />
Monaten als Teil einer Weiterbildung in<br />
Chur kennengelernt. Seitdem sorge ich<br />
dafür, dass sie in unserer Organisation<br />
bekannter wird. Dazu muss man wissen,<br />
dass unser Team gut zehn Berufsbildungsverantwortliche<br />
und 18 Begleiterinnen und<br />
Begleiter umfasst, die sich jedes Jahr um<br />
fast 70 Lernende kümmern.<br />
Die Motivation am Arbeitsplatz ist mir<br />
sehr wichtig, weil wir mit Menschen mit<br />
komplizierten Krankheitsbildern arbeiten,<br />
die häufig sehr alt sind. Die zur Gesundheitsförderung<br />
angebotenen Ressourcen<br />
sind besonders interessant, weil unsere<br />
Jugendlichen häufig nicht wissen, an wen<br />
sie sich für Hilfe oder ein Gespräch wenden<br />
können. Ausserdem werden Informationen<br />
zu vielen verschiedenen Themen angeboten.<br />
Beispielsweise zu Konzentrationsproblemen,<br />
Konflikten, Abhängigkeiten. Diese<br />
Ressourcen immer in Reichweite zu haben,<br />
ist sehr nützlich. Ganz zu schweigen von<br />
den Push-Benachrichtigungen, mit denen<br />
man über neue Artikel informiert wird.<br />
Selbstverständlich ist die Verwendung<br />
der App für unsere Pflegeteams sehr viel<br />
einfacher als für das Küchenpersonal.<br />
Deshalb sorge ich dafür, dass ich die<br />
jeweiligen Informationen bei Meetings<br />
oder innerhalb von Info-Tagen weitergebe.<br />
Hier finden alle, insbesondere in der Risikoprävention,<br />
geeignete Ratschläge.»<br />
Link zur<br />
Experts App:<br />
fws-apprentice.ch/<br />
experts-app<br />
Special <strong>2022</strong><br />
17
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Gesundheitsmanagement</strong><br />
BUSINESS CASE<br />
DER WEG ZUM LABEL «FRIENDLY<br />
WORK SPACE»: WIE DAS IN DER<br />
PRAXIS FUNKTIONIERT<br />
UM DAS LABEL «FRIENDLY WORK SPACE» ZU ERHALTEN, IST DIE ETABLIERUNG UNTERSCHIEDLICHER<br />
PROZESSE IM RAHMEN EINES QUALITÄTSMANAGEMENTS ERFORDERLICH, DAS EIN EFFIZIENTES UND<br />
EFFEKTIVES BGM SICHERSTELLT. BGM-BERATERIN MARTA SOKOL CAVIN BEGLEITETE DAS RÉSEAU<br />
HOSPITALIER NEUCHÂTELOIS AUF DIESEM WEG. EIN ERFAHRUNGSBERICHT.<br />
Text: Marc Benninger<br />
Bis heute erhielten 86 Organisationen mit<br />
über 210 000 Mitarbeitenden in der Schweiz<br />
das Label «Friendly Work Space». Das<br />
Verfahren dauert mehrere Monate und bietet<br />
der Organisation die Gelegenheit, sämtliche<br />
Massnahmen zur Gesundheit, Sicherheit<br />
sowie zum Unternehmensengagement<br />
«EIN TOOL ZUR REDUKTION VON<br />
PSYCHOSOZIALEN RISIKEN.»<br />
Mylène Cordary Basin<br />
BGM-Koordinatorin beim RHNe<br />
für die Gesellschaft oder das Klima öffentlich<br />
sichtbar zu machen. Marta Sokol Cavin,<br />
BGM-Beraterin bei der Versicherungsgesellschaft<br />
AXA, erläutert am Beispiel des<br />
Réseau hospitalier neuchâtelois (RHNe)<br />
die Vorgehensweise bei einem Assessment.<br />
Analyse, aktuelle Situation<br />
und Vorgehensweise<br />
Am Anfang des Verfahrens steht<br />
der FWS-Check. Dieser dauert<br />
ungefähr 20 Minuten. «Das<br />
können Unternehmen auch<br />
allein machen. Allerdings empfehle<br />
ich, sich begleiten zu lassen»,<br />
sagt Sokol Cavin. Der<br />
Blick von aussen sei wichtig, da<br />
die Beraterin oder der Berater<br />
Unternehmen auf bestimmte<br />
Dinge aufmerksam macht, die<br />
bereits umgesetzt oder bislang nicht<br />
ausreichend verwertet wurden.<br />
«Dadurch entsteht ein guter Überblick.»<br />
Aus dieser ersten Auswertung können ein<br />
Bericht mit möglichen Massnahmen sowie<br />
ein unterstützendes Angebot entstehen.<br />
ES BRINGT ÜBERHAUPT NICHTS,<br />
ETWAS ZU ÜBERSTÜRZEN. FÜR DAS<br />
LABEL IST EINE GEWISSE ORGANISA<br />
TIONSREIFE ERFORDERLICH. AUF DIESE<br />
WEISE KÖNNEN BGM-MASSNAHMEN,<br />
DIE SICH AUF DIE MITARBEITENDENGESUND<br />
HEIT AUSWIRKEN, STRUKTURIERT UND<br />
KONSOLIDIERT WERDEN. DAS LABEL IST<br />
ZUDEM EIN GEEIGNETES TOOL<br />
ZUR REDUKTION VON PSYCHO<br />
SOZIALEN RISIKEN.<br />
18 Special <strong>2022</strong>
BUSINESS CASE<br />
<strong>Betriebliches</strong> <strong>Gesundheitsmanagement</strong><br />
DAS ENGAGEMENT DER DIREKTION<br />
IST VON ENTSCHEIDENDER BEDEUTUNG.<br />
WIE BEI ALLEN PRÄVENTIONSMASS<br />
NAHMEN SIND DIE AUSWIRKUNGEN AUF DIE<br />
GESUNDHEIT, DIE LEISTUNG UND DIE ORGANI<br />
SATION DER ARBEITSBEDINGUNGEN ERST<br />
MITTEL- BIS LANGFRISTIG SICHTBAR.<br />
DESHALB MUSS EINE INSTITUTIONALI<br />
SIERTE KULTUR AUFGEBAUT<br />
WERDEN.<br />
«Beim RHNe haben wir im Projekt mit einem<br />
Lenkungsausschuss und einer Arbeitsgruppe<br />
gearbeitet», erzählt Mylène Cordary Basin,<br />
BGM-Koordinatorin beim RHNe. «Noch vor<br />
dem FWS-Check evaluierten wir unsere BGM-<br />
Massnahmen und sind auf diese Weise zu<br />
einem strukturierten Ansatz gekommen.»<br />
Zielsetzungen, Zielgruppen<br />
und Massnahmen<br />
«Sobald das Feld abgesteckt ist, empfiehlt<br />
sich die Durchführung eines oder mehrerer<br />
Workshops mit HR-Verantwortlichen sowie<br />
einigen Schlüsselpersonen. Dabei werden vorher<br />
identifizierte Themen behandelt – beispielsweise<br />
die Einarbeitung neuer Kolleginnen<br />
und Kollegen, die Unternehmenswerte<br />
oder die Personalvorschriften. Innerhalb dieser<br />
Workshops werden auch die umzusetzenden<br />
Massnahmen definiert», erläutert Marta<br />
Sokol Cavin. Beim RHNe wurde die Arbeitsgruppe<br />
anhand der notwendigen Fähigkeiten<br />
und im Sinne eines partizipativen Ansatzes<br />
zusammengestellt. So waren insbesondere<br />
die Sicherheitsbeauftragten und BGM-<br />
Spezialisten, die Weiterbildungsverantwortliche,<br />
ein Personalratsmitglied sowie die<br />
Abteilungsleitenden in diesem Gremium vertreten.<br />
Zielsetzungen und Wirkungsketten<br />
Anschliessend folgt der Hauptteil der Arbeit,<br />
sagt Sokol Cavin: «Die Umsetzung der neuen<br />
Massnahmen und Verfahren braucht Zeit.<br />
Mit dem Label «Friendly Work Space» werden<br />
Arbeitsorganisationen ausgezeichnet, bei<br />
denen auf die Mitarbeitendengesundheit<br />
geachtet wird. Deshalb muss sichergestellt<br />
werden, dass die neuen Prozesse nicht nur<br />
angeordnet, sondern tatsächlich gelebt<br />
werden – und das geht nicht<br />
von heute auf morgen.»<br />
Ebenso empfehle es sich,<br />
eine interne Personalressource<br />
zu benennen, die<br />
mit der Umsetzung und<br />
der Nachverfolgung der<br />
Massnahmen betraut<br />
werde. Beim RHNe wurde<br />
eine strukturelle und operative<br />
Organisation mit<br />
BGM-Bezug aufgebaut<br />
(BGM-Kommission, -Abteilung<br />
und -Koordinatorin).<br />
Daneben wurden verhaltensbezogene<br />
und strukturelle Massnahmen<br />
umgesetzt, eine institutionelle<br />
Sozialabteilung wurde gegründet und es<br />
wurden Präventionsmassnahmen zur Ergonomie<br />
am Arbeitsplatz in den medizinischen<br />
Bereichen entwickelt. Ausserdem wurden<br />
Yoga-Kurse eingeführt und die Pausenräume<br />
verbessert. Insgesamt dauerte der Prozess<br />
bei RHNe 18 Monate.<br />
Überprüfung und Indikatoren<br />
Sobald das Unternehmen alle Änderungen<br />
umgesetzt hat, leitet es einen Vorgang<br />
zur Selbstbeurteilung ein. Dann<br />
werden alle Dokumente zusammengestellt,<br />
die als Nachweis für die<br />
Wirksamkeit der Massnahmen<br />
dienen. In dieser Zeit übernimmt<br />
die oder der externe Beratende<br />
eine wichtige Aufgabe: «Marta<br />
hat uns bei dem gesamten Prozess<br />
begleitet», sagt Mylène<br />
Cordary Basin. «Sie war Teil des<br />
Lenkungs ausschusses und<br />
diente uns bei unseren Entscheidungen<br />
als wertvolle Orientierungshilfe.<br />
Ausserdem war sie<br />
massgeblich an der Erstellung unseres<br />
Abschlussberichts beteiligt.»<br />
Abschlussbeurteilung<br />
Zur Abschlussbeurteilung kommen externe<br />
Auditorinnen und Auditoren für einen Tag in<br />
das Unternehmen. «Am Assessment-Tag geht<br />
es hoch her», sagt Cordary Basin. «Ich habe<br />
BGM-Vertretende des RHNe eingeladen – die<br />
stellvertretende HR-Direktorin, den Betriebsarzt,<br />
den Betriebspsychologen sowie Personalratsmitglieder.<br />
Für den Assessment-Bericht<br />
gehen die Auditorinnen und Auditoren sämtliche<br />
Bereiche durch und tauschen sich mit<br />
der Arbeitsgruppe zu bestimmten Punkten<br />
aus.»<br />
«DIE UMSETZUNG DER<br />
NEUEN MASSNAHMEN BRAUCHT ZEIT.»<br />
Marta Sokol Cavin<br />
BGM-Beraterin<br />
BEVOR ICH MICH AN DIE<br />
ARBEIT MACHTE, KONTAKTIERTE<br />
ICH MEHRERE UNTERNEHMEN,<br />
DIE BEREITS MIT DEM LABEL AUS <br />
GEZEICHNET WURDEN. BEISPIELSWE ISE<br />
DIE LOTERIE ROMANDE UND DAS CHUV.<br />
DADURCH WUSSTE ICH, WAS AUF MICH<br />
ZUKOMMT. ICH KONNTE DIE TRAGWEITE<br />
DES PROZESSES EINSCHÄTZEN UND<br />
MIR BEWUSST MACHEN, WELCHE<br />
AUFGABE WIR UNS DAMIT<br />
VORGENOMMEN HABEN.<br />
Special <strong>2022</strong><br />
19
Weitere Informationen unter:<br />
friendlyworkspace.ch/weiterbildungen<br />
Lehrgang Wettbewerbs -<br />
vorteil betriebliches<br />
Gesundheits management<br />
Happiness: psychische<br />
Gesundheit von Lernenden<br />
Wirkung im betrieblichen<br />
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