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Nachlese zur 36. Internationalen Fachtagung für Visuelles ... - VMM

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Pressemitteilung<br />

<strong>Nachlese</strong> <strong>zur</strong> <strong>36.</strong> <strong>Internationalen</strong> <strong>Fachtagung</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>Visuelles</strong> Marketing<br />

Verkaufsflächen als Zentren des Universums<br />

Die Welt der Cliques, Bricks + Clubs<br />

Visual Merchandising als Projektion emotionaler Bedürfnisse<br />

140 Teilnehmer aus den Bereichen Dekoration, Visual Merchandising und Marketing zählte die<br />

<strong>36.</strong> <strong>Fachtagung</strong> <strong>für</strong> <strong>Visuelles</strong> Marketing , organisiert vom Europäischen Zentralverband <strong>Visuelles</strong><br />

MarketingMerchandising (<strong>VMM</strong>) und vom Management Forum Verlagsgruppe Handelsblatt.<br />

Sie fand im lichtdurchfluteten Seminarsaal des runden Radisson Blu Hotels in Frankfurt<br />

statt und konnte mit einer illustren Reihe renommierter Redner aufwarten, die sehr anschaulich,<br />

mit zahlreichen Bildern unterlegt, ihre unterschiedlichen Vorstellungen von zukunftsfähigem<br />

Visual Merchandising vortrugen. Die Veranstaltung zum Thema „Mehr Verkaufen durch einzigartiges<br />

Inszenieren“ vermittelte dem Fachpublikum eine neue Welt der Warenpräsentation,<br />

die sich getrieben von veränderten Bedürfnissen und Lebensgewohnheiten einer Gesellschaft<br />

im Umbruch erweist.<br />

Die Zukunft wird digital<br />

Wenn es nach Sven Gabor Jansky geht, werden wir 2020 in einer Technologie-Welt leben.<br />

Der Leiter des 2b Ahead ThinkTanks entwarf auf der <strong>Fachtagung</strong> ein Tagesszenario, das am<br />

Morgen im Schlaf- oder Badezimmer mit einem Smart Mirror beginnt. Der Monitor im Spiegel,<br />

auf der Fensterscheibe oder der Wanne dient uns demnach in naher Zukunft als Energieassistent,<br />

meldet Nachrichten, übermittelt Börsennotizen und lässt die Morgenzeitung oder<br />

das Frühstücksfernsehen aufscheinen. Vielleicht den Sender einer Marke wie Beauté Privée,<br />

die schon heute ihr eigenes Fernsehprogramm gestaltet und so mit ihren Kunden kommuniziert.<br />

In einem mit Leuchttapeten ausgestatteten Wohnzimmer der kommenden 20er Jahre<br />

bietet sich ein ähnliches Bild. Auf einer elektronisch ansteuerbaren Screentapete aus textilem<br />

Material sehen wir, vernetzt mit unseren Kunden, Community TV. Dem sind wiederum<br />

Verkaufssender zugeschaltet. Die tastenlose Fernbedienung ist nutzerdefiniert mit individuell<br />

zugeschnittenem Programm aufgebaut. Oder es gibt gar keine Fernbedienung, weil der Kanal


auf dem Screenplay die Vorlieben des Nutzers kennt. Vielleicht funktioniert der Fernseher<br />

aber auch über Gedankensteuerung, wie „Minority Report“-Designer Dale Herigstad sie gerade<br />

entwickelt. Schon beim Kauf hat ein Gerät die Emotionen des Kunden gemessen und das<br />

Programm laufen lassen, das ihm entsprach. Der Couchtisch ist eine Art großer I Pad mit Entertainement-Angebot,<br />

auf dem sich auch Fotos bearbeiten lassen. Die technologische Innovation<br />

führt zu einer Situation, in der sich alle Geräte um uns herum miteinander unterhalten<br />

und individuelle Angebote machen. Das Kinderzimmer der Zukunft beinhaltet einen Spiegel,<br />

der den Kleiderschrank-Inhalt kennt und virtuelle Kombi-Vorschläge macht. Auch die Tapete<br />

im Kinderzimmer ist interaktiv. Die gedruckte Tageszeitung ist ein Premiumprodukt. Sie trägt<br />

einen persönlichen Namen und ihr Inhalt ist seitenweise individualisiert - wie die Werbung.<br />

In der Küche ist der Inhalt des Kühlschranks mit seinem erhöhten Anteil an Functional Food,<br />

besonders interessant, weil es nicht nur satt macht, sondern eine Zusatzfunktion wie Hirndoping<br />

bietet. Der Körper wird <strong>zur</strong> optimierbaren Materie hinsichtlich Aussehen, Gesundheit<br />

und Leistungsfähigkeit. Es stehen Joghurts im Kühlschrank, die reaktionsschneller machen,<br />

Getränke, die Energie liefern, Dinge, die unsere Kinder intelligenter werden lassen. Das Auto<br />

vor der Tür ist ein Tausch-Objekt, je nach Bedürfnislage. Beim Shoppen im Jahr 2020 erhält der<br />

Händler den Zuschlag, der nicht nur Aufmerksamkeit weckt, sondern Anerkennung vermittelt.<br />

Die zu Grunde liegende Logik hier<strong>für</strong>: Intelligentes Touchpoint Management. Das Handy der<br />

Zukunft erkennt in welchem Geschäft es sich befindet. Das Smart Phone filtert interessante<br />

Menschen aus der Menge heraus. Um diese spezifischen Angebote machen zu können, hat<br />

jeder Hersteller die Aufgabe permanent Konsumentendaten zu erheben, denn neue Technologien<br />

checken die Produkte auf unsere Bedürfnisse ab und lassen das grüne Lämpchen zum<br />

Kaufnur dann aufleuchten, wenn diese mit unserem Profil übereinstimmen. Wir leben 2020 in<br />

einer Welt, in der jeder Gegenstand eine IP-Adresse hat.<br />

Die Vorstellung, in einer solch technisierten Welt ließ so manchen der Zuhörer zusammenducken.<br />

Gibt es keinen Weg vorbei? „Für 90 Prozent nicht!“, mutmaßt Sven Gabor Jansky.<br />

Vier Konsequenzen leitet der Zukunftsforscher aus diesem Szenario ab: 1. Als Mittel gegen<br />

multifunktionale Orientierungslosigkeit Technologien zum Filtern nutzen. 2. Wir werden alle zu<br />

Profis mittels elektronischer Assistenz, die per Knopfdruck aufrufbar ist. 3. Im Sinne von Adaptivität<br />

passt sich jedes Produkt je nach Nutzer- und Nutzungsprofil neuen Verhältnissen an.<br />

4. Produkte müssen sich zum Identitätsmanagement eignen. 5. Es werden neue Konzepte entwickeln,<br />

weil die Lebenserwartung auf durchschnittlich 90 Jahre rutscht und die Pflegephase<br />

ans Lebensende. Heute 50- und 60 jährige empfiehlt der Kopf des Thinktanks als „die ideale<br />

Zielgruppe <strong>für</strong> ein Geschäftsmodell.<br />

Die Ausbildungsansprüche wachsen<br />

aus Sicht der beiden Professoren Rainer Zimmermann und Philipp Teufel von der Fachhochschule<br />

<strong>für</strong> Kommunikationsdesign, Düsseldorf, bedarf es deshalb eines zukunftsfähigen und<br />

maßgeschneiderten Bachelor-Studienganges, der die Themen Warenpräsentation, Gestaltung,<br />

3 D-Design und Kommunikation fokussiert. Sie gehen davon aus, dass <strong>für</strong> den Einzelhandel<br />

die Zukunft im Kontext von drei Strömungen zu sehen ist:<br />

- Urbanisierung mit hoch verdichteten Ballungsräumen und ausgeprägter Differenzierung.<br />

Stichwort Interaktive LED-Fassaden im Kontrast <strong>zur</strong> Landlust der Städterinnen - Sehnsucht<br />

nach Authentizität und zunehmende Bedeutung von Independent Stores - Bausteine im Ladenbau,<br />

die ökologisches Bewusstsein und Nachhaltigkeit signalisieren – Keine Energieverschwendung<br />

in Form heruntergefahrener Beleuchtungskapazitäten, wie bei Hollister oder<br />

Whole Food – Temporäre Vermarktung in außergewöhnlichen Räumen – Neue Touch Points<br />

<strong>zur</strong> Neukundengewinnung.


- Digitalisierung mit rasantem Verlauf und vorangeschrittenem Social Networking. Stichwort<br />

Smartphones. Die neue Generation wird ab 1980 nur noch on sein – Bloggen. Die Blogs ersetzen<br />

Meinungsmaschinen und Umfragen weitgehend. Blogger sitzen bei internationalen<br />

Modenschauen inzwischen in der ersten Reihe – Clicks and Bricks. Fusion Concepts wie die<br />

auf junge Menschen zugeschnittene Teebar „4010“ von Telekom und Samova, mit Europas erstem<br />

Multi Touch Tisch im Einklang mit Kräuter- und Früchtetees aus kontrolliert biologischem<br />

Anbau in durchgestylter Umgebung – Online Shows. Jeder Clique ein Bon. Fest terminierte<br />

Fashion Shows im Internet mit Akkreditierungspflicht und Shoppingangebot – Virals. Propagiertes<br />

Ideal wirklicher Schönheit wie Dove es vorexerziert.<br />

- Individualisierung einer in Stilgruppen und Communities atomisierten Gesellschaft am Ende<br />

der Industrialisierung mit entsprechenden Auswirkungen auf die Produkte, die persönlicher<br />

Ansprache bedürfen. Stichwort Starbucks. Auf Grund der gedrehten Stimmung nicht mehr<br />

uniformiert, sondern individueller, mit eigenem Namen und regionaler eingerichtet – Ketten.<br />

Sind ausgereizt. Suche nach kleinen Marken. Tendenzen zu Tante Emma - Second Labels. Mit<br />

anderem Design- und Preiskonzept wie Marc by Marc Jacobs oder Underground von Louis<br />

Vuitton -Rareness Design. Strategie der Verknappung à la Camper, um das Produkt wieder<br />

interessant zu machen.<br />

Je nachdem, welche Kunden der Handel erreichen will, wird Digital Lifestyle Economy über<br />

Cliques laufen, Urban Lifestyle Economy über Bricks und Community/Loyality/Recognition<br />

über Clubs.<br />

Die Kunden suchen emotionale Wärme<br />

Stephan Grünewald, Diplom Psychologe und Geschäftsführer des Rheingold Instituts <strong>für</strong><br />

qualitative Markt- und Medienanalysen machte in seinem Referat zum Thema „Psychologie<br />

des Einkaufens“ deutlich, dass Handel auch in Zukunft nur dann erfolgreich sein kann, wenn<br />

die Sehnsüchte der Konsumenten nach Sinn, Inspiration, Erlebnis und Sozialer Näher erfüllt<br />

werden. Indem Grünewald eine ganze Gesellschaft auf die Couch legt, kommt er zu der Erkenntnis,<br />

dass wir mit der bevorstehenden Mischung aus Angst und Faszination nur <strong>zur</strong>echtkommen,<br />

wenn wir uns damit anfreunden. Will heißen: Der Kunde braucht Bilder, mit denen<br />

er sich identifizieren kann, Inspirationen, wohin er sich entwickeln kann, Auswahl, um sich in<br />

Konzepte einbinden zu können. Als Beispiele nennt der Spezialist <strong>für</strong> Tiefenpsychologie vier<br />

Markenversprechen: Die überschäumende Vitalität einer Coca Cola. Die fließende Selbstgestaltung<br />

mit L’Oréal. Den männlichen Trost dank Underberg. Momente der Selbsterschaffung<br />

durch Hornbach. Preismanagement als Marketingstrategie lehnt Grünewald rundweg ab. Das<br />

würde nur zu einem Gefühl rückwirkender Bestrafung führen und den Spaziergang durchs<br />

Einkaufsparadies vergällen. Als Vertrauensfaktor sollten Preise möglichst stabil sein und die<br />

Funktion eines Indikators <strong>für</strong> die eigene Wertschätzung des Kunden erfüllen. Grünewald zu<br />

Folge sucht der Kunde beim Einkaufen nicht nach Preisen. Vielmehr will er Herr der Lage sein,<br />

sich nicht um Preise kümmern und in eine Welt vorstoßen, in der er verstanden wird. Psychologisch<br />

betrachtet will der Kunde mit dem Verkaufspersonal eine Form der Beziehung eingehen,<br />

in der er gut behandelt wird. Da<strong>für</strong> brauchen die Mitarbeiter im Verkauf Erfahrungsvorsprung,<br />

Wissen um die Schwachpunkte ihrer einzelnen Kunden und die Fähigkeit, behutsam, wie ein<br />

Freund zu beraten. Falls nicht, drohten besonders Frauen in den Versandhandel zu wechseln,<br />

der sie vor blamablen Situationen in der Umkleidekabine bewahrt. „Beim Autokauf sieht die<br />

Beziehungsqualität komplett anders aus“, weiß Grünewald, „da sich Männer seit zwei Jahren<br />

in einer potentiellen Schwangerschaft befinden, wollen sie mit ihrem Liebesobjekt im Autohaus<br />

zunächst mal nicht angesprochen werden, um die Momente der Autoerotik genießen zu<br />

können.“ Erst nachdem sie in diese Welt eingetaucht seien, könne der Berater kommen. Der<br />

Einkaufspsychologe vergleicht Autohäuser mit Baumärkten, die auch erfolgreich sind, wenn


sie erstens Männern Lust auf Projekte machen und zweitens Männer so beraten, dass sie sich<br />

nicht als Anfänger diskreditiert fühlen. Die Analyse des Rheingold Instituts hat des Weiteren<br />

ergeben, dass sich die Endverbraucher <strong>für</strong> Einkaufsstätten entscheiden, die ein konsistentes<br />

Wertebild vermitteln, das zu ihnen passt – die Bäckerei mit den süßen Düften, die Metzgerei<br />

mit dem kraftstrotzenden Meister, das bunte Kaufhaus, in dem man sich verlieren kann, die<br />

Boutique zum Energetisieren. In dieser Hinsicht würden Abercrombie & Fitch mit der Erlebniswelt<br />

dunkle Disco-Atmosphäre und Ausstattung <strong>für</strong>s nächste Date einiges richtig machen,<br />

weil der Kunde nicht mehr auf den Preis achte. Auch Starbucks nannte Grünewald als Beispiel<br />

<strong>für</strong> ein positives Einkaufserlebnis, weil dort der Wunsch nach einer ideellen Wertegemeinschaft<br />

erfüllt würde, die sich aus dem Sortiment und der Kundschaft herausbilde. „Da kann ich<br />

mich selber profilieren und positionieren, weil ich da angeschaut werde und selber schaue.“<br />

Im Lebensmittelhandel stehe Edeka <strong>für</strong> eine bürgerliche Wertegemeinschaft. „Eine gewisse<br />

Ideologie zum Kirchgang, in der die Leute geliebt und informiert werden.“ Rewe wird von den<br />

Rheingold-Probanden als vitalisierend empfunden. „Eine dynamische, umtriebige Welt, die<br />

<strong>für</strong> belebende Erfrischung sorgt und sich zum Verfassungswechsel eignet.“ Im Drogeriehandel<br />

werde DM mit seinem Raumkonzept und seiner Freundlichkeit wie ein modernes Mutterparadies<br />

erlebt. „Die räumliche Weite dort verändert die Menschen. Und die Kundin fühlt sich<br />

als Frau mit ihrem Bedürfnis nach Wellness, Kosmetik und Schmuck erkannt.“ Einen kompletten<br />

Kontrast dazu würden die Schlecker-Märkte bilden, in denen sich die Frauen wie beim<br />

Bußgang fühlten. „Man spürt, dass man hier etwas <strong>für</strong> die Familie tut, wenn man bei sich zu<br />

sparen anfängt.“ Ergebnis der Untersuchungen ist auch, dass uns die Themen Nachhaltigkeit<br />

und Ökologie die nächsten Jahre weiter beschäftigen. Er bezeichnet das als Ausdruck eines<br />

schlechten Gewissens, weil wir uns vielleicht wegen unseres gierigen Konsumstils mitschuldig<br />

an der Misere der Welt fühlen. Die ehemals erfolglose, schrumpeligen Öko-Karotte habe<br />

aber eine Wandlung durchgemacht und sei durch eine noch dickere, noch saftigere Möhre mit<br />

„erektiver Grundspannung“ ersetzt worden, die nicht mehr in Verbindung mit Verzicht stehe.<br />

„Bio hat an Glaubwürdigkeit und Nimbus verloren“, so Grünewald, „ Nachhaltigkeit nicht.<br />

Beide sollen uns ein Gefühl der Versöhnung mit der Welt geben. Deshalb versuchen wir mit<br />

Heimat- und Landprodukten an die heile Welt bei Mutter, also die Kindheit anzuschließen.“ Er<br />

zitierte die Zeitschrift Landlust, die <strong>für</strong> das Konzept der neuen Aufmerksamkeit, das Leben in<br />

den Griff bekommen, in den Rhythmus der Jahreszeiten einsteigen, stehe. Sein Appell an die<br />

Branche: „Die Menschen suchen Zugehörigkeit zu einer Wertegemeinschaft. Und Sie sehnen<br />

sich nach einer begeisternden Einkaufsverfassung. Deshalb intensivieren Sie Ihre Produkte.<br />

Nutzen Sie Natursymbolik als magischen Schutz. Sorgen Sie mit Nachhaltigkeit <strong>für</strong> Gewissensentlastung.<br />

Schaffen Sie durch Gliederung Simplizität und Überschaubarkeit.“<br />

Globetrotter setzt auf Einmaligkeit<br />

Als Positiv-Beispiel <strong>für</strong> gelungenen Wandel trat Klaus Weichbrod, Leiter der Kölner Globetrotter-Filiale<br />

ans Rednerpult. Auch er ist der Meinung, dass Handel heute und in Zukunft viel<br />

mehr als eine Einkaufsstätte, in seinem Fall <strong>für</strong> Schlafsack, Rucksack, Zelt sein sollte. Vielmehr<br />

ein mit sehr viel Detailverliebtheit gestalteter, einmaliger Platz, an dem man sich gerne<br />

aufhält. Im Gegensatz <strong>zur</strong> Startphase in den 80er Jahre, „Wo wir mit Merchandising nicht<br />

viel am Hut hatten“, folgt die Standortentwicklung des Ausrüsters heute dem Motto „Träume<br />

leben“. Am jüngsten Beispiel, dem Kölner Haus im Olivantenhof, stellte er dar, was man<br />

bei Globetrotter darunter versteht: Eine schöne Immobilie mieten. Den Eigentümer von der<br />

Vision überzeugen. 15 Millionen Euro <strong>für</strong> den Umbau investieren. Entkernen und neu aufbauen.<br />

Erlebnisfelder, wie die 250 m² große, 4.50 m tiefen Wasserfläche zum Tauchen, die<br />

Kühlkammer mit Windmaschine und die Regenkammer zum Bespaßen und Jacken auf ihren<br />

hohen Preis testen oder Wasserflaschen zum Ausprobieren. Mit Eisbergen und Fellen, Birken-


inden, Holz und Granitfelsen eine besondere Atmosphäre schaffen. Markenflächen mit einem<br />

Jahr Laufzeit, die Lebensgefühl vermitteln. Mit hochqualifizierten, interessanten Produkten,<br />

wie Sinn-Uhren oder Spider-Messern, die Kunden zum Verweilen anregen. Recyclingprojekte<br />

oder Umweltaktivitäten an die Kunden heranführen. Impressionistische Schaufenster, die<br />

Geschichten erzählen, <strong>für</strong> Window Shopper am Sonntag schaffen. Als Events, Konzerte, Dia-<br />

Vorträge, Büchervorstellungen organisieren. Mit immer wieder neuen Kooperationspartnern<br />

wie Museen oder Reiseländern zusammenarbeiten. Und eine digitale Wanderung durch den<br />

Laden ins Netz stellen. „Wir wollen die Kunden einfangen, <strong>für</strong> uns begeistern, damit sie unsere<br />

Fans werden und immer wieder kommen“, so Weichbrod, „es sollte so sein, dass man nach<br />

Köln wegen des Doms und wegen uns kommt.“<br />

Douglas erzeugt Erlebniswelten<br />

Es muss etwas Besonderes sein. Darauf hatte man sich bei Douglas schon im Vorfeld der Umgestaltung<br />

strategisch wichtiger Filialen geeinigt. Anke Heppner behauptet jetzt: „Keine andere<br />

Service Parfümerie hat so viel zu bieten wie wir.“ Auch sie unterstreicht den Standpunkt,<br />

dass Handel nur dann erfolgreich ist, „wenn wir unseren Kunden genau zuhören“. Und weiter:<br />

„Merchandising hat sehr viele Schnittstellen, mit denen sich etwas bewegen lässt.“ Als Head<br />

of Visual Merchandising der Parfümerie-Kette stellte sie dem Fachpublikum in Frankfurt das<br />

neue Merchandising-Konzept vor, das als Basis die Markenwerte Empathie, Expertise, Entdeckung<br />

hat und als Ziel neben Kennzahlen die Erzeugung von Erlebniswelten. Da<strong>für</strong> wurde mittels<br />

Analyse ein Profil von 20 0000 Kunden erstellt. Und daraus zehn Kundentypen und drei<br />

Formate entwickelt, die hinsichtlich Ladenbau und Präsentation, Sortiment, Preis, Marketing,<br />

Service auf unterschiedliches Einkaufsverhalten abgestimmt sind. Das Mainstream-Format<br />

präsentiert sich im schlichten Design, hell und freundlich, mit verführerischen Dingen im Eingangsbereich<br />

zum Ausprobieren, Duft-Welten, Ruhezonen und Raumteilern, die die Verweildauer<br />

erhöhen. Das High End-Format vermittelt dem Kunden das Gefühl von Extravaganz und<br />

Metropolitan Feeling mit großzügiger Raumgestaltung, hochwertigen Materialen und gediegenem<br />

Mobiliar. Auffallendes Merchandising, das die Themen visualisiert ist im jungen Format<br />

mit aktuellen Modefarben, starken Kontrasten, originellen Möbeln, spaßiger Dekoration,<br />

Lichtspielen im Fenster und Community Tischen mit Nagelbar und Teststrecken angelegt.<br />

Der Laden als Bühne, das Produkt als Star<br />

Alexander Plajer, Geschäftsführer des internationalen Architekturbüros Plajer & Franz Studio<br />

mit renommierten Kunden in der Bekleidungs-, Auto-, Wellness- und Gastronomie-Branche<br />

zeigte an Hand von neuen Projekten auf, wie in seinen Augen zukunftsfähiger Retail aussehen<br />

muss: Immer bereit <strong>zur</strong> Veränderung, weil sich auch das Produkt verändert. Aber „not too<br />

much“, sondern so, dass das Ambiente <strong>zur</strong> Marke passt, mit dem Laden als Bühne und dem<br />

Produkt als Star im Fokus. Im Teamwork mit den Visual Merchandisern hat sein Studio dem<br />

Concept Store Geometry das Wohnzimmer-Ambiente eines verrückten Mathe-Professors mit<br />

Tiergerippen und Skelett-Fotos verpasst, dem Quick & Dirty-Projekt von Levi’s alte Loftfenster<br />

und Heizkörper oder <strong>für</strong> Mini eine langweilige Fassade mit einem senkrecht platzierten Auto<br />

zum Laufen gebracht, „weil der Überraschungseffekt ganz wichtig ist“. Schaufenster bleiben<br />

<strong>für</strong> Plajer die Visitenkarten des Ladens. „Da kann man ruhig mal mehr auf die Pauke als im<br />

Innern des Ladens“. Retail und Store Design heißt <strong>für</strong> ihn: 1. Emotionen wecken. Ein Bordellzimmer<br />

als verführerische Umgebung <strong>für</strong> Schokolade. 2. Kundeninteraktion. Vernetzung<br />

mit Freunden im Laden. 3. Spaßfaktor. Mit lokalen Künstlern arbeiten. 4. Branding. Aufmerksamkeitsstark<br />

und ungewöhnlich übers Produkt, den Schriftzug, die Verpackung die Marke


verkaufen. 5. Store Story. Authentisch darstellen. 6. Themenwelten. Bühnenbilder schaffen.<br />

7. Shopaufbau. Mit eingängiger Struktur, Wegführung, Fokuswand, bewegtem Licht, offenen<br />

Türen, laufenden Bildschirmen. 8. Nachhaltigkeit. Mit dem Signal ökologischer und sozialer<br />

Verantwortung beispielsweise über Einkaufstaschen, die bei Puma gleichzeitig als Behälter <strong>für</strong><br />

Schuhe fungieren; Wände aus Pappkartons wie bei l‘Éclaireur, Paris, ökologische Baustoffe<br />

verwenden, Material- und Transportkosten reduzieren. Das Store Design transportiert diese<br />

Werte nach draußen. 9.Zukunft. I Pad Walls und Magic Mirrors installieren.<br />

Es geht um Lebensnähe<br />

Wie Innenarchitekt Plajer ist auch Gabriele Kaiser, Geschäftsführerin der Trendagentur sicher,<br />

dass es <strong>für</strong> den ersten Eindruck keine zweite Chance gibt. Die Frau, die auf Messen ganze<br />

Trendareale aufbaut, stellte dem Publikum die spannende Frage: „Wenn sich alle fünf Jahre<br />

das Wissen der Menschheit verdoppelt und unsere Haushalte mit durchschnittlich 15.000 Gegenständen<br />

überfüllt sind, die Menschen vom Angebot erschlagen werden, wie ziehen wir sie<br />

dann in unsere Läden?“ Sie empfiehlt dem Handel eine Vorauswahl zu treffen. Und sie sagt:<br />

„Alles, was keine Emotionen auslöst. Ist <strong>für</strong> das Gehirn wertlos, weil Gefühle der zentrale Antrieb<br />

<strong>für</strong>s Handeln sind.“ Und weil laut Umfragen die überwiegende Mehrheit der Endverbraucher<br />

Einzelhandel als lediglich zweckmäßig, total rational, nicht ansprechend, total unsexy<br />

empfindet, tue Umdenken dringend Not. Auch sie empfiehlt keinen Verkauf von Produkten zu<br />

planen, sondern von Zielerreichungen und Emotionen. Die Frage müsse immer sein: Was hat<br />

der Kunde davon, wenn er das Produkt kauft? Was ist das Ziel, das er damit verfolgen kann?<br />

Denn: Wir entscheiden unbewusst, innerhalb von drei Sekunden. Sie fordert das Merchandising<br />

dazu auf, Fassaden mit Flat Screens, Bewegungsspielen oder Farbe zu aktivieren, in den<br />

Läden Schauplätze und Bilder zu generieren und Schaufenster mit Stop-Effekten auszustatten<br />

bzw. Neugierde zu wecken. Ihre Ideen reichen vom Licht als Eyecatcher und Improvisationsmittel<br />

„Der Kunde erwartet gar nicht, dass alles super ist“, über Handmade Design „Die Grafik<br />

stellt tendenziell Dinge so dar, dass es wie selbst gemacht aussieht“, und durchgestylte<br />

Geschichten als Kontrast, bis zu Wohnatmosphäre im Fenster dank Heizkörpern, Tapeten etc.<br />

„damit alles so aussieht, als würde da wirklich jemand wohnen. Es muss ganz nah’ dran sein,<br />

zum Hinfühlen und Identifizieren“. Der Eingangsbereich sollte einladend wie ein roter Teppich<br />

sein, keine Hemmschwelle, bestückt mit atmosphärischen Produkten, die versprechen, was<br />

drinnen zu erwarten ist. Das Design, egal ob funktional, flexibel oder experimentell, sollte ein<br />

Bekenntnis sein, beispielsweise im Eco Style aus Fahrradschläuchen. Bei der Wandgestaltung<br />

denkt sie an eine Bildergalerie und Elchgeweihe. Aber ein Sofa, Hüte an der Wand, Bücherregale<br />

oder Schuhe auf dem Brett könnten Wohnatmosphäre schaffen. Flexible Möbelmodule<br />

legt Gabriele Kaiser dem Publikum ans Herz, „weil die alles immer wieder interessant und<br />

neu aussehen lassen. Ungewöhnlich seien auch Warenpräsenter, Tische und Lampen aus Rohren,<br />

Licht in einem Rohrsystem aus Waschbeton als Kontrastprogramm zu einem lackierten<br />

Boden, effektvollen Tapeten im Mauerdesign, farbige Graffitis als Kontrastprogramm in puristischer<br />

Umgebung. Wer die Natur in den Laden holen wolle, solle sich Warenträger aus Holz<br />

bedienen, Wände begrünen, Äste und Baumelemente als Dekor in die Verkaufsräume tragen.<br />

Romantik ließe sich mit Blümchen, gemütlichen Lampen und der Farbe Rosa generieren. Zum<br />

Wohlfühlen könne man wie Daheim Wohnzimmeratmosphäre in die Läden bringen. Außerdem<br />

sei Improvisiertes im Kommen, wie rohe oder edel lackierte Paletten oder zusammengeschnürtes<br />

Verpackungsmaterial. Als neue Konzepte stellte Kaiser neben dem Kochhaus in Berlin,<br />

das die Ware nach Rezepten sortiert und <strong>für</strong> Inspiration sorgt, Communication Areas mit<br />

langen Tischen, die die Leute zusammenbringen, und durch Fototapeten, Handzeichnungen,<br />

Momentaufnahmen oder herumliegende Krümel erzeugte Scheinwelten mit viel Lebensnähe<br />

á la Waschsalon. Sie erzählt von einem ihrer Kunden, einem Stofflager und Outlet, in dem sie


immer wieder neue Scheinwelten, wie ein Bistro, Heidi-Land, einen orientalischen Basar oder<br />

ein <strong>für</strong>stliches Schloss aus laufender Meterware inszeniert und die atmosphärischen Dekomittel<br />

gleich mitverkauft. „Was ich damit sagen will? Erzählen Sie Geschichten in Ihren Fenstern<br />

und Läden!“<br />

Die Macht des Merchandisers<br />

Paul Brooks, einer der größten Player im Visual Merchandising und Dozent am College of Fashion<br />

in London deklarierte in Frankfurt fünf Prinzipien im Visual Merchandising: 1. Schaufenster<br />

machen neugierig auf das Geschäft. 2. Schaufenster erzählen eine Geschichte über den<br />

Preis, die Farbe die Jahreszeit. 3. Schaufenster nehmen den Window Shopper auf eine Reise,<br />

indem sie begleiten, erfreuen, unterhalten, auch erziehen. 4. Visual Merchandising macht den<br />

Inhalt und die Botschaft einer Marke im Vergleich zu anderen deutlich. 5. Visual Merchandising<br />

versteht etwas von Farbe und Komposition, von Materialien und Strukturen, Licht, Schaufensterpuppen<br />

und Fashion Trends. Shopping Experience ist <strong>für</strong> Brooks fühlen und berühren.<br />

Deshalb müssen Merchandiser etwas von Beleuchtung verstehen, um Highlights setzen und<br />

dramatisieren zu können und sie müssen mit Puppen oder Fantasiefiguren so stylen, dass sie<br />

die Seele eine Marke repräsentieren. „Who can shout the loudest“ kann seiner Meinung nach<br />

eine Devise sein und Graffiti ein fantastisches Mittel, um Aufmerksamkeit zu erregen, wie es<br />

beispielsweise Luis Vuitton macht. Vor dem Hintergrund einer reduzierten Einzelhandelslandschaft<br />

und der Verlagerung der Verkäufe vom Retail ins Etail, hat sich in Brooks Augen das<br />

Visual Merchandising völlig verändert. In Zukunft sind Twitter und Facebook als Teil unserer<br />

Gesellschaft zu sehen. Die Kunden schicken Produktbilder ihren Freunden und fragen nach<br />

ihrer Meinung. Interaktive Fenster, in denen etwas passiert, sind beliebt. Stores, wie der von<br />

Apple, den die Konsumenten als Spielplatz wahrnehmen. Die Läden kommen jetzt zu den<br />

Kunden, in Form von flexiblen Verkaufsflächen, die als Pop Up Stores überall auftauchen.<br />

BoxPark, eine Pop Up Schiffscontainer Mall in London, die Bekleidung, Bücher, Fahrräder,<br />

Cafés, Bistros, Bars bunt mixt und entspannt präsentiert, nennt der Spezialist aus England<br />

als Beispiel <strong>für</strong> die neue Flächenvariante im Verkauf. Das Thema Nachhaltigkeit, wie es Anthropology<br />

vormacht, wird noch weiter Fuß fassen, weil die kommende Generation natürliche<br />

Produkte liebt. „Visual Merchandising soll aus Läden Zentren des Universums machen, weil<br />

die Menschen ausgehen und sich treffen wollen“, sagt Brooks, „ob die Kunden das Shoppen<br />

als Genuss empfinden, hängt dann von der Kreativität eines Merchandisers ab.“


Omar Omeirat gewinnt Award<br />

Zum Schluss der Veranstaltung zeichnete der Club <strong>für</strong> Handelskultur, Wien, den Erlebnispark<br />

Strasswalchen <strong>für</strong> seine Themenvielfalt, die den Menschen in den Mittelpunkt der Aktivitäten<br />

stellt, mit dem Decopoint aus. Außerdem fand zum zweiten Mal in der Geschichte des <strong>VMM</strong><br />

die Preisverleihung des Awards <strong>für</strong> Best Visual Marketing statt. Der Verband würdigt damit<br />

zukunftsweisende Arbeiten mit höchster nationaler wie internationaler Anerkennung. Das Voting<br />

der 250 Leser von Style Guide war spannend und lieferte eine knappe Entscheidung.<br />

Als Sieger ging Omar Omeirat, beruflicher Quereinsteiger von Lengermann + Trieschmann,<br />

Osnabrück, hervor, der mit einer ganz besonderen Schaufenster-Idee punkten konnte: Riesige<br />

Tierfiguren im Herbst und Papierblumen bzw. Bäume im Frühling, die sich per Motorantrieb<br />

bewegen und Aufmerksamkeit auf sich lenken. Zu den fünf Nominierten gehörten Eric Bijkerk,<br />

Leiter <strong>Visuelles</strong> Marketing bei Pohland, Ana Fernandes, Creative Design Managerin bei The<br />

Bay, Ontario, Meinrad Feuchter, Leiter <strong>Visuelles</strong> Marketing bei Loeb, Bern, und Jannet Wardly,<br />

Creative Director bei Harvey Nichols, London.<br />

Text: Sabine Fanny Karpf

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