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Chancengleichheit in der Bildung ist Illusion

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werden, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis ke<strong>in</strong>e Bestätigung f<strong>in</strong>den. Deshalb <strong>ist</strong> <strong>der</strong> Inhalt des Essays <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Teilen für<br />

den weiteren Diskurs im sensiblen Bereich <strong>der</strong> <strong>Bildung</strong> ke<strong>in</strong>e Erkenntnisquelle, son<strong>der</strong>n kontraproduktiv.<br />

Dieter Weidel, per E-Mail<br />

Über Monate/Jahre wurden an unserer Realschule Unterrichtsstile gegenübergestellt: lehrerzentriert hier,<br />

„freie Pädagogik“ dort. Für jede Stunde musste e<strong>in</strong> detaillierter Stundenplan (Grob- und Fe<strong>in</strong>-Lernziele)<br />

abgeliefert werden. Jeweils gab es h<strong>in</strong>terher auf Punkt und Komma geglie<strong>der</strong>te, bis zu zwei Stunden<br />

dauernde Nachbesprechungen. Das Ergebnis dieses jahrelangen (aus me<strong>in</strong>er Sicht völlig überflüssigen, weil<br />

schon vorher feststehenden) Versuchs? Die Schulaufsichtsbeamt<strong>in</strong> musste me<strong>in</strong>er Lehrerzentriertheit (zur<br />

eigenen Überraschung!) zugestehen:<br />

1. Unterrichtsverlauf anhand des ausgearbeiteten Plans Schritt für Schritt sehr gut zu verfolgen.<br />

2. Alle Lernziele (grob und fe<strong>in</strong>) „auf den i-Punkt“ erreicht.<br />

3. Schüler machten (wi<strong>der</strong> Erwarten!) während <strong>der</strong> 45-Unterrichtsm<strong>in</strong>uten lebhaft mit und folgten den<br />

ihnen gemäßen Wegweisern.<br />

Gegenbeispiel:<br />

1. Der ausgearbeitete Plan ließ von vornhere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en nicht zu vermeidenden Leerlauf vermuten.<br />

2. E<strong>in</strong>e Verfolgung des Unterrichts ausgeschlossen.<br />

3. Lernziele – „auch mit dem Vergrößerungsglas“ – nicht erkennbar.<br />

4. Schüler freuten sich über e<strong>in</strong>e Stunde „selbst gestalteten Unterrichts“.<br />

Wie viel Unterrichtszeit <strong>ist</strong> von Nord bis Süd und Ost bis West jahraus, jahre<strong>in</strong> wegen ideologischer<br />

Verblendung vergeudet worden? Deshalb endlich ran an die Wurzel: Ideologie raus – Logik re<strong>in</strong>! Freilich:<br />

Auch Folgerichtigkeit, E<strong>in</strong>sicht, Beweiskraft etc. können e<strong>in</strong>en Ideologen nicht erschüttern.<br />

Dietrich Lehmann, Schwanewede<br />

Als ehemaliger Gymnasiallehrer habe ich jeden Satz von Ra<strong>in</strong>er Werner genossen. Sich aus ideologischen<br />

Gründen gegen alle Erfahrung (siehe sogar das differenzierende Schulsystem <strong>der</strong> ehemaligen DDR) zu<br />

wenden kostet viel Geld und wird ke<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> Jugendlichen gerecht. Wie weit weltanschauliche<br />

Wirrnis gehen kann, bewe<strong>ist</strong> <strong>der</strong> Fall Lyssenko <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sowjetunion zur Zeit Stal<strong>in</strong>s. Lyssenko war Biologe,<br />

aber e<strong>in</strong> Scharlatan. Um logisch im System des Marxismus zu bleiben, behauptete er unter an<strong>der</strong>em, dass<br />

es ke<strong>in</strong>e Erbfaktoren gebe, son<strong>der</strong>n dass <strong>der</strong> „neue sozial<strong>ist</strong>ische Mensch“ kurzfr<strong>ist</strong>ig übers Lernen se<strong>in</strong>e<br />

schlechten Angewohnheiten strukturell än<strong>der</strong>n könne. Man pflanzte zum Beispiel <strong>in</strong> kalten Regionen<br />

Sibiriens Getreide an und war <strong>der</strong> Überzeugung, die „gefühlte“ Kälte werde Getreidesorten schaffen, die<br />

res<strong>ist</strong>enter gegen Frost se<strong>in</strong> würden.<br />

An diesen Uns<strong>in</strong>n fühle ich mich er<strong>in</strong>nert, wenn nun <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Bundeslän<strong>der</strong>n versucht werden soll, die<br />

Schüler <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>heitsschule so zu verän<strong>der</strong>n, dass aus unterschiedlichen Birken nur noch Kastanien<br />

werden. Der Gipfel <strong>der</strong> Verblendung <strong>ist</strong> überschritten, wenn man – wie <strong>in</strong> Hamburg aus<br />

koalitionsnotwendigen Gründen – diesen Effekt <strong>in</strong> nur zwei Jahren erreichen will. Übrigens soll <strong>in</strong> Estland<br />

das sowjetische E<strong>in</strong>heitsschulsystem abgeschafft und das dreigliedrige e<strong>in</strong>geführt werden.<br />

Dieter Rakete, Hamburg<br />

Herzlichen Dank für Ihren ehrlichen Bericht, den ich dick schwarz unterstreiche. Dieser Text müsste jedem<br />

Lehrer, je<strong>der</strong> Schule und allen ideologisierten Politikern, die für die <strong>Bildung</strong>spolitik verantwortlich s<strong>in</strong>d, als<br />

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