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MünchnerUni Magazin - Ludwig-Maximilians-Universität München

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EDITORIAL<br />

EINE ERFOLGSBILANZ<br />

Die Erfolgsbilanz der letzen Monate kann sich sehen lassen. Die<br />

LMU führt nicht nur eine Reihe von Ranglisten an: Genannt sei<br />

das Hochschul-Ranking des Nachrichtenmagazins FOCUS, nach<br />

dem die LMU wie im vergangenen Jahr wieder beste deutsche<br />

Volluniversität ist und sich sogar noch verbessern und damit ihre<br />

Position ausbauen konnte. Nicht nur national, sondern auch weltweit<br />

kam Bestätigung. Das Ranking des Institute of Higher Education<br />

der <strong>Universität</strong> Shanghai, das viel beachtet und viel kritisiert<br />

wird, weist uns in diesem Jahr als beste deutsche Hochschule<br />

aus, allerdings immer noch 50 Plätze hinter dem internationalen<br />

Spitzenreiter Harvard University. Um zur Weltspitze aufzuschließen,<br />

ist noch einiges zu tun.<br />

Ganz besonders aber freue mich, dass ich Kollegen Theodor<br />

W. Hänsch zum Nobelpreis gratulieren konnte. Mit Hänsch wird<br />

ein herausragender Wissenschaftler gewürdigt, dessen Bahn brechende<br />

Arbeiten aus der modernen Naturwissenschaft nicht mehr<br />

wegzudenken sind.<br />

Damit besitzt die LMU die denkbar beste Startposition für den<br />

deutschlandweiten Wettbewerb im Rahmen der Exzellenzinitiative<br />

von Bund und Ländern, vor allem im Wettbewerb um den Status einer<br />

Spitzenuniversität. Die LMU hat sich in allen drei Förderlinien<br />

beworben: um vier Graduiertenschulen, um acht Exzellenzcluster und<br />

um die so genannte „dritte Förderlinie“ – den Status einer Spitzenuniversität.<br />

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller Fachgebiete<br />

der LMU haben sich daran beteiligt; sie haben innerhalb kürzester<br />

Zeit Ideen entwickelt und Konzepte ausgearbeitet. Nicht zuletzt<br />

mit Unterstützung des Know-how aus der Verwaltung konnte<br />

die Hochschulleitung der LMU einen eindrucksvollen Antrag zusammenstellen.<br />

Der Initiative und Kreativität, aber auch der Mühen<br />

aller Mitglieder der LMU bedarf es weiterhin, damit auch in Zukunft<br />

unsere Anstrengungen zum Erfolg führen. So ist zum Beispiel die<br />

Gründung der School of Science im nächsten Jahr, über die MUM in<br />

dieser Ausgabe berichtet, der gemeinsamen Initiative unserer Naturwissenschaftler<br />

zu verdanken.<br />

Wenn man hervorragende Leistungen erbringen möchte, bedarf es<br />

nicht nur der Bereitschaft, sondern auch geeigneter Rahmenbedingungen.<br />

Damit diese auch in Zukunft für Forschung und Lehre an der<br />

LMU attraktiv und förderlich sind, wird die Hochschulleitung die Vorgaben<br />

nutzen und ausgestalten, die der Gesetzgeber im Rahmen der<br />

Novelle des Bayerischen Hochschulgesetzes vorsieht. Es ist geplant,<br />

den Hochschulen deutlich mehr Handlungsfreiheiten einzuräumen<br />

als bisher, woraus umfangreiche Gestaltungsmöglichkeiten erwachsen,<br />

auf deren Basis Entscheidungsprozesse beschleunigt werden<br />

können.<br />

Mit der Beschränkung der Senatskompetenzen zugunsten größerer<br />

Mitsprache seitens des Hochschulrats werden aber auch Elemente<br />

von Leitungsstrukturen in Unternehmen in die <strong>Universität</strong> hineingetragen.<br />

Hierbei muss jedoch klar sein: Eine <strong>Universität</strong> wie die LMU<br />

ist kein Unternehmen – es fehlen die wichtigsten Kriterien, die ein<br />

Unternehmen zu einem solchen machen. Sicherlich kann die Übernahme<br />

unternehmerischer Elemente in die Organisation einer Hochschule<br />

hilfreich sein. Dabei gilt es aber, stets zwischen <strong>Universität</strong><br />

und Unternehmen zu unterscheiden.<br />

Letztendlich hängt der Erfolg einer <strong>Universität</strong> jedoch von der Motivation,<br />

der wissenschaftlichen Begeisterungsfähigkeit und Wissbegierde<br />

von Professoren, Mitarbeitern und Studierenden ab. Nur damit<br />

kann eine <strong>Universität</strong> wie die LMU ihre Spitzenstellung behaupten<br />

und weiter ausbauen. ■<br />

Professor Dr. Bernd Huber<br />

Rektor der <strong>Ludwig</strong>-<strong>Maximilians</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>München</strong><br />

MUM 04 | 2005 EDITORIAL<br />

1


MUM 04 | 2005 NEWS<br />

2<br />

■ LMU-ERFOLG<br />

BEIM FIRMENLAUF<br />

Fast 17.000 Läuferinnen und Läufer<br />

aus Unternehmen, Institutionen<br />

und Behörden haben am<br />

Abend des 27. Juli 2005 am <strong>München</strong>er<br />

Firmenlauf im Olympiapark<br />

teilgenommen. Auch die<br />

NEWS<br />

<strong>Ludwig</strong>-<strong>Maximilians</strong>-<strong>Universität</strong><br />

schickte ein Team mit 48 Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmern<br />

an den Start. Dabei hat das LMU-Team in der Firmenwertung mit<br />

dem 31. Platz von über 700 teilnehmenden Unternehmen einen beachtlichen<br />

Erfolg erzielt. Für Organisator Franz Blaszczyk von der<br />

Zentralen <strong>Universität</strong>sverwaltung zählte allerdings mehr der Spaß als<br />

der Erfolg. Er freute sich vor allem, dass alle LMU-Läufer trotz der<br />

enormen Hitze nach 6,75 Kilometern die Ziellinie im Olympiastadion<br />

überquerten. Im LMU-Team waren alle Altersklassen und Berufsgruppen<br />

vertreten, von der Hilfskraft über die Medizinlaborantin bis<br />

zum Professor. Im nächsten Jahr will das LMU-Team auf jeden Fall<br />

wieder an den Start gehen. ■ gra<br />

■ LMU VERMARKTET MEDIZINISCHES KNOW-HOW<br />

Die LMU wird ihre Expertise und Erfahrung im Bereich Medizin gezielt<br />

vermarkten. Die Munich Medical International GmbH (LMU-MMI), die<br />

im März dieses Jahres gegründet wurde, führt Beratungs- und Fortbildungsprogramme<br />

durch, bei denen die Vermittlung von Management-<br />

Kompetenzen für Krankenhäuser und medizinische Fakultäten, die Fortbildung<br />

von Führungskräften im Gesundheitswesen sowie hoch spezialisierte<br />

klinische Dienstleistungen im Mittelpunkt stehen.<br />

Als strategischer Partner steht der LMU-MMI GmbH Harvard Medical<br />

International zur Seite. Der Ableger der Harvard University steht für international<br />

anerkannte Ärzte- und Managerausbildung. Die LMU-MMI<br />

profitiert hierbei von der langjährigen Kooperation zwischen der LMU<br />

und Harvard Medical International. Seit 1996 finden im Rahmen der<br />

Munich-Harvard-Alliance an der LMU die „Harvard-Kurse“ statt. ■ gra<br />

■ NEUES ZENTRUM FÜR COMPUTATIONAL SCIENCES<br />

Die obersten Repräsentanten der Max-Planck-Gesellschaft, der beiden<br />

<strong>München</strong>er <strong>Universität</strong>en LMU und TUM, der Bayerischen Akademie<br />

der Wissenschaften, des Leibniz-Rechenzentrums der Bayerischen<br />

Akademie der Wissenschaften und des Rechenzentrums Garching der<br />

Max-Planck-Gesellschaft haben am 18. Juli 2005 einen Vertrag über<br />

die enge Zusammenarbeit im Bereich der Computational Sciences unterzeichnet.<br />

Das neue „Munich Computational Sciences Centre“ bündelt<br />

höchste Expertise in diesem Bereich, zu der Elemente aus der<br />

Grundlagenforschung, der universitären Lehre und Forschung wie<br />

auch der technisch-wissenschaftliche Sachverstand der beiden <strong>München</strong>er<br />

Hochleistungsrechenzentren in idealer Weise beitragen.<br />

Computational Sciences haben sich neben Theorie und Experiment in<br />

einer wachsenden Anzahl von Disziplinen als dritte Säule der Wissenschaft<br />

und Forschung etabliert. Man versteht darunter die computergestützte<br />

Modellierung und Lösung vielfältiger Herausforderungen.<br />

Problemstellungen, die bei der quantitativen Modellierung von Naturvorgängen<br />

oder ingenieurwissenschaftlichen Prozessen auftreten, werden<br />

mit Hilfe von numerischen Methoden oder durch Simulationen<br />

gelöst. Durch die enge Zusammenarbeit der beteiligten Einrichtungen<br />

entsteht ein international herausragender Verbund an vorderster Front<br />

des wissenschaftlichen Rechnens. Mit diesem „Quantensprung“ im Super-Computing<br />

sehen die Beteiligten die Ausgangsbasis für eine Bewerbung<br />

<strong>München</strong>s als Standort für ein mögliches europäisches<br />

Höchstleistungsrechenzentrum entscheidend verstärkt. ■ gra<br />

1 Das Team der LMU vor dem Firmenlauf in brennender Hitze.<br />

■ TELEKOM-STIFTUNGSPROFESSUR AN DER LMU<br />

Zum Sommersemester 2006 wird die <strong>Ludwig</strong>-<strong>Maximilians</strong>-<strong>Universität</strong><br />

den Lehrstuhl „Kommunikationsökonomie“ besetzen. Er ist einer von<br />

zwei von der Deutschen Telekom Stiftung eingerichteten Lehrstühlen<br />

zur Förderung der Spitzenforschung. Ein weiterer Lehrstuhl „Wertschöpfungsorientiertes<br />

Wissensmanagement“ wird an der Freien <strong>Universität</strong><br />

Berlin etabliert. Erforscht werden an beiden Hochschulen die<br />

Auswirkungen der Informations- und Wissensgesellschaft auf Unternehmen<br />

und Individuen im Wirtschaftsprozess. Besonderer Wert wird<br />

auf die Vernetzung der beiden Hochschulen gelegt, die 2004 eine strategische<br />

Partnerschaft eingegangen sind. Finanziert werden die Professuren<br />

in Berlin und <strong>München</strong> über einen Zeitraum von fünf beziehungsweise<br />

sieben Jahren.<br />

An der LMU ergänzt der Lehrstuhl „Kommunikationsökonomie“ an<br />

der Fakultät für Betriebswirtschaft künftig den Bereich Informationsund<br />

Innovationsforschung. Den Schwerpunkt der Forschungsaktivitäten<br />

bildet die Digitalisierung der Telekommunikationsbranche.<br />

Themen werden unter anderem Voice-over-IP – also das Telefonieren<br />

via Internet – oder Technologiestrategien in Telekommunikationsunternehmen<br />

sein. „Diese Themen werden unter betriebswirtschaftlichen<br />

Aspekten und mit fundiertem technischem<br />

Verständnis analysiert“, betont LMU-Rektor Professor Bernd Huber.<br />

„Damit ergänzt der neue Stiftungslehrstuhl für Kommunikationsökonomie<br />

in Forschung und Lehre ideal den bereits an unserer Fakultät<br />

für Betriebswirtschaft bestehenden Schwerpunkt im Bereich Informations-,<br />

Medien- und Innovationsmanagement.“ ■ gra


4<br />

IM TAKT DES LICHTS<br />

NOBELPREIS FÜR PHYSIK 2005<br />

AN THEODOR W. HÄNSCH<br />

PROFILE<br />

DISKURS FÜR ETHISCHE<br />

LÖSUNGEN<br />

PROFILE<br />

ZERISSEN, ZERNAGT,<br />

ZERFALLEN<br />

ESSAY<br />

ISLAMISCHER FEMINISMUS<br />

18<br />

422<br />

424<br />

■ NEWS<br />

2 MELDUNGEN<br />

■ TITEL<br />

4 NOBELPREIS FÜR PHYSIK 2005<br />

IM TAKT DES LICHTS<br />

MUM 04 | 2005<br />

6 „DIE LMU BIETET EIN INSPIRIERENDES UMFELD!“<br />

REKTOR PROFESSOR BERND HUBER IM GESPRÄCH<br />

8 NOBELPREISTRÄGER AN DER LMU<br />

■ SPEZIAL<br />

9 „HOTSPOT INTERDISZIPLINÄRER FORSCHUNG“<br />

SCHOOL OF SCIENCE LMU<br />

■ PROFILE<br />

11 DER CHEF BIN ICH<br />

VON DER UNI IN DIE EIGENE FIRMA<br />

14 VORREITER ODER VERSUCHSKANINCHEN?<br />

BACHELOR-ABSOLVENTEN AN DER LMU<br />

16 AUTOLÄRM STATT OZEANRAUSCHEN<br />

SERIE: „KOSMOS LMU“<br />

18 DISKURS FÜR ETHISCHE LÖSUNGEN<br />

MÜNCHNER KOMPETENZZENTRUM ETHIK<br />

20 WENN DAS LEBEN ZUR LAST WIRD<br />

KOMPETENZNETZ DEPRESSION, SUIZIDALITÄT<br />

22 ZERRISSEN, ZERNAGT, ZERFALLEN<br />

„AKTION LESEZEICHEN“<br />

■ ESSAY<br />

24 ISLAMISCHER FEMINISMUS<br />

PROF. DR. SUSANNE SCHRÖTER, LEHRSTUHL FÜR SÜDOST-<br />

ASIENKUNDE AN DER UNIVERSITÄT PASSAU<br />

■ FORUM<br />

26 PRO & CONTRA<br />

DRUCKWERK ADE?<br />

■ MENSCHEN<br />

27 NEUBERUFEN<br />

29 PREISE & EHRUNGEN<br />

■ SERVICE<br />

34 TIPPS & TERMINE<br />

■ IMPRESSUM<br />

MUM 04 | 2005 INHALT<br />

3


MUM 04 | 2005 TITEL<br />

4<br />

NOBELPREIS FÜR PHYSIK 2005<br />

IM TAKT DES LICHTS<br />

Nach 16 Jahren erhält wieder ein in Deutschland forschender und<br />

lehrender Wissenschaftler den Nobelpreis für Physik: Professor<br />

Theodor W. Hänsch ist seit fast 20 Jahren an der <strong>Ludwig</strong>-<strong>Maximilians</strong>-<strong>Universität</strong><br />

(LMU) <strong>München</strong>. Seine Ehrung beweist: Auch in<br />

Deutschland wird international anerkannte Spitzenforschung geleistet.<br />

„Dass ich auf der Liste stehen könnte, damit habe ich gerechnet. Aber<br />

es gibt viele Listen und ihre Vorhersagekraft ist im Allgemeinen gering.<br />

Ich habe mir aber doch ein kleines Fünkchen Hoffnung erlaubt“,<br />

erklärte Professor Theodor W. Hänsch überglücklich, kurz nachdem<br />

er den Anruf aus Stockholm erhalten hatte.<br />

Als Wissenschaftler hat sich Theodor W. Hänsch den ultrapräzisen<br />

Messungen verschrieben. Für eines seiner zahlreichen Forschungsprojekte<br />

– die Entwicklung eines Frequenzkamms, mit dessen Hilfe<br />

Lichtfrequenzen extrem genau gemessen werden können – erhält er<br />

in diesem Jahr den Nobelpreis für Physik. Theodor W. Hänsch, Professor<br />

für Physik an der LMU und Direktor am Max-Planck-Institut<br />

für Quantenoptik in Garching, teilt sich den Preis mit zwei Wissenschaftlern<br />

aus den USA. Die Farbe des Lichts möchte Hänsch so genau<br />

wie möglich messen können und hat es dabei sehr viel weiter gebracht<br />

als jeder andere.<br />

Licht besteht aus elektromagnetischen Wellen, die durch ihre Frequenz<br />

und Wellenlänge charakterisiert sind. Die verschiedenen Wellenlängen<br />

werden als Farben wahrgenommen. Liegen sie im Bereich<br />

zwischen 400 und 800 Nanometer – ein Nanometer entspricht einem<br />

Millionstel Millimeter – gehören sie zum sichtbaren Spektrum des<br />

Lichts. Die Frequenzen des sichtbaren Lichts sind sehr groß und können<br />

elektronisch nicht gemessen werden.<br />

In der Vergangenheit wurden deshalb nicht die optischen Frequenzen,<br />

sondern die Wellenlänge des Lichts bestimmt. Die so genannte<br />

Spektroskopie ist die Bestimmung der Wellenlängen des Lichts, das<br />

von Atomen ausgesandt wird. Diesen Informationen ist ein Großteil<br />

des Wissens über die Physik der Atome zu verdanken. Daraus entwickelte<br />

Theorien, etwa die Quantenmechanik, können aber nur getestet<br />

werden, wenn sehr viel genauere Messungen vorliegen.<br />

Als einzige physikalische Größe lässt sich bislang aber nur die Zeit<br />

extrem präzise messen. Höchste Genauigkeit ist also nur zu errei-<br />

chen, wenn Zeit der zu bestimmende Faktor ist. Das wiederum gelingt<br />

mit einer Frequenzmessung, also der Bestimmung der Anzahl<br />

von Schwingungen pro Sekunde. Im Idealfall entspricht eine Frequenzmessung<br />

einer Uhr, die anzeigt, wann die Sekunde vorüber ist.<br />

Dazu allerdings darf die Anzahl der Schwingungen nicht zu groß sein.<br />

Mit einem Frequenzkamm, der dem Zählwerk einer „normalen“ Uhr<br />

entspricht, lässt sich diese Messung auf einfachste Weise realisieren:<br />

Ob Sonnenuhr, Sanduhr, Pendeluhr, Quarzuhr oder Cäsium-Atomuhr<br />

– eine Uhr besteht immer aus zwei Komponenten, dem möglichst<br />

gleichmäßig schwingenden Oszillator, und einem Zähler, der diese<br />

Schwingungen mitzählt und nach einer gewissen Anzahl Schwingungen<br />

etwa den Sekundenzeiger um eine Einheit weiterbewegt. Bei<br />

Uhren mit sehr langsamen Oszillatoren, etwa der Sonnenuhr mit einer<br />

Schwingung pro Tag, kann der Mensch mitzählen. Bei Pendeluhren<br />

ist ein Zählwerk nötig, um eine praktisch verwendbare Uhr zu<br />

haben. Bei einer Quarzuhr oder einer Cäsium-Atomuhr braucht man<br />

ein elektronisches Zählwerk: Die 9.192.631.779 Schwingungen der<br />

Cäsiumatome pro Sekunde sind sogar die offizielle Definition der Länge<br />

dieser Zeiteinheit.<br />

HOCHPRÄZISES ZÄHLWERK<br />

Je schneller das Pendel schwingt, desto genauer geht die jeweilige<br />

Uhr. Eine noch sehr viel präzisere Uhr könnte also mit Hilfe eines<br />

„optischen“ Pendels gebaut werden. Dafür kommt ein Atom in Frage,<br />

das eine genau definierte optische Welle, also Licht, aussendet.<br />

Ein derartiges Pendel zu entwickeln, war eine vergleichsweise geringe<br />

technische Herausforderung. Probleme bereitete dagegen das<br />

Uhrwerk, das schließlich derart schnelle Schwingungen messen können<br />

muss. Der Frequenzkamm, dessen theoretische Grundlagen<br />

Hänsch in den späten 1970er Jahren entwickelte, war die Lösung.<br />

Im Labor von Hänsch wird dafür ein Pulslaser verwendet, dessen ultrakurze<br />

Lichtpulse mit gleich bleibender Wellenlänge sogar tagelang<br />

zwischen Umlenkspiegeln zirkulieren können. Am Ausgang des<br />

Lasers erhält man eine Kopie des Lichtpulses nach jedem Umlauf,<br />

einmal pro Nanosekunde. Mit Hilfe eines von Hänsch und seinen Mitarbeitern<br />

entwickelten Tricks lässt sich die Pulsrate so einstellen, dass<br />

auf genau eine Million Zyklen eines sehr schnell oszillierenden Einfarbenlasers<br />

genau ein Puls fällt. Um die Frequenz des Einfarbenla-


sers zu messen, müssen die Wissenschaftler dann nur die Pulsrate<br />

bestimmen und mit einer Million multiplizieren. Anwendungen ergeben<br />

sich etwa bei Konstanten der Natur, deren Stabilität im Verlauf<br />

der Zeit überprüft werden kann. Auch die Unterschiede zwischen<br />

Materie und Antimaterie kann man jetzt sehr viel einfacher untersuchen.<br />

Hänsch und seinem Team ist es dank der neuen Technik sogar<br />

gelungen, die präzisen Voraussagen der Quantenmechanik anhand<br />

des Wasserstoffatoms auf insgesamt 14 Dezimalstellen zu überprüfen.<br />

Es gibt aber auch sehr viele alltagstaugliche Umsetzungen. Ex-<br />

CURRICULUM VITAE<br />

PROFESSOR THEODOR W. HÄNSCH<br />

Professor Theodor W. Hänsch wurde am 30. Oktober 1941 in Heidelberg<br />

geboren. An der <strong>Universität</strong> Heidelberg studierte er von<br />

1963 bis 1970 Physik und promovierte dort auch. Die nachfolgenden<br />

sechzehn Jahre verbrachte er zunächst als Postdoc, dann als<br />

Associate Professor und schließlich als Full Professor an der USamerikanischen<br />

Stanford University in Kalifornien. 1986 kehrte<br />

Hänsch nach Deutschland zurück und übernahm den Lehrstuhl für<br />

Experimentalphysik und Laserspektroskopie an der LMU. Er ist<br />

außerdem Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in<br />

Garching. Hänsch erhielt unter anderem den Philip Morris-Forschungspreis<br />

und mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der<br />

Deutschen Forschungsgemeinschaft die höchste wissenschaftliche<br />

Auszeichnung in Deutschland. In diesem Jahr wurde Hänsch die<br />

höchste Auszeichnung der „Optical Society of America (OSA)“, die<br />

Frederic Ives Medal, und auch der Otto Hahn-Preis für Chemie und<br />

Physik der Gesellschaft Deutscher Chemiker, der Deutschen Physikalischen<br />

Gesellschaft und der Stadt Frankfurt am Main verliehen.<br />

Theodor W. Hänsch ist Träger des Verdienstkreuzes 1. Klasse<br />

des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland und des<br />

Bayerischen <strong>Maximilians</strong>ordens für Wissenschaft und Kunst.<br />

trem genaue Atomuhren werden etwa bei der Synchronisation von<br />

Datennetzen gebraucht. Wenn man zum Beispiel ein Fax versendet,<br />

kommt unter Umständen eine Atomuhr zum Einsatz. Die Arbeit<br />

von Hänsch ist also ganz im Sinne von Alfred Nobel – dem Stifter<br />

des renommiertesten Wissenschaftspreises der Welt – von<br />

großem Nutzen für die Allgemeinheit. Professor Hänsch: „Wir können<br />

mit unserer Forschung neue Technologien schaffen, beispielsweise<br />

neue Navigationsgeräte, neue Uhren oder bessere Telekommunikationssysteme.“<br />

■ suwe<br />

1 Kurz nach dem Anruf aus Stockholm: Professor Theodor W. Hänsch<br />

feiert im Kreise seiner Mitarbeiter und Studierenden die Verleihung des<br />

Nobelpreises für Physik.<br />

MUM 04 | 2005 TITEL<br />

5


MUM 04 | 2005 TITEL<br />

6<br />

LMU-REKTOR BERND HUBER<br />

„DIE LMU BIETET EIN<br />

INSPIRIERENDES UMFELD!“<br />

Die Verleihung des Nobelpreises an Theodor W.<br />

Hänsch gibt auch der <strong>Ludwig</strong>-<strong>Maximilians</strong>-<strong>Universität</strong><br />

wichtige Impulse bei ihrer Profilierung<br />

als exzellente Forschungsuniversität. Hierzu<br />

sprach MUM mit Rektor Professor Bernd Huber.<br />

MUM: Was hat Sie bewegt, als Sie von dem Nobelpreis<br />

für Professor Hänsch gehört haben?<br />

HUBER: Es ist ja nicht an der Tagesordnung, dass<br />

ein Deutscher Nobelpreisträger wird. Deshalb war<br />

ich überrascht. Aber als ich das Stichwort „Wir haben<br />

einen Nobelpreis“ gehört habe, war mir sofort<br />

klar, dass es nur Kollege Hänsch sein kann. Er war<br />

seit langem ein heißer Kandidat für die Auszeichnung.<br />

Ich habe mich riesig gefreut und ihm sofort<br />

persönlich gratuliert.<br />

MUM: Was bedeutet dieser Preis für die LMU?<br />

HUBER: In erster Linie würdigt der Preis natürlich<br />

die individuellen Forschungsleistungen eines herausragenden<br />

Wissenschaftlers. Aber er bestätigt<br />

nicht zuletzt auch die LMU als renommierte Forschungsuniversität,<br />

vor allem in den Naturwissenschaften.<br />

Aber man darf bei all dem nicht vergessen,<br />

dass wir an der LMU in allen Bereichen Spitzenforschung<br />

und exzellente Wissenschaftler vorweisen<br />

können.<br />

MUM: Was sind die Voraussetzungen für Spitzenforschung?<br />

Oder anders gefragt: Wann gibt es den<br />

nächsten Nobelpreisträger an der LMU?<br />

HUBER: Letzteres kann und will ich natürlich nicht<br />

beantworten. Das wäre vermessen. Aber ich halte<br />

es durchaus für möglich, dass die Rahmenbedingungen,<br />

die an der LMU bestehen und die auch mit<br />

dem Forschungsstandort <strong>München</strong> zu tun haben,<br />

beste Chancen bieten, dass wir auch künftig weiter<br />

viele Preisträger aller Art in unseren Reihen vorweisen<br />

können. Die Erfolgsbilanz der letzten Zeit<br />

lässt sich jedenfalls sehen. Darauf wollen wir uns<br />

aber nicht ausruhen.<br />

MUM: Professor Hänsch ist ja nicht nur Lehrstuhlinhaber<br />

an der LMU, sondern auch Direktor des<br />

Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in Garching.<br />

Ist das die Rezeptur für den Nobelpreis?<br />

HUBER: Das habe ich eben gemeint. Für Innovation<br />

und Exzellenz bedarf es eines inspirierenden<br />

Umfelds. Und für wissenschaftliche Inspiration<br />

braucht es Austausch. Das ist auch, was hinter dem<br />

Humboldtschen Ideal der Einheit von Forschung<br />

und Lehre steht. Und wir haben hier am Wissenschaftsstandort<br />

<strong>München</strong> neben Berlin ein in<br />

Deutschland einzigartiges Umfeld. Deshalb sollten<br />

wir die Zusammenarbeit mit anderen <strong>Universität</strong>en<br />

und außeruniversitären Forschungseinrichtungen<br />

weiter ausbauen. ■


MUM 04 | 2005 TITEL<br />

8<br />

Der Nobelpreis ist die Krönung eines Forscherlebens. Professor<br />

Theodor W. Hänsch gehört zu einer Reihe von Nobelpreisträgern,<br />

die zum Zeitpunkt der Auszeichnung an der <strong>Ludwig</strong>-<strong>Maximilians</strong>-<br />

<strong>Universität</strong> <strong>München</strong> lehrten und forschten. Andere verbrachten an<br />

der LMU prägende Jahre ihrer wissenschaftlichen Laufbahn. Insgesamt<br />

sind dreizehn Nobelpreisträger mit der LMU verbunden.<br />

Es war sogar der erste Nobelpreis, der jemals verliehen wurde: Im<br />

Jahre 1901 ging der Nobelpreis für Physik an Wilhelm Conrad Röntgen<br />

(1845-1923), der erst ein Jahr zuvor den Lehrstuhl für Physik an<br />

der LMU übernommen hatte – eine Position, die er bis zur Emeritierung<br />

1919 behielt. Mit dem Nobelpreis gewürdigt wurde die Entdeckung<br />

der Röntgenstrahlung wegen ihrer herausragenden Bedeutung<br />

vor allem für die Medizin.<br />

Bereits 1905 wurde ein weiterer LMU-Forscher ausgezeichnet, dieses<br />

Mal mit dem Nobelpreis für Chemie: Adolf von Baeyer (1835-1917),<br />

der seit 1875 an der LMU tätig war, wurde unter anderem für seine<br />

Leistungen bei der Entwicklung organischer Farbstoffe gewürdigt.<br />

1911 ging der Nobelpreis für Physik an Wilhelm Wien (1864-1928)<br />

für seine Forschung an der Wärmestrahlung. Acht Jahre später, im<br />

Jahr 1920, wechselte der Physiker als Nachfolger von Röntgen an die<br />

LMU, wo er bis zu seinem Lebensende tätig war.<br />

1914 erhielt Max von Laue (1879-1960) den Nobelpreis für Physik.<br />

In Zusammenarbeit mit Kollegen hatte er die Beugung von Röntgenstrahlen<br />

an Kristallen entdeckt. Von 1909 bis 1912 war von Laue<br />

als Privatdozent an der LMU tätig.<br />

Ein Jahr später wurde Richard Willstätter (1872-1942) für seine Arbeit<br />

an Pflanzenpigmenten, besonders dem Chlorophyll, mit dem Nobelpreis<br />

für Chemie ausgezeichnet. Der Chemiker studierte und habilitierte<br />

an der LMU und forschte dort für einige Jahre – unter anderem<br />

bei Adolf von Baeyer. Nach mehrjährigen Aufenthalten an anderen<br />

Forschungsinstitutionen nahm Willstätter 1915 die Nachfolge<br />

Adolf von Baeyers an der LMU an – und erfuhr zur selben Zeit von<br />

seiner Auszeichnung mit dem Nobelpreis.<br />

Willstätter wiederum sprach eine Empfehlung für seine eigene Nachfolge<br />

an der LMU aus – und bewies dabei gutes Gespür: Heinrich<br />

Otto Wieland (1877-1957) erhielt 1927 ebenfalls den Nobelpreis für<br />

Chemie. Ausgezeichnet wurden seine Arbeiten zur Zusammenset-<br />

NOBELPREISTRÄGER DER LMU<br />

zung der Gallensäure und verwandter Substanzen. An der LMU hatte<br />

Wieland zuvor bereits studiert, promoviert und habilitiert. 1925<br />

trat er die Nachfolge Willstätters an.<br />

Die Arbeiten von Werner Karl Heisenberg (1901-1976) zur Quantenmechanik<br />

wurden 1932 mit dem Nobelpreis für Physik gewürdigt.<br />

Heisenberg hatte an der LMU Physik studiert und promoviert. Erst<br />

sehr viel später, nämlich 1959, kehrte er als Honorarprofessor für<br />

Physik an die LMU zurück.<br />

Adolf Friedrich Johann Butenandt (1903-1995) erhielt 1939 für seine<br />

Forschung an den Geschlechtshormonen zur Hälfte den Nobelpreis<br />

für Chemie. 1956 folgte er einem Ruf an die LMU und leitete<br />

dort in den folgenden Jahren das Institut für Physiologische Chemie.<br />

Der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ging 1964 an Feodor<br />

Lynen (1911-1979), der sich die Auszeichnung mit einem Kollegen<br />

teilte. Gewürdigt wurden beider Arbeiten zum Mechanismus und der<br />

Regulation des Stoffwechsels von Cholesterin und von Fettsäuren.<br />

Der Biochemiker studierte an der LMU und promovierte dort bei dem<br />

Nobelpreisträger Heinrich Wieland. Lynen übernahm 1953 den Lehrstuhl<br />

für Biochemie und war bis zu seiner Emeritierung im Mai 1979<br />

ordentlicher Professor an der LMU.<br />

Ein doppelter Erfolg für die LMU sollte die Verleihung des Nobelpreises<br />

für Physiologie oder Medizin im Jahre 1973 sein: Zwei der<br />

drei ausgezeichneten Verhaltensforscher waren mit der <strong>Universität</strong><br />

verbunden. Karl Ritter von Frisch (1886-1982) hatte an der LMU studiert<br />

und habilitiert. Abgesehen von ein paar mehrjährigen Unterbrechungen<br />

blieb er der <strong>Universität</strong> treu und lehrte und forschte bis<br />

zu seiner Emeritierung dort – vor allem an der Honigbiene. Konrad<br />

Lorenz (1903-1989), dem ebenfalls der Nobelpreis verliehen wurde,<br />

hatten es vor allem die Graugänse angetan. 1957 wurde der Verhaltensforscher<br />

zum Honorarprofessor für Zoologie an der LMU ernannt.<br />

Wieder einen Nobelpreis für Physik gab es im Jahre 1986: Gerd Karl<br />

Binnig (geboren 1947) erhielt zusammen mit einem Kollegen die<br />

Hälfte der Auszeichnung für die Entwicklung des Rastertunnelmikroskops.<br />

Der Physiker wurde 1987 zum Honorarprofessor an der<br />

LMU ernannt. ■ suwe


SCHOOL OF SCIENCE LMU<br />

„HOTSPOT INTERDISZIPLINÄRER<br />

SPITZENFORSCHUNG“<br />

Ein hohes Innovationspotenzial für die Forschung<br />

liegt an den Grenzen zwischen den traditionellen<br />

Fächern. Deswegen haben sich LMU-Wissenschaftler<br />

in den Naturwissenschaften zum Ziel gesetzt,<br />

die School of Science LMU ins Leben zu rufen.<br />

Bereits im kommenden Jahr werden die Fakultäten<br />

für Biologie, Chemie und Pharmazie sowie<br />

Physik in der School of Science LMU zusammengeführt.<br />

Diese Gründung soll die interdisziplinäre<br />

Forschung fördern, reformerischen Lehrkonzepten<br />

und exzellenter Nachwuchsförderung<br />

Raum und damit der Profilbildung der LMU hin<br />

zu einer der besten Forschungsuniversitäten weiter<br />

Auftrieb geben.<br />

Die DNA, der Träger der Erbinformationen aller<br />

Lebewesen, ist ein komplexes Makromolekül, das<br />

die Forschung seit mehr als 50 Jahren fesselt und<br />

permanent neue Herausforderungen an alle Bereiche<br />

der Naturwissenschaften sowie die Medizin<br />

stellt. Professor Thomas Carell beschäftigt sich<br />

als Chemiker an der LMU mit der Synthese von<br />

DNA und untersucht den komplizierten Reparaturmechanismus,<br />

der Beschädigungen der DNA<br />

durch die unterschiedlichsten Einflussfaktoren repariert.<br />

Carell betreibt Forschung, die auf die Unterstützung<br />

durch andere Naturwissenschaften angewiesen<br />

ist: „Wir haben die Möglichkeit, DNA zu<br />

synthetisieren, aber um ihre Struktur sichtbar zu<br />

machen, brauchen wir die Physik“, erklärt Carell,<br />

der im Jahr 2004 mit dem renommierten Leibniz-<br />

Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet<br />

wurde. „Nur die Physik hat die Möglichkeit,<br />

DNA-Strukturen, beispielsweise durch<br />

neue bildgebende Verfahren auf Oberflächen,<br />

sichtbar zu machen oder Messungen von DNA-<br />

Leitfähigkeiten durchzuführen.“ So arbeitet Carell<br />

intensiv mit Professor Hermann E. Gaub, Lehrstuhl<br />

für angewandte Physik, sowie Professor Jörg Kotthaus,<br />

Lehrstuhl für Festkörperphysik, zusammen.<br />

Während sich Professor Gaub im Bereich der Biophysik<br />

mit der Sichtbarmachung von Materie im<br />

Nanometerbereich befasst, untersucht Professor<br />

Kotthaus unter anderem die Leitfähigkeit von<br />

DNA-Molekülen. Diese Möglichkeit wird in Zukunft<br />

in der Medizin eine wichtige Rolle spielen.<br />

Hier kann der Nachweis der Leitfähigkeit ein<br />

wirksames Analysemittel für die Genotypisierung<br />

werden: Das ist die parallele Untersuchung sehr<br />

vieler Gene des menschlichen Köpers mit dem Ziel,<br />

beispielsweise Prädispositionen für bestimmte<br />

Krankheiten festzustellen und eine entsprechende<br />

auf den bestimmten Genotyp ausgerichtete Medikation<br />

durchzuführen.<br />

Bei der Leitfähigkeitsmessung wird die Neigung einer<br />

DNA-Sequenz genutzt, sich immer mit einem zu<br />

ihr passenden, einem komplementären Basenstrang<br />

zu paaren. „Eine synthetisierte DNA-Sequenz wird<br />

zwischen zwei winzige Elektroden gelegt und ein<br />

Molekül aus der Diagnoseprobe dazu gegeben.<br />

Wenn die Probe genau das komplementäre Gegenstück<br />

ist, bildet sich ein Doppelstrang zwischen den<br />

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9


MUM 04 | 2005 SPEZIAL<br />

10<br />

Elektroden und es fließt nach einer weiteren chemischen Manipulation,<br />

der so genannten Metallisierung, ein Strom“, erklärt Carell.<br />

Die Forschung an und mit der DNA ist eine naturwissenschaftliche<br />

Schnittstellendisziplin, die das Know-how sowohl der Chemie, der<br />

Physik und der Biologie erfordert.<br />

Ansätze von fachübergreifender Forschung gibt es in den Naturwissenschaften<br />

einige. „Ob Protein-, Neurowissenschaften, Nanosciences<br />

oder die Biophysik – diese Bereiche erfordern das Wissen<br />

aller Disziplinen“, erklärt Benedikt Grothe, Professor für Neurobiologie<br />

an der LMU und geschäftsführender Direktor des Departments<br />

Biologie II. Er betont, dass die klassische Teilung zwischen<br />

den Disziplinen früher sicherlich Sinn gemacht habe. Heute<br />

sei die Forschung jedoch einer so starken Dynamik ausgesetzt, dass<br />

diese strikte Trennung nicht länger aufrechtzuerhalten sei.<br />

Grothe koordiniert den Prozess hin zur Gründung der School of<br />

Science LMU, die bereits zum Wintersemester 2006/2007 an den Start<br />

gehen und die Trennung zwischen den Fakultäten überwinden soll.<br />

„Fakt ist, dass die Naturwissenschaften schon längst intensiv zusammenarbeiten“,<br />

sagt Grothe.<br />

VIELE SYNERGIEEFFEKTE<br />

Die Leitung der School of Science LMU soll einem hauptamtlichen,<br />

auf fünf Jahre eingesetzten „Dean of Science“ obliegen. Bei der<br />

Überwindung der gewachsenen Fakultätsstrukturen erwartet Professor<br />

Benedikt Grothe keine Schwierigkeiten: „Schon jetzt ist die<br />

tragende Säule in den Naturwissenschaften die Departmentstruktur<br />

innerhalb der Fakultäten.“ So ist denn auch die Zustimmung bei<br />

den Naturwissenschaftlern der LMU zur Einrichtung der School<br />

entsprechend groß. Denn die Initiative zu dieser Reform kam aus<br />

den Wissenschaften.<br />

Die School of Science LMU wird für die Weiterentwicklung des High-<br />

TechCampus LMU Martinsried-Großhadern von großer Bedeutung<br />

sein. Die Fakultät für Chemie und Pharmazie, das Genzentrum der<br />

LMU sowie das Department Biologie II sind dort bereits vertreten.<br />

2008 folgt das Department Biologie I und vervollständigt dort die<br />

Biologie. Die Verlagerung der Physik vom Standort Schellingstraße<br />

in den <strong>München</strong>er Südwesten wird jedoch noch einige Zeit in Anspruch<br />

nehmen: Derzeit geht die Planung vom Jahr 2018 aus. Ei-<br />

nen großen Vorteil der räumlichen Zusammenführung sieht Grothe<br />

auch in der gemeinsamen Nutzung von technischer Infrastruktur:<br />

„Der finanzielle Aufwand für ein Forschungsgerät ist sehr groß, einzelne<br />

Fakultäten sind mit Finanzierung und Unterhaltung oft überfordert.<br />

Können Geräte fachübergreifend genutzt werden, erschließen<br />

sich nicht nur neue Synergieeffekte. Es können überdies<br />

auch Kosten gesenkt werden.“<br />

Neben der Integration der bisherigen naturwissenschaftlichen Fakultäten<br />

soll zudem die Kooperation der School of Science mit den<br />

naturwissenschaftlich ausgerichteten Teilgebieten der Geowissenschaften,<br />

dem Biomedizinischen Zentrum (BMC), dessen Einrichtung<br />

auf dem HighTechCampus LMU geplant ist, und den klinischen<br />

Einrichtungen der Medizinischen Fakultät ausgebaut werden. Die<br />

bereits bestehende intensive Zusammenarbeit mit den ebenfalls in<br />

Martinsried-Großhadern angesiedelten Max-Planck-Instituten sowie<br />

der GSF erhält durch die Neustrukturierung ebenfalls neue Impulse.<br />

„Die School of Science wird ein wissenschaftlicher Hotspot,<br />

an dem man nicht vorbeikommt“, unterstreicht Professor Grothe<br />

die enorme Bedeutung für den Wissenschaftsstandort <strong>München</strong> im<br />

Allgemeinen und für die LMU im Besonderen.<br />

Wie es sich für eine „School“ gehört, wird auch der Lehre große Bedeutung<br />

eingeräumt. Das Studium wird in den beteiligten Fächern<br />

Physik, Chemie, Pharmazie und Biologie als Bachelor-Studiengang<br />

sowie als weiterführender Master- und Graduiertenstudiengang organisiert.<br />

„Der große Vorteil an der Ausbildung in der School of Science<br />

ist der größere Lehrimport bzw. -export“, erläutert Professor<br />

Grothe. Demnach wird es für angehende Biologen, Physiker oder<br />

Chemiker zukünftig leichter, Lehrveranstaltungen in anderen Fächern<br />

zu besuchen oder in einem anderen Fach zu promovieren und so<br />

schon während der Ausbildung zu Grenzgängern der Disziplinen zu<br />

werden. „Durch die Graduiertenschulen können wir zudem eine Angleichung<br />

der Niveaus und damit eine verbesserte Qualitätskontrolle<br />

des Studiums erreichen“, so Benedikt Grothe. Auch die Promotionen<br />

in fachfremden Bereichen sollen in Zukunft erleichtert werden.<br />

An einer Integration der staatsexamensrelevanten Studienfächer arbeiten<br />

die Initiatoren der School of Science derzeit noch. „Wir sind<br />

sicher, dass wir hier bis zum nächsten Jahr eine gangbare Lösung<br />

gefunden haben werden“, so Professor Grothe. ■ cg


VON DER UNI IN DIE EIGENE FIRMA<br />

DER CHEF BIN ICH<br />

Wer sich selbstständig machen will, hat viele Hürden zu nehmen.<br />

Im Gründerbüro der Kontaktstelle für Forschungs- und Technologietransfer<br />

(KFT) der LMU können sich Studierende und Mitarbeiter<br />

der Uni schlau machen, wie der Weg in die Selbstständigkeit<br />

funktionieren kann. Denn künftige Gründer brauchen nicht<br />

nur eine tolle Idee, sondern müssen sich auch im Dschungel der<br />

marktwirtschaftlichen Selbstständigkeit zurechtfinden. MUM hat<br />

sich bei drei Spin-Offs aus der LMU umgesehen.<br />

„Ich wollte schon immer unternehmerisch tätig sein“, sagt Kai Lamottke.<br />

Zwar glaubt der Chemiker, der bei Professor Steglich an der<br />

LMU promoviert hat, dass er auch akademisch hätte bestehen können.<br />

Eine wissenschaftliche Karriere habe ihn aber nicht so sehr gereizt.<br />

Die eigene Firma – das war schon im Chemielabor sein Traum.<br />

Als Kai Lamottke mit Kollegen aus dem LMU-Labor im Jahr 2000 seine<br />

Firma Bicoll gründete, hatte der Biotech-Boom gerade seinen<br />

Höhepunkt erreicht. „Wir haben damals versucht, ein Büro im IZB<br />

(Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie in Martinsried, d.<br />

Red.) zu bekommen, aber die waren völlig überfüllt“, erinnert sich<br />

der Unternehmer. Anders als die meisten Firmengründer damals setzte<br />

Bicoll ein Geschäftskonzept um, das auch ohne Venture Capital<br />

starten konnte. Die Firma wurde ausschließlich mit Eigenkapital gegründet.<br />

Eine FLÜGGE-Förderung für Lamottke beschleunigte den<br />

Gründungsprozess allerdings erheblich. Das FLÜGGE-Programm des<br />

Bayerischen Wissenschaftsministeriums gibt jungen Hochschulabsolventen<br />

und -mitarbeitern die Möglichkeit, parallel zur Konzeptionsphase<br />

ihrer Existenzgründung für die Dauer von ein bis zwei<br />

Jahren als Halbtagskräfte an ihrer Hochschule zu arbeiten und dadurch<br />

ihren Lebensunterhalt zu sichern. „Das war schon sehr ermutigend“,<br />

sagt Jungunternehmer Lamottke.<br />

Eine Hilfe für die LMU-Gründer von Bicoll war auch der Münchner<br />

Business Plan Wettbewerb (MBPW). Ziel des 1996 initiierten Wettbewerbs<br />

ist die Unterstützung potentieller Unternehmen von der Idee<br />

bis zum Markterfolg. Bicoll hat bei dem jährlichen Wettbewerb um<br />

die besten Ideen und Konzepte 1999 mitgemacht. Der Wettbewerb<br />

war für die Gründer von Bicoll vor allem wichtig, um die Struktur des<br />

zukünftigen Geschäfts klar herauszuarbeiten, erinnert sich Lamottke.<br />

Zudem lernte die Chemiker-Truppe beim Business Plan Wettbewerb<br />

den promovierten Betriebswirt Heinrich Arnold kennen, der mit<br />

wirtschaftlichem Sachverstand bei Bicoll einstieg.<br />

EIN PARADEBEISPIEL<br />

Für Christoph Zinser vom Gründerbüro ist Bicoll ein Paradebeispiel<br />

für die gelungene Kooperation der Wirtschafts- und Naturwissenschaften<br />

an der LMU. „Es könnte aber noch mehr Zusammenarbeit<br />

zwischen den beiden Bereichen geben“, findet er. Hilfe leistet da etwa<br />

das „Odeon Center for Entrepreneurship“ von Professor Dietmar<br />

Harhoff und Professor Bernd Rudolph. Dort finden die Seminare<br />

„i-plan“ und „b-plan“ statt, die Gründerideen aus dem LMU-Umfeld<br />

unter die wirtschaftswissenschaftliche Lupe nehmen und auf ihre<br />

Markttauglichkeit überprüfen.<br />

Kai Lamottke gehört zu denen, die mit der Marktorientierung keine<br />

Probleme haben. Er produziert mit seiner Firma Bicoll Wirkmoleküle<br />

für Pharmafirmen, einen Teil davon in so genannter Auftragssynthese.<br />

Der Kunde bestellt, und Bicoll produziert. „In der Wirtschaft ist<br />

nicht die Wahrheit, sondern der Nutzen gefragt“, sagt Gründerberater<br />

Zinser. „Da gibt’s junge Wissenschaftler wie Lamottke, die begreifen<br />

das sofort. Andere tun sich schwer und sagen, ihr Produkt sei<br />

doch das Beste und verstehen nicht, warum es trotzdem keinen Erfolg<br />

hat.“<br />

Bicoll ist auf dem Erfolgsweg schon ein ganzes Stück vorangekommen.<br />

Die Firma, die sich mit der Entdeckung und Entwicklung von<br />

pflanzlichen Medikamenten im Bereich der Krebsbehandlung beschäftigt,<br />

hat heute fünf Mitarbeiter in Deutschland und zehn im Labor<br />

in Shanghai. Nicht zuletzt ist Bicoll ein Vorzeigeprojekt für die<br />

deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen.<br />

MUM 04 | 2005 PROFILE<br />

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12<br />

1 Die Firma Bicoll von Kai Lamottke produziert Moleküle<br />

für Pharmaunternehmen.<br />

Die Firma von Gerhard Rolletschek und Ramon Schalleck könnte auch<br />

mal ein Vorzeigeprojekt sein, noch stehen die zwei aber ganz am Anfang.<br />

Und wenn es mit der Selbstständigkeit nicht klappt, würden sie<br />

durchaus auch an der Uni bleiben oder sich in das Heer der Angestellten<br />

einreihen. Gerhard Rolletschek wollte ursprünglich Lehrer<br />

werden für Deutsch und Geschichte. Dann hat er Mediävistik studiert<br />

und später ein Aufbaustudium in Computerlinguistik nachgeschoben.<br />

Er hatte schon mal einen viel beachteten Erfolg, als er Goethes<br />

Briefroman „Die Leiden des jungen Werther“ als elektronische Post<br />

an Abonnenten verschickte. Auch Ramon Schalleck hat keinen ganz<br />

gewöhnlichen Lebenslauf. Nach dem Abitur in Singapur arbeitete er<br />

erstmal als Tontechniker und Rikschafahrer, dann lernte er beim Studium<br />

am Centrum für Informations- und Sprachverarbeitung (CIS)<br />

Gerhard Rolletschek kennen.<br />

HILFE VOM MENTOR<br />

Seither kümmern sich Rolletschek und Schalleck um den Aufbau von<br />

„Varecom“. Mit ihrer Idee wollen sie das Finden von kommerziellen<br />

Produkten im Internet vereinfachen. Dabei werden die beiden Gründer<br />

vom EXIST-SEED Programm des Bundesministeriums für Bildung<br />

und Forschung unterstützt. EXIST-SEED unterstützt technologieorientierte<br />

Unternehmensgründungen in der Frühphase mit Personalkosten<br />

und Sachmitteln von Einzelgründern und Gründerteams<br />

für ein Jahr.<br />

Varecom ist eng an die Uni gebunden. Dafür sorgt Professor Franz<br />

Guenthner, der für die Varecom-Gründer Mentor und Vorbild ist. Der<br />

Lehrstuhlinhaber für Computerlinguistik hat viel praktische Erfahrung<br />

auf dem Feld der Suchmaschinen und hilft ganz gezielt bei der<br />

Firmengründung. Er lässt seine Ex-Studenten derzeit in Büroräumen<br />

am <strong>München</strong>er Rindermarkt über ihrer Geschäftsidee brüten, später<br />

wird er auch offiziell in die Firma einsteigen. Ein enormer Vorteil, findet<br />

Gerhard Rolletschek: „Er kann einem schon viele Türen öffnen,<br />

Kontakte vermitteln und Referenzkunden gewinnen.“<br />

Ob es mit Varecom wirklich klappt, ist noch nicht sicher. Über Verträge,<br />

Vertriebswege und Venture Capital denken die Firmengründer<br />

in spe noch nicht nach. Doch wenn es ernst wird, weiß Rolletschek,<br />

dass er und sein Partner Schalleck betriebswirtschaftliche Hilfe<br />

brauchen werden.<br />

INFORMATIONEN FÜR EXISTENZGRÜNDER<br />

Das Gründerbüro der LMU ist im Internet auf der Seite der<br />

Kontaktstelle für Forschungs- und Technologietransfer KFT zu<br />

finden: www.lmu.de/kft.<br />

Für das EXIST-SEED Programm ist der 31. Januar 2006<br />

nächster Termin für eine Bewerbung. Im Internet gibt es<br />

dazu weitere Informationen:<br />

www.exist.de/existseed.<br />

Der nächste Münchner Businesss Plan Wettbewerb startet<br />

am 9. November 2005. LMU-Angehörige können ihre Ideenpapiere<br />

bis 16. Januar 2006 einreichen. Informationen unter<br />

www.mbpw.de.<br />

Bei Michael Kamp hat ein Studentenjob die Idee für die eigene Firma<br />

geliefert. Neben seinem Geschichtsstudium erledigte er für das<br />

<strong>Universität</strong>sarchiv verschiedene Rechercheaufträge. Da war unter anderem<br />

eine umfangreiche genealogische Recherche, der Auftrag eines<br />

Freiherrn Schrenck von Notzing aus den USA. Diese Recherche<br />

hat Kamp dann während der Promotion in Eigenregie übernommen.<br />

Dazu kam wie bei Kai Lamottke die FLÜGGE-Förderung. „Die Juroren<br />

waren allerdings ganz schön skeptisch“, erinnert sich Michael<br />

Kamp. Mit seinen historischen Projekten war er ein absoluter Exot<br />

unter den FLÜGGE-Bewerbern. Außerdem hatte Michael Kamp seinen<br />

Geschäftsplan so bescheiden kalkuliert, dass die Jury ihn fragte,<br />

wie er denn überhaupt von so wenig Geld leben wolle. „Die waren<br />

von den Naturwissenschaftlern ganz andere Summen gewohnt“, erinnert<br />

sich Michael Kamp. Doch die FLÜGGE-Juroren ließen sich von<br />

dem Konzept der historischen Dienstleistungen überzeugen und nahmen<br />

Kamp in die Förderung auf. Das Projekt, das er mit der FLÜG-<br />

GE-Halbtagsstelle an der LMU betreute, konnte er anschließend in<br />

die eigene Firma mitnehmen.<br />

Inzwischen sitzt der Historiker mit seinem Kompagnon Dr. Florian<br />

Neumann im eigenen Büro in der Adalbertstraße und beschäftigt eine<br />

ganze Reihe von Hilfskräften. Festangestellte wollen sie sich nicht<br />

leisten. Jeder muss sehen, dass er sich seine Aufträge selbst besorgt.<br />

Das können Buchprojekte sein, Ausstellungen, Festschriften oder<br />

historische Führungen. So bietet die Firma etwa einen historischen<br />

Rundgang über das Oktoberfest an. Für MAN haben sie kürzlich zum<br />

50-jährigen Bestehen eine Firmengeschichte geschrieben. Das Geschäft<br />

läuft gut, „aber wir sind noch nicht über den Berg“, sagt Kamp.<br />

Er ist trotzdem glücklich mit dem Unternehmerdasein. Und die 70-<br />

Stunden-Woche erträgt Kamp deutlich leichter, seit seine Frau in der<br />

Firma mitarbeitet. ■ gra


MUM 04 | 2005 PROFILE<br />

14<br />

BACHELOR-ABSOLVENTEN AN DER LMU<br />

VORREITER ODER VERSUCHSKANINCHEN?<br />

Im Wintersemester 2000/01 haben elf Studierende<br />

der Bioinformatik und 47 VWL-Studierende<br />

ihr Bachelor-Studium begonnen. Sie waren<br />

die ersten, die an der LMU auf die neuen internationalen<br />

Abschlüsse setzten. Inzwischen sind<br />

gut 1.900 Studierende in Bachelorstudiengänge<br />

so unterschiedlicher Disziplinen wie Biochemie,<br />

Kommunikationswissenschaft oder Statistik eingeschrieben.<br />

MUM hat mit einigen Absolventen<br />

gesprochen, die den Bachelor bereits in der Tasche<br />

haben. Wir wollten wissen, warum sie den<br />

Bachelor gewählt, wie sie das Studium erlebt und<br />

welche Erfahrungen sie mit den neuen Abschlüssen<br />

im Berufsleben gemacht haben.<br />

Schon der erste Termin bei der Studienberatung<br />

der Germanisten machte Julia Chebotova deutlich,<br />

was sie will – und was nicht. Zwölf Semester Germanistik<br />

waren für Julia ein Horrorszenario. „Geisteswissenschaften<br />

wollte ich schon gerne machen,<br />

aber nicht so lange und nicht so total vergeistigt.“<br />

Immerhin hatte sie bereits eine Ausbildung als<br />

Übersetzerin und Dolmetscherin am Spracheninstitut<br />

hinter sich. „Ich wollte unbedingt einen Abschluss<br />

in kurzer Zeit, mit möglichst viel Praxisbezug<br />

und guten Aussichten auf einen Quereinstieg“,<br />

erinnert sich Chebotova. Germanistik-Studienberater<br />

Dr. Hubert Schuler empfahl ihr damals den<br />

Bachelorstudiengang Komparatistik, und der hat<br />

sich für Julia Chebotova als Volltreffer erwiesen.<br />

Es gehörte für sie viel Organisationsgeschick und<br />

Disziplin dazu, das Pensum in sechs Semestern zu<br />

absolvieren. Doch das sieht sie als Qualitätsmerkmal.<br />

Neben den normalen Komparatistik-Seminaren<br />

absolvierte die 25-Jährige betriebswirtschaftliche<br />

Pflichtveranstaltungen. PR und Marketing wur-<br />

den semesterbegleitend von Dozenten aus der Praxis<br />

vermittelt. „Der Bachelor und auch das Fach<br />

Komparatistik sind ja beide recht exotisch, aber ich<br />

habe eigentlich nur positive Neugierde erlebt, vor<br />

allem auf die praktischen Komponenten.“<br />

ÜBERZEUGENDE GRUNDIDEE<br />

Franziska Buchholz hat das anders erlebt. Sie wurde<br />

bei Bewerbungsgesprächen mehr als einmal gefragt,<br />

ob ihr Bachelor-Abschluss in Volkswirtschaftslehre<br />

nicht dasselbe sei wie ein Vordiplom.<br />

Auch ihre Freunde haben gefragt: „Was kannst du<br />

damit werden? Sekretärin?“ Dr. Silke Hübner, Leiterin<br />

der Geschäftsstelle des VWL-Departments,<br />

wundert sich über solche Reaktionen. „Wir haben<br />

so viele positive Gespräche mit Personalern geführt,<br />

und es ist in letzter Zeit auch viel in den Medien<br />

über Bachelor und Master berichtet worden,<br />

dass die Abschlüsse mittlerweile akzeptiert sein<br />

sollten.“<br />

Von der Grundidee des Systems ist Franziska Buchholz<br />

noch immer überzeugt. „Es war das, was ich<br />

wollte: einen Grundlagen-Bachelor und dann eine<br />

Spezialisierung im Master.“ Doch der Masterstudiengang<br />

in Berlin, den sie eigentlich wählen wollte,<br />

wurde abgesagt. Nun ist Franziska Buchholz erst<br />

einmal ratlos. Der Bachelor ohne den Master ist für<br />

sie nicht viel wert. Zurzeit macht sie ein Praktikum<br />

in der PR-Abteilung eines Verlags. „Doch für das,<br />

was ich jetzt mit dem Bachelor im Berufsleben anfangen<br />

kann, war das Studium eigentlich viel zu anspruchsvoll“,<br />

findet sie.<br />

Wer ein Bachelorstudium absolviert hat, beweist<br />

zuallererst eines – dass er in kurzer Zeit viel<br />

Wissen aufnehmen kann. Julia Chebotova jedenfalls<br />

hat das Klischee vom faulen Studentenleben


satt. „Ich hatte in meiner Studienzeit ganz schön viele stressige<br />

Phasen. Wenn ich zum Beispiel ein Vollzeitpraktikum gemacht habe<br />

und nebenher noch Seminararbeiten schreiben musste, war das<br />

eine 7-Tage-Arbeitswoche.“ Zum Jammern sieht sie dennoch keinen<br />

Grund. Julia Chebotova findet, dass man gerade als Geisteswissenschaftlerin<br />

zeigen sollte, „dass man das Zeug hat, ein Studium zügig<br />

durchzuziehen und nicht irgendwo in den Wolken schwebt.“<br />

Auch nach dem Studium hat die gebürtige Russin, die mit 15 Jahren<br />

nach Deutschland gekommen ist, ihren Pragmatismus behalten. Am<br />

liebsten würde sie im Verlagsmarketing arbeiten. Doch bei der derzeitigen<br />

Lage auf dem Arbeitsmarkt hat sie sich erstmal auf ihre Wurzeln<br />

besonnen und arbeitet freiberuflich als Übersetzerin und Dolmetscherin<br />

für Englisch und Russisch. „Damit bin ich momentan auch<br />

ganz glücklich“, sagt sie.<br />

STEIGENDE STUDIERENDENZAHLEN<br />

Martin Breugst stand schon im Hauptgebäude der LMU, um sich für<br />

das Studium der Diplomchemie anzumelden. Im Studentensekretariat<br />

erfuhr er dann von einem neuen Abschluss, dem Bachelor. Martin<br />

Breugst nahm sich noch zwei Tage Bedenkzeit, dann schrieb er<br />

sich als einer der ersten Studierenden für den neuen Bachelorstudiengang<br />

Chemie ein. Das war vor vier Jahren. Den Bachelor hat er<br />

schon lange in der Tasche, mittlerweile bereitet sich Martin auf seine<br />

Masterprüfung vor. Bisher hat der 24-jährige <strong>München</strong>er seine<br />

Entscheidung für den neuen internationalen Abschluss nicht bereut.<br />

„Aber man muss abwarten, wie die Industrie den Master annimmt“,<br />

fügt er hinzu.<br />

Vorteile sieht er für sich vor allem in der breiten Grundlagenausbildung<br />

beim Bachelor. Hier stehen viel mehr Biologie, Physik und Biochemie<br />

auf dem Programm als beim Diplomstudiengang. Für Martin<br />

Breugst, der in seinem Wunschberuf als Patentanwalt ein möglichst<br />

breites fachliches Spektrum abdecken muss, war das ein entscheidender<br />

Faktor für den Bachelor.<br />

Positiv sieht er auch das europaweit einheitliche European Credit<br />

Transfer System (ECTS), vor allem weil die Abschlussprüfung nicht<br />

mehr so viel zählt. Martin Breugst: „Wenn man da früher einen<br />

schlechten Tag hatte, war die Note versaut.“ Jetzt verteilen sich die<br />

mit Credit Points bewerteten Leistungsnachweise besser über das<br />

gesamte Studium. Allerdings fand Martin Breugst das Studium dadurch<br />

auch ziemlich „vollgestopft“. Anfängliche Konfusionen und<br />

Umstellungsprobleme bei den Chemikern seien mittlerweile gelöst.<br />

Die ständig steigenden Studierendenzahlen bei Bachelor und Master<br />

in Chemie und Biochemie beweisen, dass die neuen Abschlüsse bei<br />

den Studierenden ankommen. ■ gra<br />

BOLOGNA-PROZESS AN DER LMU<br />

Die LMU liegt bei der Umsetzung der Richtlinien des Bologna-<br />

Prozesses zur Schaffung eines europäischen Hochschulraums bis<br />

zum Jahr 2010 gut im Zeitplan: Neben dem Department Chemie<br />

und Biochemie hat auch die Fakultät für Betriebswirtschaftslehre<br />

bei der Ersteinschreibung zum Wintersemester 2005/06 vollständig<br />

auf Bachelor- und Masterstudiengänge umgestellt. Der<br />

Zeitplan der LMU sieht die Umstellung der bisherigen Diplomund<br />

Magisterstudiengänge auf Bachelor und Master in den Naturwissenschaften<br />

bis 2007, in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften<br />

bis 2008 sowie im geisteswissenschaftlichen Bereich<br />

bis 2009 vor.<br />

MUM 04 | 2005 PROFILE<br />

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MUM 04 | 2005 PROFILE<br />

16<br />

SERIE: „KOSMOS LMU“<br />

AUTOLÄRM STATT OZEANRAUSCHEN<br />

Statt unter Palmen wohnt Indradeo Hemraj jetzt<br />

am Waldfriedhof. Statt dem Rauschen des Indischen<br />

Ozeans hört er den Lärm der Autos auf der<br />

A95, wenn er sein Wohnheimfenster aufmacht.<br />

Trotzdem ist der 29-Jährige aus Mauritius glücklich,<br />

in <strong>München</strong> zu sein. Er studiert Medizin an<br />

der LMU. Wenn er in seine Heimat zurückkehrt,<br />

möchte er mit dem Wissen aus Deutschland helfen,<br />

die medizinische Versorgung im Urlaubsparadies<br />

Mauritius zu verbessern.<br />

Jetzt sitzt Indradeo Hemraj in der unilounge im<br />

Hauptgebäude der LMU und freut sich. An der<br />

Wand der Espressobar am Geschwister-Scholl-<br />

Platz, unter den Schriftzügen von Metropolen wie<br />

Moskau, New York oder Paris, findet sich auch der<br />

Name seiner Heimat, nur leider falsch geschrieben:<br />

Maurizius. Beschwert hat sich darüber noch niemand,<br />

was nicht weiter verwunderlich ist. Indradeo<br />

ist nur einer von drei LMU-Studenten von Mauritius.<br />

Arzt zu werden, war schon immer Indradeos Traum.<br />

Doch auf Mauritius kann man nicht Medizin studieren.<br />

„Alle Leute mit Geld gehen zum Studium ins<br />

Ausland, meist nach England oder in die USA, wo<br />

sie keine Sprachprobleme haben“, erzählt Indradeo.<br />

Doch ihm war klar, dass er von seinen Eltern kein<br />

Geld für das Studium haben wollte. „Ich wollte keine<br />

finanzielle Last sein. Wir sind eine ziemlich große<br />

Familie, und meine Eltern müssen sich noch um<br />

meine zwei jüngeren Schwestern kümmern.“ Ein<br />

Studium in den USA kam also nicht in Frage.<br />

Also schrieb Indradeo einen Brief an das European<br />

Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg.<br />

Er wollte dort lernen, wie man forscht und<br />

gleichzeitig ein wenig Geld für das Medizinstudi-<br />

um verdienen. Sein Mut wurde belohnt: Er konnte<br />

ein Jahr lang im Labor mitarbeiten, erst als Praktikant,<br />

dann verdiente er sogar etwas Geld. Danach<br />

ging er für ein Jahr in ein Labor in den USA. Anschließend<br />

arbeitete er am Max-Planck-Institut für<br />

Entwicklungsbiologie in Tübingen – alles, ohne je<br />

ein Biologiestudium absolviert zu haben. Als er<br />

dann genügend Geld gespart hatte, kam Indradeo<br />

2002 nach <strong>München</strong> und hatte es fast geschafft –<br />

das Medizinstudium war in greifbare Nähe gerückt.<br />

Die letzte Hürde war die „Deutsche Sprachprüfung<br />

für den Hochschulzugang ausländischer Studienbewerber<br />

(DSH)“, die jeder Ausländer vor Beginn<br />

des Studiums in Deutschland ablegen muss. Indradeo<br />

hatte in Heidelberg und Tübingen recht gut<br />

sprechen gelernt, allerdings kaum eine Zeile auf<br />

Deutsch geschrieben. „Ich habe zehn Tage vor dem<br />

Prüfungstermin die Einladung zum Sprachtest<br />

bekommen. Das war dann ein ziemliches Expresslernen“,<br />

erinnert sich Indradeo. Doch wer als Muttersprache<br />

Kreolisch spricht, die Amtssprache Englisch<br />

perfekt beherrscht und auch Französisch und<br />

Hindi früh gelernt hat, kommt mit dem Sprachenlernen<br />

ganz gut zurecht. Indradeo bestand die<br />

Prüfung, ohne je eine Stunde Deutschunterricht<br />

gehabt zu haben. Er konnte sein Medizinstudium<br />

in <strong>München</strong> beginnen.<br />

Fern der Heimat vermisst Indradeo Hemraj neben<br />

seiner Familie am meisten das gewohnte Essen.<br />

„Die ersten Wörter, die ich gelernt habe, waren<br />

Speck, Schwein und Wurst.“ Mit diesen deutschen<br />

Grundnahrungsmitteln hat er massive Probleme,<br />

denn er isst weder Rind- noch Schweinefleisch.<br />

Mittlerweile, sagt Indradeo, habe sich seine<br />

Ernährungslage aber deutlich gebessert. Er hat in<br />

<strong>München</strong> einen Laden gefunden, in dem er Nah-


REFERAT INTERNATIONALE ANGELEGENHEITEN /<br />

INTERNATIONAL OFFICE<br />

Das Referat Internationale Angelegenheiten kümmert sich um<br />

alle Studierenden aus dem Ausland, die an der LMU studieren<br />

wollen oder bereits studieren. Die Mitarbeiter informieren über<br />

Zulassungsformalitäten, Stipendien und den Studienalltag an der<br />

LMU.<br />

Referat Internationale Angelegenheiten / International Office<br />

<strong>Ludwig</strong>straße 27 / EG<br />

Tel. + 49 89 / 21 80 28 23<br />

Fax: + 49 89 / 21 80 31 36<br />

E-Mail: International@lmu.de<br />

Die Homepage des Referats mit vielen Informationen für<br />

internationale Studierende ist über den Internetauftritt der LMU<br />

(www.lmu.de) zu erreichen.<br />

rungsmittel und Gewürze von Mauritius bekommt und mittlerweile<br />

kann er einige Gerichte aus seiner Heimat kochen.<br />

Schwierig war auch seine finanzielle Lage. Das Geld, das er mit der<br />

Laborarbeit verdient hatte, war im teuren <strong>München</strong> bald verbraucht.<br />

Indradeo Hemraj hielt sich mit Nachhilfestunden und einem Job als<br />

Hilfskraft im Labor über Wasser. Erst in letzter Zeit kann er etwas entspannter<br />

studieren. Er hat einen günstigen Wohnheimplatz und der<br />

Freistaat unterstützt ihn bis nächsten Februar mit einem Stipendium.<br />

Eine Verlängerung ist möglich – wenn die Noten stimmen.<br />

Aus Dankbarkeit hat Indradeo jetzt beschlossen, dass er „etwas<br />

zurückgeben“ möchte von der Hilfe, die er in <strong>München</strong> bekommen<br />

hat. Er engagiert sich in der Betreuung ausländischer Medizinstudenten.<br />

„Man kann mit ganz einfachen praktischen Sachen schon viel<br />

helfen“, erklärt er. Schon der Tipp, wie man an ein billiges Bahnticket<br />

kommt oder welches Lehrbuch gut auf die Prüfungen vorbereite, könne<br />

den Alltag eines ausländischen Studierenden sehr viel einfacher<br />

machen, sagt Indradeo.<br />

Er selbst kommt im Medizinstudium bisher gut zurecht. Im Labor hat<br />

er seinen Kommilitonen einiges voraus. Und sein Deutsch ist mittlerweile<br />

so gut, dass er auch mit den Patienten am Krankenbett locker<br />

parlieren kann. Die seien nur fassungslos, wenn er ihnen sage, woher<br />

er kommt. Dann bekäme er zu hören: „Was, sie kommen von Mauritius?<br />

Was machen sie dann hier, im kalten Deutschland?“<br />

Zu Hause sei er in der Tat zu wenig, sagt Indradeo. Die Wahrheit ist,<br />

dass er seit acht Jahren nicht mehr in der Heimat war. Der Flug ist<br />

einfach zu teuer. Immerhin hat Indradeo diesen Sommer seine Mutter<br />

wieder gesehen. Er hatte für sie in Deutschland eine dringende<br />

Operation organisiert, welche die Ärzte auf der Insel im Indischen<br />

Ozean nicht durchführen konnten. Der medizinische Standard dort<br />

sei unvorstellbar schlecht, sagt Indradeo.<br />

Nach der Facharztausbildung will er daher auch auf jeden Fall zurück<br />

nach Mauritius. Vielleicht als Neurologe, denn „da kann man auch<br />

ohne teure Geräte viel machen.“ Für ihn ist es nicht wichtig, irgendwo<br />

fern der Heimat viel Geld zu scheffeln. „Ich war so enttäuscht von<br />

den Krankenhäusern auf Mauritius, dass ich dort einiges verbessern<br />

möchte. Es ist schließlich meine Heimat“, sagt er. ■ gra<br />

Kosmos LMU<br />

Ausländische Studentinnen und Studenten gehören zum<br />

Erscheinungsbild der LMU. Von knapp 48.000 Studierenden<br />

kommen etwa 7.000 nicht aus Deutschland. Junge Chinesen,<br />

US-Amerikaner oder Brasilianer bereichern mit ihren verschiedenen<br />

kulturellen Hintergründen die LMU-Community.<br />

Das <strong>MünchnerUni</strong> <strong>Magazin</strong> stellt einige der ausländischen<br />

Studierenden in der neuen Serie „Kosmos LMU“ vor.<br />

MUM 04 | 2005 PROFILE<br />

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MUM 04 | 2005 PROFILE<br />

18<br />

MÜNCHNER KOMPETENZZENTRUM ETHIK<br />

DISKURS FÜR ETHISCHE LÖSUNGEN<br />

„Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei“ heißt<br />

es in Artikel 5 des Grundgesetzes. Nur so kann Forschung gedeihen<br />

und zu neuen, zukunftsweisenden Ergebnissen kommen.<br />

Gleichwohl werfen neue Technologien, neue Forschungsvorhaben<br />

und -möglichkeiten, welche die Forschung im 21. Jahrhundert entscheidend<br />

prägen, immer neue ethische Fragen auf. Das Münchner<br />

Kompetenzzentrum Ethik (MKE), das im Sommer an der LMU<br />

eröffnet wurde, will aktuelle Forschung aus dem Blickwinkel ethischer<br />

Problemstellungen untersuchen, den Diskurs wach halten<br />

und die wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen und<br />

ihre Folgen für die Gesellschaft ethisch reflektieren<br />

Wissenschaft, Politik und Wirtschaft beinhalten zunehmend ethisches<br />

Konfliktpotential. Ein aktuell heftiges, zum Teil auch emotional diskutiertes<br />

Thema ist die Forschung mit embryonalen Stammzellen des<br />

Menschen.<br />

Wissenschaftler aus den Lebenswissenschaften und der Medizin fordern<br />

diese Forschung zu Gunsten von Therapien bislang unheilbar<br />

kranker Menschen: So könnten aus den embryonalen Stammzellen<br />

Hilfen für Patienten mit Alzheimer, Parkinson oder Diabetes gewonnen<br />

werden. Die Gegner berufen sich auf den Schutz des menschlichen<br />

Lebens bereits ab dem Zeitpunkt, an dem Ei- und Samenzelle<br />

miteinander verschmelzen – einer Definition, der sich auch der Gesetzgeber<br />

in Deutschland angeschlossen hat und diese Forschung<br />

untersagt. Die Forscher sehen hierin eine starke Beeinträchtigung<br />

ihrer Arbeit und vor allem Wettbewerbsnachteile gegenüber den Wissenschaftlern<br />

in Ländern, in denen die Forschung an oder mit embryonalen<br />

Stammzellen zulässig ist.<br />

Die Thematik ist deshalb so schwierig, weil beide Seiten – Befürworter<br />

wie Gegner – über stichhaltige Argumente für ihren Standpunkt<br />

verfügen: Auf der einen Seite der Anspruch, alle Möglichkeiten<br />

auszuschöpfen, Krankheiten zu heilen. Auf der anderen Seite der<br />

unbedingte Schutz ungeborenen menschlichen Lebens. Gleichwohl<br />

muss eine beiden Seiten genügende Lösung ethischer Probleme gefunden<br />

werden.<br />

Diese Diskussion zeigt deutlich, dass ethische Fragestellungen hochkomplex<br />

sind und in den seltensten Fällen etwas damit zu tun haben,<br />

was häufig mit ihnen assoziiert wird: nämlich das Bild des notorischen<br />

Gutmenschen, der Progressivität<br />

und wissenschaftliche Innovationen<br />

bremst und Regeln für alle gesellschaftlichen<br />

Belange einfordert.<br />

Das Gegenteil ist der Fall. Die Ethik<br />

ist ein Fachgebiet, das sich mit dem Instrumentarium<br />

grundsolider wissenschaftlicher<br />

Forschung aktueller Themen<br />

in Wissenschaft, Gesellschaft, Wirtschaft<br />

und Politik annimmt und Lösungsangebote<br />

für ethische Konflikte erarbeiten will. Das ist<br />

auch Ziel des Münchner Kompetenzzentrums<br />

Ethik (MKE) an der LMU, das am 20. Juli dieses Jahres<br />

feierlich eröffnet wurde.<br />

„Uns geht es ganz besonders darum, deutlich zu machen,<br />

dass die ethische Forschung eine für den praktischen<br />

Alltag sehr bedeutende Wissenschaft ist und keinesfalls im<br />

Elfenbeinturm stattfindet“, sagt Professor Wilhelm Vossenkuhl,<br />

Inhaber des Lehrstuhls Philosophie I an der LMU und Sprecher des<br />

MKE. „Wir haben uns zur Aufgabe gemacht, für alle Seiten tragfähige<br />

Lösungen etwa im Bereich der Stammzellenproblematik oder der<br />

Sterbehilfe zu finden“, erläutert Vossenkuhl, zu dessen eigenen Forschungsschwerpunkten<br />

die Grundlagen der Ethik und angewandte<br />

Ethik gehören.<br />

Gerade das Beispiel der embryonalen Stammzellenforschung zeigt<br />

deutlich, dass verschiedene wissenschaftliche Disziplinen an der Lösungsfindung<br />

mitarbeiten müssen: Lebenswissenschaftler, Mediziner,<br />

Theologen oder Juristen. Und genau diesen interdisziplinären<br />

Diskurs zu fördern hat sich das MKE auf die Fahnen geschrieben.<br />

GESTIEGENE AKZEPTANZ ETHISCHER FRAGESTELLUNGEN<br />

Dieser fachübergreifende Ansatz spiegelt sich auch in der Zusammensetzung<br />

des MKE wider: Insgesamt arbeiten dreizehn LMU-Fakultäten<br />

in der Einrichtung zusammen. Neun Forschungsverbünde<br />

widmen sich verschiedenen, fächerübergreifend angelegten Themenkomplexen,<br />

unter anderem aus den Bereichen Medizin-Biologie-<br />

Recht-Ethik, Wirtschafts- und Politische Ethik oder Ethik und Gesellschaft.


5 Ruhig sein, wozu das Schild in den<br />

neuen Räumen des Kompetenzzentrums<br />

Ethik – der ehemaligen philosophischen<br />

Bibliothek – auffordert,<br />

wollen seine Mitglieder nicht. Vielmehr<br />

geht es ihnen darum, konkrete<br />

Probleme zu benennen und Lösungen<br />

zu finden.<br />

„Wir wollen gemeinsam mit Wissenschaftlern aus<br />

anderen Fachbereichen herausfinden, wo man vertretbare<br />

Grenzen der Forschung definieren kann“,<br />

so Professor Vossenkuhl. „Dazu brauchen wir den<br />

Sachverstand des Mediziners, des Naturwissenschaftlers<br />

oder des Ökonomen.“<br />

Keinesfalls, so Vossenkuhl, solle die Forschung<br />

behindert oder in irgendeiner Art reglementiert<br />

werden. Allerdings soll ein kritischer Diskurs stattfinden,<br />

der fragwürdige Forschungsergebnisse<br />

benennt und für mögliche negative Folgen sensibilisiert:<br />

„Was wir für falsch halten, können wir<br />

nicht befürworten“, betont der Sprecher des MKE.<br />

Neben dem Komplex Medizin-Biologie-Recht-<br />

Ethik, der sich zum Beispiel mit der Stammzellenforschung<br />

beschäftigt, behandeln weitere Forschungsvorhaben<br />

die Schwerpunkte Theologie-<br />

Palliativmedizin, Wirtschaftsethik oder Politische<br />

Ethik. Dabei ist nicht nur die Forschung eine<br />

wichtige Säule des MKE. Genauso wichtig ist die<br />

Lehre, da Studierende aller Disziplinen als zukünftige<br />

Entscheidungsträger in verschiedenen gesellschaftlichen<br />

Bereichen mit ethischen Problemstellungen<br />

konfrontiert werden. „Wir wollen Studierende<br />

mit den Möglichkeiten der Lösung von<br />

ethischen Konflikten vertraut machen und sie möglichst<br />

früh an diese Themen heranführen“, erklärt<br />

Vossenkuhl. „Das<br />

ist besonders wichtig,<br />

da die Zahl dieser<br />

Probleme noch zunehmen<br />

wird und einen kompetenten<br />

Umgang erfordert.“ Verschiedene<br />

Lehrveranstaltungen,<br />

etwa zum Thema Menschenbilder in der<br />

Wirtschaftsethik, sind geplant. Als wichtiges<br />

Anliegen sieht Vossenkuhl die Integration von<br />

Lehrveranstaltungen zum Thema Ethik in die<br />

streng strukturierten Bachelor- und Masterstudiengänge.<br />

„Das ist eine große Herausforderung,<br />

in die engen Module noch Veranstaltungen<br />

zu integrieren, deren Bedeutung dem einen oder<br />

anderen sich vielleicht nicht gleich erschließt“, sagt<br />

Wilhelm Vossenkuhl. Dennoch ist er sich sicher,<br />

dass das Thema Ethik an der LMU eine bedeutendere<br />

Rolle spielen wird als bisher.<br />

Die Einrichtung des Ethikzentrums, so Vossenkuhl,<br />

verleihe der LMU das Profil einer <strong>Universität</strong>, die<br />

sich einer guten ethischen Praxis in Forschung und<br />

Lehre verpflichtet fühlt. Dazu gehöre auch die Vermittlung<br />

der Themen und Kompetenzen an die<br />

Öffentlichkeit. Schon in diesem Wintersemester<br />

sollen im Ethikzentrum, das in der ehemaligen philosophischen<br />

Bibliothek im LMU-Hauptgebäude<br />

sein Domizil gefunden hat, öffentliche Vorträge zu<br />

aktuellen ethischen Problemen und Fragestellungen<br />

stattfinden. ■ cg<br />

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20<br />

KOMPETENZNETZ DEPRESSION<br />

WENN DAS LEBEN ZUR LAST WIRD<br />

Depression ist eine gefährliche, weil immer noch zu wenig ernst genommene Volkskrankheit. Das deutschlandweit aktive Kompetenznetz<br />

Depression, Suizidalität, das an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU angesiedelt ist, hat sich als<br />

wichtigste Ziele gesetzt, sowohl die Erforschung der Krankheit, als auch die Sensibilisierung dafür in der breiten Öffentlichkeit<br />

voranzutreiben.<br />

Es begann vor drei Jahren, als Karl R. plötzlich einen starken Tinnitus<br />

bekam. „Ich hatte ein permanentes Rauschen im Ohr, ähnlich dem<br />

von Flugzeugtriebwerken im Leerlauf“, schildert er den Beginn einer<br />

Leidensgeschichte, die ihn fast völlig lethargisch werden ließ. Die<br />

Diagnose des Arztes: Der 65-Jährige litt unter einer schweren Depression.<br />

Dabei hatte R. noch Glück, dass der Arzt die Krankheit<br />

gleich richtig diagnostizierte. Denn die Symptomatik lässt, wie auch<br />

in seinem Fall, nicht immer sofort auf eine Depression schließen.<br />

„Die Patienten leiden unter ganz verschiedenen körperlichen Beschwerden,<br />

die von Magenproblemen über Appetitlosigkeit, ständige<br />

Müdigkeit und Schlaflosigkeit reichen können“, erläutert Professor<br />

Ulrich Hegerl. „Die unterschiedlichen Symptome haben in der<br />

Vergangenheit häufig zu Fehldiagnosen geführt“, so der Oberarzt<br />

und Leiter der Abteilung für Klinische Neurophysiologie an der<br />

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU.<br />

In Deutschland sind rund vier Millionen Menschen von Depression<br />

betroffen. Eine Studie der Weltgesundheitsorganisation klassifiziert<br />

das Leiden als Volkskrankheit Nummer 1 in den westlichen Industrieländern.<br />

Der hohe volkswirtschaftliche Schaden von mehreren Milliarden<br />

Euro, den die Krankheit hierzulande jährlich verursacht, hat in<br />

Politik und Wirtschaft mittlerweile zu einem Umdenken geführt und<br />

3 „Depression hat viele Gesichter“<br />

– das Kompetenznetz<br />

Depression, Suizidalität versucht<br />

sie zu zeigen.<br />

dazu, ihrer Bekämpfung höchste Priorität einzuräumen und den Betroffenen<br />

Hilfestellungen zu geben. So fördert beispielsweise das<br />

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Kompetenznetz<br />

Depression, Suizidalität, dessen Koordinator und Sprecher<br />

Professor Hegerl ist. Im Jahr 1999 gestartet und vom BMBF noch bis<br />

2008 gefördert, widmet sich das Netzwerk, an dem neben der Klinik<br />

der LMU noch weitere zehn <strong>Universität</strong>skliniken sowie externe Forschungseinrichtungen,<br />

Ärzte, aber auch Betroffene beteiligt sind, einer<br />

Verbesserung der Diagnostik, der Therapie sowie der Erforschung<br />

der Krankheit.<br />

„Ein wichtiges Anliegen von uns ist, auch den Blick in der breiten Öffentlichkeit<br />

für diese Krankheit zu schärfen“, erläutert Ulrich Hegerl.<br />

Ein gutes Beispiel für die erfolgreiche Arbeit des Kompetenznetzes<br />

ist das Teilprojekt „Nürnberger Bündnis gegen Depression“, das 2001<br />

ins Leben gerufen wurde. Es kooperiert intensiv mit Hausärzten und<br />

Multiplikatoren wie Lehrern, Pfarrern oder Apothekern, um das Bewusstsein<br />

für die Gefährlichkeit der Krankheit zu verbessern – mit<br />

durchschlagendem Erfolg: Die vernetzte Arbeit des Bündnisses gegen<br />

Depression führte in der Modellregion Nürnberg zu einer signifikanten<br />

Senkung der Suizide und Suizidversuche um mehr als 20<br />

Prozent.


Auch Karl R. hält erfolgreiche Aufklärungsarbeit für den wichtigsten<br />

Schritt bei der Bekämpfung der Krankheit: „Hätten meine Frau und<br />

ich früher gewusst, warum ich mich sozial immer mehr zurückgezogen<br />

habe und so antriebslos wurde, würde unsere Ehe heute noch<br />

bestehen.“ Durchhalteparolen wie „Es wird schon wieder“ oder „Reiß<br />

dich zusammen“, die Angehörige und Freunde den Betroffenen in<br />

Unwissenheit oft allzu leichtfertig vorhalten, helfen diesen nicht – sie<br />

sind sehr krank, lebensgefährlich krank und brauchen professionelle<br />

Hilfe. „Zwischen zehn und 15 Prozent der Patienten mit schweren,<br />

wiederholt auftretenden depressiven Phasen nehmen sich das<br />

Leben“, sagt Ulrich Hegerl. Auch Karl R. hatte mehrfach den Wunsch,<br />

Schluss zu machen. „Irgendwann wollte ich einfach nur noch, dass<br />

es aufhört“, erinnert er sich.<br />

VERNETZTE AUFKLÄRUNG<br />

Depressionen haben psychische und physische Ursachen. Keineswegs<br />

sind sie – wie häufig postuliert – allein psychisch bedingt und<br />

auf negative Änderungen in den Lebensumständen wie Verlust eines<br />

nahe stehenden Menschen, der Arbeit, oder Perspektivlosigkeit<br />

zurückzuführen. So hat eine dänische Studie zwar ergeben, dass viele<br />

Arbeitslose depressiv sind, jedoch in den meisten Fällen die Depression<br />

zur Arbeitslosigkeit geführt hat und nicht umgekehrt. Ebenso<br />

ist die Zahl der Suizide in den neuen Bundesländern nach der Wende<br />

deutlich zurückgegangen, obwohl das Leben großer Teile ihrer<br />

Bevölkerung von starker Perspektivlosigkeit geprägt ist.<br />

Physisch werden Depressionen vor allem durch eine Störung im<br />

Serotonin-Haushalt hervorgerufen. Serotonin ist ein Botenstoff – ein<br />

so genannter Neurotransmitter –, der maßgeblich für die Informationsübermittlung<br />

zwischen Nervenzellen im Gehirn zuständig ist. Ist<br />

der Haushalt gestört, kann dies zu Depressionen führen. Eine Behandlung<br />

mit Medikamenten wie Antidepressiva hilft, den Haushalt<br />

wieder zu regulieren und die Depression zum Abklingen zu bringen.<br />

Professor Hegerl: „Die Therapie mit Antidepressiva kann nur erfolgreich<br />

sein, wenn die Medikamente konsequent und vor allem auch<br />

über den Zeitpunkt der Besserung hinaus eingenommen werden.“<br />

90 Prozent der Betroffenen kann auf diese Weise gut geholfen werden.<br />

Auch Karl R. fühlt sich heute nach seiner Therapie wieder gut.<br />

Wenn er einen Rückfall erleiden sollte, so weiß er, dass es in seiner<br />

Heimatstadt Nürnberg viele Möglichkeiten gibt, ihm zu helfen. Er<br />

weiß, dass er mit seiner Krankheit nicht allein ist.<br />

Das Beispiel Bündnis gegen Depression hat nicht nur in Deutschland,<br />

wo bereits mehr als 20 Regionen lokale Bündnisse gestartet haben,<br />

sondern auch in Europa Schule gemacht: 16 Staaten beteiligen sich<br />

an der European Alliance Against Depression (EAAD), die auf Basis<br />

der Erfahrungen des Bündnisses im vergangenen Jahr ins Leben gerufen<br />

wurde und mit EU-Mitteln gefördert wird. Was auf nationaler<br />

Ebene schon Erfolg gezeigt hat, soll jetzt auch in anderen Ländern<br />

den Betroffenen und ihren Angehörigen helfen, ihr Leiden in den<br />

Griff zu bekommen und das Leben wieder als Lust und nicht als Last<br />

zu empfinden. ■ cg<br />

WEITERE INFORMATIONEN<br />

Rat und Hilfe für Betroffene und Angehörige:<br />

www.kompetenznetz-depression.de<br />

Kostenfreier Beratungsservice für Ärzte zu Krankheit,<br />

Diagnose und Therapie:<br />

www.psychiatriekonsil.de<br />

Europaweite Aktivitäten bei der Bekämpfung von Depressionen:<br />

www.eaad.net<br />

Ratgeber für Betroffene:<br />

Hegerl, Ulrich & Niescken, Svenja<br />

Depressionen bewältigen – die Lebensfreude wiederfinden<br />

Trias Verlag, Stuttgart 2004<br />

Hegerl, Ulrich & Althaus, David & Reiners, Holger<br />

Das Rätsel Depression – eine Krankheit wird entschlüsselt<br />

C.H. Beck, <strong>München</strong> 2005<br />

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MUM 04 | 2005 PROFILE<br />

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„AKTION LESEZEICHEN“<br />

ZERRISSEN, ZERNAGT, ZERFALLEN<br />

Der verheerende Brand in der Herzogin Anna<br />

Amalia Bibliothek in Weimar jährte sich am 2.<br />

September zum ersten Mal. Ein Bündnis deutscher<br />

<strong>Universität</strong>s- und Staatsbibliotheken nahm<br />

diesen Termin zum Anlass, mit der „Aktion Lesezeichen“<br />

für den verantwortungsvollen Umgang<br />

mit Büchern als den Bewahrern von Kultur<br />

und Geschichte zu werben. Deutschlandweit<br />

sind rund 60 Millionen Handschriften und<br />

Drucke vom Zerfall bedroht. Die <strong>Universität</strong>sbibliothek<br />

(UB) der LMU beteiligte sich mit einer<br />

kleinen Ausstellung an der Aktion.<br />

Eine schmucklose weiße Gittertür mündet in das<br />

Treppenhaus der zentralen <strong>Universität</strong>sbibliothek,<br />

Studierende sitzen auf den Stufen davor, reden oder<br />

lesen und schenken der Tür weiter keine Beachtung.<br />

Dabei ist dieses unauffällige und sorgfältig<br />

verschlossene Eisengitter der Zugang zu einer<br />

„Schatzkammer“, deren Inhalt nicht nur Liebhaber<br />

alter Schriften und Drucke in andächtige Stimmung<br />

versetzt: In dem <strong>Magazin</strong>raum, den man nach<br />

Überwindung des Gitters und weiterer schwerer<br />

Metalltüren erreicht, lagern nicht weniger als 3.200<br />

alte Handschriften, zum Teil aus dem Mittelalter,<br />

Nachlässe, knapp 8.000 besonders wertvolle alte<br />

Drucke (insgesamt besitzt die UB über 300.000 alte<br />

Drucke vor dem Erscheinungsjahr 1850) sowie<br />

über 3.500 Inkunabeln – also frühe Drucke aus der<br />

Zeit vor 1500.<br />

Die aufwändig gestalteten ledernen Einbände einer<br />

Vielzahl schwerer Folianten zieren juristische<br />

und theologische Lehrwerke aus den frühen Ingolstädter<br />

und Landshuter Jahren der LMU sowie liturgische<br />

Texte. In den Regalen finden sich Atlanten<br />

unter anderem aus der Zeit der beginnenden<br />

Expansion Europas nach Übersee oder medizinische<br />

Anschauungswerke, so ein Lexikon zur<br />

Feldchirurgie von Paracelsus.<br />

Diese illustre Sammlung macht die umfangreichen<br />

Sicherungsmaßnahmen verständlich: die schweren<br />

Türen, die vergitterten Deckenfenster, die vor unberechtigtem<br />

Zutritt schützen, und vor allem das<br />

Rauchansaugsystem, das über seine Rohrleitungen<br />

Raumluft an einen hochsensiblen elektronischen<br />

Sensor leitet, der selbst kleinste Mengen von<br />

Rauchgas in der Luft detektiert und sofort Feueralarm<br />

auslöst.<br />

Nicht zuletzt das Fehlen solcher Systeme führte im<br />

September vergangenen Jahres zum Verlust unschätzbar<br />

wertvoller literarischer Zeugnisse, als die<br />

Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar teilweise<br />

ausbrannte. Hier wurde auf schaurige Weise<br />

deutlich, wie gefährdet Bücher und Schriften<br />

sind, die als Zeugnisse das geistige, kulturelle, gesellschaftliche<br />

und historische Erbe eines Landes<br />

bewahren.<br />

Auf diese Tatsache sollte die bundesweite „Aktion<br />

Lesezeichen“, die anlässlich des Brandes am 2. September<br />

stattfand, aufmerksam machen und das<br />

Bewusstsein im Umgang mit Büchern in der breiten<br />

Öffentlichkeit schärfen. Auch die <strong>Universität</strong>sbibliothek<br />

<strong>München</strong> beteiligte sich mit der Ausstellung<br />

„Zerrissen – Zernagt – Zerfallen“ an der Aktion.<br />

„Die Reparatur und Restaurierung beschädigter<br />

Bücher oder die Neuanschaffung erfordern enorme<br />

Summen. Wir wollten mit unserer Präsentation<br />

dokumentieren, dass die Benutzer unserer Bibliothek<br />

bei der Erhaltung der Bücher auch ein Stück<br />

weit in der Verantwortung stehen“, erläutert Dr.<br />

Sven Kuttner, Leiter der Abteilung für Handschriften<br />

und alte Drucke in der UB.


3 Papierzerfall durch Säure und<br />

Mäusefraß sind nur zwei der vielen<br />

Schadensmöglichkeiten, denen<br />

Bücher, Drucke oder alte<br />

Schriften ausgesetzt sind .<br />

Die kleine Ausstellung im Treppenhaus der Zentralbibliothek am Geschwister-Scholl-Platz<br />

zeigte deutlich, dass ein Brand wie der in Weimar<br />

die zwar dramatischste, jedoch eine eher seltene Form der Gefährdung<br />

von Büchern darstellt. Zu kämpfen haben die Bibliothekare<br />

häufiger mit anderen Schadensarten, die ebenfalls zum vollständigen<br />

Verlust der betroffenen Druckwerke führen können. In den Vitrinen<br />

der UB waren geschundene Exponate aus dem Altbestand der<br />

Bibliothek zu sehen. Schimmel, Säure- und Tintenfraß, Wasser, häufiges<br />

Kopieren oder Feuer haben den Büchern arg zugesetzt. Eine<br />

Ausgabe von André Maurois’ „Wandlungen der Liebe“ wurde von<br />

Mäusen fein säuberlich ausgehöhlt, die darin ihr Nest bauten.<br />

Aber auch Möglichkeiten und Materialien der Bucherhaltung und -restaurierung<br />

fanden sich in der Ausstellung. Sie wurden von der Firma<br />

Depping zur Verfügung gestellt, die viele beschädigte Bücher der<br />

<strong>Universität</strong>sbibliothek restauriert.<br />

SCHLEICHENDE SELBSTZERSTÖRUNG<br />

„Schimmelbefall im Altbestand und Beschädigungen des Einbands<br />

sind bei uns die häufigsten Schadensbilder“, erklärt Sven Kuttner.<br />

Vor allem die unsachgemäße Auslagerung der Bücher während des<br />

Zweiten Weltkrieges begünstigte den Schimmelbefall: „Wir haben in<br />

unserem Altbestand derzeit etwa 100 besonders schwere Schadensfälle<br />

mit Schimmel“, so Kuttner.<br />

Einbandschäden entstehen hingegen zumeist durch häufiges Kopieren,<br />

bei dem Bücher aufgeschlagen mit Kraft auf die Glassscheibe<br />

des Kopierers gedrückt werden. Irgendwann bricht da auch der solideste<br />

Buchrücken. Im Gegensatz zur Restauration beispielsweise<br />

von Büchern, die mit Schimmel befallen sind, kann man Einbandreparaturen<br />

fast schon Routinearbeiten nennen – auch hinsichtlich der<br />

Kosten: „Für die Reparatur eines Einbands veranschlagen wir ungefähr<br />

120 Euro pro Werk“, erläutert Sven Kuttner. „Bei der Schimmelbekämpfung<br />

kann eine Restaurierung schon leicht mehr als das<br />

Zehnfache davon kosten.“<br />

Ein sehr großes Problem und der Schrecken eines jeden Bibliothekars<br />

ist jedoch der Säurefraß – gleichsam die schleichende Selbstzerstörung<br />

eines Buches. Statt teurer Lumpen wurde ab etwa 1850<br />

7 Die meisten Schäden entstehen<br />

am Buchrücken durch<br />

unsachgemäße Behandlung wie<br />

häufiges Kopieren.<br />

zunehmend Zellstoff in der industriellen Papierfertigung eingesetzt.<br />

Das Problem, das allerdings zu spät erkannt wurde: Zusatzmittel in<br />

diesem Papier sorgen im Laufe der Zeit für die Bildung von Schwefelsäure,<br />

die das Papier schließlich vollkommen zersetzt. Noch bis in<br />

die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts wurden säurehaltige Papiere für<br />

den Buchdruck verwendet – die Folgen für die Bibliotheken kann man<br />

sich vorstellen: „Man wird sicherlich nicht alles retten können, selbst<br />

mit modernen Verfahren der Massenentsäuerung. Dafür sind einfach<br />

zu viele Bücher betroffen“, erklärt Sven Kuttner. „Die einzige Möglichkeit,<br />

die Literaturproduktion aus dieser Zeit zu retten, ist die rechtzeitige<br />

Speicherung auf andere Datenträger wie CD-ROM oder Mikrofiche.“<br />

Die Menge der Druckwerke, die auf diese Art vom Verfall bedroht<br />

sind, ist nicht genau feststellbar. Fakt ist jedoch, dass unter den 60<br />

Millionen Büchern und Schriften, die in Deutschland vollkommen<br />

zerstört zu werden drohen, viele Unikate sind, deren Wissen nur in<br />

dieser Form vorhanden ist. Es wird Jahre dauern, dieses Wissen zu<br />

retten, und es steht zu befürchten, dass es für viele Werke bereits zu<br />

spät ist.<br />

Bestandserhaltung sollte aber nicht erst dann beginnen, wenn die<br />

Bücher schon geschädigt sind. Wirkungsvolle Erhaltung fängt bereits<br />

bei der Ausleihe an. Hier ist vor allem der Bibliotheksbenutzer gefordert,<br />

die Bücher pfleglich zu behandeln, vernünftig zu transportieren<br />

und vor allem möglichst wenig zu kopieren. Am 2. September waren<br />

wegen der vorlesungsfreien Zeit jedoch erwartungsgemäß wenig Studierende<br />

– die eigentlichen Adressaten der Ausstellung – vor Ort.<br />

„Ich hätte mir gewünscht, dass ein anderer Termin während der Vorlesungszeit<br />

für die Ausstellung gefunden worden wäre“, bedauert<br />

Kuttner. „Natürlich hat man sich im Aktionsbündnis letztlich wegen<br />

des Brandes in Weimar für dieses Datum entschieden.“ Der Bibliothekar<br />

plant eine vergleichbare Ausstellung für die Vorlesungszeit.<br />

Denn Bestandserhaltung ist das Gebot der Stunde. ■ cg<br />

MUM 04 | 2005 PROFILE<br />

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MUM 04 | 2005 ESSAY<br />

24<br />

PROF. DR.<br />

SUSANNE SCHRÖTER<br />

Lehrstuhl für<br />

Südostasienkunde,<br />

<strong>Universität</strong> Passau<br />

ESSAY<br />

ISLAMISCHER FEMINISMUS<br />

Der Islam wird in den westlichen Industrienationen meist als eine zutiefst Frauen verachtende<br />

Religion dargestellt – ein Bild, das vornehmlich von Vorurteilen getragen ist. Der Essay „Islamischer<br />

Feminismus – Ansätze und Perspektiven“ von Professor Susanne Schröter von der <strong>Universität</strong><br />

Passau, den sie im vergangenen Sommersemester im Rahmen des „Colloquium Gender<br />

Studies“ des Instituts für Soziologie an der LMU als Vortrag gehalten hat, setzt sich kritisch mit<br />

dieser Thematik auseinander.<br />

Nach der Debatte um Ehrenmorde, Gewalt gegen<br />

Frauen in muslimischen Ländern und einer muslimischen<br />

Diaspora, nach den Aufregungen um den<br />

Ausschluss muslimischer Schülerinnen vom Schulsport<br />

und der Diskussion um Parallelgesellschaften<br />

erscheinen die Begriffe „Islam“ und „Feminismus“<br />

fast wie ein Antagonismus. In diesem Beitrag<br />

möchte ich den Versuch einer Revision dieser Vorstellung<br />

unternehmen und die Grundzüge einer Reformbewegung<br />

darstellen, die sich explizit oder implizit<br />

als „islamischer Feminismus“ versteht.<br />

Dieser basiert, wie der westliche Feminismus,<br />

von dem er sich in vielerlei Hinsicht<br />

unterscheidet, auf politischen<br />

Forderungen, Maßnahmen, aber auch<br />

auf internationalen Vereinbarungen zur<br />

Gleichstellung von Frauen. Die Gleichberechtigung<br />

der Geschlechter steht heute<br />

auf der Agenda aller internationalen Organisationen.<br />

Auf der Weltfrauenkonferenz in Peking<br />

im Jahr 1995 verpflichteten sich 189 Staaten, dafür<br />

zu sorgen, die Rechte von Frauen zu schützen, die<br />

Gleichstellung der Geschlechter in Politik, Wirtschaft<br />

und Gesellschaft zu fördern, Bildungsunterschiede<br />

zwischen Männern und Frauen abzubauen,<br />

Gewalt gegen Frauen zu ahnden und weibliche<br />

Armut zu bekämpfen. Damit sind Forderungen, die<br />

historisch auf den in Europa und den USA entstandenen<br />

Feminismus zurückgehen, auch in nichtwestlichen<br />

Ländern zur Leitmaxime staatlicher Politik<br />

geworden. Zum Teil werden sie dort sogar sehr<br />

viel radikaler umgesetzt als bei uns. Gebildete Frauen,<br />

so Christine Schirrmacher und Ursula Spuler-<br />

Stegemann, die ein zorniges Buch über Frauenunterdrückung<br />

im Islam publiziert haben, sind in islamischen<br />

Ländern „oft so emanzipiert …, dass die<br />

nichtmuslimischen Frauen in der westlichen Hemisphäre<br />

kaum mitkommen.“ Das ist für westliche<br />

Feministinnen eine überraschende Erkenntnis, insbesondere<br />

da die Musliminnen in als besonders<br />

schwierig geltenden Problemfeldern des Gender<br />

Mainstreaming glänzen. Die Vereinbarkeit von Beruf,<br />

politischem Engagement und Familie stellt für<br />

Frauen meist kein unüberwindbares Hindernis dar.<br />

Das liegt zum einen an gut funktionierenden Strukturen<br />

der erweiterten Familie und der Verlagerung<br />

reproduktiver Arbeiten auf Hauspersonal, aber<br />

auch an einer Differenzierung zwischen familialer<br />

Rhetorik und Praxis. Der Umstand, dass Ehemann<br />

und die Kinder den ersten Platz im Leben einer<br />

muslimischen Frau einnehmen sollten, so erläuterte<br />

mir Siti Mariah Mahmod, die Vizepräsidentin<br />

der Islamischen Partei Malaysias (PAS),<br />

bedeute nicht, dass eine Frau ihre Kraft<br />

im Haushalt verausgaben müsse. Schließlich,<br />

so ihr Argument, habe der Prophet<br />

seine Hemdknöpfe auch selbst angenäht<br />

und dies nicht seinen Frauen überlassen.<br />

Bildung und berufliches Engagement werden<br />

bei Frauen geschätzt, und sowohl die weibliche<br />

Leistungsbereitschaft als auch der Einsatz für<br />

gleiche Chancen zeigen deutliche Resultate. In<br />

Ländern wie dem Iran oder Jordanien sind die<br />

Hälfte der Studierenden Frauen, in der Türkei, in<br />

Tunesien und in Algerien gab es für viele Berufssparten<br />

eine Quotenregelung für Frauen, und in<br />

vielen muslimischen Ländern arbeiten Frauen als<br />

Anwältinnen, <strong>Universität</strong>sprofessorinnen, Ärztinnen,<br />

Theologinnen oder hohe Staatsbeamtinnen.<br />

Frauenorganisationen gehören in Ländern mit<br />

muslimischer Mehrheit zu den aktivsten zivilgesellschaftlichen<br />

Organisationen. In Pakistan<br />

nimmt das Institute of Women’s Studies in Lahore<br />

eine Vorreiterrolle ein, im Sudan die private<br />

„Ahfad University for Women“, in Indonesien<br />

besitzt jede islamische <strong>Universität</strong> ein eigenes


Gender oder Women’s Studies Department. Aufgrund dynastischer<br />

Elitestrukturen stehen Frauen nicht nur Führungspositionen in Wirtschaft<br />

und Gesellschaft offen, sondern selbst höchste Staatsämter.<br />

Das muslimische Bangladesh, Pakistan, Indonesien und die Türkei<br />

wurden bereits von Präsidentinnen regiert.<br />

Vor diesem Hintergrund ist die gern zitierte Dichotomie zwischen<br />

emanzipierten westlichen und unterdrückten muslimischen Frauen<br />

mehr als problematisch und wird von Musliminnen zu Recht als diskriminierend<br />

empfunden. Erschwerend für einen Dialog kommt hinzu,<br />

dass Verweise auf Frauenrechte im Westen gerne benutzt werden,<br />

um ganz andere politische Ziele durchzusetzen. Schon Ende des<br />

19. Jahrhunderts, so Lila Abu-Lughod und Leila Ahmed, hätten britische<br />

Männer, die sich in der Heimat einen Namen als Feinde der<br />

Frauenbewegung gemacht hatten, in Ägypten die Verschleierung als<br />

gegen die Frauen gerichtete Sitte verurteilt. Diese doppelbödige Haltung<br />

westlicher Repräsentanten hat sich bis heute nicht geändert.<br />

Saba Mahmood kritisiert etwa, dass die militärische<br />

Operation „Enduring Freedom“<br />

in der Öffentlichkeit maßgeblich<br />

unter dem Vorwand der Befreiung der<br />

afghanischen Frauen geführt wurde. Die<br />

verschleierte Frau wurde dabei zum Zerrbild<br />

all der Werte stilisiert, die die westliche Kultur<br />

ausmachen, zum Symbol einer rhetorischen Mobilisierung.<br />

„The burqa-clad body of the Afghan woman”, so<br />

Mahmood, „became the visible sign of an enemy that threatens<br />

not only „us“, citizens of the West, but our entire civilization.“<br />

Musliminnen wehren sich<br />

gegen solche Bevormundungen<br />

und Instrumentalisierungen,<br />

doch sie sind<br />

weit davon entfernt, Menschenrechtsverletzungen<br />

und Ungleichheiten in<br />

ihren Ländern zu tolerieren oder gar zu rechtfertigen.<br />

Oft genug sind sie selbst von Repression<br />

betroffen wie die jemenitische Professorin<br />

Raufat Hassan, die in einem Frauenforschungsinstitut<br />

lehrte, bis ihr Institut auf Druck radikaler<br />

Islamisten geschlossen wurde und sie ihren Namen<br />

auf einer Todesliste entdeckte.<br />

Aktivistinnen, die den Terminus des Feminismus für<br />

sich reklamieren, sehen sich mit der Schwierigkeit konfrontiert,<br />

einerseits ihre muslimische Identität zu behaupten,<br />

sich andererseits aber gegen fundamentalistische<br />

Strömungen zur Wehr setzen zu müssen, so z.B. die<br />

malaysische Gruppe „Sisters in Islam“, die 1988 von Juristinnen<br />

und Theologinnen gegründet wurde, um sich gegen<br />

die fortschreitende Islamisierung der malaysischen Gesellschaft<br />

zur Wehr zu setzen. Die Aktivistinnen waren empört über die Missachtung<br />

und Benachteiligung von Frauen im neu eingeführten islamischen<br />

Recht, das der Zeugenaussage eines Mannes so viel Wert<br />

zumisst wie der von zwei Frauen, das Männern mehr als eine Ehefrau<br />

zugesteht und Gewalt gegen Frauen als legitime Erziehungsmaßnahmen<br />

erlaubt. Als gläubige Musliminnen, so Zainah Anwar, eine<br />

der Gründerinnen der Gruppe, konnten sie sich nicht vorstellen, dass<br />

Allah solche Ungerechtigkeiten gutheiße, daher sahen sie die Notwendigkeit,<br />

zusammen den Qur’an zu lesen und herauszufinden, ob<br />

die Unterdrückung von Frauen im Text gerechtfertigt wird. „Our reading<br />

opened a world of Islam that we could recognize”, schreibt sie,<br />

„a world for women that was filled with love and mercy and with equality<br />

and justice. We were more convinced that it is not Islam that oppressed<br />

women, but the interpretations of the Qur’an influenced by<br />

the cultural practises and values of a patriarchal society.”<br />

Die Idee der „Sisters in Islam“, den Qur’an mit weiblichen Augen neu<br />

zu lesen und der patriarchalischen Deutung eine feministische ent-<br />

gegenzusetzen, wurde durch<br />

die schwarze US-Amerikanerin Amnia<br />

Wadud mitinitiiert, die an der Internationalen<br />

Islamischen <strong>Universität</strong> in Kuala Lumpur gelehrt<br />

und gerade eine Dissertation über „The Qur’an and Woman”<br />

fertig gestellt hatte. Ihre Autorität als Theologin und<br />

ihre fundierte Kenntnis der islamischen Quellen erwiesen sich<br />

als notwendige Unterstützung gegen das Deutungsmonopol der<br />

konservativen malaysischen Rechtsgelehrten. Dass das Vorgehen<br />

der Frauen keine isolierte nationale Innovation darstellte, zeigt der<br />

Umstand, dass die Soziologin Fatima Mernissi zur gleichen Zeit in<br />

Marokko mit textkritischen Analysen und historischen Rekonstruktionen<br />

eine dezidiert feministische Position entwickelt hatte.<br />

Feministische Deutungen des Qur’an und der Überlieferungen stellen<br />

das wichtigste Instrument für Veränderungen der Situation von<br />

islamischen Frauen dar, da für gläubige Muslime das letztendliche<br />

Referenzsystem nur ein göttlich legitimiertes sein kann. Diese Herangehensweise<br />

sorgt zurzeit für bewegte Debatten, da die Auswahl<br />

der historischen Quellen, ihre Kontextualisierung und Interpretation<br />

eine Vielzahl heterogener Auslegungen möglich macht. Vor allem,<br />

wenn praktische Konsequenzen impliziert werden, mobilisieren Konservative<br />

zur Gegenoffensive. Amina Wadud hatte im März 2005 einen<br />

weltweiten Sturm der Empörung unter konservativen Muslimen<br />

ausgelöst, als sie in New York das erste gemischtgeschlechtliche Freitagsgebet<br />

leitete. Solche Provokationen werden im Westen kaum zur<br />

Kenntnis genommen – für Musliminnen bedeuten sie jedoch eine<br />

Herausforderung patriarchaler Strukturen, bei der sie ihr Leben riskieren.<br />

MUM 04 | 2005 ESSAY<br />

25


MUM 04 | 2005 FORUM<br />

26<br />

Vor kurzem hat Google weltweit großes Aufsehen erregt: In<br />

den nächsten Jahren sollen 15 Millionen Bände gedruckter<br />

Bücher digital erfasst und im Internet angeboten werden. Auch anderswo<br />

wurden Digitalisierungsprojekte auf den Weg gebracht. Verlage<br />

wehklagen, Rechte, von denen sie lebten, würden verletzt. Für<br />

jemanden, der Informationen sucht – sei es für ein Referat oder für<br />

eine wissenschaftliche Arbeit – kann man sich doch eigentlich<br />

nichts mehr wünschen als diese Art der Zugänglichkeit zu den gedruckten<br />

Werken der Vergangenheit. Unabhängig von Zeit und<br />

Raum kann recherchiert werden – auch im gesamten Text der<br />

Bücher. Die Fundstellen können<br />

herunter geladen, weiter bear-<br />

beitet, verteilt und ausgedruckt<br />

werden. Dafür ist lediglich ein<br />

Computer mit Internetzugang<br />

notwendig.<br />

Die leichte und dadurch vermehrte<br />

öffentliche Zugänglichkeit<br />

zu elektronischen Texten<br />

zeigt sich am Beispiel des Publikationsservers<br />

der <strong>Universität</strong>sbibliothek<br />

der LMU: Im<br />

Jahr 2004 wurde jede der dort<br />

aufliegenden elektronischen<br />

LMU-Dissertationen im Durchschnitt<br />

300 Mal aufgerufen. Sogleich nach dem „Hochladen“ der<br />

Arbeiten erfolgt weltweit der Zugriff. Der kostenfreie Zugriff auf<br />

wissenschaftliche Online-Publikationen über das Internet wird seit<br />

einigen Jahren von der so genannten „Open Access Initiative“ propagiert.<br />

Die namhaftesten Wissenschaftsorganisationen Deutschlands<br />

haben sich 2003 in der „Berliner Erklärung über offenen<br />

Zugang zu wissenschaftlichem Wissen“ angeschlossen und den<br />

Wissenschaftlern empfohlen, ihre Arbeiten beispielsweise auf <strong>Universität</strong>s-<br />

oder Instituts-Servern online zugänglich zu machen – entweder<br />

als ausschließliche Online-Publikationen, als Vorveröffentlichung<br />

oder nachdem sie in gedruckten Zeitschriften erschienen<br />

sind.<br />

Die in den letzten Jahren teilweise exorbitant gestiegenen Preise<br />

für wissenschaftliche Zeitschriften haben die Bibliotheken bei stagnierendem<br />

Etat genötigt, Abbestellungen in großem Maße vorzunehmen.<br />

Das „Open-Access-Modell“ kann die allgemeine Zugänglichkeit<br />

zu wissenschaftlichem Wissen absichern. An der LMU<br />

bietet dafür der Publikationsserver der UB eine Plattform.<br />

Freilich verlangt das neue Medium auch Anpassung und Umlernen<br />

seitens der Wissenschaftler und der davon Abhängigen. Derzeit<br />

sind die Akzeptanz und der Bekanntheitsgrad in manchen Bereichen<br />

noch gering und die Skepsis bezüglich der Langzeitverfügbarkeit<br />

und Qualitätssicherung ist noch groß. Aber das sind Aufgaben,<br />

die global und vor Ort gelöst werden müssen und können.<br />

Es führt kein Weg daran vorbei, wenn der Wissenschaftsstandort<br />

Deutschland den Anschluss an die internationale Spitze nicht<br />

verlieren will.<br />

Das Problem stellt sich in den einzelnen Wissenschaften in unterschiedlicher<br />

Weise. Die Technik- und die Naturwissenschaften<br />

benötigen einen rascheren und großflächigeren Austausch als die<br />

mehr raumbezogenen, oft eine breitere Öffentlichkeit ansprechenden<br />

Kulturwissenschaften. Die Publikationstätigkeit hat sich durch die gesteigerte<br />

Aktualisierung und ausgeweitete Quantitäten zumindest zulasten<br />

der formalen Qualität verschoben. Zur Durchgestaltung von Texten<br />

oder Optimierung filternder Schriftleitungen bleibt kaum Zeit. Dabei<br />

ist niemand mehr in der Lage, das unbegrenzte Materialangebot zu<br />

überblicken. Die kognitiven Wissenschaften sollten den Faktor Zeit wieder<br />

anders gewichten. Gerade für<br />

die Geisteswissenschaften ist die<br />

P R O + CONTRA<br />

umgehende Literaturbereitstellung<br />

keineswegs nur von Vorteil.<br />

Der Wissenschaftsdiskurs vollzieht<br />

sich auf unterschiedlichen<br />

Ebenen. Die Wahl des geeigneten<br />

Mediums ist dem jeweiligen<br />

Zweck anzupassen. Sie muss vornehmlich<br />

von der Gewichtigkeit<br />

des Textes abhängen. Der Buchdruck<br />

erscheint schon für Arbeiten<br />

von mittlerer Zeitwertigkeit<br />

(gültige Interpretationen, zusammenfassende<br />

Darstellungen oder<br />

Handbücher) nach wie vor zweckmäßig. Er verschafft breitere Beachtung<br />

und befördert die wissenschaftliche Auseinandersetzung nachhaltiger<br />

als elektronische Medien. Unverzichtbar erscheint die Printpräsentation<br />

auch künftig bei Publikationen mit Langzeitwert. Das gilt<br />

vor allem für die Grundlagenforschung. Der Kernbereich gerade akademischer<br />

Wissenschaft strebt dauerhafte Gültigkeit an. Er sollte dementsprechend<br />

für jedermann langfristig prinzipiell an jedem Ort zu jeder<br />

Zeit verfügbar sein, was am besten das Buch gewährleistet. Die<br />

elektronische Präsentation baut zwischen Bearbeiter und Nutzer eine<br />

Hürde auf, die technischer, praktischer oder finanzieller Art sein kann.<br />

Langfristig bleibt das ungelöste Problem der dauerhaften Datenkonservierung<br />

und -abrufung. Die modernen Medien belasten die Wissenschaftspraxis,<br />

die nicht nur aus dem Blickwinkel der Forschungszentren<br />

betrachtet werden darf, mit fachfremden Schwierigkeiten, die<br />

das Buch nicht stellt. Dieses wird den Gang der Forschung auch dann<br />

noch dokumentieren, wenn die elektronischen Medien darüber hinweggegangen<br />

oder diese selbst überholt sein werden.<br />

Das Buch ermöglicht eine echt demokratische Wissenskultur, die von<br />

Alter, Raum und Status weithin unabhängig ist. Diese Breitenwirkung<br />

wird die künftige Wissensgesellschaft auszubauen haben. Sie muss zumindest<br />

in lohnenden Bereichen im zweigleisigen Verfahren sowohl<br />

die traditionelle als auch die virtuelle Online-Bibliothek unterhalten. Dabei<br />

wird sich das Printmedium wegen der notwendigen abschließenden<br />

Festlegung als unterscheidendes Qualitätsmerkmal erweisen. Über<br />

den Administrations-, Kosten-, Kapazitäts- und Benutzbarkeitsargumenten<br />

ist der ästhetische Aspekt keinesfalls zu vernachlässigen. Zumindest<br />

das Qualitätsbuch, dessen Vermarktung zu anspruchsvollen<br />

Präsentationsformen zwingt, stellt noch immer ein hochrangiges Kulturgut<br />

dar. Seine Wertschätzung schlägt sich nach wie vor in den Bilanzen<br />

der niveaubewussten Verlage nieder.<br />

DRUCKWERK ADE?<br />

Der Medienwandel im Bereich des wissenschaftlichen Publizierens<br />

reißt eine tiefe Kluft zwischen dem Druckwerk und<br />

der netzbasierten Publikation – scheinbar. Denn tatsächlich<br />

sind beide in der wissenschaftlichen Welt nicht wegzudenken.<br />

7 Dr. Günter Heischmann,<br />

Leiter der <strong>Universität</strong>sbibliothek<br />

der <strong>Ludwig</strong>-<strong>Maximilians</strong>-Universtität<br />

7 Professor Dr. Alois Schmid<br />

Lehrstuhl für Bayerische Geschichte<br />

und Vergleichende Landesgeschichte<br />

mit besonderer Berücksichtigung des<br />

Mittelalters an der LMU


■ PROF. DR. BERND PÄFFGEN<br />

Fakultät für Kulturwissenschaften<br />

Der 1961 in Bergheim/Erft geborene Archäologe<br />

ist seit August 2005 Professor für Vor- und Frühgeschichte<br />

an der LMU. Von 1980 bis 1988<br />

studierte er die Fächer Vor- und Frühgeschichte,<br />

Geschichte, Kunstgeschichte, Provinzialrömische<br />

Archäologie, Christliche Archäologie und Byzantinistik<br />

an den <strong>Universität</strong>en Köln und Bonn, wo er<br />

1988 auch promovierte. Ein Reisestipendium der<br />

Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen<br />

Archäologischen Instituts brachte ihn 1989<br />

an die wichtigsten Ausgrabungsstätten in Spanien,<br />

Nordafrika, dem Nahen Osten, der Türkei und Griechenland,<br />

wo er sich mit dem spätantiken Städtewesen<br />

und seiner Veränderung im frühen Mittelalter<br />

beschäftigte. Von 1988 bis 2005 arbeitete Päffgen<br />

beim Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege,<br />

wo er zuletzt als Landesoberverwaltungsrat<br />

zahlreiche Ausgrabungen vom Paläolithikum bis in<br />

die Neuzeit leitete. Seit 1992 übernahm er Lehraufträge<br />

am <strong>München</strong>er Institut für Vor- und Frühgeschichte<br />

sowie an den <strong>Universität</strong>en Köln und<br />

Bonn, wo er sich 2001/2002 habilitierte. Seine<br />

Schwerpunkte liegen in Feldforschung, Siedlungsarchäologie,<br />

Städtewesen, Kontinuitätsfragen zwischen<br />

Antike und Mittelalter, dem Fundmaterial der<br />

germanischen Völker im 3./4. bis 8. Jahrhundert<br />

sowie Zeugnissen des frühen Christentums in<br />

West- und Mitteleuropa.<br />

■ PROF. DR. OLIVER JAHRAUS<br />

Fakultät für Sprach- und<br />

Literaturwissenschaften<br />

Oliver Jahraus, 1964 in Kempten im Allgäu geboren,<br />

hat im August 2005 den Lehrstuhl für Neuere<br />

deutsche Literaturwissenschaft (Nachfolge Frühwald)<br />

übernommen. Der Schwerpunkt der Forschungsarbeit<br />

wird im Bereich Literatur und Medien<br />

liegen. Jahraus studierte von 1984 bis 1990<br />

Germanistik und Philosophie in <strong>München</strong>, wo er<br />

1992 promovierte. Ab 1996 war er Assistent an der<br />

<strong>Universität</strong> Bamberg und habilitierte sich hier 2001<br />

mit einem Habilitationsstipendium der DFG. Seine<br />

Schwerpunkte in Forschung und Lehre umfassen<br />

NEUBERUFEN<br />

zum einen den Bereich der Medien, der konkreten<br />

Medienangebote insbesondere auch zur Filminterpretation.<br />

Zum anderen beschäftigt sich Jahraus<br />

mit der Theorieentwicklung des Faches, wobei dieser<br />

Schwerpunkt in einem weiter gespannten medienkulturwissenschaftlichen<br />

Feld angesiedelt ist.<br />

Die Ausrichtung auf Literatur- und Medientheorie<br />

soll den medienwissenschaftlichen Schwerpunkt<br />

der Germanistik am Institut für deutsche Philologie<br />

stärken und ihm ein eigenes Profil verleihen.<br />

Neben der „klassischen“ neueren deutschen Literaturgeschichte<br />

seit dem 18. Jahrhundert, neben<br />

Kleist oder Kafka, widmet sich Jahraus besonders<br />

auch der jüngeren und jüngsten deutschen Literatur.<br />

Sein Ziel in diesem Zusammenhang ist es, im<br />

Sommersemester 2007 die Tradition der Poetikprofessur<br />

an der LMU wieder neu zu beleben.<br />

■ PROF. DR. JENS WOLLING<br />

Sozialwissenschaftliche Fakultät<br />

Jens Wolling, 1962 in Hameln geboren, hat im Juni<br />

2005 eine Professur für Kommunikationswissenschaft<br />

übernommen. Nach dem Abitur absolvierte<br />

er eine Lehre als Zimmermann und arbeitete zwei<br />

Jahre in einem Entwicklungsprojekt. Anschließend<br />

studierte er von 1987 bis 1993 Kommunikationswissenschaft<br />

an der Freien <strong>Universität</strong> Berlin. 1999<br />

promovierte er an der TU Dresden. Danach lehrte<br />

und forschte er an der TU Ilmenau und arbeitete an<br />

seiner Habilitation. Von Herbst 2003 bis Sommer<br />

2005 vertrat er die Professur für Multimedia und<br />

Onlinekommunikation an der LMU. Auf diese – in<br />

Kommunikator- und Onlineforschung umgewidme-<br />

1 Prof. Dr. Oliver Jahraus<br />

MUM 04 | 2005 MENSCHEN<br />

27


MUM 04 | 2005 MENSCHEN<br />

28<br />

NEUBERUFEN<br />

1 Prof. Dr. Clemens Pornschlegel<br />

1 Prof. Dr. Kristina Reiss<br />

te Professur – ist er nun berufen worden.<br />

Jens Wolling befasst sich in seiner Forschung mit<br />

der empirischen Untersuchung von Mediennutzungs-<br />

und Medienwirkungsprozessen. In den<br />

zurückliegenden Jahren hat er sich schwerpunktmäßig<br />

mit der Frage beschäftigt, ob sich die<br />

Mediennutzungsentscheidungen von Rezipienten<br />

durch ihre Erwartungen an die Qualität von Medienangeboten<br />

und der Wahrnehmung bzw. der intersubjektiven<br />

Bestimmung der tatsächlichen Qualität<br />

erklären lassen. Dieser Ansatz – angewandt auf<br />

aktuelle Probleme der Onlinekommunikation – wird<br />

auch in der näheren Zukunft Gegenstand und<br />

Grundlage seiner Forschungsarbeit an der LMU<br />

sein.<br />

■ PROF. DR. CLEMENS PORNSCHLEGEL<br />

Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaften<br />

Clemens Pornschlegel, Jahrgang 1958, ist seit Juli<br />

2005 Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft<br />

an der LMU. Er studierte Germanistik,<br />

Philosophie, Musikwissenschaft und Romanistik an<br />

den <strong>Universität</strong>en Freiburg und Paris 8, wo er 1986<br />

sein Studium mit der „Maîtrise de philosophie“ abschloss,<br />

1987 erfolgte die wissenschaftliche Prüfung<br />

für das Lehramt an Gymnasien. 1992 promovierte<br />

Pornschlegel in Freiburg, 1999 habilitierte er<br />

sich an der LMU. Von 1988 bis 2001 arbeitete er<br />

als DAAD-Lektor an der Université François Rabelais,<br />

Tours (Frankreich), als wissenschaftlicher Assistent<br />

am Lehrstuhl von Prof. Dr. Gerhard Neumann<br />

an der LMU sowie als Oberassistent am Institut<br />

für Deutsche Philologie. Nach seiner Professur<br />

für „civilisation allemande“ an der Université<br />

de Montréal (Kanada) 2001 hatte Pornschlegel von<br />

2002 bis 2005 eine Professur für „civilisation germanique“<br />

an der Université de Franche-Comté, Besançon<br />

(Frankreich) inne und leitete den Master-<br />

Studiengang „Expert en relations européennes“. Er<br />

hat zur deutschen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts<br />

und zu den deutsch-französischen Kulturbeziehungen<br />

publiziert. Seine Forschungsschwerpunkte<br />

liegen in den Bereichen der „Ästhetik<br />

des Politischen“, „Literatur als Institution“ sowie<br />

„Nachkriegsliteratur“.<br />

■ PROF. DR. KRISTINA REISS<br />

Fakultät für Mathematik, Informatik und Statistik<br />

Kristina Reiss, Jahrgang 1952, ist zum Oktober<br />

2005 Nachfolgerin von Prof. Rudolf Fritsch auf dem<br />

Lehrstuhl für Didaktik der Mathematik und Informatik<br />

geworden. Sie studierte von 1971 bis 1975<br />

an der <strong>Universität</strong> Heidelberg Mathematik und Physik,<br />

legte dort das erste und zweite Staatsexamen<br />

ab und promovierte ebenfalls in Heidelberg im Jahr<br />

1980 zum Dr.rer.nat. Nach einer Tätigkeit als wissenschaftliche<br />

Angestellte und Akademische Rätin<br />

an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe folgten<br />

Professuren an der Fachhochschule für Technik<br />

in Stuttgart sowie den <strong>Universität</strong>en Flensburg,<br />

Oldenburg und Augsburg. Ihr wissenschaftliches<br />

Interesse gilt vor allem der Entwicklung mathematischer<br />

Kompetenzen bei Kindern und Jugendlichen<br />

sowie den Unterrichtsbedingungen, die für<br />

eine Kompetenzentwicklung förderlich sind. Die<br />

Fragestellungen werden in verschiedenen Projekten<br />

bearbeitet, die sie in interdisziplinärer Kooperation<br />

mit Erziehungswissenschaftlern durchführt.<br />

Außerdem befasst sie sich mit Fragen des Computereinsatzes<br />

im Mathematikunterricht. Ein weiterer<br />

Arbeitsschwerpunkt liegt im Umfeld der „Bildungsstandards<br />

für den Mathematikunterricht“.<br />

Kristina Reiss möchte an der LMU ihre wissenschaftlichen<br />

Kooperationen über die Fakultätsgrenzen<br />

hinweg noch einmal verstärken.<br />

■ PROF. DR. DR. H.C. MATTHIAS MANN,<br />

Honorarprofessor an der Fakultät für Chemie<br />

und Pharmazie<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. Matthias Mann ist neuer Honorarprofessor<br />

an der Fakultät für Chemie und<br />

Pharmazie der LMU. Mann wurde 1959 in Thuine,<br />

Kreis Lingen geboren. Nach dem Physikstudium an<br />

der Georg-August-<strong>Universität</strong> in Göttingen promovierte<br />

er 1988 an der Yale <strong>Universität</strong> in New Haven,<br />

Connecticut, und war nach seiner Postdoc-Zeit<br />

an der University of Southern Denmark in Odense<br />

fünf Jahre Gruppenleiter am European Molecular<br />

Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg, bevor er<br />

1997 an die University of Southern Denmark<br />

zurückkehrte, wo er seitdem eine Professur für<br />

Bioinformatik bekleidet. Seit 1997 ist er gleichzeitig<br />

Co-Direktor des „Center for Experimental Bioinformatics“,<br />

an dem er 2004 Direktor wurde. Seit<br />

2003 ist Mann Direktor am Max-Planck-Institut für<br />

Biochemie in Martinsried im Nebenamt und seit<br />

dem 1. Mai 2005 Direktor in der Abteilung Proteomik<br />

und Signaltransduktion.<br />

Während seiner Zeit als Gruppenleiter am EMBL<br />

gelang es Professor Mann, die Methodik der Nano-<br />

Elektrospray-Massenspektrometrie als ein Tool für<br />

den Datenbankabgleich von durch Massenspektrometrie<br />

erhaltenen Protein-Fingerabdrücken zu<br />

entwickeln. Mit der Entwicklung dieser bahnbrechenden<br />

Technologie und deren Anwendung in der<br />

Biochemie und Biologie werden heute weltweit<br />

Proteine hochsensitiv identifiziert. Mann gilt als einer<br />

der weltweit führenden Wissenschaftler im Bereich<br />

der Proteomics und bei der direkten Anwendung<br />

technischer Entwicklungen der Massenspektroskopie<br />

auf biologische und zellspezifische Problemstellungen.<br />

Die Massenspektrometrie ist ein Analyseverfahren<br />

zur Bestimmung chemischer Elemente, Molekülmassen<br />

und Massenfragmente. Mit ihrer Hilfe wird<br />

nachgewiesen, wie häufig bestimmte Bestandteile<br />

vorhanden sind, so dass die Struktur und Zusammensetzung<br />

von Verbindungen und Gemischen<br />

aufgeklärt werden kann.


■ PROFESSOR THOMAS ARETZ VON<br />

HARVARD MEDICAL INTERNATIONAL<br />

WIRD EHRENBÜRGER DER LMU<br />

Als sichtbares Zeichen für eine gelungene transatlantische<br />

Kooperation und in Würdigung seiner<br />

außerordentlichen Verdienste wurde Professor Thomas<br />

Aretz am 10. Oktober 2005 die Ehrenbürgerwürde<br />

der <strong>Ludwig</strong>-<strong>Maximilians</strong>-<strong>Universität</strong> (LMU)<br />

<strong>München</strong> verliehen. Der Vice President for Education<br />

von Harvard Medical International (HMI) hat<br />

sich in herausragender Weise um einen tief greifenden<br />

Innovationsprozess in der Medizinischen<br />

Fakultät verdient gemacht und darüber hinaus wesentlich<br />

zur Steigerung der Reputation und Attraktivität<br />

der LMU im In- und Ausland beigetragen.<br />

Die LMU ehrt Thomas Aretz mit ihrer höchsten<br />

Auszeichnung vor allem für seine Arbeit in der Munich-Harvard<br />

Alliance for Medical Education. „Der<br />

Aufbau und die Erfolge der Alliance sind eng mit<br />

Thomas Aretz verbunden und ohne sein Engagement<br />

nicht denkbar“, lobte LMU-Rektor Professor<br />

Bernd Huber den neuen Ehrenbürger der LMU. Der<br />

Ärztliche Direktor des Klinikums der <strong>Universität</strong><br />

<strong>München</strong>, Professor Klaus Peter, würdigt ihn als<br />

„wichtigen Ideengeber, begeisternden Lehrer, kritischen<br />

Berater und zuverlässigen Coach für die<br />

Mediziner der LMU.“<br />

Die LMU hat 1996 begonnen, das Modell des Reformstudiengangs<br />

der Harvard Medical School auf<br />

die eigene ärztliche Ausbildung zu übertragen.<br />

1996 wurde die Munich-Harvard Alliance for Medical<br />

Education gegründet, mit der die Kooperation<br />

zwischen der LMU und Harvard Medical institutionalisiert<br />

wurde.<br />

Thomas Aretz wurde am 5. September 1948 in<br />

Obernburg am Main geboren. Nach dem Abitur<br />

ging er zum Studium in die USA. Er nahm 1972 für<br />

Deutschland an den Schwimmwettbewerben der<br />

Olympischen Spiele in <strong>München</strong> teil, setzte sein<br />

Studium aber in den USA fort, wo er 1977 an der<br />

Harvard Medical School den Grad eines Medical<br />

Doctor erwarb. Schwerpunkt seiner Forschung und<br />

klinischen Arbeit ist die kardiovaskuläre Pathologie.<br />

Seit 1999 arbeitet Thomas Aretz für Harvard<br />

Medical International. Er ist dort als Direktor verantwortlich<br />

für Ausbildungsprogramme und alle internationalen<br />

Allianzen. Aretz gehört der Senior<br />

Management Group von HMI an.<br />

3 Der Kommunikationswissenschaftler Prof. Heinz Pürer<br />

(links) erhält das österreichische Ehrenkreuz aus der<br />

Hand von Staatssekretär Franz Morak.<br />

PREISE & EHRUNGEN<br />

■ LMU-KOMMUNIKATIONSWISSEN-<br />

SCHAFTLER HEINZ PÜRER ERHÄLT<br />

ÖSTERREICHISCHES EHRENKREUZ<br />

Für seine Verdienste um die Journalistenausbildung<br />

hat der Kommunikationswissenschaftler Professor<br />

Heinz Pürer das österreichische Ehrenkreuz<br />

für Wissenschaft und Kunst erhalten. Pürer, der seit<br />

1986 Professor für Kommunikationswissenschaft<br />

an der LMU ist, war Mitbegründer und von 1978<br />

bis 1986 erster Leiter des österreichischen Kuratoriums<br />

für Journalistenausbildung (KfJ). Das KfJ<br />

ist eine von den Mediensozialpartnern in Österreich<br />

verantwortete Einrichtung für die berufsbegleitende<br />

Journalistenausbildung, an der Pürer auch nach<br />

seinem Wechsel nach <strong>München</strong> als Dozent und<br />

Ideengeber wirkte. Von Pürer stammen auch Idee<br />

und ursprüngliches Konzept des 1984 erstmals veröffentlichten<br />

und seither in fünf überarbeiteten Auflagen<br />

(zuletzt 2004) erschienenen Standardlehrbuches<br />

„Praktischer Journalismus“, das sich mit<br />

Journalismus in Presse, Radio, Fernsehen und Internet<br />

befasst.<br />

MUM 04 | 2005 MENSCHEN<br />

29


MUM 04 | 2005 MENSCHEN<br />

30<br />

PREISE & EHRUNGEN<br />

1 Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Graf<br />

1 Prof. Dr. Friederike Klippel<br />

■ EHRUNGEN FÜR PROFESSOR GRAF<br />

Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Graf, Abteilung für Systematische<br />

Theologie der Evangelisch-Theologischen<br />

Fakultät, ist vom Wissenschaftskolleg Berlin<br />

(Institute for Advanced Study) zum „Permanent Fellow“<br />

berufen worden. Zugleich haben der Präsident<br />

der Humboldt-<strong>Universität</strong> Berlin sowie der Präsident<br />

der Freien <strong>Universität</strong> jeweils das Angebot gemacht,<br />

eine Forschungsprofessur ad personam einzurichten.<br />

Permanent Fellows beraten den Rektor des Wissenschaftskollegs<br />

bei der Auswahl von Fellows und<br />

gehen ansonsten ihren eigenen Forschungsinteressen<br />

nach. Graf soll eine internationale Forschergruppe<br />

über „religious mobility“, d.h. über religiöse<br />

Transformationsprozesse im frühen 21. Jahrhundert<br />

moderieren.<br />

■ DREI LMU-PROFESSOREN ERHALTEN<br />

BAYERISCHEN VERDIENSTORDEN<br />

Die Ordinaria für Didaktik der englischen Sprache<br />

und Literatur und Prorektorin der LMU, Professor<br />

Friederike Klippel, der Ordinarius für Herzchirurgie,<br />

Professor Bruno Reichart und der emeritierte Botanik-Professor<br />

Otto Kandler haben am 14. Juli 2005<br />

im Rahmen einer Feierstunde in der <strong>München</strong>er Residenz<br />

von Ministerpräsident Edmund Stoiber den<br />

Bayerischen Verdienstorden erhalten. Sie wurden<br />

mit dem Orden als „Zeichen ehrender und dankbarer<br />

Anerkennung für hervorragende Verdienste um<br />

den Freistaat Bayern und das bayerische Volk“ ausgezeichnet.<br />

Professor Dr. Friederike Klippel erhält den Preis für<br />

ihr großes Engagement für die Fachdidaktik als Wissenschaft.<br />

Die Anglistin gehört dem wissenschaftlichen<br />

Beirat zu PISA und DESI an. Im Bereich der<br />

Lehrerbildung hat sie als Vorsitzende des Gründungsbeirats<br />

mit dem Aufbau des im Frühjahr 2005<br />

eröffneten Lehrerbildungszentrums der LMU Maßstäbe<br />

gesetzt. Friederike Klippel ist seit April 2003<br />

Prorektorin der LMU.<br />

Professor Dr. Bruno Reichart, Direktor der Herzchirurgischen<br />

Klinik der LMU, hat sich über Jahrzehnte<br />

im Bereich der Herztransplantationen einen<br />

Namen gemacht und dem Klinikum der <strong>Universität</strong><br />

<strong>München</strong> zu Weltgeltung verholfen. In den letzten<br />

Jahren hat sich Reichart mit dem Thema Xenotransplantation<br />

beschäftigt – der Übertragung von<br />

tierischen Zellen und Organen auf den Menschen.<br />

In der Öffentlichkeit setzt er sich besonders für das<br />

Thema Organspende ein.<br />

Professor Dr. Dr. h.c. mult. Otto Kandler, emeritierter<br />

Ordinarius für Allgemeine Botanik, hat von 1968<br />

bis 1986 an der LMU gelehrt und geforscht. Mit Carl<br />

Woese ergänzte er die traditionelle Einteilung der<br />

Lebewesen in Eukaryonten und Prokaryonten um eine<br />

dritte Form, die Archaea. Später widmete er sich<br />

der Erforschung von Waldschäden. Er wandte sich<br />

mit den Ergebnissen seiner Forschung schon früh<br />

gegen die These vom flächendeckenden Waldsterben.<br />

■ EHRENDOKTORWÜRDE FÜR PROFESSOR<br />

SCHÜNEMANN<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. Bernd Schünemann, Inhaber des<br />

Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtsphilosophie<br />

und Rechtssoziologie sowie geschäftsführender<br />

Direktor des Instituts für Rechtsphilosophie<br />

und Rechtsinformatik und Direktor des Instituts<br />

für die gesamten Strafrechtswissenschaften der<br />

LMU, wurde vom Rechtsinstitut der Mongolischen<br />

Staatsuniversität in Ulan Bator der Titel eines Doktor<br />

Honoris Causa verliehen. Diese Ehrung würdigt<br />

seine besonderen Verdienste bei der Erneuerung der<br />

Rechtsausbildung in der Mongolei.<br />

■ GROSSES VERDIENSTKREUZ FÜR<br />

HONORARPROFESSOR STRAUS<br />

Prof. Dr. Joseph Straus, seit Mai 1998 Honorarprofessor<br />

für Patentrecht an der Juristischen Fakultät,<br />

wurde im April das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens<br />

der Bundesrepublik Deutschland verliehen.<br />

Ausgezeichnet wurde er für seine herausragenden<br />

Leistungen auf dem Gebiet der Patentrechtswissenschaft<br />

in Deutschland und Europa.<br />

Straus ist seit langem Berater der Bundesregierung<br />

sowie internationaler Organisationen bei der Weiterentwicklung<br />

des Patentrechts. Seit 1990 hatte er<br />

Lehraufträge für Deutsches und Europäisches Patentrecht<br />

an der LMU übernommen.<br />

■ PROFESSOR FISCHER IN BAYERISCHE<br />

AKADEMIE DER SCHÖNEN KÜNSTE<br />

AUFGENOMMEN<br />

Prof. Dr. Jens Malte Fischer vom Institut für Theaterwissenschaft<br />

ist als ordentliches Mitglied in die<br />

Abteilung Literatur der Bayerischen Akademie der<br />

Schönen Künste aufgenommen worden. Die Bayerische<br />

Akademie der Schönen Künste ist eine Vereinigung<br />

von namhaften Persönlichkeiten aus dem<br />

künstlerischen Leben. Sie wurde im Jahr 1948 vom<br />

Freistaat Bayern als „oberste Pflegestelle der Kunst“<br />

gegründet.


■ BESTER LMU-DOKTORAND ERHÄLT<br />

KULTURPREIS BAYERN 2005 IN DER<br />

KATEGORIE DISSERTATION<br />

Dr. Jan Weigand von der Fakultät für Chemie und<br />

Pharmazie, Anorganische Chemie, Forschungsgruppe<br />

Prof. Thomas M. Klapötke, ist als bester<br />

LMU-Doktorand mit dem Kulturpreis Bayern der<br />

E.ON AG 2005 ausgezeichnet worden. Für seine Dissertation<br />

„High Energy Density Materials Based on<br />

Tetrazole and Nitramine Compounds – Synthesis,<br />

Scale-Up and Testing“ erhält er ein Preisgeld von<br />

5.000 Euro. Der mit insgesamt 154.000 Euro dotierte<br />

E.ON Kulturpreis wird erstmalig dieses Jahr in enger<br />

Partnerschaft mit dem Bayerischen Staatsministerium<br />

für Wissenschaft, Forschung und Kunst verliehen.<br />

Für hervorragende Leistungen in der Sparte<br />

Kunst werden jährlich fünf Preisträger, im Bereich<br />

der Wissenschaft die besten Doktoranden der neun<br />

<strong>Universität</strong>en, die besten Diplomanden der 13 Fachhochschulen<br />

und die besten Absolventen der fünf<br />

Kunsthochschulen Bayerns ausgezeichnet.<br />

■ NANOWISSENSCHAFTSPREIS 2005<br />

FÜR NIELS FERTIG<br />

Dr. Niels Fertig, Geschäftsführer der <strong>München</strong>er Nanion<br />

Technologies GmbH, einer Ausgründung aus<br />

dem Center for NanoScience der LMU (CeNS), ist<br />

Preisträger des Nanowissenschaftspreises 2005 des<br />

Hamburger Kompetenzzentrums für Nanotechnologie<br />

HanseNanoTec. Der mit 5.000 Euro dotierte Preis<br />

würdigt hervorragende Arbeiten von jüngeren Wissenschaftlern<br />

auf dem Gebiet der Nanowissenschaf-<br />

ten und Nanotechnologie in Deutschland. Dr. Fertig,<br />

der 2002 am CeNS promovierte, hat einen Biochip<br />

entwickelt, mit dem die Wirkungen neuer Arzneimittel<br />

auf menschliche Zellen besser getestet werden<br />

können. Das Kompetenzzentrum HanseNano-<br />

Tec ist ein Netzwerk für alle Forscher, Unternehmer,<br />

Finanzdienstleister und Förderorganisationen, die<br />

im Themenfeld Nanotechnologie arbeiten.<br />

■ EHRENDOKTORWÜDE FÜR PROFESSOR<br />

KÜPPER<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Ulrich Küpper, Direktor des<br />

Instituts für Produktionswirtschaft und Controlling<br />

an der Fakultät für Betriebswirtschaftslehre, wurde<br />

von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der<br />

Technischen <strong>Universität</strong> <strong>München</strong> die Ehrendoktorwürde<br />

verliehen. Er erhielt diese Auszeichnung in<br />

Anerkennung „seiner herausragenden Leistungen<br />

in der Wissenschaft, insbesondere der betriebswirtschaftlichen<br />

Theorie der Produktion, der Kostenrechnung,<br />

des Controlling und der Unternehmensethik“.<br />

Außerdem würdigt die Fakultät Küppers Engagement<br />

um die Neuausrichtung des deutschen<br />

<strong>Universität</strong>ssystems. Prof. Küpper, Jahrgang 1945,<br />

ist seit 1990 an der LMU und gilt als ein herausragender<br />

Vertreter der Betriebswirtschaftslehre in<br />

Deutschland.<br />

1 Prof. Dr. Dr. h.c.<br />

Hans-Ulrich Küpper


MUM 04 | 2005 MENSCHEN<br />

32<br />

PREISE & EHRUNGEN<br />

1 Prof. Dr. Monika Schnitzer<br />

■ PROFESSOR MONIKA SCHNITZER ERHÄLT<br />

VERDIENSTORDEN DER BUNDESREPUBLIK<br />

DEUTSCHLAND<br />

Professor Monika Schnitzer, Ordinaria für Volkswirtschaftslehre<br />

an der LMU, hat am 4. Oktober in<br />

Berlin aus der Hand von Bundespräsident Horst<br />

Köhler den Verdienstorden der Bundesrepublik<br />

Deutschland erhalten. Professor Schnitzer wird damit<br />

für ihre herausragenden Forschungsleistungen<br />

sowie ihr Engagement als Studiendekanin für die<br />

Verbesserung der Lehre ausgezeichnet.<br />

Monika Schnitzer, Jahrgang 1961, ist seit August<br />

1996 Professorin am Seminar für komparative Wirtschaftsforschung<br />

an der LMU. Ein wichtiger Schwerpunkt<br />

ihrer Forschung liegt unter anderem im Bereich<br />

der Transformationsökonomie vor dem Hintergrund<br />

der EU-Erweiterung. Im Fokus stehen hier<br />

die wirtschaftlichen Transformationsprozesse in Ostund<br />

Südeuropa mit der Fragestellung, wie die wirtschaftlichen<br />

und sozialen Rahmenbedingungen der<br />

Transformationsländer optimal zu gestalten sind.<br />

Professor Schnitzer ist Mitglied des Wissenschaftlichen<br />

Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft<br />

und Arbeit sowie bei der Economic Advisory Group<br />

on Competition Policy der Europäischen Kommission.<br />

Für ihre Forschungstätigkeiten wurde Professor<br />

Schnitzer bereits mit dem Akademiepreis der Nordrhein-Westfälischen<br />

Akademie der Wissenschaften<br />

ausgezeichnet.<br />

In den acht Jahren ihrer Amtszeit hat sie sich als Studiendekanin<br />

der Volkswirtschaftlichen Fakultät der<br />

LMU besonders für die Verbesserung der Lehre eingesetzt.<br />

■ EDISON-PREIS 2005 AN LMU-DIPLOMAND<br />

Matthias Huber, wissenschaftlicher Mitarbeiter am<br />

Mathematischen Institut, ist Preisträger des Edison<br />

Silber Preises 2005 der GE Foundation und des Institute<br />

of International Education. Mit dem mit 2.500<br />

Euro dotierten Preis wurde er für seine Diplomarbeit<br />

in der Mathematischen Physik bei Prof. Heinz Siedentop<br />

ausgezeichnet. Die Fakultät erhält ebenfalls<br />

eine entsprechende Prämie. Die GE Foundation, eine<br />

Stiftung von General Electric, fördert mit ihrem<br />

neuen Programm hochqualifizierte Studierende, die<br />

innovative Forschung im Bereich der Ingenieurwissenschaften<br />

sowie weiteren technischen Fachgebieten<br />

betreiben.<br />

■ EHRENSENATORWÜRDE DER LMU<br />

FÜR URSULA HAEUSGEN<br />

Die Gründerin und Stifterin des Lyrik Kabinetts, Ursula<br />

Haeusgen, hat die Ehrensenatorwürde der LMU<br />

erhalten. Mit der Auszeichnung würdigt die LMU<br />

das Engagement Haeusgens für die deutschlandweit<br />

einzigartige Sammlung deutsch- und fremdsprachiger<br />

Lyrik. LMU-Rektor Professor Bernd Huber verlieh<br />

die Ehrensenatorwürde am 10. Juni 2005 im<br />

Rahmen des 533. Stiftungsfestes. Ursula Haeusgen<br />

gründete 1994 den Verein „Lyrik-Kabinett e.V./Lesegesellschaft<br />

von Freunden und Liebhabern der<br />

Poesie“. Grundstock für den Verein war ihre Schenkung<br />

eines wertvollen Buchbestands an Lyrik-Bänden<br />

aus aller Welt, Künstlerbüchern, seltenen Erstausgaben<br />

sowie ausgewählter Sekundär- und Referenzliteratur.<br />

1997 ging die Lyrik-Bibliothek als<br />

„Dauerleihgabe zur Förderung von Forschung, Lehre<br />

und Studium“ an das Institut für Allgemeine und<br />

Vergleichende Literaturwissenschaft (Komparatistik).<br />

2003 wurde die „Stiftung Lyrik Kabinett“ gegründet,<br />

im Frühjahr 2005 zog die 30.000 Bände<br />

umfassende Bibliothek in den von der Stiftung finanzierten<br />

Neubau im Hof des LMU-Gebäudes in<br />

der Amalienstraße 83.<br />

Ursula Haeusgen wurde 1999 mit dem „Silbergriffel“<br />

der Stiftung zur Förderung des Schrifttums ausgezeichnet.<br />

Sie ist seit 2000 Trägerin des Bundesverdienstkreuzes<br />

am Bande und erhielt 2002 den<br />

Schwabinger Kunstpreis.<br />

■ ZENTRUM FÜR PALLIATIVMEDIZIN ERHÄLT<br />

GESUNDHEITSPREIS 2005<br />

Das Interdisziplinäre Zentrum für Palliativmedizin<br />

(IZP) hat den Gesundheitspreis „Rufzeichen Gesundheit!“<br />

2005 der Apotheken-Umschau erhalten.<br />

Die Auszeichnung ist mit 25.000 Euro dotiert. Prof.<br />

Dr. Gian Domenico Borasio, geschäftsführender Vorstand<br />

des IZP, nahm die Urkunde und eine Skulptur<br />

entgegen. Das IZP wurde von einer hochrangig besetzten<br />

Expertenjury unter 77 Projekten ausgewählt.<br />

Als Teil des Klinikums der <strong>Universität</strong> <strong>München</strong> integriert<br />

das IZP die Bereiche der palliativen Krankenversorgung,<br />

weit gefächerte palliativmedizinische<br />

Forschung, die Ausbildung der Medizinstudierenden<br />

auch in Palliativmedizin, sowie Fort- und<br />

Weiterbildung für alle Berufe der Palliativversorgung<br />

im Rahmen der Christophorus Akademie. Der Gesundheitspreis<br />

wird jährlich von der Apotheken-Umschau,<br />

dem größten Gesundheitsmagazin Deutschlands,<br />

für herausragende Leistungen im deutschen<br />

Gesundheitswesen vergeben.<br />

■ PREIS DER BAYERISCHEN LANDES-<br />

STIFTUNG FÜR PROFESSOR MAIER<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Maier, emeritierter Professor<br />

für Politische Wissenschaft sowie für Christliche<br />

Weltanschauung, Religions- und Kulturtheorie (Guardini-Lehrstuhl)<br />

an der LMU und ehemaliger


Bayerischer Staatsminister für Unterricht und Kultus,<br />

erhält den Kulturpreis 2005 der Bayerischen<br />

Landesstiftung. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert.<br />

Die Bayerische Landesstiftung zeichnet hervorragende<br />

Leistungen auf kulturellem und sozialem Gebiet<br />

sowie im Bereich des Umweltschutzes aus, die<br />

einen engen Bezug zu Bayern haben. Die Preisverleihung<br />

erfolgt durch den Ministerpräsidenten als<br />

dem Vorsitzenden des Stiftungsrats im November.<br />

■ AUSZEICHNUNG FÜR<br />

NACHWUCHSFORSCHER<br />

Den Scientific Award in der Kategorie „Diplom-, Magister-,<br />

Bachelor- und Masterarbeiten“ der BMW<br />

Group erhielt Hendrik Dietz für seine an der LMU<br />

mit Auszeichnung abgeschlossene Diplomarbeit<br />

über die „Mechanik des Grün Fluoreszierenden Proteins“.<br />

Der Physiker hat einen biologischen Kraftsensor<br />

entwickelt, der mechanische Belastungen im<br />

Inneren von Zellen anzeigt. Mit dieser Technik können<br />

künftig mechanische Kräfte in Proteinstrukturen<br />

von lebenden Zellen gemessen werden. Der Physiker<br />

Dr. Robert Raußendorf erhielt für seine an der<br />

LMU mit „summa cum laude“ ausgezeichnete Dissertation<br />

den zweiten Preis in der Kategorie „Dissertationen“.<br />

Dank seiner Entwürfe für einen Computer,<br />

der auf den Regeln der Quantenphysik basiert,<br />

könnte in Zukunft die Leistung der rechnergestützten<br />

Informationsverarbeitung enorm gesteigert werden.<br />

Robert Raußendorf forscht als Postdoc am California<br />

Institute of Technology, Pasadena, USA.<br />

Der internationale Hochschulpreis Scientific Award<br />

der BMW Group wurde am 20. September 2005 verliehen.<br />

Von 230 Bewerbungen, eingereicht aus 26<br />

Ländern und 24 Fachgebieten, wurden die besten<br />

sechs Arbeiten ausgewählt und mit einem Gesamtpreisgeld<br />

von 70.000 Euro belohnt.<br />

■ AUSZEICHNUNG FÜR PROFESSOR CREMER<br />

Thomas Cremer, Professor für Anthropologie und<br />

Humangenetik an der Fakultät für Biologie, hat im<br />

Juli 2005 den „Maffo Vialli International Award for<br />

Histochemistry 2005“ erhalten. Ausgezeichnet wurde<br />

er für seine Pionierarbeiten zur Entwicklung der<br />

molekularen Cytogenetik und zur Erforschung der<br />

funktionellen Architektur des Zellkerns. Der von der<br />

Italienischen Gesellschaft für Histochemie und dem<br />

European Journal of Histochemistry verliehene Preis<br />

wird seit 1999 alle zwei Jahre an einen international<br />

renommierten Wissenschaftler für histochemische<br />

Forschungen vergeben, die zu herausragenden Fortschritten<br />

in der zellbiologischen Grundlagenforschung<br />

und/oder angewandten Forschung geführt<br />

haben.<br />

■ EHRENDOKTORWÜRDE FÜR PROFESSOR<br />

HENRICH<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Dieter Henrich, emeritierter<br />

Professor für Philosophie, hat im Juni 2005 die Ehrendoktorwürde<br />

der Friedrich-Schiller-<strong>Universität</strong><br />

Jena erhalten. Ausgezeichnet wurde er „für sein herausragendes<br />

Gesamtwerk, insbesondere für seine<br />

grundlegenden Arbeiten zur klassischen deutschen<br />

Philosophie und seine historische und systematische<br />

Erschließung ihrer Ursprünge in Jena“.<br />

■ EHRENDOKTORWÜRDE FÜR PROFESSOR<br />

KRAFT<br />

Prof. Dr. Wilfried Kraft, Medizinische Kleintierklinik<br />

der Tierärztlichen Fakultät, wurde von der Veterinärmedizinischen<br />

Fakultät der <strong>Universität</strong> Leipzig<br />

anlässlich der 225-Jahr-Feier mit der Ehrendoktorwürde<br />

ausgezeichnet.<br />

1 Prof. Dr. Thomas Cremer<br />

MUM 04 | 2005 MENSCHEN<br />

33


MUM 04 | 2005 SERVICE<br />

34<br />

TIPPS &<br />

TERMINE<br />

■ STUDIEREN IN „DOWN UNDER“<br />

Am 11. November 2005 findet an der LMU wieder<br />

die australisch-neuseeländische Hochschulmesse<br />

statt. Die vom Institut Ranke-Heinemann gemeinsam<br />

mit dem Referat Internationale Angelegenheiten<br />

der LMU veranstaltete Messe richtet sich sowohl<br />

an Studierende als auch an Schüler und Absolventen.<br />

Sie eröffnet einen Einblick in die australische<br />

und neuseeländische Hochschullandschaft<br />

und erläutert Studienbedingungen in den<br />

beiden Ländern. Vertreter aller neuseeländischen<br />

und mindestens 23 australischer <strong>Universität</strong>en stehen<br />

von 10 bis 16 Uhr für alle Fragen rund um einen<br />

Studienaufenthalt in Down Under, Bewerbungsmodalitäten<br />

und Finanzierungsmöglichkeiten<br />

zur Verfügung. Die Messe findet statt im Senatssaal,<br />

im Dekanatsgang sowie am Speerträger<br />

im 1. Stock des Hauptgebäudes, Geschwister-<br />

Scholl-Platz 1. Weitere Informationen unter<br />

www.ranke-heinemann.de.<br />

■ AUSSTELLUNG<br />

„THOMAS MANN IN DER LMU“<br />

Im Thomas-Mann-Jahr 2005 präsentiert die<br />

<strong>Universität</strong>sbibliothek <strong>München</strong> eine Ausstellung<br />

mit vielen, teils unedierten Briefen, Fotografien und<br />

zahlreichen Erstausgaben aus ihrem Fundus. Die<br />

Ausstellung zeigt Thomas Mann in seinen <strong>München</strong>er<br />

Jahren, seine Bekanntschaften mit Forschern,<br />

Literaturwissenschaftlern, Künstlern und<br />

Literaten, unter anderen mit der Schriftstellerin Elsa<br />

Bernstein, in deren literarischen Salon in der Brienner<br />

Straße er sich mit Katia Pringsheim, seiner<br />

späteren Frau, trifft. Die Exponate belegen seine<br />

Vorträge und Lesungen an der LMU bis zu seinem<br />

letzten Vortrag, den er zehn Tage nach Hitlers<br />

Machtergreifung am 10. Februar 1933 im Audimax<br />

hielt. Mit diesem kritischen Text über „Leiden und<br />

Größe Richard Wagners“ handelte er sich wütenddumpfen<br />

Protest der „Wagner-Stadt <strong>München</strong>“ ein.<br />

Die Ausstellung ist noch bis zum 15. November<br />

2005 im 1. Stock des Zentralgebäudes der <strong>Universität</strong>sbibliothek<br />

zu sehen. Öffnungszeiten: Mo bis<br />

Fr 8-19.45 Uhr, Sa 9-16.15 Uhr.<br />

■ INTERNATIONALE HOCHSCHULTAGE<br />

AN DER LMU<br />

Ein Auslandsstudium ist eine interessante Erfahrung<br />

und oftmals ein wichtiges Element der späteren<br />

beruflichen Karriere. Studierende der LMU<br />

können sich in der internationalen Woche des Referats<br />

Internationale Angelegenheiten vom 21. bis<br />

25. November 2005 über Möglichkeiten des Auslandsstudiums<br />

informieren. In Vorträgen und an<br />

Infoständen wird über das Studium in den jeweiligen<br />

Ländern informiert. Zudem geben Studierende<br />

mit Auslandserfahrung ihre Eindrücke weiter.<br />

Am 21. November von 9 bis 11 Uhr gibt es im Hörsaal<br />

E05 Informationen zum Studieren in Lateinamerika.<br />

Am 22. November ist Asien an der Reihe<br />

(HS E04 von 17 bis 20 Uhr). Am 23. November wird<br />

über das Studieren in Osteuropa informiert (HS E01<br />

von 12 bis 14 Uhr). Am 24. November ist das Thema<br />

„Auslandsstudium mit Erasmus“ (HS E06 von<br />

8 bis 12 Uhr) und am 25. November steht das Studieren<br />

in den USA und Kanada auf dem Programm<br />

(HS E01 von 12 bis 14 Uhr). Alle Veranstaltungen<br />

finden in der Schellingstraße 3 statt. Weitere Informationen<br />

gibt es bei Dr. Harald David vom Referat<br />

Internationale Angelegenheiten,<br />

E-Mail: harald.david@lmu.de.<br />

■ BRITISCHE HOCHSCHULMESSE<br />

„Union Jack“ statt „Down Under“: Das britische<br />

Pendant zur Australisch-Neuseeländischen Hochschulmesse<br />

findet am 28. November 2005 statt.<br />

Dann präsentieren britische Hochschulen ihr Studienangebot<br />

im Foyer des Gebäudes Schellingstraße<br />

3. Die Veranstaltung läuft von 11 bis 15 Uhr.<br />

Um 12 Uhr gibt es im Hörsaal E06 den Vortrag „Studieren<br />

in Großbritannien – Informationen zu Studienplatzwahl<br />

und Bewerbung“. Weitere Informationen<br />

gibt es bei Boris Goldberg, British Council <strong>München</strong>,<br />

E-Mail: boris.goldberg@britishcouncil.de.<br />

■ WO BLEIBT DIE ZEIT?<br />

Akademische Preisfragen haben Tradition. Keine<br />

Akademie, die etwas auf sich hielt, versäumte es im<br />

18. Jahrhundert, einem gebildeten Publikum Fragen<br />

der Zeit zu stellen, um mit den Antworten dasselbe<br />

gebildete Publikum zu belehren und gelegentlich<br />

auch zu amüsieren. Die Junge Akademie<br />

an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der<br />

Wissenschaften und der Deutschen Akademie der<br />

Naturforscher Leopoldina hat diese in Vergessenheit<br />

geratene Tradition aufgenommen. Sie stellt<br />

jährlich eine Preisfrage, die den Dialog mit der<br />

Öffentlichkeit fördern soll. Dieses Jahr lautet die<br />

Frage: „Wo bleibt die Zeit?“. Die Antworten können<br />

Texte sein, Skulpturen, Fotos oder auch Installationen.<br />

Einsendeschluss ist am 31. Dezember<br />

2005, die Verleihung der drei Geldpreise von 1.500<br />

bis 5.000 Euro findet im Sommer 2006 statt. Weitere<br />

Informationen: www.diejungeakademie.de.<br />

7 Im Thomas-Mann-Jahr 2005 erinnert die Ausstellung<br />

„Thomas Mann in der LMU“ an den berühmten<br />

Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger.


■ FORSCHUNGSSTIPENDIEN IN JAPAN<br />

The Japan Foundation Tokyo vergibt Stipendien für<br />

Wissenschaftler und Doktoranden, die sich mit Japan<br />

beschäftigen. Gefördert werden Forschungsaufenthalte<br />

sowie Kurzzeitrecherchen in Japan. Bewerben<br />

können sich Geistes-, Sozial-, Rechts- und<br />

Wirtschaftswissenschaftler. Die Bewerbungsunterlagen<br />

können schriftlich angefordert werden beim<br />

Japanischen Kulturinstitut Köln, <strong>Universität</strong>sstraße<br />

98, 50647 Köln. Sie stehen auch zum Download im<br />

Internet: www.jpf.go.jp/e/index.html. Die Abgabefrist<br />

für Bewerbungen endet am 30. November<br />

2005, der Förderzeitraum reicht von April 2006 bis<br />

März 2007.<br />

■ „WIR UND DIE ANDEREN“ –<br />

RINGVORLESUNG AN DER LMU<br />

Das 20. Jahrhundert war von Kriegen und Gewalt<br />

geprägt; das Bedrohungspotenzial galt als rationales<br />

Mittel der Friedenssicherung. Die Fähigkeit der<br />

Menschheit, Aggressionen zu kontrollieren und<br />

Frieden durchzusetzen, wird auch zu Beginn dieses<br />

Jahrhunderts enorm herausgefordert.<br />

Die Ringvorlesung fragt nach den psychologischen,<br />

pädagogischen, soziologischen, religiösen und<br />

ideologischen Wurzeln, aus denen Friedensliebe<br />

einzelner Menschen und Völker ebenso erwächst<br />

wie Gewalt, zum Teil mit exzessiven Auswüchsen.<br />

So setzen sich die einzelnen Veranstaltungen auch<br />

mit der Sicht auseinander, die wir von uns selber<br />

haben – zumeist friedliebend und frei von aggressiven<br />

Neigungen – und wie wir unser Gegenüber<br />

sehen, dem wir im Zweifelsfall die Friedfertigkeit<br />

absprechen.<br />

Die Vorlesungen finden jeweils Dienstag um 19.15<br />

Uhr im Hörsaal B 101 im Hauptgebäude der <strong>Universität</strong>,<br />

Geschwister-Scholl-Platz 1, statt. „Voraussetzungen<br />

für Gewalt und Frieden aus Sicht der<br />

Sozialpsychologie“ ist der Titel der Vorlesung am<br />

08. November 2005.<br />

■ ELITE GESUCHT<br />

Ab sofort können sich besonders engagierte und<br />

motivierte Studierende aller bayerischen Hochschulen<br />

für die Aufnahme in die Bayerische Elite-<br />

Akademie bewerben. Es können sich Studierende<br />

aller Fachrichtungen mit bestandenem Vordiplom<br />

bzw. Zwischenprüfung oder abgeschlossenem Bachelor<br />

bewerben. Das dreistufige Auswahlverfahren<br />

sieht nach einer Onlinebewerbung eine ausführliche<br />

schriftliche Bewerbung bis zum 15. Januar<br />

2006 vor. 60 Bewerber werden dann zu einem<br />

Assessment Center eingeladen, 30 von ihnen bekommen<br />

ab Frühjahr 2006 einen Platz im achten<br />

Jahrgang der Elite-Akademie. Dort erhalten sie eine<br />

zweijährige studienbegleitende Ausbildung. Die<br />

Elite-Akademie soll herausragende Studierende für<br />

Führungsaufgaben in der Wirtschaft qualifizieren.<br />

Präsenzphasen in der Elite-Akademie wechseln ab<br />

mit Praktika im Management. Auch in der Projektarbeit<br />

steht der Praxisbezug im Vordergrund. Zudem<br />

wird jedem Studierenden ein persönlicher<br />

Mentor zur Seite gestellt.<br />

Weitere Informationen und Online-Bewerbung:<br />

www.eliteakademie.de.<br />

■ VOM GLETSCHERRAND ZUM<br />

MEERESSTRAND<br />

Einen erdgeschichtlichen Streifzug von <strong>München</strong><br />

nach Verona können Besucher der Sonderausstellung<br />

der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie<br />

und Geologie in Kooperation mit der LMU<br />

im Paläontologischen Museum und im Geologischen<br />

Museum <strong>München</strong> machen. Entlang der<br />

klassischen Reiseroute von <strong>München</strong> nach Norditalien<br />

durch das Inntal über den Brenner zum<br />

Gardasee werden geologisch-paläontologische<br />

Highlights der Alpengeologie aus 300 Millionen<br />

Jahren präsentiert. Besucher können entweder in<br />

<strong>München</strong> (Geologisches Museum) oder in Verona<br />

(Paläontologisches Museum) starten. Zu sehen sind<br />

etwa die Mammuts bei <strong>München</strong>, Krokodile und<br />

Haie am Alpenrand, Silberschätze bei Schwaz, die<br />

tropischen Korallenriffe des Karwendel, Fisch- und<br />

Flugsaurierfang im Seefelder Ölschiefer, Vulkanausbrüche<br />

bei Bozen und die Korallenfischlagune<br />

bei Verona.<br />

Die Ausstellung ist noch bis zum 31. März 2006 zu<br />

sehen. Öffnungszeiten: Mo-Do 8–16 Uhr, Fr 8-14<br />

Uhr, am ersten Sonntag jedes Monats von 10-16<br />

Uhr. An Feiertagen ist die Ausstellung geschlossen.<br />

Das Paläontologische Museum <strong>München</strong> ist in der<br />

Richard-Wagner-Str. 10, das Geologische Museum<br />

in der Luisenstr. 37 zu finden. Weitere Informationen:<br />

www.palaeo.de/museum-muenchen.<br />

MUM 04 | 2005 SERVICE<br />

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MUM 04 | 2005 SERVICE<br />

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■ KINDERUNI MÜNCHEN AN DER LMU<br />

Zum zweiten Mal öffnet die LMU ihre Hörsäle für ein ganz junges Publikum.<br />

Mit einer Vorlesungsreihe für 8- bis 12-Jährige ist die Kinder-<br />

Uni <strong>München</strong> im Wintersemester 2005/06 wieder an der LMU zu Gast.<br />

In insgesamt sechs Veranstaltungen stellen Wissenschaftler der LMU<br />

den Kindern ihre Fachgebiete vor und machen Lust auf mehr Wissen.<br />

Die KinderUni startete am Freitag, 28. Oktober 2005 mit der Vorlesung<br />

„Aber ich will! – Warum wir nicht alles dürfen, was wir wollen.“ von Professor<br />

Julian Nida-Rümelin, die von den Kindern begeistert aufgenommen<br />

wurde.<br />

Die nächste Vorlesung „Wozu Werbung – Werbung kennt jeder, aber<br />

wer weiß schon, wie sie funktioniert“ von Professor Manfred Lange (Betriebswirtschaft),<br />

findet am Freitag, den 11. November 2005, 17 Uhr,<br />

Hörsaal B101 im Hauptgebäude der LMU, Geschwister-Scholl-Platz 1,<br />

statt.<br />

KinderUni <strong>München</strong> ist eine Initiative von Bildungsprojekten wie Kultur<br />

und Spielraum e.V. und der Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte<br />

Kind e.V., der Eltern-Lehrer Initiative der Europäischen Schule,<br />

BR2Radio/Kinderfunk sowie dem Kulturbüro des Studentenwerks<br />

<strong>München</strong> und Wirtschaftsunternehmen. Schirmherr der KinderUni<br />

Herausgeber<br />

Rektorat der <strong>Ludwig</strong>-<strong>Maximilians</strong>-<strong>Universität</strong> (LMU) <strong>München</strong><br />

Redaktion<br />

Kommunikation und Presse LMU<br />

Luise Dirscherl (dir)<br />

(Chefredaktion),<br />

Clemens Grosse (cg)<br />

(stellv. Chefredaktion),<br />

Julia Graven (gra)<br />

Mitarbeiter dieser Ausgabe<br />

Eva Kittel (ki), Susanne Wedlich (suwe)<br />

Onlineredaktion<br />

Thomas Pinter (thp)<br />

Bildredaktion<br />

Angelica Fuss<br />

IMPRESSUM<br />

Redaktionsadresse<br />

Geschwister-Scholl-Platz 1, 80539 <strong>München</strong><br />

Tel.: +49 (0) 89 21 80-34 23<br />

Fax: +49 (0) 89 33 82 97<br />

mum@lmu.de<br />

www.lmu.de/presse/mum<br />

1 Schon in der letzten KinderUni an der LMU im Wintersemester<br />

2004/2005 der Renner unter den jungen Studierenden: Der eigene<br />

Studienausweis.<br />

<strong>München</strong> ist der Bayerische Staatsminister für Wissenschaft, Forschung<br />

und Kunst, Dr. Thomas Goppel. Medienpartner sind der Münchner Merkur<br />

und der Bayerische Rundfunk.<br />

Das Programm für das Wintersemester 2005/06 ist auf der Internetseite<br />

www.lmu.de/kinderuni zu finden. Die Plätze sind ausschließlich für<br />

Kinder reserviert, die Teilnahme an den Veranstaltungen ist kostenlos.<br />

Karten können unter Tel. 089 / 38989139 reserviert werden.<br />

Designkonzept und Layout<br />

HAAK& NAKAT<br />

[www.haak-nakat.de]<br />

Distribution<br />

Kommunikation und Presse LMU: Mathias Schiener<br />

Anzeigen<br />

Alpha Informationsgesellschaft mbH<br />

Finkenstraße 10<br />

68623 Lampertheim<br />

Tel.: + 49 (0) 62 06 / 939-0<br />

ISSN 0940-0141<br />

Titelgrafik: HAAK & NAKAT<br />

Umschlagfoto: Friedrich Schmidt<br />

Fotos im Heft: Franz Blaszczyk, (S. 2); Schwedische Akademie der Wissenschaften<br />

(S. 8); Thorsten Naeser (S. 9-10); Kai Lamottke/Bicoll (S. 12); Kompetenznetz<br />

Depression, Suizidalität (S. 20); Günter Heischmann/Alois Schmid (S. 26); Heinz<br />

Pürer (S. 29); Friedrich Wilhelm Graf (S. 30); S. Fischer-Verlag/www.thomasmann.de<br />

(S. 34); Bayerische Staatssammlung für Paläontologie (S. 35); Markus<br />

Schlaf/Münchner Merkur (S. 36); Alle weiteren Fotos: Friedrich Schmidt bzw. LMU<br />

■ AKTUELLE STELLENANGEBOTE DER LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT UNTER WWW.LMU.DE/STELLENANGEBOTE

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