MünchnerUni Magazin - Ludwig-Maximilians-Universität München
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EDITORIAL<br />
EINE ERFOLGSBILANZ<br />
Die Erfolgsbilanz der letzen Monate kann sich sehen lassen. Die<br />
LMU führt nicht nur eine Reihe von Ranglisten an: Genannt sei<br />
das Hochschul-Ranking des Nachrichtenmagazins FOCUS, nach<br />
dem die LMU wie im vergangenen Jahr wieder beste deutsche<br />
Volluniversität ist und sich sogar noch verbessern und damit ihre<br />
Position ausbauen konnte. Nicht nur national, sondern auch weltweit<br />
kam Bestätigung. Das Ranking des Institute of Higher Education<br />
der <strong>Universität</strong> Shanghai, das viel beachtet und viel kritisiert<br />
wird, weist uns in diesem Jahr als beste deutsche Hochschule<br />
aus, allerdings immer noch 50 Plätze hinter dem internationalen<br />
Spitzenreiter Harvard University. Um zur Weltspitze aufzuschließen,<br />
ist noch einiges zu tun.<br />
Ganz besonders aber freue mich, dass ich Kollegen Theodor<br />
W. Hänsch zum Nobelpreis gratulieren konnte. Mit Hänsch wird<br />
ein herausragender Wissenschaftler gewürdigt, dessen Bahn brechende<br />
Arbeiten aus der modernen Naturwissenschaft nicht mehr<br />
wegzudenken sind.<br />
Damit besitzt die LMU die denkbar beste Startposition für den<br />
deutschlandweiten Wettbewerb im Rahmen der Exzellenzinitiative<br />
von Bund und Ländern, vor allem im Wettbewerb um den Status einer<br />
Spitzenuniversität. Die LMU hat sich in allen drei Förderlinien<br />
beworben: um vier Graduiertenschulen, um acht Exzellenzcluster und<br />
um die so genannte „dritte Förderlinie“ – den Status einer Spitzenuniversität.<br />
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller Fachgebiete<br />
der LMU haben sich daran beteiligt; sie haben innerhalb kürzester<br />
Zeit Ideen entwickelt und Konzepte ausgearbeitet. Nicht zuletzt<br />
mit Unterstützung des Know-how aus der Verwaltung konnte<br />
die Hochschulleitung der LMU einen eindrucksvollen Antrag zusammenstellen.<br />
Der Initiative und Kreativität, aber auch der Mühen<br />
aller Mitglieder der LMU bedarf es weiterhin, damit auch in Zukunft<br />
unsere Anstrengungen zum Erfolg führen. So ist zum Beispiel die<br />
Gründung der School of Science im nächsten Jahr, über die MUM in<br />
dieser Ausgabe berichtet, der gemeinsamen Initiative unserer Naturwissenschaftler<br />
zu verdanken.<br />
Wenn man hervorragende Leistungen erbringen möchte, bedarf es<br />
nicht nur der Bereitschaft, sondern auch geeigneter Rahmenbedingungen.<br />
Damit diese auch in Zukunft für Forschung und Lehre an der<br />
LMU attraktiv und förderlich sind, wird die Hochschulleitung die Vorgaben<br />
nutzen und ausgestalten, die der Gesetzgeber im Rahmen der<br />
Novelle des Bayerischen Hochschulgesetzes vorsieht. Es ist geplant,<br />
den Hochschulen deutlich mehr Handlungsfreiheiten einzuräumen<br />
als bisher, woraus umfangreiche Gestaltungsmöglichkeiten erwachsen,<br />
auf deren Basis Entscheidungsprozesse beschleunigt werden<br />
können.<br />
Mit der Beschränkung der Senatskompetenzen zugunsten größerer<br />
Mitsprache seitens des Hochschulrats werden aber auch Elemente<br />
von Leitungsstrukturen in Unternehmen in die <strong>Universität</strong> hineingetragen.<br />
Hierbei muss jedoch klar sein: Eine <strong>Universität</strong> wie die LMU<br />
ist kein Unternehmen – es fehlen die wichtigsten Kriterien, die ein<br />
Unternehmen zu einem solchen machen. Sicherlich kann die Übernahme<br />
unternehmerischer Elemente in die Organisation einer Hochschule<br />
hilfreich sein. Dabei gilt es aber, stets zwischen <strong>Universität</strong><br />
und Unternehmen zu unterscheiden.<br />
Letztendlich hängt der Erfolg einer <strong>Universität</strong> jedoch von der Motivation,<br />
der wissenschaftlichen Begeisterungsfähigkeit und Wissbegierde<br />
von Professoren, Mitarbeitern und Studierenden ab. Nur damit<br />
kann eine <strong>Universität</strong> wie die LMU ihre Spitzenstellung behaupten<br />
und weiter ausbauen. ■<br />
Professor Dr. Bernd Huber<br />
Rektor der <strong>Ludwig</strong>-<strong>Maximilians</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>München</strong><br />
MUM 04 | 2005 EDITORIAL<br />
1
MUM 04 | 2005 NEWS<br />
2<br />
■ LMU-ERFOLG<br />
BEIM FIRMENLAUF<br />
Fast 17.000 Läuferinnen und Läufer<br />
aus Unternehmen, Institutionen<br />
und Behörden haben am<br />
Abend des 27. Juli 2005 am <strong>München</strong>er<br />
Firmenlauf im Olympiapark<br />
teilgenommen. Auch die<br />
NEWS<br />
<strong>Ludwig</strong>-<strong>Maximilians</strong>-<strong>Universität</strong><br />
schickte ein Team mit 48 Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmern<br />
an den Start. Dabei hat das LMU-Team in der Firmenwertung mit<br />
dem 31. Platz von über 700 teilnehmenden Unternehmen einen beachtlichen<br />
Erfolg erzielt. Für Organisator Franz Blaszczyk von der<br />
Zentralen <strong>Universität</strong>sverwaltung zählte allerdings mehr der Spaß als<br />
der Erfolg. Er freute sich vor allem, dass alle LMU-Läufer trotz der<br />
enormen Hitze nach 6,75 Kilometern die Ziellinie im Olympiastadion<br />
überquerten. Im LMU-Team waren alle Altersklassen und Berufsgruppen<br />
vertreten, von der Hilfskraft über die Medizinlaborantin bis<br />
zum Professor. Im nächsten Jahr will das LMU-Team auf jeden Fall<br />
wieder an den Start gehen. ■ gra<br />
■ LMU VERMARKTET MEDIZINISCHES KNOW-HOW<br />
Die LMU wird ihre Expertise und Erfahrung im Bereich Medizin gezielt<br />
vermarkten. Die Munich Medical International GmbH (LMU-MMI), die<br />
im März dieses Jahres gegründet wurde, führt Beratungs- und Fortbildungsprogramme<br />
durch, bei denen die Vermittlung von Management-<br />
Kompetenzen für Krankenhäuser und medizinische Fakultäten, die Fortbildung<br />
von Führungskräften im Gesundheitswesen sowie hoch spezialisierte<br />
klinische Dienstleistungen im Mittelpunkt stehen.<br />
Als strategischer Partner steht der LMU-MMI GmbH Harvard Medical<br />
International zur Seite. Der Ableger der Harvard University steht für international<br />
anerkannte Ärzte- und Managerausbildung. Die LMU-MMI<br />
profitiert hierbei von der langjährigen Kooperation zwischen der LMU<br />
und Harvard Medical International. Seit 1996 finden im Rahmen der<br />
Munich-Harvard-Alliance an der LMU die „Harvard-Kurse“ statt. ■ gra<br />
■ NEUES ZENTRUM FÜR COMPUTATIONAL SCIENCES<br />
Die obersten Repräsentanten der Max-Planck-Gesellschaft, der beiden<br />
<strong>München</strong>er <strong>Universität</strong>en LMU und TUM, der Bayerischen Akademie<br />
der Wissenschaften, des Leibniz-Rechenzentrums der Bayerischen<br />
Akademie der Wissenschaften und des Rechenzentrums Garching der<br />
Max-Planck-Gesellschaft haben am 18. Juli 2005 einen Vertrag über<br />
die enge Zusammenarbeit im Bereich der Computational Sciences unterzeichnet.<br />
Das neue „Munich Computational Sciences Centre“ bündelt<br />
höchste Expertise in diesem Bereich, zu der Elemente aus der<br />
Grundlagenforschung, der universitären Lehre und Forschung wie<br />
auch der technisch-wissenschaftliche Sachverstand der beiden <strong>München</strong>er<br />
Hochleistungsrechenzentren in idealer Weise beitragen.<br />
Computational Sciences haben sich neben Theorie und Experiment in<br />
einer wachsenden Anzahl von Disziplinen als dritte Säule der Wissenschaft<br />
und Forschung etabliert. Man versteht darunter die computergestützte<br />
Modellierung und Lösung vielfältiger Herausforderungen.<br />
Problemstellungen, die bei der quantitativen Modellierung von Naturvorgängen<br />
oder ingenieurwissenschaftlichen Prozessen auftreten, werden<br />
mit Hilfe von numerischen Methoden oder durch Simulationen<br />
gelöst. Durch die enge Zusammenarbeit der beteiligten Einrichtungen<br />
entsteht ein international herausragender Verbund an vorderster Front<br />
des wissenschaftlichen Rechnens. Mit diesem „Quantensprung“ im Super-Computing<br />
sehen die Beteiligten die Ausgangsbasis für eine Bewerbung<br />
<strong>München</strong>s als Standort für ein mögliches europäisches<br />
Höchstleistungsrechenzentrum entscheidend verstärkt. ■ gra<br />
1 Das Team der LMU vor dem Firmenlauf in brennender Hitze.<br />
■ TELEKOM-STIFTUNGSPROFESSUR AN DER LMU<br />
Zum Sommersemester 2006 wird die <strong>Ludwig</strong>-<strong>Maximilians</strong>-<strong>Universität</strong><br />
den Lehrstuhl „Kommunikationsökonomie“ besetzen. Er ist einer von<br />
zwei von der Deutschen Telekom Stiftung eingerichteten Lehrstühlen<br />
zur Förderung der Spitzenforschung. Ein weiterer Lehrstuhl „Wertschöpfungsorientiertes<br />
Wissensmanagement“ wird an der Freien <strong>Universität</strong><br />
Berlin etabliert. Erforscht werden an beiden Hochschulen die<br />
Auswirkungen der Informations- und Wissensgesellschaft auf Unternehmen<br />
und Individuen im Wirtschaftsprozess. Besonderer Wert wird<br />
auf die Vernetzung der beiden Hochschulen gelegt, die 2004 eine strategische<br />
Partnerschaft eingegangen sind. Finanziert werden die Professuren<br />
in Berlin und <strong>München</strong> über einen Zeitraum von fünf beziehungsweise<br />
sieben Jahren.<br />
An der LMU ergänzt der Lehrstuhl „Kommunikationsökonomie“ an<br />
der Fakultät für Betriebswirtschaft künftig den Bereich Informationsund<br />
Innovationsforschung. Den Schwerpunkt der Forschungsaktivitäten<br />
bildet die Digitalisierung der Telekommunikationsbranche.<br />
Themen werden unter anderem Voice-over-IP – also das Telefonieren<br />
via Internet – oder Technologiestrategien in Telekommunikationsunternehmen<br />
sein. „Diese Themen werden unter betriebswirtschaftlichen<br />
Aspekten und mit fundiertem technischem<br />
Verständnis analysiert“, betont LMU-Rektor Professor Bernd Huber.<br />
„Damit ergänzt der neue Stiftungslehrstuhl für Kommunikationsökonomie<br />
in Forschung und Lehre ideal den bereits an unserer Fakultät<br />
für Betriebswirtschaft bestehenden Schwerpunkt im Bereich Informations-,<br />
Medien- und Innovationsmanagement.“ ■ gra
4<br />
IM TAKT DES LICHTS<br />
NOBELPREIS FÜR PHYSIK 2005<br />
AN THEODOR W. HÄNSCH<br />
PROFILE<br />
DISKURS FÜR ETHISCHE<br />
LÖSUNGEN<br />
PROFILE<br />
ZERISSEN, ZERNAGT,<br />
ZERFALLEN<br />
ESSAY<br />
ISLAMISCHER FEMINISMUS<br />
18<br />
422<br />
424<br />
■ NEWS<br />
2 MELDUNGEN<br />
■ TITEL<br />
4 NOBELPREIS FÜR PHYSIK 2005<br />
IM TAKT DES LICHTS<br />
MUM 04 | 2005<br />
6 „DIE LMU BIETET EIN INSPIRIERENDES UMFELD!“<br />
REKTOR PROFESSOR BERND HUBER IM GESPRÄCH<br />
8 NOBELPREISTRÄGER AN DER LMU<br />
■ SPEZIAL<br />
9 „HOTSPOT INTERDISZIPLINÄRER FORSCHUNG“<br />
SCHOOL OF SCIENCE LMU<br />
■ PROFILE<br />
11 DER CHEF BIN ICH<br />
VON DER UNI IN DIE EIGENE FIRMA<br />
14 VORREITER ODER VERSUCHSKANINCHEN?<br />
BACHELOR-ABSOLVENTEN AN DER LMU<br />
16 AUTOLÄRM STATT OZEANRAUSCHEN<br />
SERIE: „KOSMOS LMU“<br />
18 DISKURS FÜR ETHISCHE LÖSUNGEN<br />
MÜNCHNER KOMPETENZZENTRUM ETHIK<br />
20 WENN DAS LEBEN ZUR LAST WIRD<br />
KOMPETENZNETZ DEPRESSION, SUIZIDALITÄT<br />
22 ZERRISSEN, ZERNAGT, ZERFALLEN<br />
„AKTION LESEZEICHEN“<br />
■ ESSAY<br />
24 ISLAMISCHER FEMINISMUS<br />
PROF. DR. SUSANNE SCHRÖTER, LEHRSTUHL FÜR SÜDOST-<br />
ASIENKUNDE AN DER UNIVERSITÄT PASSAU<br />
■ FORUM<br />
26 PRO & CONTRA<br />
DRUCKWERK ADE?<br />
■ MENSCHEN<br />
27 NEUBERUFEN<br />
29 PREISE & EHRUNGEN<br />
■ SERVICE<br />
34 TIPPS & TERMINE<br />
■ IMPRESSUM<br />
MUM 04 | 2005 INHALT<br />
3
MUM 04 | 2005 TITEL<br />
4<br />
NOBELPREIS FÜR PHYSIK 2005<br />
IM TAKT DES LICHTS<br />
Nach 16 Jahren erhält wieder ein in Deutschland forschender und<br />
lehrender Wissenschaftler den Nobelpreis für Physik: Professor<br />
Theodor W. Hänsch ist seit fast 20 Jahren an der <strong>Ludwig</strong>-<strong>Maximilians</strong>-<strong>Universität</strong><br />
(LMU) <strong>München</strong>. Seine Ehrung beweist: Auch in<br />
Deutschland wird international anerkannte Spitzenforschung geleistet.<br />
„Dass ich auf der Liste stehen könnte, damit habe ich gerechnet. Aber<br />
es gibt viele Listen und ihre Vorhersagekraft ist im Allgemeinen gering.<br />
Ich habe mir aber doch ein kleines Fünkchen Hoffnung erlaubt“,<br />
erklärte Professor Theodor W. Hänsch überglücklich, kurz nachdem<br />
er den Anruf aus Stockholm erhalten hatte.<br />
Als Wissenschaftler hat sich Theodor W. Hänsch den ultrapräzisen<br />
Messungen verschrieben. Für eines seiner zahlreichen Forschungsprojekte<br />
– die Entwicklung eines Frequenzkamms, mit dessen Hilfe<br />
Lichtfrequenzen extrem genau gemessen werden können – erhält er<br />
in diesem Jahr den Nobelpreis für Physik. Theodor W. Hänsch, Professor<br />
für Physik an der LMU und Direktor am Max-Planck-Institut<br />
für Quantenoptik in Garching, teilt sich den Preis mit zwei Wissenschaftlern<br />
aus den USA. Die Farbe des Lichts möchte Hänsch so genau<br />
wie möglich messen können und hat es dabei sehr viel weiter gebracht<br />
als jeder andere.<br />
Licht besteht aus elektromagnetischen Wellen, die durch ihre Frequenz<br />
und Wellenlänge charakterisiert sind. Die verschiedenen Wellenlängen<br />
werden als Farben wahrgenommen. Liegen sie im Bereich<br />
zwischen 400 und 800 Nanometer – ein Nanometer entspricht einem<br />
Millionstel Millimeter – gehören sie zum sichtbaren Spektrum des<br />
Lichts. Die Frequenzen des sichtbaren Lichts sind sehr groß und können<br />
elektronisch nicht gemessen werden.<br />
In der Vergangenheit wurden deshalb nicht die optischen Frequenzen,<br />
sondern die Wellenlänge des Lichts bestimmt. Die so genannte<br />
Spektroskopie ist die Bestimmung der Wellenlängen des Lichts, das<br />
von Atomen ausgesandt wird. Diesen Informationen ist ein Großteil<br />
des Wissens über die Physik der Atome zu verdanken. Daraus entwickelte<br />
Theorien, etwa die Quantenmechanik, können aber nur getestet<br />
werden, wenn sehr viel genauere Messungen vorliegen.<br />
Als einzige physikalische Größe lässt sich bislang aber nur die Zeit<br />
extrem präzise messen. Höchste Genauigkeit ist also nur zu errei-<br />
chen, wenn Zeit der zu bestimmende Faktor ist. Das wiederum gelingt<br />
mit einer Frequenzmessung, also der Bestimmung der Anzahl<br />
von Schwingungen pro Sekunde. Im Idealfall entspricht eine Frequenzmessung<br />
einer Uhr, die anzeigt, wann die Sekunde vorüber ist.<br />
Dazu allerdings darf die Anzahl der Schwingungen nicht zu groß sein.<br />
Mit einem Frequenzkamm, der dem Zählwerk einer „normalen“ Uhr<br />
entspricht, lässt sich diese Messung auf einfachste Weise realisieren:<br />
Ob Sonnenuhr, Sanduhr, Pendeluhr, Quarzuhr oder Cäsium-Atomuhr<br />
– eine Uhr besteht immer aus zwei Komponenten, dem möglichst<br />
gleichmäßig schwingenden Oszillator, und einem Zähler, der diese<br />
Schwingungen mitzählt und nach einer gewissen Anzahl Schwingungen<br />
etwa den Sekundenzeiger um eine Einheit weiterbewegt. Bei<br />
Uhren mit sehr langsamen Oszillatoren, etwa der Sonnenuhr mit einer<br />
Schwingung pro Tag, kann der Mensch mitzählen. Bei Pendeluhren<br />
ist ein Zählwerk nötig, um eine praktisch verwendbare Uhr zu<br />
haben. Bei einer Quarzuhr oder einer Cäsium-Atomuhr braucht man<br />
ein elektronisches Zählwerk: Die 9.192.631.779 Schwingungen der<br />
Cäsiumatome pro Sekunde sind sogar die offizielle Definition der Länge<br />
dieser Zeiteinheit.<br />
HOCHPRÄZISES ZÄHLWERK<br />
Je schneller das Pendel schwingt, desto genauer geht die jeweilige<br />
Uhr. Eine noch sehr viel präzisere Uhr könnte also mit Hilfe eines<br />
„optischen“ Pendels gebaut werden. Dafür kommt ein Atom in Frage,<br />
das eine genau definierte optische Welle, also Licht, aussendet.<br />
Ein derartiges Pendel zu entwickeln, war eine vergleichsweise geringe<br />
technische Herausforderung. Probleme bereitete dagegen das<br />
Uhrwerk, das schließlich derart schnelle Schwingungen messen können<br />
muss. Der Frequenzkamm, dessen theoretische Grundlagen<br />
Hänsch in den späten 1970er Jahren entwickelte, war die Lösung.<br />
Im Labor von Hänsch wird dafür ein Pulslaser verwendet, dessen ultrakurze<br />
Lichtpulse mit gleich bleibender Wellenlänge sogar tagelang<br />
zwischen Umlenkspiegeln zirkulieren können. Am Ausgang des<br />
Lasers erhält man eine Kopie des Lichtpulses nach jedem Umlauf,<br />
einmal pro Nanosekunde. Mit Hilfe eines von Hänsch und seinen Mitarbeitern<br />
entwickelten Tricks lässt sich die Pulsrate so einstellen, dass<br />
auf genau eine Million Zyklen eines sehr schnell oszillierenden Einfarbenlasers<br />
genau ein Puls fällt. Um die Frequenz des Einfarbenla-
sers zu messen, müssen die Wissenschaftler dann nur die Pulsrate<br />
bestimmen und mit einer Million multiplizieren. Anwendungen ergeben<br />
sich etwa bei Konstanten der Natur, deren Stabilität im Verlauf<br />
der Zeit überprüft werden kann. Auch die Unterschiede zwischen<br />
Materie und Antimaterie kann man jetzt sehr viel einfacher untersuchen.<br />
Hänsch und seinem Team ist es dank der neuen Technik sogar<br />
gelungen, die präzisen Voraussagen der Quantenmechanik anhand<br />
des Wasserstoffatoms auf insgesamt 14 Dezimalstellen zu überprüfen.<br />
Es gibt aber auch sehr viele alltagstaugliche Umsetzungen. Ex-<br />
CURRICULUM VITAE<br />
PROFESSOR THEODOR W. HÄNSCH<br />
Professor Theodor W. Hänsch wurde am 30. Oktober 1941 in Heidelberg<br />
geboren. An der <strong>Universität</strong> Heidelberg studierte er von<br />
1963 bis 1970 Physik und promovierte dort auch. Die nachfolgenden<br />
sechzehn Jahre verbrachte er zunächst als Postdoc, dann als<br />
Associate Professor und schließlich als Full Professor an der USamerikanischen<br />
Stanford University in Kalifornien. 1986 kehrte<br />
Hänsch nach Deutschland zurück und übernahm den Lehrstuhl für<br />
Experimentalphysik und Laserspektroskopie an der LMU. Er ist<br />
außerdem Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in<br />
Garching. Hänsch erhielt unter anderem den Philip Morris-Forschungspreis<br />
und mit dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der<br />
Deutschen Forschungsgemeinschaft die höchste wissenschaftliche<br />
Auszeichnung in Deutschland. In diesem Jahr wurde Hänsch die<br />
höchste Auszeichnung der „Optical Society of America (OSA)“, die<br />
Frederic Ives Medal, und auch der Otto Hahn-Preis für Chemie und<br />
Physik der Gesellschaft Deutscher Chemiker, der Deutschen Physikalischen<br />
Gesellschaft und der Stadt Frankfurt am Main verliehen.<br />
Theodor W. Hänsch ist Träger des Verdienstkreuzes 1. Klasse<br />
des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland und des<br />
Bayerischen <strong>Maximilians</strong>ordens für Wissenschaft und Kunst.<br />
trem genaue Atomuhren werden etwa bei der Synchronisation von<br />
Datennetzen gebraucht. Wenn man zum Beispiel ein Fax versendet,<br />
kommt unter Umständen eine Atomuhr zum Einsatz. Die Arbeit<br />
von Hänsch ist also ganz im Sinne von Alfred Nobel – dem Stifter<br />
des renommiertesten Wissenschaftspreises der Welt – von<br />
großem Nutzen für die Allgemeinheit. Professor Hänsch: „Wir können<br />
mit unserer Forschung neue Technologien schaffen, beispielsweise<br />
neue Navigationsgeräte, neue Uhren oder bessere Telekommunikationssysteme.“<br />
■ suwe<br />
1 Kurz nach dem Anruf aus Stockholm: Professor Theodor W. Hänsch<br />
feiert im Kreise seiner Mitarbeiter und Studierenden die Verleihung des<br />
Nobelpreises für Physik.<br />
MUM 04 | 2005 TITEL<br />
5
MUM 04 | 2005 TITEL<br />
6<br />
LMU-REKTOR BERND HUBER<br />
„DIE LMU BIETET EIN<br />
INSPIRIERENDES UMFELD!“<br />
Die Verleihung des Nobelpreises an Theodor W.<br />
Hänsch gibt auch der <strong>Ludwig</strong>-<strong>Maximilians</strong>-<strong>Universität</strong><br />
wichtige Impulse bei ihrer Profilierung<br />
als exzellente Forschungsuniversität. Hierzu<br />
sprach MUM mit Rektor Professor Bernd Huber.<br />
MUM: Was hat Sie bewegt, als Sie von dem Nobelpreis<br />
für Professor Hänsch gehört haben?<br />
HUBER: Es ist ja nicht an der Tagesordnung, dass<br />
ein Deutscher Nobelpreisträger wird. Deshalb war<br />
ich überrascht. Aber als ich das Stichwort „Wir haben<br />
einen Nobelpreis“ gehört habe, war mir sofort<br />
klar, dass es nur Kollege Hänsch sein kann. Er war<br />
seit langem ein heißer Kandidat für die Auszeichnung.<br />
Ich habe mich riesig gefreut und ihm sofort<br />
persönlich gratuliert.<br />
MUM: Was bedeutet dieser Preis für die LMU?<br />
HUBER: In erster Linie würdigt der Preis natürlich<br />
die individuellen Forschungsleistungen eines herausragenden<br />
Wissenschaftlers. Aber er bestätigt<br />
nicht zuletzt auch die LMU als renommierte Forschungsuniversität,<br />
vor allem in den Naturwissenschaften.<br />
Aber man darf bei all dem nicht vergessen,<br />
dass wir an der LMU in allen Bereichen Spitzenforschung<br />
und exzellente Wissenschaftler vorweisen<br />
können.<br />
MUM: Was sind die Voraussetzungen für Spitzenforschung?<br />
Oder anders gefragt: Wann gibt es den<br />
nächsten Nobelpreisträger an der LMU?<br />
HUBER: Letzteres kann und will ich natürlich nicht<br />
beantworten. Das wäre vermessen. Aber ich halte<br />
es durchaus für möglich, dass die Rahmenbedingungen,<br />
die an der LMU bestehen und die auch mit<br />
dem Forschungsstandort <strong>München</strong> zu tun haben,<br />
beste Chancen bieten, dass wir auch künftig weiter<br />
viele Preisträger aller Art in unseren Reihen vorweisen<br />
können. Die Erfolgsbilanz der letzten Zeit<br />
lässt sich jedenfalls sehen. Darauf wollen wir uns<br />
aber nicht ausruhen.<br />
MUM: Professor Hänsch ist ja nicht nur Lehrstuhlinhaber<br />
an der LMU, sondern auch Direktor des<br />
Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in Garching.<br />
Ist das die Rezeptur für den Nobelpreis?<br />
HUBER: Das habe ich eben gemeint. Für Innovation<br />
und Exzellenz bedarf es eines inspirierenden<br />
Umfelds. Und für wissenschaftliche Inspiration<br />
braucht es Austausch. Das ist auch, was hinter dem<br />
Humboldtschen Ideal der Einheit von Forschung<br />
und Lehre steht. Und wir haben hier am Wissenschaftsstandort<br />
<strong>München</strong> neben Berlin ein in<br />
Deutschland einzigartiges Umfeld. Deshalb sollten<br />
wir die Zusammenarbeit mit anderen <strong>Universität</strong>en<br />
und außeruniversitären Forschungseinrichtungen<br />
weiter ausbauen. ■
MUM 04 | 2005 TITEL<br />
8<br />
Der Nobelpreis ist die Krönung eines Forscherlebens. Professor<br />
Theodor W. Hänsch gehört zu einer Reihe von Nobelpreisträgern,<br />
die zum Zeitpunkt der Auszeichnung an der <strong>Ludwig</strong>-<strong>Maximilians</strong>-<br />
<strong>Universität</strong> <strong>München</strong> lehrten und forschten. Andere verbrachten an<br />
der LMU prägende Jahre ihrer wissenschaftlichen Laufbahn. Insgesamt<br />
sind dreizehn Nobelpreisträger mit der LMU verbunden.<br />
Es war sogar der erste Nobelpreis, der jemals verliehen wurde: Im<br />
Jahre 1901 ging der Nobelpreis für Physik an Wilhelm Conrad Röntgen<br />
(1845-1923), der erst ein Jahr zuvor den Lehrstuhl für Physik an<br />
der LMU übernommen hatte – eine Position, die er bis zur Emeritierung<br />
1919 behielt. Mit dem Nobelpreis gewürdigt wurde die Entdeckung<br />
der Röntgenstrahlung wegen ihrer herausragenden Bedeutung<br />
vor allem für die Medizin.<br />
Bereits 1905 wurde ein weiterer LMU-Forscher ausgezeichnet, dieses<br />
Mal mit dem Nobelpreis für Chemie: Adolf von Baeyer (1835-1917),<br />
der seit 1875 an der LMU tätig war, wurde unter anderem für seine<br />
Leistungen bei der Entwicklung organischer Farbstoffe gewürdigt.<br />
1911 ging der Nobelpreis für Physik an Wilhelm Wien (1864-1928)<br />
für seine Forschung an der Wärmestrahlung. Acht Jahre später, im<br />
Jahr 1920, wechselte der Physiker als Nachfolger von Röntgen an die<br />
LMU, wo er bis zu seinem Lebensende tätig war.<br />
1914 erhielt Max von Laue (1879-1960) den Nobelpreis für Physik.<br />
In Zusammenarbeit mit Kollegen hatte er die Beugung von Röntgenstrahlen<br />
an Kristallen entdeckt. Von 1909 bis 1912 war von Laue<br />
als Privatdozent an der LMU tätig.<br />
Ein Jahr später wurde Richard Willstätter (1872-1942) für seine Arbeit<br />
an Pflanzenpigmenten, besonders dem Chlorophyll, mit dem Nobelpreis<br />
für Chemie ausgezeichnet. Der Chemiker studierte und habilitierte<br />
an der LMU und forschte dort für einige Jahre – unter anderem<br />
bei Adolf von Baeyer. Nach mehrjährigen Aufenthalten an anderen<br />
Forschungsinstitutionen nahm Willstätter 1915 die Nachfolge<br />
Adolf von Baeyers an der LMU an – und erfuhr zur selben Zeit von<br />
seiner Auszeichnung mit dem Nobelpreis.<br />
Willstätter wiederum sprach eine Empfehlung für seine eigene Nachfolge<br />
an der LMU aus – und bewies dabei gutes Gespür: Heinrich<br />
Otto Wieland (1877-1957) erhielt 1927 ebenfalls den Nobelpreis für<br />
Chemie. Ausgezeichnet wurden seine Arbeiten zur Zusammenset-<br />
NOBELPREISTRÄGER DER LMU<br />
zung der Gallensäure und verwandter Substanzen. An der LMU hatte<br />
Wieland zuvor bereits studiert, promoviert und habilitiert. 1925<br />
trat er die Nachfolge Willstätters an.<br />
Die Arbeiten von Werner Karl Heisenberg (1901-1976) zur Quantenmechanik<br />
wurden 1932 mit dem Nobelpreis für Physik gewürdigt.<br />
Heisenberg hatte an der LMU Physik studiert und promoviert. Erst<br />
sehr viel später, nämlich 1959, kehrte er als Honorarprofessor für<br />
Physik an die LMU zurück.<br />
Adolf Friedrich Johann Butenandt (1903-1995) erhielt 1939 für seine<br />
Forschung an den Geschlechtshormonen zur Hälfte den Nobelpreis<br />
für Chemie. 1956 folgte er einem Ruf an die LMU und leitete<br />
dort in den folgenden Jahren das Institut für Physiologische Chemie.<br />
Der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ging 1964 an Feodor<br />
Lynen (1911-1979), der sich die Auszeichnung mit einem Kollegen<br />
teilte. Gewürdigt wurden beider Arbeiten zum Mechanismus und der<br />
Regulation des Stoffwechsels von Cholesterin und von Fettsäuren.<br />
Der Biochemiker studierte an der LMU und promovierte dort bei dem<br />
Nobelpreisträger Heinrich Wieland. Lynen übernahm 1953 den Lehrstuhl<br />
für Biochemie und war bis zu seiner Emeritierung im Mai 1979<br />
ordentlicher Professor an der LMU.<br />
Ein doppelter Erfolg für die LMU sollte die Verleihung des Nobelpreises<br />
für Physiologie oder Medizin im Jahre 1973 sein: Zwei der<br />
drei ausgezeichneten Verhaltensforscher waren mit der <strong>Universität</strong><br />
verbunden. Karl Ritter von Frisch (1886-1982) hatte an der LMU studiert<br />
und habilitiert. Abgesehen von ein paar mehrjährigen Unterbrechungen<br />
blieb er der <strong>Universität</strong> treu und lehrte und forschte bis<br />
zu seiner Emeritierung dort – vor allem an der Honigbiene. Konrad<br />
Lorenz (1903-1989), dem ebenfalls der Nobelpreis verliehen wurde,<br />
hatten es vor allem die Graugänse angetan. 1957 wurde der Verhaltensforscher<br />
zum Honorarprofessor für Zoologie an der LMU ernannt.<br />
Wieder einen Nobelpreis für Physik gab es im Jahre 1986: Gerd Karl<br />
Binnig (geboren 1947) erhielt zusammen mit einem Kollegen die<br />
Hälfte der Auszeichnung für die Entwicklung des Rastertunnelmikroskops.<br />
Der Physiker wurde 1987 zum Honorarprofessor an der<br />
LMU ernannt. ■ suwe
SCHOOL OF SCIENCE LMU<br />
„HOTSPOT INTERDISZIPLINÄRER<br />
SPITZENFORSCHUNG“<br />
Ein hohes Innovationspotenzial für die Forschung<br />
liegt an den Grenzen zwischen den traditionellen<br />
Fächern. Deswegen haben sich LMU-Wissenschaftler<br />
in den Naturwissenschaften zum Ziel gesetzt,<br />
die School of Science LMU ins Leben zu rufen.<br />
Bereits im kommenden Jahr werden die Fakultäten<br />
für Biologie, Chemie und Pharmazie sowie<br />
Physik in der School of Science LMU zusammengeführt.<br />
Diese Gründung soll die interdisziplinäre<br />
Forschung fördern, reformerischen Lehrkonzepten<br />
und exzellenter Nachwuchsförderung<br />
Raum und damit der Profilbildung der LMU hin<br />
zu einer der besten Forschungsuniversitäten weiter<br />
Auftrieb geben.<br />
Die DNA, der Träger der Erbinformationen aller<br />
Lebewesen, ist ein komplexes Makromolekül, das<br />
die Forschung seit mehr als 50 Jahren fesselt und<br />
permanent neue Herausforderungen an alle Bereiche<br />
der Naturwissenschaften sowie die Medizin<br />
stellt. Professor Thomas Carell beschäftigt sich<br />
als Chemiker an der LMU mit der Synthese von<br />
DNA und untersucht den komplizierten Reparaturmechanismus,<br />
der Beschädigungen der DNA<br />
durch die unterschiedlichsten Einflussfaktoren repariert.<br />
Carell betreibt Forschung, die auf die Unterstützung<br />
durch andere Naturwissenschaften angewiesen<br />
ist: „Wir haben die Möglichkeit, DNA zu<br />
synthetisieren, aber um ihre Struktur sichtbar zu<br />
machen, brauchen wir die Physik“, erklärt Carell,<br />
der im Jahr 2004 mit dem renommierten Leibniz-<br />
Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet<br />
wurde. „Nur die Physik hat die Möglichkeit,<br />
DNA-Strukturen, beispielsweise durch<br />
neue bildgebende Verfahren auf Oberflächen,<br />
sichtbar zu machen oder Messungen von DNA-<br />
Leitfähigkeiten durchzuführen.“ So arbeitet Carell<br />
intensiv mit Professor Hermann E. Gaub, Lehrstuhl<br />
für angewandte Physik, sowie Professor Jörg Kotthaus,<br />
Lehrstuhl für Festkörperphysik, zusammen.<br />
Während sich Professor Gaub im Bereich der Biophysik<br />
mit der Sichtbarmachung von Materie im<br />
Nanometerbereich befasst, untersucht Professor<br />
Kotthaus unter anderem die Leitfähigkeit von<br />
DNA-Molekülen. Diese Möglichkeit wird in Zukunft<br />
in der Medizin eine wichtige Rolle spielen.<br />
Hier kann der Nachweis der Leitfähigkeit ein<br />
wirksames Analysemittel für die Genotypisierung<br />
werden: Das ist die parallele Untersuchung sehr<br />
vieler Gene des menschlichen Köpers mit dem Ziel,<br />
beispielsweise Prädispositionen für bestimmte<br />
Krankheiten festzustellen und eine entsprechende<br />
auf den bestimmten Genotyp ausgerichtete Medikation<br />
durchzuführen.<br />
Bei der Leitfähigkeitsmessung wird die Neigung einer<br />
DNA-Sequenz genutzt, sich immer mit einem zu<br />
ihr passenden, einem komplementären Basenstrang<br />
zu paaren. „Eine synthetisierte DNA-Sequenz wird<br />
zwischen zwei winzige Elektroden gelegt und ein<br />
Molekül aus der Diagnoseprobe dazu gegeben.<br />
Wenn die Probe genau das komplementäre Gegenstück<br />
ist, bildet sich ein Doppelstrang zwischen den<br />
MUM 04 | 2005 SPEZIAL<br />
9
MUM 04 | 2005 SPEZIAL<br />
10<br />
Elektroden und es fließt nach einer weiteren chemischen Manipulation,<br />
der so genannten Metallisierung, ein Strom“, erklärt Carell.<br />
Die Forschung an und mit der DNA ist eine naturwissenschaftliche<br />
Schnittstellendisziplin, die das Know-how sowohl der Chemie, der<br />
Physik und der Biologie erfordert.<br />
Ansätze von fachübergreifender Forschung gibt es in den Naturwissenschaften<br />
einige. „Ob Protein-, Neurowissenschaften, Nanosciences<br />
oder die Biophysik – diese Bereiche erfordern das Wissen<br />
aller Disziplinen“, erklärt Benedikt Grothe, Professor für Neurobiologie<br />
an der LMU und geschäftsführender Direktor des Departments<br />
Biologie II. Er betont, dass die klassische Teilung zwischen<br />
den Disziplinen früher sicherlich Sinn gemacht habe. Heute<br />
sei die Forschung jedoch einer so starken Dynamik ausgesetzt, dass<br />
diese strikte Trennung nicht länger aufrechtzuerhalten sei.<br />
Grothe koordiniert den Prozess hin zur Gründung der School of<br />
Science LMU, die bereits zum Wintersemester 2006/2007 an den Start<br />
gehen und die Trennung zwischen den Fakultäten überwinden soll.<br />
„Fakt ist, dass die Naturwissenschaften schon längst intensiv zusammenarbeiten“,<br />
sagt Grothe.<br />
VIELE SYNERGIEEFFEKTE<br />
Die Leitung der School of Science LMU soll einem hauptamtlichen,<br />
auf fünf Jahre eingesetzten „Dean of Science“ obliegen. Bei der<br />
Überwindung der gewachsenen Fakultätsstrukturen erwartet Professor<br />
Benedikt Grothe keine Schwierigkeiten: „Schon jetzt ist die<br />
tragende Säule in den Naturwissenschaften die Departmentstruktur<br />
innerhalb der Fakultäten.“ So ist denn auch die Zustimmung bei<br />
den Naturwissenschaftlern der LMU zur Einrichtung der School<br />
entsprechend groß. Denn die Initiative zu dieser Reform kam aus<br />
den Wissenschaften.<br />
Die School of Science LMU wird für die Weiterentwicklung des High-<br />
TechCampus LMU Martinsried-Großhadern von großer Bedeutung<br />
sein. Die Fakultät für Chemie und Pharmazie, das Genzentrum der<br />
LMU sowie das Department Biologie II sind dort bereits vertreten.<br />
2008 folgt das Department Biologie I und vervollständigt dort die<br />
Biologie. Die Verlagerung der Physik vom Standort Schellingstraße<br />
in den <strong>München</strong>er Südwesten wird jedoch noch einige Zeit in Anspruch<br />
nehmen: Derzeit geht die Planung vom Jahr 2018 aus. Ei-<br />
nen großen Vorteil der räumlichen Zusammenführung sieht Grothe<br />
auch in der gemeinsamen Nutzung von technischer Infrastruktur:<br />
„Der finanzielle Aufwand für ein Forschungsgerät ist sehr groß, einzelne<br />
Fakultäten sind mit Finanzierung und Unterhaltung oft überfordert.<br />
Können Geräte fachübergreifend genutzt werden, erschließen<br />
sich nicht nur neue Synergieeffekte. Es können überdies<br />
auch Kosten gesenkt werden.“<br />
Neben der Integration der bisherigen naturwissenschaftlichen Fakultäten<br />
soll zudem die Kooperation der School of Science mit den<br />
naturwissenschaftlich ausgerichteten Teilgebieten der Geowissenschaften,<br />
dem Biomedizinischen Zentrum (BMC), dessen Einrichtung<br />
auf dem HighTechCampus LMU geplant ist, und den klinischen<br />
Einrichtungen der Medizinischen Fakultät ausgebaut werden. Die<br />
bereits bestehende intensive Zusammenarbeit mit den ebenfalls in<br />
Martinsried-Großhadern angesiedelten Max-Planck-Instituten sowie<br />
der GSF erhält durch die Neustrukturierung ebenfalls neue Impulse.<br />
„Die School of Science wird ein wissenschaftlicher Hotspot,<br />
an dem man nicht vorbeikommt“, unterstreicht Professor Grothe<br />
die enorme Bedeutung für den Wissenschaftsstandort <strong>München</strong> im<br />
Allgemeinen und für die LMU im Besonderen.<br />
Wie es sich für eine „School“ gehört, wird auch der Lehre große Bedeutung<br />
eingeräumt. Das Studium wird in den beteiligten Fächern<br />
Physik, Chemie, Pharmazie und Biologie als Bachelor-Studiengang<br />
sowie als weiterführender Master- und Graduiertenstudiengang organisiert.<br />
„Der große Vorteil an der Ausbildung in der School of Science<br />
ist der größere Lehrimport bzw. -export“, erläutert Professor<br />
Grothe. Demnach wird es für angehende Biologen, Physiker oder<br />
Chemiker zukünftig leichter, Lehrveranstaltungen in anderen Fächern<br />
zu besuchen oder in einem anderen Fach zu promovieren und so<br />
schon während der Ausbildung zu Grenzgängern der Disziplinen zu<br />
werden. „Durch die Graduiertenschulen können wir zudem eine Angleichung<br />
der Niveaus und damit eine verbesserte Qualitätskontrolle<br />
des Studiums erreichen“, so Benedikt Grothe. Auch die Promotionen<br />
in fachfremden Bereichen sollen in Zukunft erleichtert werden.<br />
An einer Integration der staatsexamensrelevanten Studienfächer arbeiten<br />
die Initiatoren der School of Science derzeit noch. „Wir sind<br />
sicher, dass wir hier bis zum nächsten Jahr eine gangbare Lösung<br />
gefunden haben werden“, so Professor Grothe. ■ cg
VON DER UNI IN DIE EIGENE FIRMA<br />
DER CHEF BIN ICH<br />
Wer sich selbstständig machen will, hat viele Hürden zu nehmen.<br />
Im Gründerbüro der Kontaktstelle für Forschungs- und Technologietransfer<br />
(KFT) der LMU können sich Studierende und Mitarbeiter<br />
der Uni schlau machen, wie der Weg in die Selbstständigkeit<br />
funktionieren kann. Denn künftige Gründer brauchen nicht<br />
nur eine tolle Idee, sondern müssen sich auch im Dschungel der<br />
marktwirtschaftlichen Selbstständigkeit zurechtfinden. MUM hat<br />
sich bei drei Spin-Offs aus der LMU umgesehen.<br />
„Ich wollte schon immer unternehmerisch tätig sein“, sagt Kai Lamottke.<br />
Zwar glaubt der Chemiker, der bei Professor Steglich an der<br />
LMU promoviert hat, dass er auch akademisch hätte bestehen können.<br />
Eine wissenschaftliche Karriere habe ihn aber nicht so sehr gereizt.<br />
Die eigene Firma – das war schon im Chemielabor sein Traum.<br />
Als Kai Lamottke mit Kollegen aus dem LMU-Labor im Jahr 2000 seine<br />
Firma Bicoll gründete, hatte der Biotech-Boom gerade seinen<br />
Höhepunkt erreicht. „Wir haben damals versucht, ein Büro im IZB<br />
(Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie in Martinsried, d.<br />
Red.) zu bekommen, aber die waren völlig überfüllt“, erinnert sich<br />
der Unternehmer. Anders als die meisten Firmengründer damals setzte<br />
Bicoll ein Geschäftskonzept um, das auch ohne Venture Capital<br />
starten konnte. Die Firma wurde ausschließlich mit Eigenkapital gegründet.<br />
Eine FLÜGGE-Förderung für Lamottke beschleunigte den<br />
Gründungsprozess allerdings erheblich. Das FLÜGGE-Programm des<br />
Bayerischen Wissenschaftsministeriums gibt jungen Hochschulabsolventen<br />
und -mitarbeitern die Möglichkeit, parallel zur Konzeptionsphase<br />
ihrer Existenzgründung für die Dauer von ein bis zwei<br />
Jahren als Halbtagskräfte an ihrer Hochschule zu arbeiten und dadurch<br />
ihren Lebensunterhalt zu sichern. „Das war schon sehr ermutigend“,<br />
sagt Jungunternehmer Lamottke.<br />
Eine Hilfe für die LMU-Gründer von Bicoll war auch der Münchner<br />
Business Plan Wettbewerb (MBPW). Ziel des 1996 initiierten Wettbewerbs<br />
ist die Unterstützung potentieller Unternehmen von der Idee<br />
bis zum Markterfolg. Bicoll hat bei dem jährlichen Wettbewerb um<br />
die besten Ideen und Konzepte 1999 mitgemacht. Der Wettbewerb<br />
war für die Gründer von Bicoll vor allem wichtig, um die Struktur des<br />
zukünftigen Geschäfts klar herauszuarbeiten, erinnert sich Lamottke.<br />
Zudem lernte die Chemiker-Truppe beim Business Plan Wettbewerb<br />
den promovierten Betriebswirt Heinrich Arnold kennen, der mit<br />
wirtschaftlichem Sachverstand bei Bicoll einstieg.<br />
EIN PARADEBEISPIEL<br />
Für Christoph Zinser vom Gründerbüro ist Bicoll ein Paradebeispiel<br />
für die gelungene Kooperation der Wirtschafts- und Naturwissenschaften<br />
an der LMU. „Es könnte aber noch mehr Zusammenarbeit<br />
zwischen den beiden Bereichen geben“, findet er. Hilfe leistet da etwa<br />
das „Odeon Center for Entrepreneurship“ von Professor Dietmar<br />
Harhoff und Professor Bernd Rudolph. Dort finden die Seminare<br />
„i-plan“ und „b-plan“ statt, die Gründerideen aus dem LMU-Umfeld<br />
unter die wirtschaftswissenschaftliche Lupe nehmen und auf ihre<br />
Markttauglichkeit überprüfen.<br />
Kai Lamottke gehört zu denen, die mit der Marktorientierung keine<br />
Probleme haben. Er produziert mit seiner Firma Bicoll Wirkmoleküle<br />
für Pharmafirmen, einen Teil davon in so genannter Auftragssynthese.<br />
Der Kunde bestellt, und Bicoll produziert. „In der Wirtschaft ist<br />
nicht die Wahrheit, sondern der Nutzen gefragt“, sagt Gründerberater<br />
Zinser. „Da gibt’s junge Wissenschaftler wie Lamottke, die begreifen<br />
das sofort. Andere tun sich schwer und sagen, ihr Produkt sei<br />
doch das Beste und verstehen nicht, warum es trotzdem keinen Erfolg<br />
hat.“<br />
Bicoll ist auf dem Erfolgsweg schon ein ganzes Stück vorangekommen.<br />
Die Firma, die sich mit der Entdeckung und Entwicklung von<br />
pflanzlichen Medikamenten im Bereich der Krebsbehandlung beschäftigt,<br />
hat heute fünf Mitarbeiter in Deutschland und zehn im Labor<br />
in Shanghai. Nicht zuletzt ist Bicoll ein Vorzeigeprojekt für die<br />
deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen.<br />
MUM 04 | 2005 PROFILE<br />
11
MUM 04 | 2005 PROFILE<br />
12<br />
1 Die Firma Bicoll von Kai Lamottke produziert Moleküle<br />
für Pharmaunternehmen.<br />
Die Firma von Gerhard Rolletschek und Ramon Schalleck könnte auch<br />
mal ein Vorzeigeprojekt sein, noch stehen die zwei aber ganz am Anfang.<br />
Und wenn es mit der Selbstständigkeit nicht klappt, würden sie<br />
durchaus auch an der Uni bleiben oder sich in das Heer der Angestellten<br />
einreihen. Gerhard Rolletschek wollte ursprünglich Lehrer<br />
werden für Deutsch und Geschichte. Dann hat er Mediävistik studiert<br />
und später ein Aufbaustudium in Computerlinguistik nachgeschoben.<br />
Er hatte schon mal einen viel beachteten Erfolg, als er Goethes<br />
Briefroman „Die Leiden des jungen Werther“ als elektronische Post<br />
an Abonnenten verschickte. Auch Ramon Schalleck hat keinen ganz<br />
gewöhnlichen Lebenslauf. Nach dem Abitur in Singapur arbeitete er<br />
erstmal als Tontechniker und Rikschafahrer, dann lernte er beim Studium<br />
am Centrum für Informations- und Sprachverarbeitung (CIS)<br />
Gerhard Rolletschek kennen.<br />
HILFE VOM MENTOR<br />
Seither kümmern sich Rolletschek und Schalleck um den Aufbau von<br />
„Varecom“. Mit ihrer Idee wollen sie das Finden von kommerziellen<br />
Produkten im Internet vereinfachen. Dabei werden die beiden Gründer<br />
vom EXIST-SEED Programm des Bundesministeriums für Bildung<br />
und Forschung unterstützt. EXIST-SEED unterstützt technologieorientierte<br />
Unternehmensgründungen in der Frühphase mit Personalkosten<br />
und Sachmitteln von Einzelgründern und Gründerteams<br />
für ein Jahr.<br />
Varecom ist eng an die Uni gebunden. Dafür sorgt Professor Franz<br />
Guenthner, der für die Varecom-Gründer Mentor und Vorbild ist. Der<br />
Lehrstuhlinhaber für Computerlinguistik hat viel praktische Erfahrung<br />
auf dem Feld der Suchmaschinen und hilft ganz gezielt bei der<br />
Firmengründung. Er lässt seine Ex-Studenten derzeit in Büroräumen<br />
am <strong>München</strong>er Rindermarkt über ihrer Geschäftsidee brüten, später<br />
wird er auch offiziell in die Firma einsteigen. Ein enormer Vorteil, findet<br />
Gerhard Rolletschek: „Er kann einem schon viele Türen öffnen,<br />
Kontakte vermitteln und Referenzkunden gewinnen.“<br />
Ob es mit Varecom wirklich klappt, ist noch nicht sicher. Über Verträge,<br />
Vertriebswege und Venture Capital denken die Firmengründer<br />
in spe noch nicht nach. Doch wenn es ernst wird, weiß Rolletschek,<br />
dass er und sein Partner Schalleck betriebswirtschaftliche Hilfe<br />
brauchen werden.<br />
INFORMATIONEN FÜR EXISTENZGRÜNDER<br />
Das Gründerbüro der LMU ist im Internet auf der Seite der<br />
Kontaktstelle für Forschungs- und Technologietransfer KFT zu<br />
finden: www.lmu.de/kft.<br />
Für das EXIST-SEED Programm ist der 31. Januar 2006<br />
nächster Termin für eine Bewerbung. Im Internet gibt es<br />
dazu weitere Informationen:<br />
www.exist.de/existseed.<br />
Der nächste Münchner Businesss Plan Wettbewerb startet<br />
am 9. November 2005. LMU-Angehörige können ihre Ideenpapiere<br />
bis 16. Januar 2006 einreichen. Informationen unter<br />
www.mbpw.de.<br />
Bei Michael Kamp hat ein Studentenjob die Idee für die eigene Firma<br />
geliefert. Neben seinem Geschichtsstudium erledigte er für das<br />
<strong>Universität</strong>sarchiv verschiedene Rechercheaufträge. Da war unter anderem<br />
eine umfangreiche genealogische Recherche, der Auftrag eines<br />
Freiherrn Schrenck von Notzing aus den USA. Diese Recherche<br />
hat Kamp dann während der Promotion in Eigenregie übernommen.<br />
Dazu kam wie bei Kai Lamottke die FLÜGGE-Förderung. „Die Juroren<br />
waren allerdings ganz schön skeptisch“, erinnert sich Michael<br />
Kamp. Mit seinen historischen Projekten war er ein absoluter Exot<br />
unter den FLÜGGE-Bewerbern. Außerdem hatte Michael Kamp seinen<br />
Geschäftsplan so bescheiden kalkuliert, dass die Jury ihn fragte,<br />
wie er denn überhaupt von so wenig Geld leben wolle. „Die waren<br />
von den Naturwissenschaftlern ganz andere Summen gewohnt“, erinnert<br />
sich Michael Kamp. Doch die FLÜGGE-Juroren ließen sich von<br />
dem Konzept der historischen Dienstleistungen überzeugen und nahmen<br />
Kamp in die Förderung auf. Das Projekt, das er mit der FLÜG-<br />
GE-Halbtagsstelle an der LMU betreute, konnte er anschließend in<br />
die eigene Firma mitnehmen.<br />
Inzwischen sitzt der Historiker mit seinem Kompagnon Dr. Florian<br />
Neumann im eigenen Büro in der Adalbertstraße und beschäftigt eine<br />
ganze Reihe von Hilfskräften. Festangestellte wollen sie sich nicht<br />
leisten. Jeder muss sehen, dass er sich seine Aufträge selbst besorgt.<br />
Das können Buchprojekte sein, Ausstellungen, Festschriften oder<br />
historische Führungen. So bietet die Firma etwa einen historischen<br />
Rundgang über das Oktoberfest an. Für MAN haben sie kürzlich zum<br />
50-jährigen Bestehen eine Firmengeschichte geschrieben. Das Geschäft<br />
läuft gut, „aber wir sind noch nicht über den Berg“, sagt Kamp.<br />
Er ist trotzdem glücklich mit dem Unternehmerdasein. Und die 70-<br />
Stunden-Woche erträgt Kamp deutlich leichter, seit seine Frau in der<br />
Firma mitarbeitet. ■ gra
MUM 04 | 2005 PROFILE<br />
14<br />
BACHELOR-ABSOLVENTEN AN DER LMU<br />
VORREITER ODER VERSUCHSKANINCHEN?<br />
Im Wintersemester 2000/01 haben elf Studierende<br />
der Bioinformatik und 47 VWL-Studierende<br />
ihr Bachelor-Studium begonnen. Sie waren<br />
die ersten, die an der LMU auf die neuen internationalen<br />
Abschlüsse setzten. Inzwischen sind<br />
gut 1.900 Studierende in Bachelorstudiengänge<br />
so unterschiedlicher Disziplinen wie Biochemie,<br />
Kommunikationswissenschaft oder Statistik eingeschrieben.<br />
MUM hat mit einigen Absolventen<br />
gesprochen, die den Bachelor bereits in der Tasche<br />
haben. Wir wollten wissen, warum sie den<br />
Bachelor gewählt, wie sie das Studium erlebt und<br />
welche Erfahrungen sie mit den neuen Abschlüssen<br />
im Berufsleben gemacht haben.<br />
Schon der erste Termin bei der Studienberatung<br />
der Germanisten machte Julia Chebotova deutlich,<br />
was sie will – und was nicht. Zwölf Semester Germanistik<br />
waren für Julia ein Horrorszenario. „Geisteswissenschaften<br />
wollte ich schon gerne machen,<br />
aber nicht so lange und nicht so total vergeistigt.“<br />
Immerhin hatte sie bereits eine Ausbildung als<br />
Übersetzerin und Dolmetscherin am Spracheninstitut<br />
hinter sich. „Ich wollte unbedingt einen Abschluss<br />
in kurzer Zeit, mit möglichst viel Praxisbezug<br />
und guten Aussichten auf einen Quereinstieg“,<br />
erinnert sich Chebotova. Germanistik-Studienberater<br />
Dr. Hubert Schuler empfahl ihr damals den<br />
Bachelorstudiengang Komparatistik, und der hat<br />
sich für Julia Chebotova als Volltreffer erwiesen.<br />
Es gehörte für sie viel Organisationsgeschick und<br />
Disziplin dazu, das Pensum in sechs Semestern zu<br />
absolvieren. Doch das sieht sie als Qualitätsmerkmal.<br />
Neben den normalen Komparatistik-Seminaren<br />
absolvierte die 25-Jährige betriebswirtschaftliche<br />
Pflichtveranstaltungen. PR und Marketing wur-<br />
den semesterbegleitend von Dozenten aus der Praxis<br />
vermittelt. „Der Bachelor und auch das Fach<br />
Komparatistik sind ja beide recht exotisch, aber ich<br />
habe eigentlich nur positive Neugierde erlebt, vor<br />
allem auf die praktischen Komponenten.“<br />
ÜBERZEUGENDE GRUNDIDEE<br />
Franziska Buchholz hat das anders erlebt. Sie wurde<br />
bei Bewerbungsgesprächen mehr als einmal gefragt,<br />
ob ihr Bachelor-Abschluss in Volkswirtschaftslehre<br />
nicht dasselbe sei wie ein Vordiplom.<br />
Auch ihre Freunde haben gefragt: „Was kannst du<br />
damit werden? Sekretärin?“ Dr. Silke Hübner, Leiterin<br />
der Geschäftsstelle des VWL-Departments,<br />
wundert sich über solche Reaktionen. „Wir haben<br />
so viele positive Gespräche mit Personalern geführt,<br />
und es ist in letzter Zeit auch viel in den Medien<br />
über Bachelor und Master berichtet worden,<br />
dass die Abschlüsse mittlerweile akzeptiert sein<br />
sollten.“<br />
Von der Grundidee des Systems ist Franziska Buchholz<br />
noch immer überzeugt. „Es war das, was ich<br />
wollte: einen Grundlagen-Bachelor und dann eine<br />
Spezialisierung im Master.“ Doch der Masterstudiengang<br />
in Berlin, den sie eigentlich wählen wollte,<br />
wurde abgesagt. Nun ist Franziska Buchholz erst<br />
einmal ratlos. Der Bachelor ohne den Master ist für<br />
sie nicht viel wert. Zurzeit macht sie ein Praktikum<br />
in der PR-Abteilung eines Verlags. „Doch für das,<br />
was ich jetzt mit dem Bachelor im Berufsleben anfangen<br />
kann, war das Studium eigentlich viel zu anspruchsvoll“,<br />
findet sie.<br />
Wer ein Bachelorstudium absolviert hat, beweist<br />
zuallererst eines – dass er in kurzer Zeit viel<br />
Wissen aufnehmen kann. Julia Chebotova jedenfalls<br />
hat das Klischee vom faulen Studentenleben
satt. „Ich hatte in meiner Studienzeit ganz schön viele stressige<br />
Phasen. Wenn ich zum Beispiel ein Vollzeitpraktikum gemacht habe<br />
und nebenher noch Seminararbeiten schreiben musste, war das<br />
eine 7-Tage-Arbeitswoche.“ Zum Jammern sieht sie dennoch keinen<br />
Grund. Julia Chebotova findet, dass man gerade als Geisteswissenschaftlerin<br />
zeigen sollte, „dass man das Zeug hat, ein Studium zügig<br />
durchzuziehen und nicht irgendwo in den Wolken schwebt.“<br />
Auch nach dem Studium hat die gebürtige Russin, die mit 15 Jahren<br />
nach Deutschland gekommen ist, ihren Pragmatismus behalten. Am<br />
liebsten würde sie im Verlagsmarketing arbeiten. Doch bei der derzeitigen<br />
Lage auf dem Arbeitsmarkt hat sie sich erstmal auf ihre Wurzeln<br />
besonnen und arbeitet freiberuflich als Übersetzerin und Dolmetscherin<br />
für Englisch und Russisch. „Damit bin ich momentan auch<br />
ganz glücklich“, sagt sie.<br />
STEIGENDE STUDIERENDENZAHLEN<br />
Martin Breugst stand schon im Hauptgebäude der LMU, um sich für<br />
das Studium der Diplomchemie anzumelden. Im Studentensekretariat<br />
erfuhr er dann von einem neuen Abschluss, dem Bachelor. Martin<br />
Breugst nahm sich noch zwei Tage Bedenkzeit, dann schrieb er<br />
sich als einer der ersten Studierenden für den neuen Bachelorstudiengang<br />
Chemie ein. Das war vor vier Jahren. Den Bachelor hat er<br />
schon lange in der Tasche, mittlerweile bereitet sich Martin auf seine<br />
Masterprüfung vor. Bisher hat der 24-jährige <strong>München</strong>er seine<br />
Entscheidung für den neuen internationalen Abschluss nicht bereut.<br />
„Aber man muss abwarten, wie die Industrie den Master annimmt“,<br />
fügt er hinzu.<br />
Vorteile sieht er für sich vor allem in der breiten Grundlagenausbildung<br />
beim Bachelor. Hier stehen viel mehr Biologie, Physik und Biochemie<br />
auf dem Programm als beim Diplomstudiengang. Für Martin<br />
Breugst, der in seinem Wunschberuf als Patentanwalt ein möglichst<br />
breites fachliches Spektrum abdecken muss, war das ein entscheidender<br />
Faktor für den Bachelor.<br />
Positiv sieht er auch das europaweit einheitliche European Credit<br />
Transfer System (ECTS), vor allem weil die Abschlussprüfung nicht<br />
mehr so viel zählt. Martin Breugst: „Wenn man da früher einen<br />
schlechten Tag hatte, war die Note versaut.“ Jetzt verteilen sich die<br />
mit Credit Points bewerteten Leistungsnachweise besser über das<br />
gesamte Studium. Allerdings fand Martin Breugst das Studium dadurch<br />
auch ziemlich „vollgestopft“. Anfängliche Konfusionen und<br />
Umstellungsprobleme bei den Chemikern seien mittlerweile gelöst.<br />
Die ständig steigenden Studierendenzahlen bei Bachelor und Master<br />
in Chemie und Biochemie beweisen, dass die neuen Abschlüsse bei<br />
den Studierenden ankommen. ■ gra<br />
BOLOGNA-PROZESS AN DER LMU<br />
Die LMU liegt bei der Umsetzung der Richtlinien des Bologna-<br />
Prozesses zur Schaffung eines europäischen Hochschulraums bis<br />
zum Jahr 2010 gut im Zeitplan: Neben dem Department Chemie<br />
und Biochemie hat auch die Fakultät für Betriebswirtschaftslehre<br />
bei der Ersteinschreibung zum Wintersemester 2005/06 vollständig<br />
auf Bachelor- und Masterstudiengänge umgestellt. Der<br />
Zeitplan der LMU sieht die Umstellung der bisherigen Diplomund<br />
Magisterstudiengänge auf Bachelor und Master in den Naturwissenschaften<br />
bis 2007, in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften<br />
bis 2008 sowie im geisteswissenschaftlichen Bereich<br />
bis 2009 vor.<br />
MUM 04 | 2005 PROFILE<br />
15
MUM 04 | 2005 PROFILE<br />
16<br />
SERIE: „KOSMOS LMU“<br />
AUTOLÄRM STATT OZEANRAUSCHEN<br />
Statt unter Palmen wohnt Indradeo Hemraj jetzt<br />
am Waldfriedhof. Statt dem Rauschen des Indischen<br />
Ozeans hört er den Lärm der Autos auf der<br />
A95, wenn er sein Wohnheimfenster aufmacht.<br />
Trotzdem ist der 29-Jährige aus Mauritius glücklich,<br />
in <strong>München</strong> zu sein. Er studiert Medizin an<br />
der LMU. Wenn er in seine Heimat zurückkehrt,<br />
möchte er mit dem Wissen aus Deutschland helfen,<br />
die medizinische Versorgung im Urlaubsparadies<br />
Mauritius zu verbessern.<br />
Jetzt sitzt Indradeo Hemraj in der unilounge im<br />
Hauptgebäude der LMU und freut sich. An der<br />
Wand der Espressobar am Geschwister-Scholl-<br />
Platz, unter den Schriftzügen von Metropolen wie<br />
Moskau, New York oder Paris, findet sich auch der<br />
Name seiner Heimat, nur leider falsch geschrieben:<br />
Maurizius. Beschwert hat sich darüber noch niemand,<br />
was nicht weiter verwunderlich ist. Indradeo<br />
ist nur einer von drei LMU-Studenten von Mauritius.<br />
Arzt zu werden, war schon immer Indradeos Traum.<br />
Doch auf Mauritius kann man nicht Medizin studieren.<br />
„Alle Leute mit Geld gehen zum Studium ins<br />
Ausland, meist nach England oder in die USA, wo<br />
sie keine Sprachprobleme haben“, erzählt Indradeo.<br />
Doch ihm war klar, dass er von seinen Eltern kein<br />
Geld für das Studium haben wollte. „Ich wollte keine<br />
finanzielle Last sein. Wir sind eine ziemlich große<br />
Familie, und meine Eltern müssen sich noch um<br />
meine zwei jüngeren Schwestern kümmern.“ Ein<br />
Studium in den USA kam also nicht in Frage.<br />
Also schrieb Indradeo einen Brief an das European<br />
Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg.<br />
Er wollte dort lernen, wie man forscht und<br />
gleichzeitig ein wenig Geld für das Medizinstudi-<br />
um verdienen. Sein Mut wurde belohnt: Er konnte<br />
ein Jahr lang im Labor mitarbeiten, erst als Praktikant,<br />
dann verdiente er sogar etwas Geld. Danach<br />
ging er für ein Jahr in ein Labor in den USA. Anschließend<br />
arbeitete er am Max-Planck-Institut für<br />
Entwicklungsbiologie in Tübingen – alles, ohne je<br />
ein Biologiestudium absolviert zu haben. Als er<br />
dann genügend Geld gespart hatte, kam Indradeo<br />
2002 nach <strong>München</strong> und hatte es fast geschafft –<br />
das Medizinstudium war in greifbare Nähe gerückt.<br />
Die letzte Hürde war die „Deutsche Sprachprüfung<br />
für den Hochschulzugang ausländischer Studienbewerber<br />
(DSH)“, die jeder Ausländer vor Beginn<br />
des Studiums in Deutschland ablegen muss. Indradeo<br />
hatte in Heidelberg und Tübingen recht gut<br />
sprechen gelernt, allerdings kaum eine Zeile auf<br />
Deutsch geschrieben. „Ich habe zehn Tage vor dem<br />
Prüfungstermin die Einladung zum Sprachtest<br />
bekommen. Das war dann ein ziemliches Expresslernen“,<br />
erinnert sich Indradeo. Doch wer als Muttersprache<br />
Kreolisch spricht, die Amtssprache Englisch<br />
perfekt beherrscht und auch Französisch und<br />
Hindi früh gelernt hat, kommt mit dem Sprachenlernen<br />
ganz gut zurecht. Indradeo bestand die<br />
Prüfung, ohne je eine Stunde Deutschunterricht<br />
gehabt zu haben. Er konnte sein Medizinstudium<br />
in <strong>München</strong> beginnen.<br />
Fern der Heimat vermisst Indradeo Hemraj neben<br />
seiner Familie am meisten das gewohnte Essen.<br />
„Die ersten Wörter, die ich gelernt habe, waren<br />
Speck, Schwein und Wurst.“ Mit diesen deutschen<br />
Grundnahrungsmitteln hat er massive Probleme,<br />
denn er isst weder Rind- noch Schweinefleisch.<br />
Mittlerweile, sagt Indradeo, habe sich seine<br />
Ernährungslage aber deutlich gebessert. Er hat in<br />
<strong>München</strong> einen Laden gefunden, in dem er Nah-
REFERAT INTERNATIONALE ANGELEGENHEITEN /<br />
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<strong>Ludwig</strong>straße 27 / EG<br />
Tel. + 49 89 / 21 80 28 23<br />
Fax: + 49 89 / 21 80 31 36<br />
E-Mail: International@lmu.de<br />
Die Homepage des Referats mit vielen Informationen für<br />
internationale Studierende ist über den Internetauftritt der LMU<br />
(www.lmu.de) zu erreichen.<br />
rungsmittel und Gewürze von Mauritius bekommt und mittlerweile<br />
kann er einige Gerichte aus seiner Heimat kochen.<br />
Schwierig war auch seine finanzielle Lage. Das Geld, das er mit der<br />
Laborarbeit verdient hatte, war im teuren <strong>München</strong> bald verbraucht.<br />
Indradeo Hemraj hielt sich mit Nachhilfestunden und einem Job als<br />
Hilfskraft im Labor über Wasser. Erst in letzter Zeit kann er etwas entspannter<br />
studieren. Er hat einen günstigen Wohnheimplatz und der<br />
Freistaat unterstützt ihn bis nächsten Februar mit einem Stipendium.<br />
Eine Verlängerung ist möglich – wenn die Noten stimmen.<br />
Aus Dankbarkeit hat Indradeo jetzt beschlossen, dass er „etwas<br />
zurückgeben“ möchte von der Hilfe, die er in <strong>München</strong> bekommen<br />
hat. Er engagiert sich in der Betreuung ausländischer Medizinstudenten.<br />
„Man kann mit ganz einfachen praktischen Sachen schon viel<br />
helfen“, erklärt er. Schon der Tipp, wie man an ein billiges Bahnticket<br />
kommt oder welches Lehrbuch gut auf die Prüfungen vorbereite, könne<br />
den Alltag eines ausländischen Studierenden sehr viel einfacher<br />
machen, sagt Indradeo.<br />
Er selbst kommt im Medizinstudium bisher gut zurecht. Im Labor hat<br />
er seinen Kommilitonen einiges voraus. Und sein Deutsch ist mittlerweile<br />
so gut, dass er auch mit den Patienten am Krankenbett locker<br />
parlieren kann. Die seien nur fassungslos, wenn er ihnen sage, woher<br />
er kommt. Dann bekäme er zu hören: „Was, sie kommen von Mauritius?<br />
Was machen sie dann hier, im kalten Deutschland?“<br />
Zu Hause sei er in der Tat zu wenig, sagt Indradeo. Die Wahrheit ist,<br />
dass er seit acht Jahren nicht mehr in der Heimat war. Der Flug ist<br />
einfach zu teuer. Immerhin hat Indradeo diesen Sommer seine Mutter<br />
wieder gesehen. Er hatte für sie in Deutschland eine dringende<br />
Operation organisiert, welche die Ärzte auf der Insel im Indischen<br />
Ozean nicht durchführen konnten. Der medizinische Standard dort<br />
sei unvorstellbar schlecht, sagt Indradeo.<br />
Nach der Facharztausbildung will er daher auch auf jeden Fall zurück<br />
nach Mauritius. Vielleicht als Neurologe, denn „da kann man auch<br />
ohne teure Geräte viel machen.“ Für ihn ist es nicht wichtig, irgendwo<br />
fern der Heimat viel Geld zu scheffeln. „Ich war so enttäuscht von<br />
den Krankenhäusern auf Mauritius, dass ich dort einiges verbessern<br />
möchte. Es ist schließlich meine Heimat“, sagt er. ■ gra<br />
Kosmos LMU<br />
Ausländische Studentinnen und Studenten gehören zum<br />
Erscheinungsbild der LMU. Von knapp 48.000 Studierenden<br />
kommen etwa 7.000 nicht aus Deutschland. Junge Chinesen,<br />
US-Amerikaner oder Brasilianer bereichern mit ihren verschiedenen<br />
kulturellen Hintergründen die LMU-Community.<br />
Das <strong>MünchnerUni</strong> <strong>Magazin</strong> stellt einige der ausländischen<br />
Studierenden in der neuen Serie „Kosmos LMU“ vor.<br />
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MUM 04 | 2005 PROFILE<br />
18<br />
MÜNCHNER KOMPETENZZENTRUM ETHIK<br />
DISKURS FÜR ETHISCHE LÖSUNGEN<br />
„Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei“ heißt<br />
es in Artikel 5 des Grundgesetzes. Nur so kann Forschung gedeihen<br />
und zu neuen, zukunftsweisenden Ergebnissen kommen.<br />
Gleichwohl werfen neue Technologien, neue Forschungsvorhaben<br />
und -möglichkeiten, welche die Forschung im 21. Jahrhundert entscheidend<br />
prägen, immer neue ethische Fragen auf. Das Münchner<br />
Kompetenzzentrum Ethik (MKE), das im Sommer an der LMU<br />
eröffnet wurde, will aktuelle Forschung aus dem Blickwinkel ethischer<br />
Problemstellungen untersuchen, den Diskurs wach halten<br />
und die wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen und<br />
ihre Folgen für die Gesellschaft ethisch reflektieren<br />
Wissenschaft, Politik und Wirtschaft beinhalten zunehmend ethisches<br />
Konfliktpotential. Ein aktuell heftiges, zum Teil auch emotional diskutiertes<br />
Thema ist die Forschung mit embryonalen Stammzellen des<br />
Menschen.<br />
Wissenschaftler aus den Lebenswissenschaften und der Medizin fordern<br />
diese Forschung zu Gunsten von Therapien bislang unheilbar<br />
kranker Menschen: So könnten aus den embryonalen Stammzellen<br />
Hilfen für Patienten mit Alzheimer, Parkinson oder Diabetes gewonnen<br />
werden. Die Gegner berufen sich auf den Schutz des menschlichen<br />
Lebens bereits ab dem Zeitpunkt, an dem Ei- und Samenzelle<br />
miteinander verschmelzen – einer Definition, der sich auch der Gesetzgeber<br />
in Deutschland angeschlossen hat und diese Forschung<br />
untersagt. Die Forscher sehen hierin eine starke Beeinträchtigung<br />
ihrer Arbeit und vor allem Wettbewerbsnachteile gegenüber den Wissenschaftlern<br />
in Ländern, in denen die Forschung an oder mit embryonalen<br />
Stammzellen zulässig ist.<br />
Die Thematik ist deshalb so schwierig, weil beide Seiten – Befürworter<br />
wie Gegner – über stichhaltige Argumente für ihren Standpunkt<br />
verfügen: Auf der einen Seite der Anspruch, alle Möglichkeiten<br />
auszuschöpfen, Krankheiten zu heilen. Auf der anderen Seite der<br />
unbedingte Schutz ungeborenen menschlichen Lebens. Gleichwohl<br />
muss eine beiden Seiten genügende Lösung ethischer Probleme gefunden<br />
werden.<br />
Diese Diskussion zeigt deutlich, dass ethische Fragestellungen hochkomplex<br />
sind und in den seltensten Fällen etwas damit zu tun haben,<br />
was häufig mit ihnen assoziiert wird: nämlich das Bild des notorischen<br />
Gutmenschen, der Progressivität<br />
und wissenschaftliche Innovationen<br />
bremst und Regeln für alle gesellschaftlichen<br />
Belange einfordert.<br />
Das Gegenteil ist der Fall. Die Ethik<br />
ist ein Fachgebiet, das sich mit dem Instrumentarium<br />
grundsolider wissenschaftlicher<br />
Forschung aktueller Themen<br />
in Wissenschaft, Gesellschaft, Wirtschaft<br />
und Politik annimmt und Lösungsangebote<br />
für ethische Konflikte erarbeiten will. Das ist<br />
auch Ziel des Münchner Kompetenzzentrums<br />
Ethik (MKE) an der LMU, das am 20. Juli dieses Jahres<br />
feierlich eröffnet wurde.<br />
„Uns geht es ganz besonders darum, deutlich zu machen,<br />
dass die ethische Forschung eine für den praktischen<br />
Alltag sehr bedeutende Wissenschaft ist und keinesfalls im<br />
Elfenbeinturm stattfindet“, sagt Professor Wilhelm Vossenkuhl,<br />
Inhaber des Lehrstuhls Philosophie I an der LMU und Sprecher des<br />
MKE. „Wir haben uns zur Aufgabe gemacht, für alle Seiten tragfähige<br />
Lösungen etwa im Bereich der Stammzellenproblematik oder der<br />
Sterbehilfe zu finden“, erläutert Vossenkuhl, zu dessen eigenen Forschungsschwerpunkten<br />
die Grundlagen der Ethik und angewandte<br />
Ethik gehören.<br />
Gerade das Beispiel der embryonalen Stammzellenforschung zeigt<br />
deutlich, dass verschiedene wissenschaftliche Disziplinen an der Lösungsfindung<br />
mitarbeiten müssen: Lebenswissenschaftler, Mediziner,<br />
Theologen oder Juristen. Und genau diesen interdisziplinären<br />
Diskurs zu fördern hat sich das MKE auf die Fahnen geschrieben.<br />
GESTIEGENE AKZEPTANZ ETHISCHER FRAGESTELLUNGEN<br />
Dieser fachübergreifende Ansatz spiegelt sich auch in der Zusammensetzung<br />
des MKE wider: Insgesamt arbeiten dreizehn LMU-Fakultäten<br />
in der Einrichtung zusammen. Neun Forschungsverbünde<br />
widmen sich verschiedenen, fächerübergreifend angelegten Themenkomplexen,<br />
unter anderem aus den Bereichen Medizin-Biologie-<br />
Recht-Ethik, Wirtschafts- und Politische Ethik oder Ethik und Gesellschaft.
5 Ruhig sein, wozu das Schild in den<br />
neuen Räumen des Kompetenzzentrums<br />
Ethik – der ehemaligen philosophischen<br />
Bibliothek – auffordert,<br />
wollen seine Mitglieder nicht. Vielmehr<br />
geht es ihnen darum, konkrete<br />
Probleme zu benennen und Lösungen<br />
zu finden.<br />
„Wir wollen gemeinsam mit Wissenschaftlern aus<br />
anderen Fachbereichen herausfinden, wo man vertretbare<br />
Grenzen der Forschung definieren kann“,<br />
so Professor Vossenkuhl. „Dazu brauchen wir den<br />
Sachverstand des Mediziners, des Naturwissenschaftlers<br />
oder des Ökonomen.“<br />
Keinesfalls, so Vossenkuhl, solle die Forschung<br />
behindert oder in irgendeiner Art reglementiert<br />
werden. Allerdings soll ein kritischer Diskurs stattfinden,<br />
der fragwürdige Forschungsergebnisse<br />
benennt und für mögliche negative Folgen sensibilisiert:<br />
„Was wir für falsch halten, können wir<br />
nicht befürworten“, betont der Sprecher des MKE.<br />
Neben dem Komplex Medizin-Biologie-Recht-<br />
Ethik, der sich zum Beispiel mit der Stammzellenforschung<br />
beschäftigt, behandeln weitere Forschungsvorhaben<br />
die Schwerpunkte Theologie-<br />
Palliativmedizin, Wirtschaftsethik oder Politische<br />
Ethik. Dabei ist nicht nur die Forschung eine<br />
wichtige Säule des MKE. Genauso wichtig ist die<br />
Lehre, da Studierende aller Disziplinen als zukünftige<br />
Entscheidungsträger in verschiedenen gesellschaftlichen<br />
Bereichen mit ethischen Problemstellungen<br />
konfrontiert werden. „Wir wollen Studierende<br />
mit den Möglichkeiten der Lösung von<br />
ethischen Konflikten vertraut machen und sie möglichst<br />
früh an diese Themen heranführen“, erklärt<br />
Vossenkuhl. „Das<br />
ist besonders wichtig,<br />
da die Zahl dieser<br />
Probleme noch zunehmen<br />
wird und einen kompetenten<br />
Umgang erfordert.“ Verschiedene<br />
Lehrveranstaltungen,<br />
etwa zum Thema Menschenbilder in der<br />
Wirtschaftsethik, sind geplant. Als wichtiges<br />
Anliegen sieht Vossenkuhl die Integration von<br />
Lehrveranstaltungen zum Thema Ethik in die<br />
streng strukturierten Bachelor- und Masterstudiengänge.<br />
„Das ist eine große Herausforderung,<br />
in die engen Module noch Veranstaltungen<br />
zu integrieren, deren Bedeutung dem einen oder<br />
anderen sich vielleicht nicht gleich erschließt“, sagt<br />
Wilhelm Vossenkuhl. Dennoch ist er sich sicher,<br />
dass das Thema Ethik an der LMU eine bedeutendere<br />
Rolle spielen wird als bisher.<br />
Die Einrichtung des Ethikzentrums, so Vossenkuhl,<br />
verleihe der LMU das Profil einer <strong>Universität</strong>, die<br />
sich einer guten ethischen Praxis in Forschung und<br />
Lehre verpflichtet fühlt. Dazu gehöre auch die Vermittlung<br />
der Themen und Kompetenzen an die<br />
Öffentlichkeit. Schon in diesem Wintersemester<br />
sollen im Ethikzentrum, das in der ehemaligen philosophischen<br />
Bibliothek im LMU-Hauptgebäude<br />
sein Domizil gefunden hat, öffentliche Vorträge zu<br />
aktuellen ethischen Problemen und Fragestellungen<br />
stattfinden. ■ cg<br />
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20<br />
KOMPETENZNETZ DEPRESSION<br />
WENN DAS LEBEN ZUR LAST WIRD<br />
Depression ist eine gefährliche, weil immer noch zu wenig ernst genommene Volkskrankheit. Das deutschlandweit aktive Kompetenznetz<br />
Depression, Suizidalität, das an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU angesiedelt ist, hat sich als<br />
wichtigste Ziele gesetzt, sowohl die Erforschung der Krankheit, als auch die Sensibilisierung dafür in der breiten Öffentlichkeit<br />
voranzutreiben.<br />
Es begann vor drei Jahren, als Karl R. plötzlich einen starken Tinnitus<br />
bekam. „Ich hatte ein permanentes Rauschen im Ohr, ähnlich dem<br />
von Flugzeugtriebwerken im Leerlauf“, schildert er den Beginn einer<br />
Leidensgeschichte, die ihn fast völlig lethargisch werden ließ. Die<br />
Diagnose des Arztes: Der 65-Jährige litt unter einer schweren Depression.<br />
Dabei hatte R. noch Glück, dass der Arzt die Krankheit<br />
gleich richtig diagnostizierte. Denn die Symptomatik lässt, wie auch<br />
in seinem Fall, nicht immer sofort auf eine Depression schließen.<br />
„Die Patienten leiden unter ganz verschiedenen körperlichen Beschwerden,<br />
die von Magenproblemen über Appetitlosigkeit, ständige<br />
Müdigkeit und Schlaflosigkeit reichen können“, erläutert Professor<br />
Ulrich Hegerl. „Die unterschiedlichen Symptome haben in der<br />
Vergangenheit häufig zu Fehldiagnosen geführt“, so der Oberarzt<br />
und Leiter der Abteilung für Klinische Neurophysiologie an der<br />
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU.<br />
In Deutschland sind rund vier Millionen Menschen von Depression<br />
betroffen. Eine Studie der Weltgesundheitsorganisation klassifiziert<br />
das Leiden als Volkskrankheit Nummer 1 in den westlichen Industrieländern.<br />
Der hohe volkswirtschaftliche Schaden von mehreren Milliarden<br />
Euro, den die Krankheit hierzulande jährlich verursacht, hat in<br />
Politik und Wirtschaft mittlerweile zu einem Umdenken geführt und<br />
3 „Depression hat viele Gesichter“<br />
– das Kompetenznetz<br />
Depression, Suizidalität versucht<br />
sie zu zeigen.<br />
dazu, ihrer Bekämpfung höchste Priorität einzuräumen und den Betroffenen<br />
Hilfestellungen zu geben. So fördert beispielsweise das<br />
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Kompetenznetz<br />
Depression, Suizidalität, dessen Koordinator und Sprecher<br />
Professor Hegerl ist. Im Jahr 1999 gestartet und vom BMBF noch bis<br />
2008 gefördert, widmet sich das Netzwerk, an dem neben der Klinik<br />
der LMU noch weitere zehn <strong>Universität</strong>skliniken sowie externe Forschungseinrichtungen,<br />
Ärzte, aber auch Betroffene beteiligt sind, einer<br />
Verbesserung der Diagnostik, der Therapie sowie der Erforschung<br />
der Krankheit.<br />
„Ein wichtiges Anliegen von uns ist, auch den Blick in der breiten Öffentlichkeit<br />
für diese Krankheit zu schärfen“, erläutert Ulrich Hegerl.<br />
Ein gutes Beispiel für die erfolgreiche Arbeit des Kompetenznetzes<br />
ist das Teilprojekt „Nürnberger Bündnis gegen Depression“, das 2001<br />
ins Leben gerufen wurde. Es kooperiert intensiv mit Hausärzten und<br />
Multiplikatoren wie Lehrern, Pfarrern oder Apothekern, um das Bewusstsein<br />
für die Gefährlichkeit der Krankheit zu verbessern – mit<br />
durchschlagendem Erfolg: Die vernetzte Arbeit des Bündnisses gegen<br />
Depression führte in der Modellregion Nürnberg zu einer signifikanten<br />
Senkung der Suizide und Suizidversuche um mehr als 20<br />
Prozent.
Auch Karl R. hält erfolgreiche Aufklärungsarbeit für den wichtigsten<br />
Schritt bei der Bekämpfung der Krankheit: „Hätten meine Frau und<br />
ich früher gewusst, warum ich mich sozial immer mehr zurückgezogen<br />
habe und so antriebslos wurde, würde unsere Ehe heute noch<br />
bestehen.“ Durchhalteparolen wie „Es wird schon wieder“ oder „Reiß<br />
dich zusammen“, die Angehörige und Freunde den Betroffenen in<br />
Unwissenheit oft allzu leichtfertig vorhalten, helfen diesen nicht – sie<br />
sind sehr krank, lebensgefährlich krank und brauchen professionelle<br />
Hilfe. „Zwischen zehn und 15 Prozent der Patienten mit schweren,<br />
wiederholt auftretenden depressiven Phasen nehmen sich das<br />
Leben“, sagt Ulrich Hegerl. Auch Karl R. hatte mehrfach den Wunsch,<br />
Schluss zu machen. „Irgendwann wollte ich einfach nur noch, dass<br />
es aufhört“, erinnert er sich.<br />
VERNETZTE AUFKLÄRUNG<br />
Depressionen haben psychische und physische Ursachen. Keineswegs<br />
sind sie – wie häufig postuliert – allein psychisch bedingt und<br />
auf negative Änderungen in den Lebensumständen wie Verlust eines<br />
nahe stehenden Menschen, der Arbeit, oder Perspektivlosigkeit<br />
zurückzuführen. So hat eine dänische Studie zwar ergeben, dass viele<br />
Arbeitslose depressiv sind, jedoch in den meisten Fällen die Depression<br />
zur Arbeitslosigkeit geführt hat und nicht umgekehrt. Ebenso<br />
ist die Zahl der Suizide in den neuen Bundesländern nach der Wende<br />
deutlich zurückgegangen, obwohl das Leben großer Teile ihrer<br />
Bevölkerung von starker Perspektivlosigkeit geprägt ist.<br />
Physisch werden Depressionen vor allem durch eine Störung im<br />
Serotonin-Haushalt hervorgerufen. Serotonin ist ein Botenstoff – ein<br />
so genannter Neurotransmitter –, der maßgeblich für die Informationsübermittlung<br />
zwischen Nervenzellen im Gehirn zuständig ist. Ist<br />
der Haushalt gestört, kann dies zu Depressionen führen. Eine Behandlung<br />
mit Medikamenten wie Antidepressiva hilft, den Haushalt<br />
wieder zu regulieren und die Depression zum Abklingen zu bringen.<br />
Professor Hegerl: „Die Therapie mit Antidepressiva kann nur erfolgreich<br />
sein, wenn die Medikamente konsequent und vor allem auch<br />
über den Zeitpunkt der Besserung hinaus eingenommen werden.“<br />
90 Prozent der Betroffenen kann auf diese Weise gut geholfen werden.<br />
Auch Karl R. fühlt sich heute nach seiner Therapie wieder gut.<br />
Wenn er einen Rückfall erleiden sollte, so weiß er, dass es in seiner<br />
Heimatstadt Nürnberg viele Möglichkeiten gibt, ihm zu helfen. Er<br />
weiß, dass er mit seiner Krankheit nicht allein ist.<br />
Das Beispiel Bündnis gegen Depression hat nicht nur in Deutschland,<br />
wo bereits mehr als 20 Regionen lokale Bündnisse gestartet haben,<br />
sondern auch in Europa Schule gemacht: 16 Staaten beteiligen sich<br />
an der European Alliance Against Depression (EAAD), die auf Basis<br />
der Erfahrungen des Bündnisses im vergangenen Jahr ins Leben gerufen<br />
wurde und mit EU-Mitteln gefördert wird. Was auf nationaler<br />
Ebene schon Erfolg gezeigt hat, soll jetzt auch in anderen Ländern<br />
den Betroffenen und ihren Angehörigen helfen, ihr Leiden in den<br />
Griff zu bekommen und das Leben wieder als Lust und nicht als Last<br />
zu empfinden. ■ cg<br />
WEITERE INFORMATIONEN<br />
Rat und Hilfe für Betroffene und Angehörige:<br />
www.kompetenznetz-depression.de<br />
Kostenfreier Beratungsservice für Ärzte zu Krankheit,<br />
Diagnose und Therapie:<br />
www.psychiatriekonsil.de<br />
Europaweite Aktivitäten bei der Bekämpfung von Depressionen:<br />
www.eaad.net<br />
Ratgeber für Betroffene:<br />
Hegerl, Ulrich & Niescken, Svenja<br />
Depressionen bewältigen – die Lebensfreude wiederfinden<br />
Trias Verlag, Stuttgart 2004<br />
Hegerl, Ulrich & Althaus, David & Reiners, Holger<br />
Das Rätsel Depression – eine Krankheit wird entschlüsselt<br />
C.H. Beck, <strong>München</strong> 2005<br />
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MUM 04 | 2005 PROFILE<br />
22<br />
„AKTION LESEZEICHEN“<br />
ZERRISSEN, ZERNAGT, ZERFALLEN<br />
Der verheerende Brand in der Herzogin Anna<br />
Amalia Bibliothek in Weimar jährte sich am 2.<br />
September zum ersten Mal. Ein Bündnis deutscher<br />
<strong>Universität</strong>s- und Staatsbibliotheken nahm<br />
diesen Termin zum Anlass, mit der „Aktion Lesezeichen“<br />
für den verantwortungsvollen Umgang<br />
mit Büchern als den Bewahrern von Kultur<br />
und Geschichte zu werben. Deutschlandweit<br />
sind rund 60 Millionen Handschriften und<br />
Drucke vom Zerfall bedroht. Die <strong>Universität</strong>sbibliothek<br />
(UB) der LMU beteiligte sich mit einer<br />
kleinen Ausstellung an der Aktion.<br />
Eine schmucklose weiße Gittertür mündet in das<br />
Treppenhaus der zentralen <strong>Universität</strong>sbibliothek,<br />
Studierende sitzen auf den Stufen davor, reden oder<br />
lesen und schenken der Tür weiter keine Beachtung.<br />
Dabei ist dieses unauffällige und sorgfältig<br />
verschlossene Eisengitter der Zugang zu einer<br />
„Schatzkammer“, deren Inhalt nicht nur Liebhaber<br />
alter Schriften und Drucke in andächtige Stimmung<br />
versetzt: In dem <strong>Magazin</strong>raum, den man nach<br />
Überwindung des Gitters und weiterer schwerer<br />
Metalltüren erreicht, lagern nicht weniger als 3.200<br />
alte Handschriften, zum Teil aus dem Mittelalter,<br />
Nachlässe, knapp 8.000 besonders wertvolle alte<br />
Drucke (insgesamt besitzt die UB über 300.000 alte<br />
Drucke vor dem Erscheinungsjahr 1850) sowie<br />
über 3.500 Inkunabeln – also frühe Drucke aus der<br />
Zeit vor 1500.<br />
Die aufwändig gestalteten ledernen Einbände einer<br />
Vielzahl schwerer Folianten zieren juristische<br />
und theologische Lehrwerke aus den frühen Ingolstädter<br />
und Landshuter Jahren der LMU sowie liturgische<br />
Texte. In den Regalen finden sich Atlanten<br />
unter anderem aus der Zeit der beginnenden<br />
Expansion Europas nach Übersee oder medizinische<br />
Anschauungswerke, so ein Lexikon zur<br />
Feldchirurgie von Paracelsus.<br />
Diese illustre Sammlung macht die umfangreichen<br />
Sicherungsmaßnahmen verständlich: die schweren<br />
Türen, die vergitterten Deckenfenster, die vor unberechtigtem<br />
Zutritt schützen, und vor allem das<br />
Rauchansaugsystem, das über seine Rohrleitungen<br />
Raumluft an einen hochsensiblen elektronischen<br />
Sensor leitet, der selbst kleinste Mengen von<br />
Rauchgas in der Luft detektiert und sofort Feueralarm<br />
auslöst.<br />
Nicht zuletzt das Fehlen solcher Systeme führte im<br />
September vergangenen Jahres zum Verlust unschätzbar<br />
wertvoller literarischer Zeugnisse, als die<br />
Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar teilweise<br />
ausbrannte. Hier wurde auf schaurige Weise<br />
deutlich, wie gefährdet Bücher und Schriften<br />
sind, die als Zeugnisse das geistige, kulturelle, gesellschaftliche<br />
und historische Erbe eines Landes<br />
bewahren.<br />
Auf diese Tatsache sollte die bundesweite „Aktion<br />
Lesezeichen“, die anlässlich des Brandes am 2. September<br />
stattfand, aufmerksam machen und das<br />
Bewusstsein im Umgang mit Büchern in der breiten<br />
Öffentlichkeit schärfen. Auch die <strong>Universität</strong>sbibliothek<br />
<strong>München</strong> beteiligte sich mit der Ausstellung<br />
„Zerrissen – Zernagt – Zerfallen“ an der Aktion.<br />
„Die Reparatur und Restaurierung beschädigter<br />
Bücher oder die Neuanschaffung erfordern enorme<br />
Summen. Wir wollten mit unserer Präsentation<br />
dokumentieren, dass die Benutzer unserer Bibliothek<br />
bei der Erhaltung der Bücher auch ein Stück<br />
weit in der Verantwortung stehen“, erläutert Dr.<br />
Sven Kuttner, Leiter der Abteilung für Handschriften<br />
und alte Drucke in der UB.
3 Papierzerfall durch Säure und<br />
Mäusefraß sind nur zwei der vielen<br />
Schadensmöglichkeiten, denen<br />
Bücher, Drucke oder alte<br />
Schriften ausgesetzt sind .<br />
Die kleine Ausstellung im Treppenhaus der Zentralbibliothek am Geschwister-Scholl-Platz<br />
zeigte deutlich, dass ein Brand wie der in Weimar<br />
die zwar dramatischste, jedoch eine eher seltene Form der Gefährdung<br />
von Büchern darstellt. Zu kämpfen haben die Bibliothekare<br />
häufiger mit anderen Schadensarten, die ebenfalls zum vollständigen<br />
Verlust der betroffenen Druckwerke führen können. In den Vitrinen<br />
der UB waren geschundene Exponate aus dem Altbestand der<br />
Bibliothek zu sehen. Schimmel, Säure- und Tintenfraß, Wasser, häufiges<br />
Kopieren oder Feuer haben den Büchern arg zugesetzt. Eine<br />
Ausgabe von André Maurois’ „Wandlungen der Liebe“ wurde von<br />
Mäusen fein säuberlich ausgehöhlt, die darin ihr Nest bauten.<br />
Aber auch Möglichkeiten und Materialien der Bucherhaltung und -restaurierung<br />
fanden sich in der Ausstellung. Sie wurden von der Firma<br />
Depping zur Verfügung gestellt, die viele beschädigte Bücher der<br />
<strong>Universität</strong>sbibliothek restauriert.<br />
SCHLEICHENDE SELBSTZERSTÖRUNG<br />
„Schimmelbefall im Altbestand und Beschädigungen des Einbands<br />
sind bei uns die häufigsten Schadensbilder“, erklärt Sven Kuttner.<br />
Vor allem die unsachgemäße Auslagerung der Bücher während des<br />
Zweiten Weltkrieges begünstigte den Schimmelbefall: „Wir haben in<br />
unserem Altbestand derzeit etwa 100 besonders schwere Schadensfälle<br />
mit Schimmel“, so Kuttner.<br />
Einbandschäden entstehen hingegen zumeist durch häufiges Kopieren,<br />
bei dem Bücher aufgeschlagen mit Kraft auf die Glassscheibe<br />
des Kopierers gedrückt werden. Irgendwann bricht da auch der solideste<br />
Buchrücken. Im Gegensatz zur Restauration beispielsweise<br />
von Büchern, die mit Schimmel befallen sind, kann man Einbandreparaturen<br />
fast schon Routinearbeiten nennen – auch hinsichtlich der<br />
Kosten: „Für die Reparatur eines Einbands veranschlagen wir ungefähr<br />
120 Euro pro Werk“, erläutert Sven Kuttner. „Bei der Schimmelbekämpfung<br />
kann eine Restaurierung schon leicht mehr als das<br />
Zehnfache davon kosten.“<br />
Ein sehr großes Problem und der Schrecken eines jeden Bibliothekars<br />
ist jedoch der Säurefraß – gleichsam die schleichende Selbstzerstörung<br />
eines Buches. Statt teurer Lumpen wurde ab etwa 1850<br />
7 Die meisten Schäden entstehen<br />
am Buchrücken durch<br />
unsachgemäße Behandlung wie<br />
häufiges Kopieren.<br />
zunehmend Zellstoff in der industriellen Papierfertigung eingesetzt.<br />
Das Problem, das allerdings zu spät erkannt wurde: Zusatzmittel in<br />
diesem Papier sorgen im Laufe der Zeit für die Bildung von Schwefelsäure,<br />
die das Papier schließlich vollkommen zersetzt. Noch bis in<br />
die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts wurden säurehaltige Papiere für<br />
den Buchdruck verwendet – die Folgen für die Bibliotheken kann man<br />
sich vorstellen: „Man wird sicherlich nicht alles retten können, selbst<br />
mit modernen Verfahren der Massenentsäuerung. Dafür sind einfach<br />
zu viele Bücher betroffen“, erklärt Sven Kuttner. „Die einzige Möglichkeit,<br />
die Literaturproduktion aus dieser Zeit zu retten, ist die rechtzeitige<br />
Speicherung auf andere Datenträger wie CD-ROM oder Mikrofiche.“<br />
Die Menge der Druckwerke, die auf diese Art vom Verfall bedroht<br />
sind, ist nicht genau feststellbar. Fakt ist jedoch, dass unter den 60<br />
Millionen Büchern und Schriften, die in Deutschland vollkommen<br />
zerstört zu werden drohen, viele Unikate sind, deren Wissen nur in<br />
dieser Form vorhanden ist. Es wird Jahre dauern, dieses Wissen zu<br />
retten, und es steht zu befürchten, dass es für viele Werke bereits zu<br />
spät ist.<br />
Bestandserhaltung sollte aber nicht erst dann beginnen, wenn die<br />
Bücher schon geschädigt sind. Wirkungsvolle Erhaltung fängt bereits<br />
bei der Ausleihe an. Hier ist vor allem der Bibliotheksbenutzer gefordert,<br />
die Bücher pfleglich zu behandeln, vernünftig zu transportieren<br />
und vor allem möglichst wenig zu kopieren. Am 2. September waren<br />
wegen der vorlesungsfreien Zeit jedoch erwartungsgemäß wenig Studierende<br />
– die eigentlichen Adressaten der Ausstellung – vor Ort.<br />
„Ich hätte mir gewünscht, dass ein anderer Termin während der Vorlesungszeit<br />
für die Ausstellung gefunden worden wäre“, bedauert<br />
Kuttner. „Natürlich hat man sich im Aktionsbündnis letztlich wegen<br />
des Brandes in Weimar für dieses Datum entschieden.“ Der Bibliothekar<br />
plant eine vergleichbare Ausstellung für die Vorlesungszeit.<br />
Denn Bestandserhaltung ist das Gebot der Stunde. ■ cg<br />
MUM 04 | 2005 PROFILE<br />
23
MUM 04 | 2005 ESSAY<br />
24<br />
PROF. DR.<br />
SUSANNE SCHRÖTER<br />
Lehrstuhl für<br />
Südostasienkunde,<br />
<strong>Universität</strong> Passau<br />
ESSAY<br />
ISLAMISCHER FEMINISMUS<br />
Der Islam wird in den westlichen Industrienationen meist als eine zutiefst Frauen verachtende<br />
Religion dargestellt – ein Bild, das vornehmlich von Vorurteilen getragen ist. Der Essay „Islamischer<br />
Feminismus – Ansätze und Perspektiven“ von Professor Susanne Schröter von der <strong>Universität</strong><br />
Passau, den sie im vergangenen Sommersemester im Rahmen des „Colloquium Gender<br />
Studies“ des Instituts für Soziologie an der LMU als Vortrag gehalten hat, setzt sich kritisch mit<br />
dieser Thematik auseinander.<br />
Nach der Debatte um Ehrenmorde, Gewalt gegen<br />
Frauen in muslimischen Ländern und einer muslimischen<br />
Diaspora, nach den Aufregungen um den<br />
Ausschluss muslimischer Schülerinnen vom Schulsport<br />
und der Diskussion um Parallelgesellschaften<br />
erscheinen die Begriffe „Islam“ und „Feminismus“<br />
fast wie ein Antagonismus. In diesem Beitrag<br />
möchte ich den Versuch einer Revision dieser Vorstellung<br />
unternehmen und die Grundzüge einer Reformbewegung<br />
darstellen, die sich explizit oder implizit<br />
als „islamischer Feminismus“ versteht.<br />
Dieser basiert, wie der westliche Feminismus,<br />
von dem er sich in vielerlei Hinsicht<br />
unterscheidet, auf politischen<br />
Forderungen, Maßnahmen, aber auch<br />
auf internationalen Vereinbarungen zur<br />
Gleichstellung von Frauen. Die Gleichberechtigung<br />
der Geschlechter steht heute<br />
auf der Agenda aller internationalen Organisationen.<br />
Auf der Weltfrauenkonferenz in Peking<br />
im Jahr 1995 verpflichteten sich 189 Staaten, dafür<br />
zu sorgen, die Rechte von Frauen zu schützen, die<br />
Gleichstellung der Geschlechter in Politik, Wirtschaft<br />
und Gesellschaft zu fördern, Bildungsunterschiede<br />
zwischen Männern und Frauen abzubauen,<br />
Gewalt gegen Frauen zu ahnden und weibliche<br />
Armut zu bekämpfen. Damit sind Forderungen, die<br />
historisch auf den in Europa und den USA entstandenen<br />
Feminismus zurückgehen, auch in nichtwestlichen<br />
Ländern zur Leitmaxime staatlicher Politik<br />
geworden. Zum Teil werden sie dort sogar sehr<br />
viel radikaler umgesetzt als bei uns. Gebildete Frauen,<br />
so Christine Schirrmacher und Ursula Spuler-<br />
Stegemann, die ein zorniges Buch über Frauenunterdrückung<br />
im Islam publiziert haben, sind in islamischen<br />
Ländern „oft so emanzipiert …, dass die<br />
nichtmuslimischen Frauen in der westlichen Hemisphäre<br />
kaum mitkommen.“ Das ist für westliche<br />
Feministinnen eine überraschende Erkenntnis, insbesondere<br />
da die Musliminnen in als besonders<br />
schwierig geltenden Problemfeldern des Gender<br />
Mainstreaming glänzen. Die Vereinbarkeit von Beruf,<br />
politischem Engagement und Familie stellt für<br />
Frauen meist kein unüberwindbares Hindernis dar.<br />
Das liegt zum einen an gut funktionierenden Strukturen<br />
der erweiterten Familie und der Verlagerung<br />
reproduktiver Arbeiten auf Hauspersonal, aber<br />
auch an einer Differenzierung zwischen familialer<br />
Rhetorik und Praxis. Der Umstand, dass Ehemann<br />
und die Kinder den ersten Platz im Leben einer<br />
muslimischen Frau einnehmen sollten, so erläuterte<br />
mir Siti Mariah Mahmod, die Vizepräsidentin<br />
der Islamischen Partei Malaysias (PAS),<br />
bedeute nicht, dass eine Frau ihre Kraft<br />
im Haushalt verausgaben müsse. Schließlich,<br />
so ihr Argument, habe der Prophet<br />
seine Hemdknöpfe auch selbst angenäht<br />
und dies nicht seinen Frauen überlassen.<br />
Bildung und berufliches Engagement werden<br />
bei Frauen geschätzt, und sowohl die weibliche<br />
Leistungsbereitschaft als auch der Einsatz für<br />
gleiche Chancen zeigen deutliche Resultate. In<br />
Ländern wie dem Iran oder Jordanien sind die<br />
Hälfte der Studierenden Frauen, in der Türkei, in<br />
Tunesien und in Algerien gab es für viele Berufssparten<br />
eine Quotenregelung für Frauen, und in<br />
vielen muslimischen Ländern arbeiten Frauen als<br />
Anwältinnen, <strong>Universität</strong>sprofessorinnen, Ärztinnen,<br />
Theologinnen oder hohe Staatsbeamtinnen.<br />
Frauenorganisationen gehören in Ländern mit<br />
muslimischer Mehrheit zu den aktivsten zivilgesellschaftlichen<br />
Organisationen. In Pakistan<br />
nimmt das Institute of Women’s Studies in Lahore<br />
eine Vorreiterrolle ein, im Sudan die private<br />
„Ahfad University for Women“, in Indonesien<br />
besitzt jede islamische <strong>Universität</strong> ein eigenes
Gender oder Women’s Studies Department. Aufgrund dynastischer<br />
Elitestrukturen stehen Frauen nicht nur Führungspositionen in Wirtschaft<br />
und Gesellschaft offen, sondern selbst höchste Staatsämter.<br />
Das muslimische Bangladesh, Pakistan, Indonesien und die Türkei<br />
wurden bereits von Präsidentinnen regiert.<br />
Vor diesem Hintergrund ist die gern zitierte Dichotomie zwischen<br />
emanzipierten westlichen und unterdrückten muslimischen Frauen<br />
mehr als problematisch und wird von Musliminnen zu Recht als diskriminierend<br />
empfunden. Erschwerend für einen Dialog kommt hinzu,<br />
dass Verweise auf Frauenrechte im Westen gerne benutzt werden,<br />
um ganz andere politische Ziele durchzusetzen. Schon Ende des<br />
19. Jahrhunderts, so Lila Abu-Lughod und Leila Ahmed, hätten britische<br />
Männer, die sich in der Heimat einen Namen als Feinde der<br />
Frauenbewegung gemacht hatten, in Ägypten die Verschleierung als<br />
gegen die Frauen gerichtete Sitte verurteilt. Diese doppelbödige Haltung<br />
westlicher Repräsentanten hat sich bis heute nicht geändert.<br />
Saba Mahmood kritisiert etwa, dass die militärische<br />
Operation „Enduring Freedom“<br />
in der Öffentlichkeit maßgeblich<br />
unter dem Vorwand der Befreiung der<br />
afghanischen Frauen geführt wurde. Die<br />
verschleierte Frau wurde dabei zum Zerrbild<br />
all der Werte stilisiert, die die westliche Kultur<br />
ausmachen, zum Symbol einer rhetorischen Mobilisierung.<br />
„The burqa-clad body of the Afghan woman”, so<br />
Mahmood, „became the visible sign of an enemy that threatens<br />
not only „us“, citizens of the West, but our entire civilization.“<br />
Musliminnen wehren sich<br />
gegen solche Bevormundungen<br />
und Instrumentalisierungen,<br />
doch sie sind<br />
weit davon entfernt, Menschenrechtsverletzungen<br />
und Ungleichheiten in<br />
ihren Ländern zu tolerieren oder gar zu rechtfertigen.<br />
Oft genug sind sie selbst von Repression<br />
betroffen wie die jemenitische Professorin<br />
Raufat Hassan, die in einem Frauenforschungsinstitut<br />
lehrte, bis ihr Institut auf Druck radikaler<br />
Islamisten geschlossen wurde und sie ihren Namen<br />
auf einer Todesliste entdeckte.<br />
Aktivistinnen, die den Terminus des Feminismus für<br />
sich reklamieren, sehen sich mit der Schwierigkeit konfrontiert,<br />
einerseits ihre muslimische Identität zu behaupten,<br />
sich andererseits aber gegen fundamentalistische<br />
Strömungen zur Wehr setzen zu müssen, so z.B. die<br />
malaysische Gruppe „Sisters in Islam“, die 1988 von Juristinnen<br />
und Theologinnen gegründet wurde, um sich gegen<br />
die fortschreitende Islamisierung der malaysischen Gesellschaft<br />
zur Wehr zu setzen. Die Aktivistinnen waren empört über die Missachtung<br />
und Benachteiligung von Frauen im neu eingeführten islamischen<br />
Recht, das der Zeugenaussage eines Mannes so viel Wert<br />
zumisst wie der von zwei Frauen, das Männern mehr als eine Ehefrau<br />
zugesteht und Gewalt gegen Frauen als legitime Erziehungsmaßnahmen<br />
erlaubt. Als gläubige Musliminnen, so Zainah Anwar, eine<br />
der Gründerinnen der Gruppe, konnten sie sich nicht vorstellen, dass<br />
Allah solche Ungerechtigkeiten gutheiße, daher sahen sie die Notwendigkeit,<br />
zusammen den Qur’an zu lesen und herauszufinden, ob<br />
die Unterdrückung von Frauen im Text gerechtfertigt wird. „Our reading<br />
opened a world of Islam that we could recognize”, schreibt sie,<br />
„a world for women that was filled with love and mercy and with equality<br />
and justice. We were more convinced that it is not Islam that oppressed<br />
women, but the interpretations of the Qur’an influenced by<br />
the cultural practises and values of a patriarchal society.”<br />
Die Idee der „Sisters in Islam“, den Qur’an mit weiblichen Augen neu<br />
zu lesen und der patriarchalischen Deutung eine feministische ent-<br />
gegenzusetzen, wurde durch<br />
die schwarze US-Amerikanerin Amnia<br />
Wadud mitinitiiert, die an der Internationalen<br />
Islamischen <strong>Universität</strong> in Kuala Lumpur gelehrt<br />
und gerade eine Dissertation über „The Qur’an and Woman”<br />
fertig gestellt hatte. Ihre Autorität als Theologin und<br />
ihre fundierte Kenntnis der islamischen Quellen erwiesen sich<br />
als notwendige Unterstützung gegen das Deutungsmonopol der<br />
konservativen malaysischen Rechtsgelehrten. Dass das Vorgehen<br />
der Frauen keine isolierte nationale Innovation darstellte, zeigt der<br />
Umstand, dass die Soziologin Fatima Mernissi zur gleichen Zeit in<br />
Marokko mit textkritischen Analysen und historischen Rekonstruktionen<br />
eine dezidiert feministische Position entwickelt hatte.<br />
Feministische Deutungen des Qur’an und der Überlieferungen stellen<br />
das wichtigste Instrument für Veränderungen der Situation von<br />
islamischen Frauen dar, da für gläubige Muslime das letztendliche<br />
Referenzsystem nur ein göttlich legitimiertes sein kann. Diese Herangehensweise<br />
sorgt zurzeit für bewegte Debatten, da die Auswahl<br />
der historischen Quellen, ihre Kontextualisierung und Interpretation<br />
eine Vielzahl heterogener Auslegungen möglich macht. Vor allem,<br />
wenn praktische Konsequenzen impliziert werden, mobilisieren Konservative<br />
zur Gegenoffensive. Amina Wadud hatte im März 2005 einen<br />
weltweiten Sturm der Empörung unter konservativen Muslimen<br />
ausgelöst, als sie in New York das erste gemischtgeschlechtliche Freitagsgebet<br />
leitete. Solche Provokationen werden im Westen kaum zur<br />
Kenntnis genommen – für Musliminnen bedeuten sie jedoch eine<br />
Herausforderung patriarchaler Strukturen, bei der sie ihr Leben riskieren.<br />
MUM 04 | 2005 ESSAY<br />
25
MUM 04 | 2005 FORUM<br />
26<br />
Vor kurzem hat Google weltweit großes Aufsehen erregt: In<br />
den nächsten Jahren sollen 15 Millionen Bände gedruckter<br />
Bücher digital erfasst und im Internet angeboten werden. Auch anderswo<br />
wurden Digitalisierungsprojekte auf den Weg gebracht. Verlage<br />
wehklagen, Rechte, von denen sie lebten, würden verletzt. Für<br />
jemanden, der Informationen sucht – sei es für ein Referat oder für<br />
eine wissenschaftliche Arbeit – kann man sich doch eigentlich<br />
nichts mehr wünschen als diese Art der Zugänglichkeit zu den gedruckten<br />
Werken der Vergangenheit. Unabhängig von Zeit und<br />
Raum kann recherchiert werden – auch im gesamten Text der<br />
Bücher. Die Fundstellen können<br />
herunter geladen, weiter bear-<br />
beitet, verteilt und ausgedruckt<br />
werden. Dafür ist lediglich ein<br />
Computer mit Internetzugang<br />
notwendig.<br />
Die leichte und dadurch vermehrte<br />
öffentliche Zugänglichkeit<br />
zu elektronischen Texten<br />
zeigt sich am Beispiel des Publikationsservers<br />
der <strong>Universität</strong>sbibliothek<br />
der LMU: Im<br />
Jahr 2004 wurde jede der dort<br />
aufliegenden elektronischen<br />
LMU-Dissertationen im Durchschnitt<br />
300 Mal aufgerufen. Sogleich nach dem „Hochladen“ der<br />
Arbeiten erfolgt weltweit der Zugriff. Der kostenfreie Zugriff auf<br />
wissenschaftliche Online-Publikationen über das Internet wird seit<br />
einigen Jahren von der so genannten „Open Access Initiative“ propagiert.<br />
Die namhaftesten Wissenschaftsorganisationen Deutschlands<br />
haben sich 2003 in der „Berliner Erklärung über offenen<br />
Zugang zu wissenschaftlichem Wissen“ angeschlossen und den<br />
Wissenschaftlern empfohlen, ihre Arbeiten beispielsweise auf <strong>Universität</strong>s-<br />
oder Instituts-Servern online zugänglich zu machen – entweder<br />
als ausschließliche Online-Publikationen, als Vorveröffentlichung<br />
oder nachdem sie in gedruckten Zeitschriften erschienen<br />
sind.<br />
Die in den letzten Jahren teilweise exorbitant gestiegenen Preise<br />
für wissenschaftliche Zeitschriften haben die Bibliotheken bei stagnierendem<br />
Etat genötigt, Abbestellungen in großem Maße vorzunehmen.<br />
Das „Open-Access-Modell“ kann die allgemeine Zugänglichkeit<br />
zu wissenschaftlichem Wissen absichern. An der LMU<br />
bietet dafür der Publikationsserver der UB eine Plattform.<br />
Freilich verlangt das neue Medium auch Anpassung und Umlernen<br />
seitens der Wissenschaftler und der davon Abhängigen. Derzeit<br />
sind die Akzeptanz und der Bekanntheitsgrad in manchen Bereichen<br />
noch gering und die Skepsis bezüglich der Langzeitverfügbarkeit<br />
und Qualitätssicherung ist noch groß. Aber das sind Aufgaben,<br />
die global und vor Ort gelöst werden müssen und können.<br />
Es führt kein Weg daran vorbei, wenn der Wissenschaftsstandort<br />
Deutschland den Anschluss an die internationale Spitze nicht<br />
verlieren will.<br />
Das Problem stellt sich in den einzelnen Wissenschaften in unterschiedlicher<br />
Weise. Die Technik- und die Naturwissenschaften<br />
benötigen einen rascheren und großflächigeren Austausch als die<br />
mehr raumbezogenen, oft eine breitere Öffentlichkeit ansprechenden<br />
Kulturwissenschaften. Die Publikationstätigkeit hat sich durch die gesteigerte<br />
Aktualisierung und ausgeweitete Quantitäten zumindest zulasten<br />
der formalen Qualität verschoben. Zur Durchgestaltung von Texten<br />
oder Optimierung filternder Schriftleitungen bleibt kaum Zeit. Dabei<br />
ist niemand mehr in der Lage, das unbegrenzte Materialangebot zu<br />
überblicken. Die kognitiven Wissenschaften sollten den Faktor Zeit wieder<br />
anders gewichten. Gerade für<br />
die Geisteswissenschaften ist die<br />
P R O + CONTRA<br />
umgehende Literaturbereitstellung<br />
keineswegs nur von Vorteil.<br />
Der Wissenschaftsdiskurs vollzieht<br />
sich auf unterschiedlichen<br />
Ebenen. Die Wahl des geeigneten<br />
Mediums ist dem jeweiligen<br />
Zweck anzupassen. Sie muss vornehmlich<br />
von der Gewichtigkeit<br />
des Textes abhängen. Der Buchdruck<br />
erscheint schon für Arbeiten<br />
von mittlerer Zeitwertigkeit<br />
(gültige Interpretationen, zusammenfassende<br />
Darstellungen oder<br />
Handbücher) nach wie vor zweckmäßig. Er verschafft breitere Beachtung<br />
und befördert die wissenschaftliche Auseinandersetzung nachhaltiger<br />
als elektronische Medien. Unverzichtbar erscheint die Printpräsentation<br />
auch künftig bei Publikationen mit Langzeitwert. Das gilt<br />
vor allem für die Grundlagenforschung. Der Kernbereich gerade akademischer<br />
Wissenschaft strebt dauerhafte Gültigkeit an. Er sollte dementsprechend<br />
für jedermann langfristig prinzipiell an jedem Ort zu jeder<br />
Zeit verfügbar sein, was am besten das Buch gewährleistet. Die<br />
elektronische Präsentation baut zwischen Bearbeiter und Nutzer eine<br />
Hürde auf, die technischer, praktischer oder finanzieller Art sein kann.<br />
Langfristig bleibt das ungelöste Problem der dauerhaften Datenkonservierung<br />
und -abrufung. Die modernen Medien belasten die Wissenschaftspraxis,<br />
die nicht nur aus dem Blickwinkel der Forschungszentren<br />
betrachtet werden darf, mit fachfremden Schwierigkeiten, die<br />
das Buch nicht stellt. Dieses wird den Gang der Forschung auch dann<br />
noch dokumentieren, wenn die elektronischen Medien darüber hinweggegangen<br />
oder diese selbst überholt sein werden.<br />
Das Buch ermöglicht eine echt demokratische Wissenskultur, die von<br />
Alter, Raum und Status weithin unabhängig ist. Diese Breitenwirkung<br />
wird die künftige Wissensgesellschaft auszubauen haben. Sie muss zumindest<br />
in lohnenden Bereichen im zweigleisigen Verfahren sowohl<br />
die traditionelle als auch die virtuelle Online-Bibliothek unterhalten. Dabei<br />
wird sich das Printmedium wegen der notwendigen abschließenden<br />
Festlegung als unterscheidendes Qualitätsmerkmal erweisen. Über<br />
den Administrations-, Kosten-, Kapazitäts- und Benutzbarkeitsargumenten<br />
ist der ästhetische Aspekt keinesfalls zu vernachlässigen. Zumindest<br />
das Qualitätsbuch, dessen Vermarktung zu anspruchsvollen<br />
Präsentationsformen zwingt, stellt noch immer ein hochrangiges Kulturgut<br />
dar. Seine Wertschätzung schlägt sich nach wie vor in den Bilanzen<br />
der niveaubewussten Verlage nieder.<br />
DRUCKWERK ADE?<br />
Der Medienwandel im Bereich des wissenschaftlichen Publizierens<br />
reißt eine tiefe Kluft zwischen dem Druckwerk und<br />
der netzbasierten Publikation – scheinbar. Denn tatsächlich<br />
sind beide in der wissenschaftlichen Welt nicht wegzudenken.<br />
7 Dr. Günter Heischmann,<br />
Leiter der <strong>Universität</strong>sbibliothek<br />
der <strong>Ludwig</strong>-<strong>Maximilians</strong>-Universtität<br />
7 Professor Dr. Alois Schmid<br />
Lehrstuhl für Bayerische Geschichte<br />
und Vergleichende Landesgeschichte<br />
mit besonderer Berücksichtigung des<br />
Mittelalters an der LMU
■ PROF. DR. BERND PÄFFGEN<br />
Fakultät für Kulturwissenschaften<br />
Der 1961 in Bergheim/Erft geborene Archäologe<br />
ist seit August 2005 Professor für Vor- und Frühgeschichte<br />
an der LMU. Von 1980 bis 1988<br />
studierte er die Fächer Vor- und Frühgeschichte,<br />
Geschichte, Kunstgeschichte, Provinzialrömische<br />
Archäologie, Christliche Archäologie und Byzantinistik<br />
an den <strong>Universität</strong>en Köln und Bonn, wo er<br />
1988 auch promovierte. Ein Reisestipendium der<br />
Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen<br />
Archäologischen Instituts brachte ihn 1989<br />
an die wichtigsten Ausgrabungsstätten in Spanien,<br />
Nordafrika, dem Nahen Osten, der Türkei und Griechenland,<br />
wo er sich mit dem spätantiken Städtewesen<br />
und seiner Veränderung im frühen Mittelalter<br />
beschäftigte. Von 1988 bis 2005 arbeitete Päffgen<br />
beim Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege,<br />
wo er zuletzt als Landesoberverwaltungsrat<br />
zahlreiche Ausgrabungen vom Paläolithikum bis in<br />
die Neuzeit leitete. Seit 1992 übernahm er Lehraufträge<br />
am <strong>München</strong>er Institut für Vor- und Frühgeschichte<br />
sowie an den <strong>Universität</strong>en Köln und<br />
Bonn, wo er sich 2001/2002 habilitierte. Seine<br />
Schwerpunkte liegen in Feldforschung, Siedlungsarchäologie,<br />
Städtewesen, Kontinuitätsfragen zwischen<br />
Antike und Mittelalter, dem Fundmaterial der<br />
germanischen Völker im 3./4. bis 8. Jahrhundert<br />
sowie Zeugnissen des frühen Christentums in<br />
West- und Mitteleuropa.<br />
■ PROF. DR. OLIVER JAHRAUS<br />
Fakultät für Sprach- und<br />
Literaturwissenschaften<br />
Oliver Jahraus, 1964 in Kempten im Allgäu geboren,<br />
hat im August 2005 den Lehrstuhl für Neuere<br />
deutsche Literaturwissenschaft (Nachfolge Frühwald)<br />
übernommen. Der Schwerpunkt der Forschungsarbeit<br />
wird im Bereich Literatur und Medien<br />
liegen. Jahraus studierte von 1984 bis 1990<br />
Germanistik und Philosophie in <strong>München</strong>, wo er<br />
1992 promovierte. Ab 1996 war er Assistent an der<br />
<strong>Universität</strong> Bamberg und habilitierte sich hier 2001<br />
mit einem Habilitationsstipendium der DFG. Seine<br />
Schwerpunkte in Forschung und Lehre umfassen<br />
NEUBERUFEN<br />
zum einen den Bereich der Medien, der konkreten<br />
Medienangebote insbesondere auch zur Filminterpretation.<br />
Zum anderen beschäftigt sich Jahraus<br />
mit der Theorieentwicklung des Faches, wobei dieser<br />
Schwerpunkt in einem weiter gespannten medienkulturwissenschaftlichen<br />
Feld angesiedelt ist.<br />
Die Ausrichtung auf Literatur- und Medientheorie<br />
soll den medienwissenschaftlichen Schwerpunkt<br />
der Germanistik am Institut für deutsche Philologie<br />
stärken und ihm ein eigenes Profil verleihen.<br />
Neben der „klassischen“ neueren deutschen Literaturgeschichte<br />
seit dem 18. Jahrhundert, neben<br />
Kleist oder Kafka, widmet sich Jahraus besonders<br />
auch der jüngeren und jüngsten deutschen Literatur.<br />
Sein Ziel in diesem Zusammenhang ist es, im<br />
Sommersemester 2007 die Tradition der Poetikprofessur<br />
an der LMU wieder neu zu beleben.<br />
■ PROF. DR. JENS WOLLING<br />
Sozialwissenschaftliche Fakultät<br />
Jens Wolling, 1962 in Hameln geboren, hat im Juni<br />
2005 eine Professur für Kommunikationswissenschaft<br />
übernommen. Nach dem Abitur absolvierte<br />
er eine Lehre als Zimmermann und arbeitete zwei<br />
Jahre in einem Entwicklungsprojekt. Anschließend<br />
studierte er von 1987 bis 1993 Kommunikationswissenschaft<br />
an der Freien <strong>Universität</strong> Berlin. 1999<br />
promovierte er an der TU Dresden. Danach lehrte<br />
und forschte er an der TU Ilmenau und arbeitete an<br />
seiner Habilitation. Von Herbst 2003 bis Sommer<br />
2005 vertrat er die Professur für Multimedia und<br />
Onlinekommunikation an der LMU. Auf diese – in<br />
Kommunikator- und Onlineforschung umgewidme-<br />
1 Prof. Dr. Oliver Jahraus<br />
MUM 04 | 2005 MENSCHEN<br />
27
MUM 04 | 2005 MENSCHEN<br />
28<br />
NEUBERUFEN<br />
1 Prof. Dr. Clemens Pornschlegel<br />
1 Prof. Dr. Kristina Reiss<br />
te Professur – ist er nun berufen worden.<br />
Jens Wolling befasst sich in seiner Forschung mit<br />
der empirischen Untersuchung von Mediennutzungs-<br />
und Medienwirkungsprozessen. In den<br />
zurückliegenden Jahren hat er sich schwerpunktmäßig<br />
mit der Frage beschäftigt, ob sich die<br />
Mediennutzungsentscheidungen von Rezipienten<br />
durch ihre Erwartungen an die Qualität von Medienangeboten<br />
und der Wahrnehmung bzw. der intersubjektiven<br />
Bestimmung der tatsächlichen Qualität<br />
erklären lassen. Dieser Ansatz – angewandt auf<br />
aktuelle Probleme der Onlinekommunikation – wird<br />
auch in der näheren Zukunft Gegenstand und<br />
Grundlage seiner Forschungsarbeit an der LMU<br />
sein.<br />
■ PROF. DR. CLEMENS PORNSCHLEGEL<br />
Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaften<br />
Clemens Pornschlegel, Jahrgang 1958, ist seit Juli<br />
2005 Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft<br />
an der LMU. Er studierte Germanistik,<br />
Philosophie, Musikwissenschaft und Romanistik an<br />
den <strong>Universität</strong>en Freiburg und Paris 8, wo er 1986<br />
sein Studium mit der „Maîtrise de philosophie“ abschloss,<br />
1987 erfolgte die wissenschaftliche Prüfung<br />
für das Lehramt an Gymnasien. 1992 promovierte<br />
Pornschlegel in Freiburg, 1999 habilitierte er<br />
sich an der LMU. Von 1988 bis 2001 arbeitete er<br />
als DAAD-Lektor an der Université François Rabelais,<br />
Tours (Frankreich), als wissenschaftlicher Assistent<br />
am Lehrstuhl von Prof. Dr. Gerhard Neumann<br />
an der LMU sowie als Oberassistent am Institut<br />
für Deutsche Philologie. Nach seiner Professur<br />
für „civilisation allemande“ an der Université<br />
de Montréal (Kanada) 2001 hatte Pornschlegel von<br />
2002 bis 2005 eine Professur für „civilisation germanique“<br />
an der Université de Franche-Comté, Besançon<br />
(Frankreich) inne und leitete den Master-<br />
Studiengang „Expert en relations européennes“. Er<br />
hat zur deutschen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts<br />
und zu den deutsch-französischen Kulturbeziehungen<br />
publiziert. Seine Forschungsschwerpunkte<br />
liegen in den Bereichen der „Ästhetik<br />
des Politischen“, „Literatur als Institution“ sowie<br />
„Nachkriegsliteratur“.<br />
■ PROF. DR. KRISTINA REISS<br />
Fakultät für Mathematik, Informatik und Statistik<br />
Kristina Reiss, Jahrgang 1952, ist zum Oktober<br />
2005 Nachfolgerin von Prof. Rudolf Fritsch auf dem<br />
Lehrstuhl für Didaktik der Mathematik und Informatik<br />
geworden. Sie studierte von 1971 bis 1975<br />
an der <strong>Universität</strong> Heidelberg Mathematik und Physik,<br />
legte dort das erste und zweite Staatsexamen<br />
ab und promovierte ebenfalls in Heidelberg im Jahr<br />
1980 zum Dr.rer.nat. Nach einer Tätigkeit als wissenschaftliche<br />
Angestellte und Akademische Rätin<br />
an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe folgten<br />
Professuren an der Fachhochschule für Technik<br />
in Stuttgart sowie den <strong>Universität</strong>en Flensburg,<br />
Oldenburg und Augsburg. Ihr wissenschaftliches<br />
Interesse gilt vor allem der Entwicklung mathematischer<br />
Kompetenzen bei Kindern und Jugendlichen<br />
sowie den Unterrichtsbedingungen, die für<br />
eine Kompetenzentwicklung förderlich sind. Die<br />
Fragestellungen werden in verschiedenen Projekten<br />
bearbeitet, die sie in interdisziplinärer Kooperation<br />
mit Erziehungswissenschaftlern durchführt.<br />
Außerdem befasst sie sich mit Fragen des Computereinsatzes<br />
im Mathematikunterricht. Ein weiterer<br />
Arbeitsschwerpunkt liegt im Umfeld der „Bildungsstandards<br />
für den Mathematikunterricht“.<br />
Kristina Reiss möchte an der LMU ihre wissenschaftlichen<br />
Kooperationen über die Fakultätsgrenzen<br />
hinweg noch einmal verstärken.<br />
■ PROF. DR. DR. H.C. MATTHIAS MANN,<br />
Honorarprofessor an der Fakultät für Chemie<br />
und Pharmazie<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Matthias Mann ist neuer Honorarprofessor<br />
an der Fakultät für Chemie und<br />
Pharmazie der LMU. Mann wurde 1959 in Thuine,<br />
Kreis Lingen geboren. Nach dem Physikstudium an<br />
der Georg-August-<strong>Universität</strong> in Göttingen promovierte<br />
er 1988 an der Yale <strong>Universität</strong> in New Haven,<br />
Connecticut, und war nach seiner Postdoc-Zeit<br />
an der University of Southern Denmark in Odense<br />
fünf Jahre Gruppenleiter am European Molecular<br />
Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg, bevor er<br />
1997 an die University of Southern Denmark<br />
zurückkehrte, wo er seitdem eine Professur für<br />
Bioinformatik bekleidet. Seit 1997 ist er gleichzeitig<br />
Co-Direktor des „Center for Experimental Bioinformatics“,<br />
an dem er 2004 Direktor wurde. Seit<br />
2003 ist Mann Direktor am Max-Planck-Institut für<br />
Biochemie in Martinsried im Nebenamt und seit<br />
dem 1. Mai 2005 Direktor in der Abteilung Proteomik<br />
und Signaltransduktion.<br />
Während seiner Zeit als Gruppenleiter am EMBL<br />
gelang es Professor Mann, die Methodik der Nano-<br />
Elektrospray-Massenspektrometrie als ein Tool für<br />
den Datenbankabgleich von durch Massenspektrometrie<br />
erhaltenen Protein-Fingerabdrücken zu<br />
entwickeln. Mit der Entwicklung dieser bahnbrechenden<br />
Technologie und deren Anwendung in der<br />
Biochemie und Biologie werden heute weltweit<br />
Proteine hochsensitiv identifiziert. Mann gilt als einer<br />
der weltweit führenden Wissenschaftler im Bereich<br />
der Proteomics und bei der direkten Anwendung<br />
technischer Entwicklungen der Massenspektroskopie<br />
auf biologische und zellspezifische Problemstellungen.<br />
Die Massenspektrometrie ist ein Analyseverfahren<br />
zur Bestimmung chemischer Elemente, Molekülmassen<br />
und Massenfragmente. Mit ihrer Hilfe wird<br />
nachgewiesen, wie häufig bestimmte Bestandteile<br />
vorhanden sind, so dass die Struktur und Zusammensetzung<br />
von Verbindungen und Gemischen<br />
aufgeklärt werden kann.
■ PROFESSOR THOMAS ARETZ VON<br />
HARVARD MEDICAL INTERNATIONAL<br />
WIRD EHRENBÜRGER DER LMU<br />
Als sichtbares Zeichen für eine gelungene transatlantische<br />
Kooperation und in Würdigung seiner<br />
außerordentlichen Verdienste wurde Professor Thomas<br />
Aretz am 10. Oktober 2005 die Ehrenbürgerwürde<br />
der <strong>Ludwig</strong>-<strong>Maximilians</strong>-<strong>Universität</strong> (LMU)<br />
<strong>München</strong> verliehen. Der Vice President for Education<br />
von Harvard Medical International (HMI) hat<br />
sich in herausragender Weise um einen tief greifenden<br />
Innovationsprozess in der Medizinischen<br />
Fakultät verdient gemacht und darüber hinaus wesentlich<br />
zur Steigerung der Reputation und Attraktivität<br />
der LMU im In- und Ausland beigetragen.<br />
Die LMU ehrt Thomas Aretz mit ihrer höchsten<br />
Auszeichnung vor allem für seine Arbeit in der Munich-Harvard<br />
Alliance for Medical Education. „Der<br />
Aufbau und die Erfolge der Alliance sind eng mit<br />
Thomas Aretz verbunden und ohne sein Engagement<br />
nicht denkbar“, lobte LMU-Rektor Professor<br />
Bernd Huber den neuen Ehrenbürger der LMU. Der<br />
Ärztliche Direktor des Klinikums der <strong>Universität</strong><br />
<strong>München</strong>, Professor Klaus Peter, würdigt ihn als<br />
„wichtigen Ideengeber, begeisternden Lehrer, kritischen<br />
Berater und zuverlässigen Coach für die<br />
Mediziner der LMU.“<br />
Die LMU hat 1996 begonnen, das Modell des Reformstudiengangs<br />
der Harvard Medical School auf<br />
die eigene ärztliche Ausbildung zu übertragen.<br />
1996 wurde die Munich-Harvard Alliance for Medical<br />
Education gegründet, mit der die Kooperation<br />
zwischen der LMU und Harvard Medical institutionalisiert<br />
wurde.<br />
Thomas Aretz wurde am 5. September 1948 in<br />
Obernburg am Main geboren. Nach dem Abitur<br />
ging er zum Studium in die USA. Er nahm 1972 für<br />
Deutschland an den Schwimmwettbewerben der<br />
Olympischen Spiele in <strong>München</strong> teil, setzte sein<br />
Studium aber in den USA fort, wo er 1977 an der<br />
Harvard Medical School den Grad eines Medical<br />
Doctor erwarb. Schwerpunkt seiner Forschung und<br />
klinischen Arbeit ist die kardiovaskuläre Pathologie.<br />
Seit 1999 arbeitet Thomas Aretz für Harvard<br />
Medical International. Er ist dort als Direktor verantwortlich<br />
für Ausbildungsprogramme und alle internationalen<br />
Allianzen. Aretz gehört der Senior<br />
Management Group von HMI an.<br />
3 Der Kommunikationswissenschaftler Prof. Heinz Pürer<br />
(links) erhält das österreichische Ehrenkreuz aus der<br />
Hand von Staatssekretär Franz Morak.<br />
PREISE & EHRUNGEN<br />
■ LMU-KOMMUNIKATIONSWISSEN-<br />
SCHAFTLER HEINZ PÜRER ERHÄLT<br />
ÖSTERREICHISCHES EHRENKREUZ<br />
Für seine Verdienste um die Journalistenausbildung<br />
hat der Kommunikationswissenschaftler Professor<br />
Heinz Pürer das österreichische Ehrenkreuz<br />
für Wissenschaft und Kunst erhalten. Pürer, der seit<br />
1986 Professor für Kommunikationswissenschaft<br />
an der LMU ist, war Mitbegründer und von 1978<br />
bis 1986 erster Leiter des österreichischen Kuratoriums<br />
für Journalistenausbildung (KfJ). Das KfJ<br />
ist eine von den Mediensozialpartnern in Österreich<br />
verantwortete Einrichtung für die berufsbegleitende<br />
Journalistenausbildung, an der Pürer auch nach<br />
seinem Wechsel nach <strong>München</strong> als Dozent und<br />
Ideengeber wirkte. Von Pürer stammen auch Idee<br />
und ursprüngliches Konzept des 1984 erstmals veröffentlichten<br />
und seither in fünf überarbeiteten Auflagen<br />
(zuletzt 2004) erschienenen Standardlehrbuches<br />
„Praktischer Journalismus“, das sich mit<br />
Journalismus in Presse, Radio, Fernsehen und Internet<br />
befasst.<br />
MUM 04 | 2005 MENSCHEN<br />
29
MUM 04 | 2005 MENSCHEN<br />
30<br />
PREISE & EHRUNGEN<br />
1 Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Graf<br />
1 Prof. Dr. Friederike Klippel<br />
■ EHRUNGEN FÜR PROFESSOR GRAF<br />
Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Graf, Abteilung für Systematische<br />
Theologie der Evangelisch-Theologischen<br />
Fakultät, ist vom Wissenschaftskolleg Berlin<br />
(Institute for Advanced Study) zum „Permanent Fellow“<br />
berufen worden. Zugleich haben der Präsident<br />
der Humboldt-<strong>Universität</strong> Berlin sowie der Präsident<br />
der Freien <strong>Universität</strong> jeweils das Angebot gemacht,<br />
eine Forschungsprofessur ad personam einzurichten.<br />
Permanent Fellows beraten den Rektor des Wissenschaftskollegs<br />
bei der Auswahl von Fellows und<br />
gehen ansonsten ihren eigenen Forschungsinteressen<br />
nach. Graf soll eine internationale Forschergruppe<br />
über „religious mobility“, d.h. über religiöse<br />
Transformationsprozesse im frühen 21. Jahrhundert<br />
moderieren.<br />
■ DREI LMU-PROFESSOREN ERHALTEN<br />
BAYERISCHEN VERDIENSTORDEN<br />
Die Ordinaria für Didaktik der englischen Sprache<br />
und Literatur und Prorektorin der LMU, Professor<br />
Friederike Klippel, der Ordinarius für Herzchirurgie,<br />
Professor Bruno Reichart und der emeritierte Botanik-Professor<br />
Otto Kandler haben am 14. Juli 2005<br />
im Rahmen einer Feierstunde in der <strong>München</strong>er Residenz<br />
von Ministerpräsident Edmund Stoiber den<br />
Bayerischen Verdienstorden erhalten. Sie wurden<br />
mit dem Orden als „Zeichen ehrender und dankbarer<br />
Anerkennung für hervorragende Verdienste um<br />
den Freistaat Bayern und das bayerische Volk“ ausgezeichnet.<br />
Professor Dr. Friederike Klippel erhält den Preis für<br />
ihr großes Engagement für die Fachdidaktik als Wissenschaft.<br />
Die Anglistin gehört dem wissenschaftlichen<br />
Beirat zu PISA und DESI an. Im Bereich der<br />
Lehrerbildung hat sie als Vorsitzende des Gründungsbeirats<br />
mit dem Aufbau des im Frühjahr 2005<br />
eröffneten Lehrerbildungszentrums der LMU Maßstäbe<br />
gesetzt. Friederike Klippel ist seit April 2003<br />
Prorektorin der LMU.<br />
Professor Dr. Bruno Reichart, Direktor der Herzchirurgischen<br />
Klinik der LMU, hat sich über Jahrzehnte<br />
im Bereich der Herztransplantationen einen<br />
Namen gemacht und dem Klinikum der <strong>Universität</strong><br />
<strong>München</strong> zu Weltgeltung verholfen. In den letzten<br />
Jahren hat sich Reichart mit dem Thema Xenotransplantation<br />
beschäftigt – der Übertragung von<br />
tierischen Zellen und Organen auf den Menschen.<br />
In der Öffentlichkeit setzt er sich besonders für das<br />
Thema Organspende ein.<br />
Professor Dr. Dr. h.c. mult. Otto Kandler, emeritierter<br />
Ordinarius für Allgemeine Botanik, hat von 1968<br />
bis 1986 an der LMU gelehrt und geforscht. Mit Carl<br />
Woese ergänzte er die traditionelle Einteilung der<br />
Lebewesen in Eukaryonten und Prokaryonten um eine<br />
dritte Form, die Archaea. Später widmete er sich<br />
der Erforschung von Waldschäden. Er wandte sich<br />
mit den Ergebnissen seiner Forschung schon früh<br />
gegen die These vom flächendeckenden Waldsterben.<br />
■ EHRENDOKTORWÜRDE FÜR PROFESSOR<br />
SCHÜNEMANN<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Bernd Schünemann, Inhaber des<br />
Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtsphilosophie<br />
und Rechtssoziologie sowie geschäftsführender<br />
Direktor des Instituts für Rechtsphilosophie<br />
und Rechtsinformatik und Direktor des Instituts<br />
für die gesamten Strafrechtswissenschaften der<br />
LMU, wurde vom Rechtsinstitut der Mongolischen<br />
Staatsuniversität in Ulan Bator der Titel eines Doktor<br />
Honoris Causa verliehen. Diese Ehrung würdigt<br />
seine besonderen Verdienste bei der Erneuerung der<br />
Rechtsausbildung in der Mongolei.<br />
■ GROSSES VERDIENSTKREUZ FÜR<br />
HONORARPROFESSOR STRAUS<br />
Prof. Dr. Joseph Straus, seit Mai 1998 Honorarprofessor<br />
für Patentrecht an der Juristischen Fakultät,<br />
wurde im April das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens<br />
der Bundesrepublik Deutschland verliehen.<br />
Ausgezeichnet wurde er für seine herausragenden<br />
Leistungen auf dem Gebiet der Patentrechtswissenschaft<br />
in Deutschland und Europa.<br />
Straus ist seit langem Berater der Bundesregierung<br />
sowie internationaler Organisationen bei der Weiterentwicklung<br />
des Patentrechts. Seit 1990 hatte er<br />
Lehraufträge für Deutsches und Europäisches Patentrecht<br />
an der LMU übernommen.<br />
■ PROFESSOR FISCHER IN BAYERISCHE<br />
AKADEMIE DER SCHÖNEN KÜNSTE<br />
AUFGENOMMEN<br />
Prof. Dr. Jens Malte Fischer vom Institut für Theaterwissenschaft<br />
ist als ordentliches Mitglied in die<br />
Abteilung Literatur der Bayerischen Akademie der<br />
Schönen Künste aufgenommen worden. Die Bayerische<br />
Akademie der Schönen Künste ist eine Vereinigung<br />
von namhaften Persönlichkeiten aus dem<br />
künstlerischen Leben. Sie wurde im Jahr 1948 vom<br />
Freistaat Bayern als „oberste Pflegestelle der Kunst“<br />
gegründet.
■ BESTER LMU-DOKTORAND ERHÄLT<br />
KULTURPREIS BAYERN 2005 IN DER<br />
KATEGORIE DISSERTATION<br />
Dr. Jan Weigand von der Fakultät für Chemie und<br />
Pharmazie, Anorganische Chemie, Forschungsgruppe<br />
Prof. Thomas M. Klapötke, ist als bester<br />
LMU-Doktorand mit dem Kulturpreis Bayern der<br />
E.ON AG 2005 ausgezeichnet worden. Für seine Dissertation<br />
„High Energy Density Materials Based on<br />
Tetrazole and Nitramine Compounds – Synthesis,<br />
Scale-Up and Testing“ erhält er ein Preisgeld von<br />
5.000 Euro. Der mit insgesamt 154.000 Euro dotierte<br />
E.ON Kulturpreis wird erstmalig dieses Jahr in enger<br />
Partnerschaft mit dem Bayerischen Staatsministerium<br />
für Wissenschaft, Forschung und Kunst verliehen.<br />
Für hervorragende Leistungen in der Sparte<br />
Kunst werden jährlich fünf Preisträger, im Bereich<br />
der Wissenschaft die besten Doktoranden der neun<br />
<strong>Universität</strong>en, die besten Diplomanden der 13 Fachhochschulen<br />
und die besten Absolventen der fünf<br />
Kunsthochschulen Bayerns ausgezeichnet.<br />
■ NANOWISSENSCHAFTSPREIS 2005<br />
FÜR NIELS FERTIG<br />
Dr. Niels Fertig, Geschäftsführer der <strong>München</strong>er Nanion<br />
Technologies GmbH, einer Ausgründung aus<br />
dem Center for NanoScience der LMU (CeNS), ist<br />
Preisträger des Nanowissenschaftspreises 2005 des<br />
Hamburger Kompetenzzentrums für Nanotechnologie<br />
HanseNanoTec. Der mit 5.000 Euro dotierte Preis<br />
würdigt hervorragende Arbeiten von jüngeren Wissenschaftlern<br />
auf dem Gebiet der Nanowissenschaf-<br />
ten und Nanotechnologie in Deutschland. Dr. Fertig,<br />
der 2002 am CeNS promovierte, hat einen Biochip<br />
entwickelt, mit dem die Wirkungen neuer Arzneimittel<br />
auf menschliche Zellen besser getestet werden<br />
können. Das Kompetenzzentrum HanseNano-<br />
Tec ist ein Netzwerk für alle Forscher, Unternehmer,<br />
Finanzdienstleister und Förderorganisationen, die<br />
im Themenfeld Nanotechnologie arbeiten.<br />
■ EHRENDOKTORWÜDE FÜR PROFESSOR<br />
KÜPPER<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Ulrich Küpper, Direktor des<br />
Instituts für Produktionswirtschaft und Controlling<br />
an der Fakultät für Betriebswirtschaftslehre, wurde<br />
von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der<br />
Technischen <strong>Universität</strong> <strong>München</strong> die Ehrendoktorwürde<br />
verliehen. Er erhielt diese Auszeichnung in<br />
Anerkennung „seiner herausragenden Leistungen<br />
in der Wissenschaft, insbesondere der betriebswirtschaftlichen<br />
Theorie der Produktion, der Kostenrechnung,<br />
des Controlling und der Unternehmensethik“.<br />
Außerdem würdigt die Fakultät Küppers Engagement<br />
um die Neuausrichtung des deutschen<br />
<strong>Universität</strong>ssystems. Prof. Küpper, Jahrgang 1945,<br />
ist seit 1990 an der LMU und gilt als ein herausragender<br />
Vertreter der Betriebswirtschaftslehre in<br />
Deutschland.<br />
1 Prof. Dr. Dr. h.c.<br />
Hans-Ulrich Küpper
MUM 04 | 2005 MENSCHEN<br />
32<br />
PREISE & EHRUNGEN<br />
1 Prof. Dr. Monika Schnitzer<br />
■ PROFESSOR MONIKA SCHNITZER ERHÄLT<br />
VERDIENSTORDEN DER BUNDESREPUBLIK<br />
DEUTSCHLAND<br />
Professor Monika Schnitzer, Ordinaria für Volkswirtschaftslehre<br />
an der LMU, hat am 4. Oktober in<br />
Berlin aus der Hand von Bundespräsident Horst<br />
Köhler den Verdienstorden der Bundesrepublik<br />
Deutschland erhalten. Professor Schnitzer wird damit<br />
für ihre herausragenden Forschungsleistungen<br />
sowie ihr Engagement als Studiendekanin für die<br />
Verbesserung der Lehre ausgezeichnet.<br />
Monika Schnitzer, Jahrgang 1961, ist seit August<br />
1996 Professorin am Seminar für komparative Wirtschaftsforschung<br />
an der LMU. Ein wichtiger Schwerpunkt<br />
ihrer Forschung liegt unter anderem im Bereich<br />
der Transformationsökonomie vor dem Hintergrund<br />
der EU-Erweiterung. Im Fokus stehen hier<br />
die wirtschaftlichen Transformationsprozesse in Ostund<br />
Südeuropa mit der Fragestellung, wie die wirtschaftlichen<br />
und sozialen Rahmenbedingungen der<br />
Transformationsländer optimal zu gestalten sind.<br />
Professor Schnitzer ist Mitglied des Wissenschaftlichen<br />
Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft<br />
und Arbeit sowie bei der Economic Advisory Group<br />
on Competition Policy der Europäischen Kommission.<br />
Für ihre Forschungstätigkeiten wurde Professor<br />
Schnitzer bereits mit dem Akademiepreis der Nordrhein-Westfälischen<br />
Akademie der Wissenschaften<br />
ausgezeichnet.<br />
In den acht Jahren ihrer Amtszeit hat sie sich als Studiendekanin<br />
der Volkswirtschaftlichen Fakultät der<br />
LMU besonders für die Verbesserung der Lehre eingesetzt.<br />
■ EDISON-PREIS 2005 AN LMU-DIPLOMAND<br />
Matthias Huber, wissenschaftlicher Mitarbeiter am<br />
Mathematischen Institut, ist Preisträger des Edison<br />
Silber Preises 2005 der GE Foundation und des Institute<br />
of International Education. Mit dem mit 2.500<br />
Euro dotierten Preis wurde er für seine Diplomarbeit<br />
in der Mathematischen Physik bei Prof. Heinz Siedentop<br />
ausgezeichnet. Die Fakultät erhält ebenfalls<br />
eine entsprechende Prämie. Die GE Foundation, eine<br />
Stiftung von General Electric, fördert mit ihrem<br />
neuen Programm hochqualifizierte Studierende, die<br />
innovative Forschung im Bereich der Ingenieurwissenschaften<br />
sowie weiteren technischen Fachgebieten<br />
betreiben.<br />
■ EHRENSENATORWÜRDE DER LMU<br />
FÜR URSULA HAEUSGEN<br />
Die Gründerin und Stifterin des Lyrik Kabinetts, Ursula<br />
Haeusgen, hat die Ehrensenatorwürde der LMU<br />
erhalten. Mit der Auszeichnung würdigt die LMU<br />
das Engagement Haeusgens für die deutschlandweit<br />
einzigartige Sammlung deutsch- und fremdsprachiger<br />
Lyrik. LMU-Rektor Professor Bernd Huber verlieh<br />
die Ehrensenatorwürde am 10. Juni 2005 im<br />
Rahmen des 533. Stiftungsfestes. Ursula Haeusgen<br />
gründete 1994 den Verein „Lyrik-Kabinett e.V./Lesegesellschaft<br />
von Freunden und Liebhabern der<br />
Poesie“. Grundstock für den Verein war ihre Schenkung<br />
eines wertvollen Buchbestands an Lyrik-Bänden<br />
aus aller Welt, Künstlerbüchern, seltenen Erstausgaben<br />
sowie ausgewählter Sekundär- und Referenzliteratur.<br />
1997 ging die Lyrik-Bibliothek als<br />
„Dauerleihgabe zur Förderung von Forschung, Lehre<br />
und Studium“ an das Institut für Allgemeine und<br />
Vergleichende Literaturwissenschaft (Komparatistik).<br />
2003 wurde die „Stiftung Lyrik Kabinett“ gegründet,<br />
im Frühjahr 2005 zog die 30.000 Bände<br />
umfassende Bibliothek in den von der Stiftung finanzierten<br />
Neubau im Hof des LMU-Gebäudes in<br />
der Amalienstraße 83.<br />
Ursula Haeusgen wurde 1999 mit dem „Silbergriffel“<br />
der Stiftung zur Förderung des Schrifttums ausgezeichnet.<br />
Sie ist seit 2000 Trägerin des Bundesverdienstkreuzes<br />
am Bande und erhielt 2002 den<br />
Schwabinger Kunstpreis.<br />
■ ZENTRUM FÜR PALLIATIVMEDIZIN ERHÄLT<br />
GESUNDHEITSPREIS 2005<br />
Das Interdisziplinäre Zentrum für Palliativmedizin<br />
(IZP) hat den Gesundheitspreis „Rufzeichen Gesundheit!“<br />
2005 der Apotheken-Umschau erhalten.<br />
Die Auszeichnung ist mit 25.000 Euro dotiert. Prof.<br />
Dr. Gian Domenico Borasio, geschäftsführender Vorstand<br />
des IZP, nahm die Urkunde und eine Skulptur<br />
entgegen. Das IZP wurde von einer hochrangig besetzten<br />
Expertenjury unter 77 Projekten ausgewählt.<br />
Als Teil des Klinikums der <strong>Universität</strong> <strong>München</strong> integriert<br />
das IZP die Bereiche der palliativen Krankenversorgung,<br />
weit gefächerte palliativmedizinische<br />
Forschung, die Ausbildung der Medizinstudierenden<br />
auch in Palliativmedizin, sowie Fort- und<br />
Weiterbildung für alle Berufe der Palliativversorgung<br />
im Rahmen der Christophorus Akademie. Der Gesundheitspreis<br />
wird jährlich von der Apotheken-Umschau,<br />
dem größten Gesundheitsmagazin Deutschlands,<br />
für herausragende Leistungen im deutschen<br />
Gesundheitswesen vergeben.<br />
■ PREIS DER BAYERISCHEN LANDES-<br />
STIFTUNG FÜR PROFESSOR MAIER<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Maier, emeritierter Professor<br />
für Politische Wissenschaft sowie für Christliche<br />
Weltanschauung, Religions- und Kulturtheorie (Guardini-Lehrstuhl)<br />
an der LMU und ehemaliger
Bayerischer Staatsminister für Unterricht und Kultus,<br />
erhält den Kulturpreis 2005 der Bayerischen<br />
Landesstiftung. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert.<br />
Die Bayerische Landesstiftung zeichnet hervorragende<br />
Leistungen auf kulturellem und sozialem Gebiet<br />
sowie im Bereich des Umweltschutzes aus, die<br />
einen engen Bezug zu Bayern haben. Die Preisverleihung<br />
erfolgt durch den Ministerpräsidenten als<br />
dem Vorsitzenden des Stiftungsrats im November.<br />
■ AUSZEICHNUNG FÜR<br />
NACHWUCHSFORSCHER<br />
Den Scientific Award in der Kategorie „Diplom-, Magister-,<br />
Bachelor- und Masterarbeiten“ der BMW<br />
Group erhielt Hendrik Dietz für seine an der LMU<br />
mit Auszeichnung abgeschlossene Diplomarbeit<br />
über die „Mechanik des Grün Fluoreszierenden Proteins“.<br />
Der Physiker hat einen biologischen Kraftsensor<br />
entwickelt, der mechanische Belastungen im<br />
Inneren von Zellen anzeigt. Mit dieser Technik können<br />
künftig mechanische Kräfte in Proteinstrukturen<br />
von lebenden Zellen gemessen werden. Der Physiker<br />
Dr. Robert Raußendorf erhielt für seine an der<br />
LMU mit „summa cum laude“ ausgezeichnete Dissertation<br />
den zweiten Preis in der Kategorie „Dissertationen“.<br />
Dank seiner Entwürfe für einen Computer,<br />
der auf den Regeln der Quantenphysik basiert,<br />
könnte in Zukunft die Leistung der rechnergestützten<br />
Informationsverarbeitung enorm gesteigert werden.<br />
Robert Raußendorf forscht als Postdoc am California<br />
Institute of Technology, Pasadena, USA.<br />
Der internationale Hochschulpreis Scientific Award<br />
der BMW Group wurde am 20. September 2005 verliehen.<br />
Von 230 Bewerbungen, eingereicht aus 26<br />
Ländern und 24 Fachgebieten, wurden die besten<br />
sechs Arbeiten ausgewählt und mit einem Gesamtpreisgeld<br />
von 70.000 Euro belohnt.<br />
■ AUSZEICHNUNG FÜR PROFESSOR CREMER<br />
Thomas Cremer, Professor für Anthropologie und<br />
Humangenetik an der Fakultät für Biologie, hat im<br />
Juli 2005 den „Maffo Vialli International Award for<br />
Histochemistry 2005“ erhalten. Ausgezeichnet wurde<br />
er für seine Pionierarbeiten zur Entwicklung der<br />
molekularen Cytogenetik und zur Erforschung der<br />
funktionellen Architektur des Zellkerns. Der von der<br />
Italienischen Gesellschaft für Histochemie und dem<br />
European Journal of Histochemistry verliehene Preis<br />
wird seit 1999 alle zwei Jahre an einen international<br />
renommierten Wissenschaftler für histochemische<br />
Forschungen vergeben, die zu herausragenden Fortschritten<br />
in der zellbiologischen Grundlagenforschung<br />
und/oder angewandten Forschung geführt<br />
haben.<br />
■ EHRENDOKTORWÜRDE FÜR PROFESSOR<br />
HENRICH<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Dieter Henrich, emeritierter<br />
Professor für Philosophie, hat im Juni 2005 die Ehrendoktorwürde<br />
der Friedrich-Schiller-<strong>Universität</strong><br />
Jena erhalten. Ausgezeichnet wurde er „für sein herausragendes<br />
Gesamtwerk, insbesondere für seine<br />
grundlegenden Arbeiten zur klassischen deutschen<br />
Philosophie und seine historische und systematische<br />
Erschließung ihrer Ursprünge in Jena“.<br />
■ EHRENDOKTORWÜRDE FÜR PROFESSOR<br />
KRAFT<br />
Prof. Dr. Wilfried Kraft, Medizinische Kleintierklinik<br />
der Tierärztlichen Fakultät, wurde von der Veterinärmedizinischen<br />
Fakultät der <strong>Universität</strong> Leipzig<br />
anlässlich der 225-Jahr-Feier mit der Ehrendoktorwürde<br />
ausgezeichnet.<br />
1 Prof. Dr. Thomas Cremer<br />
MUM 04 | 2005 MENSCHEN<br />
33
MUM 04 | 2005 SERVICE<br />
34<br />
TIPPS &<br />
TERMINE<br />
■ STUDIEREN IN „DOWN UNDER“<br />
Am 11. November 2005 findet an der LMU wieder<br />
die australisch-neuseeländische Hochschulmesse<br />
statt. Die vom Institut Ranke-Heinemann gemeinsam<br />
mit dem Referat Internationale Angelegenheiten<br />
der LMU veranstaltete Messe richtet sich sowohl<br />
an Studierende als auch an Schüler und Absolventen.<br />
Sie eröffnet einen Einblick in die australische<br />
und neuseeländische Hochschullandschaft<br />
und erläutert Studienbedingungen in den<br />
beiden Ländern. Vertreter aller neuseeländischen<br />
und mindestens 23 australischer <strong>Universität</strong>en stehen<br />
von 10 bis 16 Uhr für alle Fragen rund um einen<br />
Studienaufenthalt in Down Under, Bewerbungsmodalitäten<br />
und Finanzierungsmöglichkeiten<br />
zur Verfügung. Die Messe findet statt im Senatssaal,<br />
im Dekanatsgang sowie am Speerträger<br />
im 1. Stock des Hauptgebäudes, Geschwister-<br />
Scholl-Platz 1. Weitere Informationen unter<br />
www.ranke-heinemann.de.<br />
■ AUSSTELLUNG<br />
„THOMAS MANN IN DER LMU“<br />
Im Thomas-Mann-Jahr 2005 präsentiert die<br />
<strong>Universität</strong>sbibliothek <strong>München</strong> eine Ausstellung<br />
mit vielen, teils unedierten Briefen, Fotografien und<br />
zahlreichen Erstausgaben aus ihrem Fundus. Die<br />
Ausstellung zeigt Thomas Mann in seinen <strong>München</strong>er<br />
Jahren, seine Bekanntschaften mit Forschern,<br />
Literaturwissenschaftlern, Künstlern und<br />
Literaten, unter anderen mit der Schriftstellerin Elsa<br />
Bernstein, in deren literarischen Salon in der Brienner<br />
Straße er sich mit Katia Pringsheim, seiner<br />
späteren Frau, trifft. Die Exponate belegen seine<br />
Vorträge und Lesungen an der LMU bis zu seinem<br />
letzten Vortrag, den er zehn Tage nach Hitlers<br />
Machtergreifung am 10. Februar 1933 im Audimax<br />
hielt. Mit diesem kritischen Text über „Leiden und<br />
Größe Richard Wagners“ handelte er sich wütenddumpfen<br />
Protest der „Wagner-Stadt <strong>München</strong>“ ein.<br />
Die Ausstellung ist noch bis zum 15. November<br />
2005 im 1. Stock des Zentralgebäudes der <strong>Universität</strong>sbibliothek<br />
zu sehen. Öffnungszeiten: Mo bis<br />
Fr 8-19.45 Uhr, Sa 9-16.15 Uhr.<br />
■ INTERNATIONALE HOCHSCHULTAGE<br />
AN DER LMU<br />
Ein Auslandsstudium ist eine interessante Erfahrung<br />
und oftmals ein wichtiges Element der späteren<br />
beruflichen Karriere. Studierende der LMU<br />
können sich in der internationalen Woche des Referats<br />
Internationale Angelegenheiten vom 21. bis<br />
25. November 2005 über Möglichkeiten des Auslandsstudiums<br />
informieren. In Vorträgen und an<br />
Infoständen wird über das Studium in den jeweiligen<br />
Ländern informiert. Zudem geben Studierende<br />
mit Auslandserfahrung ihre Eindrücke weiter.<br />
Am 21. November von 9 bis 11 Uhr gibt es im Hörsaal<br />
E05 Informationen zum Studieren in Lateinamerika.<br />
Am 22. November ist Asien an der Reihe<br />
(HS E04 von 17 bis 20 Uhr). Am 23. November wird<br />
über das Studieren in Osteuropa informiert (HS E01<br />
von 12 bis 14 Uhr). Am 24. November ist das Thema<br />
„Auslandsstudium mit Erasmus“ (HS E06 von<br />
8 bis 12 Uhr) und am 25. November steht das Studieren<br />
in den USA und Kanada auf dem Programm<br />
(HS E01 von 12 bis 14 Uhr). Alle Veranstaltungen<br />
finden in der Schellingstraße 3 statt. Weitere Informationen<br />
gibt es bei Dr. Harald David vom Referat<br />
Internationale Angelegenheiten,<br />
E-Mail: harald.david@lmu.de.<br />
■ BRITISCHE HOCHSCHULMESSE<br />
„Union Jack“ statt „Down Under“: Das britische<br />
Pendant zur Australisch-Neuseeländischen Hochschulmesse<br />
findet am 28. November 2005 statt.<br />
Dann präsentieren britische Hochschulen ihr Studienangebot<br />
im Foyer des Gebäudes Schellingstraße<br />
3. Die Veranstaltung läuft von 11 bis 15 Uhr.<br />
Um 12 Uhr gibt es im Hörsaal E06 den Vortrag „Studieren<br />
in Großbritannien – Informationen zu Studienplatzwahl<br />
und Bewerbung“. Weitere Informationen<br />
gibt es bei Boris Goldberg, British Council <strong>München</strong>,<br />
E-Mail: boris.goldberg@britishcouncil.de.<br />
■ WO BLEIBT DIE ZEIT?<br />
Akademische Preisfragen haben Tradition. Keine<br />
Akademie, die etwas auf sich hielt, versäumte es im<br />
18. Jahrhundert, einem gebildeten Publikum Fragen<br />
der Zeit zu stellen, um mit den Antworten dasselbe<br />
gebildete Publikum zu belehren und gelegentlich<br />
auch zu amüsieren. Die Junge Akademie<br />
an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der<br />
Wissenschaften und der Deutschen Akademie der<br />
Naturforscher Leopoldina hat diese in Vergessenheit<br />
geratene Tradition aufgenommen. Sie stellt<br />
jährlich eine Preisfrage, die den Dialog mit der<br />
Öffentlichkeit fördern soll. Dieses Jahr lautet die<br />
Frage: „Wo bleibt die Zeit?“. Die Antworten können<br />
Texte sein, Skulpturen, Fotos oder auch Installationen.<br />
Einsendeschluss ist am 31. Dezember<br />
2005, die Verleihung der drei Geldpreise von 1.500<br />
bis 5.000 Euro findet im Sommer 2006 statt. Weitere<br />
Informationen: www.diejungeakademie.de.<br />
7 Im Thomas-Mann-Jahr 2005 erinnert die Ausstellung<br />
„Thomas Mann in der LMU“ an den berühmten<br />
Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger.
■ FORSCHUNGSSTIPENDIEN IN JAPAN<br />
The Japan Foundation Tokyo vergibt Stipendien für<br />
Wissenschaftler und Doktoranden, die sich mit Japan<br />
beschäftigen. Gefördert werden Forschungsaufenthalte<br />
sowie Kurzzeitrecherchen in Japan. Bewerben<br />
können sich Geistes-, Sozial-, Rechts- und<br />
Wirtschaftswissenschaftler. Die Bewerbungsunterlagen<br />
können schriftlich angefordert werden beim<br />
Japanischen Kulturinstitut Köln, <strong>Universität</strong>sstraße<br />
98, 50647 Köln. Sie stehen auch zum Download im<br />
Internet: www.jpf.go.jp/e/index.html. Die Abgabefrist<br />
für Bewerbungen endet am 30. November<br />
2005, der Förderzeitraum reicht von April 2006 bis<br />
März 2007.<br />
■ „WIR UND DIE ANDEREN“ –<br />
RINGVORLESUNG AN DER LMU<br />
Das 20. Jahrhundert war von Kriegen und Gewalt<br />
geprägt; das Bedrohungspotenzial galt als rationales<br />
Mittel der Friedenssicherung. Die Fähigkeit der<br />
Menschheit, Aggressionen zu kontrollieren und<br />
Frieden durchzusetzen, wird auch zu Beginn dieses<br />
Jahrhunderts enorm herausgefordert.<br />
Die Ringvorlesung fragt nach den psychologischen,<br />
pädagogischen, soziologischen, religiösen und<br />
ideologischen Wurzeln, aus denen Friedensliebe<br />
einzelner Menschen und Völker ebenso erwächst<br />
wie Gewalt, zum Teil mit exzessiven Auswüchsen.<br />
So setzen sich die einzelnen Veranstaltungen auch<br />
mit der Sicht auseinander, die wir von uns selber<br />
haben – zumeist friedliebend und frei von aggressiven<br />
Neigungen – und wie wir unser Gegenüber<br />
sehen, dem wir im Zweifelsfall die Friedfertigkeit<br />
absprechen.<br />
Die Vorlesungen finden jeweils Dienstag um 19.15<br />
Uhr im Hörsaal B 101 im Hauptgebäude der <strong>Universität</strong>,<br />
Geschwister-Scholl-Platz 1, statt. „Voraussetzungen<br />
für Gewalt und Frieden aus Sicht der<br />
Sozialpsychologie“ ist der Titel der Vorlesung am<br />
08. November 2005.<br />
■ ELITE GESUCHT<br />
Ab sofort können sich besonders engagierte und<br />
motivierte Studierende aller bayerischen Hochschulen<br />
für die Aufnahme in die Bayerische Elite-<br />
Akademie bewerben. Es können sich Studierende<br />
aller Fachrichtungen mit bestandenem Vordiplom<br />
bzw. Zwischenprüfung oder abgeschlossenem Bachelor<br />
bewerben. Das dreistufige Auswahlverfahren<br />
sieht nach einer Onlinebewerbung eine ausführliche<br />
schriftliche Bewerbung bis zum 15. Januar<br />
2006 vor. 60 Bewerber werden dann zu einem<br />
Assessment Center eingeladen, 30 von ihnen bekommen<br />
ab Frühjahr 2006 einen Platz im achten<br />
Jahrgang der Elite-Akademie. Dort erhalten sie eine<br />
zweijährige studienbegleitende Ausbildung. Die<br />
Elite-Akademie soll herausragende Studierende für<br />
Führungsaufgaben in der Wirtschaft qualifizieren.<br />
Präsenzphasen in der Elite-Akademie wechseln ab<br />
mit Praktika im Management. Auch in der Projektarbeit<br />
steht der Praxisbezug im Vordergrund. Zudem<br />
wird jedem Studierenden ein persönlicher<br />
Mentor zur Seite gestellt.<br />
Weitere Informationen und Online-Bewerbung:<br />
www.eliteakademie.de.<br />
■ VOM GLETSCHERRAND ZUM<br />
MEERESSTRAND<br />
Einen erdgeschichtlichen Streifzug von <strong>München</strong><br />
nach Verona können Besucher der Sonderausstellung<br />
der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie<br />
und Geologie in Kooperation mit der LMU<br />
im Paläontologischen Museum und im Geologischen<br />
Museum <strong>München</strong> machen. Entlang der<br />
klassischen Reiseroute von <strong>München</strong> nach Norditalien<br />
durch das Inntal über den Brenner zum<br />
Gardasee werden geologisch-paläontologische<br />
Highlights der Alpengeologie aus 300 Millionen<br />
Jahren präsentiert. Besucher können entweder in<br />
<strong>München</strong> (Geologisches Museum) oder in Verona<br />
(Paläontologisches Museum) starten. Zu sehen sind<br />
etwa die Mammuts bei <strong>München</strong>, Krokodile und<br />
Haie am Alpenrand, Silberschätze bei Schwaz, die<br />
tropischen Korallenriffe des Karwendel, Fisch- und<br />
Flugsaurierfang im Seefelder Ölschiefer, Vulkanausbrüche<br />
bei Bozen und die Korallenfischlagune<br />
bei Verona.<br />
Die Ausstellung ist noch bis zum 31. März 2006 zu<br />
sehen. Öffnungszeiten: Mo-Do 8–16 Uhr, Fr 8-14<br />
Uhr, am ersten Sonntag jedes Monats von 10-16<br />
Uhr. An Feiertagen ist die Ausstellung geschlossen.<br />
Das Paläontologische Museum <strong>München</strong> ist in der<br />
Richard-Wagner-Str. 10, das Geologische Museum<br />
in der Luisenstr. 37 zu finden. Weitere Informationen:<br />
www.palaeo.de/museum-muenchen.<br />
MUM 04 | 2005 SERVICE<br />
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MUM 04 | 2005 SERVICE<br />
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■ KINDERUNI MÜNCHEN AN DER LMU<br />
Zum zweiten Mal öffnet die LMU ihre Hörsäle für ein ganz junges Publikum.<br />
Mit einer Vorlesungsreihe für 8- bis 12-Jährige ist die Kinder-<br />
Uni <strong>München</strong> im Wintersemester 2005/06 wieder an der LMU zu Gast.<br />
In insgesamt sechs Veranstaltungen stellen Wissenschaftler der LMU<br />
den Kindern ihre Fachgebiete vor und machen Lust auf mehr Wissen.<br />
Die KinderUni startete am Freitag, 28. Oktober 2005 mit der Vorlesung<br />
„Aber ich will! – Warum wir nicht alles dürfen, was wir wollen.“ von Professor<br />
Julian Nida-Rümelin, die von den Kindern begeistert aufgenommen<br />
wurde.<br />
Die nächste Vorlesung „Wozu Werbung – Werbung kennt jeder, aber<br />
wer weiß schon, wie sie funktioniert“ von Professor Manfred Lange (Betriebswirtschaft),<br />
findet am Freitag, den 11. November 2005, 17 Uhr,<br />
Hörsaal B101 im Hauptgebäude der LMU, Geschwister-Scholl-Platz 1,<br />
statt.<br />
KinderUni <strong>München</strong> ist eine Initiative von Bildungsprojekten wie Kultur<br />
und Spielraum e.V. und der Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte<br />
Kind e.V., der Eltern-Lehrer Initiative der Europäischen Schule,<br />
BR2Radio/Kinderfunk sowie dem Kulturbüro des Studentenwerks<br />
<strong>München</strong> und Wirtschaftsunternehmen. Schirmherr der KinderUni<br />
Herausgeber<br />
Rektorat der <strong>Ludwig</strong>-<strong>Maximilians</strong>-<strong>Universität</strong> (LMU) <strong>München</strong><br />
Redaktion<br />
Kommunikation und Presse LMU<br />
Luise Dirscherl (dir)<br />
(Chefredaktion),<br />
Clemens Grosse (cg)<br />
(stellv. Chefredaktion),<br />
Julia Graven (gra)<br />
Mitarbeiter dieser Ausgabe<br />
Eva Kittel (ki), Susanne Wedlich (suwe)<br />
Onlineredaktion<br />
Thomas Pinter (thp)<br />
Bildredaktion<br />
Angelica Fuss<br />
IMPRESSUM<br />
Redaktionsadresse<br />
Geschwister-Scholl-Platz 1, 80539 <strong>München</strong><br />
Tel.: +49 (0) 89 21 80-34 23<br />
Fax: +49 (0) 89 33 82 97<br />
mum@lmu.de<br />
www.lmu.de/presse/mum<br />
1 Schon in der letzten KinderUni an der LMU im Wintersemester<br />
2004/2005 der Renner unter den jungen Studierenden: Der eigene<br />
Studienausweis.<br />
<strong>München</strong> ist der Bayerische Staatsminister für Wissenschaft, Forschung<br />
und Kunst, Dr. Thomas Goppel. Medienpartner sind der Münchner Merkur<br />
und der Bayerische Rundfunk.<br />
Das Programm für das Wintersemester 2005/06 ist auf der Internetseite<br />
www.lmu.de/kinderuni zu finden. Die Plätze sind ausschließlich für<br />
Kinder reserviert, die Teilnahme an den Veranstaltungen ist kostenlos.<br />
Karten können unter Tel. 089 / 38989139 reserviert werden.<br />
Designkonzept und Layout<br />
HAAK& NAKAT<br />
[www.haak-nakat.de]<br />
Distribution<br />
Kommunikation und Presse LMU: Mathias Schiener<br />
Anzeigen<br />
Alpha Informationsgesellschaft mbH<br />
Finkenstraße 10<br />
68623 Lampertheim<br />
Tel.: + 49 (0) 62 06 / 939-0<br />
ISSN 0940-0141<br />
Titelgrafik: HAAK & NAKAT<br />
Umschlagfoto: Friedrich Schmidt<br />
Fotos im Heft: Franz Blaszczyk, (S. 2); Schwedische Akademie der Wissenschaften<br />
(S. 8); Thorsten Naeser (S. 9-10); Kai Lamottke/Bicoll (S. 12); Kompetenznetz<br />
Depression, Suizidalität (S. 20); Günter Heischmann/Alois Schmid (S. 26); Heinz<br />
Pürer (S. 29); Friedrich Wilhelm Graf (S. 30); S. Fischer-Verlag/www.thomasmann.de<br />
(S. 34); Bayerische Staatssammlung für Paläontologie (S. 35); Markus<br />
Schlaf/Münchner Merkur (S. 36); Alle weiteren Fotos: Friedrich Schmidt bzw. LMU<br />
■ AKTUELLE STELLENANGEBOTE DER LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT UNTER WWW.LMU.DE/STELLENANGEBOTE