sergio cammarata
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SCHÖN, ABER TOT<br />
Von der Partymeile zur Rentnerecke: Der Klosterplatz<br />
In den seit langem nicht geputzten<br />
Fenstern des ehemaligen Kinos<br />
Astoria hängen Plakate von den<br />
Filmen „Robert Zimmermann wundert<br />
sich über die Liebe“ und „So ist<br />
Paris“, die vor vier Jahren herauskamen.<br />
Die Gitter vor den Eingangstüren<br />
sind heruntergelassen<br />
und angeblich steht noch das alte<br />
Kinoequipment im Haus. Schräg gegenüber<br />
sitzt ein Pärchen zwischen<br />
parkenden Autos auf einer Bank<br />
und genießt die ersten Sonnenstrahlen<br />
des Frühlings. Vor dem Balouca,<br />
das erst letzten Sommer eröffnete,<br />
hängt zwar noch der Schriftzug,<br />
aber hinter den Türen ist es wie ausgestorben.<br />
Aus Richtung der Klosterschule<br />
wehen vereinzelt Kinderstimmen<br />
herüber. Das ist der Klosterplatz,<br />
Anfang März 2012.<br />
Vor einiger Zeit war das noch anders:<br />
Ob karibisches Flair im<br />
Dockside, ein Biergarten mitten auf<br />
dem Platz, spanische Speisen im<br />
Sausalitos oder Arthouse-Filme im<br />
Robert Zimmermann wundert<br />
sich... und das schon jahrelang.<br />
Astoria – früher hatte der Klosterplatz<br />
einiges zu bieten. Und was ist<br />
geblieben? Das Sams und das Verve<br />
sind noch da, auch das Studio 9.<br />
Doch die wenigstens gehen dort<br />
noch feiern, wenn man in der Regel<br />
ganz woanders vortrinkt. Der Boulevard<br />
und die Arndtstraße sind beliebte<br />
Orte für das vorfeierliche<br />
Treffen. Und wenn man schon dort<br />
ist, wer hat dann noch Lust angetrunken<br />
bis zum Klosterplatz zu laufen,<br />
wenn die Partymeile im Neuen<br />
Bahnhofsviertel viel näher ist, wo<br />
es mittlerweile auch einige Lokale,<br />
ein Multiplex-Kino, Sportmöglichkeiten<br />
und eine Bowling-Bahn<br />
gibt?<br />
Das letzte Lokal, das durch sein<br />
individuelles Konzept gute Umsätze<br />
macht und einige Leute auch<br />
schon vor Mitternacht auf den Klosterplatz<br />
holt, scheint das Verve zu<br />
sein. „Wir machten im Juli 2010<br />
auf, und die erste Zeit war wirklich<br />
hart. Der Klosterplatz war tot.<br />
Nach und nach haben wir es geschafft,<br />
eine eher alternative Klientel<br />
anzusprechen“, sagt Dennis<br />
Wehking, Geschäftsführer vom Verve,<br />
zum anfänglichen Kampf um<br />
das Bestehen, „Jetzt haben wir Kunden<br />
in allen Altersklassen. Wir sind<br />
bunt gemischt. Das liegt vor allem<br />
am Konzept mit viel Programm, vor<br />
allem Live-Musik, und an der<br />
frischen Küche.“<br />
Eine der Ursachen für die Verödung<br />
des Klosterplatzes ist sicher<br />
auch, dass die Stadt ihr Augenmerk<br />
seit Jahren auf andere Gebiete im<br />
Zentrum, etwa das Neue Bahnhofsviertel,<br />
legt. Gleich drei große Diskotheken<br />
mit unterschiedlichen<br />
Zielgruppen befinden sich beinahe<br />
nebeneinander am Boulevard. Da-<br />
LEERRÄUME<br />
zwischen allerlei Bars. Außerdem<br />
bietet es sich an, sich einen Blockbuster<br />
gemütlich im Kino anzusehen,<br />
bevor man nebenan zur<br />
Musikrichtung seiner Wahl<br />
ordentlich abtanzen kann.<br />
Das nächste große Projekt der<br />
Stadt Bielefeld ist der Kesselbrink.<br />
Für die Neugestaltung stehen um<br />
die zwölf Millionen Euro zur Verfügung.<br />
Der Kesselbrink soll „zu einem<br />
spannenden, qualitativ hochwertigen<br />
und vor allem intensiv genutzten<br />
und belebten Stadtplatz“<br />
umgebaut werden“, wie es in der<br />
Machbarkeitsstudie der Stadt<br />
heißt. Außerdem sollen beim Kesselbrink<br />
neue große Einkaufszentren<br />
entstehen.<br />
Mauerstraße am Klosterplatz<br />
Der Klosterplatz gammelt derweil<br />
weiter vor sich hin. Nicht mal<br />
die städtischen Beete werden noch<br />
gepflegt, das erledigt das Verve-Personal.<br />
„Es ist schade, um jedes Geschäft,<br />
das den Platz verlässt. Das<br />
macht es natürlich auch für uns<br />
schwerer“, sagt Dennis Wehking.<br />
Nach dem Balouca wird nun auch<br />
der Fitness-Club „Premium Fitness“<br />
den Klosterplatz verlassen, al-<br />
Klosterschule<br />
lerdings zieht man nur um: ins<br />
neue „In-Viertel“, den Boulevard<br />
wechselt, wo die Räumlichkeiten<br />
des pleitegegangenen Fitness-Ladens<br />
Elixia mehr Platz für Geräte<br />
und größere Kurse bieten.<br />
Dabei hätte der Klosterplatz das<br />
Potential, ein zweiter Siegfriedplatz<br />
zu werden. Er ist zentral gelegen<br />
und hat einen gewissen urbanen<br />
Touch. Leider fehlt ihm die<br />
Nähe zur Uni und es gibt dort weniger<br />
Anwohner. Die größte Ähnlichkeit<br />
zum Siggi: der regelmäßig stattfindende<br />
Flohmarkt. Zu dieser Veranstaltung<br />
verlassen die Autos den<br />
zum Anwohnerparkplatz umfunktionierten<br />
Klosterplatz und die Trödelmarkthändler<br />
kommen und<br />
bauen ihre Stände auf.<br />
Immer mal wieder kommen Gerüchte<br />
auf, dass die Stadt die Initiative<br />
bezüglich des Platzes ergreift,<br />
doch bis jetzt hat sich keines von ihnen<br />
bewahrheitet. Auch wegen<br />
lang anhaltender Streitigkeiten mit<br />
Anwohnern, die am Klosterplatz<br />
ihre Ruhe haben wollen und jede<br />
Veranstaltung samt den damit verbundenen<br />
Geräuschen gerichtlich<br />
attackierten, hat seit Jahren schon<br />
niemand mehr Lust, sich mit „einem<br />
der schönsten Plätze Bielefeld“<br />
(Heiner Bruns vom Bund<br />
Deutscher Architekten) zu<br />
befassen. Maren Berthold<br />
ULTIMO 9