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EWKB 22-05

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2. Februar 20<strong>22</strong> Regional<br />

3<br />

Bürger umarmten ihre Stadt<br />

1.000 Menschen „zeigten Gesicht“ auf Demonstration<br />

Fortsetzung von Seite 1 ∙<br />

Vorangegangen war eine<br />

Menschenkette, die sich - unter<br />

Einhaltung der Coronamaßgaben<br />

- ringförmig um<br />

die ganze Innenstadt zog.<br />

Dazu aufgerufen hatte das<br />

Bündnis für Respekt und<br />

Menschenwürde, in dem neben<br />

vielen Bürgerinnen und<br />

Bürgern über 80 Organisationen<br />

- Vereine, Kirchen,<br />

Verbände, Parteien, Firmen<br />

und Privatpersonen - vereint<br />

sind.<br />

Heidi und Karl-Heinz Büsgen<br />

hatten sich vor dem<br />

SPD-Gebäude verabredet<br />

und fanden deutliche Worte:<br />

„Wir nehmen teil, weil wir<br />

diese Aufmärsche sonntags<br />

nicht mehr akzeptieren wollen.<br />

Es geht den Leuten nicht<br />

mehr um Corona, sondern<br />

darum, den Staat zu verändern.<br />

Wir sind das Volk und<br />

die Mehrzahl und nicht die<br />

Krawallmacher.“<br />

„Alle Grundsätze dieser<br />

Menschenkette sind auch<br />

unsere“, betonten Silke Krüger<br />

und Dagmar Siebenhaar<br />

vom Kinderschutzbund<br />

Cuxhaven. Toll fanden wir,<br />

dass Uwe Santjer die ganze<br />

Strecke mit dem Fahrrad<br />

abgefahren ist und sich bei<br />

jedem persönlich bedankt<br />

hat.“<br />

Miteinander Flagge zeigen<br />

In seiner Rede ließ der Oberbürgermeister<br />

seinen Emotionen<br />

freien Lauf. „Wir leben<br />

in einer Demokratie und haben<br />

dafür gekämpft. Deshalb<br />

müssen wir sie auch großschreiben<br />

und auch aushalten,<br />

wenn mal jemand nicht<br />

unserer Meinung ist“, gab<br />

aber seiner Besorgnis Ausdruck,<br />

„dass man sich auf einen<br />

Weg begebe, wo wir uns<br />

zersplittern“.<br />

Die große Zahl der Menschen<br />

solidarisiere sich mit der Gemeinschaft,<br />

habe er festgestellt.<br />

Einige zauderten noch<br />

mit dem Impfen. Es gäbe<br />

aber auch diejenigen, die sich<br />

an keine Regeln hielten. Die<br />

Gruppe der „Spaziergänger“,<br />

die hetzten und Andersdenkende<br />

bedrohten, mache ihm<br />

die meisten Sorgen. Diese<br />

Cuxhaven steht für ein friedliches Miteinander<br />

Pandemie dürfe aber nicht<br />

trennen. Sei sie einmal vorbei,<br />

müsse man noch miteinander<br />

am Küchentisch sitzen<br />

können.<br />

„Ihr setzt heute ein klares<br />

Zeichen“, sagte er an die Teilnehmer<br />

gerichtet. Dieser Tag<br />

habe Solidarität zu denen<br />

gezeigt, die hier in Frieden<br />

leben, mit Respekt miteinander<br />

umgehen wollen und für<br />

die Menschenwürde kein<br />

leeres Wort ist.<br />

Deutliche Position bezog<br />

auch Pastor Marcus Christ.<br />

Man habe zunehmend mit<br />

Menschen zu tun, die abstrusen<br />

Vorstellungen nachgehen<br />

und glaubten, sie müssten<br />

so etwas wie Widerstand<br />

leisten, sagte der gute Hirte<br />

der Kirchengemeinde St.<br />

Petri.<br />

Das seien Menschen, denen<br />

es nicht um Wahrheit, sondern<br />

um Recht haben ginge,<br />

die sich als Opfer stilisieren<br />

und daraus ableiten, sie dürften<br />

gegen die Regeln des guten<br />

Miteinanders verstoßen,<br />

Eigentum beschädigen oder<br />

Gewalt ausüben.<br />

Wenn auch der Versuch einer<br />

Diskussion scheitere,<br />

stimmte er dennoch versöhnliche<br />

Worte an. Zur Realität<br />

gehöre doch, dass auch diese<br />

Menschen Bürger unserer<br />

Stadt sind. Jesus wurde mal<br />

gefragt, was denn die wichtigste<br />

Richtschnur in unserem<br />

Leben sein sollte. „Liebe<br />

Deinen Nächsten wie Dich<br />

selbst“, war die Antwort.<br />

Nächstenliebe gehe würdevoll<br />

mit dem anderen um<br />

und sorge auch dafür, dass<br />

auch die anderen Freiheiten<br />

haben. Aber Freiheit komme<br />

nicht ohne Verantwortung,<br />

nicht ohne Pflicht. Die Impfung<br />

sei zurzeit der beste<br />

Weg aus der Pandemie und<br />

der beste Weg zu einem freieren,<br />

gefahrlosen Leben zu<br />

kommen. Es könne auch ein<br />

Akt der Nächstenliebe sein,<br />

sich impfen zu lassen, appellierte<br />

er an die Einsicht der<br />

Impfgegner. „Die Menschen,<br />

die sich in den letzten Monaten<br />

verlaufen haben, werden<br />

wir willkommen heißen,<br />

wenn sie wieder nach Hause<br />

kommen.“<br />

„Ich finde es superwichtig,<br />

dass man sich in diesen Zeiten<br />

für Demokratie einsetzt. Demokratie<br />

funktioniert nur,<br />

wenn alle mitmachen“, sagte<br />

Caroline (19), die gerade ein<br />

FSJ bei der SPD-Fraktion in<br />

Cuxhaven macht.<br />

Oberbürgermeister Uwe Santjer bei der Kundgebung<br />

Fotos: jt<br />

„Für ein friedliches Miteinander“<br />

Nachgefragt bei Uwe Santjer und Sven Wersien<br />

CUXHAVEN ∙ Joachim<br />

Tonn, Redakteur des Elbe<br />

Weser Kuriers, nutzte die<br />

Gelegenheit, den Sprechern<br />

des „Bündnis für Respekt<br />

und Menschenwürde“, Sven<br />

Wersien und Cuxhavens OB<br />

Uwe Santjer, einen Tag vor<br />

der Demonstration noch ein<br />

paar Fragen zu stellen.<br />

Was ist das Bündnis<br />

für Respekt und ?<br />

Menschenwürde?<br />

Uwe Santer: Das Bündnis<br />

ist so etwas wie ein !<br />

Kompass, der zeigt: wo ist<br />

dein Weg und wie wollen<br />

wir leben. Das Bündnis ist<br />

überparteilich und hat eine<br />

große Glaubensvielfalt. Es<br />

ist der Geist der „Cuxhavener<br />

Thesen“ von 2019,<br />

der hier mitschwingt. Jeder<br />

wird gleich wertgeschätzt,<br />

egal welcher Hautfarbe,<br />

Religion, Herkunft, Beeinträchtigung,<br />

sexueller Orientierung<br />

oder Aussehens.<br />

Grundsätzlich geht es um<br />

eine tolerante und offene<br />

Gesellschaft und den Zusammenhalt<br />

in Cuxhaven.<br />

Die Anfänge nährten sich<br />

aus dem Engagement der<br />

Cuxhavener für die Menschen<br />

im Flüchtlingscamp<br />

Altenwalde, die hier Schutz<br />

gesucht haben. Die rechten<br />

Bewegungen, die dann lauter<br />

wurden, gaben Anlass,<br />

ein sichtbares Zeichen in<br />

Cuxhaven zu setzen.<br />

Welche Wirkung soll<br />

? von der Demonstration<br />

ausgehen?<br />

Wersien: Das Be-<br />

!<br />

Sven<br />

sondere an dieser Veranstaltung<br />

ist: Die Menschen<br />

zeigen durch ihr Kommen<br />

Gesicht. Nicht anonym im<br />

Internet. Und sie zeigen:<br />

Wir gehen respektvoll und<br />

menschenwürdig miteinander<br />

um. Wir haben uns<br />

schnell darüber verständigt,<br />

dass wir nicht gegen irgendwelche<br />

Sachen aufrufen,<br />

sondern wir rufen deutlich<br />

auf, für was wir stehen. Wir<br />

stimmen dafür, dass wir<br />

zeigen dürfen, dass unsere<br />

Gesellschaft nicht gespalten<br />

ist.<br />

Uwe Santjer: Wogegen<br />

wir uns wehren ist, wenn<br />

Presse als Lügenpresse betitelt<br />

wird, wenn Politiker<br />

bedroht werden. Das sind<br />

Dinge, die sind widerwärtig<br />

und die haben in Cuxhaven<br />

keinen Platz.<br />

!<br />

?<br />

Wie ist es zur jetzigen Aktion<br />

gekommen?<br />

Sven Wersien: Wir möchten<br />

zeigen, dass die Gesellschaft<br />

nicht gespalten ist.<br />

Nicht alle Querdenker sind<br />

Verschwörungstheoretiker.<br />

Manche von ihnen sind<br />

möglicherweise in ganz anders<br />

gelagerten Nöten und<br />

Existenzängsten. Ihnen<br />

kann man helfen. Es gibt in<br />

Cuxhaven ein super soziales<br />

Netzwerk wie Stadtteilzentren<br />

und Ansprechpartner,<br />

die Hilfe vermitteln können.<br />

Es gibt andere Wege als den,<br />

auf die Straße zu drängen.<br />

Uwe Santjer: Es bereitet mir<br />

Sorgen, dass es in Familien<br />

und Freundeskreisen wegen<br />

des Impfens auch zu Trennungen<br />

kommt. Wo sind wir<br />

gelandet, wenn wir über die<br />

Debatte: Impfen oder nicht<br />

impfen Freunde verlieren?<br />

Deshalb soll die Demonstration<br />

auch ein Zeichen<br />

der Versöhnung werden. Es<br />

gibt unterschiedliche Meinungen.<br />

Aber das darf kein<br />

Grund sein, dass wir uns<br />

auseinanderleben. Der Preis<br />

dafür ist zu hoch.<br />

Gibt es Möglichkeiten,<br />

? die „Spaziergänger“ zu<br />

erreichen?<br />

Uwe Santjer: Bei den<br />

„Spaziergängern“ gibt es<br />

!<br />

Sven Wersien und OB Santjer<br />

Foto: jt<br />

auch Mitläufer. Ich bin mir<br />

nicht sicher, ob alle Mitläufer<br />

auch wissen, was im<br />

Internet geschrieben wird<br />

und welche Bedrohung von<br />

den „Spaziergängern“ ausgeht.<br />

Deshalb kann ich mir<br />

vorstellen, dass der Samstag<br />

dazu beitragen kann, den einen<br />

oder anderen Mitläufer<br />

noch mal zurückzuholen.<br />

Sven Wersien: Die Leute,<br />

die dieses System abschaffen<br />

wollen, werden wir<br />

nicht erreichen. Wir wollen<br />

aber die Hand ausstrecken.<br />

?<br />

Was kommt danach?<br />

!<br />

Uwe Santjer: Wir werden<br />

in den sozialen Medien<br />

nachsteuern. Zunächst haben<br />

wir ein Zeichen setzen<br />

wollen. Was danach passiert,<br />

da kommt es auf jeden<br />

selber an. Friede beginnt im<br />

Kleinen. Ich glaube, dass<br />

dieser Samstag ein Zeichen<br />

dafür sein kann, dass niemand<br />

alleine ist. Samstag<br />

werden wir unsere Solidarität<br />

zeigen.<br />

Sven Wersien: Ich kann nur<br />

sagen warum ich mich für<br />

die Kundgebung einsetze.<br />

Ich lebe in keiner Diktatur.<br />

Da ich bereits viele Möglichkeiten<br />

hatte, mir die Welt<br />

anzuschauen, war ich auch<br />

in Ländern, wo Diktatur<br />

herrscht. Daher weiß ich,<br />

wie gut es uns geht, dass<br />

wir Grundrechte haben und<br />

im Wohlstand leben dürfen.<br />

Ich fühle mich durch unsere<br />

Regierung und unser<br />

Grundgesetz beschützt.

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