ST/A/R-60
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<strong>ST</strong>/A/R<br />
WIE FÜHLT SICH FÜR MICH GLEICH<strong>ST</strong>ELLUNG AN peter + paula<br />
ANIA SCHLAMANN<br />
Die fotografische Serie ErSieundIch von Anja Schlamann zeigt Ausschnitte<br />
aus dem Leben eines Mannes, der offenbar drei verschiedene<br />
Leben lebt: das eines westfälischen Bauers, das eines bürgerlich lebenden<br />
Beamten und das eines kosmopoliten Ingenieurs. Anja Schlamann<br />
ist für ihre Arbeit ErSieundIch in die Rolle ihres Bruders Lukas geschlüpft<br />
und hat ihn, der vor 40 Jahren im Säuglingsalter gestorben<br />
ist, mit dieser Arbeit in Form der Selbstinszenierung wieder zum Leben<br />
erweckt.<br />
Die seit vier Dekaden bestehende Leerstelle wird in dieser selbstreflexiven<br />
Performance aufgefüllt. Die Möglichkeiten, die Anja Schlamann<br />
ihm auf diese Weise gibt, sind fiktiv, doch die Fotos schaffen Tatsachen:<br />
Sie zeigen drei gelebte Leben, die durch die Fotografie in die<br />
Realität eingebettet sind. Das Gedächtnis der Familiengeschichte kann<br />
damit retropsektiv in unterschiedlichen Varianten gelesen werden.<br />
Wenige Assessoirs, klischeehaft eingesetzt, spielen mit dem Konstrukt<br />
um Geschlechteridentität. Als Zeichen gesetzt, werden sie als tradierte<br />
Geschlechtsmerkmale gelesen. Die Identität der Fotografin teilt sich<br />
dabei visuell in zwei Anteile auf: in den eines Mannes und den einer<br />
Frau. Die fotografischen Sequenzen werden um eine zusätzliche Ebene<br />
ergänzt: um Interviews, fiktiv geführt zwischen Bruder und Schwester,<br />
der familiäre Alltag sind ebenso Thema wie Verlassenheit und Vergänglichkeit.<br />
Das Rollenspiel in der Arbeit ErSieundIch wirkt dieser<br />
Verlassenheit entgegen, indem sie eine imaginierte Illusion visualisiert<br />
und damit eine neue Realität schafft.<br />
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