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Einblicke in die Kunst des ungarischen Malers János Thorma (1870-1937) Budapest – München – Nagybánya

Im Fokus dieser Abhandlung steht die Modernität der Malerei des ungarischen Malers János Thorma (1870-1937)

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Einblicke in die Kunst

des ungarischen Malers János Thorma (1870-1937)

Budapest – München – Nagybánya

Szilvia Rad (Rád)

Lektorat: Sarolta Sárosi

ISBN 978-615-00-7753-6 - OSZK, Budapest

Design: Szilvia Rad (Rád)

2022


Aus Anlass des 85. Todesjahres des Malers János Thorma

Inhaltsverzeichnis

Abhandlungen

Einblicke in die Kunst des ungarischen Malers János Thorma (1870-1937) –

Modernität in seiner Malerei

János Thorma: Nagybanyaer Olympia

János Thorma: Mädchen im lila Kleid (1929)

János Thorma: Dame auf dem Hügel sitzend, im roten Kleid, um 1930

Schlusswort


Um die Modernität der Kunst von János Thorma zu verstehen, ist es notwendig in die Geschichte

zurückzublicken, ganz konkret in die Münchner Jahre der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, denn

Thorma lebte, lernte und arbeitete am Ende der 1880er Jahre in der bayerischen Hauptstadt.

Aus Quellen wissen wir, dass die ungarisch-bayerischen Künstlerbeziehungen eine lange Tradition

aufweisen. Den Forschern stehen zahlreiche Dokumente aus dem 19. und 20. Jahrhundert zur

Verfügung, die bestätigen, dass hunderte von ungarischen Malern und auch einige Kunsthistoriker

im 19. Jahrhundert die bayerische Hauptstadt mit Vorliebe als Inspirationsquelle, Studienort und

internationale Kontaktaufnahmestelle wählten. Das waren Gründe, warum sich auch der aus

Kiskunhalas stammende Maler János Thorma 1888 München als Bildungsort auswählte. Zuvor,

1887, studierte er an der Staatlichen Ungarischen Königlichen Musterzeichenschule in Budapest

bei dem bekannten akademischen Historienmaler Bertalan Székely, der ebenfalls in München

studiert hatte, an der Münchner Akademie. Kurz nach seiner Ankunft in der bayerischen Hauptstadt

(1888) schloss sich Thorma dem moderneren ungarischen Künstlerkreis um Simon Hollósy an.

Hollósy betätigte in München eine private Malschule (Foto 1), wo er seine modernen

kunstpädagogischen Ansichten vertrat und verbreitete, welche stark an den französischen

innovativen Kunstrichtungen orientiert waren. Statt Historiendarstellung und Ateliermalerei

plädierte Hollósy für Malen in der Natur nach dem Vorbild des Naturalismus und des

Impressionismus. Seine frische Anschauung und seine durch und durch boheme Künstlernatur

beeindruckte Thorma und zahlreiche angehende Künstler aus der ganzen Welt. Hollósys

Anhängerkreis wurde immer größer und internationaler. Die in München entstandenen

internationalen Beziehungen wirkten sich bis Nagybánya (historisches Ungarn

/Erdély/Siebenbürgen/) aus, wo Simon Hollósy gemeinsam mit seinen treuen Künstlerfreunden wie

János Thorma, István Réti und anderen Künstlerkollegen ihre Münchner Privatschule im Jahre 1896

zu einer internationalen Sommerschule ausweiteten. (Foto 2) Hollósys Ziel war es, die ungarische

Kunstentwicklung von Nagybánya aus zu erneuern, nach dem Motto: naturorientierte

Ausdrucksweise statt Atelier / Salonmalerei und Akademismus. Eingeladen waren alle, die für

Modernisierung der Kunst standen. Aus vielen Ländern kamen dorthin Schüler, um die neuartige,

naturorientierte Malerei zu erlernen. Neben den Ungarn stellten die Deutschen die größte Gruppe

von Schülern.

1


Das zeigt, dass die innovativen ungarischen Kunstlehrer auf die Münchner aufstrebenden Künstler

einen starken Einfluss ausübten. 1 Der Kunsthistoriker Josef Kern wies 2012 in seiner Rede zur

Ausstellungseröffnung der internationalen János Thorma- Wanderausstellung in München darauf

hin, dass Thorma „eine ganz große pädagogische Ader“ besaß. 2

Malen in der Natur und nach der Natur - dieser Maxime folgte Thorma als Maler und Lehrer ab der

Nagybanyaer Periode bis zu seinem Lebensende. Am Anfang der Nagybanyaer Periode malte auch

er zuerst in dem in München entwickelten dunkel-tonigen Stil des Realismus. Es entstanden

zunächst Bilder mit religiösen und historischen Themen, denn das Ziel war es, diese Gattungen auf

den neuesten Stand zu bringen, im Sinne des Naturalismus. Die Umstellung war nicht einfach.

Thorma und seine künstlerischen Freunde wechselten Schritt für Schritt, erst ca. nach fünf, sechs

Jahren in Nagybánya zur naturalistischen Malerei. Parallel dazu erweiterte Thorma seinen

Themenkreis. Diesen anfänglichen naturalistischen Stil entwickelte er dann allmählich zu einer

unverwechselbaren, flächenhaften, farbenfrohen, postimpressionistischen Malweise. Landschaften

im sanften oder strahlenden Sonnenschein, Himmelfragmente nach dem oder vor dem Regen,

Blumensträuße, welche göttliche Schönheit ausstrahlen und moderne selbstbewusste Frauen, die mit

der Natur vollkommen im Einklang erscheinen, das wurden/waren die Lieblingsmotive von Thorma

ab den 1920er Jahren. Der Kunsthistoriker Josef Kern macht hierzu eine treffende Bemerkung:

Thorma wird „kein Nachahmer, kein Sklave der Franzosen. Er entwickelt vielmehr seine ganz

persönliche Handschrift und zwar dadurch, dass er sich aus einer Vielzahl von Vorbildern genau das

herausdestillierte, was für seine Kompositionen am optimalsten geeignet erschien.“ 3

Im nächsten Abschnitt werden wir uns über seine moderne Malkunst anhand von drei farbenfrohen

Bildbeispielen einen Überblick verschaffen können.

2

1Hierzu mehr in: Szilvia Rád: Thorma János Müncheni èvei. In: Halasi Museum 3. Emlékkönyv a Thorma Janos. 2009

Auch in: Boros Judit: A nagybányai művésztelep az alapítástól az első világháborúig. A Nagybányai Művésztelep

(nagybanya.ro) Boros Judit: A nagybányai mûvésztelep és festõiskola. A Nagybányai Művésztelep (nagybanya.ro)

Réti István: A nagybányai mûvészet esztétikai jellege és értéke a magyar és a külföldi mûvészethez való viszonyában. A

Nagybányai Művésztelep

2Eröffnung der Gemäldeausstellung von János Thorma im Münchner Künstlerhaus. Die Rede von Prof. Dr. Josef

Kern Zitat: 26:35 In Eröffnung der Gemäldeausstellung von János Thorma im Münchner Künstlerhaus -

YouTube "Meinem Doktorvater Prof. Dr. Josef Kern, der meine Dissertation über Sándor Wagner betreut

hat, danke ich herzlich für die kritische Durchsicht des Manuskripts."

3Ebd. 30:53


Foto 1. Mietshaus im Jugendstil mit Balkon, Erker und reiche Stuckarbeit 4

Hollósys Privatschule, die auch Thorma besuchte, befand sich in diesem Schwabinger Mietshaus, Siegfriedstrasse 5

Foto 2: Die Anfänge der Künstlerkolonie und später Malerschule in Nagybánya 5

4 Foto: Liste der Baudenkmäler in Schwabing. Liste der Baudenkmäler in Schwabing – Wikipedia hierzu auch: Die

Münchener Jahre des ungarischen Kunstmalers János Thorma - Autor: Szilvia Rad (yumpu.com) mit Foto von

Szilvia Rad

5 Foto: A Nagybányai Művésztelep (nagybanya.ro)

3


János Thorma: Nagybanyaer Olympia

János Thorma: Nagybanyaer Olympia, Öl auf Leinwand, 75 x 100 cm, Privatbesitz, genaues Entstehungsjahr unbekannt

Der Name Olympia kommt aus dem Griechischen und bedeutet „vom Olymp“ - „die Himmlische“ .

Olympia ist auch der Name des antiken Zeus-Heiligtums auf der Halbinsel Peloponnes. Im 19.

Jahrhundert erregte der Name Olympia besondere Aufmerksamkeit, als 1863 Édouard Manet sein

skandalöses Werk Olympia - das Bildnis einer Prostituierten - im Pariser Salon vorstellte. Der

ungarische Maler ließ sich von Olympia, der Himmlischen, inspirieren und malte um ca. 1930 seine

eigene Version. Thormas Olympia ist eine moderne Frau mit blonder Bubikopf-Frisur. Sie posiert

unter freiem Himmel in der Landschaft von Nagybánya und liegt nackt, halbstützend auf dem

grünen Boden, auf einem roten Tuch. Allem Anschein nach sehen wir hier Zsuzsa Balkányi,

Thormas Muse, welche in vielen Werken des Malers erscheint. 6

4

6 Auf der Webseite des János Thorma-Museums kann man einige Gemälde entdecken, auf denen die blondhaarige

Muse eine zentrale Rolle spielt. Thorma János Múzeum, Kiskunhalas (thormajanosmuzeum.hu) Hierzu auch in:

Szilvia Rád: A nö és a természet Thorma János müvészetében. In: Bay-Büki-Kovács-Rád: Thorma. Kiskunhalas

2012. S. 21


Vermutlich handelt es sich um das das rote Sommerkleid des Modells, das es auf zahlreichen

Bildern trägt. Die Nagybanyaer Olympia liegt auf der rechten Seite des Bildes, d.h. ihr Kopf

befindet sich rechts vom Betrachter. Aus der Sicht der Pracht sehen wir hier eine ziemlich schlichte,

minimalistische Umgebung, d.h. es gibt kein teures Begleitwerk wie kostbare Brokatvorhänge,

Seidentücher, Samtdecken wie das in historischen Danae- und Venusdarstellungen üblich ist.

Tizians und Rembrandts Danae, Giorgones Venus oder Manets Olympia stehen aus der Sicht des

pompösen Milieus stellvertretend für prächtige mythologische Frauendarstellung. Thormas

Olympia befindet sich Mitten in der Natur. Die hügelige Nagybanyaer Landschaft dient als

Begleitszene, als dekoratives Ambiente. Thormas Olympia stützt sich auf ihren gebeugten linken

Arm. Mit dem rechten Arm fasst sie ihr gebeugtes, rechtes Bein an, das leicht gespreizt ist. Ihr

linkes Bein ist halb gestreckt und beugt leicht nach innen zum rechten Bein, als ob die Frau damit

ihren Schambereich decken wollte. Auf der rechten Seite, direkt neben Olympias Bein, steht eine

ältere Dame - die Dienerin Olympias. Sie hält ein einfaches weißgraues Tuch (Leinentuch?) in der

Hand und versucht damit fürsorglich die liegende Olympia vor der Außenwelt abzuschirmen.

Gleichzeitig nimmt Olympia den Rand des Tuches und macht an ihrem rechten Kniebereich eine

Bewegung, als ob sie ihn abtrocknen würde. Diese Bewegung könnte ein Hinweis darauf sein, dass

Olympia im Hintergrund fließenden Fluss Zazar gebadet hat. Dieser Moment wäre eine originelle

Weiterführung und Erneuerung in der Darstellungsgeschichte Olympias: die sich abtrocknende

Olympia nach dem Baden im Zazar in der Nagybanyaer Landschaft. Thorma schafft eine neuartige

Umgebung des mythologischen Charakters. Er holt Olympia aus dem geschlossenen

Raum und bettet sie erkennbar in die hügelige Landschaft ein.

Diese geografische Umsetzung verleiht der mythologischen Darstellung eine eigenartige Stimmung.

Der Ungar stellt auf diesem Bild die launenhafte, mal bewölkte, mal sonnendurchflutete Gegend

von Nagybánya mit trübem, grauem Himmel dar. Der sorgsam zusammengestellte kühle

Komplementärkontrast Rot-Grün im Vordergrund steigert die melancholische Grundstimmung des

Bildes. Die kühle Farbpalette der Landschaft ist ohne Zweifel meisterhaft an den versunkenen,

nachdenklichen, distanzierten, ja, leicht traurigen Gesichtsausdruck von Olympia abgestimmt. Die

Farbenwelt der Landschaft spiegelt den seelischen Zustand der Protagonistin, die eine himmlische

Schönheit und für uns Betrachter ein unauflösliches Rätsel bleibt, wider.

5


János Thorma: Mädchen im lila Kleid (1929)

links: János Thorma: Mädchen im lila Kleid, 70x56cm, Öl auf Leinwand, Privatbesitz

rechts: ein zeitgenössisches Foto von Esther Ralston

János Thormas malte sein Mädchen im lila Kleid im Jahre 1929. 2018 wurde es in der Galerie

Kieselbach in Budapest zur Echtheitsprüfung und zur 58. Frühlingsversteigerung

abgegeben und es wurde in dieser Auktion für 3 200 000 Forint verkauft. 7 Bisher kannten die

Experten dieses Bild, welches in Nagybánya gemalt wurde, nur aus dem Register, den Thorma

1928-1930 führte. Heute befindet sich dieses Verzeichnis in der Nationalgalerie in Budapest. Der

Maler versah das Bild mit der Nummer 23. 8 Im Mittelpunkt des Bildes sehen wir eine goldblonde

Frau, die eine Vase mit einem üppigen Chrysanthemenstrauß in der Hand hält. Sie steht in einem

Raum im Dreiviertelprofil Modell.

Höchstwahrscheinlich ist es Zsuzsa Balkányi, eine der Lieblingsmodelle Thormas, seine Muse

schlechthin, die der Nagybanyaer Künsler zigmal verewigte. 9 Nach der Kategorisierung der Stilund

Farbberatung geht es hier um eine kühle Sommertyp-Frau. Sie hat porzellanfeine rosa

Hautfarbe, rosa Wangen und blaue Augen. 6

7 eMail von der Galerie Kieselbach am 07.03.2022

8 Quelle: Thorma János - Fiatal lány (A lila ruha), 1929 | 58. Tavaszi Aukció aukció / 8 tétel (kieselbach.hu)

9 Hierzu: Jenö Murádin: Helyszinek, sodró idök. In: Bay, Boros, Murádin: Thorma. Budapest 1997. S. 46


Die kühlen Töne dominieren ihren Charakter, welcher durch die weinroten Lippen, das lila Kleid

und die lila sowie blauen Blüten betont wird. Die kühle Farbpalette und die lila Ton-in-Ton Malerei

werden durch die warmtönige goldrote Farbe der Bubikopf-Frisur des Modells, die gelben

Staubblätter sowie durch den terrakottaroten Wandteil abgebrochen. Mit diesen warmen

Farbakzenten schuf János Thorma meisterhaft eine sanfte, angenehm-farbliche Bildharmonie. Die

Ton-in-Ton-Malerei geht in die Komplementärkontrastierung über. Das bedeutet, dass die kühlen

Nuancen mit ihren warmen Paaren korrespondieren. Wir finden beispielsweise Lilablau-Goldgelb-

Verbindungen und eine Terrakottarot-Moosgrün-Verkopplung am Wandstreifen und unterem

Straußbereich, welche feinfühlig miteinander abgestimmt sind. Die ausgeglichene feine Farbenwelt

des Bildes passt vollkommen zu der dargestellten Frau, welche Zärtlichkeit und etwas

Mädchenhaftes ausstrahlt. Sie trägt die damals neueste Mode. Sie ist eine moderne Frau mit

trendigem, kinnlangem Bob, der um 1923 in die Mode gekommen ist, und dunkel unterlegten

Lidschatten. Ihr sanftes Seidenkleid folgt nicht mehr dem männlichen, gerade abfallenden Schnitt,

der für den Anfang der 1920er typisch war, sondern es hebt die weiblichen Züge heraus,

beispielsweise die Taillenlinie/Hüftenlinie mit einem Gürtel. Aus dem Schnitt können wir ablesen,

dass das Kleid unten glockig und weit ausgeht. Dieses weite, luftige, spielerische Art déco-Design

verdrängte am Ende der 1920er den männlichen, geradlinigen Schnitt. 10 Die durch die Vernunft

bestimmte Frau wurde wieder gefühlvoller, zarter und weiblicher. Diese gesellschaftliche

Entwicklung zeigen uns zweifellos auch Thormas Bilder wie hier das Gemälde Mädchen im lila

Kleid. Die Modebewegungen präsentierten damals sehr oft die Hollywood Filmstars, wie auch

heute. Recherchiert man ein bisschen in der internationalen Film- und Modewelt, stellt man

mehrere verblüffende äußerliche Ähnlichkeiten zwischen Thormas Modell und beispielsweise der

amerikanischen Schauspielerin Esther Ralston (siehe oben) fest. Beide tragen blonde Bubikopf-

Frisur mit leichter Marcel-Welle und ein luftiges, legeres Kleid. Ähnlichkeiten weisen auch die

Blumensträuße auf denn beide sind formal-lineare Bouquets, welche aus langstieligen homogenen

Schnittblumen zusammengesetzt sind. Die Form der Vasen sind ebenso ähnlich, elegant und

vertikal. Ralston war am Ende der 1920er Protagonistin mehrerer Stummfilme. Mit der

Entwicklung der Filmtechnik verbreiteten sich durch die Schauspielerinnen rasant und weltweit die

neuesten Modetrends zum Beispiel der Art déco Styl. Offensichtlich war Thormas Modell aller

Voraussicht nach Zsuzsa Balkányi auch von diesen internationalen Modetrends begeistert und

interessierte sich dafür.

7

10 Mode 1929 | ARTDECO BOULEVARD (artdeco-boulevard.de)


7János Thorma: Dame auf dem Hügel sitzend, im roten Kleid, um 1930

János Thorma: Dame auf dem Hügel sitzend,im roten Kleid, um 1930, 75x95 cm Öl auf Leinwand, Privatvbes. 11

János Thorma überließ in diesem Werk nichts dem Zufall. Wie seine meisten Werke, die im Stil des

Postimpressionismus gemalt wurden, ist auch dieses Gemälde eine moderne Darstellung - in

vielerlei Hinsicht! Thorma wählte für sein Werk erneut den farbenreichen Ort in Siebenbürgen, die

Landschaft bei Nagybánya aus. In der Mitte des Bildes sehen wir eine blonde Frau im rotorangen

Sommerkleid. Vermutlich ist das erneut die oft erwähnte Muse des Künstlers, Zsuzsa Balkányi. Sie

sitzt Modell in einer offenen Körperhaltung. Zu der damaligen Zeit war diese, überraschend offene

Pose ungewöhnlich, in bestimmten Kreisen alter Schule sogar auch schockierend. Thorma gehörte

jedoch zu den progressiveren Malern und überraschte gerne das kunstliebende Publikum.

Das Modell sitzt auf einem Hügel, auf dem Boden. Sie lehnt sich nach hinten und stützt sich auf

ihren gestreckten Armen ab. Ihre nackten Beine spreizt sie auseinander, so, dass ihr rechtes Bein

(vom Betrachter aus) leicht gebeugt und das linke geknickt ist.

8

11 Thorma János - Dombon ülő lány piros ruhában | 46. Aukció aukció / 65 tétel (kieselbach.hu)


Das linke Knie beugt zum rechten Knie und sie bilden so eine V-Form. Durch den dunklen

Schlagschatten des linken, geknickten Beines auf dem rechten Oberschenkel wurde der Einblick in

den Intimbereich der Frau verdeckt. Diese leicht erotische Szene sticht direkt ins Auge des

Betrachters. Das legere Sommerkleid im Art déco Stil langt bis zum Knie. Das modische, rotorange

Kleidungsstück wurde mit dem typischen schwarzen Art déco Schnallenschuh mit Absatz

abgerundet. Der Kopf des Modells richtet sich nach rechts (von uns). Sie blickt leicht nach unten,

Richtung Fluss und sucht keinen Blickkontakt mit dem Maler oder dem Betrachter. Die

Körperhaltung und der Blick der Frau sind ziemlich geheimnisvoll, als ob sie auf etwas Spannendes

warten würde. Vielleicht auf die große Liebe? Eine offene Frage. Auf diese Art von selbstbewusster,

herausfordernder Körperhaltung und stillem, ruhigem Gesichtsausdruck treffen wir auf

Modefotografien in Modenschau-Heften und Filmen der 1920er und 1930er Jahre. Wir können ohne

Zweifel behaupten, dass die international verbreitete, neue weibliche Modelinie der zweiten Hälfte

der 1920er und des Anfangs der 1930er Jahre in Nagybánya durchaus angekommen war. Aus der

Sicht der Modernität möchte ich noch die Farbkomposition des Gemäldes herausheben. Wie die

meisten Bilder von Thorma wurde auch dieses farbtechnisch meisterhaft ausgeführt. Als Meister der

kühnen Komplementärfarben verwendete Thorma hier intensiv die Blau-Orange-Verkopplung. Die

zahlreichen, pastelligen Abstufungen lassen das Bild zart und dezent erscheinen. Diese sanfte,

farbliche Abstimmung gleicht sich geschmackvoll an die feine, gefühlvolle Ausstrahlung der Frau

an. Wir sehen hier eine wunderschöne Komposition mit einem frischen, überlegten, kalkulierten

Farbkonzept.

Schlusswort

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Modernität dieser Ölbilder in Thormas Mut zum

Komplementärkontrast, zur Sättigung der Farbe und zum lichtdurchfluteten, frischen Ambiente

liegt. Außerdem können wir hie und da einen lockeren, breitstreifigen und flächigen Pinselduktus

sowie flächenhaften Farbauftrag beobachten, welche die Entspanntheit, Ungezwungenheit und

Ausgereiftheit der Malkunst von Thorma unterstreichen und welche an den Postimpressionismus

erinnern. Er entwickelte eine eigene persönliche Handschrift, trotz einer Vielzahl von Einflüssen

stehen wir „stets vor einem unverwechselbaren János Thorma“ 12 .

9

12 Eröffnung der Gemäldeausstellung von János Thorma im Münchner Künstlerhaus. Die Rede von Prof. Dr. Josef

Kern Zitat: 31:06 – siehe Seite 2


Thematisch gesehen sind diese Darstellungen ebenfalls innovativ, denn sie zeigen die

Neuentdeckung weiblicher Schönheit am Ende der 1920er und am Anfang der 1930er Jahre. Diese

moderne weibliche Schönheit passt in die farbenprächtigen Nagybanyaer Hügellandschaft und

Naturkulisse perfekt hinein.

10


Autorin

Szilvia Rad, Dr. phil. Kunsthistorikerin, Germanistin M.A.

geb. in Ungarn

1994 Abitur in Ungarn

1994-1995 Studium in Szeged, Ungarn

1996 Stipendium / Gaststudentin an der Katholischen Universität Eichstätt/Ingolstadt - Fakultät

Germanistik

1997-2003 Magisterstudium in Germanistik-Kunstgeschichte an der Katholischen Universität

Eichstätt/Ingolstadt

2004-2008 Galerieassistentin

2008-2014 Promotion im Fach Kunstgeschichte an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg

2014 Verleihung des Doktorgrades / Doktorvater: Prof. Dr. Josef Kern

2014 freie Dolmetscherin, Übersetzerin, Kunsthistorikerin

Lektorin

Sarolta Sárosi

- aufgewachsen in Hamburg

- Mediengestalterin, Malerin,

- lebt und arbeitet in Hamburg

Lektor

Prof. Dr. Josef Kern, Kunsthistoriker

- Lehrbeauftragter für das kunsthistorische Institut

- 2003 Lehrbeauftragter an der Universität Würzburg sowie am Fachbereich Allgemeine

Wahlpflichtfächer der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt

- Zu seinen Schwerpunkten gehört die Kunst des 19. Jahrhunderts bis hin zur Gegenwart. Daneben

war er lange Zeit für zahlreiche Zeitungen publizistisch tätig

- Freier Wissenschaftspublizist und Journalist, Präsident des Presseclub Mainfranken e.V.

- Vizepräsident der Società Dante Alighieri e.V. (Deutsch-Italienische Gesellschaft Würzburg)

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