StGB Allgemeiner Teil - Hamm und Partner, Rechtsanwälte
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glieder türkischer Justizbehörden <strong>und</strong> der türkischen Armee gerichtet waren. Hinsichtlich der diesbezüglichen Einzelheiten<br />
wird auf die Ausführungen in dem Haftbefehl des Ermittlungsrichters des B<strong>und</strong>esgerichtshofs Bezug genommen.<br />
Die DHKP-C ist auch außerhalb der Türkei, vor allem in Westeuropa, aktiv. Hier bestehen Organisationseinheiten,<br />
die von Parteifunktionären oder -komitees geleitet werden. Die Aufgabe dieser sog. Rückfront ist es insbesondere,<br />
finanzielle Mittel zu beschaffen <strong>und</strong> auf diese Weise die Begehung der terroristischen Anschläge in der<br />
Türkei zu unterstützen. Daneben werden in Europa Kämpfer rekrutiert; zudem wird für deren Ausstattung gesorgt<br />
sowie ein Rückzugsraum für Mitglieder der Organisation geschaffen. Der Angeschuldigte arbeitete als professioneller<br />
Kader für die Vereinigung. Als Nachfolger der am 5. November 2008 festgenommenen E. übernahm er vorübergehend<br />
deren Aufgaben <strong>und</strong> war als Deutschland-verantwortlicher tätig. In dieser Funktion koordinierte er die Aktivitäten<br />
der Organisation in Deutschland. Er war vor allem auch in die Beschaffung von Geldern eingeb<strong>und</strong>en. U. a.<br />
leitete er am 30. Januar 2009 ein Treffen verschiedener DHKP-C-Gebietsverantwortlicher in Köln, bei dem wesentliche<br />
Einzelheiten zur "Spendenkampagne" besprochen wurden. Bis Ende März 2009 arbeitete er den neuen<br />
Deutschlandverantwortlichen, den gesondert Verfolgten Ö., in dessen Aufgaben ein <strong>und</strong> unterstützte ihn.<br />
3. Der dringende Verdacht, dass der Angeschuldigte sich als Mitglied an der DHKP-C beteiligt hat, ergibt sich insbesondere<br />
aus seiner Einlassung sowie Erkenntnissen, die im Rahmen verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, etwa der<br />
Überwachung der Telekommunikation, gewonnen wurden. Hinsichtlich der Einzelheiten nimmt der Senat auf den<br />
Inhalt der Anklageschrift Bezug.<br />
4. Danach besteht der dringende Tatverdacht, dass sich der Angeschuldigte nach den § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b<br />
Abs. 1 <strong>StGB</strong> strafbar gemacht hat. Dabei kann hier dahinstehen, ob - was allerdings nahe liegt (vgl. etwa auch die<br />
uneingeschränkte Listung der DHKP-C als terroristische Vereinigung in den Ratsbeschlüssen 2002/460/EG vom 17.<br />
Juni 2002 <strong>und</strong> zuletzt vom 28. Juni 2007 - 2007/445/EG - zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der VO (EG)<br />
2580/2001 vom 27. Dezember 2001) - vor diesem Hintergr<strong>und</strong> die DHKP-C materiell-rechtlich insgesamt als ausländische<br />
terroristische Vereinigung anzusehen ist, oder ob - wie der Haftbefehl annimmt - sich lediglich innerhalb<br />
dieser Organisation eine terroristische Vereinigung gebildet hat, der neben bestimmten Funktionären <strong>und</strong> den mit der<br />
Ausführung der Anschläge betrauten Kadern in der Türkei jedenfalls auch solche Kader als Mitglieder angehören,<br />
die im europäischen Ausland in herausgehobenen Funktionen für die DHKP-C tätig sind <strong>und</strong> denen es obliegt, u. a.<br />
durch Spendensammlungen die für den bewaffneten Kampf erforderlichen finanziellen Mittel zu beschaffen (vgl.<br />
schon BGH, Beschluss vom 29. Mai 2009 - AK 8-10/09). Denn nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen<br />
gehörte der Angeschuldigte als Deutschlandverantwortlicher diesem engeren Funktionärskreis an. Die erforderliche<br />
Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung bereits begangener <strong>und</strong> künftiger Taten in Deutschland, "die im Zusammenhang<br />
mit der terroristischen Vereinigung stehen, die sich innerhalb des Führungskaders der DHKP-C unter<br />
der Führung von Dursun KARATAS in der Türkei gebildet hat", hat das B<strong>und</strong>esministerium der Justiz am 29. Juli<br />
2003 erteilt (§ 129b Abs. 1 Satz 3 <strong>und</strong> 4 <strong>StGB</strong>). Dieser Zusammenhang ist hinsichtlich der dem Angeschuldigten zur<br />
Last gelegten Taten unabhängig davon gegeben, wie der Umfang der Vereinigung materiell-rechtlich zu bestimmen<br />
ist. Der Strafbarkeit des Angeschuldigten steht nicht entgegen, dass er nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen<br />
seit spätestens Anfang des Jahres 2003 für eine Zusammenarbeit mit dem B<strong>und</strong>esnachrichtendienst angeworben <strong>und</strong><br />
verpflichtet wurde. Der Angeschuldigte hat auch vor diesem Hintergr<strong>und</strong> die tatbestandlichen Voraussetzungen der<br />
§§ 129b, 129a Abs. 1 Nr. 1 <strong>StGB</strong> erfüllt. Sein Handeln könnte allenfalls in entsprechender Anwendung der für verdeckte<br />
Ermittler i.S.d. § 110a StPO <strong>und</strong> verdeckt operierende Polizeibeamte geltenden Gr<strong>und</strong>sätze unter den engen<br />
Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstands nach § 34 <strong>StGB</strong> gerechtfertigt sein (vgl. Fischer, <strong>StGB</strong>, 57. Aufl., §<br />
129 Rn. 37 mwN). Hierfür bestehen jedoch aufgr<strong>und</strong> der bisherigen Einlassung des Angeschuldigten <strong>und</strong> der sonstigen<br />
Ermittlungsergebnisse keine Anhaltspunkte.<br />
5. Da der Angeschuldigte der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§<br />
129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b <strong>StGB</strong>) dringend verdächtig ist, liegt der Haftgr<strong>und</strong> der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3<br />
StPO) vor. Es ist aufgr<strong>und</strong> der in dem Haftbefehl näher dargelegten Umstände auch bei Berücksichtigung seiner<br />
langjährigen Mitarbeit beim B<strong>und</strong>esnachrichtendienst nicht auszuschließen, dass er sich, in Freiheit belassen, dem<br />
Verfahren entziehen wird. Mit Blick insbesondere auf die Kontakte, die der Angeschuldigte als lang-jähriges hochrangiges<br />
Mitglied einer international agierenden ausländischen terroristischen Vereinigung zu knüpfen in der Lage<br />
war, vermögen weniger einschneidende Maßnahmen nach § 116 Abs. 1 StPO nicht die Erwartung zu begründen,<br />
dass durch sie der Zweck der Untersuchungshaft auch erreicht werden kann.<br />
6. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs.<br />
1 StPO) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit <strong>und</strong> der besondere Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch<br />
nicht zugelassen <strong>und</strong> rechtfertigen die Fortdauer der Untersuchungshaft. Das Verfahren ist bislang mit der in Haftsachen<br />
gebotenen Beschleunigung geführt worden. Seit der Festnahme des Angeschuldigten wurden zahlreiche Ermitt-<br />
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