Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg BWNotZ
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Maurer · Die rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme <strong>BWNotZ</strong> 5-6/05<br />
A. E<strong>in</strong>leitung und Abgrenzung von der gesetzlichen<br />
Vertragsübernahme<br />
Unter e<strong>in</strong>er Vertragsübernahme, die auch als Vertragse<strong>in</strong>tritt<br />
bezeichnet wird, versteht man die Übertragung e<strong>in</strong>es<br />
Schuldverhältnisses im Ganzen1 .<br />
Sie bedeutet die vollständige Auswechslung e<strong>in</strong>er<br />
Vertragspartei bei e<strong>in</strong>em bestehenden Vertragsverhältnis.<br />
Die rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme ist von der<br />
gesetzlichen Vertragsübernahme wie folgt abzugrenzen:<br />
a) gesetzliche Vertragsübernahme:<br />
Mehrere gesetzliche Bestimmungen regeln als Schutzvorschriften<br />
die Vertragsübernahme als Rechtsfolge e<strong>in</strong>es<br />
abgeschlossenen Rechtsgeschäfts. Als Beispiele s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbesondere<br />
zu nennen2 :<br />
-§ 566 BGB (§§ 578, 566; §§ 581 II, 566 BGB): der rechtsgeschäftliche<br />
Erwerber des vermieteten Grundstücks/<br />
Wohnraums tritt kraft Gesetzes mit dem Zeitpunkt der<br />
E<strong>in</strong>tragung des Eigentumswechsels im Grundbuch <strong>in</strong> den<br />
Mietvertrag auf der Vermieterseite e<strong>in</strong>3 .<br />
-§ 613 a BGB: der rechtsgeschäftliche Erwerber e<strong>in</strong>es<br />
Betriebes oder Betriebsteils tritt kraft Gesetzes <strong>in</strong> die im<br />
Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse<br />
e<strong>in</strong>4 .<br />
-§ 69 VGG: der rechtsgeschäftliche Erwerber der versicherten<br />
Sache tritt <strong>in</strong> den bestehenden Versicherungsvertrag.<br />
b) rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme:<br />
Im BGB s<strong>in</strong>d die Abtretung e<strong>in</strong>zelner Forderungen <strong>in</strong> den<br />
§§ 398 ff und die Übernahme e<strong>in</strong>zelner Schulden <strong>in</strong> den<br />
§§ 414 ff geregelt. Die rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme<br />
jedoch ist nicht kodifiziert, gleichwohl haben<br />
Rechtsprechung und Lehre im Wege der Rechtsfortbildung<br />
den allgeme<strong>in</strong> anerkannten Grundsatz geschaffen, <strong>das</strong>s die<br />
rechtsgeschäftliche Übertragung e<strong>in</strong>es ganzen Schuldverhältnisses<br />
zulässig ist5 .<br />
An der Vertragsübernahme s<strong>in</strong>d die ausscheidende und<br />
die e<strong>in</strong>tretende Vertragspartei sowie die verbleibende<br />
Vertragspartei des zu übernehmenden Vertrages als Dritter<br />
beteiligt.<br />
Rechtsfolge der Vertragsübernahme ist e<strong>in</strong> Übergang sämtlicher<br />
vertraglicher Gläubiger- und Schuldnerpositionen en<br />
bloc von der ausscheidenden Vertragspartei auf die e<strong>in</strong>tretende<br />
Vertragspartei mit der Wirkung, <strong>das</strong>s die vertraglichen<br />
Beziehungen nunmehr nicht mehr zwischen dem<br />
Dritten und der ausscheidenden Vertragspartei sondern<br />
zwischen dem Dritten und der e<strong>in</strong>tretenden Vertragspartei<br />
bestehen.<br />
114<br />
____________<br />
Die rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme<br />
1 Palandt/He<strong>in</strong>richs, BGB, 63. Auflage 2004, § 398 Rdnr. 10.<br />
2 weitere Beispiele: § 1251 BGB; §§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG;<br />
§ 563 BGB; § 651b BGB; §§ 151 Abs. 2, 177 VVG.<br />
3 Palandt/Weidenkaff, BGB, 63. Auflage 2004, § 566 Rdnr. 16.<br />
4 Palandt/Putzo, BGB, 63. Auflage 2004, § 613a Rdnr. 18.<br />
5 Palandt/He<strong>in</strong>richs, BGB, 63. Auflage 2004, § 398 Rdnr. 38 mit weiteren<br />
Nachweisen.<br />
(von Bezirksnotar Frank Maurer, <strong>Notariat</strong> Gügl<strong>in</strong>gen)<br />
B. die rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme<br />
im E<strong>in</strong>zelnen<br />
1. Def<strong>in</strong>ition und Rechtsfolgen der rechtsgeschäftlichen<br />
Vertragsübernahme<br />
Vertragsübernahme bedeutet die Übertragung der vollständigen<br />
Vertragsposition, die die ausscheidende Vertragspartei<br />
kraft Rechtsgeschäftes mit dem Dritten erworben<br />
hat. Es f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e vollständige Auswechslung der Person<br />
auf der Seite e<strong>in</strong>er Vertragspartei statt6. Anhand des folgendes Falles soll die rechtsgeschäftliche<br />
Vertragsübernahme im weiteren beispielhaft erläutert werden:<br />
Der verheiratete Ehemann kauft vom Bauträger e<strong>in</strong>e projektierte<br />
Eigentumswohnung zum Zwecke der Kapitalanlage.<br />
Vor Fertigstellung des Objekts und Erfüllung des Bauträgervertrages<br />
lassen sich die Ehegatten scheiden. Im<br />
Rahmen der Scheidungsvere<strong>in</strong>barung soll die Ehefrau die<br />
erworbene Eigentumswohnung zu eigenen Wohnzwecken<br />
nutzen und anstelle des Ehemannes vom Bauträger Eigentum<br />
erwerben.<br />
Nach erfolgter Vertragsübernahme wird die Ehefrau anstelle<br />
ihres Ehemannes Erwerber der ursprünglich von ihm<br />
erworbenen projektierten Eigentumswohnung und nimmt<br />
vollumfänglich dessen Erwerberposition e<strong>in</strong>. Die Vertragsposition<br />
umfasst sämtliche Hauptleistungspflichten,<br />
Nebenleistungspflichten und Nebenpflichten, und zwar<br />
h<strong>in</strong>sichtlich der gesamten Gläubigerstellungen und Schuldnerstellungen.<br />
Der Vertrag wird <strong>in</strong> der Gesamtheit se<strong>in</strong>er Rechte und<br />
Pflichten <strong>in</strong>haltlich unverändert zwischen dem e<strong>in</strong>tretenden<br />
Vertragspartner und dem Dritten fortgesetzt7 . Die Vertragsübernahme<br />
ist, wie auch die Abtretung e<strong>in</strong>es Anspruchs<br />
gemäß § 398 ff BGB und die Schuldübernahme nach<br />
§§ 414, 415 BGB, e<strong>in</strong> abstraktes Rechtsgeschäft. Sie lässt<br />
sich jedoch nicht als e<strong>in</strong>e Bündelung von Abtretungen und<br />
Schuldübernahmen begreifen.<br />
E<strong>in</strong>e solche Auffassung würde vor allem dem Willen der<br />
Parteien nicht gerecht, e<strong>in</strong>en vollständigen Subjektwechsel<br />
im Rahmen e<strong>in</strong>es gegebenen Vertrages anzustreben. Die<br />
Vertragsübernahme ist daher mit der heute herrschenden<br />
Me<strong>in</strong>ung als e<strong>in</strong> eigenes, e<strong>in</strong>heitliches Rechtsgeschäft<br />
anzusehen; allerd<strong>in</strong>gs wirkt sich die Unterscheidung nur<br />
dort aus, wo es darauf ankommt, <strong>das</strong>s der Vertrag mehr<br />
ist als die Summe se<strong>in</strong>er Teile (nämlich der E<strong>in</strong>zelverb<strong>in</strong>dlichkeiten),<br />
etwa bei Pflichten, die gerade aus dem<br />
Synallagma entspr<strong>in</strong>gen, und bei der Frage der Ausübbarkeit<br />
von Gestaltungsrechten8 .<br />
2. Kausalgeschäft<br />
a) Schenkung<br />
Die Vertragsübernahme als abstraktes Rechtsgeschäft<br />
erfordert e<strong>in</strong> schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft. Soll<br />
die Vertragsübernahme unentgeltlich erfolgen, so liegt beispielsweise<br />
e<strong>in</strong> gemäß § 518 BGB und unabhängig vom<br />
____________<br />
6 Münchner Kommentar/Möschel, BGB, 4. Auflage 2003, Vorbemerkung<br />
Rdnr. 7.<br />
7 Münchner Kommentar/Möschel, BGB, 4. Auflage 2003, Vorbemerkung<br />
Rdnr. 8.<br />
8 Münchner Kommentar/Möschel, BGB, 4. Auflage 2003, Vorbemerkung<br />
Rdnr. 8 mit weiteren Nachweisen.