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Peter Weber - Struktur und Faltung

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In der Beschränkung

zeigt sich erst der Meister

Mastery Is Revealed

in Limitation

Gerda Ridler zum Werk von Peter Weber / on Peter Weber’s Oeuvre

Wer Großes will, muss sich zusammenraffen;

In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,

Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.

Johann Wolfgang von Goethe

»In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister«,

hat Goethe in seinem Sonett Natur und Kunst geschrieben.

Es wurde erstmals am 26. Juni 1802 in der

Kurstadt Bad Lauchstädt in Sachsen-Anhalt anlässlich

der Eröffnung des von ihm initiierten Schauspielhauses

vorgetragen. Während am Spielplan des

neuen Theaters La Clemenza di Tito von Wolfgang

Amadeus Mozart stand, hatte der Dichter eigens für

diesen Anlass das Vorspiel Was wir bringen verfasst.

Im Schlussterzett, aus dem vor allem der zweite Vers

als geflügeltes Wort große Verbreitung fand, vermittelt

uns Goethe, dass wahre Meisterschaft nur in

der Konzentration, der Beschränkung der Mittel und

innerhalb eines klar definierten Gefüges möglich ist.

Genau das sind jene Parameter, die das Werk von

Peter Weber bestimmen.

Wer Großes will, muss sich zusammenraffen

Womöglich hatte Peter Weber zu Beginn seiner

künstlerischen Laufbahn nichts Großes im Sinn.

Noch konnte er nicht ahnen, dass er später zu einem

der zentralen Protagonisten im Bereich der Konkreten

Kunst aufsteigen und die Technik der Faltung zu

einer Meisterschaft entwickeln würde. Als 19-Jähriger

absolvierte er von 1963 bis 1965 eine Lehre

als Schriftsetzer, im Anschluss studierte er an der

Fachhochschule in Hamburg. Er hatte das Glück, in

Max H. Mahlmann auf einen Lehrer im Fachbereich

To achieve great things, we must be single-minded:

Mastery is revealed in limitation

And law alone can set us free.

Johann Wolfgang von Goethe

“Mastery is revealed in limitation,” Goethe wrote in

his sonnet Nature and Art. It was recited for the first

time on 26 June 1802 in the spa town of Bad Lauchstädt

in the then Electorate of Saxony (today in

Saxony-Anhalt near Halle) at the opening of the new

theatre. Goethe had initiated the building of this

theatre and was influential in designing the interior.

La Clemenza di Tito by Wolfgang Amadeus Mozart

was on the programme and the poet had written for

this occasion the prologue Was wir bringen. In the

final tercet, which soon became a well-known adage,

Goethe conveys to us that true mastery is achievable

only through concentration, limitation and a clearly

defined framework. It is exactly these parameters

that define the work of Peter Weber.

To achieve great things, we must be single-minded

It is quite possible that at the beginning of his artistic

career, Peter Weber was not thinking of achieving

great things. He could not yet imagine that he would

later play a central role within the field of Concrete

Art and achieve mastery in the technique of folding.

In 1963 as a 19-year-old he began a three-year

apprenticeship as a typesetter and then went on to

study at the Fachhochschule in Hamburg. In the art

and design faculty he was lucky to have Max H.

Mahlmann as a teacher, who had a significant impact

on his artistic development. Beyond the importance

Gestaltung und einen Lebensmenschen zu treffen,

der für seine künstlerische Vita einflussreich und bedeutsam

werden sollte. Über die enge Lehrer-Schüler-Beziehung

hinaus war Peter Weber mit Max H.

Mahlmann bis zu dessen Tod im Jahr 2000 eng

befreundet. Mahlmann war als Künstler mit dem

Kosmos der konkret-konstruktiven Kunst fest verbunden,

als Lehrer hatte er Vorbildfunktion und die

Gabe, seine Schüler mit seiner anregenden Neugierde

zu begeistern. Bei Peter Weber sprang der Funke

rasch über und entbrannte vor allem in Bezug auf

konstruktives Gestalten zu einem leidenschaftlichen

Feuer.

In den frühen 1970er-Jahren war Peter Weber vom

künstlerischen Zeitgeist gefangen – der Op-Art und

der Kinetik. Künstlerinnen und Künstler wie Victor

Vasarely oder Bridget Riley waren ihm mit ihren

Untersuchungen von Wahrnehmungsprozessen und

visuellen Phänomenen Vorbilder. Schon früh entwickelte

er neben dem Studium und dem pflichtbewussten

Besuch der Grundkurse bei Mahlmann

erste eigene künstlerische Arbeiten, die von seinem

Lehrer mit Anerkennung honoriert wurden. Es handelte

sich dabei um Werke mit Riffelglas, die durch

Veränderung des Blick- und Standpunktes virtuelle

Bewegungen erzeugten. Diese frühen kinetischen

Arbeiten entstanden in der Zeit von 1969 bis 1974

und antizipierten damit ähnliche Werke von Ludwig

Wilding. Das »Zusammenraffen« im Sinne von Goethe

wurde von Peter Weber seit jeher praktiziert. Die

Konzentration auf eine Sache war ihm von Beginn an

wichtig; nie hat er sich mit dem Ausprobieren verschiedener

Techniken und Stile verzettelt, sondern

sich stets mit Hingabe und Präzision mit einer Sache

befasst. So löste 1974 die illusionistische Malerei

die Riffelglas-Ära ab. In der Folgezeit hat sich Peter

Weber mit einer sehr aufwendigen Technik visuellen

Phänomenen und optischen Effekten in der Malerei

gewidmet. Mit Ziehfeder und Acrylfarbe entstanden

Bilder mit Linienstrukturen, die allesamt mit einem

Grund- und einem darüberliegenden Deckraster in

Nass-in-Nass-Technik ausgeführt wurden. Während

die Ziehfeder-Technik eine sehr gleichmäßig aufgetragene

Farbe garantiert, ermöglicht seine serielle

Farb-Chromatik, mit zwei Parallelrastern imaginäre

Wölbungen, Kreise, Ellipsen oder Kreuze darzustellen.

Peter Webers künstlerisches Interesse galt dem

Raum, der auf der zweidimensionalen Bildfläche mit

malerischen Mitteln illusioniert wurde. Im Rückblick

of the teacher-pupil relationship, Peter Weber

maintained a close friendship with him until his

death in 2000. As an artist, Mahlmann was firmly

rooted in the sphere of Concrete and Constructive

Art. He was a role model for his pupils and had the

ability to enthuse them with his stimulating curiosity.

The spark quickly ignited Peter Weber’s imagination,

above all in connection with a constructivist approach

to his own artistic endeavours.

In the early 1970s Peter Weber was captivated by the

artistic trends of the times – Op Art and Kinetic Art.

Artists such as Victor Vasarely and Bridget Riley, who

were investigating processes of perception and visual

phenomena, were his role models. Early on Peter

Weber developed, parallel to his studies and Mahlmann’s

introductory courses, his initial artistic

works, which were well received by his teacher.

They were made with ribbed glass, which generated

movement whenever the viewer changed his perspective

or position. These early kinetic pieces,

which anticipated similar works by Ludwig Wilding,

were executed between 1969 and 1974. Goethe’s

“single-mindedness” is a characteristic that Peter

Weber has always exhibited, and concentrating on

one artistic approach has been important to him

since the very beginning of his career. He has never

been distracted by trying out different techniques

and styles; rather he has always attended to his

projects with dedication and precision. Thus, in 1974

the ribbed glass era was completely replaced by

illusionary painting. With a complicated and time-consuming

technique, Peter Weber was now

focused on creating visual phenomena and optical

effects in painting. Using a ruling pen and acrylic

paint, the artist created images of linear structures,

all of which were executed on a ground with a covering

grid in a wet-in-wet technique. While the ruling

pen technique ensured a uniform application of the

paint, the use of a series of chromatic colours on two

parallel grids made it possible to depict imaginary

convex forms, spheres, ellipses and crosses. In this

work Peter Weber’s artistic interest was focused on

space, which was created as an illusion on a two-dimensional

surface using painterly means. Looking

back at his artistic development, it is clear that Peter

Weber’s lifelong theme is space, his depiction of

which has progressed from an imaginary three-dimensionality

in painting to real space in his folding

technique.

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