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Peter Weber - Struktur und Faltung

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Über das Untrügliche in der Faltung

Peter Weber im Gespräch mit Gerda Ridler

On the Infallibility of Folding

Peter Weber in an interview with Gerda Ridler

Es ist nicht genug, Strukturen nach ihren Größenordnungen zu

untersuchen. Viel wichtiger ist es zu erkennen, wie sie ineinander

greifen, sich gegenseitig beeinflussen. Hierfür ist die Faltung für

mich ein untrügliches Medium.

Peter Weber

Gerda Ridler: Seit meiner Zeit als Gründungsdirektorin

des Museum Ritter in Waldenbuch bei Stuttgart

(2004–2010) schätze und verfolge ich Dein künstlerisches

Schaffen mit großer Bewunderung und

Wertschätzung. Mit unterschiedlichen Materialien

hast Du die Technik der Faltung zu einer Meisterschaft

entwickelt und nimmst damit im Bereich der

Konkreten Kunst eine singuläre Position ein. In

diesem Interview möchte ich gerne mit Dir über

Deinen künstlerischen Werdegang im Allgemeinen

und Deine Faltungen im Speziellen sprechen. Starten

wir in den frühen 1970er-Jahren: Deine künstlerischen

Anfänge liegen im Bereich der konkreten und

illusionistischen Malerei und lassen sich durch ihre

visuellen Effekte der Op-Art zuordnen.

Peter Weber: Das Interesse für die Op-Art ist durch

zwei Dinge ausgelöst worden. Zum einen war es Zufall,

als ich beim Legen eines geriffelten Glases über

eine Linienstruktur Bewegungen festgestellt habe,

die sofort mein Interesse weckten. Zum anderen

waren es die damals aktuellen Kunstströmungen, die

schwerpunktmäßig durch eine Auseinander setzung

mit dem Raum gekennzeichnet waren. Die optischen

Phänomene in den Werken von Künstlern wie Victor

Vasarely, Bridget Riley oder Almir Mavignier fielen

mir zuerst ins Auge. Die Riffelglasobjekte verfolgte

ich nur in der Zeit meines Studiums. Die wesentlich

aufwendigeren Arbeiten mit Linienstrukturen begann

ich 1973 zuerst auf Holz, später auf Leinwand.

It is not enough to investigate structures in terms of their

dimensions. It is more important to recognize how they interconnect

and influence each other. To this end, folding is for me an

infallible medium.

Peter Weber

Gerda Ridler: Since my days as founding director of

the Museum Ritter in Waldenbuch near Stuttgart

(2004–10), I have been aware of and followed your

artistic oeuvre with great admiration and appreciation.

Using different materials, you have developed

and perfected the technique of folding and have

achieved a unique position in the field of Concrete

Art. In this interview I would like to explore your

artistic career in general and your folded work in

particular. Let’s begin with the early 1970s when

you started working with concrete and illusionary

painting, which, on the basis of their visual effects,

can be labelled Op Art.

Peter Weber: My interest in Op Art was triggered

by two things. The first happened by coincidence: I

noticed that when I put a ribbed glass over a lined

structure, there was movement, a phenomenon which

immediately aroused my interest. The second grew out

of the art movements that were current at the time and

focused primarily on experimentation with space. I was

particularly drawn to the optical phenomena in the

work of artists such as Victor Vasarely, Bridget Riley

and Almir Mavignier. It was only as a student that I

worked on ribbed glass objects. In 1973 I began focusing

on considerably more complex works with lined

structures, first on wood and later on canvas.

GR: What special technique did you use in your early

paintings?

GR: Welche spezielle Technik hast Du bei Deinen

frühen Malereien benutzt?

PW: Im Unterschied zu anderen Malern habe ich mit

Feder und Acrylfarbe gearbeitet. Ich habe Ziehfedern

und die Nass-in-Nass-Technik genutzt, um meine

Bildideen umzusetzen. Diese Art der Malerei erfordert

handwerkliches Können und ist Präzisionsarbeit.

Von Beginn an war mein künstlerisches Schaffen

dem Interesse am Raum gewidmet. So wollte ich mit

zwei Parallelrastern durch eine serielle Farb-Chromatik

gewölbte Flächen darstellen.

GR: Würdest Du im Rückblick diese frühe Werkphase

als eine Art Suche beschreiben, die Dich zu den

Faltungen geführt hat?

PW: Nein, in meiner Kinetik-Phase war ich auf der

Suche nach der Darstellung des imaginären Raumes,

fasziniert durch die optische Täuschung, die sich durch

Linienstrukturen erzielen ließ. Von Faltungen hatte

ich zu dieser Zeit noch keine Ahnung.

GR: In Deinen frühen Arbeiten hast Du versucht, die

Zweidimensionalität mit Mitteln der Malerei zu überwinden.

Kann man nicht auch die Faltungen als eine

Entwicklung von der Zwei- in die Dreidimensionalität

beschreiben? Also ein Weiterführen Deines ursprünglichen

künstlerischen Interesses?

PW: Genau das ist mir durch die Entdeckung der

Faltung klar geworden. In meinem Skizzenbuch steht

unter anderem: »… vom imaginären Raum zum

realen Raum«. Damit meine ich, dass sich meine

Intention, eine Räumlichkeit zweidimensional darzustellen,

so wie in den frühen malerischen Arbeiten,

in eine Auseinandersetzung mit dem realen Raum

wandelte. Dieser reale Raum breitet sich übrigens

immer aus, wenn ich eine geschlossene Faltung

wieder öffne und ihre Struktur und Architektur

überprüfe.

GR: Du bist gelernter Schriftsetzer und hast danach

an der Fachhochschule Hamburg, im Fachbereich

Gestaltung bei Max H. Mahlmann studiert. In welcher

Weise hat Dich Dein Lehrer beeinflusst?

PW: Max war ein sehr charismatischer, humorvoller

und in seiner künstlerischen Wirkung sehr antreibender

Lehrer, mit dem ich bis zu seinem Tod freund­

PW: In contrast to other painters, I worked with pen

and acrylic paint. I used ruling pens and the wet-inwet

technique to execute my pictorial ideas. This kind

of painting requires precision and craftsmanship.

From the very beginning my artistic endeavours were

focused on space. For example, I wanted to depict

curved surfaces by using two parallel grids and a

series of chromatic colours.

GR: Looking back on this early phase, would you

describe it as a quest that ultimately led you to the

folding technique?

PW: No, in my kinetic phase, I was searching for a

way to depict imaginary space, fascinated as I was by

optical illusions that can be achieved with lineal

structures. At that time I had no inkling of folding.

GR: In your early work you tried to overcome twodimensionality

by means of painting. Wouldn’t it be

possible to describe folding as a development from

two-dimensionality to three-dimensionality, in other

words as a continuation of your original artistic

interest?

PW: That is exactly what became clear to me when I

discovered folding. In my sketch book I wrote, among

other things: “… from imaginary space to real space”.

What I meant is that the intention of my early paintings

– to depict space two-dimensionally – changed

to an engagement with real space. By the way, this

real space continually expands whenever I open a

closed folding and examine its structure and architecture.

GR: You were trained as a typesetter and then began

studying art and design at the Fachhochschule

Hamburg with Max H. Mahlmann. How did your

teacher influence you?

PW: Max was a very charismatic, humorous and, with

respect to his artistic impact, stimulating teacher,

whose friendship I enjoyed until his death. I followed

his lessons diligently and took all his basic courses

but, in parallel, also completed my first kinetic

experiments. At the end of the semester I explained

all my works to him, most of which were objects. We

also shared a common love for Concrete Art and the

stringency of its execution. I would like to add a little

anecdote illustrating his humour. One day before he

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