die kunstaktion umbruch_aufbruch die geschichte des augustinus-gemeindehauses und seine sanierungsplanung Das Augustinus-Gemeindehaus – ein Rückblick Wie eine Trutzburg, schwer, wehrhaft und verschlossen präsentiert sich der stattliche Bau des Augustinus-Gemeindehauses auf der nebenstehenden historischen Fotografie aus dem Jahr 1917 – ein Jahr nach seiner Fertigstellung. Die Wenigsten wissen heute noch, dass an der Stelle des weithin sichtbaren Gebäudes des Augustinus-Gemeindehauses zunächst eine zweite Kirche für die Evangelische Gemeinde in Gmünd erbaut werden sollte. Denn der Andrang der Gläubigen war Anfang des 20. Jahrhunderts so groß, dass in der im Tal liegenden Augustinuskirche – der evangelischen Stadtkirche – sonntags zwei Gottesdienste hintereinander abgehalten werden mussten. Am 25. März 1913 fiel dann im Kirchengemeinderat aber doch die Entscheidung für ein großes Gemeindehaus, in dem es genug Raum für die Gemeindearbeit und soziale Tätigkeiten und Begegnungsmöglichkeiten für alle Generationen geben würde. Schon damals übrigens waren mildtätig spendende, nicht genannt werden wollende Gemeindemitglieder engagiert: Ein Flügel, weitere Instrumente, Spenden für die Beleuchtung, Geldspenden und ein großes zinsgünstiges Darlehen mit großzügigen Rückzahlungskonditionen halfen, das Gebäude zu errichten und auszustatten. Im Zweiten Weltkrieg dienten die Räume als Lazarett und zur Aufnahme von Stuttgarter Evakuierten. Nach dem Zweiten Weltkrieg belebten die Diakonie und die jugendlichen Besucher_innen des Evangelischen Jugendwerks das Haus. Das Augustinus-Gemeindehaus – ein Werk des Architekten Martin Elsässer Das Augustinus-Gemeindehaus ist, wie die Hochschule für Gestaltung in Schwäbisch Gmünd, ein Werk des Stuttgarter Architekten und Hochschullehrers Martin Elsässer (1884 - 1957). Dieser hat wie kaum ein anderer Architekt im 20. Jahrhundert den protestantischen Kirchenbau in Deutschland geprägt. Erbaut wurde das Gemeindehaus mitten im Ersten Weltkrieg – 1915 bis 1917. Das Bauprogramm des Augustinus-Gemeindehauses umfasste damals einen Saal mit 500 Plätzen für Gottesdienste und andere Versammlungen, Räume unter anderem für Kindergarten, Vereinsaktivitäten, Wohnungen für Kranken- und Kinderschwestern, Hausmeisterwohnung und Wohnungen für drei Pfarrer. Stuckarbeiten wurden nach dem Entwurf von Jakob Wilhelm Fehrle ausgeführt. Mehrfach wurde das Haus saniert, zuletzt in den 1970er Jahren. Der Stuttgarter Architekt Heinz Rall, auch Erbauer des evangelischen Gemeindezentrums Brücke in der Weststadt, hatte damals z.B. den großen Saal durch eine Art Wintergarten erweitert und dem Haus die Modefarben der 1970er Jahre aufgesetzt. Das Augustinus-Gemeindehaus – Der Wendepunkt im Jahr 2019 In der Mitte des Jahres 2019 stand die Zukunft des historischen Augustinus-Gemeindehauses zur Diskussion. Vorausgegangen waren jahrelange Überlegungen zur Zukunft der kirchlichen Gebäude der Evangelischen Kirchengemeinde in Schwäbisch Gmünd überhaupt. Im Zuge dessen wurde darüber nachgedacht, das Augustinus- Gemeindehaus zu verkaufen und ein neues Gemeindehaus auf dem angrenzenden Gelände zu bauen. Doch die Mitglieder der ortskirchlichen Verwaltung stimmten mit Dreiviertel-Mehrheit für den Umbau und die Sanierung des Gebäudes. „Froh und erleichtert“, äußerte sich damals Dekanin Ursula Richter über diesen Beschluss. „Das Augustinus-Gemeindehaus bedeutet Identität für die Evangelische Kirche in der Stadt“, – so fuhr sie fort. Die beschlossene Kernsanierung des Gemeindehauses ist im Oktober 2021 begonnen worden – unter der Planung und Leitung des Büros Sonnentag Architektur. Das Augustinus-Gemeindehaus – die Planungen, die Zukunftsvision Das Büro Sonnentag Architektur hatte sich im Dezember 2019 gegenüber mehreren Architekturbüros mit selbstbewussten Ideen zur Sanierung des Stammhauses der evangelischen Christen in Schwäbisch Gmünd durchgesetzt, im Dezember 2020 informierten das Büro Sonnentag Architektur und die Verantwortlichen der Evangelischen Kirchengemeinde Schwäbisch Gmünd über den Stand der Planungen zum Augustinus-Gemeindehaus. Dekanin Ursula Richter sprach damals folgende einleitende Worte: „Wir werden in dieser belastenden Zeit der Pandemie mit diesem Jahrhundertprojekt der Sanierung des Augustinus-Gemeindehauses hinausgeführt über unsere jetzige Zeit. Es ist ein Hoffnungsprojekt. Die Planungen stärken die Zuversicht, dass die Zeit kommen wird, in der wir in diesem Haus der evangelischen Kirche in Schwäbisch Gmünd uns wieder treffen können in einem weit geöffneten Haus für die Menschen, die Gemeinde und die Öffentlichkeit. Durch die große Fusion zur Evangelischen Kirchengemeinde Schwäbisch Gmünd brauchen wir unser Gemeindehaus noch viel dringender mit einer zukunftsfähigen Gestaltung und Funktion.“ Die Dekanin hob die zentrale und zentralisierende Funktion des Gemeindehauses hervor und wies auf die vielen Einrichtungen hin, die im Augustinus-Gemeindehaus untergebracht sind: Die Kirchenpflege, die Diakonische Bezirksstelle, das Büro des Schuldekans, das Evangelische Jugendwerk, die Mitarbeitervertretung, das Gemeindebüro, der Festsaal und vier Gruppenräume. Marco Iannelli vom Büro Sonnentag Architektur zeigte in seiner Präsentation die vom Architekturbüro entwickelte und mit Kirchengemeinderat und Oberkirchenrat besprochene Zukunftsvision anhand der wesentlichen Veränderungen auf. Erneuern und erhalten seien dabei der richtunggebende Maßstab. Die Schwierigkeiten beim jetzigen Bau seien Orientierung, Fluchtwege, Dunkelheit und die Umbaunarben, die Sonnentag Architektur verheilen möchte. Demzufolge verfolge man eine klare Adressbildung beim Haupteingang mit klarer Wegeführung, mehr Belichtung in den dunklen Gängen und eine Priorisierung bei der Barrierefreiheit. Das Augustinus-Gemeindehaus – Drei Schwerpunkte in der Sanierung 01_Der Haupteingang Der Haupteingang mit dem markanten Tor wird weiter und freier durch einen Luftraum nach oben, einen transparenten Lift und freien Blick ins Treppenhaus. Dadurch wird der Eingangsbereich zu einem hellen freundlichen Entrée, das gleich bei Betreten Offenheit und Willkommenskultur signalisiert. 02_Das Foyer Willkommensein wird im Foyer noch einmal stark mit theologischer Aussage akzentuiert durch ein seit der Umgestaltung durch Rall „verschollenes“, aber erhaltenes Kunstwerk von Jakob Wilhelm Fehrle. Es stellt das Gleichnis vom „Verlorenen Sohn“ dar, auf dem der lange abwesende Sohn heimkehrt in die geöffneten Arme des Vaters. Das Kunstwerk war seit 1975 hinter der Zwischendecke beim Saal verschwunden und ist eine Umbaunarbe. Es ist 4 m lang und 2 m hoch und gut erhalten. Diesen Schatz zu heben, werde nicht einfach, aber dennoch zu schaffen sein, so Iannelli. 03_Der große Saal Das Herzstück des großen Gebäudes wird der große Saal bleiben. Er war ursprünglich für gottesdienstliche Zwecke von Elsässer gestaltet worden. Rall schuf eine sinnvolle Fortentwicklung für die Nutzung als Gemeindehaus für unterschiedliche Veranstaltungen. Er ließ die Galerie zubauen, hinter der das Fehrle- Kunstwerk verschwand, dafür erweiterte er den Saal durch einen Vorbau. Iannelli: „Durch den Zubau der Galerie ist der dunkle Gang im 1. Stock entstanden und der Vorbau verhindert den ungehinderten Lichteinfall und macht den Saal dunkler. Wir planen statt des Vorbaus eine gerade Fensterfront von oben bis unten und möchten Fassade und Tragwerk ertüchtigen. Wir möchten als Reminiszenz an Rall dabei die Teilung der Fassade erhalten.“ Der Saal bekomme so Symmetrie und mehr Harmonie, da auch die „Blickfänge“ im Saal samt der damals modernen grünen Farbe reduziert und an die Farbe des im ganzen Saal dominierenden Holzes angeglichen werden sollen. Das Holz solle, sofern keine Schadstoffe auftauchen, erhalten und aufgehellt werden. Draußen vor dem Saal entstünde durch den Rückbau des Vorbaus eine größere Terrasse mit Innenhofatmosphäre, die bei schönem Wetter zum Aufenthalt draußen einlädt. 08
Das Augustinus-Gemeindehaus nach seiner Fertigstellung im Jahre 1917 Das Foyer mit Glasaufzug und Galerie (Visualisierung: Sonnentag Architektur) Das Foyer mit Glasaufzug und Fehrle-Relief (Visualisierung: Sonnentag Architektur) Der große Saal (Visualisierung: Sonnentag Architektur) 09