Die Ulnaverkürzungsosteotomie mit der neuen 7-Loch ... - kma Online
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08<br />
kongress<br />
magazin<br />
<strong>kma</strong> – Das Gesundheitswirtschaftsmagazin | Oktober 2008<br />
Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie 2008<br />
www.<strong>kma</strong>-online.de | ISSN: 1615-8695<br />
OP DER ZUKUNFT<br />
Perfekt für Patient und Operateur: schnellere Abläufe,<br />
angenehmeres Arbeiten und mehr Patientensicherheit.
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Arthroskopie und Sportmedizin<br />
HPS – Hip Portal System<br />
Arthroskopschäfte <strong>mit</strong> Optik-Schnellverschluß<br />
HPS – Hip Portal System<br />
In Zusammenarbeit <strong>mit</strong> Priv.-Doz. Dr. med. Michael <strong>Die</strong>nst (Homburg/Saar) und <strong>der</strong><br />
Unterstützung von Priv.-Doz. Dr. med. Andreas Weiler (Berlin) gelang es KARL STORZ ein<br />
komplettes System für die Hüftarthroskopie zu entwickeln.<br />
<strong>Die</strong>s ist vor allem <strong>der</strong> Entwicklung des<br />
speziellen Zielgerätes zu verdanken, welches<br />
die Triangulation im Gelenk erleichtert,<br />
sowie die korrekte Position eines Zweit- und<br />
Drittportals verkürzt.<br />
Des Weiteren zeichnet sich das System<br />
durch seine vollständige Kanülierung aus,<br />
welches auch die geraden und gebogenen<br />
Shaver Blades umfasst.<br />
Das Hüftarthroskopie-Instrumentarium <strong>der</strong><br />
Firma KARL STORZ stellt die ideale<br />
Synthese aus einem kanüliertem Zugangsund<br />
Arthroskopie-System und verschiedenen Hüftinstrumenten dar, um dem Operateur ein<br />
komplettes Instrumentenset zur sicheren Portalanlage, diagnostischen und therapeutischen<br />
Hüftarthroskopie anzubieten.<br />
Arthroskopschäfte <strong>mit</strong> Optik-Schnellverschluß<br />
<strong>Die</strong> <strong>neuen</strong> Arthroskopieschäfte <strong>mit</strong> einem<br />
Optik-Schnellver schluß zeichnen sich durch<br />
Ihre einfache und schnelle Hand habung aus.<br />
Durch ein einfaches vorschieben <strong>der</strong> Optik in<br />
den Schaft, rastet diese automatisch ein.<br />
Das modifizierte Design des distalen Endes<br />
ermöglicht eine optimale Arthroskopführung<br />
sowie einen optimalen Schutz <strong>der</strong> Optik<br />
gegen Beschädigungen durch<br />
Shavereinwirkung.<br />
KARL STORZ GmbH & Co. KG, Mittelstraße 8, D-78532 Tuttlingen/Deutschland, Telefon: +49 (0)7461 708-0, Fax: + 49 (0)7461 708-105, E-Mail: info@karlstorz.de<br />
KARL STORZ Endoskop Austria GmbH, Landstraßer-Hauptstraße 146/11/18, A-1030 Wien/Österreich, Tel.: +43/1/715 60470, Fax: +43/1/715 60479, E-Mail: storz-austria@karlstorz.at<br />
www.karlstorz.com
EDITORIAL<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
<strong>kma</strong> – Das Gesundheitswirtschaftsmagazin legt Ihnen heute<br />
erstmalig die Son<strong>der</strong>ausgabe zum Deutschen Kongress für Orthopädie<br />
und Unfallchirurgie vor.<br />
Gesundheitswirtschaft ist schon heute das Thema Nummer<br />
eins; von rund 40 Millionen in Deutschland Beschäftigten arbeiten<br />
ungefähr 4,3 Millionen <strong>mit</strong>telbar o<strong>der</strong> un<strong>mit</strong>telbar im Gesundheitswesen,<br />
Tendenz steigend.<br />
Gerade Politik, Medien und Wirtschaft haben Gesundheitswirtschaft<br />
als Zukunftsthema angenommen, immer mehr rücken<br />
dabei Fertigung, Vertrieb, Beratung, Hotellerie in den Mittelpunkt<br />
des Interesses. <strong>Die</strong> gut 400.000 Ärztinnen und Ärzte und mehr als<br />
1,2 Millionen Krankenpfl egekräfte werden als selbstverständliche<br />
Player angesehen.<br />
Mir ist es ein beson<strong>der</strong>es Anliegen, dass Ärztinnen und Ärzte<br />
in eigener Praxis nicht länger systemimmanent kurz gehalten und<br />
Krankenhausärztinnen und -ärzte in die dritte o<strong>der</strong> vierte Linie <strong>der</strong><br />
Entscheidungen rutschen. Insoweit muss die Gesundheitswirtschaft<br />
die Ärzteschaft besser kennenlernen und einbeziehen, die<br />
Ärzteschaft hat in diesem Feld Nachholbedarf.<br />
Der diesjährige Kongress bietet sich zum gegenseitigen Kennenlernen<br />
ausgezeichnet an. Es ist das Jahr <strong>der</strong> Gründung <strong>der</strong> Deutschen<br />
Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie. Das Motto<br />
„Gemeinsam die Zukunft gestalten“ gilt nicht nur für Orthopäden<br />
und Unfallchirurgen, son<strong>der</strong>n auch für an<strong>der</strong>e Berufsgruppen im<br />
Gesundheitswesen, nicht zuletzt für die Partner in <strong>der</strong> pharmazeutischen<br />
und medizintechnischen Industrie.<br />
Joachim Grifka und Uwe Preusker hatten die Idee, die Herausgeber<br />
von <strong>kma</strong> – Das Gesundheitswirtschaftsmagazin haben diese<br />
aufgegriffen, <strong>der</strong> Chefredakteur Ulrich Glatzer hat die zusätzliche<br />
Arbeit auf sich genommen.<br />
Jetzt kommen Orthopäden und Unfallchirurgen in den Genuss, <strong>der</strong><br />
bisher den Teilnehmern am Hauptstadtkongress und an <strong>der</strong> Medica<br />
(exklusiv) vorbehalten gewesen ist.<br />
Ihnen viel Freude bei <strong>der</strong> Lektüre und ereignisreiche, interessante<br />
und fröhliche Tage in Berlin. | ><br />
Axel Ekkernkamp<br />
<strong>kma</strong> orthopädie- und unfallchirurgie-kongressmagazin 3
INHALT<br />
Erst einmal wird alles komplizierter. So denken<br />
viele Ärzte bei <strong>der</strong> Kunde technischer Neuerungen.<br />
Doch innovative Technologie lässt sich<br />
zum Wohle von Mitarbeitern und Patienten gut<br />
in den Klinikalltag integrieren, wie das Beispiel<br />
des Unfallkrankenhauses Berlin zeigt.<br />
NAMEN & NACHRICHTEN<br />
6 Degum:<br />
Bei Knochenbruch nicht immer röntgen<br />
7 Narkose:<br />
Schutz vor bösem Erwachen<br />
TECHNIK<br />
8 OP <strong>der</strong> Zukunft:<br />
Perfekt für Patient und Operateur<br />
12 Navigations-OP<br />
Knieprothesen optimaler implantieren<br />
14 Experimental-OP:<br />
Tübinger Science-Fiction<br />
16 MR-Forschung:<br />
Der Wow-Effekt<br />
UNTERNEHMENSNACHRICHTEN<br />
19 Ulnaplusvarianz:<br />
<strong>Die</strong> <strong>Ulnaverkürzungsosteotomie</strong> <strong>mit</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>neuen</strong> 7-<strong>Loch</strong>-Gleitplatte<br />
8<br />
KONGRESS<br />
20 Konrad-Biesalski-Preis:<br />
Gelähmte sollen greifen können<br />
21 DGOU-Preis<br />
Handreha-Management prämiert<br />
FORSCHUNG<br />
22 Arthrose:<br />
Biotechnologie ermöglicht Reparatur<br />
GESUNDHEITSPOLITIK<br />
24 Interview <strong>mit</strong> Theodor Windhorst:<br />
Arztzentrierung ist ein Qualitätsmer<strong>kma</strong>l<br />
27 Knochen- und Gelenkerkrankungen:<br />
10-Punkte-Programm sichert Behandlung<br />
28 Universitätsklinika<br />
Der Staat muss bleiben<br />
SERVICE<br />
30 Veranstaltungen<br />
30 Anzeigenindex<br />
30 Impressum<br />
ANZEIGENINDEX: 2 STORZ<br />
13 MEDIAN Kliniken<br />
32 DePuy<br />
4 orthopädie- und unfallchirurgie-kongressmagazin <strong>kma</strong>
GRUSSWORT<br />
Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie –<br />
eine gelungene Synthese<br />
<strong>Die</strong> Gründung <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und<br />
Unfallchirurgie (DGOU) am 8. Juli 2008 haben <strong>der</strong> fachliche<br />
Bereich, aber auch berufs- und allgemeinpolitische Gremien, Verbände,<br />
Krankenhausträger und Unternehmen <strong>der</strong> Medizinbranche<br />
<strong>mit</strong> großem Echo begrüßt. Angesichts <strong>der</strong> 107-jährigen Tradition<br />
<strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische<br />
Chirurgie (DGOOC) und <strong>der</strong> 86-jährigen Tradition <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft<br />
für Unfallchirurgie (DGU) ist dieser neue Vereinsverband<br />
ein historischer Schritt. Wir erleben in <strong>der</strong> Medizin, dass Einheiten<br />
zersplittert und immer vehementer Partikularinteressen vertreten<br />
werden. <strong>Die</strong> DGU und DGOOC sind den entgegengesetzten Weg<br />
gegangen. Der Dank gilt all denjenigen, die sich <strong>mit</strong> integrativer<br />
Kraft für das gemeinsame Ziel eingesetzt haben. Nach mehr als<br />
zehn Jahren – von ersten Sondierungsgesprächen bis zur Bildung<br />
gemeinsamer Gremien – ist es zu diesem Zusammenschluss<br />
gekommen. Als Katalysator hat die freundschaftliche Verbundenheit<br />
zum Präsidenten <strong>der</strong> DGU, Axel Ekkernkamp, gewirkt und die<br />
stringente, zielgerichtete Zusammenarbeit <strong>der</strong> beiden Generalsekretäre,<br />
Fritz Niethard und Hartmut Siebert.<br />
<strong>Die</strong> DGOU schafft für Deutschland außerdem den Anschluss an<br />
den internationalen Standard für unser gemeinsames Fachgebiet.<br />
Nun wird ein Organsystem von einem Facharzt behandelt und von<br />
einer Fachgesellschaft vertreten. Das Fachgebiet umfasst zum einen<br />
die Behandlung leichter Verletzungen bis zu Schwer- und Schwerstverletzungen.<br />
Zum an<strong>der</strong>en sind in Deutschland über 30 Millionen<br />
Menschen von Arthrose, Osteoporose und Rückenbeschwerden<br />
betroffen; da<strong>mit</strong> fällt auch die Behandlung von drei großen Volkserkrankungen<br />
in den orthopädisch-unfallchirurgischen Fachbereich.<br />
<strong>Die</strong> Einrichtung des <strong>neuen</strong> Fachgebietes Orthopädie und Unfallchirurgie<br />
wird <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Zusammenführung von Abteilungen zu<br />
Synergien führen: <strong>Die</strong> Vorhaltekosten werden sinken und die<br />
Auslastungen sich verbessern bei einer gemeinsamen Versorgung<br />
in <strong>der</strong> Breite des Fachgebietes. Dazu bedarf es <strong>der</strong> Qualifi kation<br />
in den beiden bisherigen Fachbereichen. <strong>Die</strong>s bedeutet zugleich:<br />
<strong>Die</strong> Unfallchirurgie wird nicht mehr als „Anhängsel“ <strong>der</strong> Allgemeinchirurgie<br />
geführt, son<strong>der</strong>n als eigenständige orthopädischunfallchirurgische<br />
Klinik <strong>mit</strong> Know-how in beiden Bereichen.<br />
Eine <strong>der</strong>artige Abteilung wird an jedem Krankenhaus vertreten sein<br />
müssen. Denn es ist wichtig, dass orthopädisch-unfallchirurgische<br />
<strong>Die</strong>nstleistungen verfügbar sind und eine kurzfristige Behandlung<br />
je<strong>der</strong>zeit möglich ist. | ><br />
Joachim Grifka<br />
Präsident <strong>der</strong> DGOOC und DGOU<br />
INHALT<br />
<strong>kma</strong> orthopädie- und unfallchirurgie-kongressmagazin 5
NAMEN & NACHRICHTEN<br />
Degum<br />
Bei Knochenbrüchen von Kin<strong>der</strong>n ersetzt <strong>der</strong> Ultraschall in vielen Fällen die Röntgenuntersuchung, erklärt die Deutsche<br />
Gesellschaft für Ultraschall in <strong>der</strong> Medizin (Degum). <strong>Die</strong> Degum stützt diese Aussage auf eine Untersuchung<br />
<strong>der</strong> Universität Schleswig-Holstein.<br />
Zu jedem Knochenbruch – auch bei Kin<strong>der</strong>n<br />
– gehörte früher ein Röntgenbild. „Bei<br />
Säuglingen und Kleinkin<strong>der</strong>n sind die Beschwerden<br />
oft unklar, und <strong>der</strong> Ort des<br />
Knochenbruchs ist nicht immer gleich<br />
auszumachen“, sagt Chris tian Arning,<br />
Vizepräsident <strong>der</strong> Degum und Chefarzt<br />
<strong>der</strong> Asklepios-Klinik Hamburg-Wandsbek.<br />
„Statt große Bereiche des Skeletts zu<br />
röntgen, hat es sich deshalb bewährt,<br />
zunächst sonographisch die häufi gsten<br />
Knochenbruchstellen abzusuchen.“ Wenn<br />
<strong>der</strong> Bruch entdeckt ist, könne <strong>der</strong> Arzt<br />
dann – falls nötig – gezielt ein kleineres<br />
Röntgenbild aufnehmen. Bei unkomplizierten<br />
Brüchen, bei denen keine<br />
Operation notwendig ist, ist dies nach<br />
Ansicht von Arning häufi g verzichtbar.<br />
„Bei einigen häufi gen Brüchen, etwa im<br />
Schonen<strong>der</strong> Einblick: Ultraschall reicht bei vielen Knochenbrüchen von Kin<strong>der</strong>n<br />
für eine Diagnose aus, eine Röntgenaufnahme ist nicht nötig. Das ergab<br />
eine Studie, bei <strong>der</strong> 653 Kin<strong>der</strong> sowohl geröntgt als auch beschallt wurden.<br />
BEI KNOCHENBRUCH<br />
NICHT IMMER RÖNTGEN<br />
Bereich <strong>der</strong> Rippen, wo es beim Röntgen<br />
zu Überlagerungen von Knochen kommt,<br />
ist die Sonographie sogar überlegen“,<br />
sagt sein Kollege, Gebhard Mathis. Er<br />
ist Ultraschallexperte und Präsident <strong>der</strong><br />
Österreichischen Gesellschaft für Ultraschall<br />
in <strong>der</strong> Medizin (Ögum). Beim Ultraschall<br />
entfällt die Belastung des Kindes<br />
durch Strahlen.<br />
<strong>Die</strong> Degum bezieht sich auf eine Studie<br />
am Campus Kiel <strong>der</strong> Universität Schleswig-Holstein.<br />
Dort untersuchten Ärzte<br />
653 verletzte Kin<strong>der</strong> sowohl durch Röntgen<br />
als auch <strong>mit</strong>tels Ultraschall. Von 308<br />
entdeckten Knochenbrüchen wurden 266<br />
bei den Untersuchungen nachgewiesen,<br />
20 wurden ausschließlich im Ultraschall,<br />
21 nur auf dem Röntgenbild entdeckt.<br />
In einem Fall, einem Bruch im Gesicht,<br />
musste eine Computertomographie angefertigt<br />
werden.<br />
Vorteil des Röntgens bleibt, dass <strong>der</strong> Arzt<br />
den Bruch auf den ersten Blick sieht.<br />
Bei <strong>der</strong> Ultraschalluntersuchung muss<br />
er langsam den Knochen abfahren. Das<br />
dauert etwas länger. „Unruhige Kin<strong>der</strong><br />
müssen dann ein wenig Geduld haben,<br />
was für sie nicht immer leicht ist“, so Arning.<br />
Doch die Sonographie entwickelt<br />
sich stetig voran. Der nächste Schritt besteht<br />
in <strong>der</strong> Untersuchung von Knochenbrüchen<br />
<strong>mit</strong>tels 3-D-Ultraschall. In dieser<br />
hochaufl ösenden räumlichen Darstellung<br />
sind auch komplizierte Knochenbrüche<br />
übersichtlich erkennbar. | ><br />
Siemens/AOK<br />
Jens Mau Foto:<br />
6 orthopädie- und unfallchirurgie-kongressmagazin <strong>kma</strong>
Narkose<br />
SCHUTZ VOR<br />
BÖSEM ERWACHEN<br />
Zwei Sorten von Ängsten sind bei Patienten vor einer OP weitverbreitet: Nicht wie<strong>der</strong> aufzuwachen<br />
o<strong>der</strong> zu früh, sprich während des Eingriffs, aufzuwachen. <strong>Die</strong> unerwünschte<br />
Wachheit während <strong>der</strong> Operation, auch Awareness genannt, ist für den Patienten beson<strong>der</strong>s<br />
dramatisch, wenn er sich nicht bewegen kann, aber Schmerzen empfi ndet und bei vollem<br />
Bewusstsein ist. Über dieses Phänomen gibt es sogar Filme wie den Thriller „Awake“ von<br />
Joby Harold. <strong>Die</strong> Uniklinik Würzburg kann ihre Patienten jetzt beruhigen.<br />
Alle 60 Arbeitsplätze in den verschiedenen<br />
OP-Trakten sind <strong>mit</strong> einem Gerät<br />
zur Ableitung <strong>der</strong> Hirnströme (EEG)<br />
ausgestattet, das die Hirnströme und<br />
Muskelaktivität misst und daraus einen<br />
Index zwischen 0 und 100 berechnet.<br />
Der Monitor heißt Cerebral State Monitor<br />
(CSM) und kommt bei allen Patienten<br />
zum Einsatz. „<strong>Die</strong> Uniklinik in Würzburg<br />
ist die größte Klinik in Europa, die fl ächendeckend<br />
eine Überwachung <strong>der</strong><br />
Hirnströme eingeführt hat“, sagt Peter<br />
Kranke, Oberarzt in <strong>der</strong> Klinik für Anästhesiologie.<br />
Für die Uniklinik Würzburg gehört <strong>der</strong><br />
routinemäßige Einsatz <strong>der</strong> CSM-Geräte<br />
zum Risikomanagement. „Uns geht es<br />
darum, das Wachheitsrisiko zu minimieren<br />
und dafür zu sorgen, dass <strong>der</strong> Patient<br />
ausreichend tief, aber auch nicht zu<br />
tief narkotisiert ist“, sagt Kranke. Mit den<br />
üblichen Herz-Kreislauf-Parametern sei<br />
ein Monitoring des Wachheitszustandes<br />
DGOU-Kongress<br />
ABENDESSEN<br />
IN MITTE<br />
nicht wirklich möglich. „Es handelt sich<br />
um Surrogatparameter, die nicht wirklich<br />
zuverlässig sind und zum Beispiel<br />
durch Betablocker und Antihypertensiva<br />
verfälscht werden können“, sagt <strong>der</strong><br />
Würzburger Anästhesist.<br />
In den meisten Krankenhäusern gebe es<br />
in den OPs ein bis zwei EEG-Monitore,<br />
doch sie würden nur in speziellen Fällen,<br />
nicht aber routinemäßig eingesetzt. „Obgleich<br />
in vielen wissenschaftlichen Untersuchungen<br />
zur Narkosetiefe ein EEGbasierter<br />
Monitor o<strong>der</strong> die Überwachung<br />
sogenannter evozierter Potenziale zum<br />
Einsatz kommen, ist man vom fl ächendeckenden<br />
Einsatz einer spezifi scheren<br />
Narkosetiefeüberwachung vielerorts<br />
noch weit entfernt“, meint Kranke.<br />
Der Nettopreis für ein CSM-Gerät beträgt<br />
3.500 Euro. Inklusive Verbindungen<br />
zum Monitoring sind in Würzburg Gesamtkosten<br />
in Höhe von 360.000 Euro<br />
NAMEN & NACHRICHTEN<br />
Peter Kranke: <strong>Die</strong> Uniklinik<br />
in Würzburg ist das größte<br />
Kranken haus in Europa, das ächendeckend<br />
eine Überwachung<br />
<strong>der</strong> Hirnströme eingeführt hat.<br />
entstanden. Für die Neuroelektroden<br />
kommen pro Patient noch einmal 1,60<br />
Euro hinzu.<br />
Der Fall, dass ein Patient während <strong>der</strong><br />
OP aufwacht, Schmerzen empfi ndet und<br />
sich nicht äußern kann, weil er gelähmt<br />
ist, kommt zwar äußerst selten vor. Doch<br />
dass ein Patient aufwacht, sich später<br />
daran erinnert, aber keine Schmerzen<br />
empfindet, passiert durchaus etwas<br />
häufiger: etwa während 0,1 Prozent<br />
aller Narkosen. „<strong>Die</strong> Erfassung dieser<br />
Zustände bereitet allerdings Schwierigkeiten,<br />
da viele Patienten sich <strong>mit</strong> ihren<br />
Erlebnissen nicht an den Anästhesisten<br />
wenden“, sagt Oberarzt Kranke. Außerdem<br />
gebe es eine hohe Dunkelziffer:<br />
Anästhesisten vermuten, dass viele<br />
Patienten, die temporär während eines<br />
Eingriffs aufwachen, dies anschließend<br />
vergessen. | ><br />
Kirsten Gaede<br />
Das Spannendste an Tagungen, sagen manche, seien die Pausen: Dann wird‘s gesellig,<br />
es lassen sich Kontakte knüpfen. Für den Fall, dass die Pausen nicht reichen sollten,<br />
hat die DGOU für Freitag, 24. Oktober, 19.30 Uhr ein Abendessen <strong>mit</strong> Musik und<br />
Showeinlagen organisiert. Kosten: 60 Euro pro Person, Ort: Landgericht Berlin, in <strong>der</strong><br />
Littenstraße 12–17 in Berlin-Mitte. Bustransfers starten um 19 Uhr ab <strong>der</strong> Messehalle<br />
17 und dem Hotel Hyatt. | ><br />
DGOU<br />
<strong>kma</strong> orthopädie- und unfallchirurgie-kongressmagazin 7<br />
Foto: privat
TECHNIK<br />
OP DER ZUKUNFT<br />
Perfekt für Patient<br />
und Operateur<br />
Erst einmal wird alles komplizierter. So denken viele Ärzte bei <strong>der</strong> Kunde technischer Neuerungen.<br />
Doch innovative Technologie lässt sich zum Wohle von Mitarbeitern und Patienten<br />
gut in den Klinikalltag integrieren, wie das Beispiel des Unfallkrankenhauses Berlin zeigt.<br />
Gemeinsam die Zukunft gestalten“ lautet das Motto des Kongresses<br />
für Orthopädie und Unfallchirurgie 2008 – in <strong>der</strong> Klinik des Präsidenten<br />
<strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU), des<br />
Berliner Unfallchirurgen Axel Ekkernkamp, hat die Zukunft im OP-Saal<br />
bereits begonnen.<br />
Im Unfallkrankenhaus Berlin wurden in <strong>der</strong> Rekordzeit von drei Wochen<br />
und <strong>mit</strong> Millioneninvestitionen zwei <strong>der</strong> erst zehn Jahre alten mo<strong>der</strong>nen<br />
OP-Säle in integrierte I-Suite-Einheiten <strong>der</strong> Firma Stryker umgebaut. Das<br />
8 orthopädie- und unfallchirurgie-kongressmagazin <strong>kma</strong>
Ergebnis sind Arbeitsplätze, die den<br />
höchsten Anfor<strong>der</strong>ungen an die Versorgung<br />
Schwerstverletzter sowie minimalinvasiver<br />
traumatologischer Eingriffe an<br />
den großen Gelenken und <strong>der</strong> Wirbelsäule,<br />
aber auch <strong>der</strong> gesundheitsökonomischen<br />
Notwendigkeit effi zienterer<br />
Prozessabläufe gerecht werden.<br />
Ein Rundgang durch den <strong>neuen</strong> OP-Trakt<br />
<strong>mit</strong> dem Initiator des Hightech-Projekts,<br />
dem stellvertretenden Klinikdirektor<br />
Michael Wich, macht die Verän<strong>der</strong>ungen<br />
klar: Narkosegeräte und 150<br />
Kilogramm schwere Endoskopie-Türme<br />
wurden an <strong>der</strong> Decke aufgehängt und<br />
können per Knopfdruck in Position<br />
gebracht werden. Monitore wurden in<br />
den Wänden eingelassen. Zeitaufwendige<br />
Aufbauphasen, Stolperfallen auf<br />
dem Boden wie Kabel und Schläuche,<br />
aber auch potenzielle Hygienelücken<br />
gehören dank nunmehr freier Bodenfl<br />
ächen <strong>der</strong> Vergangenheit an.<br />
Bei unfallchirurgischen und orthopädischen<br />
Eingriffen kommt ein Röntgenbildwandler,<br />
bestehend aus C-Bogen<br />
und einem sperrigen Monitorwagen,<br />
zum Einsatz, <strong>der</strong> verschoben werden<br />
muss, wenn <strong>der</strong> Operateur die Position<br />
wechselt.<br />
Im <strong>neuen</strong> I-Suite-Saal fi ndet sich nur<br />
noch <strong>der</strong> C-Bogen, <strong>der</strong> Wagen <strong>mit</strong> <strong>der</strong><br />
Recheneinheit und den Monitoren<br />
steht außerhalb des OP. <strong>Die</strong> Röntgenbil<strong>der</strong><br />
des C-Bogens werden auf die<br />
mobilen, deckengehängten Monitore<br />
geleitet. So können alle Team<strong>mit</strong>glie<strong>der</strong><br />
die Bil<strong>der</strong> ungehin<strong>der</strong>t betrachten.<br />
Operationen werden aus dem Saal live<br />
über Lampen- und Saalkameras für<br />
Fortbildungs- und Lehrzwecke in den<br />
angeglie<strong>der</strong>ten Hörsaal und via Internet<br />
in die ganze Welt übertragen.<br />
In einem <strong>der</strong> I-Suite-Säle ist die Operation<br />
schon in vollem Gange, als <strong>der</strong><br />
erfahrene Facharzt einen für ihn auffälligen,<br />
aber nicht eindeutig zu beurteilenden<br />
Befund bei einer Schultergelenkspiegelung<br />
erkennt. Der Operateur<br />
spricht über ein Mikrofon, das sich auf<br />
dem Mundschutz befi ndet, die digitale<br />
Steuereinheit <strong>mit</strong> dem Befehl „Sydney“<br />
an. Sofort erscheint auf dem Touchscreen<br />
eine Menüauswahl.<br />
TECHNIK<br />
Mehr Gelassenheit:<br />
Der Operateur kann über<br />
das Mikrofon die digitale<br />
Steuereinheit ansprechen,<br />
die ihn bei Problemen<br />
telefonisch <strong>mit</strong> einem Experten<br />
im Haus verbindet.<br />
<strong>Die</strong>ser kann sich dann<br />
per Telekonferenz aus <strong>der</strong><br />
Ferne dazuschalten.<br />
Er spricht „Phone“, und auf dem<br />
Monitor erscheinen mehrere Kurzwahlrufnummern,<br />
hinter denen sich<br />
weitere im Haus erreichbare Experten<br />
verbergen. Er sagt nun „eins“ und die<br />
Musik aus seinem MP3-Player, die er<br />
für diesen Eingriff ausgesucht hat, verstummt.<br />
Über die Lautsprecheranlage<br />
ist nun bereits <strong>der</strong> Rufton für das<br />
Schnurlostelefon von Oberarzt Casper<br />
zu hören. Er ist im Hause, <strong>der</strong> Fachmann<br />
für Fragen zu problematischen<br />
arthroskopischen Befunden. Der Oberarzt<br />
befi ndet sich gerade auf einer <strong>der</strong><br />
unfallchirurgischen Stationen und<br />
fragt, worum es gehe. Der Operateur<br />
bittet ihn, sich den arthroskopischen<br />
Befund anzuschauen, und wählt über<br />
den Touchscreen-Monitor die Option<br />
„Telekonferenz“ aus. Nun kann sich<br />
<strong>der</strong> Oberarzt von seinem Standort im<br />
Krankenhaus aus das Bild <strong>der</strong> Arthroskopiekamera<br />
online aufschalten. Er<br />
dirigiert den Operateur zu einer bestimmten<br />
Stelle, for<strong>der</strong>t ihn zu einem<br />
Tasthakenmanöver auf und kann nun<br />
<strong>mit</strong> Sicherheit feststellen, dass es sich<br />
bei dem unklaren Befund um eine unauffällige<br />
Normvariante handelt. Der<br />
<strong>kma</strong> orthopädie- und unfallchirurgie-kongressmagazin 9
TECHNIK<br />
10<br />
Total vernetzt: Der OP <strong>der</strong> Zukunft ist ins Krankenhausinformationssystem (Kis) eingebunden.<br />
Das bedeutet, <strong>der</strong> Operateur kann je<strong>der</strong>zeit Röntgenbil<strong>der</strong> aus dem digitalen Archiv, dem Picture<br />
Archiving and Communi cation System (Pacs), auf dem Wandmonitor o<strong>der</strong> auch auf einem <strong>der</strong><br />
hängenden Monitore aufrufen. Ein weiterer Vorteil: Aufnahmen, die im OP entstehen, lassen sich<br />
sofort dem Patienten zuordnen.<br />
Operateur bedankt sich und kann die<br />
OP ohne weitere Zeitverzögerung fortsetzen.<br />
Im konventionellen Nebensaal haben<br />
die Operateure <strong>mit</strong>tlerweile ebenfalls<br />
<strong>mit</strong> dem nächsten Eingriff begonnen.<br />
Auf dem Programm steht eine Sprunggelenk-Arthroskopie.<br />
Auch während<br />
dieser Operation benötigt <strong>der</strong> Operateur<br />
den Rat eines Experten. Das gestaltet<br />
sich in diesem Fall aber deutlich<br />
schwieriger. Der Operateur sagt<br />
<strong>der</strong> zweiten Pfl egekraft im Saal, dass<br />
er dem Oberarzt den Befund demonstrieren<br />
möchte. <strong>Die</strong> Schwester ruft den<br />
Oberarzt auf Station an. <strong>Die</strong>ser möchte<br />
zunächst wissen, worum es geht.<br />
UMBAU IM LAUFENDEN BETRIEB<br />
Wie immer bei technischen Neuerungen<br />
musste sich <strong>der</strong> OP <strong>der</strong> Zukunft<br />
erst einmal im Alltag bewähren.<br />
Während einer dreiwöchigen<br />
Umbauphase wurden Operationssäle<br />
im zentralen OP-Bereich umgebaut.<br />
<strong>Die</strong>s bedeutet: <strong>Die</strong> Handwerker<br />
haben die alte Installation bis auf<br />
die Betonwände herausgerissen und<br />
etwa 1,5 km Kupfer- und Glasfaserkabel<br />
verlegt, um anschließend neue<br />
Decken, Stellwände und pro Saal<br />
drei fest eingebaute HDTV- Kameras,<br />
acht HDTV-Flachbild-Farbmonitore<br />
und eine zentrale digitale Steuereinheit<br />
zu verbauen. Sie haben im laufenden<br />
Operationsbetrieb gearbeitet,<br />
durch eine staubfreie Abschottung<br />
<strong>der</strong> Baustelle vom restlichen Zentral-OP<br />
getrennt, ohne dass auch<br />
nur ein OP-Termin verschoben o<strong>der</strong><br />
abgesagt werden musste.<br />
<strong>Die</strong> Schwester fragt den Operateur, er<br />
erklärt ihr das Problem, sie leitet die Information<br />
weiter an den Oberarzt.<br />
<strong>Die</strong>ser kann sich jedoch immer noch<br />
kein schlüssiges Bild machen. Er teilt<br />
<strong>mit</strong>, er mache sich auf den Weg. Etwa<br />
20 Minuten später, in denen die Operation<br />
keinen wesentlichen Fortschritt<br />
genommen hat, erscheint <strong>der</strong> Oberarzt<br />
im Saal, sieht sich auf dem Monitor den<br />
strittigen Befund an und gibt einige Anweisungen.<br />
Als sich <strong>der</strong> Oberarzt nach etwa 15<br />
Minuten zum zweiten Mal umzieht,<br />
um auf Station zurückzukehren, ist<br />
<strong>der</strong> Eingriff im I-Suite schon wie<strong>der</strong><br />
beendet, und das Reinigungsteam bereitet<br />
den Saal auf die nächste Operation<br />
vor.<br />
<strong>Die</strong>ser kurze vergleichende Blick in den<br />
klinischen Alltag eines Großklinikums<br />
verdeutlicht das Optimierungspotenzial<br />
durch integrierte OP-Säle. Ein<br />
größeres Platzangebot für Ärzte und<br />
Pfl egekräfte, Echtzeitzugriff auf Bilddaten<br />
aus allen Bereichen des Krankenhauses<br />
und Verkürzung <strong>der</strong> Wechselzeiten<br />
sind offensichtliche Vorteile<br />
gegenüber den etablierten Strukturen.<br />
Eine erste Auswertung von 44 alters-<br />
und geschlechtsidentischen Patienten,<br />
bei denen <strong>der</strong>selbe Operateur<br />
eine vor<strong>der</strong>e Kreuzbandplastik vorgenommen<br />
hatte, zeigte eine statistisch<br />
signifi kante Reduktion <strong>der</strong> <strong>mit</strong>tleren<br />
Schnitt-Naht-Zeiten um 15 Minuten<br />
(p = 0,0159) und <strong>der</strong> Saalzeiten um 19<br />
Minuten (p < 0,0001).<br />
<strong>Die</strong> auch in an<strong>der</strong>en Studien nachgewiesene<br />
Zeitersparnis kann sich rechnen:<br />
Wenn innerhalb <strong>der</strong> gleichen Arbeitszeit<br />
und <strong>mit</strong> <strong>der</strong> gleichen Zahl von<br />
OP-Mitarbeitern pro Tag nur eine o<strong>der</strong><br />
zwei OPs mehr möglich sind, bedeutet<br />
dies bei gleichem Fixkostenanteil circa<br />
500 zusätzliche Eingriffe pro Jahr.<br />
Das neue Saalkonzept erleichtert dem<br />
Arzt die Arbeit auch außerhalb des OP:<br />
<strong>Die</strong> während des Eingriffs gewonnenen<br />
Bilddaten lassen sich über die digitale<br />
Vernetzung problemlos in die elektronische<br />
Patientenakte ablegen und für<br />
den Arztbrief zum Ausdruck aufrufen.<br />
Das Unfallkrankenhaus Berlin ist zu einem<br />
begehrten Reiseziel von medizinischen<br />
und kaufmännischen Entscheidungsträgern<br />
aus aller Welt geworden, die sich<br />
vor Ort von den vielfältigen technischen<br />
Optionen und Beson<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> <strong>neuen</strong><br />
OP-Säle überzeugt haben.<br />
Trotz aller bestechenden Aspekte: Wie<br />
groß sind die propagierten Vorteile <strong>der</strong><br />
integrierten Säle wirklich? Wie relevant<br />
sind die Zeitersparnisse, wie zufrieden<br />
sind die Mitarbeiter im <strong>neuen</strong><br />
Arbeitsumfeld? Werden überflüssige<br />
Personalfl üsse reduziert, Eingriffe effi -<br />
Was ebenfalls zur Verbesserung<br />
beiträgt, ist die erstmals praktizierte<br />
Trennung zwischen C-Bogen<br />
und Monitorwagen.
VORTEILE DER<br />
DECKENAUFHÄNGUNG<br />
Wenn Monitore und Untersuchungseinheiten<br />
nicht mehr auf Wagen stehen,<br />
son<strong>der</strong>n an <strong>der</strong> Decke aufgehängt<br />
sind, bringt dies eine Reihe<br />
von Vorteilen <strong>mit</strong> sich:<br />
• Der Operateur kann sich die von<br />
<strong>der</strong> Decke hängenden Monitore so<br />
einstellen, dass er aus je<strong>der</strong> Position<br />
sehen kann. <strong>Die</strong>s erweist sich<br />
gerade beim C-Bogen als Segen:<br />
<strong>Die</strong> Monitore für dieses Röntgengerät<br />
müssen während <strong>der</strong> OP<br />
nicht mehr verschoben und wie<strong>der</strong><br />
neu angeschlossen werden. Beson<strong>der</strong>s<br />
das zeitraubende Wie<strong>der</strong>hochfahren<br />
<strong>der</strong> Monitore entfällt.<br />
• Chirurg und OP-Personal ermüden<br />
nicht so schnell, da sie beim Blick<br />
auf die Monitore nicht ständig ihre<br />
Sichtlinie verlassen müssen.<br />
• Der Zugang von Anästhesisten<br />
und Personal zum Patienten ist<br />
bei Notfällen ungehin<strong>der</strong>ter.<br />
• <strong>Die</strong> Patientensicherheit verbessert<br />
sich auch, weil die Gerätesteuerung<br />
sich nicht mehr in <strong>der</strong> Nähe<br />
des sterilen Bereichs befi ndet.<br />
• <strong>Die</strong> Verletzungsgefahr für das OP-<br />
Personal verringert sich, weil keine<br />
Wagen mehr manövriert werden<br />
müssen.<br />
• Es entstehen keine langen Aufbauzeiten<br />
für Videowagen vor einer<br />
OP.<br />
• <strong>Die</strong> Putzfrau kann ungehin<strong>der</strong>t<br />
und so<strong>mit</strong> schneller den Boden<br />
wischen.<br />
• Kabel und Schläuche bleiben unbeschadet:<br />
Es besteht nicht mehr<br />
die Gefahr, dass Wagenrä<strong>der</strong> über<br />
sie hinwegrollen o<strong>der</strong> jemand auf<br />
sie tritt.<br />
Michael Wich, Unfallkrankenhaus<br />
Berlin: In <strong>der</strong><br />
Diagnostik hat sich in den<br />
letzten Jahren viel getan, bei<br />
den OP-Geräten kaum etwas.<br />
Das wollten er und seine<br />
Kollegen än<strong>der</strong>n.<br />
zienter gestaltet – und profi tieren auch<br />
die Patienten, um die sich im wahrsten<br />
Sinne des Wortes alles im OP dreht?<br />
Um dies wissenschaftlich zu untersuchen,<br />
hat das Unfallkrankenhaus<br />
Berlin eine aufwendige randomisierte<br />
Studie <strong>mit</strong> dem bezeichnenden Akronym<br />
Enterprise initiiert, dieses steht<br />
VERGLEICH VON SETUP UND ABBAU<br />
Setup-Zeiten<br />
MIS-Suite Standard OP<br />
Quelle: Stryker Endosuite/* = Angaben in Sekunden<br />
TECHNIK<br />
Schnellerer Durchlauf: Im Hightech-OP vergeht<br />
sehr viel weniger Zeit zwischen zwei OPs<br />
als im herkömmlichen Operationssaal.<br />
für: effectiveness, neuropsychological<br />
distress, teamwork, and ergonomics<br />
with procedures conducted in the I-<br />
Suite surgical environment. <strong>Die</strong> Ergebnisse<br />
<strong>der</strong> Studie werden erstmals<br />
einen unverzerrten Systemvergleich<br />
ermöglichen. | ><br />
Michael Wich, Dirk Stengel, Schünemann/UKB<br />
Unfallkrankenhaus Berlin Fotos:<br />
<strong>kma</strong> orthopädie- und unfallchirurgie-kongressmagazin 11<br />
300*<br />
250*<br />
200*<br />
150*<br />
100*<br />
50*<br />
0*<br />
27,9<br />
254,3<br />
19,8<br />
222,3<br />
Abbau-Zeiten
TECHNIK<br />
NAVIGATIONS-OP<br />
Knieprothesen<br />
optimaler implantieren<br />
An <strong>der</strong> Orthopädischen Klinik <strong>der</strong> Universität Regensburg gibt es seit Januar dieses Jahres<br />
den weltweit ersten integrierten orthopädischen Navigations-OP. <strong>Die</strong> Kombination aus<br />
digitaler Datenmanagementlösung und chirurgischem Navigationssystem erlaubt Ärzten<br />
und Pfl egekräften ein sehr effi zientes und sicheres Operieren.<br />
Jahrelang hat die Orthopädische<br />
Klinik <strong>der</strong> Universität Regensburg<br />
im Bereich <strong>der</strong> Endoprothesenimplantation<br />
für Knie- und Hüftgelenk geforscht.<br />
Nun fi ndet die Forschungsarbeit<br />
ihre Fortsetzung im weltweit ersten voll<br />
integrierten orthopädischen Navigations-OP<br />
<strong>mit</strong> Brain-Lab-Technologie.<br />
<strong>Die</strong> Forschung <strong>der</strong> Klinik, die sich in Trägerschaft<br />
des Asklepios Klinikums Bad Abbach<br />
befi ndet, hat in den letzten Jahren<br />
gezeigt, dass sich <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Navigationstechnologie<br />
die Implantation von Knie-<br />
und Hüfttotalendoprothesen signifi kant<br />
verbessern lässt. Mit dieser Technologie<br />
ist es möglich, die Implantatkomponente<br />
millimetergenau zu platzieren und so<br />
die Belastbarkeit zu verbessern. <strong>Die</strong> optimale<br />
Implantation bei Knieprothesen<br />
kann <strong>der</strong> Operateur <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Navigation<br />
in 95 Prozent <strong>der</strong> Fälle erreichen, ohne<br />
Navigation ist dies nur in 75 Pozent <strong>der</strong><br />
Fälle möglich. Joachim Grifka ist einer<br />
<strong>der</strong> Ersten gewesen, <strong>der</strong> intensive Forschungen<br />
zu dieser Technologie angestellt<br />
und die Vorteile <strong>der</strong> Technik weltweit<br />
propagiert hat.<br />
Der neue Operationssaal ist in Zusammenarbeit<br />
<strong>mit</strong> den Medizintechnikunternehmen<br />
Brain Lab und De Puy<br />
entstanden. Brain Lab ist ein führen<strong>der</strong><br />
Anbieter in den Bereichen Strahlentherapie<br />
und bildgestützte Chirurgie,<br />
De Puy Spezialist für endoprothetische<br />
Versorgung in <strong>der</strong> Orthopädie,<br />
Chirurgie und Traumatologie. Mit <strong>der</strong><br />
Datenmanagementlösung Brainsuite<br />
Net lassen sich während <strong>der</strong> Operation<br />
Patienteninformationen wie Röntgen-,<br />
Computertomographie- o<strong>der</strong> Kernspin-<br />
Aufnahmen in digitaler Form abrufen.<br />
Zudem ist es möglich, Bil<strong>der</strong> an externe<br />
Spezialisten zu über<strong>mit</strong>teln. In dem integrierten<br />
OP-Saal werden die bislang<br />
verwendeten mobilen Geräte zu einem<br />
aufeinan<strong>der</strong> abgestimmten System zu-<br />
12 orthopädie- und unfallchirurgie-kongressmagazin <strong>kma</strong>
Navigations-OP in Bad Abbach:<br />
Das Ärzteteam, das auf Navigation<br />
in <strong>der</strong> Knie- und Hüftendoprothetik<br />
spezialisiert ist, nutzt die Innovation<br />
sammengeführt. In Kooperation <strong>mit</strong><br />
<strong>der</strong> Industrie ist es Grifka und seinem<br />
Team gelungen, aus einer vorklinischen<br />
Theorie über intensive Erfahrungen in<br />
<strong>der</strong> klinischen Anwendungen ein serienreifes<br />
Produkt zu entwickeln.<br />
Der OP-Saal <strong>mit</strong> komplett integrierter<br />
Navigationstechnik ist eine Kombination<br />
<strong>der</strong> digitalen Datenmanagementlösung<br />
<strong>mit</strong> einem chirurgischen Navigationssystem.<br />
<strong>Die</strong>se Kombination<br />
befindet sich heute in <strong>der</strong> täglichen<br />
Anwendung. Sie ermöglicht Ärzten<br />
während <strong>der</strong> Operation den einfachen<br />
Zugriff auf verschiedene Bilddaten des<br />
Patienten. <strong>Die</strong> intra operativen Bilddaten<br />
des Computer systems <strong>mit</strong> den<br />
errechneten Schnitten, <strong>der</strong> Achsbestimmung,<br />
dem gleichmäßigen Austarieren<br />
<strong>der</strong> Spannung <strong>der</strong> Gelenkbän<strong>der</strong> und<br />
<strong>der</strong> Planung <strong>der</strong> Protheseneinbringung<br />
sind über Decken- und Wandmonitore<br />
für alle Beteiligten je<strong>der</strong>zeit verfügbar:<br />
für die Ärzte wie für das Pfl egepersonal<br />
TECHNIK<br />
beim Instrumentieren, außerdem für<br />
die Besucher, die aus aller Welt nach<br />
Bad Abbach reisen.<br />
Einer <strong>der</strong> Hauptvorteile des integrierten<br />
Operationssaales: <strong>Die</strong> erfor<strong>der</strong>lichen<br />
Geräte – Kamera, Monitore, Lampen<br />
und Navigationscomputer – sind an<br />
<strong>der</strong> Decke installiert, und das Operationsfeld<br />
ist so besser zugänglich. Eine<br />
weitere Neuerung ist die eigene Kameraeinheit,<br />
die es erlaubt, zu Fortbildungs-<br />
und Lehrzwecken Operationen<br />
live in den angeglie<strong>der</strong>ten Hörsaal und<br />
bei Bedarf via Internet in die ganze Welt<br />
zu übertragen. Das Fazit <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />
von Grifka ist äußerst positiv: Der<br />
neue voll integrierte Navigations-OP<br />
unterstützt das Team aus Ärzten und<br />
Pfl egekräften bei <strong>der</strong> Arbeit und erlaubt<br />
ein sehr ergonomisches, effi zientes und<br />
sicheres Operieren, was letztlich dem<br />
Patienten zugutekommt. | ><br />
Christian Lüring, Orthopädische<br />
Klinik Universität Regensburg<br />
bereits in <strong>der</strong> täglichen Routine. Foto: Orthopädische Klnik Uni Regensburg<br />
Kompetente Rehabilitation bei orthopädischen<br />
und rheumatischen Erkrankungen<br />
Bad Krozingen 0 76 33 / 93 02<br />
Bad Lausick 03 43 45 / 61 – 0<br />
Bad Lobenstein 03 66 51 / 74 – 0<br />
Bad Oeynhausen 0 57 31 / 865 – 0<br />
Bad Salzuflen 0 52 22 / 37 –0<br />
Bad Sülze 03 82 29 / 72 –0<br />
Bad Tennstedt 03 60 41 / 35 – 0<br />
Berggießhübel 03 50 23 / 65 –0<br />
Berlin 0 30 / 3 65 03 –0<br />
Bernkastel-Kues<br />
Klinik Bernkastel 0 65 31 / 92 50 00<br />
MEDIAN Klinik 0 65 31 / 92 40 00<br />
Hoppegarten 0 33 42 / 353–0<br />
Kalbe 03 90 80 / 71 – 0<br />
Wismar 0 38 41 / 646 – 0<br />
<br />
www.median-kliniken.de<br />
<strong>kma</strong> orthopädie- und unfallchirurgie-kongressmagazin 13
TECHNIK<br />
EXPERIMENTAL-OP<br />
Tübinger Science-Fiction<br />
Seit Juli gibt es in Deutschland an <strong>der</strong> Universitätsklinik Tübingen den ersten reinen Experimental-OP.<br />
Der OP, in dem Dummys Patienten vertreten, bietet ideale Voraussetzungen, um die Operationssäle<br />
von morgen mo<strong>der</strong>ner und sicherer zu machen, Arbeitsabläufe und Medizinprodukte zu optimieren<br />
und Operationstechnische Assistenten und Medizinstudenten zu schulen.<br />
Es qualmt im Tübinger Experimental-Operationssaal.<br />
<strong>Die</strong> Hand vor<br />
den Augen ist kaum zu sehen. Was<br />
nach einer Katastrophe aussieht, ist<br />
in Wirklichkeit ein wissenschaftliches<br />
Experiment, <strong>der</strong> vermeintliche Qualm<br />
nur Theaternebel. „So können wir die<br />
Luftströme über dem Operationstisch<br />
messen“, erklärt Martin Scherrer, Ingenieur<br />
für Klimatechnik und Hygiene.<br />
Ziel dieses Experiments ist, ein Lüftungssystem<br />
für Operationssäle zu fi nden,<br />
das die hygienischen Verhältnisse<br />
auf dem Operationstisch optimiert. „<strong>Die</strong><br />
Hygiene ist sicherlich eines <strong>der</strong> großen<br />
Zukunftsthemen im Krankenhaus und<br />
speziell im OP. Wir brauchen optimale<br />
Systeme, da<strong>mit</strong> wir wirklich saubere Luft<br />
über <strong>der</strong> Wunde haben und die Zahl <strong>der</strong><br />
Infektionen in Zukunft verringern.“ <strong>Die</strong><br />
Hygiene ist außerdem ein wichtiger<br />
betriebswirtschaftlicher Faktor geworden.<br />
„Wird wie im Universitätsklinikum<br />
Tübingen die Einwirkzeit des Desinfektions<strong>mit</strong>tel<br />
bei <strong>der</strong> chirurgischen Händedesinfektion<br />
auf eineinhalb Minuten<br />
verringert, also auf die Hälfte reduziert,<br />
ist dies gleichbedeutend <strong>mit</strong> einer Kosteneinsparung<br />
im sechsstelligen Bereich“,<br />
sagt Scherrer.<br />
Doch Hygiene und Klimatechnik machen<br />
nur einen Teil des Experimental-OPs<br />
aus – selbst wenn allein in die Klimatechnik<br />
eine Million Euro <strong>der</strong> insgesamt<br />
fünf Millionen Euro hohen Investition<br />
geflossen ist. Das Simulations- und<br />
Testlabor für Operationstechnik und<br />
Operationsabläufe, untergebracht in einer<br />
Fabrikhalle, sei in Europa einzigartig,<br />
meint Paul-Stefan Mauz, leiten<strong>der</strong><br />
Oberarzt <strong>der</strong> Hals-Nasen-Ohren-Klinik<br />
des Universitätsklinikums Tübingen<br />
und Vorstand des Experimental-OPs.<br />
Schon vor seiner Einweihung im Juli<br />
habe er weltweit für Aufregung gesorgt.<br />
Was in <strong>der</strong> Automobilindustrie o<strong>der</strong> in<br />
<strong>der</strong> Luftfahrt schon lange üblich ist,<br />
Simulationslaboratorien und aufwendige<br />
Testverfahren, soll jetzt auch für<br />
den Operationssaal möglich werden.<br />
„Viele Medizinproduktehersteller<br />
schauen nicht über den Tellerrand hinaus,<br />
wir schauen um den gesamten<br />
Rand herum“, sagt Mauz. „Niemand<br />
hat heute Zeit, sich durch umständliche<br />
Bedienungsanleitungen zu lesen o<strong>der</strong><br />
<strong>mit</strong> komplizierten Menüführungen<br />
zu kämpfen.“ Eine einfache und sich<br />
selbst erklärende Technik auch im OP<br />
zu haben, ist ein Ziel <strong>der</strong> Tübinger Experimental-OP-Macher.<br />
Ein an<strong>der</strong>es Anliegen: die verschiedenen<br />
Geräte besser aufeinan<strong>der</strong> abzustimmen<br />
und so ihre Handhabung zu vereinfa-<br />
chen. „So wäre es zum Beispiel sinnvoll,<br />
den Laser ins Mikroskop zu integrieren,<br />
statt beide Geräte getrennt voneinan<strong>der</strong><br />
herzustellen“, sagt HNO-Arzt Martin<br />
Hol<strong>der</strong>ried, dessen Abteilung <strong>mit</strong> dem<br />
Experimental-OP kooperiert. Oftmals<br />
geht es aber um noch Banaleres: So lässt<br />
sich etwa tes ten, wie die Mikroskophalterung<br />
und die Stirnleuchtenhalterung<br />
an <strong>der</strong> Decke angebracht sein müssen,<br />
da<strong>mit</strong> sie sich im OP-Alltag, wie es so<br />
häufig vorkommt, nicht gegenseitig<br />
behin<strong>der</strong>n. Das macht den beson<strong>der</strong>en<br />
Reiz des Experimental-OPs aus: Alles<br />
lässt sich verän<strong>der</strong>n, von <strong>der</strong> Raumgröße<br />
bis zu den Deckenhalterungen für<br />
schwere Instrumente. Nicht umsonst<br />
sind 60 Tonnen Stahl in die beiden OP-<br />
Einheiten in <strong>der</strong> Fabrikhalle eingebaut.<br />
Außerdem stehen auf <strong>der</strong> To-do-Liste<br />
<strong>der</strong> Tübinger Experimental-Operateure<br />
etwa die kabellose Gestaltung des OPs<br />
und die Bedienung <strong>der</strong> Monitore durch<br />
Spracherkennung.<br />
Der Experimental-OP testet nicht nur<br />
Geräte: Auch Operationstechnische<br />
Assistenten des Tübinger Uniklinikums<br />
können während ihrer Ausbildung das<br />
korrekte Lagern eines Patienten vor<br />
einer Operation üben o<strong>der</strong> das Anreichen<br />
des Operationsbestecks. <strong>Die</strong> universitäre<br />
Lehre ist ebenfalls in die neue<br />
Den rund fünf Millionen Euro teuren „Experimental-OP“ haben das Universitätsklinikum Tübingen und die Medizinische<br />
Fakultät Tübingen nanziert sowie das Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Kultur des Landes<br />
Baden-Württemberg und die Universität Stuttgart, die hier ihre Ingenieurleistung einbringen und ausprobieren<br />
möchte. <strong>Die</strong> Umbau- und Einrichtungskosten des Experimental-OPs in <strong>der</strong> angemieteten Halle, welche von den<br />
industriellen Kooperationspartnern getragen wurden, haben rund drei Millionen Euro betragen, die Planungs- und<br />
Bauzeit dauerte 18 Monate.<br />
14 orthopädie- und unfallchirurgie-kongressmagazin <strong>kma</strong>
Einrichtung eingebunden. So können<br />
Tübinger Medizinstudenten ihren „OP-<br />
Führerschein“ <strong>mit</strong> dem Lernziel hygienegerechtes<br />
Verhalten im OP machen.<br />
Rund 80 Hersteller von Operations- und<br />
Medizintechnik haben sich an <strong>der</strong><br />
Einrichtung beteiligt und Technik und<br />
Ausstattung im Wert von rund drei Millionen<br />
Euro beigesteuert. Zum Testen<br />
in <strong>der</strong> Praxis, zur Schulung von Mitarbeitern<br />
und zur Forschung. Außerdem<br />
lassen zahlreiche Hersteller von Operationseinrichtungen<br />
wie OP-Tischen o<strong>der</strong><br />
OP-Beleuchtungen in Tübingen ihre<br />
Geräte auf einfache Bedienung, Kompatibilität<br />
und ergonomische Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
testen. Anschließend werden sie<br />
die Daten zur Weiterentwicklung ihrer<br />
Produkte nutzen. Wie weit das Spektrum<br />
<strong>der</strong> Möglichkeiten ist, zeigt sich bereits<br />
an scheinbar simplen Arbeitsabläufen<br />
wie <strong>der</strong> hygienischen Händedesinfektion<br />
vor Operationen. Hier fi ndet sich in<br />
Tübingen etwa ein Handwaschbecken,<br />
ähnlich dem, das im <strong>neuen</strong> Airbus A 380<br />
eingebaut wird. Das Beson<strong>der</strong>e an diesem<br />
Waschbecken ist die Form: Es hat<br />
Der Ingenieur Martin Scherrer auf dem Dach des<br />
Experimental-OPs: Es ist äußerst stabil, weil in die Fabrikhalle<br />
sagenhafte 60 Tonnen Stahl eingebaut wurden.<br />
OP ohne Patient: Für die Experimental- -<br />
Operationen haben über 80 Hersteller<br />
kostenlos Geräte zur Verfügung gestellt.<br />
vorn eine Einbuchtung. Im Airbus dient<br />
die geschwungene Form <strong>der</strong> Platzersparnis,<br />
im Experimental-OP hingegen<br />
zur Vermeidung von Wasser-, Seifen-<br />
und Desinfektions<strong>mit</strong>telresten auf dem<br />
Boden, die als rutschiger Untergrund<br />
ein große Unfallgefahr sind.<br />
Der Tübinger Experimental-OP ist in gewisser<br />
Weise ein Universalprojekt: Er<br />
verbindet wissenschaftliche und industrielle<br />
Forschung <strong>mit</strong> dem Ziel einer Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Arbeitswelt, <strong>der</strong> Abläufe,<br />
<strong>der</strong> Arbeitssicherheit und <strong>der</strong> Technik.<br />
„Profi tieren werden zum einen die Patienten,<br />
aber auch die Krankenhäuser,<br />
die hier ihre Abläufe optimieren und<br />
sicher gestalten werden und ihr Personal<br />
schulen können“, sagt Scherrer. <strong>Die</strong><br />
neue Forschungseinrichtung blieb auch<br />
<strong>der</strong> Politik nicht verborgen. Bundesforschungsministerin<br />
Annette Schavan<br />
und Baden-Württembergs Ministerpräsident<br />
Günther Öttinger informierten<br />
sich bereits persönlich über das Projekt,<br />
genauso wie Gesundheitspolitiker aus<br />
verschiedenen Län<strong>der</strong>n. | ><br />
Peter-Michael Petsch<br />
TECHNIK<br />
<strong>kma</strong> orthopädie- und unfallchirurgie-kongressmagazin 15<br />
Fotos: Petsch<br />
ÄRZTE WOLLEN EN EINFACHE<br />
LÖSUNGEN<br />
<strong>Die</strong> Kompatibilität medizintechnischer<br />
Geräte muss verbessert werden.<br />
Davon ist auch <strong>der</strong> Radiologie-<br />
Professor Berthold Wein überzeugt,<br />
<strong>der</strong> <strong>der</strong> Organisation Integrating the<br />
Healthcare Enterprise Deutschland<br />
(IHE) vorsitzt. „Interoperabilität ist<br />
nötig nicht für das System nur eines<br />
Herstellers, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> Pluralität<br />
vieler Hersteller.“ Wein setzt sich <strong>mit</strong><br />
<strong>der</strong> IHE für eine einheitliche Sprache<br />
von Computern im Gesundheitswesen<br />
ein. <strong>Die</strong> Initiative Integrating<br />
the Healthcare Enterprise nutzt<br />
bestehende Standards wie Dicom<br />
und schafft so eine sichere systemübergreifende<br />
Interoperabilität zwischen<br />
IT-Produkten verschiedener<br />
Hersteller. „Wir Ärzte wollen im IT-<br />
Bereich einfache Lösungen, Computer,<br />
die <strong>mit</strong>einan<strong>der</strong> reden können<br />
und trotzdem sicher gegen Angriffe<br />
von außen sind.“
TECHNIK<br />
MR-FORSCHUNG<br />
Der Wow-Effekt<br />
In Essen trifft neue auf alte Schwerindustrie. <strong>Die</strong> ehemalige Zeche Zollverein – heute Weltkulturerbe<br />
– beherbergt seit letztem Jahr das Erwin L. Hahn Institute for Magnetic Resonance Imaging, das einen<br />
7-Tesla-Magnetresonanz-Tomographen betreibt. Ziel ist sein klinischer Einsatz als Ganzkörper-Diagnostikmethode.<br />
In Essen geht es um die Feinjustierung des Geräts. „Hier passiert Forschung so nah am<br />
Patienten wie nirgendwo sonst“, sagen die Betreiber.<br />
Der Plan muss vorher gut studiert<br />
sein, wenn <strong>der</strong> Weg zum Magnetresonanz-Forschungsinstitut<br />
<strong>der</strong><br />
Universität Duisburg-Essen nicht abschrecken<br />
soll. Es ist nicht auf dem Teil<br />
des Geländes, wo Leben herrscht. Wo<br />
Designakademien, Skulpturenwäl<strong>der</strong><br />
und Veranstaltungsorte Einzug gehalten<br />
haben in die alten Industriebaracken<br />
aus rotem Backstein auf dem Zechengelände.<br />
Nicht dort, wo die größte freistehende<br />
Rolltreppe Deutschlands Besucher<br />
zum Eingang des Ruhrmuseums<br />
in die alte Kohlewäscherei beför<strong>der</strong>t.<br />
Das Institut befindet sich auf einem<br />
etwas abgelegenen Areal des Unesco-<br />
Weltkulturerbes <strong>der</strong> alten Zeche Zollverein,<br />
auf dem Gelände <strong>der</strong> ehemaligen<br />
Kokerei. Hier ist manches noch<br />
so, wie es die Arbeiter 1993 verlassen<br />
haben; teilweise hat sich auch die Natur<br />
ihr Terrain schon wie<strong>der</strong> zurückerobert.<br />
Herzstück des Industrieden<strong>kma</strong>ls ist<br />
die 800 Meter lange Koksofenbatterie<br />
<strong>mit</strong> zahlreichen angeglie<strong>der</strong>ten Gebäudekomplexen,<br />
die damals <strong>der</strong> Weiterverarbeitung<br />
dienten und die über das<br />
gesamte Gelände verteilt sind.<br />
Das, was ringsherum zu sehen ist, ist<br />
atemberaubend, überdimensioniert<br />
und an dieser Stelle merkwürdig surreal.<br />
Auf dem Gelände schnauft und<br />
lärmt es, als wäre hier die Zeit stehen<br />
geblieben. Geräusche arbeiten<strong>der</strong> Anlagen<br />
und Bagger dringen beständig an<br />
das Ohr des Besuchers und verwirren<br />
gleichzeitig die Augen, die lediglich verlassene,<br />
verfallene Baracken und stillstehende<br />
För<strong>der</strong>bän<strong>der</strong> <strong>der</strong> ehemals<br />
europaweit größten Zeche erfassen. Ihrer<br />
Funktion beraubt sind sie dennoch<br />
Sinnbild für die einst fortschrittlichste<br />
Kohleför<strong>der</strong>- und Weiterverarbeitungsanlage<br />
<strong>der</strong> damaligen Zeit. Ausgerechnet<br />
o<strong>der</strong> gerade folgerichtig ist genau<br />
an diesem Ort eines <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nsten<br />
Forschungszentren für bildgebende<br />
Diagnostik entstanden.<br />
An dem Zaun eines dieser Gebäude tauchen<br />
unver<strong>mit</strong>telt Warnschil<strong>der</strong> für<br />
Menschen <strong>mit</strong> Herzschrittmachern<br />
auf. Das kleine, dreistöckige Gebäude,<br />
welches sich nur unwesentlich<br />
von den umstehenden baugleichen<br />
Drillingsbauten unterscheidet, beherbergt<br />
aus wissenschaftlicher Sicht<br />
einen Schatz: einen Magnetresonanz-<br />
Tomographen (MRT), <strong>der</strong> über eine<br />
Feld stärke von 7 Tesla verfügt. Da<strong>mit</strong> ist<br />
Gerät <strong>der</strong> Superlative: Von außen<br />
sieht <strong>der</strong> 7-Tesla-Tomograph aus wie<br />
seine schwächeren Verwandten – doch<br />
wehe, man muss ihn verbauen o<strong>der</strong><br />
sich ihm nähern.<br />
16 orthopädie- und unfallchirurgie-kongressmagazin <strong>kma</strong>
<strong>Die</strong> Magnetfeldstärke von 7 Tesla entspricht<br />
in etwa dem 140.000-Fachen <strong>der</strong> Erde.<br />
das Magnetfeld des Geräts in etwa<br />
140.000-mal so stark wie das <strong>der</strong> Erde.<br />
Um diese Kräfte abzuschirmen, musste<br />
eine 450 Tonnen schwere Stahlummantelung<br />
in dem Gebäude verbaut<br />
werden, die auf nahezu drei Etagen<br />
verteilt für Sicherheit sorgt. Ein Institut<br />
<strong>der</strong> Superlative.<br />
Überall in dem Gebäude begegnet man<br />
Wissenschaftlern <strong>mit</strong> leuchtenden Augen,<br />
die sich darüber freuen, dass aus<br />
diesem enormen gemeinsamen Kraftakt<br />
nun endlich Realität geworden ist.<br />
Auch <strong>der</strong> damalige Mitinitiator und<br />
heutige Direktor des Universitätsklinikums<br />
Hamburg-Eppendorf, Jörg Debatin,<br />
ist begeistert über die Wahrwerdung<br />
einer Fantasterei: „Zu sehen, dass eine<br />
Idee, die man sich verwegen <strong>mit</strong> einigen<br />
Kollegen erdachte, so eins zu eins<br />
umgesetzt wird – und das an so einem<br />
Ort –, das passiert einem womöglich<br />
nur einmal im Leben.“ Mit <strong>der</strong> Siemens<br />
Medical Solutions haben die Fantasten<br />
einen Technologiepartner an ihrer Seite,<br />
<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Forschung natürlich<br />
profi tiert, ohne den beziehungsweise<br />
dessen Entwicklung des Tomographen<br />
das Projekt nicht zu stemmen gewesen<br />
wäre. Insgesamt wurden rund zwölf<br />
Millionen Euro investiert: <strong>Die</strong> Universität<br />
Duisburg-Essen plus F.C. Don<strong>der</strong>s-<br />
Centre for Cognitive Neuroimaging <strong>der</strong><br />
Radbound Universität Nimwegen plus<br />
Landesforschungsministerium plus<br />
Bundesforschungsministerium plus die<br />
Stadt Essen haben hier realisiert, was<br />
<strong>der</strong> Traum eines jeden Radiologen auf<br />
diesem Gebiet sein dürfte.<br />
Unter <strong>der</strong> wissenschaftlichen Leitung<br />
von Mark Ladd, Elektroingenieur und<br />
geschäftsführen<strong>der</strong> Direktor, soll aus<br />
dem Institut ein interdisziplinäres<br />
Sammelbecken internationaler Wissenschaftler<br />
werden. „Im Moment ist<br />
alles noch Forschung, was <strong>mit</strong> einem<br />
7-Tesla-MRT passiert. Es geht um<br />
die Feinjustierung des Gerätes, <strong>der</strong><br />
Software, unsere Aufgabe ist die Entwicklung<br />
einer Ganzkörperspule, die<br />
Kontrast<strong>mit</strong>tel müssen angepasst werden.<br />
Wir müssen herausfi nden, ob die<br />
7-Tesla-Technologie tatsächlich einen<br />
solchen Mehrwert für den Arzt und den<br />
Patienten generiert, dass sich die hohen<br />
Kosten rentieren.“<br />
Derzeit gilt in <strong>der</strong> Medizin noch <strong>der</strong><br />
1,5-Tesla-MRT als Goldstandard, und es<br />
wird auch schon <strong>mit</strong> 3-Tesla-Geräten gearbeitet,<br />
doch Ladd ist überzeugt, dass<br />
TECHNIK<br />
Den<strong>kma</strong>lgeschützt: In<br />
<strong>der</strong> ehemaligen Leitstelle<br />
<strong>der</strong> Kokerei werden heute<br />
Schulungen und Konferenzen<br />
<strong>mit</strong> Nachwuchswissenschaftlern<br />
abgehalten.<br />
die neue Stufe Einblicke zulassen wird,<br />
die bislang noch <strong>mit</strong> keiner an<strong>der</strong>en<br />
Methode darstellbar sind. „Selbst Miniaturgefäße<br />
lassen sich bei ihrer Arbeit im<br />
Gehirn beobachten“. Sprach’s und zeigt<br />
beeindruckend kleinteilige Bil<strong>der</strong> vom<br />
Innenleben seiner Gedankenwelt.<br />
Momentan sind die Wissenschaftler die<br />
nahezu einzigen Menschen, die <strong>mit</strong><br />
dem Gerät in Verbindung kommen,<br />
eigentlich stehen jetzt erst einmal<br />
Tierversuche an <strong>der</strong> Tagesordnung.<br />
<strong>Die</strong> amerikanische Food and Drug<br />
Adminis tration (FDA) hat zwar die<br />
Unbedenklichkeitsgrenze auf 8 Tesla<br />
angehoben, obwohl Geräte oberhalb<br />
von 3 Tesla noch immer nicht offi ziell<br />
für die medizinische Behandlung zugelassen<br />
sind, in Europa gilt jedoch für<br />
den Patientenkontakt immer noch eine<br />
Höchstgrenze von 4 Tesla. Ausnahmen<br />
sind Studien, in <strong>der</strong>en Rahmen auch<br />
oberhalb dieser Grenze geforscht werden<br />
darf. Denn noch ist nicht abschließend<br />
geklärt, welchen Einfl uss Magnetstrahlung<br />
auf die neurophysiologischen<br />
Abläufe im Körper nimmt.<br />
Was je<strong>der</strong> bemerkt, <strong>der</strong> sich im Behandlungsraum<br />
aufhält, ist eine ungeheure<br />
<strong>kma</strong> orthopädie- und unfallchirurgie-kongressmagazin 17
TECHNIK<br />
Einblicke: Ein Knie aus Sicht eines<br />
7-Tesla-MRT (r.) hat mehr zu bieten als<br />
die Draufsicht eines 1,5-Tesla-MRT (l.).<br />
An<strong>der</strong>swo hebt man <strong>mit</strong> solch einem Magneten Autos an.<br />
Von dem geht eine ganz natürliche Autorität aus.<br />
Energie, <strong>der</strong> man sich nicht entziehen<br />
kann. Eine Spannung, die spürbar auf<br />
den eigenen Organismus einwirkt.<br />
Eindrucksvoll nimmt dieses Empfi nden<br />
durch eine kleine Demonstration<br />
Gestalt an, wenn Ladd eine Aluminiumtür<br />
praktisch <strong>mit</strong>ten in den Raum<br />
lehnt, ohne dass diese umfällt – ihr Fall<br />
wird von <strong>der</strong> vom Gerät ausgehenden<br />
Spannung zum Stoppen gebracht.<br />
<strong>Die</strong> wenigen Patienten, die als Forschungsobjekte<br />
bisher <strong>mit</strong> dem Gerät<br />
in Berührung gekommen sind, haben<br />
in den allermeisten Fällen gar keine<br />
Wirkung auf ihren Allgemeinzustand<br />
bemerkt. Wenige von ihnen klagten<br />
über Kopfschmerzen o<strong>der</strong> Schwindelgefühl.<br />
„Das Schlimmste, was bislang<br />
am häufi gsten beanstandet wurde, ist<br />
die Raumtemperatur, die <strong>der</strong>zeit aus<br />
technischen Gründen bei 21,5 Grad<br />
Celsius liegt. Den einen ist das zu kalt<br />
und den an<strong>der</strong>en zu warm. Das klingt<br />
erst einmal nach Schwierigkeiten, <strong>mit</strong><br />
denen es sich gut leben lässt“, resümiert<br />
Ladd.<br />
An Nebenwirkungen, die ernsthaft<br />
den erwarteten Vorteilen den Rang<br />
ablaufen könnten, glaubt hier am<br />
Institut niemand, das werden die<br />
Forschungsarbeiten schon zeigen. „Si-<br />
cherheit lässt sich einfach schwer beweisen,<br />
aber wir sammeln Indizien“,<br />
sagt Ladd, „momentan ist die größte<br />
Gefahr etwaige Unachtsamkeit. Dass<br />
beispielsweise doch einmal jemand<br />
<strong>mit</strong> etwas Magnetischem in den Raum<br />
geht. Dann darf sich kein Mensch zwischen<br />
fliegendem Gegenstand und<br />
Gerät befi nden. Schließlich ist dieser<br />
Magnet stärker als die, die auf einer<br />
Schrottpresse ganze Autos anheben,<br />
das ist per se eine Kraft, von <strong>der</strong> sozusagen<br />
eine ganz natürliche Autorität<br />
ausgeht, wenn man so will.“<br />
<strong>Die</strong> Universität, die beteiligten Forschungsinstitutionen<br />
und nicht zuletzt<br />
auch Siemens haben viel vor an<br />
diesem Ort. Er soll eine Art Nukleus-<br />
Institut werden, eine Spielwiese und<br />
Patentschmiede für allen Disziplinen.<br />
So soll beispielsweise <strong>mit</strong> Industriedesignern<br />
an <strong>der</strong> Spule gearbeitet wer-<br />
In Deutschland gibt es vier installierte 7-Tesla-MRT: in Leipzig, Magdeburg<br />
und Heidelberg. Das Max-Delbrück-Zentrum in Berlin ist gerade dabei,<br />
einen 7-Tesla-MRT zu installieren. In Essen dagegen steht die Erforschung<br />
<strong>der</strong> Technologie als Ganzkörper-Diagnostikmethode im Mittelpunkt, <strong>mit</strong><br />
dem Ziel des klinischen Einsatzes.<br />
den, <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Pharmaindustrie an den<br />
Kontrast<strong>mit</strong>teln, <strong>mit</strong> Programmierern<br />
an <strong>der</strong> Software und <strong>der</strong> Archivierungsproblematik,<br />
die die Datenfl ut <strong>mit</strong> sich<br />
bringen wird, <strong>mit</strong> Radiologen an <strong>der</strong><br />
Diagnosestellung und <strong>mit</strong> Elektroingenieuren<br />
am Gerät. Geplant sind weiter<br />
ein Institut für physiologische Bildgebung,<br />
eine Qualifi zierungsakademie<br />
und Weiterbildungsprogramme.<br />
Rückendeckung bekommen die Ideen<br />
von <strong>der</strong> Politik. <strong>Die</strong> EWG-Essener Wirtschaftsför<strong>der</strong>ungsgesellschaft<br />
arbeitet<br />
im Auftrag <strong>der</strong> Europäischen Union<br />
und des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums<br />
am Ausbau des<br />
Clusters Gesundheitswirtschaft und<br />
Medizintechnik auf dem Zollverein-Areal.<br />
Das Gelände <strong>der</strong> ehemaligen Kokerei<br />
jedenfalls ist groß genug, dem erhofften<br />
Ansturm Platz zu geben, es muss sich<br />
nur noch rumsprechen, dass dort neue<br />
Möglichkeiten entstanden sind. Es ist<br />
aber nicht nur <strong>der</strong> historische Standort:<br />
Nach Meinung von Winfried Book, Leiter<br />
<strong>der</strong> Transferstelle, bietet das nahezu<br />
modellhaft vernetzte Ruhrgebiet exklusive<br />
Voraussetzungen für die medizinische<br />
Forschung. „133 Krankenhäuser<br />
und Kliniken, drei Universitäten und<br />
medizinische Fakultäten, 3.000 nie<strong>der</strong>gelassene<br />
Mediziner und nicht zuletzt<br />
fünf Millionen Menschen, die im Essener<br />
Umkreis von rund 30 Kilometern<br />
leben“, so Book, „hier kann Forschung<br />
so nah am Patienten betrieben werden<br />
wie sonst kaum irgendwo.“<br />
Übergeordnete Stellen tragen den Ambitionen<br />
jetzt schon Rechnung. So gab<br />
es vom Bundesministerium für Wissenschaft<br />
und Forschung zum Einzug 1,5<br />
Millionen Euro für die Entwicklungsarbeit<br />
an einer Ganzkörperspule. Und<br />
ganz nebenbei wird auch noch eine<br />
<strong>der</strong> eindruckvollsten Industriebrachen<br />
Deutschlands wie<strong>der</strong>belebt. So schön Institute<br />
und lohnenswert können Investitionen Hahn L.<br />
in den heimischen Wissenschafts- und<br />
Forschungsstandort sein. | ><br />
Erwin<br />
Claudia Dirks Fotos:<br />
18 orthopädie- und unfallchirurgie-kongressmagazin <strong>kma</strong>
ULNAPLUSVARIANZ<br />
<strong>Die</strong> Ulnaplusvarianz, eine gestörte<br />
Längenrelation zwischen Radius und<br />
Ulna, <strong>mit</strong> andauernden Schmerzen im<br />
Bereich des ulnokarpalen Gelenkabschnittes<br />
basiert auf verschieden Ursachen.<br />
<strong>Die</strong>se umfassen die Madelung-<br />
Defor<strong>mit</strong>ät, eine relative Überlänge<br />
<strong>der</strong> Ulna nach fehlverheilten distalen<br />
Radiusfrakturen, sowie angeborene<br />
Ulnaplusvarianten o<strong>der</strong> auch longitudinale<br />
Instabilitäten am Unterarm <strong>mit</strong><br />
meist posttraumatischem Schluss <strong>der</strong><br />
distalen Radiusepiphyse nach Radiusköpfchenresektion.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Ulnaverkürzungsosteotomie</strong> stellt<br />
ein etabliertes Verfahren dar und gilt<br />
als „Golden Standard“.<br />
UNTERNEHMENSNACHRICHTEN<br />
<strong>Die</strong> <strong>Ulnaverkürzungsosteotomie</strong><br />
<strong>mit</strong> <strong>der</strong> <strong>neuen</strong> 7-<strong>Loch</strong>-Gleitplatte<br />
<strong>Die</strong> als Folge eines klinisch manifesten Ulna-Impact-Syndroms auftretenden<br />
ulnokarpalen Handgelenksschmerzen bei Ulnaplusvarianz werden heute <strong>mit</strong><br />
einer <strong>Ulnaverkürzungsosteotomie</strong> behandelt.<br />
Ulna-Verkürzungsplatte <strong>mit</strong> Sägelehre nach<br />
Hermann Krimmer und Martin Leixnering<br />
In den letzten 30 Jahren wurden verschiedene<br />
Modifi kationen in <strong>der</strong> operativen<br />
Technik <strong>mit</strong> Unterstützung<br />
technischer Hilfs<strong>mit</strong>tel, wie z. B. Plattenspannern<br />
entwickelt, um Folgekomplikationen<br />
wie die verzögerte Heilung<br />
o<strong>der</strong> die Pseudarthrose zu verhin<strong>der</strong>n.<br />
Aus diesem Grund wurde ein neues System<br />
in Form einer Gleitplatte entwickelt.<br />
<strong>Die</strong>se winkelstabile 7-<strong>Loch</strong>-Platte nach<br />
Hermann Krimmer und Martin Leixnering<br />
aus Titan, <strong>der</strong>en erstes und drittes <strong>Loch</strong><br />
ein Gleitloch ist, ermöglicht eine Verkürzung<br />
von bis zu 8 mm und wird nunmehr<br />
seit 5 Jahren eingesetzt.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> proximalen Anordnung<br />
von Langlöchern kann die Osteotomie<br />
eingebrachte<br />
Ulna-Verkürzungsplatte<br />
bei liegen<strong>der</strong> Platte erfolgen und die<br />
beiden Osteotomiehälften sind rotationsstabil.<br />
<strong>Die</strong> vorbestückten Bohrlehren<br />
ermöglichen eine sichere orthogonale<br />
Platzierung <strong>der</strong> Schrauben.<br />
Neue Sägelehren, die zwischen Platte<br />
und Knochen sitzen, bieten eine gute<br />
Führung für das Sägeblatt. Dadurch<br />
wird ein stufenfreier und paralleler Osteotomieschnitt<br />
ermöglicht. Eine die<br />
Schrägosteotomie überbrückende Zugschraube<br />
führt zur Kompression des<br />
Osteotomiespaltes. So<strong>mit</strong> verringert<br />
sich die Pseudarthrosenrate und die<br />
Operationstechnik ist vereinfacht. | ><br />
KLS Martin Group<br />
www.klsmartin.com<br />
<strong>kma</strong> orthopädie- und unfallchirurgie-kongressmagazin 19<br />
Fotos: Gebrü<strong>der</strong> Martin GmbH & Co. KG
KONGRESS<br />
KONRAD-BIESALSKI-PREIS<br />
Gelähmte<br />
sollen greifen<br />
können<br />
Auf dem diesjährigen DGOU-Kongress wird neben dem Preis<br />
zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Rehabilitationsforschung auch <strong>der</strong> Konrad-<br />
Biesalski-Preis <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und<br />
orthopädischen Chirurgie e.V. (DGOOC) verliehen. Preisträger<br />
ist dieses Mal <strong>der</strong> Ingenieur Rüdiger Rupp von <strong>der</strong> Orthopädischen<br />
Universitätsklinik Heidelberg.<br />
Patienten <strong>mit</strong> einer Verletzung des<br />
zervikalen Rückenmarks stehen<br />
von einer Sekunde auf die an<strong>der</strong>e<br />
vor dem Problem, ihre Hände und<br />
Arme nicht mehr bewegen zu können.<br />
Von klinischer Seite gibt es nur wenige<br />
Möglichkeiten, diesen Patienten<br />
zumindest Teile ihrer ursprünglichen<br />
Greiffunktion wie<strong>der</strong> zurückgeben zu<br />
können. Der Ingenieur Rüdiger Rupp<br />
hat sich dieses Problems angenommen<br />
und im Rahmen seiner Dissertation<br />
Neuroprothesen zur Wie<strong>der</strong>herstellung<br />
<strong>der</strong> Greiffunktion entwickelt.<br />
<strong>Die</strong> Neuroprothesen lassen sich durch<br />
schwache Muskelanspannungen o<strong>der</strong><br />
sogar durch Gedanken steuern. Rupp<br />
wird für seine hilfreiche Entwicklung in<br />
diesem Jahr <strong>mit</strong> dem Konrad-Biesalski-<br />
Preis ausgezeichnet.<br />
Jährlich erleiden 1.800 Menschen in<br />
Deutschland eine Querschnittlähmung,<br />
40 Prozent <strong>der</strong> meist jungen<br />
Betroffenen sind Tetraplegiker <strong>mit</strong><br />
mehr o<strong>der</strong> min<strong>der</strong> ausgeprägten Funktionsverlusten<br />
an Händen und Armen.<br />
„<strong>Die</strong> Fähigkeit, Gegenstände greifen zu<br />
können, stellt einen wesentlichen Bestandteil<br />
unseres Alltagslebens dar. Bei<br />
Hochquerschnittgelähmten bedeutet<br />
jede Form <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Greiffunktion<br />
einen wesentlichen Gewinn<br />
an Lebensqualität und entscheidet<br />
darüber, ob ein Querschnittgelähmter<br />
sein Leben selbstständig meistern kann<br />
o<strong>der</strong> lebenslang vollständig auf fremde<br />
Hilfe angewiesen ist“, beschreibt<br />
Rupp, <strong>der</strong> an <strong>der</strong> Orthopädischen Universitätsklinik<br />
Heidelberg forscht, die<br />
Motivation für seine preisgekrönte Arbeit.<br />
<strong>Die</strong> einzige Möglichkeit, die zum<br />
größten Teil ausgefallene Greiffunktion<br />
wie<strong>der</strong>herzustellen, besteht zurzeit in<br />
<strong>der</strong> Anwendung von Systemen <strong>der</strong><br />
Funktionellen Elektrostimulation (FES),<br />
auch Neuroprothesen genannt. <strong>Die</strong>se<br />
Geräte aktivieren über kurze Stromimpulse<br />
die noch intakten Nerven im<br />
gelähmten Arm und regen – je nach<br />
Stärke – die Muskeln zu unterschiedlich<br />
starken Kontraktionen an, wie sie<br />
für ziel gerichtetes Greifen notwendig<br />
sind. Aus technisch-klinischer Sicht<br />
erfor<strong>der</strong>t dies den kontrollierten Einsatz<br />
einer Vielkanalstimulation, für die<br />
die bisherige Gerätetechnik nicht ausreicht.<br />
Defi zite bestehen aber auch bei<br />
den Benutzerschnittstellen <strong>der</strong> Neuroprothesen.<br />
Denn für die selbstständige<br />
Kontrolle <strong>der</strong> Neuroprothesen muss <strong>der</strong><br />
Behin<strong>der</strong>te unnatürliche Hilfsbewegungen<br />
ausführen: So sind in <strong>der</strong> Regel<br />
Bewegungen etwa <strong>der</strong> linken Schulter<br />
nötig, um den Griff <strong>der</strong> rechten Hand<br />
zu steuern.<br />
Rüdiger Rupp: Das Forschungsministerium<br />
und die EU för<strong>der</strong>n<br />
sein Projekt.<br />
Rupp stellt in seiner Dissertationsarbeit<br />
„<strong>Die</strong> motorische Rehabilitation von<br />
Querschnittgelähmten <strong>mit</strong>tels Elektrostimulation<br />
– Ein integratives Konzept<br />
für die Kontrolle von Therapie und funktioneller<br />
Restitution“ ein Gerätekonzept<br />
vor, welches genügend Ressourcen zur<br />
Vielkanalstimulation und zur universellen<br />
Implementierung von neuartigen<br />
Benutzerschnittstellen bereitstellt. Der<br />
Ingenieur hat sowohl implantierte als<br />
auch auf Oberflächenelektroden basierende<br />
FES-Systeme eingesetzt. „Mit<br />
implantierbaren Systemen wird ein wesentlich<br />
höherer Alltagsnutzen erreicht,<br />
da die Greifmuster besser reproduziert<br />
und koordiniert werden können und<br />
die Handhabung wesentlich einfacher<br />
ist. Aber auch dort, wo eine Implantation<br />
nicht infrage kommt, kann <strong>mit</strong> den<br />
Oberflächensystemen ein entscheiden<strong>der</strong><br />
Funktionsgewinn erzielt werden“,<br />
sagt Rupp.<br />
Rupp hat zwei neuartige Benutzerschnittstellen<br />
eingeführt und <strong>der</strong>en Leistungsfähigkeit<br />
evaluiert: Zum einen konnte er<br />
zeigen, dass die Registrierung <strong>der</strong> elektrischen<br />
Signale von sehr schwachen<br />
Armmuskeln eine beson<strong>der</strong>s vielversprechende<br />
Alternative speziell zur Kontrolle<br />
einer mehrkanaligen Stimulation<br />
darstellt. Denn Teile <strong>der</strong> noch erhal-<br />
20 orthopädie- und unfallchirurgie-kongressmagazin <strong>kma</strong>
tenen Ansteuerfunktionen können zur<br />
natürlichen Steuerung genutzt werden.<br />
Außerdem konnte Rupp erstmals prinzipiell<br />
nachweisen, dass auch die<br />
elektrischen Aktivitätsän<strong>der</strong>ungen,<br />
die durch eine Bewegungsvorstellung<br />
entstehen und vom Kopf ableitbar<br />
DGOU-PREIS<br />
Handreha-<br />
Management<br />
prämiert<br />
<strong>Die</strong>ser Kongress ist ein ganz beson<strong>der</strong>er: <strong>Die</strong> Deutsche Gesellschaft<br />
für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) und die Deutsche<br />
Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) haben sich zum Zusammenschluss<br />
zu einer gemeinsamen Gesellschaft entschlossen. <strong>Die</strong><br />
neue Fachgesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und<br />
Unfallchirurgie (DGOU), vergibt dieses Mal auch erstmals einen Preis<br />
zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Rehabilitationsforschung 2008.<br />
Ausgezeichnet wird Axel Lohsträter.<br />
Der gelernte Diplomverwaltungswirt<br />
<strong>mit</strong> medizinischer Zusatzqualifi<br />
kation arbeitet als Rehakoordinator bei<br />
dem gesetzlichen Unfallversicherungsträger<br />
VBG in <strong>der</strong> Bezirksverwaltung Erfurt<br />
und hat die Ressortverantwortung<br />
für die medizinische Rehabilitation und<br />
die Heilverfahren sowie die Entwicklung<br />
von Strategien auf diesem Gebiet.<br />
In seiner Arbeit hat <strong>der</strong> 48-jährige Lohsträter<br />
in einer Längsschnitt-Studie die<br />
Effektivität und Effi zienz des Handreha-<br />
Managements <strong>der</strong> VBG anhand <strong>der</strong><br />
Diagnose „distale Radiusfraktur“<br />
überprüft. <strong>Die</strong> Studie hat in <strong>der</strong> Rehabilitationsforschung,<br />
insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong><br />
Unfallver sicherungsträger, Modellcharakter.<br />
Erstmals hat ein Forscher in einer<br />
randomi sierten Studie gleichzeitig<br />
sind, als Kontrollgrößen für Greifneuroprothesen<br />
zu verwenden sind. „Auch<br />
wenn diese Gedankensteuerung noch<br />
sehr trainingsintensiv und langsam ist,<br />
werden wir weiter an ihrer Verbesserung<br />
arbeiten, da<strong>mit</strong> Höchstgelähmte<br />
ohne jegliche Restfunktionen in den<br />
Armen in <strong>der</strong> Zukunft eine komplette<br />
Selbstbeurteilungsinstrumente zur allgemeinen<br />
(SF-36) und spezifi schen Gesundheitswahrnehmung<br />
(DASH) sowie<br />
zur Lebens qualität (EQ-5D) eingesetzt<br />
und die vollständigen Fallkosten in ihrer<br />
tat sächlichen Höhe im Verlauf erhoben.<br />
Lohsträter hat ein defi niertes Handreha-<br />
Management entwickelt, das durch einen<br />
engen Kontakt zwischen Reha-Manager<br />
und Patienten sowie behandelnden<br />
Ärzten charakterisiert ist. <strong>Die</strong>ses hat er<br />
verglichen <strong>mit</strong> dem bekannten Durchgangsarztverfahren.<br />
Sein Ergebnis: Das<br />
konsequente Handreha-Management hat<br />
Vorteile für alle Beteiligten, insbeson<strong>der</strong>e<br />
für die Patienten. Das Handreha-Management<br />
<strong>der</strong> VBG hat bei <strong>der</strong> Verordnung<br />
von Physio- und Ergotherapie bei distalen<br />
Radiusfrakturen zu einer schnelleren,<br />
kürzeren und weniger Behandlungsein-<br />
KONGRESS<br />
Armneuroprothese bedienen können“,<br />
verspricht Rupp. Durch die aktuelle<br />
För<strong>der</strong>ung seiner Forschung durch<br />
das Bundesministerium für Bildung<br />
und Forschung und die Europäische<br />
Union hofft er, dieses Ziel innerhalb <strong>der</strong><br />
nächs ten vier Jahre zu erreichen. | ><br />
DGOU<br />
Axel Lohsträter: Der Gewinner<br />
des Preises zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
Rehabilitationsforschung 2008.<br />
heiten umfassenden Versorgung nach<br />
dem Unfall geführt. Höhere Therapiekosten<br />
konnte Lohsträter, auch ohne<br />
Budgetschranken, in <strong>der</strong> Interventionsgruppe<br />
nicht beobachten.<br />
<strong>Die</strong> Patienten selbst haben in <strong>der</strong> Gruppe<br />
<strong>mit</strong> Handreha-Management ihre Gesundheit<br />
in den verschiedenen Dimensionen<br />
<strong>der</strong> Gesundheitswahrnehmung und <strong>der</strong><br />
Lebensqualität deutlich besser als in <strong>der</strong><br />
Gruppe ohne Handreha-Management bewertet.<br />
Sie sind auch in deutlich kürzerer<br />
Zeit wie<strong>der</strong> arbeitsfähig gewesen und<br />
haben unter weniger funktionellen Einschränkungen<br />
gelitten. Folglich sind die<br />
Aufwendungen des Unfallversicherungsträgers<br />
VBG für Lohnersatzleistungen<br />
o<strong>der</strong> Renten bei höherer Patientenzufriedenheit<br />
deutlich geringer gewesen. | ><br />
DGOU<br />
<strong>kma</strong> orthopädie- und unfallchirurgie-kongressmagazin 21
FORSCHUNG<br />
ARTHROSE<br />
Biotechnologie<br />
ermöglicht Reparatur<br />
Biotechnologie und Tissue Engineering stehen im Brennpunkt medizinischer Forschung.<br />
Ziel ist <strong>der</strong> (Teil-)Ersatz defekter menschlicher Strukturen und Organe unter gelenkter<br />
Aktivierung körpereigener Reparaturmechanismen. Orthopäden und Unfallchirurgen<br />
richten ihr Augenmerk dabei vor allem auf Knochen- und Knorpelverlust.<br />
Strukturschädigungen <strong>mit</strong> Knorpelverlust<br />
führen zu Schmerzen und<br />
eingeschränkter Beweglichkeit.<br />
Wegen <strong>der</strong> ungünstigen Belastungsverhältnisse<br />
führen auch kleinere Knorpeldefekte<br />
rasch zu Abrieb und zu Knorpelschäden,<br />
die an Größe zunehmen<br />
und letztlich zur Arthrose <strong>mit</strong> vollständigem<br />
Abrieb des Knorpels führen.<br />
Geschädigter o<strong>der</strong> verlorener Knorpel<br />
heilt nicht, auch die inneren Anteile<br />
eines Meniskus können nach Riss o<strong>der</strong><br />
Abnutzung nicht mehr regenerieren<br />
und müssen deshalb meist entfernt<br />
werden. <strong>Die</strong>ser Verlust <strong>der</strong> Pufferfunktion<br />
begünstigt weitere Knorpelschädigung.<br />
<strong>Die</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung<br />
zerstörter knorpeliger Gelenkfl ächen<br />
<strong>mit</strong> Beschwerdelin<strong>der</strong>ung, Erhalt <strong>der</strong><br />
Beweglichkeit und Vermeiden <strong>der</strong><br />
Arthrose ist seit je Zielsetzung orthopädisch-chirurgischen<br />
Handelns. Neben<br />
konservativen medikamentösen<br />
Verfahren stehen inzwischen hochmo<strong>der</strong>ne<br />
Therapieformen wie das Tissue<br />
Engineering zur Verfügung, <strong>mit</strong> denen<br />
sich Ersatzknorpel schaffen lässt.<br />
Folgende knorpelersetzende Verfahren<br />
werden unterschieden:<br />
1. Knorpel-Knochen-Transplantation,<br />
auch OCT genannt, ohne Anzüchtung.<br />
Der Knorpelersatz findet lediglich<br />
durch eine Eins-zu-eins-Verpfl<br />
anzung von gesundem Knorpelknochengewebe<br />
von an<strong>der</strong>er Stelle<br />
im Sinne eines – teils unwuchtigen<br />
– Mosaiks <strong>mit</strong> Verlust an <strong>der</strong> Spen<strong>der</strong>stelle<br />
statt.<br />
2. Tissue Engineering <strong>mit</strong> Gewebeanzüchtung.<br />
Unterschieden wird die Anbohrung,<br />
sprich Mikrofrakturierung, im Gelenk,<br />
die auf <strong>der</strong> Wirkung körpereigener<br />
Stammzellen beruht, und das<br />
eigentliche Tissue Engineering <strong>mit</strong><br />
Gewebeentnahme, Anzüchtung außerhalb<br />
des Gelenkes und <strong>der</strong> Rücktransplantation<br />
ins Gelenk. Während<br />
das Mikrofrakturieren nur ein min<strong>der</strong>wertigeres<br />
faserknorpeliges Regenerat<br />
provozieren kann, vermag die<br />
Anzüchtung die beste Annäherung<br />
Generell ist die Umsetzung <strong>der</strong> Transplantationen durch bundeslandabhängig<br />
strenge und starre Gesetzesvorgaben sowie Au agen durch die<br />
Kostenträger zur Kosten-Nutzen-Effektivität erschwert. Um diese Verfahren<br />
zielgerichtet und erfolgreich einzusetzen, müssen Zulassungsbehörden und<br />
Kostenträger Versorgungszentren de nieren, die aufgrund <strong>der</strong> Expertise<br />
zur Versorgung <strong>mit</strong> diesen innovativen Methoden berechtigt sind.<br />
an den eigenen hyalinen Knorpel<br />
zu leisten. Allerdings lässt sich die<br />
Mikrofrakturierung durch Lenkung<br />
vorgeformter Gewebebestandteile<br />
(Matrices) o<strong>der</strong> durch Zusatz von<br />
Wachstumsfaktoren wie Bone Morphogenetic<br />
Proteins (BMP) o<strong>der</strong><br />
Hormone in <strong>der</strong> Geweberegeneration<br />
verbessern.<br />
Wegen des besseren biologischen Ergebnisses<br />
geht <strong>der</strong> Trend daher weiter<br />
zum Einsatz des im Tissue Engineering<br />
erzeugten Knorpelersatzes <strong>mit</strong> höherer<br />
Qualität trotz erhöhter Kosten. Es handelt<br />
sich um ein ausgereiftes Verfahren<br />
<strong>mit</strong> dem auch kombinierte Knorpelverletzungen<br />
therapierbar sind. <strong>Die</strong> Größe<br />
des zu ersetzenden Areals li<strong>mit</strong>iert generell<br />
die Ersatzmöglichkeiten.<br />
Neben <strong>der</strong> Verbesserung des körpereigenen<br />
Reparaturpotenzials bietet das<br />
Tissue Engineering hervorragende Perspektiven,<br />
künftig auch komplexe Gelenkanteile<br />
im Sinne einer wirklichen<br />
Bioprothese herzustellen. Erste erfolgreiche<br />
Anzüchtungen eines gesamten<br />
22 orthopädie- und unfallchirurgie-kongressmagazin <strong>kma</strong>
MEHR ALS JEDER VIERTE<br />
IST BETROFFEN<br />
<strong>Die</strong> Arthrose ist eine irreversible<br />
chronisch fortschreitende Erkrankung<br />
aufgrund vielfältiger Ursachen<br />
und die häufigste Gelenkerkrankung<br />
weltweit. <strong>Die</strong> Häufi gkeit <strong>der</strong><br />
Arthrose beträgt bei 20-Jährigen<br />
etwa 9 Prozent und steigt bei über<br />
65-Jährigen auf über 90 Prozent an.<br />
Betroffen sind vor allem die großen<br />
gewichtstragenden Gelenke, insbeson<strong>der</strong>e<br />
Hüfte und Knie. Allein<br />
in Deutschland leiden 27,7 Prozent<br />
aller Erwachsenen im Alter zwischen<br />
18 und 79 Jahren an einer ärztlich diagnostizierten<br />
Arthrose mindestens<br />
eines Gelenks. <strong>Die</strong> Arthrose stellt<br />
<strong>mit</strong> einem Ausgabenvolumen von<br />
7,2 Milliarden Euro die zweitteuerste<br />
Erkrankung nach Bluthochdruck dar.<br />
Sowohl die individuelle Beeinträchtigung<br />
<strong>der</strong> Patienten als auch die<br />
volkswirtschaftliche Belastung ist<br />
erheblich.<br />
Meniskus sind beschrieben und erste<br />
kombinierte Transplantationen von<br />
Knorpel und Meniskus haben sich im<br />
Tiermodell als erfolgreich erwiesen.<br />
Weitere große Studien zur Züchtung<br />
komplexer Gelenkanteile, die auf dem<br />
aussagekräftigsten gefor<strong>der</strong>ten Studiendesign<br />
basieren, stehen noch aus.<br />
Nicht nur Knorpeldefekte stehen im Brennpunkt<br />
des biotechnologischen Interesses.<br />
Unfälle, Tumoren und große Wechseloperationen<br />
nach Lockerung von<br />
Gelenk-Endoprothesen hinterlassen oft<br />
massive knöcherne Defekte, die operativ<br />
nur schwer zu beherrschen sind und<br />
Knochentransplantationen erfor<strong>der</strong>n.<br />
Das eigene Knochenreservoir eines jeden<br />
Menschen ist sehr begrenzt und<br />
reicht bei diesen massiven Defekten oft<br />
nicht aus. Fehlen<strong>der</strong> Knochen lässt sich<br />
ebenfalls nicht regenerieren.<br />
Meistens müssen Ärzte auf Spen<strong>der</strong>knochen<br />
zurückgreifen, die in einer<br />
Knochenbank lagern. <strong>Die</strong>se können<br />
klinikintern o<strong>der</strong> kommerziell geführt<br />
werden. Allerdings sind Knochentransplantationen<br />
generell durch strenge und<br />
FORSCHUNG<br />
Arthroskopie: Blick während des Eingriffs<br />
auf den Knorpeldefekt.<br />
starre Gesetzesvorgaben erschwert und<br />
deshalb <strong>mit</strong> hohen Kosten verbunden.<br />
Immer mehr Interesse gewinnen Wachstumsfaktoren<br />
und Proteine wie die Bone<br />
Morphogenetic Proteins (BMPs) zur potenten<br />
Unterstützung <strong>der</strong> Knochenregeneration.<br />
<strong>Die</strong> BMPs kommen aus einer<br />
Proteinfamilie <strong>mit</strong> mannigfaltigen und<br />
kaskadenartigen Einfl üssen auf den gesamten<br />
Knochenstoffwechsel. Kommerziell<br />
sind <strong>der</strong>zeit zwei BMPs erhältlich,<br />
das BMP-2 und das BMP-7. Letzteres<br />
ist auch als Eptotermin alpha bekannt,<br />
das für den Einsatz bei Pseudarthrosen<br />
etabliert ist. Wissenschaftler betrachten<br />
das BMP im Vergleich zur körpereigenen<br />
Knochentransplantation zumindest als<br />
gleichwertig. In mehreren Studien hat<br />
sich die Heilungsrate durch Zusatz von<br />
BMPs sogar deutlich erhöht im Vergleich<br />
zu an<strong>der</strong>en Verfahren. Mediziner berichten<br />
von Heilungsraten über 80 Prozent.<br />
Kosten entstehen bei <strong>der</strong> Behandlung<br />
einer Pseudarthrose auch durch wie<strong>der</strong>holte<br />
und verlängerte konservative<br />
Maßnahmen sowie oft mehrfache operative<br />
Revisionen, meist gefolgt von einer<br />
mehrwöchigen Arbeitsunfähigkeit.<br />
<strong>Die</strong>se akkumulierenden Kosten relativieren<br />
den auf den ersten Blick hohen<br />
Preis <strong>der</strong> BMPs. Derzeit beträgt <strong>der</strong><br />
Preis pro Packung BMP-7 über 4.000<br />
Euro. Eine Packung enthält nur wenige<br />
Milligramm wirksames Substrat.<br />
Auch für die rasch fortschreitende Erkrankung<br />
<strong>der</strong> Hüftkopfnekrose <strong>mit</strong><br />
Absterben des Hüftkopfes sehen die<br />
Ergebnisse <strong>mit</strong> BMP gut aus: <strong>Die</strong> Erkrankung<br />
und <strong>der</strong> Zusammenbruch des<br />
Hüftkopfes ist aufzuhalten. In weiteren<br />
ersten Versuchen konnten Wissenschaft- Regensburg<br />
ler aus Muskulatur in entsprechenden<br />
Formkörpern unter Beigabe von BMP Universität<br />
Knochen für Transplantationen herstel- Klinik<br />
len. Große weiterführende Studien sind<br />
auch auf diesem Gebiet noch nötig. | ><br />
Johannes Bec<strong>kma</strong>nn, Orthopädische Orthopädische<br />
Klinik Universität Regensburg Fotos:<br />
<strong>kma</strong> orthopädie- und unfallchirurgie-kongressmagazin 23
GESUNDHEITSPOLITIK<br />
ZUR PERSON<br />
Theodor Windhorst: Präsident <strong>der</strong><br />
Landesärztekammer Westfalen-Lippe,<br />
Vorstands<strong>mit</strong>glied <strong>der</strong> Bundesärztekammer<br />
und Chefarzt an den<br />
Städtischen Kliniken Bielefeld-Mitte.<br />
24 orthopädie- und unfallchirurgie-kongressmagazin <strong>kma</strong>
DELEGATION ÄRZTLICHER TÄTIGKEITEN<br />
Über das Thema Delegation ärztlicher Tätigkeiten streiten Ärzte- und Pfl egeverbände seit<br />
Jahren. <strong>Die</strong> Position <strong>der</strong> Ärzte ist klar: Delegation ja, Kooperation ja – Substitution nein.<br />
Dass es sich bei dieser Haltung nicht um reine Besitzstandswahrung handelt, macht <strong>der</strong><br />
Präsident <strong>der</strong> Landesärztekammer Westfalen-Lippe, Theodor Windhorst, deutlich.<br />
GESUNDHEITSPOLITIK<br />
Arztzentrierung<br />
ist ein Qualitätsmer<strong>kma</strong>l<br />
Interview <strong>mit</strong> Theodor Windhorst<br />
Im Sachverständigengutachten von 2007<br />
heißt es, es zeige sich eine nicht immer<br />
effi ziente Arztzentriertheit <strong>der</strong> Krankenversorgung.<br />
Warum bringt Sie diese Feststellung<br />
so auf?<br />
Windhorst: Zunächst: Es scheint, als hätte<br />
man sich gefragt, wie man die Stellung<br />
des Arztes an oberer Stelle in <strong>der</strong><br />
Berufsprestigeskala ein wenig anknabbern<br />
könnte. Der Begriff „Arztzentriertheit“<br />
ist für uns ein absolut positiver<br />
Ausdruck. Es ist doch gut, wenn sich<br />
<strong>der</strong> Arzt um den Patienten kümmert.<br />
Hier wird dieser Begriff aber in einem<br />
Kontext benutzt, bei dem Ineffi zienz<br />
und Hierarchie <strong>mit</strong>schwingen. Ich lehne<br />
es ab, diesen Begriff in einem solchen<br />
Zusammenhang zu verwenden.<br />
Nur Arzt und Pfl ege im Team garantieren<br />
eine qualitativ gute Versorgung.<br />
Arztzentrierung ist ein Qualitätsmer<strong>kma</strong>l!<br />
Wer sonst, wenn nicht <strong>der</strong> Arzt,<br />
trägt die Hauptlast <strong>der</strong> Verantwortung<br />
bei <strong>der</strong> Behandlung? Im Übrigen hat<br />
<strong>der</strong> Sachverständigenrat viele Vorschläge<br />
gemacht, wie beispielsweise<br />
die Logopäden, die Physiotherapeuten<br />
und die Ergotherapeuten sich weiterentwickeln<br />
können, indem sie in den<br />
ärztlichen Beruf eingreifen. Wenn das<br />
gesetzlich so verfolgt wird, muss auch<br />
die Budgetverantwortung den verän<strong>der</strong>ten<br />
Versorgungsebenen angepasst<br />
werden.<br />
<strong>Die</strong> Entwicklung ist offenbar nicht aufzuhalten:<br />
Nach dem Pfl egeweiterentwicklungsgesetz<br />
ist in Modellvorhaben die Übertragung<br />
ärztlicher Tätigkeiten, bei denen es<br />
sich um die selbstständige Ausübung <strong>der</strong><br />
Heilkunde handelt, auf die Angehörigen <strong>der</strong><br />
Pfl egeberufe vorgesehen ...<br />
Windhorst: Mit uns wird die Regelung<br />
des Arztvorbehalts nie unterlaufen<br />
werden. Das geht <strong>mit</strong> unserem System<br />
und <strong>mit</strong> unserem Verantwortungsethos<br />
für die Patienten nicht. <strong>Die</strong>s ist meiner<br />
Meinung nach <strong>der</strong> direkte Weg in die<br />
Zweiklassenmedizin: eine ärztliche Versorgung<br />
<strong>mit</strong> einem Rechtsanspruch auf<br />
Facharztstandard und eine nichtärztliche<br />
Versorgung zweiter Klasse, die<br />
politisch gewollt ist. Das darf es nicht<br />
geben, weil es zulasten <strong>der</strong> Patientensicherheit<br />
geht.<br />
Welche bislang dem Arzt vorbehaltenen<br />
Tätigkeiten auf nichtärztliche Berufe<br />
übertragen werden können, soll durch<br />
den Gemeinsamen Bundesausschuss<br />
entschieden werden. <strong>Die</strong> Bundesärztekammer<br />
muss in diesem Verfahren laut<br />
Gesetz angehört werden. Fest steht:<br />
Wir sagen Nein zu dieser Entwicklung.<br />
Teamarbeit hingegen ist ausdrücklich<br />
gewünscht, beson<strong>der</strong>s, wenn sie arztentlastend<br />
gestaltet wird.<br />
In vielen an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n wird das an<strong>der</strong>s<br />
gesehen und praktiziert. Überzeugen Sie<br />
diese Beispiele nicht?<br />
Windhorst: Sicher, es gibt reichlich Beispiele:<br />
Schon 1970 hat Kanada Nurse<br />
Practitioners eingeführt. Seit 1989 gibt<br />
es in Großbritannien Practice Nurses<br />
und seit 1997 Nurse Practitioners in<br />
den Nie<strong>der</strong>landen. Sehr viele Studien<br />
aus Großbritannien zeigen, dass das<br />
System nicht unbedingt kostengünstiger<br />
o<strong>der</strong> qualitativ besser wird, wenn<br />
man eine Versorgungszwischenebene<br />
einzieht, die auch eine gewisse Eigendynamik<br />
entwickelt.<br />
Sehen wir uns das amerikanische Beispiel<br />
an. Es ist das teuerste System <strong>der</strong><br />
<strong>Die</strong> Qualität <strong>der</strong> P ege hängt nicht<br />
von <strong>der</strong> Akademikerkarriere ab.<br />
<strong>kma</strong> orthopädie- und unfallchirurgie-kongressmagazin 25
FORSCHUNG<br />
Welt, es hat die meiste Beteiligung von<br />
nichtärztlichen Gesundheitsberufen,<br />
und die spezialisierte Versorgung ist<br />
nur für Bessergestellte erschwinglich.<br />
Das nie<strong>der</strong>ländische System hat aufgrund<br />
des Ärztemangels vor allem im<br />
Hausärzte-Bereich die Nurse Practitioners<br />
eingesetzt. Dafür ebnet <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />
den Weg nach dem Motto: Mangel<br />
macht‘s möglich, nichtmedizinischen<br />
Gesundheitsberufen die Ausübung <strong>der</strong><br />
Heilkunde zu ermöglichen. Zu den Aufgaben<br />
<strong>der</strong> Nurse Practitioners in den<br />
Nie<strong>der</strong>landen zählen die Erhebung <strong>der</strong><br />
Anamnese, die körperliche Untersuchung,<br />
die medizinische Diagnostik, die<br />
Verschreibung von Medikamenten und<br />
die Überweisung an Fachärzte. Zuvor<br />
waren dies Aufgaben von Ärzten. Trotzdem<br />
reisen viele Patienten zur Behandlung<br />
über die Grenze nach Deutschland.<br />
In diesem Zusammenhang möchte ich<br />
darauf hinweisen, dass auch in diesem<br />
Sommer wie<strong>der</strong> tausende Urlauber<br />
Reiserückholversicherungen für den<br />
medizinischen Ernstfall im Ausland abgeschlossen<br />
haben.<br />
Käme es in Deutschland zu einer Akademisierung<br />
<strong>der</strong> Pfl egeberufe, hätten Sie nichts<br />
dagegen, dass Pfl egekräfte zum Beispiel<br />
bestimmte Medikamente verschreiben<br />
dürften? Wie weit würden Sie den Verantwortungsbereich<br />
im Falle einer Akademisierung<br />
defi nieren?<br />
Windhorst: <strong>Die</strong> 700.000 Pfl egekräfte in<br />
Deutschland haben bisher gute und<br />
hoch qualifi zierende Ausbildungsgänge<br />
für ihre Arbeit absolviert. Ob die wenigen<br />
Funktionskräfte im Land akademisiert<br />
sein müssen, muss <strong>der</strong> Markt entscheiden.<br />
Ich glaube, die Qualität <strong>der</strong><br />
Pfl ege in deutschen Krankenhäusern<br />
und Pfl egeheimen hängt nicht von <strong>der</strong><br />
Akademikerkarriere ab, son<strong>der</strong>n von<br />
<strong>der</strong> grundsoliden Versorgung <strong>der</strong> Pfl egebedürftigen.<br />
<strong>Die</strong>se ist nur gewährleistet,<br />
wenn ausreichend Pfl egekräfte <strong>mit</strong><br />
dem <strong>der</strong>zeitigen Pfl egestandard an den<br />
Patienten arbeiten können.<br />
Was halten Sie davon, dass Pfl egekräfte<br />
schon jetzt immer mehr organisatorische<br />
Aufgaben übernehmen?<br />
Windhorst: In einem Gutachten von<br />
Eckhard Nagel aus Bayreuth wurden<br />
50 Case-Management-Projekte untersucht.<br />
Case Manager als Fallverantwortliche<br />
übernehmen arztentlastend und<br />
arztunterstützend Bereiche <strong>der</strong> Dokumentation,<br />
<strong>der</strong> Qualitätssicherung<br />
und <strong>der</strong> allgemeinen intersektoralen<br />
Organisation. Sie sollen auch an Visiten<br />
teilnehmen und nah <strong>mit</strong> dem Arzt<br />
zusammenarbeiten und entsprechend<br />
dem Delegationsprinzip Verantwortung<br />
tragen. Das wäre eine große Entlastung<br />
für die Ärzte. Der Ärztetag in Münster<br />
hat deshalb auch für eine stärkere Einbeziehung<br />
von Gesundheitsberufen ins<br />
Case Management gestimmt.<br />
Wie bewerten Sie die stetig wachsende<br />
Zahl von Operationstechnischen Assistenten<br />
(OTA)?<br />
Windhorst: <strong>Die</strong> Bundesärztekammer<br />
unterstützt Bestrebungen zu einer<br />
bundeseinheitlichen Regelung des Berufs<br />
des OTA. Der OTA kommt aus dem<br />
technischen Bereich. Er ist in allen Bereichen<br />
<strong>der</strong> Versorgung im interventionellen<br />
Bereich einsetzbar und aus den<br />
Zwängen des Medizinproduktegesetzes<br />
notwendig. Wir wollen beginnen <strong>mit</strong><br />
<strong>der</strong> Viszeralchirurgie, <strong>der</strong> Gynäkologie,<br />
<strong>der</strong> Unfallchirurgie und <strong>der</strong> Orthopädie.<br />
Er hat nichts <strong>mit</strong> <strong>der</strong> ärztlichen Tätigkeit<br />
im engeren Sinne zu tun.<br />
Ich lehne es jedoch ab, dass Assistenten<br />
im OP nicht delegationsfähige<br />
Leistungen übernehmen, wie dies bei<br />
den chirurgisch-technischen Assistenten<br />
(CTA) <strong>der</strong> Fall ist. <strong>Die</strong> CTA sollen<br />
beispielsweise den Bauch öffnen<br />
dürfen, nicht nur schließen, sie sollen<br />
Blutstillung vornehmen und Drainagen<br />
anlegen dürfen. Und das alles nach 80<br />
Stunden Fortbildung durch selbst ernannte<br />
Fachleute! Das spottet unserer<br />
dachärztlichen Arbeit.<br />
Sie halten in jedem Fall unter dem Arztvorbehalt<br />
fest?<br />
Windhorst: Der Gesetzgeber hat den-<br />
Arztvorbehalt in zahlreichen Gesetzen<br />
festgeschrieben. Meldepflichtige Infektionserkrankungen,Bluttransfusionen,<br />
<strong>der</strong> Umgang <strong>mit</strong> Embryonen und<br />
Röntgenstrahlen, <strong>mit</strong> Betäubungs- und<br />
Arznei<strong>mit</strong>teln, die Anwendung von Medizinprodukten:<br />
Mit Blick auf das Gefahrenpotenzial<br />
hat <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />
hier Ärztinnen und Ärzten die Verantwortung<br />
und da<strong>mit</strong> auch das Haftungsrisiko<br />
zugeschrieben.<br />
Der Patient muss sich darauf verlassen können,<br />
dass er eine am Facharztstandard orientierte Narkose erhält.<br />
Auch die Wissenschaft formuliert sehr<br />
klare Aussagen zum Arztvorbehalt. Ein<br />
Beispiel: Angesichts des Risikopotenzials<br />
von sogenannten „Parallelnarkosen“<br />
und <strong>der</strong> Durchführung von<br />
Narkosen durch Nichtärzte hat die<br />
Deutsche Gesellschaft für Anästhesie<br />
in ihrer „Münsteraner Erklärung“ bereits<br />
vor vier Jahren den wissenschaftlichen<br />
Erkenntnisstand festgehalten.<br />
Sie hat deutlich gesagt, dass es klare<br />
Hinweise gibt, dass die Qualifi kation<br />
desjenigen, <strong>der</strong> das Anästhesieverfahren<br />
durchführt und überwacht, <strong>mit</strong><br />
dem Behandlungserfolg korreliert.<br />
Zwischenfälle in <strong>der</strong> Anästhesie sind<br />
selten. Das darf aber nicht darüber<br />
hinwegtäuschen, dass es sich dann<br />
in <strong>der</strong> Regel um lebensbedrohliche<br />
Krisen <strong>mit</strong> schweren und schwersten<br />
Folgen für den Patienten handelt,<br />
zwischen <strong>der</strong>en Erkennen und Beherrschen<br />
meist nur wenige Minuten<br />
liegen.<br />
Der Patient muss sich darauf verlassen<br />
können, dass es sich um eine am<br />
Facharztstandard orientierte Narkose<br />
handelt. Sollte von dem Facharztstandard<br />
durch die Substitution in <strong>der</strong><br />
ärztlichen Tätigkeit abgerückt werden,<br />
muss <strong>der</strong> Patient vor dem Eingriff aufgeklärt<br />
und darauf hingewiesen werden,<br />
dass die Operation nicht nach<br />
fachärztlichem Standard erfolgt. | ><br />
Interview: Kirsten Gaede<br />
26 orthopädie- und unfallchirurgie-kongressmagazin <strong>kma</strong><br />
Fotos: Ärztekammer Westfalen-Lippe
KNOCHEN- UND GELENKERKRANKUNGEN<br />
10-Punkte-Programm<br />
sichert Behandlung<br />
FORSCHUNG<br />
In Deutschland sind über 30 Millionen Menschen von behandlungsbedürftigen Muskel- und Skeletterkrankungen<br />
betroffen – und es werden immer mehr. Trotzdem fehlen Ressourcen für die Behandlung.<br />
Zur Sicherung <strong>der</strong> Patientenbehandlung haben die Fachgesellschaften einen 10-Punkte-Katalog formuliert.<br />
D<br />
die Zahl <strong>der</strong> Knochen- und Gelenkerkrankungen<br />
wird auch<br />
künftig weiter steigen. Da<strong>mit</strong> erhöht<br />
sich <strong>der</strong> Versorgungsbedarf deutlich.<br />
<strong>Die</strong> Gesellschaft hat darauf bisher<br />
nicht reagiert. <strong>Die</strong> Union Orthopädie-<br />
Unfallchirurgie sieht jedoch Handlungsbedarf.<br />
Joachim Grifka, Präsident<br />
<strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft für Orthopädie<br />
und Orthopädische Chirurgie,<br />
sowie Axel Ekkernkamp, Präsident <strong>der</strong><br />
Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie,<br />
haben deshalb einen Katalog<br />
<strong>mit</strong> zehn dringenden For<strong>der</strong>ungen an<br />
Politik, Universitäten und Krankenkassen<br />
aufgestellt. <strong>Die</strong>ser soll nicht nur die<br />
Patientenbehandlung sichern, son<strong>der</strong>n<br />
auch die Ausbildung und Forschung.<br />
<strong>Die</strong> For<strong>der</strong>ungen zur Prävention:<br />
• <strong>Die</strong> knochen- und gelenkgerechte<br />
Erziehung muss frühzeitig bei Kin<strong>der</strong>n<br />
ansetzen.<br />
• Gesundheitspolitisch ist eine gezielte<br />
Untersuchung beim Wechsel<br />
von <strong>der</strong> Grundschule zur weiterführenden<br />
Schule wichtig, um<br />
Verän<strong>der</strong>ungen zu erkennen und<br />
Verschlimmerungen in <strong>der</strong> Phase<br />
des vermehrten Wachstums zu verhin<strong>der</strong>n,<br />
etwa Verkrümmungen <strong>der</strong><br />
Wirbelsäule (Skoliose).<br />
• <strong>Die</strong> regelrechte neuromuskuläre<br />
Entwicklung muss geför<strong>der</strong>t werden,<br />
denn sie dient <strong>der</strong> Prävention von<br />
Haltungs- und Bewegungsstörungen<br />
bis hin zu verschleißbedingten Gelenkerkrankungen.<br />
• Wissenschaftliche Studien zu Knochen-<br />
und Gelenkerkrankungen<br />
sollten verstärkt geför<strong>der</strong>t werden,<br />
im Bereich <strong>der</strong> Grundlagenwissenschaften<br />
und bei <strong>der</strong> Versorgungsforschung,<br />
um im präventiven wie<br />
kurativen Ansatz breit angelegt evaluierte<br />
Maßnahmen einzusetzen.<br />
• <strong>Die</strong> Unfallverhütung ist zu verbessern<br />
in enger Kooperation <strong>mit</strong> <strong>der</strong><br />
Regierung, <strong>der</strong> Deutschen gesetzlichen<br />
Unfallversicherung und dem<br />
Deutschen Verkehrssicherheitsrat.<br />
• <strong>Die</strong> Unfallursachen-Analyse muss<br />
intensiviert werden. Es ist beson<strong>der</strong>s<br />
wichtig, die erfolgreich begonnene<br />
Suche nach Persönlichkeitsmer<strong>kma</strong>len<br />
und individuellen Risiko-Profi -<br />
len unter den Verkehrsteilnehmern<br />
fortzusetzen.<br />
Weitere For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Union<br />
Orthopädie-Unfallchirurgie:<br />
• <strong>Die</strong> orthopädischen und unfallchirurgischen<br />
Leistungen müssen<br />
umfassend verfügbar und eine<br />
kurzfristige Behandlung garantiert<br />
sein. Schließlich verbessert <strong>der</strong><br />
medizinisch-technische Fortschritt<br />
Behandlungen, verkürzt stationäre<br />
und ambulante Behandlungszeiten<br />
und beschleunigt Reintegration.<br />
• Es ist notwendig, die präklinische<br />
und klinische Versorgung von Unfallpatienten<br />
zu verbessern. Dazu<br />
tragen bei:<br />
1. die Stärkung des Rettungswesens.<br />
Es gibt Probleme etwa durch<br />
Schließungen von Krankenhäusern<br />
und Notarzt-Standorten,<br />
Verlängerung <strong>der</strong> Eintreffzeiten<br />
und Kürzung <strong>der</strong> Mittel.<br />
2. <strong>der</strong> Aufbau eines flächendeckenden<br />
Traumanetzwerkes.<br />
<strong>Die</strong> im Bereich <strong>der</strong> Arbeits- und<br />
Wegeunfälle weltweit vorbildliche<br />
Unfallverhütung und Lenkung<br />
des Heilverfahrens sollte auch auf<br />
die übrige Bevölkerung übertragen<br />
werden.<br />
3. Ausweisung von Traumazentren<br />
in <strong>der</strong> Größenordnung 1:1 Million<br />
Einwohner. Das heißt: Mittelfristig<br />
sollten 80 Zentren darauf<br />
vorbereitet sein, schwerstverletzte<br />
Patienten nach Unfällen jedwe<strong>der</strong><br />
Art versorgen zu können.<br />
• Verbesserungen in <strong>der</strong> Ausbildung<br />
zum Arzt: Erkrankungen und Verletzungen<br />
<strong>der</strong> Knochen und Gelenke<br />
müssen entsprechend ihrer Prävalenz<br />
und Relevanz in <strong>der</strong> medizinischen<br />
Ausbildung verankert sein.<br />
Im Curriculum für Arztausbildung<br />
ist in einem ersten Schritt eine Verdopplung<br />
des Stundenkontingentes<br />
erfor<strong>der</strong>lich, um das Basiswissen <strong>der</strong><br />
alltäglichen Praxis sicherzustellen.<br />
• Hausarzt für Knochen und Gelenke:<br />
In einer Staffelung des Behandlungsregimes<br />
bleibt <strong>der</strong> Hausarzt Anlaufstelle<br />
für lokale, vorübergehende Bewegungsstörungen.<br />
Alle manifesten<br />
Erkrankungen, die Grund für die in<br />
Deutschland hohen Anteile langer<br />
Arbeitsunfähigkeitszeiten und ausgeprägter<br />
Beschwerden sind, müssen<br />
dagegen gezielt vom Orthopäden<br />
und Unfallchirurgen behandelt werden,<br />
<strong>der</strong> in diesem Sinne Hausarzt für<br />
Knochen und Gelenke ist. | ><br />
DGOU<br />
<strong>kma</strong> orthopädie- und unfallchirurgie-kongressmagazin 27
GESUNDHEITSPOLITIK<br />
UNIVERSITÄTSKLINIKA<br />
Der Staat<br />
muss bleiben<br />
Universitätsklinika sind die Schmelztiegel <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong><br />
ärztlichen Kunst. In ihnen wird von beson<strong>der</strong>s qualifi zierten Spezialisten<br />
das <strong>der</strong>zeit maximal verfügbare Wissen zu Diagnose und<br />
Therapie von Erkrankungen des Menschen angewandt und durch<br />
permanente Forschung neu geschaffen und weiterentwickelt.<br />
Es fi ndet durch die enge Verknüpfung<br />
<strong>mit</strong> <strong>der</strong> Hochschulforschung<br />
Gesundheitsversorgung auf einem<br />
Niveau und in einer Aktualität statt, wie<br />
es in an<strong>der</strong>en Versorgungsformen kaum<br />
darstellbar ist.<br />
<strong>Die</strong> Universitätsklinika befi nden sich <strong>mit</strong><br />
ihrer un<strong>mit</strong>telbaren Nutzbarmachung<br />
von Forschungsergebnissen in einer<br />
unstreitigen Pilotfunktion für die breite<br />
und tiefe Versorgung <strong>der</strong> Bevölkerung.<br />
Eben dieser Aspekt wird in <strong>der</strong> allgemeinenGesundheitssystemdiskussion<br />
oftmals übersehen. Sie reduziert die<br />
Universitätsklinika regelmäßig auf ihre<br />
– wichtigen – Aufgaben in Grundlagenforschung<br />
und Lehre. Universitätsklinika<br />
sind jedoch nicht die Elfenbeintürme<br />
des akademischen Betriebes,<br />
sie sind vielmehr die kürzeste und effi -<br />
zienteste Verknüpfung neuer Erkenntnisse<br />
<strong>mit</strong> nutzbringen<strong>der</strong> Anwendung<br />
für das Gemeinwohl. Viele, vor allem<br />
die vielfältigen seltenen Erkrankungen<br />
(„Orphan Diseases“), können überhaupt<br />
nur in Universitätsklinika behandelt<br />
werden, insbeson<strong>der</strong>e wenn<br />
sich dabei interdisziplinäre Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
ergeben.<br />
Unser Rechts- und Verfassungssystem ist<br />
unter an<strong>der</strong>em darauf aufgebaut, dass<br />
<strong>der</strong> Staat elementare Lebensgrundlagen<br />
sichergestellt. <strong>Die</strong>s sind nicht<br />
nur die innere und äußere Sicherheit,<br />
Schulsystem und Verkehrswege, die Gewährleistung<br />
einer Grundversorgung<br />
<strong>mit</strong> Post, Telekommunikation, Energie<br />
sowie den Säulen des Sozialrechtes: Ernährung,<br />
Kleidung und das berühmte<br />
Dach über dem Kopf. Aus vielen dieser<br />
für das Gemeinwohl existenziell wichtigen<br />
Bereiche hat sich <strong>der</strong> Staat bereits<br />
durch Privatisierung zurückgezogen.<br />
Das unlukrative, dafür aber auch für<br />
alte Menschen erreichbare Postamt<br />
um die Ecke gibt es schon lange nicht<br />
mehr. Bei allen Vorteilen <strong>der</strong> höheren<br />
Effi zienz privatwirtschaftlicher Organisationsformen<br />
muss gesehen werden:<br />
Bestimmte Grundbedürfnisse dürfen<br />
nur begrenzt an internationalen Märkten<br />
gemessen werden. Hierzu gehören<br />
zentral auch die Breite und das Niveau<br />
<strong>der</strong> medizinischen Versorgung. Es ist<br />
in diesem Zusammenhang keine Allokations-<br />
und Ethikdiskussion notwendig,<br />
die Einsparpotenziale im Einzelfall<br />
sind hinlänglich beschrieben und diskutiert.<br />
Wenn aber Hochschulmedi-<br />
zin systemisch infrage gestellt würde,<br />
ginge man aus dem Gesundheits- und<br />
Sozialrecht hinaus und befände sich<br />
in einer Problematik fundamentalen<br />
Verfassungsrechtes, <strong>der</strong> Basis unseres<br />
Gemeinwohls.<br />
Gerade „Orphan Diseases“, Erkrankungen<br />
von Randgruppen und Hochrisikopatienten,<br />
sind in ihrer Behandlung<br />
für das Gesundheitssystem höchst<br />
unlukrativ und im DRG nicht adäquat<br />
abgebildet. Durch die budgetarische<br />
Deckelung wird es in den Universitätsklinika<br />
problematisch, die theoretisch<br />
gegebenen Möglichkeiten zur Versorgung<br />
tatsächlich einzusetzen. Außerdem<br />
führt die Deckelung zu Konfl ikten<br />
zwischen <strong>der</strong> breiten Allgemeinversorgung<br />
gängiger Krankheitsbil<strong>der</strong> und<br />
dem Einsatz von High-End-Medizin<br />
im komplexen Einzelfall.<br />
<strong>Die</strong> Hochschulmedizin muss daher von<br />
den für sie nicht sachgerechten Fesseln<br />
des DRG-Systems befreit und ihre<br />
sichere Finanzierung staatlicherseits<br />
unbedingt gewährleistet werden. Gerade<br />
den forschenden Ärzten an Universitätsklinika<br />
muss ihre volle standesrechtliche<br />
Diagnose- und Therapiefreiheit<br />
28 orthopädie- und unfallchirurgie-kongressmagazin <strong>kma</strong>
zurückgegeben werden. Wo sonst, wenn<br />
nicht in Universitätsklinika, macht <strong>der</strong><br />
– wissenschaftsbegleitete – Einsatz von<br />
Arznei<strong>mit</strong>teln und Medizinprodukten<br />
Off Label und im Rahmen von Heilversuchen<br />
Sinn. Kann einem kranken<br />
Menschen irgendwie geholfen werden,<br />
so darf dies gerade im Bereich <strong>der</strong> Universitätsklinika<br />
nicht unter <strong>der</strong> Zensur<br />
eines Medizinischen <strong>Die</strong>nstes <strong>der</strong> Krankenkassen<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sozialgerichte geschehen.<br />
<strong>Die</strong>s wäre Staatsmedizin vom<br />
Schlechtesten, vergleichbar nur <strong>mit</strong> <strong>der</strong><br />
Bewertung großer Komponisten durch<br />
die Kulturwächter von Diktaturen. Viele<br />
Einschränkungen durch Normen und<br />
Rechtsprechung im Bereich des fünften<br />
Sozialgesetzbuches sind in diesem Kontext<br />
geradezu absurd.<br />
Auch die sozialrechtliche Trennung von<br />
Forschung und Krankenversorgung<br />
muss – unter Wahrung von Transparenz<br />
und Korruptionsprävention – fl exibilisiert<br />
werden. Es müssen Lösungen<br />
Jan von Hassel: Der Autor ist Rechtsanwalt in<br />
Regensburg und Geschäftsführer <strong>der</strong> Staatlichen<br />
Ethikkommission an <strong>der</strong> Universität Regensburg.<br />
gefunden werden, die Krankenversicherungen<br />
an <strong>der</strong> Finanzierung von<br />
Forschung beteiligen zu können. Allerdings<br />
sind gemeinnützige Forschung<br />
und kommerzielle Produktentwicklung<br />
zu trennen, zumindest gedanklich. Umgekehrt<br />
sollte klinische Versorgung keinesfalls<br />
durch Mittel fi nanziert werden,<br />
die staatlicherseits für Forschung und<br />
Lehre bestimmt sind, das Scheinargument<br />
„Gemeinkostenanteil“ muss hier<br />
eliminiert werden.<br />
Das Primat <strong>der</strong> Gewinnmaximierung<br />
darf <strong>mit</strong>hin für die Universitätsklinika<br />
nicht gelten. Sollten dennoch Gewinne<br />
erzielt werden, so sind diese im System<br />
zu belassen – zu dessen weiterer<br />
Fruchtbarmachung. Privatisierungen<br />
sollten daher, wenn überhaupt, dann<br />
nur unter gemeinnütziger Rechtsformwahl<br />
stattfi nden.<br />
Schließlich sind Universitätsklinika <strong>der</strong><br />
Platz <strong>der</strong> Aus- und Weiterbildung des<br />
ärztlichen Nachwuchses, von dem die<br />
GESUNDHEITSPOLITIK<br />
<strong>Die</strong> Charité: Auch Europas größte<br />
Universitätsklinik be ndet sich<br />
in Finanznot. Der Jurist Jan von<br />
Hassel plädiert dafür, die Hochschulmedizin<br />
aus den „Fesseln des<br />
DRG-Systems“ zu befreien.<br />
Zukunft unserer Krankenversorgung<br />
auf adäquatem Niveau abhängt. Den<br />
Jungmedizinern muss sich sowohl ein<br />
breites als auch ein spezialisiertes klinisches<br />
Arbeitsumfeld präsentieren.<br />
<strong>Die</strong> Qualität <strong>der</strong> Ausbildung darf nicht<br />
an <strong>der</strong> Streichung von Behandlungsmethoden<br />
aus ökonomischen Gründen<br />
leiden. Der Jungmediziner muss eben<br />
„alles“ einmal gesehen haben. Jedes<br />
Beschneiden und Deckeln <strong>der</strong> Universitätsklinika<br />
ist folglich auch ein Beschneiden<br />
und Deckeln <strong>der</strong> Fähigkeiten<br />
unseres medizinischen Nachwuchses.<br />
Bei allen Argumenten für ein Belassen<br />
<strong>der</strong> Hochschulmedizin im System <strong>der</strong><br />
staatlichen Leistungsverwaltung ist jedoch<br />
auch <strong>der</strong>en Nachteilen zu begegnen.<br />
Auch in hoheitlicher Trägerschaft<br />
ist für den Amtsschimmel kein Platz.<br />
Verwaltungsstrukturen müssen fl exibilisiert<br />
werden, nicht nur die akademische,<br />
son<strong>der</strong>n auch die haushalterische<br />
Selbstständigkeit gilt es zu stärken. Der<br />
Staat muss Raum schaffen für Eigenverantwortung<br />
und Entscheidungsmöglichkeiten<br />
im Bereich von Investitionen.<br />
Ferner sind mehr Personalentwicklungsprogramme<br />
notwendig. Anreizsysteme<br />
für persönliches Engagement sind <strong>der</strong><br />
Schlüssel zu effizienterem Agieren,<br />
Human-Ressource-Management spart<br />
auch monetäre Reibungsverluste. Sparpotenziale<br />
sind hier erst an letzter Stelle<br />
durch Streichungen zu realisieren, viel<br />
wichtiger sind die Schaffung von Synergien<br />
und das konsequente Umsetzen<br />
von Systemoptimierung. Ziel muss sein,<br />
für die Universitätsklinika die Sicherheit<br />
<strong>der</strong> staatlichen Trägerschaft <strong>mit</strong> <strong>der</strong><br />
Effizienz <strong>der</strong> Privatwirtschaft zu verschmelzen.<br />
| ><br />
Jan von Hassel<br />
<strong>kma</strong> orthopädie- und unfallchirurgie-kongressmagazin 29<br />
Fotos: Charité/privat
SERVICE<br />
VERANSTALTUNGEN<br />
OKTOBER 2008<br />
18.10. Nümbrecht<br />
Osteoporosetag 2008<br />
Information: Akademie Deutscher Orthopäden,<br />
Tel.: 030/79 74 44-47,<br />
E-Mail: info@stiftung-ado.de<br />
26.10. bis 31.10. Berlin<br />
Training zur interkulturellen Öffnung von<br />
Einrichtungen <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenhilfe<br />
Information: Interkulturelle Arbeitsstelle Ibis<br />
e.V., Internet: www.ibis-ev.de,<br />
Tel.: 0441/88 40 16, E-Mail: info@ibis-ev.de<br />
NOVEMBER 2008<br />
01.11. und 02.11. Oldenburg<br />
K-Active Taping Kurs<br />
Information: Marmed e.K.,<br />
Internet: www.mar-med.de,<br />
Tel.: 04331/696 12 11,<br />
E-Mail: info@mar-med.de<br />
geprüft<br />
IMPRESSUM<br />
01.11. bis 08.11. Hannover<br />
Weiterbildung: Manuelle Medizin<br />
Information: MWE e.V.,<br />
Internet: www.aerzteseminar-mwe.de,<br />
Tel.: 07562/97 18 10<br />
05.11. und 12.11. Berlin<br />
Qualitätsmanagementschulung: Das<br />
BVOU-QM-System<br />
Information: Akademie Deutscher Orthopäden,<br />
Tel: 030/79 74 44-47<br />
E-Mail: info@stiftung-ado.de<br />
07.11. und 08.11. Cham/ Schweiz<br />
Jahrestagung <strong>der</strong> Arbeitsgemeinschaft für<br />
Prothesen und Orthesen (APO)<br />
Internet: www.a-p-o.ch,<br />
Tel.: 004179/445 97 54,<br />
E-Mail:widmer.mt@teltron.ch<br />
22.11. Ulm<br />
21. Orthopädisch-Unfallchirurgisches<br />
Kolloquium<br />
Information: Universitätsklinikum Ulm,<br />
Tel.: 0731/177 11 01<br />
Anschrift <strong>der</strong> Redaktion<br />
Neue Grünstraße 17 | 10179 Berlin<br />
Tel.: 030/33 09 19-0 | Fax: 030/33 09 19-29<br />
E-Mail: <strong>kma</strong>-berlin@<strong>kma</strong>-online.de<br />
Internet: www.<strong>kma</strong>-online.de<br />
ISSN 1615-8695<br />
Herausgeber<br />
Gerhard Hirz, Gunter Murzin<br />
Chefredakteur (V.i.S.d.P.)<br />
Ulrich Glatzer: ulrich.glatzer@<strong>kma</strong>-online.de<br />
Redaktion<br />
Claudia Dirks: claudia.dirks@<strong>kma</strong>-online.de<br />
Kirsten Gaede: kirsten.gaede@<strong>kma</strong>-online.de<br />
Jens Mau: jens.mau@<strong>kma</strong>-online.de<br />
Ingrid Mühlnikel: ingrid.muehlnikel@<strong>kma</strong>-online.de<br />
Adalbert Zehn<strong>der</strong>: adalbert.zehn<strong>der</strong>@<strong>kma</strong>-online.de<br />
Grafik<br />
Anna Winker (Leitung), Ursula Schicke (CvD)<br />
Stephie Becker, Otto Gruber<br />
Schlussredaktion<br />
Susanne van Cleve<br />
22.11. bis 23.11. München<br />
VFOS – 10. Münchner Sporttraumatologietage<br />
Information: VFOS e.V.,<br />
Internet: www.vfos.sport-ortho.de,<br />
Tel.: 089/60 06 06 25<br />
DEZEMBER 2008<br />
05.12. bis 06.12. Mainz<br />
10. AE-Kongress<br />
Information: Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik,<br />
Internet: www.ae-germany.com,<br />
Tel.: 0761/45 64-7666,<br />
E-Mail: a.trautwein@ae-germany.com<br />
30.04.09 bis 03.05.09 Baden-Baden<br />
57. Jahrestagung <strong>der</strong> Vereinigung Süddeutscher<br />
Orthopäden 2009<br />
Information: VSO e.V.,<br />
Internet: www.vso-ev.de<br />
Mitarbeiter dieser Ausgabe<br />
Jan von Hassel, Christian Lüring, Dirk Stengel<br />
Anschrift des Verlags<br />
WIKOM GmbH<br />
Kommunikation für die Gesundheitswirtschaft<br />
Karlhäuser 6 | 94110 Wegscheid<br />
Tel.: 08592/93 57-0 | Fax: 08592/93 57-29<br />
E-Mail: info@wikom.net<br />
Internet: www.wikom.net<br />
Geschäftsführung<br />
Gerhard Hirz, Gunter Murzin<br />
Anzeigenleitung<br />
Gerhard Hirz, Tel.: 08592/93 57-0, ghirz@wikom.net<br />
Anzeigenverkauf<br />
Adelheid Rödig, Tel.: 08592/93 57-17, aroedig@wikom.net<br />
Druck: <strong>Die</strong>richs Druck + Media GmbH & Co. KG, Kassel<br />
Printed in Germany<br />
© 2008 für alle Beiträge bei WIKOM GmbH. Nachdruck, auch<br />
auszugsweise, Aufnahme in <strong>Online</strong>dienste und Internet<br />
sowie Vervielfältigung auf Datenträger wie CD-ROM, DVD-<br />
ROM etc. nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung des<br />
Verlags. Für unaufgefor<strong>der</strong>t eingesandte Manu skripte und<br />
Fotos keine Gewähr.<br />
30 orthopädie und unfallchirurgie kongressmagazin <strong>kma</strong>
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