Interview SVEN HORAK »Unternehmen arbeiten häufig an Symptomen, statt der Ursache auf den Grund zu gehen.« GANZHEITLICHE DIGITALISIERUNG STATT INSELLÖSUNGEN Eine lückenlose Verfahrensdokumentation festigt die Unternehmensstruktur 8 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe <strong>23</strong> . <strong>ERFOLG</strong> magazin
Interview Bild: Felix Zeiffer Die Verpflichtung, buchhalterische Abläufe nachvollziehbar zu dokumentieren, bietet die Möglichkeit für einen strukturierten Einstieg in die Digitalisierung. Sven Horak ist Experte in diesem Bereich und unterstützt KMU bei der Ausarbeitung von Verfahrensdokumentationen. In unserem Interview erklärt er, warum es so wichtig ist, dieser Pflicht nachzukommen, und warum diese Hürde auch Chancen für den Betrieb bietet. Herr Horak, Sie unterstützen mit Ihrem Unternehmen andere Unternehmer bei der Ausarbeitung einer Verfahrensdokumentation für steuerliche und buchhalterische Prozesse. Welche Herausforderung bedeutet dies für beide Seiten? Die größte Herausforderung ist der geringe Bekanntheitsgrad dieses Themenkomplexes. Es ist vielen Unternehmern gar nicht bewusst, dass sie ohne Verfahrensdokumentation der Gefahr von teilweise erheblichen Hinzuschätzungen nach einer Betriebsprüfung von bis zu 10 Prozent des Umsatzes ausgesetzt sind. Die Verfahrensdokumentation wird als finanzbehördliche Pflicht verstanden. Der Unternehmer hakt das Thema häufig für sich ab und setzt voraus, dass sich der Steuerberater darum kümmert. Steuerberater wiederum haben häufig keine Kapazitäten, um eine vollständige Verfahrensdokumentation auszuarbeiten. Hinzu kommt, dass sie zwar die Buchhaltung führen, aber die gesamte Abwicklung innerhalb des beratenen Unternehmens gar nicht kennen. Meist geben Steuerberater Informationen über die Verfahrensdokumentationspflicht in Form eines Newsletters weiter. Unternehmer überfliegen diesen meist nur, und so findet die Thematik keine angemessene Aufmerksamkeit. Die Verfahrensdokumentation führt also ein Schattendasein – genau bis zu dem Moment, in dem das Finanzamt sie im Vorfeld einer Steuerprüfung einfordert. Dann bricht Panik aus, und die Verantwortlichen im Unternehmen erstellen kurzfristig ein Dokument, um etwas vorweisen zu können. Häufig spiegelt dieses Dokument aber nicht die gelebten Prozesse wider und ist somit in einer Prüfung nur bedingt belastbar. GoBD ist die Abkürzung für »Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff«. Braucht es diese bürokratische Schnittstelle zwischen Unternehmen und Staat? Die geschäftlichen Prozesse haben sich mit zunehmendem Tempo in den vergangenen zehn Jahren erheblich verändert. Die Prüfungsvorgaben mussten dringend daran angepasst werden. Den Gesamtüberblick über die Abläufe und Zuständigkeiten zu behalten, ist schon für den Unternehmer eine große Herausforderung. Für einen Betriebsprüfer ist es ohne ein »Unternehmenshandbuch« in vielen Fällen sogar unmöglich, das Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Softwaresystemen nachzuvollziehen, um eine Betriebsprüfung durchführen zu können. Darauf hat das Bundesfinanzministerium mit Einführung der GoBD im Januar 2015 entsprechend reagiert: Ein Betriebsprüfer muss nachvollziehen können, wer welchen Schritt mit welchen Werkzeugen im Unternehmen macht und wie kritische Prozessschritte kontrolliert werden. Er muss verstehen können, wie sichergestellt wird, dass die Daten in der Buchhaltung vollständig und nicht manipuliert sind. Die Betriebsprüfung an sich ist dementsprechend nicht mehr darauf beschränkt, die Ordnungsmäßigkeit der Belege und deren Verbuchung festzustellen. Vielmehr rücken die Manipulations- und Verlustrisiken beim Betriebsdurchlauf in den Vordergrund und somit gewinnt der gesamte Vorgang an Bedeutung in der Nachweispflicht. Das ist eine gravierende Änderung, auf die sowohl Unternehmer als auch Steuerberater häufig noch nicht vorbereitet sind. Ist diese Verfahrensdokumentation eine Chance für Unternehmer, die Digitalisierung voranzubringen und damit alle Prozesse transparenter zu machen? Die gesamte Wirtschaftswelt spricht von Digitalisierung. Viele Unternehmer finden jedoch keinen Einstieg in die Planung und Umsetzung – auch weil die angebotenen Lösungen unüberschaubar sind. Ohne ein klares Verständnis der Ist-Prozesse kann Digitalisierung im Unternehmen nicht gelingen. Dafür bietet die Verfahrensdokumentation den perfekten Einstieg, da sie mit der Darstellung der Ist-Prozesse beginnt. In den verständlich dargestellten Prozessflussdiagrammen sieht der Unternehmer sofort, wo sich Risiken in den aktuellen Abläufen verbergen. Mit diesem Verständnis kann er nun die am Markt vorhandenen Softwarelösungen dahingehend beurteilen, ob sie seine spezifischen Schwachstellen beseitigen können. Nach Abschluss der strukturierten Prozessoptimierung ist es daher keine Seltenheit, die Durchlaufzeiten betriebswirtschaftlicher Abläufe im deutlich zweistelligen Prozentbereich reduzieren zu können. Die Investition in die Ausarbeitung einer Verfahrensdokumentation rechnet sich somit sehr schnell – vor allem, wenn das Unternehmen eines der attraktiven staatlichen Förderprogramme in Anspruch nimmt. Sie haben durch Ihr umfangreiches Netzwerk aus Unternehmen und Steuer- beratern einen guten Überblick über unterschiedliche interne Strukturen. Welche Prozesse schmälern aus Ihrer Sicht die Produktivität in mittelständischen Firmen? Unternehmen arbeiten häufig an Symptomen, statt der Ursache auf den Grund zu gehen. Sie schaffen Insellösungen, statt das Gesamtsystem zu optimieren. Das führt zu Frustration bei den Mitarbeitern, weil sich die gewünschten Verbesserungen nicht einstellen. Ein Beispiel dafür ist die Zeiterfassung, für die es häufig ein isoliertes System gibt. Das hat zur Folge, dass die mit diesem System erfassten Zeiten manuell in die Personalmanagementsoftware übertragen werden müssen. Dann stellen Mitarbeiter die Effizienz der angeschafften Systeme infrage. Unternehmen sollten sich daher für ein zentrales und führendes betriebswirtschaftliches Softwaresystem entscheiden, dem sich die Insellösungen unterordnen. In dem vorher geschilderten Fall der Zeiterfassung ist für einen erfolgreichen Einsatz die automatisierte Datenübertragung in die führende Software sicherzustellen, um einen ganzheitlichen Prozessfluss zu gewährleisten. Aber auch der Mensch spielt eine entscheidende Rolle. Eine erfolgreiche Implementierung neuer Systeme funktioniert nur, wenn die Unternehmensführung die Mitarbeiter abholt und mitnimmt. Die Verantwortlichen dürfen sich bei der Einführung nicht nur auf das »Wie« konzentrieren, sondern sie müssen auch das »Warum« vermitteln. Dann stehen die handelnden Personen den Veränderungen positiv gegenüber und es entstehen keine Reibungsverluste. Was würden Sie Gründern raten? Was ist beim Anlegen interner Prozesse von Anfang an wichtig, damit das Unternehmen transparent und effizient wachsen kann? Eine gute Vorbereitung ist der Schlüssel zum Erfolg. Jede Minute, die Gründer im Vorfeld in die Prozessplanung investieren, zahlt sich später um ein Vielfaches aus. Dabei sollte in Funktionen und nicht in Personen gedacht werden, auch wenn gerade in der Anfangszeit eine Person mehrere Funktionen wahrnimmt. Die Prozesse sollten so aufgebaut sein, dass sie in der Wachstumsphase problemlos skalierbar sind, damit der Gründer sich betriebswirtschaftlich voll auf das Wachstum konzentrieren kann. MK Sven Horak ist Spezialist für Verfahrensdokumentation und Geschäftsführer der vemeto GmbH www.vemeto.de <strong>ERFOLG</strong> magazin . Ausgabe <strong>23</strong> . www.erfolg-magazin.de 9