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Jahrgang 2004/2005 Heft 34 - Landesforschungsanstalt für ...

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Mitteilungen der <strong>Landesforschungsanstalt</strong><br />

<strong>für</strong> Landwirtschaft und Fischerei<br />

Mecklenburg-Vorpommern<br />

Beiträge zur Fischerei<br />

aus den Bereichen Binnenfischerei,<br />

Küstenfischerei und Aquakultur<br />

<strong>Jahrgang</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong><br />

<strong>Heft</strong> <strong>34</strong><br />

ISSN 1618-7938


Inhaltsverzeichnis<br />

Autor Titel Seite<br />

Diekmann, M.;<br />

Lemcke, R.;<br />

Mehner, T. Die Fischfauna der Seen Mecklenburg-Vorpommerns 5<br />

Lemcke, R. Habitatnutzung und Raumbedarf des Bachneunauges<br />

(Lampetra planeri Bloch 1784) in Fließgewässern des<br />

nordostdeutschen Flachlandes 17<br />

Lemcke, R.;<br />

Winkler, H. Reproduktionsökologie des Bachneunauges (Lampetra<br />

planeri Bloch 1784) in Fließgewässern des<br />

nordostdeutschen Flachlandes -Verlauf des<br />

Laichgeschehens und Größe von Adultbeständen 31<br />

Doro, M. Evaluierung der Hechtbesatzmaßnahmen im<br />

Peenestrom 44<br />

Jansen, W.;<br />

Jennerich, H.-J. Integriertes Küstenzonenmanagement (IKZM) – ein Weg<br />

zur langfristigen Sicherung der Küstenfischerei<br />

Mecklenburg-Vorpommerns 52<br />

Schulz, N. Fischereiliche Untersuchungen am „Großriff Nienhagen“<br />

im Jahr 2003 mit spezieller Betrachtung der<br />

Dorschbestände in der Ostsee 60<br />

Mohr, T.;<br />

Sandrock, S.;<br />

E.-M. Scharf Bewuchsentwicklung im künstlichen Riff vor Nienhagen 77<br />

MELFF Leitfaden <strong>für</strong> die weitere Entwicklung einer tier- und<br />

umweltgerechten Aquakultur in Mecklenburg-<br />

Vorpommern 93<br />

Krenkel, L.;<br />

Jansen, W.;<br />

Jennerich, H.-J.;<br />

Schulz, S.;<br />

Wenzel, H.-J. Möglichkeiten der Forellenproduktion am<br />

Steinkohlekraftwerk Rostock 105<br />

Anders, E.;<br />

Arndt, G.-M.;<br />

Gessner, J.;<br />

Paetsch, U. Einige Erfahrungen bei der Reproduktion von Stören 114<br />

Verzeichnis der Autoren 122<br />

Das Literaturverzeichnis der einzelnen Beiträge kann bei den Autoren angefordert werden.<br />

3


Die Fischfauna der Seen Mecklenburg-Vorpommerns<br />

Diekmann, M.; Lemcke, R.; Mehner, T.<br />

Summary<br />

Between summers 2001 and 2003, 35 lakes in Mecklenburg-Vorpommern, a Federal State in<br />

the German lowlands, have been studied for their fish communities using standardized methods<br />

(multi-mesh gillnets and electrofishing). Lakes range from 51-10531 ha in area and 3.5-69 m in<br />

maximum depth, and cover weak mesotrophic to polytrophic waters. Altogether, 30 species including<br />

hybrids have been caught, with species number ranging from 9-20 species per lake.<br />

Perch, ruffe, roach, and bream were caught in all lakes. Overall, perch dominated the abundance<br />

of the lake fish communities, whereas roach dominated biomass. Mesotrophic lakes harboured<br />

pike as main predator, whereas eutrophic lakes supported zander occurrence. Rudd<br />

and tench were hardly caught in eutrophic lakes with low extension of macrophytes. Vendace<br />

was nearly exclusivley found in mesotrophic, dimictic lakes. Occasional dominance of roach<br />

over perch in total fish biomass in mesotrophic lakes suggests that the trophic state of a lake<br />

has a less predominant role in structuring lake fish communities, in contrast to earlier hypotheses.<br />

Einleitung<br />

Im Rahmen eines vom Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsprojektes<br />

sind zwischen 2001 und 2003 insgesamt 67 Seen im nordostdeutschen Tiefland<br />

beprobt worden, von denen 35 in Mecklenburg-Vorpommern liegen. Das Ziel der Befischungen<br />

war es, die Datengrundlage <strong>für</strong> die Erarbeitung eines Bewertungsverfahrens <strong>für</strong> Seen<br />

anhand der Fischgemeinschaften nach EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) zu schaffen (Diekmann<br />

et al. 2002, 2003). Hierzu sollten zunächst wichtige Eigenschaften der Fischfauna nordostdeutscher<br />

Seen erarbeitet werden. Die Bundesländer Brandenburg und Mecklenburg-<br />

Vorpommern, die zum Norddeutschen Tiefland gehören, stellen die seenreichste Region<br />

Deutschlands dar. In Mecklenburg-Vorpommern befindet sich mit der Müritz zugleich der nach<br />

dem Bodensee größte See Deutschlands. Die meisten und v. a. größeren Seen sind glazialen<br />

Ursprungs.<br />

Ein Ziel der Bewertung nach WRRL ist es, anhand der Betrachtung ökologischer Komponenten<br />

eine Bewertung des ökologischen Zustands durchzuführen. Das Hauptaugenmerk ruht dabei<br />

auf biologischen „Qualitätskomponenten“. Neben den Fischgemeinschaften soll die Bewertung<br />

noch anhand von Phytoplankton, Makrophyten (Wasserpflanzen inkl. Kieselalgen) und Makrozoobenthos<br />

(Wirbellose, z. B. Insektenlarven) erfolgen. Dabei stehen die Auswirkungen chemischer<br />

(z. B. Trophie) und physikalischer bzw. struktureller Veränderungen (Verbauungen, Gewässerhydrologie)<br />

auf die betrachteten biologischen Komponenten im Vordergrund. Nach<br />

WRRL werden Seen mit einer Fläche von 50 ha und mehr bewertet, wobei die Fischgemeinschaften<br />

hinsichtlich Arteninventar, Abundanz und Altersaufbau beurteilt werden sollen (Diekmann<br />

et al. 2002, 2003). Die <strong>für</strong> die meisten Seen unzureichende Datengrundlage sollte durch<br />

standardisierte Vergleichsbefischungen innerhalb dieses Projektes erstellt werden. Außerdem<br />

wurden während der Befischungen auch morphologische und chemische Parameter der Seen<br />

erfasst.<br />

Der Einfluss struktureller oder chemischer Veränderungen auf Fischgemeinschaften in Seen ist<br />

nur teilweise geklärt. Grundsätzlich können sich Verbauungen des Ufers durch Beeinträchtigungen<br />

der Flachwasserzonen und Schilfgürtel, die wiederum ein wichtiges Habitat <strong>für</strong> Jungfische<br />

darstellen, negativ auf Fischbestände auswirken. Des gleichen könnte eine starke touristische<br />

Nutzung zumindest lokal einen Einfluss haben (z. B. durch bootsbedingten Wellenschlag).<br />

Andererseits liegen in der Untersuchungsregion eine Vielzahl von Seen (in Brandenburg<br />

über 200 Seen > 50 ha, in Mecklenburg-Vorpommern über 150), der im Vergleich zu anderen<br />

Regionen Deutschlands relativ wenig Nutzer (v. a. Touristen) gegenüber stehen. Daher<br />

ist im Allgemeinen nicht mit einem starken Nutzungsdruck auf einen einzelnen See zu rechnen,<br />

der sich in der Fischfauna widerspiegeln könnte. Allein die Erhöhung der Nährstoffe (Eutrophie-<br />

5


ung) ist in Mitteleuropa und somit auch in Norddeutschland ein wichtiger Beeinträchtigungsfaktor.<br />

So hat die Nährstoffkonzentration eines Gewässers direkten Einfluss auf die Lebensgemeinschaft<br />

(Biozönose). In nährstoffreichen (eutrophen) Gewässern lässt sich häufig eine hohe<br />

Phytoplanktonbiomasse beobachten. Hier findet man oft geringe Sichttiefen und zum Zeitpunkt<br />

der Sommerstagnation in tieferen Gewässern wenig oder keinen Sauerstoff im Hypolimnion.<br />

Die hohe Phytoplanktonbiomasse wird oft gestützt durch das zahlreiche Auftreten von<br />

zooplanktivoren Fischen (v. a. Plötze, zu den wissenschaftliche Namen siehe Tabelle 2). Im<br />

Gegensatz dazu zeigen nährstoffärmere (mesotrophe) oder –arme (oligotrophe) Seen häufig<br />

eine Dominanz von Makrophyten und vergleichsweise klares Wasser. Hier kann das Zooplankton<br />

tagsüber Schutz vor Fischen zwischen den Wasserpflanzen finden, während es nachts<br />

Wanderungen ins Freiwasser durchführt, um zu fressen. In trüben eutrophen Seen dominiert<br />

neben zahlreichen Cypriniden der Zander, während in den klareren mesotrophen Seen Barsch<br />

und Hecht stärker hervortreten. In tiefen oligotrophen Seen, die auch während der Sommerstagnation<br />

genügend Sauerstoff im Hypolimnion zeigen, findet man die Große und in Norddeutschland<br />

vor allem die Kleine Maräne. Ein Nährstoffeintrag in zunächst mesotrophe, klare<br />

Seen kann zu einem starken Wachstum von Phytoplankton (Algenblüte) führen, da sich planktische<br />

Algen sehr viel schneller fortpflanzen als höhere Wasserpflanzen. Die aus ihrem Wachstum<br />

resultierende Wassertrübung wiederum benachteiligt Wasserpflanzen, da die Lichtdurchlässigkeit<br />

des Wassers vermindert wird. So kann die Eutrophierung zu einer Verschiebung von<br />

Lebensgemeinschaften bis hin zu den Fischen führen. Von diesen grundlegenden Beziehungen<br />

abgesehen fehlen zu den meisten Seen jedoch Detailkenntnisse.<br />

Daher wird die Fischfauna der Seen Mecklenburg-Vorpommerns im vorliegenden Bericht eingehender<br />

vorgestellt.<br />

Die untersuchten Seen<br />

Für Deutschland wurde von der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) eine Seentypisierung<br />

vorgenommen, nach der als wichtigste Kriterien <strong>für</strong> Seen des Tieflandes die Schichtung<br />

und der Volumenquotient (VQ, das Verhältnis der Einzugsgebietsgröße eines Sees, einschließlich<br />

der Seefläche, zum Seevolumen) gelten (LAWA 1999, Mathes et al. 2002). Betrachtet man<br />

den VQ aller Seen, hat sich gezeigt, dass ein Wert von 1,5 die meisten meso- und oligotrophen<br />

Seen (< 1,5) von eutrophen Seen (> 1,5) abgrenzt. Daher werden Seen anhand des VQ mit<br />

einem Wert von kleiner bzw. größer als 1,5 unterschieden. Die Seentypisierung wurde nicht<br />

fischbezogen entwickelt. Für das Auftreten von Fischarten in Seen z. B. kann auch deren Verbindung<br />

an andere Gewässer maßgeblich sein. Deshalb wurde innerhalb des Projektes <strong>für</strong> die<br />

untersuchten Seen neben der LAWA-Typisierung noch zusätzlich erfasst, ob sie an andere<br />

Gewässer angebunden sind, wobei zunächst unerheblich ist, ob Verbindungen zu anderen<br />

Seen oder Fließgewässern künstlich oder natürlich entstanden sind (Diekmann et al. 2002,<br />

2003). Die Seen wurden dahingehend ausgewählt, dass sie innerhalb jeweils der geschichteten<br />

und ungeschichteten Seen einen großen bzw. kleinen VQ hatten und darüber hinaus angebunden<br />

oder nicht angebunden an andere Gewässer sind. Die befischten Mecklenburger Seen variieren<br />

in Fläche (51-10531 ha) und maximaler Tiefe (3,5-69 m) beträchtlich (Tabelle 1). Hinsichtlich<br />

der Nährstoffkonzentration sind die Seen schwach meso- bis stark polytroph.<br />

Standardisierte Befischung<br />

Die repräsentative Beprobung erfolgte mittels stratified random sampling mit benthischen Nordic-Multimaschenstellnetzen<br />

(30 m lang, 1,5 m hoch, 12 Maschenweiten zwischen 5 und 55<br />

mm) nach Appelberg (2000) (Abb. 1 A). Darüber hinaus wurden zusätzlich zu etwa jedem vierten<br />

Nordic-Netz benthische 70-mm-Stellnetze (25 m lang, 1,6 m hoch) eingesetzt, um große<br />

Cypriniden wie Blei zu befischen. Benthische Netze wurden randomisiert (zufällig) im See in<br />

unterschiedlichen Tiefenzonen verteilt. Die Zahl der benthischen Nordic-Netze folgte dem<br />

Schema von Appelberg (2000) und wurde durch die Fläche (ha) und die Maximaltiefe (m) bestimmt.<br />

Allerdings wurde bei den meisten Seen etwa die Hälfte der Netze im Spätsommer (ab<br />

etwa Anfang August bis Oktober), die andere Hälfte im darauf folgenden Frühsommer (von Mai<br />

bis Anfang Juli) gesetzt. Dieses Vorgehen sollte saisonale Unterschiede in der Aktivität der verschiedenen<br />

Fischarten berücksichtigen.<br />

6


Im Pelagial wurden in Seen mit einer Maximaltiefe ab 6 m pelagische Nordic-<br />

Multimaschenstellnetzen (30 m lang, 3 m hoch, 12 Maschenweiten zwischen 5 und 55 mm)<br />

eingesetzt (Abb. 1 B). Auch hier wurde etwa zu jedem vierten Nordic-Netz ein 70-mm-Netz (25<br />

m lang, 3,2 m hoch) gesetzt. Pelagische Netze wurden im Gegensatz zu Appelberg (2000) bereits<br />

in Seen ab 6 m Tiefe über der tiefsten Stelle in 3-m-Stufen von der Oberfläche zum Grund<br />

eingesetzt. Pelagische Netze wurden vollständig in der Spätsommerphase gestellt.<br />

Beim Stellnetzfang wurden Art, Anzahl der Fische sowie Gesamtlänge (± 1 cm) und Gewicht (±<br />

1 g) bestimmt. Der Einheitsfang wurde bezogen auf Abundanz (NPUE, Anzahl Fisch je m 2 Netz<br />

und Stunde) und Biomasse (WPUE, g Fisch je m 2 Netz und Stunde) berechnet.<br />

Im Litoral wurden Elektrobefischungen durchgeführt, um v. a. benthische Fischarten wie Aal<br />

und Kleinfischarten wie die meist ufernah lebenden Bitterlinge oder Steinbeißer, die mit Kiemennetzen<br />

praktisch nicht fangbar sind, zu erfassen.<br />

Zur Elektrofischerei wurde Gleichstrom genutzt (4–8 Ampere, etwa 200–400 Volt, Elektrofischfanggeräte<br />

Bretschneider EFG 4000, EFGI 4000, Anodenstange 3,5–4 m, Ringanodendurchmesser<br />

40 cm). Befischt wurden Strecken von maximal 150 m mit 15 „Dips“ vom unbewegten<br />

Boot aus, wobei geschätzte Abstände von 5–10 m einzuhalten waren. Im Allgemeinen wurden<br />

zu Beginn des Fischens geprüft, welche Spannung <strong>für</strong> den jeweiligen See geeignet war, wobei<br />

diese so gering wie möglich gehalten werden sollte. Beim Fischen wurde die Anode über etwa<br />

10–15 Sekunden an einer Stelle eingetaucht bzw. bis Fische eine Galvanotaxis zeigten. Gefischt<br />

wurde entlang jeweils typischer Uferstrukturen. Darüber hinaus wurden so genannte<br />

„Sonderstrukturen“ (Strände, Zu- und Abflüsse, Bootsstege und –anlagen) gezielt beprobt.<br />

Bei der Elektrofischerei wurden Art, Anzahl der Fische und Gesamtlänge (± 1 cm) bestimmt und<br />

die Fische nach dem Fang zurückgesetzt. Der Einheitsfang wurde als NPUE (Anzahl Fische je<br />

Dip) bestimmt.<br />

Die Fischfauna der Mecklenburger Seen<br />

Es wurden insgesamt 120.239 Fische gefangen, die zu 30 Arten (einschließlich „Hybriden“, vgl.<br />

Tabelle 3) gehören (Tabelle 2). Hybriden umfassen Kreuzungen zwischen verschiedenen<br />

Cyprinidenarten, die insbesondere zwischen Plötze und Blei regelmäßig auftreten. Die Zahl der<br />

pro See nachgewiesenen Arten liegt zwischen 9 und 20.<br />

Tabelle 3 gibt einen Überblick über die Verbreitung der Arten in den Seen. Blei (Brachsen),<br />

Plötze (Rotauge), Barsch und Kaulbarsch sind in allen untersuchten Seen nachgewiesen worden.<br />

Das Fehlen einer Art im Fang darf nicht mit dem völligen Fehlen der Art im jeweiligen See<br />

gleichgesetzt werden. So wurden nur in 27 Seen die Schleie und in nur 4 Seen der Karpfen<br />

nachgewiesen. Abgesehen davon, dass letzterer oft nicht repräsentativ gefangen wird, gilt <strong>für</strong><br />

beide Arten, dass sie in weit geringerer Anzahl in den Seen auftreten als beispielsweise der<br />

immer gefangene Blei.<br />

Die Arten Bachneunauge und Döbel wurden je nur einmal und dann im Übergangsbereich zu<br />

Fließgewässern nachgewiesen, zu deren Arteninventar sie gehören. Außerdem konnte in nur<br />

einem See der faunenfremde Silberkarpfen nachgewiesen werden.<br />

Kleinfischarten, die wirtschaftlich keine Bedeutung besitzen, aber aufgrund ihrer ökologischen<br />

Ansprüche Anzeiger <strong>für</strong> die ökologische Qualität sein könnten (so laicht der Bitterling in Muscheln<br />

ab und ist somit von deren Existenz im Gewässer abhängig), wurden regelmäßig (Dreistachliger<br />

Stichling, Moderlieschen, Steinbeisser) bis selten (Bitterling, Neunstachliger Stichling,<br />

Schlammpeitzger) gefangen.<br />

Bei den vorwiegend im Hypolimnion lebenden Coregonen ist die Kleine Maräne regelmäßig (16<br />

Seen) und die Große Maräne selten (4 Seen) nachgewiesen worden.<br />

Die am häufigsten gefangenen Arten sind die Cypriniden Plötze, Blei, Rotfeder, Güster<br />

und Ukelei, die Raubfische Hecht und Zander, die beiden Perciden Barsch und Kaulbarsch,<br />

sowie die Kleine Maräne. Der Einheitsfang dieser Arten aus benthischen Nordic-Netzen und im<br />

Fall der vorwiegend pelagisch lebenden Kleinen Maräne auch aus pelagischen Nordic-Netzen<br />

wird eingehender betrachtet. Für den Aal (Elektrofischerei) wurde eine Überprüfung unterlassen,<br />

da diese Art durch Besatz in praktisch allen Gewässern vertreten ist und ihr Auftreten daher<br />

keine Rückschlüsse auf Präferenzen des Aals z. B. <strong>für</strong> bestimmte Seentypen erlaubt. Auf-<br />

7


grund des Lebenszyklus tritt der Aal aber nur dort natürlicherweise auf, wo eine natürliche Anbindung<br />

des Sees vorliegt bzw. wo Laichwanderung und ein Aalaufstieg erfolgen können.<br />

Betrachtet man den Einheitsfang bezogen auf Abundanz (NPUE) oder Biomasse (WPUE) <strong>für</strong><br />

alle 35 Seen, wird deutlich, dass der NPUE nach dem Barsch von Plötze, Kaulbarsch und Blei,<br />

der WPUE nach der Plötze von Barsch, Zander und Blei geprägt wird (Tabelle 3). Als „seltenste“<br />

der betrachteten Fischarten tritt der Hecht im NPUE in Erscheinung, der aufgrund einiger<br />

größerer gefangener Exemplare im WPUE im mittleren Bereich liegt. Die beiden Arten Schleie<br />

und Rotfeder weisen sowohl im NPUE als auch im WPUE ähnlich niedrige Werte auf, beide<br />

Arten werden in vergleichsweise geringen Stückzahlen gefangen.<br />

Die Kleine Maräne erreicht im Mittel in allen Seen, in denen sie nachgewiesen wurde, im Fang<br />

aus benthischen Nordic-Netzen einen Anteil von etwa 1 % der Abundanz (NPUE) bzw. 2 % der<br />

Biomasse (WPUE). Im Pelagial dagegen macht sie 17 % der Abundanz (NPUE) bzw. 37 % der<br />

Biomasse (WPUE) der Fischgemeinschaften aus (Tabelle 3).<br />

Innerhalb der betrachteten Arten (siehe oben) wurde geprüft, ob Abhängigkeiten der Anteile der<br />

Arten am Gesamtfang zu den Seentypen erkennbar sind. Hierzu wurden die Biomasse bezogenen<br />

Einheitsfänge (WPUE) aus benthischen und <strong>für</strong> die Kleine Maräne zusätzlich aus pelagischen<br />

Nordic-Netzen herangezogen (Tabelle 4). Grundsätzlich wird hier neben dem Minimal-<br />

und Maximalwert der Median angegeben.<br />

Barsch und Kaulbarsch<br />

Der Barsch dominiert im Mittel die Fischgemeinschaften hinsichtlich Abundanz, der Kaulbarsch<br />

steht hier an dritter Stelle. Beide Arten wurden in allen Gewässern nachgewiesen. Der Barsch<br />

erreicht Werte zwischen 6,5 und 58,3 % der Biomasse des Gesamtfangs (Median 33,4 %). Er<br />

zeigt in Seen aller betrachteten Typen Werte dieses Bereichs, es lässt sich also <strong>für</strong> diese<br />

Fischart kein bevorzugter Seentyp abbilden. Der Kaulbarsch als vergleichsweise kleine Art erreicht<br />

immerhin 0,1 bis 29,7 % der Biomasse (Median 2,2 %). Der höchste Wert wird im<br />

Schmollensee erreicht. Dieser auf Usedom gelegene See wurde nach der Seentypisierung der<br />

LAWA zunächst in der Gruppe „Ungeschichtet, Einzugsgebiet klein, angebunden“ eingeordnet<br />

(hier gibt es mit dem Schmollensee nur drei Seen, die alle beprobt wurden). Eigentlich handelt<br />

es sich hier um den Sondertyp des Strandsees. Der Schmollensee ist an das Achterwasser<br />

angebunden und steht indirekt auch mit der Ostsee in Verbindung. Kaulbarsche im Probefang<br />

erreichten hier regelmäßig Gesamtlängen um 20 cm und Stückmassen um 100 g, während in<br />

anderen Seen die maximal erreichte Gesamtlänge einzelner Exemplare bei ca. 15 cm und ca.<br />

40 g Stückmasse lag. Der nächst höchste Wert <strong>für</strong> den Anteil des Kaulbarsches an der Biomasse<br />

beträgt 11 % <strong>für</strong> den Schaalsee. Dieser auf der Landesgrenze zu Schleswig-Holstein gelegene<br />

See zeichnet sich durch eine Maximaltiefe von fast 70 m aus. Kaulbarsche sind in großen<br />

Tiefen mit geringem Lichtangebot aufgrund spezieller Anpassungen gegenüber z. B. dem<br />

Barsch im Vorteil (Bergman 1988). In tiefen, klaren Seen können sie also ebenfalls starke Populationen<br />

ausbilden.<br />

Zander und Hecht<br />

Die beiden häufigsten Raubfische, die zugleich wirtschaftliche Bedeutung besitzen, zeigen eine<br />

unterschiedliche Verbreitung in den Seen. Der Zander wurde in 20 Seen (in 19 Seen mit benthischen<br />

Nordic-Netzen) nachgewiesen, wobei er zwischen 0,02 und 46,1 % (Median 4 %) der<br />

Biomasse erreicht. Er fehlt weitgehend in geschichteten Seen mit kleinem Einzugsgebiet und ist<br />

in ungeschichteten Seen mit großem Einzugsgebiet und innerhalb der geschichteten Seen v. a.<br />

in den größeren Seen verbreitet (z. B. Binnenmüritz und Müritz, Fleesen- und Kölpinsee). Der<br />

Hecht, der in fast allen Gewässern nachgewiesen wurde (33 Seen, davon 23 mit benthischen<br />

Nordic-Netzen) und dessen Vorkommen in allen untersuchten Gewässern wahrscheinlich ist,<br />

erreicht zwischen 0,4 und 15 % (Median 4,7 %) der Biomasse. Er wird in ungeschichteten Seen<br />

mit großem Einzugsgebiet nur unregelmäßig gefangen. Dieser Seentyp ist im Allgemeinen<br />

durch eine höhere Trophie und geringere Sichttiefe geprägt und daher eher <strong>für</strong> den dämmerungs-<br />

und nachtaktiven Zander als den tagaktiven Sichträuber Hecht geeignet. Beim Hecht<br />

ergibt sich allerdings zusätzlich die Problematik, dass der Fang im Stellnetz aufgrund des Verhaltens<br />

als Lauerjäger oft nicht repräsentativ ist. Stellnetze sind passive Fanggeräte, deren Ef-<br />

8


fektivität von der Schwimmaktivität der Fische abhängig ist. Die Ergebnisse der Elektrofischerei<br />

(nicht gezeigt) belegen, dass der Hecht im Litoral großer, tiefer Seen ein verbreiteter Räuber ist.<br />

Die Cypriniden<br />

Innerhalb der Cypriniden sind Plötze und Blei in allen 35 Gewässern, die Rotfeder in <strong>34</strong> Seen<br />

und Güster, Schleie und Ukelei in je 27 Seen nachgewiesen worden. Die Plötze dominiert im<br />

Mittel die Biomasse der Fischgemeinschaften aller Seen (6,9 bis 70,3 %, Median 38,2 %), ohne<br />

dass sich Unterschiede bei bestimmten Seenklassen erkennen lassen. Der Blei erreicht zwischen<br />

0,2 und 36,9 % (Median 9,3 %) der Biomasse. Hier werden innerhalb der 18 untersuchten<br />

geschichteten Seen nur in drei der vier abgeschlossenen Seen mit großem Einzugsgebiet<br />

mehr als 10 % der Biomasse erreicht, während dies <strong>für</strong> 11 der insgesamt 16 ungeschichteten<br />

Seen der Fall ist. Große Bleie haben praktisch keine natürlichen Fressfeinde mehr. Die Art kann<br />

über 10 Jahre alt werden, so dass es zur Erhaltung der Population genügen kann, wenn bei<br />

jährlichem Ablaichen der großen Bleie gelegentlich juvenile Bleie das Adultstadium erreichen. In<br />

tiefen, geschichteten Seen bildet der Blei individuenarme Populationen aus, die durch große<br />

Individuen und vereinzelte kleinere im Fang gekennzeichnet sind. In den flachen und meistens<br />

nährstoffreicheren Seen dagegen kommen v. a. auch kleinere und mittelgroße Bleie vermehrt<br />

im Fang zum Tragen. Die übrigen Cypriniden erreichen nur deutlich niedrigere Anteile an der<br />

Biomasse als Plötze und Blei. Die Rotfeder wird zwar in <strong>34</strong> Seen (davon in 22 mit benthischen<br />

Nordic-Netzen) gefangen, erreicht aber nur zwischen 0,004 und 9,6 % der Biomasse (Median<br />

0,6 %). Bei der Schleie sind die erreichten Anteile von 0,001 bis 27,5 % mit Ausnahme des Maximalwerts,<br />

der im Dreetzsee erreicht wurde, noch niedriger (Median 0,1 %). Beide Arten wurden<br />

oft nur in geringer Stückzahl mittels Elektrofischerei im Litoral gefunden. Gute Bestände<br />

deuten oft auf dichte Makrophytenbestände hin, die diese phytophilen (pflanzenliebenden)<br />

Fischarten bevorzugen. Rotfeder und Schleie wurden in ungeschichteten Seen mit großem Einzugsgebiet<br />

nur selten gefangen. Die Güster, die zwischen 0,1 und 17,5 % der Biomasse erreicht<br />

(Median 5,6 %), wurde zwar in Seen aller Typen nachgewiesen, fehlt aber in vielen geschichteten,<br />

nicht angebundenen Seen mit kleinem Einzugsgebiet. Der Ukelei (0,02 bis 9,7 %;<br />

Median 0,3 %) ist in den meisten Seen und allen Typen vertreten, erreicht aber die höchsten<br />

Anteile an der Biomasse in einigen ungeschichteten Seen mit großem Einzugsgebiet.<br />

Die Kleine Maräne<br />

Die kleinste Coregonenart lebt vorwiegend pelagisch und ist ein typisches Faunenelement nord-<br />

und mitteleuropäischer klarer und geschichteter Seen. Folgerichtig erreicht diese Art, die mit<br />

benthischen Netzen in 10 und mit pelagischen Netzen in 16 Seen nachgewiesen wurde, im pelagischen<br />

Fang die höchsten Anteile an der Biomasse (0,1-96,4 %; Median 22,1 %) im Vergleich<br />

zum benthischen Fang (0,1-10,1 %; Median 2,5 %). Die Kleine Maräne fehlt mit Ausnahme<br />

des Mirower Sees und der Müritz in allen ungeschichteten Seen. Die Müritz ist aufgrund<br />

ihrer Größe und Morphometrie eine Besonderheit: Obwohl dieser See über die meisten Bereiche<br />

hinweg ungeschichtet ist (mittlere Tiefe um 6 m), ist er an der tiefsten Stelle über 20 m tief<br />

und zumindest partiell geschichtet. Außerdem steht dieser See mit der Binnenmüritz (Maximaltiefe<br />

30 m) in Verbindung. Daher bietet die Müritz der Kleinen Maräne offenbar durchaus einen<br />

geeigneten Lebensraum.<br />

Die Seentypen und ihre Fische<br />

Mit wenigen Ausnahmen kommen alle in den Mecklenburger Seen gefangenen Fischarten in<br />

allen Seen vor. Daher kann nur über den Vergleich standardisierter Daten, wie sie im vorliegenden<br />

Projekt erhoben wurden, versucht werden, Abhängigkeiten im Auftreten der Arten zu Seentypen<br />

zu finden.<br />

Geschichtete, also tiefere Seen zeigen neben der in praktisch allen Seen vorherrschenden Dominanz<br />

von Barsch, Plötze, Blei und Kaulbarsch fast immer gute Bestände von Hecht, Rotfeder<br />

und Schleie. Güster und Ukelei treten etwas unregelmäßiger im Fang auf. Diese Seen sind<br />

normalerweise mesotroph und haben relativ klares Wasser. Hier gibt es zumindest im Uferbe-<br />

9


eich oft Makrophyten. In geschichteten Seen mit großem Einzugsgebiet tritt im Vergleich zu<br />

Seen mit kleinem Einzugsgebiet der Hecht etwas zurück, während der Zander vermehrt auftritt.<br />

Mit zwei Ausnahmen wurde die Kleine Maräne in allen geschichteten Seen gefangen, unabhängig<br />

von der Größe des Einzugsgebietes.<br />

In vielen ungeschichteten Seen tritt innerhalb der vier dominierenden Arten der Blei vermehrt<br />

auf. Allerdings wurde diese Art im Dreetzsee nur vereinzelt und nur mittels Elektrofischerei<br />

nachgewiesen. Dieser See bildet zusammen mit dem Schmollensee (Sondertyp des Strandsees)<br />

und der Müritz eine eigene Gruppe. Er ist makrophytenreich und zeichnet sich durch einen<br />

guten Bestand an Hechten und Schleien aus. Der Schmollensee dagegen zeigt als einziger<br />

See einen niedrigen Anteil der Plötze, während die dominierenden Arten Blei, Barsch, Kaulbarsch<br />

und Zander sind. Der Einfluss der Ostsee (große Kaulbarsche) ist hier zu nennen. In<br />

angebundenen, ungeschichteten Seen mit großem Einzugsgebiet verschwinden Rotfeder und<br />

Schleie fast völlig aus den Fängen. Der Hecht wird in etwa der Hälfte der Seen, der Zander in<br />

allen Seen nachgewiesen. Mit Ausnahme der Müritz und des Mirower Sees fehlt die Kleine Maräne<br />

in ungeschichteten Seen. Ungeschichtete Seen sind in der Regel nährstoffreich und trüb.<br />

Damit bieten sie v. a. dem Zander, aber auch Plötze und Blei eine gute Lebensgrundlage.<br />

Das Kriterium der Anbindung scheint - entgegen der ursprünglichen Hypothese - keinen wesentlichen<br />

Einfluss auf das Vorkommen der betrachteten Arten zu haben (vielleicht mit Ausnahme<br />

des Kaulbarsch im Schmollensee).<br />

Die Generalisten Barsch und Plötze dominieren fast immer die Fischgemeinschaften. Der<br />

Barsch frisst als Juveniler Zooplankton, später Makrozoobenthos und Fische. Die Plötze frisst<br />

Zooplankton, aber auch Cyanobakterien (Blaualgen). Eine Hypothese besagt, dass der Barsch<br />

klarere, mesotrophe Seen gegenüber der Plötze dominiert, da er hier im Vorteil ist (Persson et<br />

al. 1991). Da Plötzen effektivere Zooplanktonfresser sind als der Barsch, kann die Plötze wiederum<br />

den Barsch bei dieser Nahrungsressource auskonkurrieren. Folglich sollten Barsche in<br />

mesotrophen und Plötzen in eutrophen Seen dominieren. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen,<br />

dass in einigen Fällen die Plötzenbiomasse gegenüber dem Barsch in mesotrophen Seen wie z.<br />

B. dem Breiten Luzin dominieren kann. Demnach gibt es es offenbar auch andere <strong>für</strong> die Strukturbildung<br />

der Fischgemeinschaften in Seen wichtige Faktoren als die Trophie, v. a. die mittlere<br />

und maximale Tiefe.<br />

10


Tabelle 1: Die 35 untersuchten Seen in Mecklenburg-Vorpommern sowie die<br />

wichtigsten abiotischen Charakteristika. Gegeben sind neben Fläche,<br />

Volumen, mittlerer und maximaler Tiefe der Volumenquotient (VQ) als<br />

Maß <strong>für</strong> das Einzugsgebiet und die Trophie.<br />

Seename<br />

Fläche (ha)<br />

Volumen (10 6 m 3 )<br />

Mittlere Tiefe (m)<br />

Binnenmüritz 391 38,5 9,8 30,0 ja ja 17,20 m2<br />

Bolzer See 79 5,5 2,8 13,0 ja nein 2,20 e1<br />

Bossower See 54 1,9 3,3 8,8 nein ja 1,75 m2<br />

Breiter Luzin <strong>34</strong>5 77,0 22,3 58,5 ja ja 0,20 m2<br />

Canower See 51 1,9 3,6 6,5 ja ja 110,70 p1<br />

Carwitzer See 557 66,1 12,3 39,0 ja ja 0,81 m2<br />

Dolgener See 68 4,1 15 24,0 ja nein 3,50 e1<br />

Dreetzsee 64 3,0 6,5 9,5 nein ja 1,00 m2<br />

Drewitzer See 688 63,2 8,1 32,5 ja nein 0,38 m1<br />

Fleesensee 1199 66,0 6,9 25,5 ja ja 13,55 e1<br />

Klein Vielener See 97 2,0 2,1 4,1 nein nein 13,70 p2<br />

Kölpinsee 2030 71,9 4 27,8 ja ja 11,50 e1<br />

Krummer See 52 4,3 8 16,0 ja nein 0,80 m1<br />

Lenzener See 62 1,6 2,5 5,4 nein ja 5,02 e2<br />

Malchiner See 1377 35,3 3 10,6 nein ja 5,64 p2<br />

Malkwitzer See 108 2,6 2,4 4,2 nein ja 5,30 e1<br />

Mechower See 151 5,6 3,6 9,1 nein ja 7,89 e2<br />

Mirower See 112 3,9 3,4 6,6 nein ja 18,70 p1<br />

Müritz 10531 738,0 6,3 21,0 nein ja 0,90 m2<br />

Paschensee 51 2,9 5,5 15,4 ja nein 1,80 m1<br />

Pinnower See 258 17,4 6,7 16,0 ja ja 0,70 m2<br />

Priesterbäker See 157 4,5 2,9 5,8 nein ja 2,00 e2<br />

Rugensee 55 6,1 10,9 27,5 ja nein 0,50 m2<br />

Santower See 104 1,8 1,7 3,5 nein ja 1,80 p2<br />

Schaalsee 2330 330,0 14,2 69,0 ja ja 0,50 e1<br />

Schmaler Luzin 144 21,0 14,4 33,5 ja ja 1,40 m1<br />

Schmollensee 502 13,6 2,7 5,7 nein ja 0,90 p2<br />

Schweingartensee 71 5,0 7,0 31,0 ja nein 1,90 e2<br />

Specker Hofsee 121 2,5 2,1 4,9 nein ja 8,30 e2<br />

Specker See, Großer 235 4,7 2 7,9 nein ja 9,60 m2<br />

Tiefwarensee 140 13,6 9,6 23,6 ja ja 1,60 m2<br />

Treptowsee 59 1,2 1,9 5,2 nein nein 2,10 e1<br />

Upahler See 107 2,3 2,1 4,0 nein nein 3,60 e2<br />

Wariner See, Großer 260 12,2 4,6 9,5 nein ja 9,40 e2<br />

Ziegelsee (Binnen-) 52 3,9 7,5 16,5 ja ja 60,90 e1<br />

*: m1,2: schwach (1) bzw. stark (2) mesotroph; e1,2: schwach (1) bzw. stark (2) eutroph; p1,2: schwach (1) bzw.<br />

stark (2) polytroph<br />

Maximale Tiefe (m)<br />

Schichtung<br />

Anbindung<br />

VQ<br />

Trophie*<br />

11


Tabelle 2: Die 30 Fischarten, die in den 35 befischten Seen Mecklenburg-<br />

Vorpommerns gefangen wurden und Anzahl der Seen, in denen die Arten<br />

nachgewiesen wurden.<br />

Deutscher Name Wissenschaftlicher Name Zahl der Seen mit<br />

Vorkommern dieser Arten<br />

Petromyzontidae<br />

Bachneunauge Lampetra planeri (Bloch) 1<br />

Anguillidae<br />

Aal Anguilla anguilla (L.) 33<br />

Cyprinidae<br />

Blei (Brachsen) Abramis brama (L.) 35<br />

Plötze (Rotauge) Rutilus rutilus (L.) 35<br />

Rotfeder Scardinius erythrophthalmus (L.) <strong>34</strong><br />

Güster Abramis bjoerkna (L.) 27<br />

Schleie Tinca tinca (L.) 27<br />

Ukelei Alburnus alburnus (L.) 27<br />

Moderlieschen Leucaspius delineatus (Heckel) 20<br />

Hybride Rutilus x Abramis 13<br />

Gründling Gobio gobio (L.) 12<br />

Bitterling Rhodeus amarus (Bloch) 4<br />

Karpfen Cyprinus carpio L. 4<br />

Karausche Carassius carassius (Bloch) 3<br />

Döbel Leuciscus cephalus (L.) 1<br />

Silberkarpfen Hypophthalmichthys molitrix (Val.) 1<br />

Cobitidae<br />

Steinbeißer Cobitis taenia L. 16<br />

Schlammpeitzger Misgurnus fossilis (L.) 2<br />

Siluridae<br />

Waller (Wels) Silurus glanis L. 3<br />

Coregonidae<br />

Kleine Maräne Coregonus albula (L.) 16<br />

Große Maräne Coregonus spp. 4<br />

Osmeridae<br />

Stint Osmerus eperlanus (L.) 5<br />

Esocidae<br />

Hecht Esox lucius L. 33<br />

Gasterosteidae<br />

Dreistachliger Stichling Gasterosteus aculeatus L. 11<br />

Neunstachliger Stichling Pungitius pungitius (L.) 2<br />

Lotidae<br />

Quappe (Trüsche) Lota lota (L.) 22<br />

Percidae<br />

Barsch Perca fluviatilis L. 35<br />

Kaulbarsch Gymnocephalus cernuus (L.) 35<br />

Zander Sander lucioperca (L.) 20<br />

12


Tabelle 3: Mittelwerte <strong>für</strong> den Einheitsfang aus 35 Seen bezogen auf Abundanz<br />

(NPUE: Anzahl Fische m-2 Netz Stunde-1) und Biomasse (WPUE: g<br />

Nassgewicht Fisch m-2 Netz Stunde-1) <strong>für</strong> die verbreitetsten Fischarten<br />

aus benthischen Nordic-Netzen (absteigend dargestellt) sowie <strong>für</strong><br />

die Kleine Maräne zusätzlich aus pelagischen Nordic-Netzen. Gesamt:<br />

Mittelwerte des gesamten Einheitsfang (alle Arten) der 35 Seen; NB:<br />

benthische Nordic-Netze; NP: pelagische Nordic-Netze.<br />

Abundanz Mittelwert NPUE Biomasse Mittelwert WPUE<br />

Gesamt NB 0,14617 Gesamt NB 3,12504<br />

Barsch 0,05890 Plötze 1,20550<br />

Plötze 0,04906 Barsch 0,95926<br />

Kaulbarsch 0,01733 Zander 0,30511<br />

Blei 0,00903 Blei 0,28072<br />

Güster 0,00719 Güster 0,23197<br />

Ukelei 0,00500 Hecht 0,15649<br />

Zander 0,00180 Kaulbarsch 0,10113<br />

Kleine Maräne 0,00149 Kleine Maräne 0,06796<br />

Rotfeder 0,00051 Ukelei 0,05366<br />

Schleie 0,00038 Rotfeder 0,05059<br />

Hecht 0,00022 Schleie 0,04519<br />

Gesamt NP 0,09609 Gesamt NP 1,44061<br />

Kleine Maräne 0,01675 Kleine Maräne 0,53523<br />

13


Tabelle 4: Relativer Anteil (%) der häufigsten Fischarten an der Biomasse (WPUE: g Nassgewicht Fisch m -2 Netz Stunde -1 ) <strong>für</strong><br />

alle gefangenen Fischarten aus benthischen (NB) und <strong>für</strong> die Kleine Maräne zusätzlich aus pelagischen Nordic-<br />

Netzen (NP). Gesamt: Einheitsfang (WPUE) <strong>für</strong> alle Arten. Einzugsgebiet groß bzw. klein: VQ (siehe Tabelle 1) größer<br />

bzw. kleiner als 1,5.<br />

Seename Barsch Kaulbarsch<br />

14<br />

Zander Hecht Blei Güster Plötze Rotfeder Schleie Ukelei Kleine<br />

Maräne<br />

NB<br />

Gesamt<br />

NB<br />

Kleine<br />

Maräne<br />

NP<br />

Gesamt<br />

NP*<br />

Geschichtet, Einzugsgebiet klein, angebunden<br />

Breiter Luzin 33,4 5,4 0,5 1,3 3,3 43,0 5,2 0,0 1,0 6,9 1,74381 59,1 0,88838<br />

Carwitzer See 18,8 2,2 4,7 1,4 61,7 0,5 0,0 0,1 3,5 1,77264 78,7 0,95655<br />

Pinnower See 25,5 1,2 0,6 2,0 70,3 0,2 0,1 3,28824 0,54061<br />

Schaalsee 35,3 11,0 0,4 0,6 0,1 19,7 0,2 0,4 0,0 9,2 2,00064 <strong>34</strong>,2 0,13123<br />

Schmaler Luzin 39,1 5,5 9,8 30,1 1,3 3,2 0,1 10,1 1,29447 81,0 0,74287<br />

Geschichtet, Einzugsgebiet klein, nicht angebunden<br />

Drewitzer See 53,4 1,5 2,4 1,7 1,0 19,3 9,6 0,0 0,6 1,5 2,60353 31,0 0,55993<br />

Krummer See 26,9 0,1 8,4 15,0 9,3 6,6 33,3 0,5 1,00123 23,6 0,70929<br />

Rugensee 39,0 5,9 8,1 1,7 3,6 31,7 1,3 0,3 2,18766 11,8 2,87082<br />

Geschichtet, Einzugsgebiet groß, angebunden<br />

Binnenmüritz 20,6 6,7 0,3 1,6 4,4 9,0 32,5 1,9 0,1 4,3 2,36892 96,4 4,02337<br />

Canower See 9,2 1,9 17,3 9,2 13,9 43,1 1,0 1,6 1,2 5,95725 3,39282<br />

Fleesensee 43,3 5,3 2,6 3,6 4,3 5,9 32,8 0,6 0,001 0,3 0,2 3,42547 0,5 0,58455<br />

Kölpinsee 54,3 4,4 1,8 12,3 5,8 1,2 19,6 0,001 0,1 2,59838 5,5 0,10742<br />

Tiefwarensee 24,4 6,6 5,3 9,3 3,8 47,2 1,0 1,1 0,4 0,1 4,83830 20,6 0,68278<br />

Ziegelsee (Binnen-)<br />

46,9 1,3 0,02 1,8 11,4 38,2 0,2 3,66519 9,4 2,04736<br />

Geschichtet, Einzugsgebiet groß, nicht angebunden<br />

Bolzer See 41,5 0,4 0,2 56,2 0,5 1,1 6,43951 1,20392<br />

Dolgener See 35,2 2,3 11,7 3,8 47,0 0,1 1,25844 2,9 1,47679<br />

Paschensee 58,3 0,2 10,1 14,2 13,7 1,9 1,4 1,980<strong>34</strong> 2,7 1,42313<br />

Schweingartensee<br />

22,8 0,2 2,9 5,4 12,0 16,5 39,8 0,4 0,1 1,09619 0,35186


Seename Barsch Kaulbarsch<br />

Zander Hecht Blei Güster Plötze Rotfeder Schleie Ukelei Kleine<br />

Maräne<br />

NB<br />

Gesamt<br />

NB<br />

Kleine<br />

Maräne<br />

NP<br />

Gesamt<br />

NP*<br />

Ungeschichtet, Einzugsgebiet klein, angebunden<br />

Dreetzsee 36,5 0,4 9,5 22,7 3,4 27,5 0,0 1,56178 0,99477<br />

Müritz 41,8 3,0 4,0 2,2 12,8 17,5 27,1 0,3 0,0 0,1 0,5 4,79848 85,2 1,94109<br />

Schmollensee** 36,9 29,7 13,3 36,9 6,9 1,45733<br />

Ungeschichtet, Einzugsgebiet klein, nicht angebunden<br />

Keine***<br />

Ungeschichtet, Einzugsgebiet groß, angebunden<br />

Bossower See 29,5 0,7 9,5 11,8 0,1 39,6 6,4 0,0 0,0 5,04418 1,95167<br />

Lenzener See 18,2 3,3 3,3 2,2 2,7 66,5 3,7 1,69780<br />

Malchiner See 20,3 7,1 3,5 14,9 5,2 39,2 9,7 3,23282 1,98391<br />

Malkwitzer See 46,7 1,6 5,9 0,3 45,4 0,2 0,1 3,26301<br />

Mechower See 35,3 7,1 6,0 51,5 1,97214 2,73926<br />

Mirower See 19,6 2,7 11,7 2,8 6,3 55,4 0,7 4,61243 0,1 2,14984<br />

Priesterbäker<br />

See 24,6 1,5 8,5 7,6 12,8 15,9 28,8 0,3 3,22409 0,60045<br />

Santower See 37,5 3,1 4,1 19,4 7,4 28,5 2,84751<br />

Specker Hofsee 14,8 1,9 1,4 6,4 14,2 11,7 45,5 4,1 3,47762<br />

Specker See,<br />

Gr. 17,1 2,2 5,4 12,7 16,2 11,0 32,8 1,2 0,9 2,94714 0,67657<br />

Wariner See, Gr. 26,9 5,9 7,9 13,3 10,8 30,9 3,1 4,89596 3,16522<br />

Ungeschichtet, Einzugsgebiet groß, nicht angebunden<br />

Klein Vielener<br />

See 6,5 0,4 46,1 3,5 17,0 4,6 13,7 0,4 7,8 5,31130<br />

Treptowsee 27,3 0,3 4,2 16,0 0,2 49,0 1,3 4,76541<br />

Upahler See 46,6 2,1 0,5 1,4 1,8 3,3 44,0 0,0 0,2 4,74726<br />

Median 33,4 2,2 4,0 4,7 9,3 5,6 38,2 0,6 0,1 0,3 2,5 2,94714 22,1 0,99477<br />

Minimalwert 6,5 0,1 0,02 0,4 0,2 0,1 6,9 0,004 0,001 0,02 0,1 1,00123 0,1 0,10742<br />

Maximalwert 58,3 29,7 46,1 15,0 36,9 17,5 70,3 9,6 27,5 9,7 10,1 6,43951 96,4 4,02337<br />

*: Kein Wert bedeutet, dass keien pelagischen Netz eingesetzt wurden, weil der See zu flach (


A<br />

B<br />

3 m<br />

16<br />

1.5 m<br />

Zufällig verteilt in verschiedenen Tiefenzonen<br />

30 m<br />

43 19.56.25 10 55 8 12.5 24 15.5 5 35 29<br />

Über der tiefsten Stelle von der Oberfläche bis zum Grund<br />

43 19.56.25 10 55 8 12.5 24 15.5 5 35 29<br />

30 m<br />

Abb. 1: Nordic-Multimaschennetze, die zur standardisierten Beprobung der 35 Seen eingesetzt<br />

wurden. Die Zahlen auf den Netzblättern geben die Maschenweiten (mm<br />

Knotenabstand) an.<br />

A: Benthische Nordic-Netze wurden randomisiert in verschiedenen Tiefenzonen<br />

eingesetzt.<br />

B: Pelagische Nordic-Netze wurden in Seen mit einer Maximaltiefe von mehr als<br />

6 m über tiefsten Stelle von der Oberfläche bis zum Grund eingesetzt.


Habitatnutzung und Raumbedarf des Bachneunauges (Lampetra<br />

planeri Bloch 1784) in Fließgewässern des nordostdeutschen<br />

Flachlandes 1<br />

Lemcke, R.<br />

Abstract<br />

This study examined populations of brook lampreys (Lampetra planeri) in the rivers Kösterbeck<br />

and Nebel (Warnow tributary). The aim was to answer questions regarding the population ecology<br />

and autecology. The main focus was on minimum habitat size, minimum requirements to<br />

sustain life and minimum population size.<br />

To meet this aim, we performed a characterisation of the rivers with respect to morphology and<br />

substrate proportions, a detection of the current and potential distribution pattern of lampreys in<br />

the Warnow tributary, and an examination of larval lampreys (size and structure of population,<br />

distribution pattern, utilisation of space and propagation dynamics).<br />

We found that if the brook lampreys are allowed to propagate freely, they utilize large interconnected<br />

stretches of the river as their living area (spawning sites and ammocoete beds). The<br />

maximum distribution of larvae downstream of spawning sites was determined to be approximately<br />

12 kilometres. The areas directly downstream of the spawning sites are of considerable<br />

importance as a habitat for the larval lampreys. In several rivers and brooks there was a great<br />

reduction of the population after 1.5 to 2 kilometres. The minimum required habitat size for isolated<br />

brook lamprey populations, depending on habitat qualitiy, was estimated to be relatively<br />

small as and is approximately 2,000 to 3,000 m (width: > 1.5 – 2 m). Sections of such short<br />

length have from 2,200 (KUBICEK 1993) to 14,000 larval lampreys.<br />

Einführung<br />

Fließgewässer sind, wie auch fast alle terrestrischen Lebensräume, in erheblichem Maße von<br />

anthropogenen Veränderungen betroffen. Besonders drastische Eingriffe stellen Querverbauungen<br />

(Wehre, Sohlabstürze u.ä.), Kanalisierung und Habitatmonotonisierung, aber auch Maßnahmen<br />

des Profil- und Sohlverbaus sowie Unterhaltungsmaßnahmen dar.<br />

Für die Bewertung der Wirkung von Lebensraumzerschneidungen ist es erforderlich, Raumanforderungen<br />

und quantitative Aspekte von Populationen zugrunde zu legen. Ungeklärt ist bisher<br />

meist, wie groß minimale Lebensräume in zergliederten Gewässern sein müssen, wie die Aktionsradien<br />

bestimmter Arten sind, wie sich unterschiedliche Habitatqualitäten auf den Raumbedarf<br />

auswirken und wie Populationen in stark zerschnittenen Fließgewässern strukturiert sind.<br />

Diese Wissensdefizite wurden besonders offensichtlich, als im Zuge der Umsetzung der FFH-<br />

Richtlinie die Bestandssituation der in den Anhängen der Richtlinie genannten Arten zu beurteilen<br />

und ggf. Schutzmaßnahmen zu planen waren.<br />

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden die Neunaugen als Modellarten <strong>für</strong> Ichthyozönosen<br />

kleinerer nordostdeutscher Fließgewässer ausgewählt, da sie aus verschiedenen Gründen geeignet<br />

erschienen:<br />

• Sie unterliegen im Untersuchungsgebiet keiner fischereilichen Nutzung, so daß Bestände<br />

nicht durch Besatz bzw. Fangmaßnahmen beeinflusst sind - ein Problem, das bei den meisten<br />

kommerziell genutzten Fischarten zu beachten wäre.<br />

• Die verschiedenen Entwicklungsstadien der Neunaugen (Querder, Adulti) haben unterschiedliche<br />

und sehr spezifische Lebensraumansprüche.<br />

1 1 Die Untersuchungen erfolgten im Rahmen des vom Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung, Forschung und Technologie (BMBF) geförderten Verbundprojektes<br />

„Die Bedeutung unzerschnittener, störungsarmer Landschaftsräume <strong>für</strong> Wirbeltierarten mit großen Raumansprüchen“ (Förderkennzeichen<br />

0339541) im Zeitraum von 1995 - 1998 an der Universität Rostock.<br />

17


• Die im Gebiet vorkommenden Arten Flussneunauge (Lampetra fluviatilis) und Bachneunauge<br />

(L. planeri) sind durch sehr unterschiedliche Migrationsleistungen gekennzeichnet (Vergleiche<br />

zwischen der diadromen Wanderform und der standorttreuen Form möglich).<br />

• Bach- und Flussneunauge gelten als Leitarten typischer Fließgewässerzönosen. Sie sind<br />

aufgrund ihrer spezifischen Lebensraumansprüche stark gefährdet, Zielarten des Naturschutzes<br />

und besitzen Indikatorfunktion <strong>für</strong> den Zustand der Fischgemeinschaften insgesamt.<br />

Im Ergebnis verschiedener Projekte ist die aktuelle Verbreitung der Neunaugenarten in Mecklenburg-Vorpommern<br />

recht gut bekannt (vergl. WINKLER 2001). Gegenwärtig sind ca. 9 Laichplätze<br />

des Flussneunauges und ca. 40 Vorkommen des Bachneunauges im Land bekannt<br />

(ebd.). Es ist jedoch davon auszugehen, daß die Vernetzung ursprünglicher Bestände weitgehend<br />

verloren gegangen ist, so daß die Untersuchungen an Neunaugen auf einem relativ geringen<br />

und bereits stark von anthropogenen Beeinträchtigungen geprägten Bestandsniveau ansetzten.<br />

Zu grundsätzlichen Fragen der Biologie der Neunaugen liegen umfangreiche Arbeiten vor<br />

(STERBA 1952, HOLCIK 1986 u. a.), und einige spezielle Aspekte der Biologie der Neunaugen<br />

sind bereits ausführlich untersucht (z. B. Anatomie, Morphometrie, Ernährung und Laichethologie).<br />

Gute Kenntnisse existieren auch zur Struktur und Habitatausstattung von Neunaugenlebensräumen.<br />

Vor Beginn der Arbeiten bestanden Kenntnisdefizite vor allem zu folgenden Fragestellungen:<br />

• Größe von Neunaugenlebensräumen, Charakteristik von Lebensraumgrenzen und Vernetzung<br />

benachbarter Bestände, Ausbreitungsdynamik der verschiedenen Lebensstadien<br />

• Populationsgröße bei Bach- und Flussneunaugen, Mindestgröße überlebensfähiger Populationen;<br />

interannuelle Variabilität der <strong>Jahrgang</strong>sstärke<br />

• Auswirkungen länger währender Isolationseffekte (z. B. durch alte Mühlenwehre) auf die Populationsstruktur.<br />

Zur Beantwortung der o. g. Fragen wurden Bestände des Bach- und Flussneunauges in ausgewählten<br />

Gewässern des nordostdeutschen Flachlandes untersucht. Dabei war die Ermittlung<br />

der Raumnutzung von Neunaugen Kernproblem aller Arbeiten.<br />

Schwerpunkte der Arbeiten zu diesem Thema waren die Untersuchung der:<br />

• Lage potentieller Laichplätze (Substratkartierung) und die Ermittlung der tatsächlichen Nutzung<br />

durch laichende Neunaugen,<br />

• Größe und räumlichen Ausdehnung von Larvenbeständen,<br />

• Auswirkungen von Lebensraumzerschneidungen bzw. Fragmentierung der Populationen,<br />

• Besiedlung des unmittelbaren Umfeldes von hydrotechnischen Bauwerken bzw. der oberhalb<br />

gelegenen Gewässerstrecken,<br />

• Ausbreitungsdynamik und des Raumbedarfs der Querder.<br />

Untersuchungsgewässer, Material und Methoden<br />

Untersuchungsgewässer<br />

Als Untersuchungsschwerpunkt wurde das Warnowsystem gewählt, da durch das BMBF-<br />

Warnowprojekt gute Kenntnisse zur Verbreitung der Neunaugenarten im gesamten Einzugsgebiet<br />

vorlagen (vgl. u. a. THIELE & MEHL 1995).<br />

Ergebnisse zur Raumnutzung von Populationen des Bachneunauges wurden vorwiegend an<br />

den Modellgewässern Nebel (nur Oberlauf) und Beke (gesamtes Einzugsgebiet) ermittelt. Kriterien<br />

<strong>für</strong> die Gewässerauswahl waren strukturelle Parameter (unterschiedlicher Grad anthropogener<br />

Beeinflussung bzw. Naturnähe, Vorhandensein von Querverbauungen) sowie die entsprechende<br />

Besiedlung durch Neunaugenarten.<br />

18


Das Bekesystem erschien geeignet, die Besiedlungsdynamik innerhalb eines Gewässersystems<br />

zu erfassen, da sowohl Hauptstrom als auch mehrere Nebengewässer durch Neunaugen<br />

besiedelt sind. Die Nebel im Oberlauf (oberhalb des Krakower Sees) bot die Möglichkeit, eine<br />

isolierte Bachneunaugenpopulation in einem nicht von Lebensraumzerschneidungen betroffenen<br />

Gewässerabschnitt zu untersuchen.<br />

Die Fließgewässer im Warnowsystem sind durch die zahlreich durchflossenen bzw. im Nebenschluss<br />

befindlichen Seen, durch gewässerbegleitende Niedermoore und Durchbruchstäler geprägt<br />

(<strong>für</strong> genauere Angaben s. u. a. THIELE & MEHL 1995). Die hydrographische Struktur ist im<br />

Wesentlichen glazialen Ursprungs; alle Fließe liegen im Bereich des Pommerschen Stadiums<br />

der Weichselvergletscherung. Die Herausbildung der Gewässermorphologie beruht hingegen<br />

überwiegend auf postglazialen Prozessen (THIELE et al. 1994).<br />

Tabelle 1: Einzugsgebiete der Untersuchungsgewässer<br />

Gewässer Beke Nebel<br />

Größe des Einzugsgebietes (km 2 ) 319,95 933,91<br />

Die Nebel entspringt im Malkwitzer See und weist in ihrem Verlauf typische Elemente nordostdeutscher<br />

Tieflandbäche auf (Niedermoorbereiche, durchflossene Seen, Durchbruchstäler,<br />

rückgestaute Bereiche und langsamfließende Unterlaufstrecken; siehe u. a. MEHL et al. 1995).<br />

Der im Oberlauf untersuchte Bereich zwischen Linstow und der Mündung in den Krakower See<br />

war nach Begradigung und Profilvereinheitlichung in einem naturfremden Zustand; entwickelt<br />

sich derzeit jedoch infolge ausgeprägter Dynamik durch relativ hohe Fließgeschwindigkeiten<br />

wieder zu naturnahen Strukturen (Uferabbrüche, Unterspülungen, Herausbildung variabler Tiefen-<br />

und Strömungsverhältnisse).<br />

Die Beke entspringt im Groß Tessiner See und ist auf großen Abschnitten ihres Verlaufes durch<br />

degradierte Niedermoore naturfern verbaut. Lediglich im Oberlauf zwischen Jürgenshagen und<br />

Gnemern (NSG „Grünes Rad“) existiert ein ausgedehnter natürlicher Abschnitt, geprägt durch<br />

hohes Gefälle, hohe Strömungsgeschwindigkeiten und Dominanz grobkörniger mineralischer<br />

Substrate.<br />

Alle untersuchten Zuflüsse zur Beke sind ebenfalls durch umfangreiche Maßnahmen des Gewässerausbaus<br />

geprägt, weisen jedoch abschnittsweise naturnahe Strecken auf (z. B. Unterlauf<br />

Dolglaser und Moltenower Bach, Mündungsbereich Waidbach; zum Bekesystem siehe auch<br />

THIELE & MEHL 1995).<br />

Material und Methoden<br />

Vor Beginn der Felduntersuchungen an Neunaugen wurden die Substratverteilung (Lage und<br />

Ausdehnung von Grobkiesflächen als potentielle Laichhabitate <strong>für</strong> Neunaugen) sowie alle<br />

Querverbauungen (Lage, Bautyp bzw. Betriebsart, Sperrwirkung <strong>für</strong> Neunaugen) in den Untersuchungsgewässern<br />

kartiert.<br />

Im Rahmen des Monitorings zur Reproduktion sind die Zahl laichender Tiere, die Laichgruben<br />

sowie deren räumliche Verteilung aufgenommen worden (zum Laichmonitoring vergl. LEMCKE &<br />

WINKLER 2001, in diesem <strong>Heft</strong>).<br />

Die Erfassung der juvenilen Stadien der Neunaugen erfolgte durch Aussieben des entnommenen<br />

Sedimentes mit einem Kastensieb (Metallgaze, Maschenweite 2 mm). Die untersuchten<br />

Gewässerabschnitte wurden durchgängig in Abständen von 50 m bzw. 100 m beprobt. An den<br />

abgemessenen Positionen wurde jeweils ein definiertes Bachsegment über die gesamte Gewässerbreite<br />

quantitativ ausgesiebt. Die Abgrenzung der zu untersuchenden Bereiche erfolgte<br />

durch einen seitlich geschlossenen Metallaufsatz (Höhe 70 cm), aus dem mit Hilfe eines Handkeschers<br />

(Maschenweite 2 mm) das Sediment entnommen wurde (Entnahmetiefe je nach Sedimenttyp<br />

20 cm [hart, mineralisch] bis 40 cm [weich, organisch]). Bedingt durch die Netzmaschenweite<br />

war die quantitative Erfassung von Querdern erst ab einer Länge von > 45 mm<br />

möglich. Neben Querdern wurden im Rahmen der Siebungen auch einige adulte Bachneunaugen<br />

ermittelt.<br />

19


Gefangene Tiere wurden kurze Zeit zwischengehältert, betäubt (MS 222, ca. 65 ppm; nach<br />

AGRIS 1967, Anzeige entsprechend Tierschutzrecht ist erfolgt), vermessen (Genauigkeit<br />

± 1 mm), gewogen (Genauigkeit ± 0,1 g) und nach einer Erholungsphase zurückgesetzt. Aus<br />

Artenschutzgründen erfolgte grundsätzlich keine Laborbearbeitung bzw. Präparation der Neunaugen.<br />

Die Ermittlung von Bestandsgrößen der Querder erfolgte durch Hochrechnung der Abundanzen<br />

einzelner Probestellen auf 50 m bzw. 100 m Abschnitte. Da die Verteilung der Larven im Gewässerlängsschnitt<br />

sehr heterogen ist, kann das Ergebnis nur eine Abschätzung der ungefähren<br />

Größenordnung von Populationen sein.<br />

Im Gegensatz zu anderen Autoren (WATERSTRAAT 1989, KRAPPE 1996) wurde auf die Verrechnung<br />

der durch Aussiebung ermittelten Abundanzen mit einem Korrekturfaktor verzichtet (angenommene<br />

Fangeffektivität 100 % <strong>für</strong> Tiere > 45 mm). Durch Verwendung des geschlossenen<br />

Metallaufsatzes war die Flucht von Tieren aus dem bearbeiteten Sedimentsektor praktisch unmöglich.<br />

Lediglich an sehr tiefen Stellen (Wassertiefe > Höhe Metallaufsatz) fand gelegentlich<br />

ein Herausschwimmen über den Kastenrand statt (selten, da Querder nach Aufscheuchen in<br />

der Regel versuchen, sich wieder einzugraben). Flüchtende Tiere, die beobachtet werden konnten,<br />

wurden in die Berechnung einbezogen. Insgesamt liegt der Erfassungsfehler sicher unter<br />

10 %.<br />

Die durchgeführte Sedimententnahme von 20-40 cm Mächtigkeit wird als ausreichend angesehen,<br />

um Querder quantitativ zu erfassen; nach Versuchen von KUBICEK (1993) beträgt die<br />

Eingrabetiefe der Querder nie mehr als ihre Körperlänge.<br />

Während mit der dargestellten Siebmethode im Oberlauf der Nebel der gesamte besiedelte Abschnitt<br />

bearbeitet wurde, sind im Bekesystem jeweils nur 500 m Abschnitte a 10 Probestellen im<br />

Bekeverlauf selbst und in allen Zuflüssen beprobt worden, um einen Überblick über die Besiedlung<br />

des gesamten Systems zu erhalten.<br />

Die Untersuchungen wurden im Zeitraum von 1995 - 1997 realisiert, wobei jedes Gewässer<br />

hinsichtlich der Querderbesiedlung nur einmalig bearbeitet wurde. Unterschiede im Verteilungsmuster<br />

der Larven durch saisonale oder jährliche Schwankungen mussten unberücksichtigt<br />

bleiben. Das Laichmonitoring fand in allen drei Untersuchungsjahren statt.<br />

Ergebnisse<br />

Neunaugenbesiedlung der Nebel<br />

Der Oberlauf der Nebel wird im Bereich zwischen Linstower und Krakower See auf einer Länge<br />

von ca. 4.400 m durch Bachneunaugen besiedelt (Abb. 1).<br />

Der Mittellauf der Nebel ist ebenfalls von Bachneunaugen besiedelt; dieser Abschnitt war jedoch<br />

nicht Gegenstand der Untersuchungen.<br />

Abb. 2 informiert über das genaue Besiedlungsmuster des Nebel-Oberlaufs durch Bachneunaugen.<br />

Durch Hochrechnung ergibt sich ein Querderbestand von insgesamt ca. 46.000 Individuen<br />

(> 45 mm).<br />

Im Untersuchungsabschnitt konnte auf zwei Strecken Laichaktivität ermittelt werden; die Lage<br />

der Laichgebiete zeigt Abb. 2. Es handelt sich jeweils um sehr kurze Gewässerbereiche von 50<br />

m (oberes Gebiet) bis ca. 200 m (unteres Gebiet) Länge. Insgesamt sind nur ca. 4 % der besiedelten<br />

Bachstrecke strukturell als Laichhabitat geeignet.<br />

Abb. 3 verdeutlicht die Ausbreitungsdynamik der Querder im Nebel-Oberlauf (kumulierte Darstellung<br />

der Abundanzen).<br />

Insgesamt besiedelt die Bachneunaugenpopulation im Nebel-Oberlauf eine Gewässerstrecke<br />

von ca. 4.400 m. Im unteren Bereich des besiedelten Abschnittes ist eine deutliche Abnahme<br />

der Dichte bei unveränderten Habitatbedingungen zu erkennen, der Bestand dünnt aus (vergl.<br />

Abb. 2). Die untere Ausbreitungsgrenze ist jedoch nicht erreicht, da bis kurz oberhalb des Krakower<br />

Sees Querder nachweisbar waren. Die Verdriftung von einigen Neunaugenlarven in den<br />

See muss angenommen werden.<br />

20


Höhe über NN<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

ca. 4.400 m<br />

Von Bachneunaugen besiedelte Bereiche<br />

0<br />

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70<br />

Fließrichtung<br />

Krakower<br />

See<br />

Wehr<br />

Kuchelmiß<br />

(genaue Verbreitungsgrenzen<br />

nicht bekannt)<br />

Wehr Kölln<br />

Wehr<br />

Güstrow<br />

Bachkilometer ab Quelle<br />

Mündung in<br />

die Warnow<br />

Abb. 1: Neunaugenbesiedlung der Nebel (Gewässerdarstellung als Gefällediagramm)<br />

Nebel-Oberlauf<br />

(obere Verbreitungsgrenze bis Mündung in den Krakower See)<br />

Anzahl Neunaugen Individuen je qm<br />

4.000<br />

3.500<br />

3.000<br />

2.500<br />

2.000<br />

1.500<br />

1.000<br />

500<br />

0<br />

oberster<br />

Laichplatz<br />

Laichplätze Laichplätze<br />

0-50<br />

200-250<br />

400-450<br />

Fließrichtung<br />

600-650<br />

850-900<br />

1050-1100<br />

1250-1300<br />

1450-1500<br />

1650-1700<br />

1850-1900<br />

2050-2100<br />

2250-2300<br />

2450-2500<br />

2650-2700<br />

Bachabschnitt in m<br />

Abb. 2: Besiedlungsmuster Bachneunaugen (Querder) im Nebel-Oberlauf<br />

2850-2900<br />

3050-3100<br />

3250-3300<br />

<strong>34</strong>50-3500<br />

3650-3700<br />

3850-3900<br />

4050-4100<br />

4250-4300<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Mündung in den<br />

Krakower See<br />

Auffällig sind die jeweils hohen Besiedlungsdichten im unmittelbaren Bereich unterhalb der zwei<br />

Laichgebiete. Im weiteren Gewässerverlauf (jeweils nach ca. 1.000 m) kommt es dann zur Ausdünnung<br />

des Bestandes.<br />

21


22<br />

0-50<br />

200-250<br />

obere Verbreitungsgrenze<br />

(natürlich =<br />

oberster Laichplatz)<br />

400-450<br />

600-650<br />

Nebel-Oberlauf (gesamter besiedelter Abschnitt)<br />

850-900<br />

Fließrichtung<br />

1050-1100<br />

1250-1300<br />

1450-1500<br />

1650-1700<br />

1850-1900<br />

2050-2100<br />

2250-2300<br />

2450-2500<br />

2650-2700<br />

2850-2900<br />

3050-3100<br />

besiedelter Bachabschnitt (m)<br />

3250-3300<br />

<strong>34</strong>50-3500<br />

3650-3700<br />

3850-3900<br />

4050-4100<br />

4250-4300<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

% des Gesamtbestandes<br />

Mündung in den<br />

Krakower See<br />

Abb. 3: Ausbreitungsdynamik der Querder im Nebel-Oberlauf (Abundanzen kumuliert)<br />

LT (mm)<br />

200<br />

180<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

Nebel-Oberlauf (gesamter besiedelter Abschnitt)<br />

n = 686<br />

Laichplätze Laichplätze<br />

40<br />

20<br />

0 500 1.000 1.500 2.000 2.500 3.000 3.500 4.000 4.500<br />

Fließrichtung<br />

Besiedelter Bachabschnitt in m<br />

Abb. 4: Längenverteilung der Querder im Gewässerlängsschnitt (alle Totallängen je Probestelle<br />

und Trendlinie - lineare Regression)<br />

Auch in der Längenverteilung (Abb. 4) widerspiegelt sich dieses Besiedlungsmuster. Während<br />

unterhalb der Laichgebiete kleinere Querder überwiegen, steigt mit zunehmender Entfernung<br />

vom Laichplatz die Länge der Larven an. Besonders unterhalb des im Längsverlauf zweiten<br />

Laichgebietes im Nebel-Oberlauf ist diese Tendenz erkennbar, so dass im untersten Gewäs-


serabschnitt kurz vor der Mündung in den Krakower See ältere Querder deutlich überwiegen.<br />

(Die Trendlinie verdeutlicht die tendenzielle Längenzunahme der Querder im Gewässerlängsschnitt.)<br />

Neunaugenbesiedlung des Bekesystems<br />

In Karte 1 sind die im Einzugsgebiet der Beke ermittelte Neunaugenbesiedlung sowie die Probestellen<br />

dieser Untersuchung dargestellt (die in der nachfolgenden Ausführung verwandten<br />

Probestellennummern [PS] beziehen sich auf Karte 1).<br />

Probestellen (je 500m Abschnitte):<br />

Beke: 1 Schwaan (Mündungsbereich zur Warnow; Vorkommen<br />

von Bach- und Flussneunauge)<br />

2 Schwaan (oberhalb Wehr)<br />

3 Bröbberow<br />

4 unterhalb Waidbachmündung<br />

5 oberhalb Weidbachmündung<br />

6 Boldensdorf<br />

7 Klein Belitz<br />

8 Reinstorf<br />

9 unterhalb Tessenitzmündung<br />

10 oberhalb Tessenitzmündung<br />

Zuflüsse: 11 Waidbach (Mündungsbereich)<br />

12 Waidbach (Unterlauf)<br />

13 Hohen Luckower Graben<br />

14 Tessenitz (Mündungsbereich)<br />

15 Moltenower Bach<br />

16 Dolglaser Bach<br />

Dolglaser Dolglaser Dolglaser Bach Bach Bach<br />

Beke Beke Beke<br />

Moltenower Moltenower Moltenower Bach Bach Bach<br />

Tessenitz Tessenitz Tessenitz<br />

Hohen Hohen Hohen<br />

Luckower Luckower Luckower Graben Graben Graben<br />

Nicht besiedelt! Nicht besiedelt!<br />

16<br />

15<br />

Ermittelte Besiedlungsdichten<br />

(Individuen / m²)<br />

14<br />

10<br />

9<br />

0<br />

0 - 0,1<br />

0,1 – 1<br />

1 – 5<br />

5 – 10<br />

nicht bearbeitete Abschnitte<br />

8<br />

Beke Beke Beke<br />

7<br />

6<br />

Waidbach Waidbach Waidbach<br />

5<br />

12<br />

11<br />

13<br />

4 3<br />

Karte 1: Neunaugenbesiedlung im Bekesystem und Probestellen<br />

Beke Beke Beke<br />

N<br />

Nicht besiedelt!<br />

2 1<br />

Warnow<br />

23


Abb. 5 zeigt die an den Probestellen im Hauptgewässer Beke ermittelten Querderdichten:<br />

24<br />

Individuen / qm<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 <strong>34</strong> 36 38<br />

Abfluß aus dem<br />

Groß Tessiner See<br />

Fließrichtung<br />

Mündung des<br />

Moltenower Bachs<br />

(PS 15)<br />

10<br />

9<br />

8<br />

Bachkilometer ab Quelle<br />

7<br />

Mündung<br />

der Tessenitz<br />

(PS 14)<br />

Probestellen (PS)<br />

6<br />

Mündung des<br />

H. Luckower<br />

Gr. (PS 13)<br />

Abb. 5: Querderdichten an den Probestellen in der Beke<br />

4<br />

1<br />

5 3 2<br />

Mündung<br />

des Waidbachs<br />

(PS 11 & 12)<br />

Mündung in<br />

die Warnow<br />

Im Bekeeinzugsgebiet existieren mehrere Laichgebiete der Neunaugen, von denen die Besiedlung<br />

des Systems ausgeht.<br />

Im Oberlauf laichen Bachneunaugen sowohl in der Beke selbst (gesamter Abschnitt oberhalb<br />

PS 10 bis zur Ortslage Gnemern, ca. 7 km Gewässerstrecke) als auch in den Zuflüssen Moltenower<br />

Bach (ausgedehnte Laichgebiete) und Tessenitz (nur punktuell geeignetes Laichhabitat<br />

vorhanden). Der Einlauf des Moltenower Baches ist durch eine Verrohrung mit kombiniertem<br />

Sohlabsturz von der Beke abgetrennt; ein Austausch von Individuen findet daher nur in die Beke<br />

(Abdrift), nicht jedoch aufwärts statt.<br />

Direkt unterhalb der Laichplatzkonzentration im Oberlauf wurde an PS 9 die höchste Besiedlungsdichte<br />

im Bekesystem festgestellt (6,05 Ind./m 2 ). Im weiteren Gewässerverlauf nimmt die<br />

Besiedlungsdichte sukzessive ab (PS 8: 0,78 Ind./m 2 , PS 7: 0,06 Ind./m 2 und PS 6: 0,03<br />

Ind./m 2 ). An PS 5 sind in der Beke keine Neunaugen nachweisbar.<br />

Im Waidbach sind wiederum Laichplätze des Bachneunauges lokalisiert (ab Mündung in die<br />

Beke aufwärts auf ca. 5 km, mehrere kurze Abschnitte mit geeignetem Laichhabitat). Ausgehend<br />

von dieser Reproduktionsstätte konnten im Waidbach selbst (PS 11 und 12) sowie in den<br />

unterhalb liegenden Bearbeitungsabschnitten in der Beke Querder nachgewiesen werden (PS<br />

4: 0,46 Ind./m 2 , PS 3: 0,04 Ind./m 2 ). Analog zum Abschnitt zwischen PS 9 und PS 5 dünnt der<br />

Neunaugenbestand unterhalb der Waidbachmündung (ab PS 11) aus; an PS 2 sind in der Beke<br />

wiederum keine Querder nachweisbar.<br />

So existieren im Verlauf der Beke zwei Bereiche, die keine Besiedlung durch Neunaugenlarven<br />

aufweisen; günstige Habitatbedingungen <strong>für</strong> Querder sind unterhalb von PS 9 überall gleichermaßen<br />

gegeben. Die Vernetzung der Neunaugenbestände innerhalb des Bekesystems kann<br />

aufgrund der Lücken in der Querderverbreitung nur durch die Aufwärtswanderung adulter Individuen<br />

getragen werden und findet aufgrund der geringen Wanderdistanzen der Art vermutlich<br />

nur in sehr begrenztem Umfang statt.<br />

Die Gewässer Dolglaser Bach (PS 16) und Hohen Luckower Zufluss (PS 13) bieten aufgrund<br />

der strukturellen Bedingungen Neunaugen potentiellen Lebensraum (Laich- und Querderaufwuchshabitate),<br />

weisen jedoch keine Besiedlung auf.


Insgesamt ergeben sich folgende Lebensraumgrößen (als untere Lebensraumgrenzen werden<br />

die PS ohne Neunaugenbesiedlung [= 5, 2] gewertet - die tatsächlichen Raumgrößen sind<br />

demnach etwas kleiner; zur räumlichen Ausbreitung in den besiedelten Bekezuflüssen liegen<br />

nur ungefähre Angaben vor):<br />

Tabelle 2: Lebensraumgrößen (Bachlänge) Teilpopulationen Bachneunauge im<br />

Bekesystem<br />

oberer besiedelter Abschnitt unterer besiedelter Abschnitt<br />

Lebensraum insgesamt<br />

(Laichgebiete und Querderaufwuchsplätze)<br />

Moltenower Bach: ca. 4,40 km Waidbach: ca. 5,00 km<br />

Tessenitz: ca. 9,00 km Beke: ca. 11,00 km<br />

Beke: ca. 19,40 km<br />

Abschnitt gesamt: ca. 32,80 km Abschnitt gesamt: ca. 16,00 km<br />

Querderausbreitungsareal<br />

(Abschnitt zwischen unterstem Laichplatz und Erlöschen des Bestandes)<br />

ca. 12,40 km ca. 11,00 km<br />

Am Beispiel des Bekeabschnittes zwischen PS 9 und PS 5 soll die Raumnutzung durch den<br />

Querderbestand näher dargestellt werden (vergl. Karte 1 und Abb. 6).<br />

An PS 9 betrug die ermittelte Besiedlungsdichte 6,05 Ind./m 2 (= „Ausgangsbesiedlung“). 1,6 km<br />

unterhalb war die PS 8 noch mit 0,78 Ind./m 2 besiedelt, bereits eine Abnahme auf ca. 12,9 %<br />

der Ausgangsbesiedlung. Weitere 1,3 km unterhalb konnte an PS 7 eine Dichte von 0,06<br />

Ind./m 2 nachgewiesen werden (ca. 1 % der Ausgangsbesiedlung), und PS 6, ca. 3,2 km unterhalb<br />

von PS 7 lokalisiert, war mit ca. 0,03 Ind./m 2 (ca. 0,5 % der Ausgangsbesiedlung) besiedelt.<br />

Die tatsächliche Ausbreitungsgrenze der Querder befindet sich zwischen PS 6 und PS 5<br />

(Streckenlänge ca. 2,7 km), denn PS 5 ist unbesiedelt.<br />

Besiedlungsdichte (Ind./qm)<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

0 3 6 9 12 15<br />

(Laichplatz)<br />

PS 9<br />

PS 8<br />

PS 7<br />

PS 6<br />

Entfernung vom Laichplatz (km)<br />

Abb. 6: Besiedlungsdichten Querder im Bekeabschnitt zwischen PS 9 und PS 5<br />

PS 5<br />

25


Die Abb. 6 zeigt, dass die Besiedlung im Gewässerlängsschnitt unterhalb der Laichgebiete exponentiell<br />

abnimmt (Regressionsdaten: R 2 = 0,86; y = 6,73 x -0,7 ).<br />

Eine vereinfachte Hochrechnung verdeutlicht die Nutzung des insgesamt besiedelten Abschnittes<br />

durch Querder des Bachneunauges.<br />

(Folgende Vereinfachung wurde vorgenommen: <strong>für</strong> die Abschnitte gilt jeweils der Mittelwert der<br />

an den abschnittsbegrenzenden PS ermittelten Besiedlungsdichten und Gewässerbreiten.)<br />

Tabelle 3: Nutzung eines Bekeabschnittes durch Bachneunaugenquerder (Bezug:<br />

Karte 1)<br />

Bekeabschnitt<br />

mittlere Besiedlungsdichte<br />

(Ind./m 2 )<br />

Fläche des Abschnitts<br />

(m 2 ; Hochrechnung)<br />

Individuenzahl<br />

(Hochrechnung)<br />

PS 9 bis PS 8 3,415 8.100 27.660 (85 %)<br />

PS 8 bis PS 7 0,420 8.450 3.550 (10,9 %)<br />

PS 7 bis PS 6 0,045 22.200 1.000 (3,1 %)<br />

PS 6 bis PS 5 0,015 21.300 320 (1 %)<br />

Gesamtbestand: ca. 32.530<br />

Es zeigt sich, dass der obere Teilabschnitt (etwa bis PS 8, ca. 1,6 km Länge) eine überdurchschnittliche<br />

Bedeutung als Querderaufwuchsplatz besitzt, ca. 13,5 % der insgesamt besiedelten<br />

Strecke beherbergen ca. 85 % des Bestandes. Unterhalb verringert sich die Querderbesiedlungsdichte,<br />

so dass der verbleibende Streckenabschnitt (ca. 9,2 km) nur noch etwa 15 % des<br />

Bestandes beherbergt.<br />

Diskussion<br />

Hauptanliegen der vorliegenden Arbeit war es vor allem, die Größe von Lebensräumen des<br />

Bachneunauges sowie damit unmittelbar verknüpfte Fragestellungen (Charakteristik von Lebensraumgrenzen,<br />

Vernetzung benachbarter Bestände u. a.) zu untersuchen.<br />

Bislang sind nur wenige Angaben zu Populations- und Lebensraumgrößen von Bachneunaugen<br />

bekannt. Tabelle 4 gibt eine Zusammenfassung bisher veröffentlichter Daten sowie der Ergebnisse<br />

der vorliegenden Arbeit.<br />

Am Beispiel von Beke und Nebel wurde detailliert gezeigt, wie die Raumnutzung durch Bestände<br />

des Bachneunauges erfolgt. Es wurde deutlich, dass unterhalb der Reproduktionsgebiete die<br />

größten Abundanzen zu verzeichnen waren und bereits nach relativ kurzen Bachstrecken eine<br />

starke Ausdünnung der Bestände einsetzte. Damit kommt den Gewässerabschnitten direkt unterhalb<br />

der Laichplätze eine überdurchschnittlich hohe Bedeutung als Querderaufwuchsplatz<br />

zu.<br />

Über das Bekesystem hinaus besitzt das aufgezeigte Besiedlungsmuster Bedeutung als Modell<br />

<strong>für</strong> die Besiedlung zusammenhängender Gewässersysteme. Es wurde deutlich, dass zur<br />

Aufrechterhaltung vernetzter Bestände innerhalb ganzer Einzugsgebiete bestimmte Voraussetzungen<br />

vorliegen müssen. Der regelmäßige Austausch zwischen Teilpopulationen ist nur möglich,<br />

wenn Laichgebiete in geringer Entfernung voneinander lokalisiert sind. Der Vernetzung<br />

durch driftende Querder sind offenbar relativ enge Grenzen gesetzt, da jeweils nach maximal<br />

12 km unterhalb der Laichplätze keine Larven mehr nachweisbar waren (der Nachweis der Allgemeingültigkeit<br />

<strong>für</strong> norddeutsche Gewässer steht jedoch noch aus).<br />

In der Beke fehlten unterhalb der Probestelle 10 weitere Laichgebiete im Hauptgewässer, doch<br />

war eine Verbindung der Bestände über teilweise besiedelte (und mit Laichplätzen ausgestattete)<br />

Nebengewässer gegeben (Moltenower Bach, Tessenitz, Waidbach). Diese Zuflüsse funktionieren<br />

praktisch als „Trittsteine“ (vergl. KAULE 1991 u. a. ) der Population im Gewässersystem.<br />

26


Tabelle 4: Zusammenfassung von Angaben zu Populations- und Lebensraumgrößen<br />

des Bachneunauges<br />

Gewässer Autor Lebensraum- Bestandsgröße Bestandsgröße<br />

größe<br />

Querder Adulti (Laicher)*<br />

River Brue HARDISTY (1944) zwei Strecken a<br />

1 Meile (ca. 1,61<br />

km); durch Wehre<br />

getrennt<br />

keine Angaben keine Angaben<br />

River Yeo HARDISTY (1961) ca. 1 Meile (1,61 keine Angaben 60 - 200<br />

km), abgetrennt<br />

durch Wehre<br />

(Langzeittrend)<br />

Stampen Stream MALMQUIST ca. 5.800 m 27.900 - 52.200 keine Angaben<br />

(1983)<br />

(verschiedene<br />

Untersuchungsjahre)<br />

Reuthbach SCHADT (1993) ca. 2.000 m ca. 7.500 keine Angaben<br />

Aubach BOHL (1995) „ca. 6 km<br />

Bachstrecke“<br />

keine Angaben keine Angaben<br />

Schmiech KAPPUS et al.<br />

(1994)<br />

keine Angaben keine Angaben ca. 400 - 600<br />

Lauchert KAPPUS & RAH- ca. 30 km durch- keine Angaben keine Angaben<br />

MANN 1995 gängig besiedelt<br />

Weierbächlein KUBICEK (1993) 2.220 m (ca.<br />

2.900 m 2 )<br />

ca. 1.730 - 2.850 ca. 140<br />

Ziemenbach WATERSTRAAT 4.200 m (ca.<br />

(1989);<br />

KRAPPE (1996) **<br />

9.400 m 2 30.000 - 40.000 250 - 350***<br />

)<br />

Nebel-Oberlauf LEMCKE (1999) ca. 4.400 m<br />

(diese Arbeit) (ca. 27.500 m 2 ca. 46.000 ca. 150 - 170<br />

)<br />

Kösterbeck-<br />

Unterlauf<br />

LEMCKE (1999)<br />

- Abschnitt unter-<br />

ca. 3.100 m<br />

halb Wehr<br />

(ca. 11.800 m<br />

- Abschnitt oberhalb<br />

Wehr<br />

2 )<br />

ca. 2.400 m<br />

(ca. 10.200 m 2 ca. 53.000 (inklu- ca. 230<br />

sive L. fluviatilis)<br />

ca. 14.000 ca. 50<br />

)<br />

Kösterbeck- LEMCKE (1999) ca. 3.200 m<br />

Oberlauf<br />

(ca. 6.000 m 2 ca. 800 keine Angaben<br />

)<br />

Korleputer Bach LEMCKE (1999) > 2.200 m nicht ermittelt 80 - 100<br />

(Referenzstrecke<br />

(nur Referenz- (> 32.500)<br />

unterhalb Sohlabstreckebearbeisturz<br />

Korleput)<br />

tet)<br />

Beke LEMCKE (1999) ca. 32 km nicht ermittelt 2.200 - 2.600<br />

(gesamter Ver- (diese Arbeit) (ohne Nebengelauf,<br />

aber ohne<br />

Neben-gewässer)<br />

wässer)<br />

* die Angaben beruhen nicht auf gleichen Methoden zur Bestandsschätzung und sind daher nur bedingt vergleichbar<br />

(alle genannten Autoren geben Laicherbestände entweder auf Grundlage beobachteter Peaks an<br />

bzw. nennen keine Grundlage <strong>für</strong> die Bestandsgrößenangabe - z. B. Schadt 1993; die Ergebnisse von Lemcke<br />

(1999) beruhen auf Markierungsexperimenten)<br />

** die von Waterstraat (1989) publizierten Angaben zum Ziemenbach wurden durch Krappe (1996) er-gänzt und<br />

präzisiert<br />

*** nach aktuellen Untersuchungen umfaßt der Laicherbestand des Ziemenbaches etwa 1.000 Adulti (Water-straat<br />

& Krappe, schriftl. Mitt. 1998)<br />

27


Bereits der Ausfall eines Zuflusses als Laichplatz (Hohen Luckower Graben) war verantwortlich<br />

<strong>für</strong> die in der Beke auftretende Besiedlungslücke zwischen PS 6 und PS 5, da in der Beke<br />

selbst in diesem Bereich keine geeigneten Laichhabitate zur Verfügung stehen.<br />

Die Lebensraumgrenzen der untersuchten Populationen sind teils natürlich, teils anthropogenen<br />

Ursprungs. Wenn nicht Hindernisse die aufwärtsgerichtete Wanderung adulter Neunaugen<br />

behindern, sind die obersten Laichplätze die natürliche Ausbreitungsgrenze von Beständen. Oft<br />

ist zu beobachten, dass bei ausgedehnten, als Laichsubstrat geeigneten Kiesstrecken ein „Sättigungseffekt“<br />

auftritt (LEMCKE 1999). Die Zahl der Laichgruben bzw. laichenden Individuen<br />

nimmt nach oben hin sukzessive ab, bis keine Laicher mehr nachweisbar sind, obwohl geeignete<br />

Habitatbedingungen <strong>für</strong> die Reproduktion auch oberhalb zur Verfügung stehen (ebd.).<br />

Die höchstgelegenen Laichplätze sind nicht als scharfe Lebensraumgrenzen aufzufassen, da in<br />

Abhängigkeit vom Aufkommen an Laichtieren und durch Hochwasser bedingte Sedimentverlagerungen<br />

Verschiebungen dieses Bereiches von Saison zu Saison anzunehmen sind.<br />

In der Nebel (Oberlauf) stellt der oberste Laichplatz die Lebensraumgrenze dar, nach unten<br />

wird diese Population des Bachneunauges durch die Mündung des Gewässers in den Krakower<br />

See begrenzt (ebenfalls „unscharf“, da Querder in den See verdriften können).<br />

Im Bekesystem konnten meist die o. g. Lebensraumgrenzen in Form der am weitesten stromauf<br />

gelegenen Laichgebiete ermittelt werden (Verlauf der Beke selbst, Moltenower Bach, Waidbach).<br />

In der Tessenitz begrenzt ein Querbauwerk die aufwärtsgerichtete Ausbreitung des Bestandes<br />

im Unterlauf, jedoch existiert im oberen Gewässerbereich eine weitere Teilpopulation,<br />

deren obere Lebensraumgrenze wiederum durch Ausdünnung des Laicherbestandes geprägt<br />

ist.<br />

Es muss angenommen werden, dass die konkreten Angaben zur Raumnutzung nur <strong>für</strong> die spezifischen<br />

Bedingungen norddeutscher Flachlandbäche gelten. Generell ist davon auszugehen,<br />

dass die Habitatausstattung potentieller Querderaufwuchsplätze und die Kapazität der Laichplätze<br />

die Raumnutzung wesentlich bestimmen.<br />

Nach KUHN (1992) und POTTER (1980) ist das Gefälle maßgeblicher Faktor <strong>für</strong> die Ausbreitung,<br />

so dass <strong>für</strong> Gewässer mit größerem Gefälle (z. B. in Mittelgebirgsregionen) höhere Ausbreitungsdistanzen<br />

anzunehmen sind. Die Ableitung der Größenordnung ist aus den vorliegenden<br />

Ergebnissen jedoch nicht möglich; hierzu sind ähnliche Untersuchungen in diesen Regionen<br />

erforderlich.<br />

Die dargestellte Raumnutzung erklärt die Überlebensfähigkeit von Querderbeständen auf relativ<br />

kurzen Streckenabschnitten oberhalb von Querbauten, wie in mehreren norddeutschen Fließgewässern<br />

nachgewiesen werden konnte (Kösterbeck, Korleputer Bach; LEMCKE 1999). Offenbar<br />

sind die Neunaugen in der Lage, auf Abschnitten von 2.000-3.000 m Gewässerlänge stabile<br />

Populationen zu bilden (Voraussetzungen: bestimmte Mindestbreite des Gewässers, Vorkommen<br />

geeigneter Habitate <strong>für</strong> die Reproduktion und als Aufwuchsgebiet <strong>für</strong> Querder, bestimmte<br />

Ausgangspopulationsgröße).<br />

SALEWSKI (1991) ermittelte im Finkenbach, dass ein Abschnitt von ca. 2.000 m Länge zwischen<br />

dem Reproduktionsgebiet und einem unterhalb befindlichen, unüberwindbaren Wehr ausreichenden<br />

Lebensraum <strong>für</strong> Bachneunaugen bot. Er vermutete aufgrund dieser Tatsache, dass<br />

jeweils nur ein Teil der Larven einer Drift unterworfen ist, ein anderer Teil aber zeitlebens in<br />

Laichplatznähe verbleibt. Die längszonierte Verteilung der Larven in allen Untersuchungsgewässern<br />

bestätigt SALEWSKIS Annahme, da ältere Querder jeweils in allen besiedelten Bereichen<br />

und stets auch in Laichplatznähe zu finden waren.<br />

Auch KRAPPE (1996) ermittelte erhebliche individuelle Unterschiede in der Verdriftung und fand<br />

sowohl Larven des 0 + -<strong>Jahrgang</strong>es mehr als drei Kilometer unterhalb der Laichplätze als auch<br />

ältere Querder in unmittelbarer Laichplatznähe.<br />

MORMAN (1987) wies aufgrund von Versuchen an larvalen Petromyzon marinus darauf hin, dass<br />

die Besiedlungsdichte ein bestimmender Faktor <strong>für</strong> die Larvenausbreitung ist. Dies unterstreicht<br />

die Bedeutung der Gewässerbereiche direkt unterhalb der Reproduktionsgebiete als Lebensraum<br />

larvaler Neunaugen. Eine intensive Ausbreitung in Längsrichtung findet vermutlich erst<br />

dann statt, wenn Abschnitte unterhalb der Laichplätze sehr dicht besiedelt sind („Sättigung“ des<br />

28


Querderaufwuchshabitates). In Abhängigkeit vom Larvenaufkommen kann somit die untere<br />

räumliche Ausdehnung der Population schwanken.<br />

Die vorliegenden Daten gestatten eine (vorsichtige) Abschätzung der Parameter Mindestlebensraum<br />

bzw. Mindestpopulationsgröße <strong>für</strong> Bachneunaugen, es fehlen jedoch Angaben zur<br />

langfristigen Überlebensfähigkeit der nachfolgend dargestellten „Mindestpopulationen“.<br />

Mehrere Beispiele belegen die Ausbreitung von Beständen auf begrenzten Strecken von ca.<br />

2.000-3.000 m (vergl. Tabelle 4). Im Zusammenhang mit der dargestellten Raumnutzung kann<br />

diese Bachlänge vermutlich als Mindestlebensraumgröße angenommen werden (Voraussetzungen:<br />

Mindestbreite von ca. 1,5-2 m, entsprechende Habitatausstattung). Diese kurzen<br />

Bachstrecken waren Lebensraum <strong>für</strong> ca. 2.200 bis ca. 14.000 Querder in stabilen Beständen<br />

(vergl. Tabelle 4), so dass in dieser Größenordnung der Parameter Mindestpopulationsgröße<br />

anzusiedeln ist.<br />

In Bachabschnitten von 3.000-6.000 m waren schon deutlich höhere Individuenzahlen anzutreffen<br />

(vergl. Tabelle 4), so dass diese Raumgrößen offenbar bereits ein relativ hohes Populationsniveau<br />

ermöglichen.<br />

Diese Ergebnisse haben, neben dem verbesserten Verständnis der Autökologie des Bachneunauges,<br />

auch eine erhebliche naturschutzfachliche Bedeutung. Es konnte gezeigt werden,<br />

daß Populationen auf begrenzten Gewässerstrecken von wenigen Kilometern stabil existieren<br />

können, wenn die spezifischen Habitatansprüche erfüllt werden. Entgegen der häufig vertretenen<br />

Ansicht können Querbauwerke in der Regel nicht primär <strong>für</strong> das Verschwinden der Art aus<br />

vielen Gewässerstrecken verantwortlich gemacht werden. Vielmehr sind <strong>für</strong> die Ausrottung<br />

meist andere Ursachen anzunehmen (z. B. akute Vergiftungen), und vorhandene Wehre, Sohlabstürze<br />

etc. haben dann nur die Wiederbesiedlung verhindert.<br />

Unter Nutzung der Daten ist es jedoch auch möglich, Szenarien <strong>für</strong> wahrscheinliche Auswirkungen<br />

von Neubauten fragmentierender Bauwerke auf bestehende Populationen zu entwerfen<br />

(Risikoabschätzung).<br />

Die Kenntnis des Ausbreitungspotentials der Bachneunaugen eröffnet die Möglichkeit, anhand<br />

morphologischer Gewässerdaten (vor allem Vorhandensein potentieller Laichhabitate, Gefälle)<br />

die potentielle Besiedlungsstruktur von Gewässern und Gewässersystemen nachzuvollziehen.<br />

Insbesondere bei der Leitbilderstellung im Zuge der EU-Wasserrahmenrichtlinie oder <strong>für</strong> komplexe<br />

Renaturierungsvorhaben kann die Entwicklung ursprünglicher Besiedlungsmuster Bedeutung<br />

erlangen.<br />

Zusammenfassung<br />

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden Populationen des Bachneunauges (Lampetra planeri)<br />

in den Untersuchungsgewässern Nebel und Beke (Warnoweinzugsgebiet) untersucht.<br />

Ziel war die Beantwortung bislang offener Fragestellungen der Populations- und Autökologie<br />

der heimischen Neunaugenart mit den Schwerpunkten ‘Auswirkungen von Gewässerfragmentierungen<br />

sowie Mindestlebensraumgröße, Mindesthabitatausstattung und Mindestpopulationsgröße’.<br />

Zur Bearbeitung dieser Zielstellungen waren Untersuchungsschwerpunkte:<br />

• die Untersuchung der Reproduktionsökologie (Nutzung potentieller Laichhabitate, Verteilung<br />

der Laichgebiete im insgesamt genutzten Gewässerabschnitt)<br />

• die Untersuchung von Querderbeständen (Bestandsgrößen und -struktur, Verteilungsmuster)<br />

und<br />

• die Erfassung der Raumnutzung und Ausbreitungsdynamik von Neunaugenlarven.<br />

Die wichtigsten Ergebnisse sind:<br />

• Bei ungehinderten Ausbreitungsmöglichkeiten werden von Bachneunaugen große zusammenhängende<br />

Fließstrecken als Lebensraum genutzt (Laich- und Querderaufwuchshabitate;<br />

z. B. 32 km Bachlänge im oberen Bekesystem; Hauptstrom und Seitenbäche werden zu-<br />

29


sammenhängend besiedelt). Die maximale Ausbreitung von Querdern unterhalb von Laichplätzen<br />

wurde in der Beke mit ca. 12 km ermittelt.<br />

• Herausragende Bedeutung als Querderaufwuchshabitat haben die Bereiche unmittelbar unterhalb<br />

der Laichplätze, nach ca. 1,5-2 km war in mehreren Untersuchungsgewässern bereits<br />

eine starke Ausdünnung der Bestände zu verzeichnen.<br />

• Die erforderliche Mindestlebensraumgröße wird <strong>für</strong> isolierte Teilpopulationen des Bachneunauges<br />

bei entsprechender Ausstattung mit den erforderlichen Habitatparametern als relativ<br />

gering eingeschätzt und beträgt etwa 2.000-3.000 m Bachstrecke bei einer Gewässerbreite<br />

von > 1,5-2 m.<br />

Auf derart kurzen Abschnitten werden ca. 2.200 (KUBICEK 1993) bis ca. 14.000 Querder<br />

(LEMCKE 1999) angetroffen; kleinere Populationen sind vermutlich auf Dauer nicht überlebensfähig.<br />

• Die Ergebnisse zur Raumnutzung des Bachneunauges sind von erheblichem naturschutzfachlichen<br />

Interesse und können u. a. zur Abschätzung möglicher Risiken bei Neubauten<br />

in Gewässern oder zur Erstellung ursprünglicher Besiedlungsmuster (Leitbilderstellung<br />

<strong>für</strong> Ichthyozönosen) Bedeutung erlangen.<br />

30


Reproduktionsökologie des Bachneunauges (Lampetra planeri<br />

Bloch 1784) in Fließgewässern des nordostdeutschen<br />

Flachlandes -Verlauf des Laichgeschehens und Größe von<br />

Adultbeständen 2<br />

Lemcke, R.; Winkler, H. M.<br />

Abstract<br />

In this study we investigated populations of brook lampreys (Lampetra planeri) in several brooks<br />

and rivers in the tributaries of Warnow and Recknitz. The aim was to answer questions regarding<br />

the population ecology and autecology. We analysed the reproduction ecology (over time,<br />

influence of abiotic factors, size of spawning stock) as well as the morphological and substrate<br />

conditions of the rivers.<br />

Important findings were as follows:<br />

The spawning time of the brook lamprey was long (6 – 8 weeks), whereas the peak of the<br />

spawning was merely one ore a few days. The course of reproduction was highly specific to the<br />

river, the spawning within one brook had an almost identical time pattern each year, whereas<br />

differences between the individual rivers were often considerable despite the close spatial proximity<br />

and the fact that they belonged to the same water system (peak spawning times varied up<br />

to five weeks). It was shown that the beginning and the course of spawning time was controlled<br />

by a variety of abiotic factors. Air temperature and global radiation had significant impact, while<br />

water temperature had significant effect on the reproduction course only in some models, and<br />

cannot adequately explain the spawning activities. A general correlation could not be found; the<br />

influence of certain criteria was subjected to great water-specific and/or seasonal differences.<br />

The average stay of individual brook lampreys at their spawning site was two days. Marking<br />

experiments showed that at the peak of spawning activities it was possible to observe approximately<br />

26 % of all brook lampreys present. It was estimated that the spawning stocks were from<br />

80 – 100 (Korleputer Bach) to about 2,500 lampreys (Beke).<br />

Einführung<br />

Bisherige Untersuchungen zur Reproduktion von Bach- und Flussneunaugen beschreiben meist<br />

sehr detailliert Fragen der Laichethologie (z. B. HAGELIN & STEFFNER 1958; HAGELIN 1959;<br />

HUGGINS & THOMPSON 1969; LOHNISKY 1966; WÜNSTEL et al. 1996 u. v. a.).<br />

Angaben zu Individuenzahlen von reproduzierenden Beständen liegen jedoch bislang kaum vor;<br />

allenfalls als relative Häufigkeiten in Form von Beobachtungsreihen zum Laichgeschehen.<br />

Ziel der Untersuchungen war deshalb zunächst, die Zahl laichender Adulti ausgewählter Bestände<br />

des Bachneunauges zu bestimmen. Neben dem verbesserten Verständnis der Populationsökologie<br />

der Art sind derartige Angaben auch von großem naturschutzfachlichem Interesse,<br />

etwa bei der Beurteilung der Bestandssituation der Art in bestimmten Gebieten oder Gewässern<br />

und der entsprechenden Ableitung von Schutzmaßnahmen.<br />

Trotz zahlreicher Untersuchungen zur Fortpflanzungsökologie der Neunaugen (siehe oben)<br />

konnte der Einfluss abiotischer Parameter auf Beginn und Verlauf der Reproduktion bisher nicht<br />

zufriedenstellend geklärt werden. Es war daher ein weiteres Anliegen der vorliegenden Arbeit,<br />

Einflussfaktoren <strong>für</strong> das Laichgeschehens der Bachneunaugen zu ermitteln.<br />

Unterschiede im Verhalten von Beständen benachbarter Gewässer innerhalb gleicher Einzugsgebiete<br />

wurden vor Beginn der Arbeiten zunächst nicht erwartet. Im Laufe der Untersuchungen<br />

2 2 Die Untersuchungen erfolgten im Rahmen des vom Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung, Forschung und Technologie (BMBF) geförderten Verbundprojektes<br />

„Die Bedeutung unzerschnittener, störungsarmer Landschaftsräume <strong>für</strong> Wirbeltierarten mit großen Raumansprüchen“ (Förderkennzeichen<br />

0339541) im Zeitraum von 1995 - 1998 an der Universität Rostock.<br />

31


zeigte sich jedoch, dass Abweichungen im Fortpflanzungsmuster (Zuwanderung zum Laichplatz,<br />

Verlauf des Laichgeschehens) isolierter Populationen auftreten. Ziel war es deshalb weiterhin,<br />

das gewässerspezifische Verhalten der Tiere zu untersuchen und Unterschiede zwischen<br />

benachbarten Beständen herauszustellen.<br />

Untersuchungsgewässer, Material und Methoden<br />

Untersuchungsgewässer<br />

Entsprechend der Zielstellungen wurden vier Gewässer bzw. -systeme ausgewählt: Kösterbeck,<br />

Bekeeinzugsgebiet und Nebel im Warnoweinzugsgebiet und der Korleputer Mühlbach im<br />

Recknitzeinzugsgebiet (detaillierte Angaben zum Flussgebiet und einzelnen Gewässern sind<br />

LEMCKE 2001 - in diesem <strong>Heft</strong> - zu entnehmen; die Karte 1 im Anhang der Arbeit [ebd.] gibt<br />

Auskunft über die Lage der Untersuchungsgebiete).<br />

Zusätzlich zu den bei LEMCKE (2001) aufgeführten Fließgewässern wurden in der vorliegenden<br />

Untersuchung Kösterbeck und Korleputer Mühlbach berücksichtigt.<br />

Tabelle 1: Einzugsgebiete der Untersuchungsgewässer bzw. -systeme<br />

32<br />

Gewässer Kösterbeck<br />

Größe des Einzugsgebietes<br />

(km 2 )<br />

Beke-System<br />

(gesamt)<br />

Nebel<br />

Korleputer<br />

Mühlbach<br />

96,26 319,95 933,91 50,30<br />

Die Kösterbeck entspringt im Gebiet des Horster Moores und durchfließt sowohl Niedermoorbereiche<br />

als auch Strecken hohen Gefälles im Bereich der Moränenzüge. Von der Mündung in<br />

die Warnow an aufwärts bis zum Retentionsbecken (Mittel- Unterlauf) kann der Bach als naturnah<br />

eingeschätzt werden (Ausnahmen: zwei Durchlässe, Wehr Beselin). Der Oberlauf ist hingegen<br />

durch intensive Meliorationsmaßnahmen in extremer Weise verfremdet (Begradigung,<br />

Regelprofil).<br />

Der Korleputer Mühlbach entspringt bei Warnkenhagen (Bereich der Wasserscheide zwischen<br />

Peene- und Recknitzeinzugsgebiet) und durchfließt sowohl strukturell degradierte Niedermoorflächen<br />

(hier naturfremder Verbau mit Begradigung und Regelprofil - Oberlauf und Abschnitte in<br />

und unterhalb von Liessow) als auch ausgedehnte Bruchwälder und extensives Grünland (natürliche<br />

bis naturnahe Gewässermorphologie - Fließstrecke zwischen Dieckhof und Liessow; in<br />

diesem Abschnitt ist die Untersuchungsstrecke lokalisiert).<br />

Die an den untersuchten Gewässern vorherrschenden geomorphologischen, hydrographischhydrologischen<br />

und physikalischen Verhältnisse sowie die gewässerbegleitende Vegetation<br />

bedingen sehr unterschiedliche Substratverhältnisse und Ausprägungen bestimmter Strukturparameter.<br />

Vor Beginn der Feldarbeiten an Neunaugen wurde die Substratverteilung kartiert.<br />

Vereinfacht können Grob- und Feinkies als geeignete Laichsubstrate, Sand und Schlamm als<br />

Querderaufwuchshabitat bewertet werden; Bereiche mit größeren Steinen sowie frei anstehender<br />

Torf werden von Neunaugen nicht genutzt (WATERSTRAAT 1989). Demnach ergeben sich<br />

die in Tabelle 2 dargestellten Habitatverteilungen.<br />

Tabelle 2: Verteilung neunaugenrelevanter Habitate in den Untersuchungsgewässern<br />

(vereinfachte Zusammenfassung; ausgewählte Abschnitte)<br />

Parameter<br />

Kösterbeck- Nebel- Korleputer Beke*<br />

(% der besiedelten Strecken) Unterlauf Oberlauf Mühlbach<br />

Laichhabitat 52,5 4,2 1,5 > 7 km Länge<br />

Querderaufwuchshabitat 42,4 88,2 86,7 ca. 25 km Länge<br />

von Neunaugen nicht<br />

nutzbare Abschnitte<br />

5,1 7,6 11,8 (nicht erfaßt)<br />

* nicht quantitativ erfasst


Die Ergebnisse der Substratkartierungen bildeten die Grundlage <strong>für</strong> die Auswahl der Untersuchungsabschnitte<br />

zum Laichmonitoring (Einbeziehung aller potentiellen Laichplätze).<br />

Material und Methoden<br />

Die Untersuchungen zur Reproduktion der Bachneunaugen wurden im Zeitraum von 1995 -<br />

1997 realisiert. Da eine durchgängige Kontrolle aus Zeitgründen nicht auf allen potentiellen<br />

Laichhabitaten möglich war, wurde in der Beke nur ein Referenzabschnitt regelmäßig kontrolliert;<br />

darüber hinaus sind in anderen Gewässerabschnitten und in den Zuflüssen zur Beke Stichproben<br />

durchgeführt worden.<br />

Im Rahmen des Laichmonitorings wurden die Zahl laichender Tiere, die Laichgruben sowie deren<br />

räumliche Verteilung aufgenommen. Da keine Entnahme der laichenden Neunaugen erfolgte,<br />

konnten Angaben zu Längenverteilungen und Geschlechterverhältnissen nicht erhoben werden.<br />

Ziel der Beobachtungen war vor allem die Ermittlung der Größe von Laicherbeständen und<br />

möglicher Unterschiede im Laichgeschehen zwischen benachbarten, jedoch isolierten Gewässern.<br />

Die Erfassung des Laichgeschehens erfolgte durch direkte Beobachtung der Neunaugen mit<br />

Hilfe reflexmindernder Polarisationsbrillen. In der Regel war so die quantitative Ermittlung laichender<br />

Individuen auf den begangenen Gewässerabschnitten realisierbar. Infolge sprunghafter<br />

Anstiege der Abflussmenge durch hohe Niederschläge kam es gelegentlich zu Sichttrübungen,<br />

so dass sich im Verlauf der drei Laichsaisons jeweils Erfassungslücken von ca. 3-4 Tagen pro<br />

Jahr ergaben.<br />

In Stichproben wurde die Zuwanderung laichwilliger Bachneunaugen zum Laichplatz beobachtet<br />

und der Nachmittag als Zeit der höchsten Laichaktivitäten ermittelt (vergl. Abb. 1). Aufgrund<br />

dieses Befundes und der von anderen Autoren beschriebenen Methodik (WATERSTRAAT 1989,<br />

KRAPPE 1996, KUBICEK 1993) wurde das Laichmonitoring beim Bachneunauge von ca. 14.00-<br />

19.00 Uhr durchgeführt.<br />

Um Zusammenhänge zwischen verschiedenen abiotischen Faktoren und dem Beginn sowie<br />

Verlauf des Laichgeschehens zu ermitteln, wurden, neben der vor Ort gemessenen Wassertemperatur,<br />

weitere Daten zum Wettergeschehen in die Auswertung einbezogen. Dazu wurden<br />

vom Deutschen Wetterdienst (DWD) folgende Daten erworben:<br />

• Station Heiligendamm (DWD-Nr. 3015): Globalstrahlung<br />

• Station Neubrandenburg (DWD-Nr. 3042): Globalstrahlung<br />

• Station Teterow (DWD-Nr. 3031): Luftdruck (Tagesmittel), Lufttemperatur (Tagesmittel)<br />

• Station Bützow (DWD-Nr. 24320): Niederschlag (Tagessumme)<br />

Um längerfristige Effekte bzw. verzögertes Reagieren der Tiere auf bestimmte Einflüsse zu berücksichtigen,<br />

wurden die Faktoren Globalstrahlung und Lufttemperatur auch als kumulative<br />

Reihen <strong>für</strong> die statistischen Tests verwandt.<br />

Die Auswahl der Stationen erfolgte unter Berücksichtigung größtmöglicher Nähe zu den Untersuchungsgewässern.<br />

Da jedoch Messpunkte des DWD in unmittelbarer Nähe zu den bearbeiteten<br />

Bächen fehlen, sind Abweichungen zwischen den in der statistischen Auswertung verwandten<br />

Daten und dem realen Wetterverlauf an den Gewässern anzunehmen. Dies betrifft insbesondere<br />

die Angaben zur Globalstrahlung, da im Einzugsgebiet der Warnow kein Messpunkt <strong>für</strong><br />

diesen Faktor existiert.<br />

Ausgewertet wurden die Jahre 1996 und 1997, die statistische Bearbeitung erfolgte mit dem<br />

Softwarepaket „SAS“, Version 6.12.<br />

Im Rahmen des Laichmonitorings ist nur die Erfassung relativer Häufigkeiten möglich, da die<br />

genaue Aufenthaltsdauer des Einzeltieres auf dem Laichplatz nicht bekannt ist und von Mehrfachbeobachtungen<br />

gleicher Tiere auszugehen ist. Zusätzlich zur regelmäßigen Aufnahme der<br />

Zahl laichender Tiere war es daher notwendig, über quantitative Erhebungen ausgewählter<br />

Laicherbestände einen Bezug zwischen beobachtetem Laichgeschehen und tatsächlich vorhandenem<br />

Bestand an adulten Neunaugen zu finden.<br />

33


Zur Abschätzung von Laicherbestandsgrößen beim Bachneunauge erfolgte an zwei Abschnitten<br />

des Korleputer Baches die Markierung aller Laichtiere im Verlauf der Fortpflanzungssaison<br />

1997. Dazu wurden täglich bzw. im Zwei-Tage-Rhythmus alle Tiere auf den Laichplätzen gefangen<br />

(Handkescher, Maschenweite 4 mm) und gekennzeichnet. Als Markierung kam ein Faden<br />

(chirurgisches Nahtmaterial mit Nadel, Ethiobond Excel 2/0, 3 metric; Firma ETHICON) zum<br />

Einsatz, der im Rumpf unterhalb des vorderen Bereiches der Dorsalis befestigt wurde. Zum<br />

Anbringen der Markierung wurden die Tiere kurzzeitig betäubt (MS 222; ca. 65 ppm; Dosierung<br />

nach AGRIS 1967 u. a.; Anzeige entsprechend Tierschutz-recht ist erfolgt).<br />

Die Wiedererkennung erfolgte in der Regel an dem gut sichtbaren Faden; in einigen Fällen war<br />

nach Verlust der Markierung eine leichte Vernarbung zu erkennen, so dass die Wiedererkennung<br />

ebenfalls gewährleistet war.<br />

Für die Markierung wurden zwei Abschnitte im Korleputer Bach ausgewählt, die aufgrund der<br />

örtlichen Bedingungen die quantitative Erfassung aller zum Laichen erscheinenden Bachneunaugen<br />

garantierten: das zur Verfügung stehende Laichhabitat erstreckt sich über eine sehr kurze<br />

Strecke (ca. 20 m unterhalb des Sohlabsturzes Korleputer Mühle bzw. 40 m unterhalb des<br />

Sohlabsturzes Dieckhof), und die Aufwärtswanderung über diese leicht zu kontrollierenden Abschnitte<br />

hinaus ist durch die oberhalb befindlichen unüberwindbaren Sohlabstürze ausgeschlossen.<br />

Zur Markierung adulter Bachneunaugen wurden zunächst verschiedene Farbmarkierungen in<br />

Vorversuchen getestet (Alcian-Blue, Acrylfarben), die zur Kennzeichnung von Fischen gebräuchlich<br />

sind (GOLLMANN et al. 1986; JOHNSTONE 1980 u. a.). Ziel war das Vermeiden des<br />

erneuten Herausfangens aller Tiere. Es zeigte sich jedoch eine schlechte Haltbarkeit bzw. Erkennbarkeit<br />

der Farbstoffe auf dorsalen Hautschichten (rasche Abstoßung), so dass diese Marker<br />

ungeeignet erschienen. Daher fand die o. g. Methode der Markierung mit chirurgischem<br />

Nahtmaterial Anwendung; das tägliche Herausfangen war unumgänglich.<br />

Die Tiere erwiesen sich als sehr robust gegenüber dem Stress der Markierungsaktion. In mehreren<br />

Fällen konnte selbst im Hälterungsgefäß sofort nach dem Nachlassen der Betäubung die<br />

Wiederaufnahme des Laichgeschäftes beobachtet werden; nach dem Aussetzen verblieben die<br />

markierten Tiere in der Regel sofort auf dem Laichplatz.<br />

Um aus Daten des Markierungsversuchs im Korleputer Bach die Laicherbestandsgrößen in den<br />

vorhergehenden Untersuchungsjahren bzw. den anderen Gewässern abschätzen zu können,<br />

wurden zwei Ansätze genutzt:<br />

• die Beziehung zwischen ermitteltem Gesamtbestand und Maximum im beobachteten Laichgeschehens<br />

und<br />

• die durchschnittliche Aufenthaltsdauer des Individuums auf dem Laichplatz.<br />

Da eine individuelle Markierung der laichenden Bachneunaugen nicht durchführbar war, erfolgte<br />

die Ermittlung der Aufenthaltsdauer auf dem Laichplatz über Rechenmodelle.<br />

Ausgehend von der Kenntnis der täglich neu erscheinenden Adulti (Markierung), wurden Algorithmen<br />

<strong>für</strong> die Aufenthaltsdauer von ein bis vier Tagen erstellt, die Auskunft über die theoretisch<br />

am Laichplatz zu beobachtenden Tiere geben (Fehltage in der Erfassung wurden durch<br />

Mittelwerte aus den angrenzenden Tagen ergänzt). Der Vergleich mit den real beobachteten<br />

Laicherzahlen gibt Auskunft über die Güte der Anpassung des jeweiligen Algorithmus.<br />

Für die beiden Algorithmen mit der besten Anpassung wurden die Differenzen zwischen berechneten<br />

und real beobachteten Werten gebildet. Der Mittelwert dieser Differenzen über die<br />

gesamte Beobachtungssaison gestattet die Berechnung der genauen Aufenthaltsdauer des<br />

Einzeltieres <strong>für</strong> jeden Laichplatz (Mittelwert <strong>für</strong> die gesamte Laichsaison).<br />

Beispiel: Laichplatz Dieckhof:<br />

Für eine angenommene Aufenthaltsdauer von 2 Tagen ergibt sich eine mittlere Abweichung zu<br />

den jeweils beobachteten Laicherzahlen von -0,82 Tieren (Unterschätzung), <strong>für</strong> angenommene<br />

3 Tage von 1,59 (Überschätzung). Durch Darstellung dieser Wertepaare im „x-y-Diagramm“<br />

ergibt sich die Gleichung y = 2,41x-5,64; die Nullstelle der Gleichung ist die gesuchte mittlere<br />

Aufenthaltsdauer des Einzeltieres am Laichplatz und beträgt 2,<strong>34</strong>.<br />

<strong>34</strong>


Die ermittelte durchschnittliche Aufenthaltsdauer am Laichplatz gestattet nun Abschätzungen<br />

der Laicherbestandsgröße aus Daten des Laichmonitorings.<br />

Durch Anwendung der Aufenthaltsdauer des Individuums auf Jahresreihen von Beobachtungswerten<br />

zum Laichgeschehen kann die Zahl der jeweils neu auftretenden Tiere rückgerechnet<br />

werden. Die Summe aller „Neuankömmlinge“ ergibt den Laicherbestand <strong>für</strong> das jeweilige Untersuchungsjahr<br />

und den beobachteten Bach bzw. Abschnitt.<br />

Die Algorithmen zur Abschätzung der Bestandsgrößen an Laichern aus Daten der Markierung<br />

können mehrere Fehlerquellen aufweisen, die Ermittlung der Größenordnung ist jedoch möglich.<br />

Zur Bestimmung der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer des Einzeltieres auf dem Laichplatz<br />

ist es notwendig, <strong>für</strong> Tage ohne Beobachtungsergebnisse Mittelwerte in das Modell einzusetzen,<br />

so dass Abweichungen zur Realität anzunehmen sind.<br />

Bei der Nutzung der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer zur Hochrechnung von Bestandsgrößen<br />

aus Daten des Laichmonitorings zeigt sich, dass in einigen Fällen die tatsächliche Aufenthaltsdauer<br />

geringer gewesen sein muss (Auftreten negativer Werte <strong>für</strong> berechnete „Neuankömmlinge“<br />

auf dem Laichplatz). Diese Werte wurden durch Annahme einer kürzeren Aufenthaltsdauer<br />

im Modell abgeglichen.<br />

Ergebnisse<br />

Beobachtungen auf den Laichplätzen<br />

Es war zunächst die günstigste Tageszeit <strong>für</strong> das Laichmonitoring zu ermitteln (Ziel: Beobachtung<br />

maximaler Reproduktionsaktivität bzw. maximaler Individuenzahlen). In zwei Stichproben,<br />

durchgeführt zum Höhepunkt der Laichsaison, wurde die Zuwanderung laichwilliger Bachneunaugen<br />

zum Laichplatz im Verlauf eines Tages ermittelt (Abb. 1).<br />

Abundanz<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

8.°° 9.°° 10.°°11.°°12.°°13.°°14.°°15.°°16.°°17.°°18. °°<br />

Uhrzeit<br />

Korleputer Bach (Ausbaustrecke) Beke-Referenzstrecke<br />

Abb. 1: Abundanz von Bachneunaugen am Laichplatz im Tagesverlauf<br />

35


Es wird deutlich, dass jeweils erst in den späten Nachmittagsstunden die größte Laichaktivität<br />

zu beobachten war.<br />

Das in den einzelnen Untersuchungsgewässern zur Verfügung stehende Laichsubstrat variiert<br />

erheblich (vergl. Tabelle 2). In Abhängigkeit vom Substratangebot und der Zahl laichender Tiere<br />

waren Form und Größe der angelegten Laichgruben sehr unterschiedlich. So waren bei einem<br />

„Überangebot“ an geeignetem Laichsubstrat die Bachneunaugen meist auf viele kleinere Laichgruben<br />

im Gewässerlängsschnitt verteilt (Beke-Referenzstrecke, Kösterbeck-Unterlauf; meist<br />

weniger als 10 Tiere je Grube), während an Abschnitten mit geringem Anteil an geeignetem<br />

Laichsubstrat hohe Abundanzen in wenigen größeren Laichgruben ermittelt wurden (Nebel,<br />

Korleputer Bach; bis über 20 Tiere je Laichgrube). Ausnahmen bildeten die Phasen des maximalen<br />

Laichgeschehens; zu diesen Zeiten traten in allen Gewässern stärkere Konzentrationen<br />

an wenigen Laichgruben auf, oder es kam zu Verschmelzungen mehrerer kleiner Laichgruben<br />

zu einer größeren.<br />

Am Unterlauf der Kösterbeck nutzten Neunaugen auffallend häufig alte Laichgruben der Meerforelle<br />

(Salmo trutta trutta). Diese Salmonidenart reproduziert regelmäßig im Unterlauf der<br />

Kösterbeck im Zeitraum von Ende Oktober bis etwa Ende Dezember in erheblichen Individuenzahlen,<br />

so daß zahlreiche Laichgruben auf Kiesstrecken im Unterlauf angelegt werden. Offenbar<br />

bieten diese bereits bestehenden Vertiefungen den Neunaugen günstige Ansatzpunkte zur<br />

Anlage der <strong>für</strong> ihre Reproduktion erforderlichen Mulden.<br />

Verlauf des Laichgeschehens<br />

In Abb. 2 ist das Laichgeschehen beim Bachneunauge in den drei Untersuchungsjahren dargestellt.<br />

(In der Darstellung der Ergebnisse zum Reproduktionsverlauf wurde, obwohl es sich um<br />

diskrete Werte handelt, die Form der Liniendiagramme gewählt, um Tendenzen besser zu verdeutlichen.)<br />

36<br />

Adulti<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Adulti<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Kösterbeck / Unterlauf<br />

Laichgeschehen Bachneunauge<br />

15. 18. 21. 24. 27. 30. 3. 6. 9. 12. 15. 18. 21. 24. 27. 30. 2. 5. 8. 11. 14. 17. 20.<br />

April Mai Juni<br />

Nebel / Oberlauf<br />

Laichgeschehen Bachneunauge<br />

15. 18. 21. 24. 27. 30. 3. 6. 9. 12. 15. 18. 21. 24. 27. 30. 2. 5. 8. 11. 14. 17. 20.<br />

April Mai Juni<br />

1995<br />

1996<br />

1997<br />

1995<br />

1996<br />

1997<br />

Adulti<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Adulti<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Beke / Groß Gischow<br />

Laichgeschehen Bachneunauge<br />

15. 18. 21. 24. 27. 30. 3. 6. 9. 12. 15. 18. 21. 24. 27. 30. 2. 5. 8. 11. 14. 17. 20. 23. 26.<br />

April Mai Juni<br />

Korleputer Mühlbach<br />

Laichgeschehen Bachneunaugen<br />

15. 19. 23. 27. 1. 5. 9. 13. 17. 21. 25. 29. 2. 6. 10. 14. 18. 22. 26. 30. 4. 8. 12.<br />

April Mai Juni Juli<br />

Abb. 2: Laichgeschehen beim Bachneunauge an den Laichplätzen Kösterbeck, Beke<br />

(Referenzstrecke), Nebel und Korleputer Bach (alle Laichplätze zusammengefasst)<br />

1995<br />

1996<br />

1997<br />

1995<br />

1996<br />

1997


Die untersuchten Bachneunaugenbestände lassen ein sehr charakteristisches Reproduktionsverhalten<br />

erkennen. Die Dauer der Gesamtlaichzeit ist an allen Gewässern und in den drei Beobachtungsjahren<br />

lang und umfasst ca. sechs bis acht Wochen. Die Maxima der Laichaktivität<br />

(höchste Abundanzen auf den Laichplätzen) sind hingegen sehr kurz und dauern nur ein bis<br />

wenige Tage.<br />

Der Verlauf der Laichzeit zeigt hohe Gewässerspezifität. Innerhalb eines Baches laichen die<br />

Neunaugen jährlich nach annähernd gleichem Zeitmuster, während die Unterschiede zwischen<br />

den Untersuchungsgewässern trotz räumlicher Nähe, Zugehörigkeit zum gleichen Gewässer-<br />

System (außer Korleputer Bach) und ähnlichem Temperaturregime erheblich sind (Verschiebung<br />

der Maxima im Laichgeschehen zwischen den Gewässern um bis zu fünf Wochen; z. B. in<br />

der Beke stets sehr früher Beginn Ende April und zweiter Höhepunkt Mitte Juni; in der Kösterbeck<br />

sehr später Beginn und Höhepunkt Ende Mai bis Anfang Juni).<br />

Tabelle 3 zeigt Eckdaten zur Wassertemperatur während des Reproduktionsverlaufs beim<br />

Bachneunauge (als „Laichgeschehen“ wurde gewertet, wenn mindestens zwei Tiere im Nest in<br />

Kopulation beobachtet wurden):<br />

Tabelle 3: Eckdaten zu Wassertemperatur (Tw) und Reproduktion des Bachneunauges<br />

Jahr Tw am 1. Tag<br />

mit Laichgeschehen<br />

(„Auslöser“)<br />

Tw zum Peak<br />

des Laichgeschehens<br />

maximale Tw<br />

bei beobachtetemLaich-<br />

geschehen<br />

minimale Tw<br />

bei beobachtetemLaich-<br />

geschehen<br />

Tw im Mittel über die<br />

gesamte Laichsaison<br />

(alle Tage mit Laichgeschehen)<br />

Kösterbeck (Unterlauf)<br />

1995 03. 5.: 13,5 °C 16,5 °C 18,0 °C 9,3 °C 14,1 °C<br />

1996 30. 4.: 12,0 °C 15,2 °C 18,5 °C 12,0 °C 15,1 ° C<br />

1997 25. 4.: 11,9 °C 17,5 °C 19,3 °C 10,0 °C 14,6 ° C<br />

Beke (Referenzstrecke)<br />

1995 30. 4.: 11,0 °C 11,0 °C 15,0 °C 10,5 °C 12,6 ° C<br />

1996 22. 4.: 15,2 °C 11,0 °C 19,7 °C 10,2 °C 13,5 ° C<br />

1997 16. 4.: 9,0 °C 11,5 °C 17,0 °C 7,0 °C 12,2 ° C<br />

Nebel (Oberlauf)<br />

1995 26. 4.: 12,1 °C 14,8 °C 14,8 °C 11,8 °C 13,0 ° C<br />

1996 19. 4.: 11,8 °C 14,7 °C 16,5 °C 11,8 °C 14,0 ° C<br />

1997 17. 4.: 10,8 °C 12,4 °C 15,4 °C 9,0 °C 12,3 °C<br />

Korleputer Bach<br />

1995 02. 5.: 11,1 °C 16,2 °C 16,2 °C 11,0 °C 12,9 ° C<br />

1996 19. 5.: 13,5 °C 15,5 °C 15,5 °C 12,5 °C 13,8 ° C<br />

1997 16. 5.: 16,5 °C 15,2 °C 16,8 °C 10,0 °C 13,4 ° C<br />

Sehr unterschiedlich sind die Wassertemperaturen zum Höhepunkt des Laichgeschehens, hier<br />

zeigen sich besonders deutlich die großen Differenzen zwischen den Gewässern im zeitlichen<br />

Ablauf der Reproduktion. Während in der Beke der Höhepunkt bereits Ende April bei Temperaturen<br />

um 11 °C stattfand, konnten an der Kösterbeck und am Korleputer Bach deutlich höhere<br />

Wassertemperaturen zum Maximum des Laichgeschehens Ende Mai bis Anfang Juni erfasst<br />

werden (15,5 bis 19,3 °C).<br />

Bemerkenswert sind die teilweise sehr niedrigen Wassertemperaturen, bei denen Lampetra<br />

planeri Laichaktivität zeigte, so bei 7 °C in der Beke, be i 9 °C in der Nebel und bei 9,3 °C im<br />

Unterlauf der Kösterbeck.<br />

Um den Einfluss weiterer abiotischer Faktoren auf den Verlauf der Reproduktion des Flussneunauges<br />

zu untersuchen, wurden, neben der Wassertemperatur, folgende Wetterdaten in<br />

statistische Auswertungen einbezogen (zu Datenquelle und Messpunkten vergl. Kap. 2):<br />

• Lufttemperatur (absolut und als kumulierte Reihe)<br />

37


• Luftdruck (Tagesmittelwerte)<br />

• Niederschlag (Tagessummen)<br />

• Globalstrahlung (absolut und als kumulierte Reihe)<br />

Durch schrittweise multiple Regressionen mit „Rückwärtselimination“ nicht signifikanter Faktoren<br />

wurden Modelle <strong>für</strong> die Abhängigkeit des Laichgeschehens erstellt. Es sollte sich <strong>für</strong> jeden<br />

Laichplatz und jedes Jahr eine Beziehung aus Faktoren mit signifikantem Einfluss auf das Reproduktionsgeschehen<br />

ergeben:<br />

38<br />

y Gewässer/Jahr = a + b x Faktor 1 + c x Faktor 2 + d x Faktor 3<br />

usw.<br />

Tabelle 4 umfasst die Abhängigkeitsstruktur des Faktors Laichgeschehen von der Konstellation<br />

signifikanter abiotischer Faktoren:<br />

Tabelle 4: Ergebnisse der statistischen Auswertung von Zusammenhängen zwischen<br />

abiotischen Faktoren und Laichgeschehen beim Bachneunauge<br />

Jahr<br />

(Zahl der<br />

Beobachtungen)<br />

1996<br />

(n = 28)<br />

1997<br />

(n = 18)<br />

1996<br />

(n = 19)<br />

1997<br />

(n = 17)<br />

1996<br />

(n = 12)<br />

1997<br />

(n = 17)<br />

1996<br />

(n = 11)<br />

1997<br />

(n = 13)<br />

signifikante abiotische Faktoren Parameter-<br />

Schätzung<br />

partielles<br />

Signifikanzniveau<br />

Kösterbeck-Unterlauf (getesteter Zeitraum: 25. 04.-12. 06.)<br />

- Lufttemperatur kumuliert<br />

- Globalstrahlung Neubrandenburg<br />

kumuliert<br />

- Lufttemperatur kumuliert<br />

- Wassertemperatur<br />

0,054<br />

-0,003<br />

p = 0,0008<br />

p = 0,0026<br />

0,013 p = 0,0001<br />

-2,280 p = 0,0930<br />

Beke/Referenzstrecke (getesteter Zeitraum: 15. 04.-25. 06.)<br />

- Lufttemperatur<br />

-0,220 p = 0,0059<br />

- Lufttemperatur kumuliert 0,080 p = 0,0131<br />

- Globalstrahlung Heiligendamm 0,014 p = 0,0126<br />

- Globalstrahlung Neubrandenburg<br />

kumuliert<br />

-0,006 p = 0,0107<br />

- Lufttemperatur kumuliert -0,070 p = 0,0427<br />

- Globalstrahlung Neubrandenburg<br />

kumuliert<br />

0,004 p = 0,0722<br />

Nebel-Oberlauf (getesteter Zeitraum: 15. 04.-25. 05.)<br />

- Lufttemperatur<br />

-0,200 p = 0,0376<br />

- Lufttemperatur kumuliert -0,005 p = 0,0326<br />

- Wassertemperatur<br />

7,380 p = 0,0065<br />

- Niederschlag<br />

0,120 p = 0,0905<br />

- Lufttemperatur kumuliert<br />

- Wassertemperatur<br />

- Niederschlag<br />

-0,010<br />

7,040<br />

-0,200<br />

p = 0,0049<br />

p = 0,0260<br />

p = 0,0807<br />

Korleputer Bach /alle Laichplätze (getesteter Zeitraum: 10. 05.-20. 06.)<br />

- Lufttemperatur kumuliert<br />

- Globalstrahlung Heiligendamm<br />

- Globalstrahlung Neubrandenburg<br />

kumuliert<br />

- Niederschlag<br />

- Wassertemperatur<br />

- Globalstrahlung Neubrandenburg<br />

- Globalstrahlung Neubrandenburg<br />

kumuliert<br />

0,110<br />

0,010<br />

-0,009<br />

0,510<br />

1,030<br />

0,004<br />

0,0003<br />

p = 0,0047<br />

p = 0,0016<br />

p = 0,0044<br />

p = 0,0044<br />

p = 0,0575<br />

p = 0,0244<br />

p = 0,0159<br />

R 2 des Gesamtmodells<br />

(„Erklärungsgehalt“)<br />

glob. Signifikanzniveau<br />

0,67<br />

p = 0,0001<br />

0,66<br />

p = 0,0003<br />

0,71<br />

p = 0,0011<br />

0,51<br />

p = 0,0065<br />

0,78<br />

p = 0,0178<br />

0,53<br />

p = 0,0172<br />

0,85<br />

p = 0,0115<br />

0,66<br />

p = 0,0157


Es wird deutlich, dass kein Parameter allein ausschlaggebend <strong>für</strong> den Verlauf der Reproduktion<br />

ist. Die Faktoren wirken in Kombination, wobei jedoch die Korrelation zwischen den abiotischen<br />

Faktoren verhältnismäßig gering ist.<br />

Um den auslösenden Charakter bestimmter Faktoren zu ermitteln, wurden in der Auswertung<br />

Reproduktionsverlauf und Entwicklung der Wetterdaten (einschließlich der o. g. kumulativen<br />

Reihen) gegenübergestellt (aus Platzgründen wird hier auf die graphische Darstellung verzichtet).<br />

Es ergaben sich keine allgemeingültigen Zusammenhänge; in der Diskussion wird aber auf<br />

mögliche Abhängigkeiten hingewiesen.<br />

3.3 Größe von Adultbeständen des Bachneunauges<br />

Abb. 3 zeigt den Verlauf des Laichgeschehens sowie die durch Markierung ermittelten Abundanzen<br />

an Laichtieren auf den Referenzstrecken im Korleputer Bach.<br />

Korleputer Mühlbach unterhalb Sohlabsturz Mühle<br />

Adulti<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

15. 19. 23. 27. 1. 5. 9. 13. 17. 21. 25. 29. 2. 6. 10. 14. 18. 22. 26. 30. 4. 8. 12.<br />

April Mai Juni Juli<br />

Laichgeschehen Anzahl Laichtiere (kumuliert)<br />

Korleputer Mühlbach oberhalb Dieckhof (Ausbaustrecke)<br />

Adulti<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

15. 18. 21. 24. 27. 30. 3. 6. 9. 12. 15. 18. 21. 24. 27. 30. 2. 5. 8. 11. 14. 17. 20.<br />

April Mai Juni<br />

Laichgeschehen Anzahl Laichtiere (kumuliert)<br />

Abb. 3: Korleputer Bach (Laichsaison 1997): Beobachtetes Laichgeschehen und Ergebnisse<br />

des Markierungsversuchs an adulten Bachneunaugen auf zwei Referenzstrecken<br />

Am Referenzabschnitt Sohlabsturz Mühle Korleput konnten insgesamt 141 adulte Bachneunaugen<br />

markiert werden. Die Beobachtung des Laichgeschehens ergab einen Maximalwert von 38<br />

Tieren am 13. Juni (= 26,9 % des Gesamtbestandes).<br />

Am Referenzabschnitt oberhalb von Dieckhof kamen im Verlauf der Laichsaison 1997 insgesamt<br />

54 Bachneunaugen zum Laichplatz; dabei waren maximal 14 Tiere am Laichplatz zu beobachten<br />

(30. Mai; 2. und 5. Juni; = 25,9 % des Gesamtbestandes). Es wird angenommen, dass<br />

die insgesamt markierten Tiere jeweils den Gesamtbestand an adulten Bachneunaugen im Gewässerabschnitt<br />

repräsentieren.<br />

Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Einzeltiere wurde <strong>für</strong> den Laichplatz Sohlabsturz<br />

Mühle Korleput mit 1,53 Tagen, <strong>für</strong> den Laichplatz Dieckhof mit 2,<strong>34</strong> Tagen ermittelt (zur Berechnung<br />

vergl. Kap. 2). Da die Feldbeobachtungen zum Reproduktionsgeschehen im Abstand<br />

von ein bzw. mehreren Tagen durchgeführt wurden, wird <strong>für</strong> Abschätzungen der Bestandsgrößen<br />

vereinfachend ein ganzzahliger Wert von 2 Tagen Aufenthaltsdauer zugrunde gelegt.<br />

Im Ergebnis der durchgeführten Markierungen besteht die Möglichkeit, aus Daten der Beobachtung<br />

des Reproduktionsgeschehens Laicherbestände beim Bachneunauge abzuschätzen<br />

(Hochrechnung unter Nutzung von Mittelwerten beider Modellabschnitte des Korleputer Baches):<br />

das Maximum im Laichgeschehen (höchste Abundanz auf dem Laichplatz) entspricht ca. 26 %<br />

des gesamten Laicherbestandes<br />

• die durchschnittliche Aufenthaltsdauer jedes Einzeltieres auf dem Laichplatz beträgt ca. 2<br />

Tage<br />

39


Demnach ergeben sich <strong>für</strong> die Untersuchungsgewässer folgende Laicherbestandsgrößen:<br />

Tabelle 5: Abschätzung von Laicherbestandsgrößen des Bachneunauges nach<br />

zwei Verfahren<br />

40<br />

abgeleitete Bestandsgröße<br />

aus durchschnittlicher<br />

Aufenthaltsdauer der Individuen<br />

abgeleitete Bestandsgröße<br />

aus Maximalwert des<br />

Laichgeschehens<br />

Gewässerabschnitt / Jahr 1995 1996 1997 1995 1996 1997<br />

Kösterbeck-Unterlauf<br />

- Abschnitt unterhalb Wehr<br />

- Abschnitt oberhalb Wehr<br />

- gesamt<br />

Nebel-Oberlauf<br />

(gesamter Abschnitt)<br />

Korleputer Bach (Laichplatz unterhalb<br />

Sohlabsturz Korleputer Mühle)<br />

Beke-Groß Gischow<br />

(nur Referenzstrecke)<br />

Beke-Oberlauf **<br />

(Abschätzung <strong>für</strong> alle Laichplätze)<br />

173<br />

33<br />

206<br />

174<br />

15<br />

189<br />

387<br />

69<br />

456<br />

177<br />

74<br />

251<br />

188<br />

15<br />

203<br />

331<br />

62<br />

393<br />

18 198 289 35 154 254<br />

23 36 189* 96 58 146*<br />

383 295 452 412 238 312<br />

2.623 2.020 3.096 2.820 1.630 2.137<br />

* <strong>für</strong> 1997 liegt <strong>für</strong> diesen Laichplatz ein Ergebnis des Markierungsversuchs vor (s. o.)<br />

** Im Rahmen einer einmaligen quantitativen Kontrolle aller Laichplätze im Oberlauf der Beke wurde ermittelt, dass<br />

der Laicherbestand auf der ständig untersuchten Referenzstrecke ca. 14,6 % der insgesamt in der Beke reproduzierenden<br />

Bachneunaugen umfasst. Die in der Tabelle vorgenommene Abschätzung des Laicherbestandes<br />

der Beke insgesamt geht von einer gleichbleibenden Verteilung der Neunaugen auf den Laichplätzen in den untersuchten<br />

Laichsaisons aus (vereinfachende Annahme).<br />

Diskussion<br />

Durch eigene Untersuchungen wurde gezeigt, dass die Zahl laichender Adulti im Tagesverlauf<br />

zunimmt und den Höhepunkt am frühen Abend erreicht.<br />

Nach WATERSTRAAT (1989) fanden Ablaichen und Balzen „überwiegend am Tage“ statt; KRAPPE<br />

1996 führte Laichbeobachtungen bei Bachneunaugen „aufgrund von Erfahrungswerten“ in den<br />

Nachmittags- und frühen Abendstunden durch. Auch KUBICEK (1993) ermittelte die höchsten<br />

Laichaktivitäten in den frühen Nachmittagsstunden. SOKOLOW et al. (1992) beobachteten das<br />

Einsetzen des Laichgeschehens in den Mittagsstunden und fanden am frühen Abend die<br />

höchste Aktivität. Im Ergebnis der o. g. Beobachtungen und verschiedener Literaturangaben<br />

fand die Erfassung des Reproduktionsgeschehens beim Bachneunauge am Nachmittag statt.<br />

Die Erklärung des Reproduktionsverlaufs erfolgt bisher in der Regel anhand der Wassertemperatur.<br />

Die von HARDISTY (1944, 1961) und anderen Autoren (z. B. LOHNISKI 1966; SCHADT 1993)<br />

publizierte Wassertemperatur von 10-11 °C als gener eller „Auslöser“ <strong>für</strong> Laichgeschehen bei<br />

Lampetra planeri konnte in der vorliegenden Untersuchung nicht bestätigt werden. Die hier als<br />

„auslösende“ Temperaturen ermittelten Werte umfassen ein relativ großes Spektrum und liegen<br />

zwischen 9,0 und 16,5 °C (Mittel 12,4 °C).<br />

Da jedoch diese Temperaturen vor Beginn des Laichgeschehens bzw. lange vor dem Höhepunkt<br />

der Reproduktion mehrfach überschritten wurden, ist die Wassertemperatur ohnehin nur<br />

als ein Faktor in Betracht zu ziehen, der den Beginn der Fortpflanzungsaktivitäten beeinflusst.<br />

Zweifellos bestimmt das Temperaturregime im Zeitraum vor der unmittelbaren Laichzeit den<br />

Beginn der Zuwanderung zum Laichplatz und kann so das „Gesamtverhaltensmuster Reproduktion“<br />

auslösen. MALMQUIST (1980) stellte fest, dass bei 7,5 °C Wassertempera tur die Laichwanderung<br />

begann, und zwar ein bis zwei Monate vor Beginn des eigentlichen Laichgeschehens.<br />

KRAPPE (1996) beobachtete den Beginn der Laichwanderung infolge eines Temperaturanstieges<br />

von 9,5 auf 14 °C ca. zehn Tage vor Begin n der Reproduktion. SOKOLOW et al. (1992)


fanden die ersten adulten Bachneunaugen bereits Ende April nach einem Hochwasser bei etwa<br />

4 °C Wassertemperatur, während das Laichgeschehen e rst ca. zwei Wochen später bei 10-11<br />

°C Wassertemperatur einsetzte.<br />

SEVERSMITH (1953) zeigte an Lampetra aepyptera, dass die Adulti das Sediment bereits bei<br />

11 °C verlassen, Laichgeschehen aber erst bei ca. 1 6 °C einsetzt. H ARDISTY (1961) konnte Zusammenhänge<br />

zwischen der Temperatur unmittelbar vor der Laichzeit und dem Einsetzen des<br />

Laichgeschehens finden; ein Langzeiteinfluss (Betrachtung mehrerer Wochen vor der Laichzeit)<br />

war nicht nachweisbar. Auch bei seinen Untersuchungen (ebd.) wurde jedoch im Vorfeld des<br />

Laichgeschehens die „auslösende“ Temperatur teilweise mehrfach überschritten, ohne dass<br />

dadurch Reproduktionsverhalten veranlasst wurde; ein im Rahmen der vorliegenden Untersuchung<br />

mehrfach beobachtetes Phänomen (besonders an Kösterbeck und Korleputer Bach, wo<br />

das Maximum vergleichsweise spät auftritt).<br />

KUBICEKS Beobachtungen (1993) zeigten ebenfalls, dass mehrfach vor der Laichzeit starke<br />

Wassertemperaturanstiege (> 15 °C) stattfanden, die die Reproduktion nicht auslösten, während<br />

später bei niedrigeren Temperaturen (11-13 °C) gelaicht wurde.<br />

LOHNISKY (1966) stellte zwar den Beginn der Laichaktivität bei 10 °C fest, doch konnte er im<br />

Verlauf der Reproduktion Aktivitäten bei bemerkenswert hohen Wassertemperaturen von bis zu<br />

26 °C beobachten.<br />

Die untersuchten Bestände des Bachneunauges reproduzieren nach sehr verschiedenem zeitlichem<br />

Muster. Es lässt sich ein „früher“ (Beke, Nebel) und ein „später Typ“ (Kösterbeck, Korleputer<br />

Bach) unterscheiden. Möglicherweise bedingt die bereits sehr lange wirkende Isolation<br />

der untersuchten Populationen die Herausbildung gewässer- bzw. populationsspezifischer Verhaltensweisen.<br />

Während bereits innerhalb des Warnowsystems erhebliche Differenzen zwischen den Laichterminen<br />

gefunden wurden, liegt die Spanne im Vergleich <strong>für</strong> Mitteleuropa noch weitaus größer.<br />

So beschrieb LAUTERBORN (1926) bereits <strong>für</strong> den März Laichgeschehen des Bachneunauges in<br />

Seitengewässern des Rheins; unter den klimatischen Bedingungen des Mittelgebirges fand die<br />

Reproduktion in slowakischen Bächen erst im Juli statt (HOLCIK 1970).<br />

Die Bachneunaugen in der Beke und im Nebel-Oberlauf reagierten unmittelbar auf Anstiege der<br />

Lufttemperatur über 10 °C. Auf Überschreiten eines Wertes der Globalstrahlung von ca. 2.200<br />

J/cm 2 wurde mit geringer Verzögerung reagiert. Für diese Bestände des „frühen Typs“ scheinen<br />

Werte in der genannten Größenordnung auslösenden Charakter zu besitzen.<br />

Unabhängig von hohen Werten der Lufttemperatur zeigten die Bachneunaugen im Unterlauf der<br />

Kösterbeck sowie im Korleputer Mühlbach zunächst kaum oder kein Laichgeschehen. Werte,<br />

bei denen später die Reproduktion begann, wurden bereits vorher erreicht. Hier scheint ein<br />

Summeneffekt vorzuliegen. Die Bachneunaugen des „späten Typs“ begannen mit der Fortpflanzung,<br />

nachdem die Temperatursumme von ca. 600 °C (Lufttemperatur) erreicht war (der<br />

subjektiv festgelegte Beginn der Kumulation ist dabei zu beachten). Diese Annahme wird dadurch<br />

bestätigt, dass die kumulierte Lufttemperatur in fast allen Modellen signifikanten Einfluss<br />

auf den Verlauf des Laichgeschehens hatte (s. o.).<br />

Möglicherweise besitzt aber die Globalstrahlung auch <strong>für</strong> den „späten Typ“ auslösenden Charakter;<br />

die Reproduktion fiel jeweils mit dem Erreichen von Globalstrahlungswerten um 3.000<br />

J/cm 2 zusammen.<br />

Interessanterweise scheint das zweite Maximum des Laichgeschehens in der Beke, welches<br />

jährlich zu beobachten war, ähnlichen Gesetzmäßigkeiten zu unterliegen, wie das Laichgeschehen<br />

in der Kösterbeck und im Korleputer Bach generell.<br />

Der Einfluss verschiedener abiotischer Faktoren auf Beginn und Verlauf des Laichgeschehens<br />

beim Bachneunauge ist nach wie vor nicht hinreichend geklärt. Zu auslösenden Faktoren bzw.<br />

der Größenordnung entsprechender Werte konnten ausgewählte Fallbeispiele vorgestellt werden<br />

(z. B. war die Eingrenzung eines Temperaturbereichs möglich). Ungeklärt blieb, warum<br />

zwischen räumlich benachbarten Beständen derart große Unterschiede im zeitlichen Verlauf<br />

der Reproduktion zu verzeichnen sind.<br />

Hier sollten weitere Untersuchungen ansetzen, um Mechanismen der externen (oder internen?)<br />

„Steuerung“ der Fortpflanzung aufzuklären. Günstige Vorraussetzungen zur Aufdeckung entsprechender<br />

Zusammenhänge existieren besonders in Jahren mit extremem Witterungsverlauf<br />

41


(besonders zeitige oder sehr späte Erwärmung), da dann Bindungen entweder an Absolutwerte<br />

oder an bestimmte Summen einzelner Faktoren offensichtlicher werden.<br />

Für die Reproduktion der Bachneunaugen am Korleputer Bach ergab sich eine mittlere Aufenthaltsdauer<br />

des Individuums auf dem Laichplatz von ca. 2 Tagen.<br />

Angaben zur Dauer des Aufenthaltes von Bachneunaugen auf dem Laichplatz finden sich bislang<br />

nur spärlich in der Literatur: BOHL & STROHMEIER (1992) unternahmen Experimente zur<br />

Fortpflanzung des Bachneunauges und berichteten, dass sich „der Laichakt einer Gruppe von<br />

Tieren über Tage hinzog“. Acht Tage nach der Paarung waren alle Tiere verendet (ebd.). Bei<br />

Aquarienversuchen von QUITTSCHAU (1987) trat der Tod der Tiere 3-5 Tage nach Beginn der<br />

Reproduktion ein. KUBICEK (1993) wies durch Videobeobachtung nach, dass die längste Aufenthaltsdauer<br />

auf dem Laichplatz 3 Tage betrug. SOKOLOW et al. (1992) schlossen aus Beobachtungen<br />

zur Nesterbelegung, dass die Aufenthaltsdauer der Adulti etwa zwei bis drei Tage<br />

beträgt.<br />

MALMQUIST (1983) berichtete aufgrund von Aquarienversuchen, dass Männchen länger am<br />

Laichgeschehen teilnehmen als Weibchen; gleiches gibt auch SALEWSKI (1991) an.<br />

Mit Hilfe der im Markierungsexperiment ermittelten Grundlagen wurden <strong>für</strong> die Untersuchungsgewässer<br />

Laicherbestände in ihrer Größenordnung abgeschätzt. Tabelle 5 zeigt, dass die Anzahl<br />

laichender Adulti im Vergleich aufeinanderfolgender Jahre stark schwanken kann. Die Bestände<br />

differieren etwa um den Faktor 1,6 (Beke) bis 11 (Nebel-Oberlauf; jeweils unter Verwendung<br />

von Mittelwerten aus beiden Methoden zur Bestandsgrößenschätzung abgeleitet). Diese<br />

Werte sprechen <strong>für</strong> eine relativ ausgeprägte Populationsdynamik. Um zu Aussagen über<br />

Trends in der Bestandsentwicklung zu gelangen, sind die untersuchten Intervalle jedoch zu<br />

kurz. Belege <strong>für</strong> jährlich fluktuierende Laicherbestände des Bachneunauges finden sich auch<br />

bei HARDISTY (1961) und KRAPPE (1996).<br />

Die Gegenüberstellung der Ergebnisse beider Methoden zur Bestandsgrößenschätzung ergibt<br />

teils relativ gute Übereinstimmungen der Werte (z. B. Kösterbeck-Unterlauf), in einigen Fällen<br />

aber auch größere Abweichungen (vor allem Korleputer Bach). Dies zeigt, dass die Angaben<br />

aus Tabelle 18 nur ein erster Versuch sein können, Laicherbestandsgrößen aufgrund der angenommenen<br />

Zusammenhänge abzuschätzen. Beide Verfahren berücksichtigen nicht ausreichend<br />

das Auftreten unterschiedlicher Laichphänologien.<br />

Die Basis-Werte der Abschätzungen (Aufenthaltsdauer und Anteil Maximum am Laicherbestand)<br />

wurden im Rahmen der Markierungsversuche im Korleputer Bach 1997 erhoben. Diese<br />

Laichsaison war lang und durch mehrere zeitliche Schwerpunkte gekennzeichnet (mehrgipflige<br />

Verteilung; vergl. Abb. 3). Damit entsprach sie dem <strong>für</strong> die Untersuchungsgewässer<br />

festgestellten typischen Verlauf der Reproduktion, so dass die Übertragung der Ergebnisse auf<br />

die anderen untersuchten Bestände des Bachneunauges gerechtfertigt erscheint. Mit den o. g.<br />

Verfahren ist zumindest eine Abschätzung der Größenordnung der Adultbestände möglich.<br />

Allein aus Daten des Laichmonitorings (= relative Häufigkeiten) war es bisher unmöglich, auf die<br />

Zahl der insgesamt am Laichplatz erschienenen Bachneunaugen zu schließen. Der von WA-<br />

TERSTRAAT (1989) angenommene Faktor von beobachteten 75 % des Bestandes am Tag der<br />

höchsten Laichaktivität erscheint im Ergebnis der vorliegenden Untersuchungen und in Auswertung<br />

der Literaturangaben zur Laichdauer als deutlich zu hoch.<br />

Zusammenfassung<br />

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden Populationen des Bachneunauges (Lampetra planeri)<br />

in den Untersuchungsgewässern Kösterbeck, Nebel und Beke (Warnoweinzugsgebiet)<br />

sowie Korleputer Mühlbach (Recknitzeinzugsgebiet) bearbeitet.<br />

Ziel war die Untersuchung bislang offener Fragestellungen zur Fortpflanzungsökologie an mehreren,<br />

teils isolierten Populationen mit den Schwerpunkten:<br />

• Bestandsgröße (Zahl der Adulti),<br />

• Einfluss abiotischer Parameter auf Beginn und Verlauf der Reproduktion und<br />

• Darstellung gewässerspezifischer Unterschiede in der Reproduktionsphase.<br />

42


Zur Bearbeitung dieser Zielstellungen wurden im Rahmen einer Substratkartierung zunächst<br />

alle potentiellen Laichplätze erfasst und im Verlauf von drei Laichsaisons die Reproduktion der<br />

Bachneunaugen in den Untersuchungsgewässern beobachtet. Im Rahmen eines Markierungsexperimentes<br />

wurden Grundlagen zur Abschätzung von Bestandsgrößen laichender Bachneunaugen<br />

ermittelt.<br />

Die wichtigsten Ergebnisse sind:<br />

• Die Dauer der Laichzeit beim Bachneunauge war stets sehr lang (6-8 Wochen); die Maxima<br />

im Laichgeschehen umfassen jedoch nur ein bis wenige Tage.<br />

• Der Verlauf der Reproduktion zeigte hohe Gewässerspezifität. Innerhalb eines Baches laichten<br />

die Bachneunaugen jährlich nach annähernd gleichem Zeitmuster, während die Unterschiede<br />

zwischen den Gewässern trotz räumlicher Nähe und Zugehörigkeit zum gleichen<br />

Gewässersystem teilweise erheblich waren (Verschiebung der Maxima um bis zu fünf Wochen).<br />

• Beginn und Verlauf der Laichzeit wurden durch einen Komplex verschiedener abiotischer<br />

Faktoren gesteuert (signifikanten Einfluss zeigten z. B. Lufttemperatur und Globalstrahlung).<br />

Die Wassertemperatur hatte nur in einigen Modellen signifikanten Einfluss auf den Reproduktionsverlauf<br />

und reicht zur detaillierten Erklärung des Laichgeschehens keinesfalls aus.<br />

Übergreifende Zusammenhänge konnten nicht ermittelt werden; der Einfluss bestimmter<br />

Faktoren war großen gewässerspezifischen bzw. saisonalen Unterschieden unterworfen.<br />

• Für Bachneunaugen wurde eine durchschnittliche Aufenthaltsdauer des Einzeltieres auf dem<br />

Laichplatz von 2 Tagen ermittelt. Markierungsexperimente ergaben, dass zum Höhepunkt<br />

des Laichgeschehens ca. 26 % der insgesamt zum Laichen erscheinenden Bachneunaugen<br />

beobachtet werden konnten.<br />

• Die Abschätzung der Laicherbestandsgrößen ergab <strong>für</strong> den Nebel-Oberlauf ca. 35-250 Individuen,<br />

<strong>für</strong> den Kösterbeck-Unterlauf ca. 200-400 Individuen, <strong>für</strong> den Korleputer Bach (nur<br />

Referenzstrecke unterhalb des Sohlabsturzes) ca. 80-100 Individuen und <strong>für</strong> die Beke (ohne<br />

Nebengewässer) ca. 2.200-2.600 Individuen, bezogen jeweils auf drei Untersuchungsjahre.<br />

43


Evaluierung der Hechtbesatzmaßnahmen im Peenestrom<br />

Dorow, M.<br />

Abstract<br />

The Peenestrom is the brackish water connection between the Greifswalder Bodden and Stettiner<br />

Haff in the north east of Germany with an area of about 17.500 ha.<br />

The stocking program started in the year 2000. Till the end of <strong>2004</strong>, about 113.000 individuals<br />

of pike (age: 1 + ) will be stocked.<br />

In the years 2000-2002, over 24.850 pikes were marked by injection of Alcianblue. With the help<br />

of 8 local commercial fishermen a recapture experiment was carried out. The recapture rates<br />

were 2,39% (2002) and 0,97% (2003).<br />

Our own investigations took place in the years 2003/<strong>2004</strong>. In addition to the data of commercial<br />

fishery, monthly sampling by set nets was carried out. Another aim of the study was to calculate<br />

the influence of recreational fishery (angling) on the pike population in the Peenestrom. A<br />

monthly roving creel survey was done. The total yield by both the commercial and recreational<br />

fishery for pike was found to be about 1, 15 kg/ha. The catch of pike by recreational fishery was<br />

in the same order of magnitude as by commercial fishery.<br />

It is concluded, that the stocking program should be stopped for ecological and economic reasons.<br />

An integration of the stocked pike into the native population was not found. The current<br />

exploitation does not exceed the potential yield estimated according to the model of GRIMM<br />

(1981, 1989).<br />

Einleitung<br />

Der Besatz mit Hecht hat eine lange Tradition in den Küstengewässern von Mecklenburg-<br />

Vorpommern. Zur Steigerung bzw. Absicherung der Hechterträge wurde schon um 1900 diese<br />

Managementmaßnahme durchgeführt (SUBKLEW, 1955). Mit Beginn der zweiten Hälfte des letzten<br />

Jahrhunderts kam es in Folge zurückgehender Erträge beim Hecht zu einem Ausbau der<br />

Besatzmaßnahmen. Eine Korrelation zwischen Besatzmenge und Hechterträgen war zumeist<br />

nicht feststellbar (JUNKER, 1988). Es gelang erst später, den Abfall der Hechtanlandungen mit<br />

der Eutrophierung der Küstengewässer zu erklären (WINKLER, 1990).<br />

Der Auslöser <strong>für</strong> ein erneutes Besatzprogramm im Peenestrom waren Klagen über zurückgehende<br />

Fänge im Zeitraum von 1997-1999. Daraufhin wurde auf Initiative der Landesregierung<br />

Mecklenburg-Vorpommern, welche das gesamte Projekt finanzierte, ein erneuter Besatz mit<br />

Hechten im Bereich des Peenestroms ab dem Jahr 2000 vorgenommen. Als Besatzmaterial<br />

wurden auf Vorschlag der <strong>Landesforschungsanstalt</strong> <strong>für</strong> Fischerei einjährige Hechte (H1) verwendet,<br />

da diese <strong>für</strong> ein Markierungsexperiment besser und einfacher zu handhaben sind. Die<br />

Erfahrungen zeigten weiterhin, dass die Verwendung von Hechtbrut bzw. Hechtsetzlinge sich<br />

scheinbar in der Vergangenheit nicht bewährt hatten.<br />

Eine Rechtfertigung der Besatzmaßnahmen wäre dann gegeben, wenn sich die Besatzhechte<br />

in die existierende Hechtpopulation eingliedern würden. Gleichzeitig müsste eine Bestandsübernutzung<br />

beim Hecht nachweisbar sein. Das Hauptaugenmerk des Untersuchungsprogramms<br />

lag bei der Beantwortung dieser beiden Fragen. Hierzu wurde folgendes übergreifendes<br />

Konzept erstellt:<br />

44


Markierungsexperiment Entnahmemengen<br />

Bestimmung von Wiederfangrate<br />

und Wanderungsverhalten<br />

Beurteilung des<br />

Integrationsvermögens<br />

Berufsfischerei<br />

Bewertung der<br />

Besatzmaßnahmen<br />

Managementempfehlung<br />

Abb. 1: Konzept zur Bewertung der Besatzmaßnahmen<br />

Freizeitfischerei<br />

Gesamtentnahme<br />

Sportfischerei<br />

Der Verbleib der Besatzhechte sollte über ein Markierungsexperiment mit einer Laufzeit von 3<br />

Jahren aufgeklärt werden, was letztendlich Aussagen über das Integrationsvermögen zulässt.<br />

Für die Bestimmung der Gesamtentnahme mussten zunächst die wirkenden Nutzergruppen<br />

identifiziert werden. Die Entnahme der Sportfischerei (Fang mit der Handangel) und der Freizeitfischerei<br />

(Fang mit kommerziellen Methoden zum Eigenbedarf) unterliegen keiner statischen<br />

Betreuung seitens der Landesregierung, so dass hier<strong>für</strong> eigene Herangehensweisen zur Bestimmung<br />

der Fangmenge entwickelt werden musste. Eine statistische Erfassung der Fänge lag<br />

lediglich <strong>für</strong> die Berufsfischerei vor (Landesamt <strong>für</strong> Fischerei, Rostock).<br />

Das eigene Befischungsprogramm im Jahr 2003 sollte die Auswertbarkeit des Markierungs-<br />

Experimentes absichern und zudem Daten zur Charakterisierung der Hechtpopulation im Peenestrom<br />

liefern.<br />

Material und Methoden<br />

Peenestrom<br />

Der Peenestrom und seine Randgewässer sind ein stark süßwasserbeeinflusstes Küstengewässer<br />

(LAUTERBACH, 2001) mit einer Gesamtgröße von rund 17.500 ha (Abb. 2). Die wichtigsten<br />

hydrographischen Eigenschaften des Gewässers sind in Tabelle 1 aufgelistet.<br />

Tabelle 1: Zusammenstellung der wichtigsten Gewässerparameter des Untersuchungsgebiets<br />

Gewässerparameter Peenestrom und Achterwasser<br />

Mittlere Tiefe Peenestrom 2,6 m; Achterwasser 3,0 m<br />

Maximale Tiefe Peenestrom 16 m; Achterwasser 4,0 m<br />

Primärproduktion 362 g C/m²*a<br />

Trophiestatus eutroph bis polytroph (WESTPHAL & LENK, 1997)<br />

Salzgehalt Nordteil: 3-8 ‰; Südteil 1-4 ‰<br />

45


Abb. 2: Besatzgebiete im Peenestrom, Gebiet 1: Freest; Gebiet 2: Rankwitz (Quelle LFA –<br />

Institut <strong>für</strong> Fischerei)<br />

Umfang der Besatzmaßnahmen und Markierungsexperiment<br />

Im Zeitraum von 2000 bis <strong>2004</strong> wurden rund 113.000 H1 mit einer Besatzdichte von 11.000 bis<br />

32.500 Stück pro Jahr ausgebracht. Die mittlere Länge der Beatzhechte betrug 27 cm. Das gesamte<br />

Besatzmaterial wurde durch Binnenfischereiunternehmen des Landes M-V erzeugt.<br />

Für die Bestimmung der Wiederfangrate wurden unterschiedliche Anteile der Besatzfische aus<br />

den Jahren 2000 bis 2002 durch eine subkutane Injektion mit Alcianblau in den Ansatz der paarigen<br />

Flossen markiert. Mit den beiden Markierungsvarianten (Brust- bzw. Bauchflossenansatz)<br />

war eine Unterscheidung der beiden Besatzgebiete (Abb. 2) möglich.<br />

Tabelle 2: Zusammenstellung der Besatzzahlen und Anzahl der markierten Hechte<br />

(2000-<strong>2004</strong>)<br />

Besatzjahr Besatzmenge [Stk.] Markierte Fische [Stk.] Anteil markierte Fische [%]<br />

46<br />

2000 11.000 3.735 <strong>34</strong><br />

2001 22.300 20.080 89<br />

2002 15.000 10.648 72<br />

2003 32.500 - -<br />

<strong>2004</strong> Geplant: 32.500 - -<br />

Um Wiederfänge im gesamten Untersuchungsgebiet zu garantieren, wurden <strong>für</strong> die Jahre 2002<br />

und 2003 acht Berufsfischer vertraglich gebunden, die sowohl Daten über den Hechtfang als<br />

auch Meldungen über markierte Fische lieferten.<br />

Entnahmemenge<br />

1<br />

2<br />

Berufsfischerei<br />

Für die Bestimmung der Fangmenge der Berufsfischerei lag die gebietsspezifische Fangstatistik<br />

des Landesamtes <strong>für</strong> Fischerei vor.


Freizeitfischerei<br />

Die Abschätzung der Entnahmemenge der Freizeitfischerei erfolgte auf drei Wegen:<br />

• Verwendung des Einheitsfanges (CPUE) der eigenen Stellnetzbefischung<br />

• Eine Telefonumfrage bei 10 Freizeitfischern<br />

• Daten aus einem Angelverein, in welchem auch Freizeitfischer organisiert sind<br />

Sportfischerei<br />

Zur Ermittlung der Fangmenge der Angler wurde eine monatliche zweitägige direkte Zählung<br />

des Angelaufkommens gekoppelt mit einer stichprobenartigen Befragung direkt vor Ort durchgeführt.<br />

Innerhalb der Interviews (N=115) wurden verschiedene Angaben bezüglich des Angelaufwandes,<br />

Fangerfolgs und den Besatzmaßnahmen erhoben. Aus diesen Angaben lassen sich<br />

zwei Basiswerte, die den Hechtfang pro Stunde wiedergegeben, berechnen. Ein Basiswert bezieht<br />

sich dabei auf die in den Interviews beobachteten Hechtfänge. Der andere nutzt die Daten<br />

zum jährlichen Hechtfang. Mit dem Gesamtaufwand der Angler (in Stunden), welcher sich aus<br />

dem Angleraufkommen und der durchschnittlichen Anglerdauer ergibt und der Multiplikation mit<br />

den jeweiligen Basiswert, kann der Hechtfang der Angler abgeschätzt werden. Als potenzielle<br />

Hechtfänger sind nur Sportfischer, welche mit Kunstködern angelten, berücksichtigt.<br />

Eigene Befischung<br />

Im Jahr 2003 (April bis Dezember) wurden 8 verschiedene Gebiete im Peenestrom monatlich<br />

mit Stellnetzen beprobt. Im Vordergrund standen dabei die Charakterisierung der Hechtpopulation<br />

(siehe hierzu DOROW & LEMCKE, <strong>2004</strong>) und der Fang von markierten Fischen zur Bewertung<br />

der Rückmeldungen der Vertragsfischer. Zusätzlich wurde im Oktober 2003 eine Zugnetzbefischung<br />

<strong>für</strong> die Ermittlung der Hechtdichte (kg/ha) in ausgewählten Habitaten durchgeführt.<br />

Ergebnisse<br />

Markierungsexperiment<br />

Um eine Auswertbarkeit der Rückmeldungen der Vertragsfischer zu gewährleisten, müssen<br />

folgende Annahmen und Einschränkungen getroffen werden.<br />

Die Markierung bleibt bei 75 % der Fische <strong>für</strong> ein Jahr erhalten. Weiterhin wird keine erhöhte<br />

Mortalität durch die Markierung hervorgerufen. Somit bleibt ein Besatzjahrgang <strong>für</strong> ein Jahr sicher<br />

verfolgbar.<br />

Hinsichtlich der Vertragsfischer gilt, dass diese 37 % der Fangmenge der Berufsfischerei beim<br />

Hecht ausmachen. Rückfänge kurz nach dem Besatz sind nicht berücksichtigt, um eine Vermischung<br />

der Besatzhechte mit der vorhandenen Population zu garantieren.<br />

Die Fängigkeit der Hechte ist nicht beeinflusst durch die Markierung, Herkunft der Hechte und<br />

dem Befischungsgebiet. Ein Vergleich des Verhältnisses von unmarkierten zu markierten Hechten<br />

bei der Stellnetzbefischung der Berufsfischerei und der eigenen Befischung zeigt, dass die<br />

Daten der Vertragsfischer als vertrauenswürdig anzusehen sind.<br />

Ausgehend von der Abb. 3 lassen sich folgende Aussagen bezüglich dem Wanderungsverhalten<br />

der Besatzhechte treffen:<br />

• Eine Konzentrierung der Wiederfänge im nördlichen Bereich liegt in beiden Jahren vor.<br />

• Zudem ist eine Abwanderung in Richtung Greifswalder Bodden dokumentiert.<br />

• Eine Vermischung der Besatzhechte aus den beiden Besatzgebieten ist im Bereich des<br />

Achterwassers zu beobachten.<br />

• Für den nördlichen Teil des Peenestroms sind in beiden Jahren mehr Rückmeldungen<br />

vorhanden.<br />

47


48<br />

2002<br />

Besatzgebiet 1<br />

Besatzgebiet 2<br />

Abb. 3: Orte der Wiederfänge <strong>für</strong> 2002 und 2003 (Ein Punkt gibt eine bestimmte Anzahl<br />

von Rückmeldungen <strong>für</strong> ein geographischen Ort wieder)<br />

Die Anzahl der Wiederfänge und die dazugehörige Wiederfangrate der Vertragsfischer sind in<br />

Tabelle 3 dargestellt. Dabei fällt die Wiederfangrate <strong>für</strong> das Besatzjahr 2002 niedrigerer aus als<br />

<strong>für</strong> das vorangegangene Jahr.<br />

2003<br />

Tabelle 3: Wiederfänge durch die Vertragsfischer<br />

Besatzjahr Stückzahl markierte Fische Wiederfangrate (%)<br />

2001 360 2,39<br />

2002 77 0,97<br />

Unter Berücksichtigung des Anteils der Vertragsfischer an der Anlandungsmenge beim Hecht<br />

lässt sich die Anzahl der Wiederfänge von Besatzfischen innerhalb des ersten Jahres durch die<br />

gesamte Berufsfischerei abschätzen (Tabelle 4).<br />

Tabelle 4: Anzahl der Wiederfänge durch gesamte Berufsfischerei<br />

Gesamtentnahme<br />

Besatzjahr Stückzahl<br />

2001 1.400<br />

2002 380<br />

Im Jahr 2003 lag die geschätzte Gesamtentnahme bei rund 19.700 kg Hecht, was einem Gesamtertrag<br />

bezogen auf die Fläche des Peenestroms von 1,15 kg/ha entspricht (Tabelle 5).<br />

Die Entnahme der Berufs- und Sportfischerei bewegt sich dabei im selben Bereich (8000-9000<br />

kg).


Tabelle 5: Gesamtentnahme, prozentualer Anteil und Ertrag der drei Gruppen im<br />

Jahr 2003<br />

Art der Entnahme Gesamtentnahme [kg]<br />

Anteil [%] an<br />

Gesamtentnahme<br />

Ertrag in kg/ha<br />

Berufsfischerei 8.168 41,52 0,48<br />

Freizeitfischerei 2.500 12,71 0,14<br />

Angelfischerei 9.000 45,75 0,53<br />

Gesamt 19.668 100 1,15<br />

Diskussion<br />

Verbleib der Besatzhechte<br />

Die Anzahl der Rückfänge legt die Vermutung nahe, dass eine Eingliederung der Besatzhechte<br />

nicht im gewünschten Umfang stattgefunden hat. Eine theoretische Überprüfung dieses Ergebnisses<br />

ist anhand eines Modellansatzes, welcher die jährliche Mortalität einer Kohorte zur<br />

Grundlage hat, durchführbar. Für verschiedene Hechtpopulationen konnte eine exponentielle<br />

Abnahme der Stückzahl der Individuen einer Altersklasse nachgewiesen werden (RAAT, 1988).<br />

Die Formel <strong>für</strong> die jährliche Mortalität (A) lautet:<br />

A<br />

= 1 −<br />

Z gibt dabei die augenblickliche Sterberate an und setzt sich <strong>für</strong> einen genutzten Bestand (ZN)<br />

aus der natürlichen (M) und fischereilichen (F) Mortalität zusammen.<br />

e Z −<br />

ZN =F+M<br />

Die jährliche Sterberate <strong>für</strong> adulte Hechte (ab 2 Jahren) liegt im Bereich von 40-70% (LE<br />

CREN, 1987; RAAT, 1988; TREASURER et al., 1992; ALLEN et al., 1998; PIERCE et al., 2003).<br />

Da neben der fischereilichen und natürlichen Mortalität sich eine Vielzahl anderer Faktoren negativ<br />

auf das Überleben der Besatzhechte auswirken, muss der Verlust der gesetzten Fische<br />

höher eingestuft werden. Hinsichtlich des Besatzes im Peenestrom konnten folgende mögliche<br />

Parameter identifiziert werden:<br />

• Abwanderung aus dem Peenestrom (U)<br />

• Markierungsbedingte Sterblichkeit (MM)<br />

• Besatzbedingte Faktoren (MF): Konkurrenzstärke der Besatzhechte, Umstellung auf neue<br />

Umgebung, Transportverluste, Qualität des Besatzmaterials, etc.<br />

Für Besatzhechte gilt demnach <strong>für</strong> die augenblickliche Mortalität:<br />

ZB = M + F + U + MF +Mm<br />

Vereinfachend lässt sich formulieren, dass die augenblickliche Sterberate derselben Altersklasse<br />

<strong>für</strong> die existierende Hechtpopulation niedriger einzuschätzen ist als <strong>für</strong> die Besatzhechte:<br />

ZN < ZB<br />

Somit ist jährliche Mortalität <strong>für</strong> den Besatz höher als <strong>für</strong> den vorhandenen Hechtbestand:<br />

AN < AB<br />

Die Entwicklung der Anzahl der verbleibenden Hechte aus dem Besatz im Peenestrom kann<br />

aufgrund der oben gemachten Annahmen theoretisch aufgezeigt werden (Tabelle 6). Im ersten<br />

Jahr wirkt auf die gesetzten Hechte eine geschätzte Sterblichkeit von 70 %. Aufgrund der Eingliederung<br />

in den vorhandenen Bestand liegt die Mortalität in den darauf folgenden Jahren bei<br />

rund 50 %.<br />

49


Tabelle 6: Anzahl Besatzhechte, angenommener Verbleib in Stück (Besatzmengen<br />

fett hervorgehoben<br />

50<br />

Besatzjahr 2000 2001 2002 2003 <strong>2004</strong><br />

2000 10.960 3.288 1.644 822 411<br />

2001 22.379 6.714 3.357 1.678<br />

2002 14.762 4.429 2.214<br />

2003 32.500 9.750<br />

Gesamt 14.054<br />

Von rund 80.600 gesetzten Hechten (2000-2003) würden unter der Richtigkeit der gemachten<br />

Annahmen Ende <strong>2004</strong> nur noch 14.000 Fische im Gewässer vorhandenen sein. Dies entspräche<br />

einer Bestandsdichte von rund 0,8 Besatzhechten pro Hektar.<br />

Bestandsgröße<br />

Um die Frage nach der möglichen Übernutzung des Hechtes zu beantworten, muss zunächst<br />

die Bestandsgröße abgeschätzt werden. Die Größe einer Hechtpopulation in einem Binnengewässer<br />

wird durch die möglichen Einstandsflächen bestimmt. Dieser Zusammenhang wurde<br />

erstmalig von GRIMM (1981, 1989) aufgezeigt. KNÖSCHE (1995) übernimmt dieses Modell <strong>für</strong><br />

hoch eutrophe norddeutsche Seen. Auf den entsprechenden Einstandsflächen reguliert sich der<br />

Hecht bezüglich seiner Bestandsgröße und Populationsaufbau selbst. Dabei stehen sich das<br />

hohe Reproduktionspotential und der artbedingte Kannibalismus gegenüber. Der Sättigungswert<br />

<strong>für</strong> den Hecht in den untersuchten Gewässern lag bei 100-150 kg/ha. Als maximal erntbarer<br />

Ertrag (MSY- Maximum Sustainable Yield) wird ⅓ der Bestandsgröße angenommen Bei<br />

einer nachhaltigen Nutzung wird in einem stabilen Ökosystem jedes Jahr die maximal mögliche<br />

Bestandsdichte erreicht.<br />

Für den Peenestrom wurde vereinfachend eine mögliche Einstandsfläche von 10.000 ha angenommen.<br />

Durch die Zugnetzbefischung konnte eine Bestandsdichte von 10 kg/ha im südlichen<br />

Peenestrom bestimmt werden. Diese Angabe muss aber als minimal Annahme verstanden<br />

werden, da durch die Methode keine 100 % Fangeffektivität gewährleistet ist.<br />

Tabelle 7: Mögliche Bestandsgrößen und potentielle Erträge bei unterschiedliche<br />

Annahmen <strong>für</strong> Bestandsdichte (Hinweis: Gültigkeit nur <strong>für</strong> Binnengewässer<br />

erwiesen, * eigene Befischung)<br />

Einstandsfläche<br />

[ha]<br />

Bestandsdichte<br />

[kg/ha]<br />

Bestand bezogen auf<br />

Einstandsfläche<br />

[kg]<br />

potentieller Ertrag<br />

absolut (MSY)<br />

[kg]<br />

potentieller Ertrag<br />

flächenbezogen<br />

[kg/ha]<br />

10.000 10 * 100.000 33.000 2<br />

10.000 50 500.000 165.000 10<br />

10.000 100 1.000.000 330.000 19<br />

Ausgehend von der Einstandsfläche und der Bestandsdichte (10, 50 und 100 kg/ha) sind in Tabelle<br />

7 die Größe der Hechtpopulation und der daraus resultierende maximal mögliche Ertrag<br />

(kg/ha) bezogen auf die Gesamtfläche des Peenestroms dargestellt. Unter der Gültigkeit der<br />

gemachten Annahmen kann eine derzeitige Übernutzung der Hechtpopulation ausgeschlossen<br />

werden (Gesamtertrag 1,15 kg/ha < minimal Abschätzung 2 kg/ha).<br />

Kosten - Nutzen - Analyse<br />

Wichtig <strong>für</strong> eine Bewertung der Besatzmaßnahmen ist die Gegenüberstellung der Kosten und<br />

Nutzen. Die Ausgaben belaufen sich <strong>für</strong> die Besatzjahre 2001 und 2002 allein <strong>für</strong> das Besatzmaterial<br />

auf rund 75.000 €, wenn ein Besatzhecht rund 2 € kostet.

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