Jahrgang 2004/2005 Heft 34 - Landesforschungsanstalt für ...
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Mitteilungen der <strong>Landesforschungsanstalt</strong><br />
<strong>für</strong> Landwirtschaft und Fischerei<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
Beiträge zur Fischerei<br />
aus den Bereichen Binnenfischerei,<br />
Küstenfischerei und Aquakultur<br />
<strong>Jahrgang</strong> <strong>2004</strong>/<strong>2005</strong><br />
<strong>Heft</strong> <strong>34</strong><br />
ISSN 1618-7938
Inhaltsverzeichnis<br />
Autor Titel Seite<br />
Diekmann, M.;<br />
Lemcke, R.;<br />
Mehner, T. Die Fischfauna der Seen Mecklenburg-Vorpommerns 5<br />
Lemcke, R. Habitatnutzung und Raumbedarf des Bachneunauges<br />
(Lampetra planeri Bloch 1784) in Fließgewässern des<br />
nordostdeutschen Flachlandes 17<br />
Lemcke, R.;<br />
Winkler, H. Reproduktionsökologie des Bachneunauges (Lampetra<br />
planeri Bloch 1784) in Fließgewässern des<br />
nordostdeutschen Flachlandes -Verlauf des<br />
Laichgeschehens und Größe von Adultbeständen 31<br />
Doro, M. Evaluierung der Hechtbesatzmaßnahmen im<br />
Peenestrom 44<br />
Jansen, W.;<br />
Jennerich, H.-J. Integriertes Küstenzonenmanagement (IKZM) – ein Weg<br />
zur langfristigen Sicherung der Küstenfischerei<br />
Mecklenburg-Vorpommerns 52<br />
Schulz, N. Fischereiliche Untersuchungen am „Großriff Nienhagen“<br />
im Jahr 2003 mit spezieller Betrachtung der<br />
Dorschbestände in der Ostsee 60<br />
Mohr, T.;<br />
Sandrock, S.;<br />
E.-M. Scharf Bewuchsentwicklung im künstlichen Riff vor Nienhagen 77<br />
MELFF Leitfaden <strong>für</strong> die weitere Entwicklung einer tier- und<br />
umweltgerechten Aquakultur in Mecklenburg-<br />
Vorpommern 93<br />
Krenkel, L.;<br />
Jansen, W.;<br />
Jennerich, H.-J.;<br />
Schulz, S.;<br />
Wenzel, H.-J. Möglichkeiten der Forellenproduktion am<br />
Steinkohlekraftwerk Rostock 105<br />
Anders, E.;<br />
Arndt, G.-M.;<br />
Gessner, J.;<br />
Paetsch, U. Einige Erfahrungen bei der Reproduktion von Stören 114<br />
Verzeichnis der Autoren 122<br />
Das Literaturverzeichnis der einzelnen Beiträge kann bei den Autoren angefordert werden.<br />
3
Die Fischfauna der Seen Mecklenburg-Vorpommerns<br />
Diekmann, M.; Lemcke, R.; Mehner, T.<br />
Summary<br />
Between summers 2001 and 2003, 35 lakes in Mecklenburg-Vorpommern, a Federal State in<br />
the German lowlands, have been studied for their fish communities using standardized methods<br />
(multi-mesh gillnets and electrofishing). Lakes range from 51-10531 ha in area and 3.5-69 m in<br />
maximum depth, and cover weak mesotrophic to polytrophic waters. Altogether, 30 species including<br />
hybrids have been caught, with species number ranging from 9-20 species per lake.<br />
Perch, ruffe, roach, and bream were caught in all lakes. Overall, perch dominated the abundance<br />
of the lake fish communities, whereas roach dominated biomass. Mesotrophic lakes harboured<br />
pike as main predator, whereas eutrophic lakes supported zander occurrence. Rudd<br />
and tench were hardly caught in eutrophic lakes with low extension of macrophytes. Vendace<br />
was nearly exclusivley found in mesotrophic, dimictic lakes. Occasional dominance of roach<br />
over perch in total fish biomass in mesotrophic lakes suggests that the trophic state of a lake<br />
has a less predominant role in structuring lake fish communities, in contrast to earlier hypotheses.<br />
Einleitung<br />
Im Rahmen eines vom Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsprojektes<br />
sind zwischen 2001 und 2003 insgesamt 67 Seen im nordostdeutschen Tiefland<br />
beprobt worden, von denen 35 in Mecklenburg-Vorpommern liegen. Das Ziel der Befischungen<br />
war es, die Datengrundlage <strong>für</strong> die Erarbeitung eines Bewertungsverfahrens <strong>für</strong> Seen<br />
anhand der Fischgemeinschaften nach EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) zu schaffen (Diekmann<br />
et al. 2002, 2003). Hierzu sollten zunächst wichtige Eigenschaften der Fischfauna nordostdeutscher<br />
Seen erarbeitet werden. Die Bundesländer Brandenburg und Mecklenburg-<br />
Vorpommern, die zum Norddeutschen Tiefland gehören, stellen die seenreichste Region<br />
Deutschlands dar. In Mecklenburg-Vorpommern befindet sich mit der Müritz zugleich der nach<br />
dem Bodensee größte See Deutschlands. Die meisten und v. a. größeren Seen sind glazialen<br />
Ursprungs.<br />
Ein Ziel der Bewertung nach WRRL ist es, anhand der Betrachtung ökologischer Komponenten<br />
eine Bewertung des ökologischen Zustands durchzuführen. Das Hauptaugenmerk ruht dabei<br />
auf biologischen „Qualitätskomponenten“. Neben den Fischgemeinschaften soll die Bewertung<br />
noch anhand von Phytoplankton, Makrophyten (Wasserpflanzen inkl. Kieselalgen) und Makrozoobenthos<br />
(Wirbellose, z. B. Insektenlarven) erfolgen. Dabei stehen die Auswirkungen chemischer<br />
(z. B. Trophie) und physikalischer bzw. struktureller Veränderungen (Verbauungen, Gewässerhydrologie)<br />
auf die betrachteten biologischen Komponenten im Vordergrund. Nach<br />
WRRL werden Seen mit einer Fläche von 50 ha und mehr bewertet, wobei die Fischgemeinschaften<br />
hinsichtlich Arteninventar, Abundanz und Altersaufbau beurteilt werden sollen (Diekmann<br />
et al. 2002, 2003). Die <strong>für</strong> die meisten Seen unzureichende Datengrundlage sollte durch<br />
standardisierte Vergleichsbefischungen innerhalb dieses Projektes erstellt werden. Außerdem<br />
wurden während der Befischungen auch morphologische und chemische Parameter der Seen<br />
erfasst.<br />
Der Einfluss struktureller oder chemischer Veränderungen auf Fischgemeinschaften in Seen ist<br />
nur teilweise geklärt. Grundsätzlich können sich Verbauungen des Ufers durch Beeinträchtigungen<br />
der Flachwasserzonen und Schilfgürtel, die wiederum ein wichtiges Habitat <strong>für</strong> Jungfische<br />
darstellen, negativ auf Fischbestände auswirken. Des gleichen könnte eine starke touristische<br />
Nutzung zumindest lokal einen Einfluss haben (z. B. durch bootsbedingten Wellenschlag).<br />
Andererseits liegen in der Untersuchungsregion eine Vielzahl von Seen (in Brandenburg<br />
über 200 Seen > 50 ha, in Mecklenburg-Vorpommern über 150), der im Vergleich zu anderen<br />
Regionen Deutschlands relativ wenig Nutzer (v. a. Touristen) gegenüber stehen. Daher<br />
ist im Allgemeinen nicht mit einem starken Nutzungsdruck auf einen einzelnen See zu rechnen,<br />
der sich in der Fischfauna widerspiegeln könnte. Allein die Erhöhung der Nährstoffe (Eutrophie-<br />
5
ung) ist in Mitteleuropa und somit auch in Norddeutschland ein wichtiger Beeinträchtigungsfaktor.<br />
So hat die Nährstoffkonzentration eines Gewässers direkten Einfluss auf die Lebensgemeinschaft<br />
(Biozönose). In nährstoffreichen (eutrophen) Gewässern lässt sich häufig eine hohe<br />
Phytoplanktonbiomasse beobachten. Hier findet man oft geringe Sichttiefen und zum Zeitpunkt<br />
der Sommerstagnation in tieferen Gewässern wenig oder keinen Sauerstoff im Hypolimnion.<br />
Die hohe Phytoplanktonbiomasse wird oft gestützt durch das zahlreiche Auftreten von<br />
zooplanktivoren Fischen (v. a. Plötze, zu den wissenschaftliche Namen siehe Tabelle 2). Im<br />
Gegensatz dazu zeigen nährstoffärmere (mesotrophe) oder –arme (oligotrophe) Seen häufig<br />
eine Dominanz von Makrophyten und vergleichsweise klares Wasser. Hier kann das Zooplankton<br />
tagsüber Schutz vor Fischen zwischen den Wasserpflanzen finden, während es nachts<br />
Wanderungen ins Freiwasser durchführt, um zu fressen. In trüben eutrophen Seen dominiert<br />
neben zahlreichen Cypriniden der Zander, während in den klareren mesotrophen Seen Barsch<br />
und Hecht stärker hervortreten. In tiefen oligotrophen Seen, die auch während der Sommerstagnation<br />
genügend Sauerstoff im Hypolimnion zeigen, findet man die Große und in Norddeutschland<br />
vor allem die Kleine Maräne. Ein Nährstoffeintrag in zunächst mesotrophe, klare<br />
Seen kann zu einem starken Wachstum von Phytoplankton (Algenblüte) führen, da sich planktische<br />
Algen sehr viel schneller fortpflanzen als höhere Wasserpflanzen. Die aus ihrem Wachstum<br />
resultierende Wassertrübung wiederum benachteiligt Wasserpflanzen, da die Lichtdurchlässigkeit<br />
des Wassers vermindert wird. So kann die Eutrophierung zu einer Verschiebung von<br />
Lebensgemeinschaften bis hin zu den Fischen führen. Von diesen grundlegenden Beziehungen<br />
abgesehen fehlen zu den meisten Seen jedoch Detailkenntnisse.<br />
Daher wird die Fischfauna der Seen Mecklenburg-Vorpommerns im vorliegenden Bericht eingehender<br />
vorgestellt.<br />
Die untersuchten Seen<br />
Für Deutschland wurde von der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) eine Seentypisierung<br />
vorgenommen, nach der als wichtigste Kriterien <strong>für</strong> Seen des Tieflandes die Schichtung<br />
und der Volumenquotient (VQ, das Verhältnis der Einzugsgebietsgröße eines Sees, einschließlich<br />
der Seefläche, zum Seevolumen) gelten (LAWA 1999, Mathes et al. 2002). Betrachtet man<br />
den VQ aller Seen, hat sich gezeigt, dass ein Wert von 1,5 die meisten meso- und oligotrophen<br />
Seen (< 1,5) von eutrophen Seen (> 1,5) abgrenzt. Daher werden Seen anhand des VQ mit<br />
einem Wert von kleiner bzw. größer als 1,5 unterschieden. Die Seentypisierung wurde nicht<br />
fischbezogen entwickelt. Für das Auftreten von Fischarten in Seen z. B. kann auch deren Verbindung<br />
an andere Gewässer maßgeblich sein. Deshalb wurde innerhalb des Projektes <strong>für</strong> die<br />
untersuchten Seen neben der LAWA-Typisierung noch zusätzlich erfasst, ob sie an andere<br />
Gewässer angebunden sind, wobei zunächst unerheblich ist, ob Verbindungen zu anderen<br />
Seen oder Fließgewässern künstlich oder natürlich entstanden sind (Diekmann et al. 2002,<br />
2003). Die Seen wurden dahingehend ausgewählt, dass sie innerhalb jeweils der geschichteten<br />
und ungeschichteten Seen einen großen bzw. kleinen VQ hatten und darüber hinaus angebunden<br />
oder nicht angebunden an andere Gewässer sind. Die befischten Mecklenburger Seen variieren<br />
in Fläche (51-10531 ha) und maximaler Tiefe (3,5-69 m) beträchtlich (Tabelle 1). Hinsichtlich<br />
der Nährstoffkonzentration sind die Seen schwach meso- bis stark polytroph.<br />
Standardisierte Befischung<br />
Die repräsentative Beprobung erfolgte mittels stratified random sampling mit benthischen Nordic-Multimaschenstellnetzen<br />
(30 m lang, 1,5 m hoch, 12 Maschenweiten zwischen 5 und 55<br />
mm) nach Appelberg (2000) (Abb. 1 A). Darüber hinaus wurden zusätzlich zu etwa jedem vierten<br />
Nordic-Netz benthische 70-mm-Stellnetze (25 m lang, 1,6 m hoch) eingesetzt, um große<br />
Cypriniden wie Blei zu befischen. Benthische Netze wurden randomisiert (zufällig) im See in<br />
unterschiedlichen Tiefenzonen verteilt. Die Zahl der benthischen Nordic-Netze folgte dem<br />
Schema von Appelberg (2000) und wurde durch die Fläche (ha) und die Maximaltiefe (m) bestimmt.<br />
Allerdings wurde bei den meisten Seen etwa die Hälfte der Netze im Spätsommer (ab<br />
etwa Anfang August bis Oktober), die andere Hälfte im darauf folgenden Frühsommer (von Mai<br />
bis Anfang Juli) gesetzt. Dieses Vorgehen sollte saisonale Unterschiede in der Aktivität der verschiedenen<br />
Fischarten berücksichtigen.<br />
6
Im Pelagial wurden in Seen mit einer Maximaltiefe ab 6 m pelagische Nordic-<br />
Multimaschenstellnetzen (30 m lang, 3 m hoch, 12 Maschenweiten zwischen 5 und 55 mm)<br />
eingesetzt (Abb. 1 B). Auch hier wurde etwa zu jedem vierten Nordic-Netz ein 70-mm-Netz (25<br />
m lang, 3,2 m hoch) gesetzt. Pelagische Netze wurden im Gegensatz zu Appelberg (2000) bereits<br />
in Seen ab 6 m Tiefe über der tiefsten Stelle in 3-m-Stufen von der Oberfläche zum Grund<br />
eingesetzt. Pelagische Netze wurden vollständig in der Spätsommerphase gestellt.<br />
Beim Stellnetzfang wurden Art, Anzahl der Fische sowie Gesamtlänge (± 1 cm) und Gewicht (±<br />
1 g) bestimmt. Der Einheitsfang wurde bezogen auf Abundanz (NPUE, Anzahl Fisch je m 2 Netz<br />
und Stunde) und Biomasse (WPUE, g Fisch je m 2 Netz und Stunde) berechnet.<br />
Im Litoral wurden Elektrobefischungen durchgeführt, um v. a. benthische Fischarten wie Aal<br />
und Kleinfischarten wie die meist ufernah lebenden Bitterlinge oder Steinbeißer, die mit Kiemennetzen<br />
praktisch nicht fangbar sind, zu erfassen.<br />
Zur Elektrofischerei wurde Gleichstrom genutzt (4–8 Ampere, etwa 200–400 Volt, Elektrofischfanggeräte<br />
Bretschneider EFG 4000, EFGI 4000, Anodenstange 3,5–4 m, Ringanodendurchmesser<br />
40 cm). Befischt wurden Strecken von maximal 150 m mit 15 „Dips“ vom unbewegten<br />
Boot aus, wobei geschätzte Abstände von 5–10 m einzuhalten waren. Im Allgemeinen wurden<br />
zu Beginn des Fischens geprüft, welche Spannung <strong>für</strong> den jeweiligen See geeignet war, wobei<br />
diese so gering wie möglich gehalten werden sollte. Beim Fischen wurde die Anode über etwa<br />
10–15 Sekunden an einer Stelle eingetaucht bzw. bis Fische eine Galvanotaxis zeigten. Gefischt<br />
wurde entlang jeweils typischer Uferstrukturen. Darüber hinaus wurden so genannte<br />
„Sonderstrukturen“ (Strände, Zu- und Abflüsse, Bootsstege und –anlagen) gezielt beprobt.<br />
Bei der Elektrofischerei wurden Art, Anzahl der Fische und Gesamtlänge (± 1 cm) bestimmt und<br />
die Fische nach dem Fang zurückgesetzt. Der Einheitsfang wurde als NPUE (Anzahl Fische je<br />
Dip) bestimmt.<br />
Die Fischfauna der Mecklenburger Seen<br />
Es wurden insgesamt 120.239 Fische gefangen, die zu 30 Arten (einschließlich „Hybriden“, vgl.<br />
Tabelle 3) gehören (Tabelle 2). Hybriden umfassen Kreuzungen zwischen verschiedenen<br />
Cyprinidenarten, die insbesondere zwischen Plötze und Blei regelmäßig auftreten. Die Zahl der<br />
pro See nachgewiesenen Arten liegt zwischen 9 und 20.<br />
Tabelle 3 gibt einen Überblick über die Verbreitung der Arten in den Seen. Blei (Brachsen),<br />
Plötze (Rotauge), Barsch und Kaulbarsch sind in allen untersuchten Seen nachgewiesen worden.<br />
Das Fehlen einer Art im Fang darf nicht mit dem völligen Fehlen der Art im jeweiligen See<br />
gleichgesetzt werden. So wurden nur in 27 Seen die Schleie und in nur 4 Seen der Karpfen<br />
nachgewiesen. Abgesehen davon, dass letzterer oft nicht repräsentativ gefangen wird, gilt <strong>für</strong><br />
beide Arten, dass sie in weit geringerer Anzahl in den Seen auftreten als beispielsweise der<br />
immer gefangene Blei.<br />
Die Arten Bachneunauge und Döbel wurden je nur einmal und dann im Übergangsbereich zu<br />
Fließgewässern nachgewiesen, zu deren Arteninventar sie gehören. Außerdem konnte in nur<br />
einem See der faunenfremde Silberkarpfen nachgewiesen werden.<br />
Kleinfischarten, die wirtschaftlich keine Bedeutung besitzen, aber aufgrund ihrer ökologischen<br />
Ansprüche Anzeiger <strong>für</strong> die ökologische Qualität sein könnten (so laicht der Bitterling in Muscheln<br />
ab und ist somit von deren Existenz im Gewässer abhängig), wurden regelmäßig (Dreistachliger<br />
Stichling, Moderlieschen, Steinbeisser) bis selten (Bitterling, Neunstachliger Stichling,<br />
Schlammpeitzger) gefangen.<br />
Bei den vorwiegend im Hypolimnion lebenden Coregonen ist die Kleine Maräne regelmäßig (16<br />
Seen) und die Große Maräne selten (4 Seen) nachgewiesen worden.<br />
Die am häufigsten gefangenen Arten sind die Cypriniden Plötze, Blei, Rotfeder, Güster<br />
und Ukelei, die Raubfische Hecht und Zander, die beiden Perciden Barsch und Kaulbarsch,<br />
sowie die Kleine Maräne. Der Einheitsfang dieser Arten aus benthischen Nordic-Netzen und im<br />
Fall der vorwiegend pelagisch lebenden Kleinen Maräne auch aus pelagischen Nordic-Netzen<br />
wird eingehender betrachtet. Für den Aal (Elektrofischerei) wurde eine Überprüfung unterlassen,<br />
da diese Art durch Besatz in praktisch allen Gewässern vertreten ist und ihr Auftreten daher<br />
keine Rückschlüsse auf Präferenzen des Aals z. B. <strong>für</strong> bestimmte Seentypen erlaubt. Auf-<br />
7
grund des Lebenszyklus tritt der Aal aber nur dort natürlicherweise auf, wo eine natürliche Anbindung<br />
des Sees vorliegt bzw. wo Laichwanderung und ein Aalaufstieg erfolgen können.<br />
Betrachtet man den Einheitsfang bezogen auf Abundanz (NPUE) oder Biomasse (WPUE) <strong>für</strong><br />
alle 35 Seen, wird deutlich, dass der NPUE nach dem Barsch von Plötze, Kaulbarsch und Blei,<br />
der WPUE nach der Plötze von Barsch, Zander und Blei geprägt wird (Tabelle 3). Als „seltenste“<br />
der betrachteten Fischarten tritt der Hecht im NPUE in Erscheinung, der aufgrund einiger<br />
größerer gefangener Exemplare im WPUE im mittleren Bereich liegt. Die beiden Arten Schleie<br />
und Rotfeder weisen sowohl im NPUE als auch im WPUE ähnlich niedrige Werte auf, beide<br />
Arten werden in vergleichsweise geringen Stückzahlen gefangen.<br />
Die Kleine Maräne erreicht im Mittel in allen Seen, in denen sie nachgewiesen wurde, im Fang<br />
aus benthischen Nordic-Netzen einen Anteil von etwa 1 % der Abundanz (NPUE) bzw. 2 % der<br />
Biomasse (WPUE). Im Pelagial dagegen macht sie 17 % der Abundanz (NPUE) bzw. 37 % der<br />
Biomasse (WPUE) der Fischgemeinschaften aus (Tabelle 3).<br />
Innerhalb der betrachteten Arten (siehe oben) wurde geprüft, ob Abhängigkeiten der Anteile der<br />
Arten am Gesamtfang zu den Seentypen erkennbar sind. Hierzu wurden die Biomasse bezogenen<br />
Einheitsfänge (WPUE) aus benthischen und <strong>für</strong> die Kleine Maräne zusätzlich aus pelagischen<br />
Nordic-Netzen herangezogen (Tabelle 4). Grundsätzlich wird hier neben dem Minimal-<br />
und Maximalwert der Median angegeben.<br />
Barsch und Kaulbarsch<br />
Der Barsch dominiert im Mittel die Fischgemeinschaften hinsichtlich Abundanz, der Kaulbarsch<br />
steht hier an dritter Stelle. Beide Arten wurden in allen Gewässern nachgewiesen. Der Barsch<br />
erreicht Werte zwischen 6,5 und 58,3 % der Biomasse des Gesamtfangs (Median 33,4 %). Er<br />
zeigt in Seen aller betrachteten Typen Werte dieses Bereichs, es lässt sich also <strong>für</strong> diese<br />
Fischart kein bevorzugter Seentyp abbilden. Der Kaulbarsch als vergleichsweise kleine Art erreicht<br />
immerhin 0,1 bis 29,7 % der Biomasse (Median 2,2 %). Der höchste Wert wird im<br />
Schmollensee erreicht. Dieser auf Usedom gelegene See wurde nach der Seentypisierung der<br />
LAWA zunächst in der Gruppe „Ungeschichtet, Einzugsgebiet klein, angebunden“ eingeordnet<br />
(hier gibt es mit dem Schmollensee nur drei Seen, die alle beprobt wurden). Eigentlich handelt<br />
es sich hier um den Sondertyp des Strandsees. Der Schmollensee ist an das Achterwasser<br />
angebunden und steht indirekt auch mit der Ostsee in Verbindung. Kaulbarsche im Probefang<br />
erreichten hier regelmäßig Gesamtlängen um 20 cm und Stückmassen um 100 g, während in<br />
anderen Seen die maximal erreichte Gesamtlänge einzelner Exemplare bei ca. 15 cm und ca.<br />
40 g Stückmasse lag. Der nächst höchste Wert <strong>für</strong> den Anteil des Kaulbarsches an der Biomasse<br />
beträgt 11 % <strong>für</strong> den Schaalsee. Dieser auf der Landesgrenze zu Schleswig-Holstein gelegene<br />
See zeichnet sich durch eine Maximaltiefe von fast 70 m aus. Kaulbarsche sind in großen<br />
Tiefen mit geringem Lichtangebot aufgrund spezieller Anpassungen gegenüber z. B. dem<br />
Barsch im Vorteil (Bergman 1988). In tiefen, klaren Seen können sie also ebenfalls starke Populationen<br />
ausbilden.<br />
Zander und Hecht<br />
Die beiden häufigsten Raubfische, die zugleich wirtschaftliche Bedeutung besitzen, zeigen eine<br />
unterschiedliche Verbreitung in den Seen. Der Zander wurde in 20 Seen (in 19 Seen mit benthischen<br />
Nordic-Netzen) nachgewiesen, wobei er zwischen 0,02 und 46,1 % (Median 4 %) der<br />
Biomasse erreicht. Er fehlt weitgehend in geschichteten Seen mit kleinem Einzugsgebiet und ist<br />
in ungeschichteten Seen mit großem Einzugsgebiet und innerhalb der geschichteten Seen v. a.<br />
in den größeren Seen verbreitet (z. B. Binnenmüritz und Müritz, Fleesen- und Kölpinsee). Der<br />
Hecht, der in fast allen Gewässern nachgewiesen wurde (33 Seen, davon 23 mit benthischen<br />
Nordic-Netzen) und dessen Vorkommen in allen untersuchten Gewässern wahrscheinlich ist,<br />
erreicht zwischen 0,4 und 15 % (Median 4,7 %) der Biomasse. Er wird in ungeschichteten Seen<br />
mit großem Einzugsgebiet nur unregelmäßig gefangen. Dieser Seentyp ist im Allgemeinen<br />
durch eine höhere Trophie und geringere Sichttiefe geprägt und daher eher <strong>für</strong> den dämmerungs-<br />
und nachtaktiven Zander als den tagaktiven Sichträuber Hecht geeignet. Beim Hecht<br />
ergibt sich allerdings zusätzlich die Problematik, dass der Fang im Stellnetz aufgrund des Verhaltens<br />
als Lauerjäger oft nicht repräsentativ ist. Stellnetze sind passive Fanggeräte, deren Ef-<br />
8
fektivität von der Schwimmaktivität der Fische abhängig ist. Die Ergebnisse der Elektrofischerei<br />
(nicht gezeigt) belegen, dass der Hecht im Litoral großer, tiefer Seen ein verbreiteter Räuber ist.<br />
Die Cypriniden<br />
Innerhalb der Cypriniden sind Plötze und Blei in allen 35 Gewässern, die Rotfeder in <strong>34</strong> Seen<br />
und Güster, Schleie und Ukelei in je 27 Seen nachgewiesen worden. Die Plötze dominiert im<br />
Mittel die Biomasse der Fischgemeinschaften aller Seen (6,9 bis 70,3 %, Median 38,2 %), ohne<br />
dass sich Unterschiede bei bestimmten Seenklassen erkennen lassen. Der Blei erreicht zwischen<br />
0,2 und 36,9 % (Median 9,3 %) der Biomasse. Hier werden innerhalb der 18 untersuchten<br />
geschichteten Seen nur in drei der vier abgeschlossenen Seen mit großem Einzugsgebiet<br />
mehr als 10 % der Biomasse erreicht, während dies <strong>für</strong> 11 der insgesamt 16 ungeschichteten<br />
Seen der Fall ist. Große Bleie haben praktisch keine natürlichen Fressfeinde mehr. Die Art kann<br />
über 10 Jahre alt werden, so dass es zur Erhaltung der Population genügen kann, wenn bei<br />
jährlichem Ablaichen der großen Bleie gelegentlich juvenile Bleie das Adultstadium erreichen. In<br />
tiefen, geschichteten Seen bildet der Blei individuenarme Populationen aus, die durch große<br />
Individuen und vereinzelte kleinere im Fang gekennzeichnet sind. In den flachen und meistens<br />
nährstoffreicheren Seen dagegen kommen v. a. auch kleinere und mittelgroße Bleie vermehrt<br />
im Fang zum Tragen. Die übrigen Cypriniden erreichen nur deutlich niedrigere Anteile an der<br />
Biomasse als Plötze und Blei. Die Rotfeder wird zwar in <strong>34</strong> Seen (davon in 22 mit benthischen<br />
Nordic-Netzen) gefangen, erreicht aber nur zwischen 0,004 und 9,6 % der Biomasse (Median<br />
0,6 %). Bei der Schleie sind die erreichten Anteile von 0,001 bis 27,5 % mit Ausnahme des Maximalwerts,<br />
der im Dreetzsee erreicht wurde, noch niedriger (Median 0,1 %). Beide Arten wurden<br />
oft nur in geringer Stückzahl mittels Elektrofischerei im Litoral gefunden. Gute Bestände<br />
deuten oft auf dichte Makrophytenbestände hin, die diese phytophilen (pflanzenliebenden)<br />
Fischarten bevorzugen. Rotfeder und Schleie wurden in ungeschichteten Seen mit großem Einzugsgebiet<br />
nur selten gefangen. Die Güster, die zwischen 0,1 und 17,5 % der Biomasse erreicht<br />
(Median 5,6 %), wurde zwar in Seen aller Typen nachgewiesen, fehlt aber in vielen geschichteten,<br />
nicht angebundenen Seen mit kleinem Einzugsgebiet. Der Ukelei (0,02 bis 9,7 %;<br />
Median 0,3 %) ist in den meisten Seen und allen Typen vertreten, erreicht aber die höchsten<br />
Anteile an der Biomasse in einigen ungeschichteten Seen mit großem Einzugsgebiet.<br />
Die Kleine Maräne<br />
Die kleinste Coregonenart lebt vorwiegend pelagisch und ist ein typisches Faunenelement nord-<br />
und mitteleuropäischer klarer und geschichteter Seen. Folgerichtig erreicht diese Art, die mit<br />
benthischen Netzen in 10 und mit pelagischen Netzen in 16 Seen nachgewiesen wurde, im pelagischen<br />
Fang die höchsten Anteile an der Biomasse (0,1-96,4 %; Median 22,1 %) im Vergleich<br />
zum benthischen Fang (0,1-10,1 %; Median 2,5 %). Die Kleine Maräne fehlt mit Ausnahme<br />
des Mirower Sees und der Müritz in allen ungeschichteten Seen. Die Müritz ist aufgrund<br />
ihrer Größe und Morphometrie eine Besonderheit: Obwohl dieser See über die meisten Bereiche<br />
hinweg ungeschichtet ist (mittlere Tiefe um 6 m), ist er an der tiefsten Stelle über 20 m tief<br />
und zumindest partiell geschichtet. Außerdem steht dieser See mit der Binnenmüritz (Maximaltiefe<br />
30 m) in Verbindung. Daher bietet die Müritz der Kleinen Maräne offenbar durchaus einen<br />
geeigneten Lebensraum.<br />
Die Seentypen und ihre Fische<br />
Mit wenigen Ausnahmen kommen alle in den Mecklenburger Seen gefangenen Fischarten in<br />
allen Seen vor. Daher kann nur über den Vergleich standardisierter Daten, wie sie im vorliegenden<br />
Projekt erhoben wurden, versucht werden, Abhängigkeiten im Auftreten der Arten zu Seentypen<br />
zu finden.<br />
Geschichtete, also tiefere Seen zeigen neben der in praktisch allen Seen vorherrschenden Dominanz<br />
von Barsch, Plötze, Blei und Kaulbarsch fast immer gute Bestände von Hecht, Rotfeder<br />
und Schleie. Güster und Ukelei treten etwas unregelmäßiger im Fang auf. Diese Seen sind<br />
normalerweise mesotroph und haben relativ klares Wasser. Hier gibt es zumindest im Uferbe-<br />
9
eich oft Makrophyten. In geschichteten Seen mit großem Einzugsgebiet tritt im Vergleich zu<br />
Seen mit kleinem Einzugsgebiet der Hecht etwas zurück, während der Zander vermehrt auftritt.<br />
Mit zwei Ausnahmen wurde die Kleine Maräne in allen geschichteten Seen gefangen, unabhängig<br />
von der Größe des Einzugsgebietes.<br />
In vielen ungeschichteten Seen tritt innerhalb der vier dominierenden Arten der Blei vermehrt<br />
auf. Allerdings wurde diese Art im Dreetzsee nur vereinzelt und nur mittels Elektrofischerei<br />
nachgewiesen. Dieser See bildet zusammen mit dem Schmollensee (Sondertyp des Strandsees)<br />
und der Müritz eine eigene Gruppe. Er ist makrophytenreich und zeichnet sich durch einen<br />
guten Bestand an Hechten und Schleien aus. Der Schmollensee dagegen zeigt als einziger<br />
See einen niedrigen Anteil der Plötze, während die dominierenden Arten Blei, Barsch, Kaulbarsch<br />
und Zander sind. Der Einfluss der Ostsee (große Kaulbarsche) ist hier zu nennen. In<br />
angebundenen, ungeschichteten Seen mit großem Einzugsgebiet verschwinden Rotfeder und<br />
Schleie fast völlig aus den Fängen. Der Hecht wird in etwa der Hälfte der Seen, der Zander in<br />
allen Seen nachgewiesen. Mit Ausnahme der Müritz und des Mirower Sees fehlt die Kleine Maräne<br />
in ungeschichteten Seen. Ungeschichtete Seen sind in der Regel nährstoffreich und trüb.<br />
Damit bieten sie v. a. dem Zander, aber auch Plötze und Blei eine gute Lebensgrundlage.<br />
Das Kriterium der Anbindung scheint - entgegen der ursprünglichen Hypothese - keinen wesentlichen<br />
Einfluss auf das Vorkommen der betrachteten Arten zu haben (vielleicht mit Ausnahme<br />
des Kaulbarsch im Schmollensee).<br />
Die Generalisten Barsch und Plötze dominieren fast immer die Fischgemeinschaften. Der<br />
Barsch frisst als Juveniler Zooplankton, später Makrozoobenthos und Fische. Die Plötze frisst<br />
Zooplankton, aber auch Cyanobakterien (Blaualgen). Eine Hypothese besagt, dass der Barsch<br />
klarere, mesotrophe Seen gegenüber der Plötze dominiert, da er hier im Vorteil ist (Persson et<br />
al. 1991). Da Plötzen effektivere Zooplanktonfresser sind als der Barsch, kann die Plötze wiederum<br />
den Barsch bei dieser Nahrungsressource auskonkurrieren. Folglich sollten Barsche in<br />
mesotrophen und Plötzen in eutrophen Seen dominieren. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen,<br />
dass in einigen Fällen die Plötzenbiomasse gegenüber dem Barsch in mesotrophen Seen wie z.<br />
B. dem Breiten Luzin dominieren kann. Demnach gibt es es offenbar auch andere <strong>für</strong> die Strukturbildung<br />
der Fischgemeinschaften in Seen wichtige Faktoren als die Trophie, v. a. die mittlere<br />
und maximale Tiefe.<br />
10
Tabelle 1: Die 35 untersuchten Seen in Mecklenburg-Vorpommern sowie die<br />
wichtigsten abiotischen Charakteristika. Gegeben sind neben Fläche,<br />
Volumen, mittlerer und maximaler Tiefe der Volumenquotient (VQ) als<br />
Maß <strong>für</strong> das Einzugsgebiet und die Trophie.<br />
Seename<br />
Fläche (ha)<br />
Volumen (10 6 m 3 )<br />
Mittlere Tiefe (m)<br />
Binnenmüritz 391 38,5 9,8 30,0 ja ja 17,20 m2<br />
Bolzer See 79 5,5 2,8 13,0 ja nein 2,20 e1<br />
Bossower See 54 1,9 3,3 8,8 nein ja 1,75 m2<br />
Breiter Luzin <strong>34</strong>5 77,0 22,3 58,5 ja ja 0,20 m2<br />
Canower See 51 1,9 3,6 6,5 ja ja 110,70 p1<br />
Carwitzer See 557 66,1 12,3 39,0 ja ja 0,81 m2<br />
Dolgener See 68 4,1 15 24,0 ja nein 3,50 e1<br />
Dreetzsee 64 3,0 6,5 9,5 nein ja 1,00 m2<br />
Drewitzer See 688 63,2 8,1 32,5 ja nein 0,38 m1<br />
Fleesensee 1199 66,0 6,9 25,5 ja ja 13,55 e1<br />
Klein Vielener See 97 2,0 2,1 4,1 nein nein 13,70 p2<br />
Kölpinsee 2030 71,9 4 27,8 ja ja 11,50 e1<br />
Krummer See 52 4,3 8 16,0 ja nein 0,80 m1<br />
Lenzener See 62 1,6 2,5 5,4 nein ja 5,02 e2<br />
Malchiner See 1377 35,3 3 10,6 nein ja 5,64 p2<br />
Malkwitzer See 108 2,6 2,4 4,2 nein ja 5,30 e1<br />
Mechower See 151 5,6 3,6 9,1 nein ja 7,89 e2<br />
Mirower See 112 3,9 3,4 6,6 nein ja 18,70 p1<br />
Müritz 10531 738,0 6,3 21,0 nein ja 0,90 m2<br />
Paschensee 51 2,9 5,5 15,4 ja nein 1,80 m1<br />
Pinnower See 258 17,4 6,7 16,0 ja ja 0,70 m2<br />
Priesterbäker See 157 4,5 2,9 5,8 nein ja 2,00 e2<br />
Rugensee 55 6,1 10,9 27,5 ja nein 0,50 m2<br />
Santower See 104 1,8 1,7 3,5 nein ja 1,80 p2<br />
Schaalsee 2330 330,0 14,2 69,0 ja ja 0,50 e1<br />
Schmaler Luzin 144 21,0 14,4 33,5 ja ja 1,40 m1<br />
Schmollensee 502 13,6 2,7 5,7 nein ja 0,90 p2<br />
Schweingartensee 71 5,0 7,0 31,0 ja nein 1,90 e2<br />
Specker Hofsee 121 2,5 2,1 4,9 nein ja 8,30 e2<br />
Specker See, Großer 235 4,7 2 7,9 nein ja 9,60 m2<br />
Tiefwarensee 140 13,6 9,6 23,6 ja ja 1,60 m2<br />
Treptowsee 59 1,2 1,9 5,2 nein nein 2,10 e1<br />
Upahler See 107 2,3 2,1 4,0 nein nein 3,60 e2<br />
Wariner See, Großer 260 12,2 4,6 9,5 nein ja 9,40 e2<br />
Ziegelsee (Binnen-) 52 3,9 7,5 16,5 ja ja 60,90 e1<br />
*: m1,2: schwach (1) bzw. stark (2) mesotroph; e1,2: schwach (1) bzw. stark (2) eutroph; p1,2: schwach (1) bzw.<br />
stark (2) polytroph<br />
Maximale Tiefe (m)<br />
Schichtung<br />
Anbindung<br />
VQ<br />
Trophie*<br />
11
Tabelle 2: Die 30 Fischarten, die in den 35 befischten Seen Mecklenburg-<br />
Vorpommerns gefangen wurden und Anzahl der Seen, in denen die Arten<br />
nachgewiesen wurden.<br />
Deutscher Name Wissenschaftlicher Name Zahl der Seen mit<br />
Vorkommern dieser Arten<br />
Petromyzontidae<br />
Bachneunauge Lampetra planeri (Bloch) 1<br />
Anguillidae<br />
Aal Anguilla anguilla (L.) 33<br />
Cyprinidae<br />
Blei (Brachsen) Abramis brama (L.) 35<br />
Plötze (Rotauge) Rutilus rutilus (L.) 35<br />
Rotfeder Scardinius erythrophthalmus (L.) <strong>34</strong><br />
Güster Abramis bjoerkna (L.) 27<br />
Schleie Tinca tinca (L.) 27<br />
Ukelei Alburnus alburnus (L.) 27<br />
Moderlieschen Leucaspius delineatus (Heckel) 20<br />
Hybride Rutilus x Abramis 13<br />
Gründling Gobio gobio (L.) 12<br />
Bitterling Rhodeus amarus (Bloch) 4<br />
Karpfen Cyprinus carpio L. 4<br />
Karausche Carassius carassius (Bloch) 3<br />
Döbel Leuciscus cephalus (L.) 1<br />
Silberkarpfen Hypophthalmichthys molitrix (Val.) 1<br />
Cobitidae<br />
Steinbeißer Cobitis taenia L. 16<br />
Schlammpeitzger Misgurnus fossilis (L.) 2<br />
Siluridae<br />
Waller (Wels) Silurus glanis L. 3<br />
Coregonidae<br />
Kleine Maräne Coregonus albula (L.) 16<br />
Große Maräne Coregonus spp. 4<br />
Osmeridae<br />
Stint Osmerus eperlanus (L.) 5<br />
Esocidae<br />
Hecht Esox lucius L. 33<br />
Gasterosteidae<br />
Dreistachliger Stichling Gasterosteus aculeatus L. 11<br />
Neunstachliger Stichling Pungitius pungitius (L.) 2<br />
Lotidae<br />
Quappe (Trüsche) Lota lota (L.) 22<br />
Percidae<br />
Barsch Perca fluviatilis L. 35<br />
Kaulbarsch Gymnocephalus cernuus (L.) 35<br />
Zander Sander lucioperca (L.) 20<br />
12
Tabelle 3: Mittelwerte <strong>für</strong> den Einheitsfang aus 35 Seen bezogen auf Abundanz<br />
(NPUE: Anzahl Fische m-2 Netz Stunde-1) und Biomasse (WPUE: g<br />
Nassgewicht Fisch m-2 Netz Stunde-1) <strong>für</strong> die verbreitetsten Fischarten<br />
aus benthischen Nordic-Netzen (absteigend dargestellt) sowie <strong>für</strong><br />
die Kleine Maräne zusätzlich aus pelagischen Nordic-Netzen. Gesamt:<br />
Mittelwerte des gesamten Einheitsfang (alle Arten) der 35 Seen; NB:<br />
benthische Nordic-Netze; NP: pelagische Nordic-Netze.<br />
Abundanz Mittelwert NPUE Biomasse Mittelwert WPUE<br />
Gesamt NB 0,14617 Gesamt NB 3,12504<br />
Barsch 0,05890 Plötze 1,20550<br />
Plötze 0,04906 Barsch 0,95926<br />
Kaulbarsch 0,01733 Zander 0,30511<br />
Blei 0,00903 Blei 0,28072<br />
Güster 0,00719 Güster 0,23197<br />
Ukelei 0,00500 Hecht 0,15649<br />
Zander 0,00180 Kaulbarsch 0,10113<br />
Kleine Maräne 0,00149 Kleine Maräne 0,06796<br />
Rotfeder 0,00051 Ukelei 0,05366<br />
Schleie 0,00038 Rotfeder 0,05059<br />
Hecht 0,00022 Schleie 0,04519<br />
Gesamt NP 0,09609 Gesamt NP 1,44061<br />
Kleine Maräne 0,01675 Kleine Maräne 0,53523<br />
13
Tabelle 4: Relativer Anteil (%) der häufigsten Fischarten an der Biomasse (WPUE: g Nassgewicht Fisch m -2 Netz Stunde -1 ) <strong>für</strong><br />
alle gefangenen Fischarten aus benthischen (NB) und <strong>für</strong> die Kleine Maräne zusätzlich aus pelagischen Nordic-<br />
Netzen (NP). Gesamt: Einheitsfang (WPUE) <strong>für</strong> alle Arten. Einzugsgebiet groß bzw. klein: VQ (siehe Tabelle 1) größer<br />
bzw. kleiner als 1,5.<br />
Seename Barsch Kaulbarsch<br />
14<br />
Zander Hecht Blei Güster Plötze Rotfeder Schleie Ukelei Kleine<br />
Maräne<br />
NB<br />
Gesamt<br />
NB<br />
Kleine<br />
Maräne<br />
NP<br />
Gesamt<br />
NP*<br />
Geschichtet, Einzugsgebiet klein, angebunden<br />
Breiter Luzin 33,4 5,4 0,5 1,3 3,3 43,0 5,2 0,0 1,0 6,9 1,74381 59,1 0,88838<br />
Carwitzer See 18,8 2,2 4,7 1,4 61,7 0,5 0,0 0,1 3,5 1,77264 78,7 0,95655<br />
Pinnower See 25,5 1,2 0,6 2,0 70,3 0,2 0,1 3,28824 0,54061<br />
Schaalsee 35,3 11,0 0,4 0,6 0,1 19,7 0,2 0,4 0,0 9,2 2,00064 <strong>34</strong>,2 0,13123<br />
Schmaler Luzin 39,1 5,5 9,8 30,1 1,3 3,2 0,1 10,1 1,29447 81,0 0,74287<br />
Geschichtet, Einzugsgebiet klein, nicht angebunden<br />
Drewitzer See 53,4 1,5 2,4 1,7 1,0 19,3 9,6 0,0 0,6 1,5 2,60353 31,0 0,55993<br />
Krummer See 26,9 0,1 8,4 15,0 9,3 6,6 33,3 0,5 1,00123 23,6 0,70929<br />
Rugensee 39,0 5,9 8,1 1,7 3,6 31,7 1,3 0,3 2,18766 11,8 2,87082<br />
Geschichtet, Einzugsgebiet groß, angebunden<br />
Binnenmüritz 20,6 6,7 0,3 1,6 4,4 9,0 32,5 1,9 0,1 4,3 2,36892 96,4 4,02337<br />
Canower See 9,2 1,9 17,3 9,2 13,9 43,1 1,0 1,6 1,2 5,95725 3,39282<br />
Fleesensee 43,3 5,3 2,6 3,6 4,3 5,9 32,8 0,6 0,001 0,3 0,2 3,42547 0,5 0,58455<br />
Kölpinsee 54,3 4,4 1,8 12,3 5,8 1,2 19,6 0,001 0,1 2,59838 5,5 0,10742<br />
Tiefwarensee 24,4 6,6 5,3 9,3 3,8 47,2 1,0 1,1 0,4 0,1 4,83830 20,6 0,68278<br />
Ziegelsee (Binnen-)<br />
46,9 1,3 0,02 1,8 11,4 38,2 0,2 3,66519 9,4 2,04736<br />
Geschichtet, Einzugsgebiet groß, nicht angebunden<br />
Bolzer See 41,5 0,4 0,2 56,2 0,5 1,1 6,43951 1,20392<br />
Dolgener See 35,2 2,3 11,7 3,8 47,0 0,1 1,25844 2,9 1,47679<br />
Paschensee 58,3 0,2 10,1 14,2 13,7 1,9 1,4 1,980<strong>34</strong> 2,7 1,42313<br />
Schweingartensee<br />
22,8 0,2 2,9 5,4 12,0 16,5 39,8 0,4 0,1 1,09619 0,35186
Seename Barsch Kaulbarsch<br />
Zander Hecht Blei Güster Plötze Rotfeder Schleie Ukelei Kleine<br />
Maräne<br />
NB<br />
Gesamt<br />
NB<br />
Kleine<br />
Maräne<br />
NP<br />
Gesamt<br />
NP*<br />
Ungeschichtet, Einzugsgebiet klein, angebunden<br />
Dreetzsee 36,5 0,4 9,5 22,7 3,4 27,5 0,0 1,56178 0,99477<br />
Müritz 41,8 3,0 4,0 2,2 12,8 17,5 27,1 0,3 0,0 0,1 0,5 4,79848 85,2 1,94109<br />
Schmollensee** 36,9 29,7 13,3 36,9 6,9 1,45733<br />
Ungeschichtet, Einzugsgebiet klein, nicht angebunden<br />
Keine***<br />
Ungeschichtet, Einzugsgebiet groß, angebunden<br />
Bossower See 29,5 0,7 9,5 11,8 0,1 39,6 6,4 0,0 0,0 5,04418 1,95167<br />
Lenzener See 18,2 3,3 3,3 2,2 2,7 66,5 3,7 1,69780<br />
Malchiner See 20,3 7,1 3,5 14,9 5,2 39,2 9,7 3,23282 1,98391<br />
Malkwitzer See 46,7 1,6 5,9 0,3 45,4 0,2 0,1 3,26301<br />
Mechower See 35,3 7,1 6,0 51,5 1,97214 2,73926<br />
Mirower See 19,6 2,7 11,7 2,8 6,3 55,4 0,7 4,61243 0,1 2,14984<br />
Priesterbäker<br />
See 24,6 1,5 8,5 7,6 12,8 15,9 28,8 0,3 3,22409 0,60045<br />
Santower See 37,5 3,1 4,1 19,4 7,4 28,5 2,84751<br />
Specker Hofsee 14,8 1,9 1,4 6,4 14,2 11,7 45,5 4,1 3,47762<br />
Specker See,<br />
Gr. 17,1 2,2 5,4 12,7 16,2 11,0 32,8 1,2 0,9 2,94714 0,67657<br />
Wariner See, Gr. 26,9 5,9 7,9 13,3 10,8 30,9 3,1 4,89596 3,16522<br />
Ungeschichtet, Einzugsgebiet groß, nicht angebunden<br />
Klein Vielener<br />
See 6,5 0,4 46,1 3,5 17,0 4,6 13,7 0,4 7,8 5,31130<br />
Treptowsee 27,3 0,3 4,2 16,0 0,2 49,0 1,3 4,76541<br />
Upahler See 46,6 2,1 0,5 1,4 1,8 3,3 44,0 0,0 0,2 4,74726<br />
Median 33,4 2,2 4,0 4,7 9,3 5,6 38,2 0,6 0,1 0,3 2,5 2,94714 22,1 0,99477<br />
Minimalwert 6,5 0,1 0,02 0,4 0,2 0,1 6,9 0,004 0,001 0,02 0,1 1,00123 0,1 0,10742<br />
Maximalwert 58,3 29,7 46,1 15,0 36,9 17,5 70,3 9,6 27,5 9,7 10,1 6,43951 96,4 4,02337<br />
*: Kein Wert bedeutet, dass keien pelagischen Netz eingesetzt wurden, weil der See zu flach (
A<br />
B<br />
3 m<br />
16<br />
1.5 m<br />
Zufällig verteilt in verschiedenen Tiefenzonen<br />
30 m<br />
43 19.56.25 10 55 8 12.5 24 15.5 5 35 29<br />
Über der tiefsten Stelle von der Oberfläche bis zum Grund<br />
43 19.56.25 10 55 8 12.5 24 15.5 5 35 29<br />
30 m<br />
Abb. 1: Nordic-Multimaschennetze, die zur standardisierten Beprobung der 35 Seen eingesetzt<br />
wurden. Die Zahlen auf den Netzblättern geben die Maschenweiten (mm<br />
Knotenabstand) an.<br />
A: Benthische Nordic-Netze wurden randomisiert in verschiedenen Tiefenzonen<br />
eingesetzt.<br />
B: Pelagische Nordic-Netze wurden in Seen mit einer Maximaltiefe von mehr als<br />
6 m über tiefsten Stelle von der Oberfläche bis zum Grund eingesetzt.
Habitatnutzung und Raumbedarf des Bachneunauges (Lampetra<br />
planeri Bloch 1784) in Fließgewässern des nordostdeutschen<br />
Flachlandes 1<br />
Lemcke, R.<br />
Abstract<br />
This study examined populations of brook lampreys (Lampetra planeri) in the rivers Kösterbeck<br />
and Nebel (Warnow tributary). The aim was to answer questions regarding the population ecology<br />
and autecology. The main focus was on minimum habitat size, minimum requirements to<br />
sustain life and minimum population size.<br />
To meet this aim, we performed a characterisation of the rivers with respect to morphology and<br />
substrate proportions, a detection of the current and potential distribution pattern of lampreys in<br />
the Warnow tributary, and an examination of larval lampreys (size and structure of population,<br />
distribution pattern, utilisation of space and propagation dynamics).<br />
We found that if the brook lampreys are allowed to propagate freely, they utilize large interconnected<br />
stretches of the river as their living area (spawning sites and ammocoete beds). The<br />
maximum distribution of larvae downstream of spawning sites was determined to be approximately<br />
12 kilometres. The areas directly downstream of the spawning sites are of considerable<br />
importance as a habitat for the larval lampreys. In several rivers and brooks there was a great<br />
reduction of the population after 1.5 to 2 kilometres. The minimum required habitat size for isolated<br />
brook lamprey populations, depending on habitat qualitiy, was estimated to be relatively<br />
small as and is approximately 2,000 to 3,000 m (width: > 1.5 – 2 m). Sections of such short<br />
length have from 2,200 (KUBICEK 1993) to 14,000 larval lampreys.<br />
Einführung<br />
Fließgewässer sind, wie auch fast alle terrestrischen Lebensräume, in erheblichem Maße von<br />
anthropogenen Veränderungen betroffen. Besonders drastische Eingriffe stellen Querverbauungen<br />
(Wehre, Sohlabstürze u.ä.), Kanalisierung und Habitatmonotonisierung, aber auch Maßnahmen<br />
des Profil- und Sohlverbaus sowie Unterhaltungsmaßnahmen dar.<br />
Für die Bewertung der Wirkung von Lebensraumzerschneidungen ist es erforderlich, Raumanforderungen<br />
und quantitative Aspekte von Populationen zugrunde zu legen. Ungeklärt ist bisher<br />
meist, wie groß minimale Lebensräume in zergliederten Gewässern sein müssen, wie die Aktionsradien<br />
bestimmter Arten sind, wie sich unterschiedliche Habitatqualitäten auf den Raumbedarf<br />
auswirken und wie Populationen in stark zerschnittenen Fließgewässern strukturiert sind.<br />
Diese Wissensdefizite wurden besonders offensichtlich, als im Zuge der Umsetzung der FFH-<br />
Richtlinie die Bestandssituation der in den Anhängen der Richtlinie genannten Arten zu beurteilen<br />
und ggf. Schutzmaßnahmen zu planen waren.<br />
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden die Neunaugen als Modellarten <strong>für</strong> Ichthyozönosen<br />
kleinerer nordostdeutscher Fließgewässer ausgewählt, da sie aus verschiedenen Gründen geeignet<br />
erschienen:<br />
• Sie unterliegen im Untersuchungsgebiet keiner fischereilichen Nutzung, so daß Bestände<br />
nicht durch Besatz bzw. Fangmaßnahmen beeinflusst sind - ein Problem, das bei den meisten<br />
kommerziell genutzten Fischarten zu beachten wäre.<br />
• Die verschiedenen Entwicklungsstadien der Neunaugen (Querder, Adulti) haben unterschiedliche<br />
und sehr spezifische Lebensraumansprüche.<br />
1 1 Die Untersuchungen erfolgten im Rahmen des vom Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung, Forschung und Technologie (BMBF) geförderten Verbundprojektes<br />
„Die Bedeutung unzerschnittener, störungsarmer Landschaftsräume <strong>für</strong> Wirbeltierarten mit großen Raumansprüchen“ (Förderkennzeichen<br />
0339541) im Zeitraum von 1995 - 1998 an der Universität Rostock.<br />
17
• Die im Gebiet vorkommenden Arten Flussneunauge (Lampetra fluviatilis) und Bachneunauge<br />
(L. planeri) sind durch sehr unterschiedliche Migrationsleistungen gekennzeichnet (Vergleiche<br />
zwischen der diadromen Wanderform und der standorttreuen Form möglich).<br />
• Bach- und Flussneunauge gelten als Leitarten typischer Fließgewässerzönosen. Sie sind<br />
aufgrund ihrer spezifischen Lebensraumansprüche stark gefährdet, Zielarten des Naturschutzes<br />
und besitzen Indikatorfunktion <strong>für</strong> den Zustand der Fischgemeinschaften insgesamt.<br />
Im Ergebnis verschiedener Projekte ist die aktuelle Verbreitung der Neunaugenarten in Mecklenburg-Vorpommern<br />
recht gut bekannt (vergl. WINKLER 2001). Gegenwärtig sind ca. 9 Laichplätze<br />
des Flussneunauges und ca. 40 Vorkommen des Bachneunauges im Land bekannt<br />
(ebd.). Es ist jedoch davon auszugehen, daß die Vernetzung ursprünglicher Bestände weitgehend<br />
verloren gegangen ist, so daß die Untersuchungen an Neunaugen auf einem relativ geringen<br />
und bereits stark von anthropogenen Beeinträchtigungen geprägten Bestandsniveau ansetzten.<br />
Zu grundsätzlichen Fragen der Biologie der Neunaugen liegen umfangreiche Arbeiten vor<br />
(STERBA 1952, HOLCIK 1986 u. a.), und einige spezielle Aspekte der Biologie der Neunaugen<br />
sind bereits ausführlich untersucht (z. B. Anatomie, Morphometrie, Ernährung und Laichethologie).<br />
Gute Kenntnisse existieren auch zur Struktur und Habitatausstattung von Neunaugenlebensräumen.<br />
Vor Beginn der Arbeiten bestanden Kenntnisdefizite vor allem zu folgenden Fragestellungen:<br />
• Größe von Neunaugenlebensräumen, Charakteristik von Lebensraumgrenzen und Vernetzung<br />
benachbarter Bestände, Ausbreitungsdynamik der verschiedenen Lebensstadien<br />
• Populationsgröße bei Bach- und Flussneunaugen, Mindestgröße überlebensfähiger Populationen;<br />
interannuelle Variabilität der <strong>Jahrgang</strong>sstärke<br />
• Auswirkungen länger währender Isolationseffekte (z. B. durch alte Mühlenwehre) auf die Populationsstruktur.<br />
Zur Beantwortung der o. g. Fragen wurden Bestände des Bach- und Flussneunauges in ausgewählten<br />
Gewässern des nordostdeutschen Flachlandes untersucht. Dabei war die Ermittlung<br />
der Raumnutzung von Neunaugen Kernproblem aller Arbeiten.<br />
Schwerpunkte der Arbeiten zu diesem Thema waren die Untersuchung der:<br />
• Lage potentieller Laichplätze (Substratkartierung) und die Ermittlung der tatsächlichen Nutzung<br />
durch laichende Neunaugen,<br />
• Größe und räumlichen Ausdehnung von Larvenbeständen,<br />
• Auswirkungen von Lebensraumzerschneidungen bzw. Fragmentierung der Populationen,<br />
• Besiedlung des unmittelbaren Umfeldes von hydrotechnischen Bauwerken bzw. der oberhalb<br />
gelegenen Gewässerstrecken,<br />
• Ausbreitungsdynamik und des Raumbedarfs der Querder.<br />
Untersuchungsgewässer, Material und Methoden<br />
Untersuchungsgewässer<br />
Als Untersuchungsschwerpunkt wurde das Warnowsystem gewählt, da durch das BMBF-<br />
Warnowprojekt gute Kenntnisse zur Verbreitung der Neunaugenarten im gesamten Einzugsgebiet<br />
vorlagen (vgl. u. a. THIELE & MEHL 1995).<br />
Ergebnisse zur Raumnutzung von Populationen des Bachneunauges wurden vorwiegend an<br />
den Modellgewässern Nebel (nur Oberlauf) und Beke (gesamtes Einzugsgebiet) ermittelt. Kriterien<br />
<strong>für</strong> die Gewässerauswahl waren strukturelle Parameter (unterschiedlicher Grad anthropogener<br />
Beeinflussung bzw. Naturnähe, Vorhandensein von Querverbauungen) sowie die entsprechende<br />
Besiedlung durch Neunaugenarten.<br />
18
Das Bekesystem erschien geeignet, die Besiedlungsdynamik innerhalb eines Gewässersystems<br />
zu erfassen, da sowohl Hauptstrom als auch mehrere Nebengewässer durch Neunaugen<br />
besiedelt sind. Die Nebel im Oberlauf (oberhalb des Krakower Sees) bot die Möglichkeit, eine<br />
isolierte Bachneunaugenpopulation in einem nicht von Lebensraumzerschneidungen betroffenen<br />
Gewässerabschnitt zu untersuchen.<br />
Die Fließgewässer im Warnowsystem sind durch die zahlreich durchflossenen bzw. im Nebenschluss<br />
befindlichen Seen, durch gewässerbegleitende Niedermoore und Durchbruchstäler geprägt<br />
(<strong>für</strong> genauere Angaben s. u. a. THIELE & MEHL 1995). Die hydrographische Struktur ist im<br />
Wesentlichen glazialen Ursprungs; alle Fließe liegen im Bereich des Pommerschen Stadiums<br />
der Weichselvergletscherung. Die Herausbildung der Gewässermorphologie beruht hingegen<br />
überwiegend auf postglazialen Prozessen (THIELE et al. 1994).<br />
Tabelle 1: Einzugsgebiete der Untersuchungsgewässer<br />
Gewässer Beke Nebel<br />
Größe des Einzugsgebietes (km 2 ) 319,95 933,91<br />
Die Nebel entspringt im Malkwitzer See und weist in ihrem Verlauf typische Elemente nordostdeutscher<br />
Tieflandbäche auf (Niedermoorbereiche, durchflossene Seen, Durchbruchstäler,<br />
rückgestaute Bereiche und langsamfließende Unterlaufstrecken; siehe u. a. MEHL et al. 1995).<br />
Der im Oberlauf untersuchte Bereich zwischen Linstow und der Mündung in den Krakower See<br />
war nach Begradigung und Profilvereinheitlichung in einem naturfremden Zustand; entwickelt<br />
sich derzeit jedoch infolge ausgeprägter Dynamik durch relativ hohe Fließgeschwindigkeiten<br />
wieder zu naturnahen Strukturen (Uferabbrüche, Unterspülungen, Herausbildung variabler Tiefen-<br />
und Strömungsverhältnisse).<br />
Die Beke entspringt im Groß Tessiner See und ist auf großen Abschnitten ihres Verlaufes durch<br />
degradierte Niedermoore naturfern verbaut. Lediglich im Oberlauf zwischen Jürgenshagen und<br />
Gnemern (NSG „Grünes Rad“) existiert ein ausgedehnter natürlicher Abschnitt, geprägt durch<br />
hohes Gefälle, hohe Strömungsgeschwindigkeiten und Dominanz grobkörniger mineralischer<br />
Substrate.<br />
Alle untersuchten Zuflüsse zur Beke sind ebenfalls durch umfangreiche Maßnahmen des Gewässerausbaus<br />
geprägt, weisen jedoch abschnittsweise naturnahe Strecken auf (z. B. Unterlauf<br />
Dolglaser und Moltenower Bach, Mündungsbereich Waidbach; zum Bekesystem siehe auch<br />
THIELE & MEHL 1995).<br />
Material und Methoden<br />
Vor Beginn der Felduntersuchungen an Neunaugen wurden die Substratverteilung (Lage und<br />
Ausdehnung von Grobkiesflächen als potentielle Laichhabitate <strong>für</strong> Neunaugen) sowie alle<br />
Querverbauungen (Lage, Bautyp bzw. Betriebsart, Sperrwirkung <strong>für</strong> Neunaugen) in den Untersuchungsgewässern<br />
kartiert.<br />
Im Rahmen des Monitorings zur Reproduktion sind die Zahl laichender Tiere, die Laichgruben<br />
sowie deren räumliche Verteilung aufgenommen worden (zum Laichmonitoring vergl. LEMCKE &<br />
WINKLER 2001, in diesem <strong>Heft</strong>).<br />
Die Erfassung der juvenilen Stadien der Neunaugen erfolgte durch Aussieben des entnommenen<br />
Sedimentes mit einem Kastensieb (Metallgaze, Maschenweite 2 mm). Die untersuchten<br />
Gewässerabschnitte wurden durchgängig in Abständen von 50 m bzw. 100 m beprobt. An den<br />
abgemessenen Positionen wurde jeweils ein definiertes Bachsegment über die gesamte Gewässerbreite<br />
quantitativ ausgesiebt. Die Abgrenzung der zu untersuchenden Bereiche erfolgte<br />
durch einen seitlich geschlossenen Metallaufsatz (Höhe 70 cm), aus dem mit Hilfe eines Handkeschers<br />
(Maschenweite 2 mm) das Sediment entnommen wurde (Entnahmetiefe je nach Sedimenttyp<br />
20 cm [hart, mineralisch] bis 40 cm [weich, organisch]). Bedingt durch die Netzmaschenweite<br />
war die quantitative Erfassung von Querdern erst ab einer Länge von > 45 mm<br />
möglich. Neben Querdern wurden im Rahmen der Siebungen auch einige adulte Bachneunaugen<br />
ermittelt.<br />
19
Gefangene Tiere wurden kurze Zeit zwischengehältert, betäubt (MS 222, ca. 65 ppm; nach<br />
AGRIS 1967, Anzeige entsprechend Tierschutzrecht ist erfolgt), vermessen (Genauigkeit<br />
± 1 mm), gewogen (Genauigkeit ± 0,1 g) und nach einer Erholungsphase zurückgesetzt. Aus<br />
Artenschutzgründen erfolgte grundsätzlich keine Laborbearbeitung bzw. Präparation der Neunaugen.<br />
Die Ermittlung von Bestandsgrößen der Querder erfolgte durch Hochrechnung der Abundanzen<br />
einzelner Probestellen auf 50 m bzw. 100 m Abschnitte. Da die Verteilung der Larven im Gewässerlängsschnitt<br />
sehr heterogen ist, kann das Ergebnis nur eine Abschätzung der ungefähren<br />
Größenordnung von Populationen sein.<br />
Im Gegensatz zu anderen Autoren (WATERSTRAAT 1989, KRAPPE 1996) wurde auf die Verrechnung<br />
der durch Aussiebung ermittelten Abundanzen mit einem Korrekturfaktor verzichtet (angenommene<br />
Fangeffektivität 100 % <strong>für</strong> Tiere > 45 mm). Durch Verwendung des geschlossenen<br />
Metallaufsatzes war die Flucht von Tieren aus dem bearbeiteten Sedimentsektor praktisch unmöglich.<br />
Lediglich an sehr tiefen Stellen (Wassertiefe > Höhe Metallaufsatz) fand gelegentlich<br />
ein Herausschwimmen über den Kastenrand statt (selten, da Querder nach Aufscheuchen in<br />
der Regel versuchen, sich wieder einzugraben). Flüchtende Tiere, die beobachtet werden konnten,<br />
wurden in die Berechnung einbezogen. Insgesamt liegt der Erfassungsfehler sicher unter<br />
10 %.<br />
Die durchgeführte Sedimententnahme von 20-40 cm Mächtigkeit wird als ausreichend angesehen,<br />
um Querder quantitativ zu erfassen; nach Versuchen von KUBICEK (1993) beträgt die<br />
Eingrabetiefe der Querder nie mehr als ihre Körperlänge.<br />
Während mit der dargestellten Siebmethode im Oberlauf der Nebel der gesamte besiedelte Abschnitt<br />
bearbeitet wurde, sind im Bekesystem jeweils nur 500 m Abschnitte a 10 Probestellen im<br />
Bekeverlauf selbst und in allen Zuflüssen beprobt worden, um einen Überblick über die Besiedlung<br />
des gesamten Systems zu erhalten.<br />
Die Untersuchungen wurden im Zeitraum von 1995 - 1997 realisiert, wobei jedes Gewässer<br />
hinsichtlich der Querderbesiedlung nur einmalig bearbeitet wurde. Unterschiede im Verteilungsmuster<br />
der Larven durch saisonale oder jährliche Schwankungen mussten unberücksichtigt<br />
bleiben. Das Laichmonitoring fand in allen drei Untersuchungsjahren statt.<br />
Ergebnisse<br />
Neunaugenbesiedlung der Nebel<br />
Der Oberlauf der Nebel wird im Bereich zwischen Linstower und Krakower See auf einer Länge<br />
von ca. 4.400 m durch Bachneunaugen besiedelt (Abb. 1).<br />
Der Mittellauf der Nebel ist ebenfalls von Bachneunaugen besiedelt; dieser Abschnitt war jedoch<br />
nicht Gegenstand der Untersuchungen.<br />
Abb. 2 informiert über das genaue Besiedlungsmuster des Nebel-Oberlaufs durch Bachneunaugen.<br />
Durch Hochrechnung ergibt sich ein Querderbestand von insgesamt ca. 46.000 Individuen<br />
(> 45 mm).<br />
Im Untersuchungsabschnitt konnte auf zwei Strecken Laichaktivität ermittelt werden; die Lage<br />
der Laichgebiete zeigt Abb. 2. Es handelt sich jeweils um sehr kurze Gewässerbereiche von 50<br />
m (oberes Gebiet) bis ca. 200 m (unteres Gebiet) Länge. Insgesamt sind nur ca. 4 % der besiedelten<br />
Bachstrecke strukturell als Laichhabitat geeignet.<br />
Abb. 3 verdeutlicht die Ausbreitungsdynamik der Querder im Nebel-Oberlauf (kumulierte Darstellung<br />
der Abundanzen).<br />
Insgesamt besiedelt die Bachneunaugenpopulation im Nebel-Oberlauf eine Gewässerstrecke<br />
von ca. 4.400 m. Im unteren Bereich des besiedelten Abschnittes ist eine deutliche Abnahme<br />
der Dichte bei unveränderten Habitatbedingungen zu erkennen, der Bestand dünnt aus (vergl.<br />
Abb. 2). Die untere Ausbreitungsgrenze ist jedoch nicht erreicht, da bis kurz oberhalb des Krakower<br />
Sees Querder nachweisbar waren. Die Verdriftung von einigen Neunaugenlarven in den<br />
See muss angenommen werden.<br />
20
Höhe über NN<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
ca. 4.400 m<br />
Von Bachneunaugen besiedelte Bereiche<br />
0<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70<br />
Fließrichtung<br />
Krakower<br />
See<br />
Wehr<br />
Kuchelmiß<br />
(genaue Verbreitungsgrenzen<br />
nicht bekannt)<br />
Wehr Kölln<br />
Wehr<br />
Güstrow<br />
Bachkilometer ab Quelle<br />
Mündung in<br />
die Warnow<br />
Abb. 1: Neunaugenbesiedlung der Nebel (Gewässerdarstellung als Gefällediagramm)<br />
Nebel-Oberlauf<br />
(obere Verbreitungsgrenze bis Mündung in den Krakower See)<br />
Anzahl Neunaugen Individuen je qm<br />
4.000<br />
3.500<br />
3.000<br />
2.500<br />
2.000<br />
1.500<br />
1.000<br />
500<br />
0<br />
oberster<br />
Laichplatz<br />
Laichplätze Laichplätze<br />
0-50<br />
200-250<br />
400-450<br />
Fließrichtung<br />
600-650<br />
850-900<br />
1050-1100<br />
1250-1300<br />
1450-1500<br />
1650-1700<br />
1850-1900<br />
2050-2100<br />
2250-2300<br />
2450-2500<br />
2650-2700<br />
Bachabschnitt in m<br />
Abb. 2: Besiedlungsmuster Bachneunaugen (Querder) im Nebel-Oberlauf<br />
2850-2900<br />
3050-3100<br />
3250-3300<br />
<strong>34</strong>50-3500<br />
3650-3700<br />
3850-3900<br />
4050-4100<br />
4250-4300<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Mündung in den<br />
Krakower See<br />
Auffällig sind die jeweils hohen Besiedlungsdichten im unmittelbaren Bereich unterhalb der zwei<br />
Laichgebiete. Im weiteren Gewässerverlauf (jeweils nach ca. 1.000 m) kommt es dann zur Ausdünnung<br />
des Bestandes.<br />
21
22<br />
0-50<br />
200-250<br />
obere Verbreitungsgrenze<br />
(natürlich =<br />
oberster Laichplatz)<br />
400-450<br />
600-650<br />
Nebel-Oberlauf (gesamter besiedelter Abschnitt)<br />
850-900<br />
Fließrichtung<br />
1050-1100<br />
1250-1300<br />
1450-1500<br />
1650-1700<br />
1850-1900<br />
2050-2100<br />
2250-2300<br />
2450-2500<br />
2650-2700<br />
2850-2900<br />
3050-3100<br />
besiedelter Bachabschnitt (m)<br />
3250-3300<br />
<strong>34</strong>50-3500<br />
3650-3700<br />
3850-3900<br />
4050-4100<br />
4250-4300<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
% des Gesamtbestandes<br />
Mündung in den<br />
Krakower See<br />
Abb. 3: Ausbreitungsdynamik der Querder im Nebel-Oberlauf (Abundanzen kumuliert)<br />
LT (mm)<br />
200<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
Nebel-Oberlauf (gesamter besiedelter Abschnitt)<br />
n = 686<br />
Laichplätze Laichplätze<br />
40<br />
20<br />
0 500 1.000 1.500 2.000 2.500 3.000 3.500 4.000 4.500<br />
Fließrichtung<br />
Besiedelter Bachabschnitt in m<br />
Abb. 4: Längenverteilung der Querder im Gewässerlängsschnitt (alle Totallängen je Probestelle<br />
und Trendlinie - lineare Regression)<br />
Auch in der Längenverteilung (Abb. 4) widerspiegelt sich dieses Besiedlungsmuster. Während<br />
unterhalb der Laichgebiete kleinere Querder überwiegen, steigt mit zunehmender Entfernung<br />
vom Laichplatz die Länge der Larven an. Besonders unterhalb des im Längsverlauf zweiten<br />
Laichgebietes im Nebel-Oberlauf ist diese Tendenz erkennbar, so dass im untersten Gewäs-
serabschnitt kurz vor der Mündung in den Krakower See ältere Querder deutlich überwiegen.<br />
(Die Trendlinie verdeutlicht die tendenzielle Längenzunahme der Querder im Gewässerlängsschnitt.)<br />
Neunaugenbesiedlung des Bekesystems<br />
In Karte 1 sind die im Einzugsgebiet der Beke ermittelte Neunaugenbesiedlung sowie die Probestellen<br />
dieser Untersuchung dargestellt (die in der nachfolgenden Ausführung verwandten<br />
Probestellennummern [PS] beziehen sich auf Karte 1).<br />
Probestellen (je 500m Abschnitte):<br />
Beke: 1 Schwaan (Mündungsbereich zur Warnow; Vorkommen<br />
von Bach- und Flussneunauge)<br />
2 Schwaan (oberhalb Wehr)<br />
3 Bröbberow<br />
4 unterhalb Waidbachmündung<br />
5 oberhalb Weidbachmündung<br />
6 Boldensdorf<br />
7 Klein Belitz<br />
8 Reinstorf<br />
9 unterhalb Tessenitzmündung<br />
10 oberhalb Tessenitzmündung<br />
Zuflüsse: 11 Waidbach (Mündungsbereich)<br />
12 Waidbach (Unterlauf)<br />
13 Hohen Luckower Graben<br />
14 Tessenitz (Mündungsbereich)<br />
15 Moltenower Bach<br />
16 Dolglaser Bach<br />
Dolglaser Dolglaser Dolglaser Bach Bach Bach<br />
Beke Beke Beke<br />
Moltenower Moltenower Moltenower Bach Bach Bach<br />
Tessenitz Tessenitz Tessenitz<br />
Hohen Hohen Hohen<br />
Luckower Luckower Luckower Graben Graben Graben<br />
Nicht besiedelt! Nicht besiedelt!<br />
16<br />
15<br />
Ermittelte Besiedlungsdichten<br />
(Individuen / m²)<br />
14<br />
10<br />
9<br />
0<br />
0 - 0,1<br />
0,1 – 1<br />
1 – 5<br />
5 – 10<br />
nicht bearbeitete Abschnitte<br />
8<br />
Beke Beke Beke<br />
7<br />
6<br />
Waidbach Waidbach Waidbach<br />
5<br />
12<br />
11<br />
13<br />
4 3<br />
Karte 1: Neunaugenbesiedlung im Bekesystem und Probestellen<br />
Beke Beke Beke<br />
N<br />
Nicht besiedelt!<br />
2 1<br />
Warnow<br />
23
Abb. 5 zeigt die an den Probestellen im Hauptgewässer Beke ermittelten Querderdichten:<br />
24<br />
Individuen / qm<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 <strong>34</strong> 36 38<br />
Abfluß aus dem<br />
Groß Tessiner See<br />
Fließrichtung<br />
Mündung des<br />
Moltenower Bachs<br />
(PS 15)<br />
10<br />
9<br />
8<br />
Bachkilometer ab Quelle<br />
7<br />
Mündung<br />
der Tessenitz<br />
(PS 14)<br />
Probestellen (PS)<br />
6<br />
Mündung des<br />
H. Luckower<br />
Gr. (PS 13)<br />
Abb. 5: Querderdichten an den Probestellen in der Beke<br />
4<br />
1<br />
5 3 2<br />
Mündung<br />
des Waidbachs<br />
(PS 11 & 12)<br />
Mündung in<br />
die Warnow<br />
Im Bekeeinzugsgebiet existieren mehrere Laichgebiete der Neunaugen, von denen die Besiedlung<br />
des Systems ausgeht.<br />
Im Oberlauf laichen Bachneunaugen sowohl in der Beke selbst (gesamter Abschnitt oberhalb<br />
PS 10 bis zur Ortslage Gnemern, ca. 7 km Gewässerstrecke) als auch in den Zuflüssen Moltenower<br />
Bach (ausgedehnte Laichgebiete) und Tessenitz (nur punktuell geeignetes Laichhabitat<br />
vorhanden). Der Einlauf des Moltenower Baches ist durch eine Verrohrung mit kombiniertem<br />
Sohlabsturz von der Beke abgetrennt; ein Austausch von Individuen findet daher nur in die Beke<br />
(Abdrift), nicht jedoch aufwärts statt.<br />
Direkt unterhalb der Laichplatzkonzentration im Oberlauf wurde an PS 9 die höchste Besiedlungsdichte<br />
im Bekesystem festgestellt (6,05 Ind./m 2 ). Im weiteren Gewässerverlauf nimmt die<br />
Besiedlungsdichte sukzessive ab (PS 8: 0,78 Ind./m 2 , PS 7: 0,06 Ind./m 2 und PS 6: 0,03<br />
Ind./m 2 ). An PS 5 sind in der Beke keine Neunaugen nachweisbar.<br />
Im Waidbach sind wiederum Laichplätze des Bachneunauges lokalisiert (ab Mündung in die<br />
Beke aufwärts auf ca. 5 km, mehrere kurze Abschnitte mit geeignetem Laichhabitat). Ausgehend<br />
von dieser Reproduktionsstätte konnten im Waidbach selbst (PS 11 und 12) sowie in den<br />
unterhalb liegenden Bearbeitungsabschnitten in der Beke Querder nachgewiesen werden (PS<br />
4: 0,46 Ind./m 2 , PS 3: 0,04 Ind./m 2 ). Analog zum Abschnitt zwischen PS 9 und PS 5 dünnt der<br />
Neunaugenbestand unterhalb der Waidbachmündung (ab PS 11) aus; an PS 2 sind in der Beke<br />
wiederum keine Querder nachweisbar.<br />
So existieren im Verlauf der Beke zwei Bereiche, die keine Besiedlung durch Neunaugenlarven<br />
aufweisen; günstige Habitatbedingungen <strong>für</strong> Querder sind unterhalb von PS 9 überall gleichermaßen<br />
gegeben. Die Vernetzung der Neunaugenbestände innerhalb des Bekesystems kann<br />
aufgrund der Lücken in der Querderverbreitung nur durch die Aufwärtswanderung adulter Individuen<br />
getragen werden und findet aufgrund der geringen Wanderdistanzen der Art vermutlich<br />
nur in sehr begrenztem Umfang statt.<br />
Die Gewässer Dolglaser Bach (PS 16) und Hohen Luckower Zufluss (PS 13) bieten aufgrund<br />
der strukturellen Bedingungen Neunaugen potentiellen Lebensraum (Laich- und Querderaufwuchshabitate),<br />
weisen jedoch keine Besiedlung auf.
Insgesamt ergeben sich folgende Lebensraumgrößen (als untere Lebensraumgrenzen werden<br />
die PS ohne Neunaugenbesiedlung [= 5, 2] gewertet - die tatsächlichen Raumgrößen sind<br />
demnach etwas kleiner; zur räumlichen Ausbreitung in den besiedelten Bekezuflüssen liegen<br />
nur ungefähre Angaben vor):<br />
Tabelle 2: Lebensraumgrößen (Bachlänge) Teilpopulationen Bachneunauge im<br />
Bekesystem<br />
oberer besiedelter Abschnitt unterer besiedelter Abschnitt<br />
Lebensraum insgesamt<br />
(Laichgebiete und Querderaufwuchsplätze)<br />
Moltenower Bach: ca. 4,40 km Waidbach: ca. 5,00 km<br />
Tessenitz: ca. 9,00 km Beke: ca. 11,00 km<br />
Beke: ca. 19,40 km<br />
Abschnitt gesamt: ca. 32,80 km Abschnitt gesamt: ca. 16,00 km<br />
Querderausbreitungsareal<br />
(Abschnitt zwischen unterstem Laichplatz und Erlöschen des Bestandes)<br />
ca. 12,40 km ca. 11,00 km<br />
Am Beispiel des Bekeabschnittes zwischen PS 9 und PS 5 soll die Raumnutzung durch den<br />
Querderbestand näher dargestellt werden (vergl. Karte 1 und Abb. 6).<br />
An PS 9 betrug die ermittelte Besiedlungsdichte 6,05 Ind./m 2 (= „Ausgangsbesiedlung“). 1,6 km<br />
unterhalb war die PS 8 noch mit 0,78 Ind./m 2 besiedelt, bereits eine Abnahme auf ca. 12,9 %<br />
der Ausgangsbesiedlung. Weitere 1,3 km unterhalb konnte an PS 7 eine Dichte von 0,06<br />
Ind./m 2 nachgewiesen werden (ca. 1 % der Ausgangsbesiedlung), und PS 6, ca. 3,2 km unterhalb<br />
von PS 7 lokalisiert, war mit ca. 0,03 Ind./m 2 (ca. 0,5 % der Ausgangsbesiedlung) besiedelt.<br />
Die tatsächliche Ausbreitungsgrenze der Querder befindet sich zwischen PS 6 und PS 5<br />
(Streckenlänge ca. 2,7 km), denn PS 5 ist unbesiedelt.<br />
Besiedlungsdichte (Ind./qm)<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
0 3 6 9 12 15<br />
(Laichplatz)<br />
PS 9<br />
PS 8<br />
PS 7<br />
PS 6<br />
Entfernung vom Laichplatz (km)<br />
Abb. 6: Besiedlungsdichten Querder im Bekeabschnitt zwischen PS 9 und PS 5<br />
PS 5<br />
25
Die Abb. 6 zeigt, dass die Besiedlung im Gewässerlängsschnitt unterhalb der Laichgebiete exponentiell<br />
abnimmt (Regressionsdaten: R 2 = 0,86; y = 6,73 x -0,7 ).<br />
Eine vereinfachte Hochrechnung verdeutlicht die Nutzung des insgesamt besiedelten Abschnittes<br />
durch Querder des Bachneunauges.<br />
(Folgende Vereinfachung wurde vorgenommen: <strong>für</strong> die Abschnitte gilt jeweils der Mittelwert der<br />
an den abschnittsbegrenzenden PS ermittelten Besiedlungsdichten und Gewässerbreiten.)<br />
Tabelle 3: Nutzung eines Bekeabschnittes durch Bachneunaugenquerder (Bezug:<br />
Karte 1)<br />
Bekeabschnitt<br />
mittlere Besiedlungsdichte<br />
(Ind./m 2 )<br />
Fläche des Abschnitts<br />
(m 2 ; Hochrechnung)<br />
Individuenzahl<br />
(Hochrechnung)<br />
PS 9 bis PS 8 3,415 8.100 27.660 (85 %)<br />
PS 8 bis PS 7 0,420 8.450 3.550 (10,9 %)<br />
PS 7 bis PS 6 0,045 22.200 1.000 (3,1 %)<br />
PS 6 bis PS 5 0,015 21.300 320 (1 %)<br />
Gesamtbestand: ca. 32.530<br />
Es zeigt sich, dass der obere Teilabschnitt (etwa bis PS 8, ca. 1,6 km Länge) eine überdurchschnittliche<br />
Bedeutung als Querderaufwuchsplatz besitzt, ca. 13,5 % der insgesamt besiedelten<br />
Strecke beherbergen ca. 85 % des Bestandes. Unterhalb verringert sich die Querderbesiedlungsdichte,<br />
so dass der verbleibende Streckenabschnitt (ca. 9,2 km) nur noch etwa 15 % des<br />
Bestandes beherbergt.<br />
Diskussion<br />
Hauptanliegen der vorliegenden Arbeit war es vor allem, die Größe von Lebensräumen des<br />
Bachneunauges sowie damit unmittelbar verknüpfte Fragestellungen (Charakteristik von Lebensraumgrenzen,<br />
Vernetzung benachbarter Bestände u. a.) zu untersuchen.<br />
Bislang sind nur wenige Angaben zu Populations- und Lebensraumgrößen von Bachneunaugen<br />
bekannt. Tabelle 4 gibt eine Zusammenfassung bisher veröffentlichter Daten sowie der Ergebnisse<br />
der vorliegenden Arbeit.<br />
Am Beispiel von Beke und Nebel wurde detailliert gezeigt, wie die Raumnutzung durch Bestände<br />
des Bachneunauges erfolgt. Es wurde deutlich, dass unterhalb der Reproduktionsgebiete die<br />
größten Abundanzen zu verzeichnen waren und bereits nach relativ kurzen Bachstrecken eine<br />
starke Ausdünnung der Bestände einsetzte. Damit kommt den Gewässerabschnitten direkt unterhalb<br />
der Laichplätze eine überdurchschnittlich hohe Bedeutung als Querderaufwuchsplatz<br />
zu.<br />
Über das Bekesystem hinaus besitzt das aufgezeigte Besiedlungsmuster Bedeutung als Modell<br />
<strong>für</strong> die Besiedlung zusammenhängender Gewässersysteme. Es wurde deutlich, dass zur<br />
Aufrechterhaltung vernetzter Bestände innerhalb ganzer Einzugsgebiete bestimmte Voraussetzungen<br />
vorliegen müssen. Der regelmäßige Austausch zwischen Teilpopulationen ist nur möglich,<br />
wenn Laichgebiete in geringer Entfernung voneinander lokalisiert sind. Der Vernetzung<br />
durch driftende Querder sind offenbar relativ enge Grenzen gesetzt, da jeweils nach maximal<br />
12 km unterhalb der Laichplätze keine Larven mehr nachweisbar waren (der Nachweis der Allgemeingültigkeit<br />
<strong>für</strong> norddeutsche Gewässer steht jedoch noch aus).<br />
In der Beke fehlten unterhalb der Probestelle 10 weitere Laichgebiete im Hauptgewässer, doch<br />
war eine Verbindung der Bestände über teilweise besiedelte (und mit Laichplätzen ausgestattete)<br />
Nebengewässer gegeben (Moltenower Bach, Tessenitz, Waidbach). Diese Zuflüsse funktionieren<br />
praktisch als „Trittsteine“ (vergl. KAULE 1991 u. a. ) der Population im Gewässersystem.<br />
26
Tabelle 4: Zusammenfassung von Angaben zu Populations- und Lebensraumgrößen<br />
des Bachneunauges<br />
Gewässer Autor Lebensraum- Bestandsgröße Bestandsgröße<br />
größe<br />
Querder Adulti (Laicher)*<br />
River Brue HARDISTY (1944) zwei Strecken a<br />
1 Meile (ca. 1,61<br />
km); durch Wehre<br />
getrennt<br />
keine Angaben keine Angaben<br />
River Yeo HARDISTY (1961) ca. 1 Meile (1,61 keine Angaben 60 - 200<br />
km), abgetrennt<br />
durch Wehre<br />
(Langzeittrend)<br />
Stampen Stream MALMQUIST ca. 5.800 m 27.900 - 52.200 keine Angaben<br />
(1983)<br />
(verschiedene<br />
Untersuchungsjahre)<br />
Reuthbach SCHADT (1993) ca. 2.000 m ca. 7.500 keine Angaben<br />
Aubach BOHL (1995) „ca. 6 km<br />
Bachstrecke“<br />
keine Angaben keine Angaben<br />
Schmiech KAPPUS et al.<br />
(1994)<br />
keine Angaben keine Angaben ca. 400 - 600<br />
Lauchert KAPPUS & RAH- ca. 30 km durch- keine Angaben keine Angaben<br />
MANN 1995 gängig besiedelt<br />
Weierbächlein KUBICEK (1993) 2.220 m (ca.<br />
2.900 m 2 )<br />
ca. 1.730 - 2.850 ca. 140<br />
Ziemenbach WATERSTRAAT 4.200 m (ca.<br />
(1989);<br />
KRAPPE (1996) **<br />
9.400 m 2 30.000 - 40.000 250 - 350***<br />
)<br />
Nebel-Oberlauf LEMCKE (1999) ca. 4.400 m<br />
(diese Arbeit) (ca. 27.500 m 2 ca. 46.000 ca. 150 - 170<br />
)<br />
Kösterbeck-<br />
Unterlauf<br />
LEMCKE (1999)<br />
- Abschnitt unter-<br />
ca. 3.100 m<br />
halb Wehr<br />
(ca. 11.800 m<br />
- Abschnitt oberhalb<br />
Wehr<br />
2 )<br />
ca. 2.400 m<br />
(ca. 10.200 m 2 ca. 53.000 (inklu- ca. 230<br />
sive L. fluviatilis)<br />
ca. 14.000 ca. 50<br />
)<br />
Kösterbeck- LEMCKE (1999) ca. 3.200 m<br />
Oberlauf<br />
(ca. 6.000 m 2 ca. 800 keine Angaben<br />
)<br />
Korleputer Bach LEMCKE (1999) > 2.200 m nicht ermittelt 80 - 100<br />
(Referenzstrecke<br />
(nur Referenz- (> 32.500)<br />
unterhalb Sohlabstreckebearbeisturz<br />
Korleput)<br />
tet)<br />
Beke LEMCKE (1999) ca. 32 km nicht ermittelt 2.200 - 2.600<br />
(gesamter Ver- (diese Arbeit) (ohne Nebengelauf,<br />
aber ohne<br />
Neben-gewässer)<br />
wässer)<br />
* die Angaben beruhen nicht auf gleichen Methoden zur Bestandsschätzung und sind daher nur bedingt vergleichbar<br />
(alle genannten Autoren geben Laicherbestände entweder auf Grundlage beobachteter Peaks an<br />
bzw. nennen keine Grundlage <strong>für</strong> die Bestandsgrößenangabe - z. B. Schadt 1993; die Ergebnisse von Lemcke<br />
(1999) beruhen auf Markierungsexperimenten)<br />
** die von Waterstraat (1989) publizierten Angaben zum Ziemenbach wurden durch Krappe (1996) er-gänzt und<br />
präzisiert<br />
*** nach aktuellen Untersuchungen umfaßt der Laicherbestand des Ziemenbaches etwa 1.000 Adulti (Water-straat<br />
& Krappe, schriftl. Mitt. 1998)<br />
27
Bereits der Ausfall eines Zuflusses als Laichplatz (Hohen Luckower Graben) war verantwortlich<br />
<strong>für</strong> die in der Beke auftretende Besiedlungslücke zwischen PS 6 und PS 5, da in der Beke<br />
selbst in diesem Bereich keine geeigneten Laichhabitate zur Verfügung stehen.<br />
Die Lebensraumgrenzen der untersuchten Populationen sind teils natürlich, teils anthropogenen<br />
Ursprungs. Wenn nicht Hindernisse die aufwärtsgerichtete Wanderung adulter Neunaugen<br />
behindern, sind die obersten Laichplätze die natürliche Ausbreitungsgrenze von Beständen. Oft<br />
ist zu beobachten, dass bei ausgedehnten, als Laichsubstrat geeigneten Kiesstrecken ein „Sättigungseffekt“<br />
auftritt (LEMCKE 1999). Die Zahl der Laichgruben bzw. laichenden Individuen<br />
nimmt nach oben hin sukzessive ab, bis keine Laicher mehr nachweisbar sind, obwohl geeignete<br />
Habitatbedingungen <strong>für</strong> die Reproduktion auch oberhalb zur Verfügung stehen (ebd.).<br />
Die höchstgelegenen Laichplätze sind nicht als scharfe Lebensraumgrenzen aufzufassen, da in<br />
Abhängigkeit vom Aufkommen an Laichtieren und durch Hochwasser bedingte Sedimentverlagerungen<br />
Verschiebungen dieses Bereiches von Saison zu Saison anzunehmen sind.<br />
In der Nebel (Oberlauf) stellt der oberste Laichplatz die Lebensraumgrenze dar, nach unten<br />
wird diese Population des Bachneunauges durch die Mündung des Gewässers in den Krakower<br />
See begrenzt (ebenfalls „unscharf“, da Querder in den See verdriften können).<br />
Im Bekesystem konnten meist die o. g. Lebensraumgrenzen in Form der am weitesten stromauf<br />
gelegenen Laichgebiete ermittelt werden (Verlauf der Beke selbst, Moltenower Bach, Waidbach).<br />
In der Tessenitz begrenzt ein Querbauwerk die aufwärtsgerichtete Ausbreitung des Bestandes<br />
im Unterlauf, jedoch existiert im oberen Gewässerbereich eine weitere Teilpopulation,<br />
deren obere Lebensraumgrenze wiederum durch Ausdünnung des Laicherbestandes geprägt<br />
ist.<br />
Es muss angenommen werden, dass die konkreten Angaben zur Raumnutzung nur <strong>für</strong> die spezifischen<br />
Bedingungen norddeutscher Flachlandbäche gelten. Generell ist davon auszugehen,<br />
dass die Habitatausstattung potentieller Querderaufwuchsplätze und die Kapazität der Laichplätze<br />
die Raumnutzung wesentlich bestimmen.<br />
Nach KUHN (1992) und POTTER (1980) ist das Gefälle maßgeblicher Faktor <strong>für</strong> die Ausbreitung,<br />
so dass <strong>für</strong> Gewässer mit größerem Gefälle (z. B. in Mittelgebirgsregionen) höhere Ausbreitungsdistanzen<br />
anzunehmen sind. Die Ableitung der Größenordnung ist aus den vorliegenden<br />
Ergebnissen jedoch nicht möglich; hierzu sind ähnliche Untersuchungen in diesen Regionen<br />
erforderlich.<br />
Die dargestellte Raumnutzung erklärt die Überlebensfähigkeit von Querderbeständen auf relativ<br />
kurzen Streckenabschnitten oberhalb von Querbauten, wie in mehreren norddeutschen Fließgewässern<br />
nachgewiesen werden konnte (Kösterbeck, Korleputer Bach; LEMCKE 1999). Offenbar<br />
sind die Neunaugen in der Lage, auf Abschnitten von 2.000-3.000 m Gewässerlänge stabile<br />
Populationen zu bilden (Voraussetzungen: bestimmte Mindestbreite des Gewässers, Vorkommen<br />
geeigneter Habitate <strong>für</strong> die Reproduktion und als Aufwuchsgebiet <strong>für</strong> Querder, bestimmte<br />
Ausgangspopulationsgröße).<br />
SALEWSKI (1991) ermittelte im Finkenbach, dass ein Abschnitt von ca. 2.000 m Länge zwischen<br />
dem Reproduktionsgebiet und einem unterhalb befindlichen, unüberwindbaren Wehr ausreichenden<br />
Lebensraum <strong>für</strong> Bachneunaugen bot. Er vermutete aufgrund dieser Tatsache, dass<br />
jeweils nur ein Teil der Larven einer Drift unterworfen ist, ein anderer Teil aber zeitlebens in<br />
Laichplatznähe verbleibt. Die längszonierte Verteilung der Larven in allen Untersuchungsgewässern<br />
bestätigt SALEWSKIS Annahme, da ältere Querder jeweils in allen besiedelten Bereichen<br />
und stets auch in Laichplatznähe zu finden waren.<br />
Auch KRAPPE (1996) ermittelte erhebliche individuelle Unterschiede in der Verdriftung und fand<br />
sowohl Larven des 0 + -<strong>Jahrgang</strong>es mehr als drei Kilometer unterhalb der Laichplätze als auch<br />
ältere Querder in unmittelbarer Laichplatznähe.<br />
MORMAN (1987) wies aufgrund von Versuchen an larvalen Petromyzon marinus darauf hin, dass<br />
die Besiedlungsdichte ein bestimmender Faktor <strong>für</strong> die Larvenausbreitung ist. Dies unterstreicht<br />
die Bedeutung der Gewässerbereiche direkt unterhalb der Reproduktionsgebiete als Lebensraum<br />
larvaler Neunaugen. Eine intensive Ausbreitung in Längsrichtung findet vermutlich erst<br />
dann statt, wenn Abschnitte unterhalb der Laichplätze sehr dicht besiedelt sind („Sättigung“ des<br />
28
Querderaufwuchshabitates). In Abhängigkeit vom Larvenaufkommen kann somit die untere<br />
räumliche Ausdehnung der Population schwanken.<br />
Die vorliegenden Daten gestatten eine (vorsichtige) Abschätzung der Parameter Mindestlebensraum<br />
bzw. Mindestpopulationsgröße <strong>für</strong> Bachneunaugen, es fehlen jedoch Angaben zur<br />
langfristigen Überlebensfähigkeit der nachfolgend dargestellten „Mindestpopulationen“.<br />
Mehrere Beispiele belegen die Ausbreitung von Beständen auf begrenzten Strecken von ca.<br />
2.000-3.000 m (vergl. Tabelle 4). Im Zusammenhang mit der dargestellten Raumnutzung kann<br />
diese Bachlänge vermutlich als Mindestlebensraumgröße angenommen werden (Voraussetzungen:<br />
Mindestbreite von ca. 1,5-2 m, entsprechende Habitatausstattung). Diese kurzen<br />
Bachstrecken waren Lebensraum <strong>für</strong> ca. 2.200 bis ca. 14.000 Querder in stabilen Beständen<br />
(vergl. Tabelle 4), so dass in dieser Größenordnung der Parameter Mindestpopulationsgröße<br />
anzusiedeln ist.<br />
In Bachabschnitten von 3.000-6.000 m waren schon deutlich höhere Individuenzahlen anzutreffen<br />
(vergl. Tabelle 4), so dass diese Raumgrößen offenbar bereits ein relativ hohes Populationsniveau<br />
ermöglichen.<br />
Diese Ergebnisse haben, neben dem verbesserten Verständnis der Autökologie des Bachneunauges,<br />
auch eine erhebliche naturschutzfachliche Bedeutung. Es konnte gezeigt werden,<br />
daß Populationen auf begrenzten Gewässerstrecken von wenigen Kilometern stabil existieren<br />
können, wenn die spezifischen Habitatansprüche erfüllt werden. Entgegen der häufig vertretenen<br />
Ansicht können Querbauwerke in der Regel nicht primär <strong>für</strong> das Verschwinden der Art aus<br />
vielen Gewässerstrecken verantwortlich gemacht werden. Vielmehr sind <strong>für</strong> die Ausrottung<br />
meist andere Ursachen anzunehmen (z. B. akute Vergiftungen), und vorhandene Wehre, Sohlabstürze<br />
etc. haben dann nur die Wiederbesiedlung verhindert.<br />
Unter Nutzung der Daten ist es jedoch auch möglich, Szenarien <strong>für</strong> wahrscheinliche Auswirkungen<br />
von Neubauten fragmentierender Bauwerke auf bestehende Populationen zu entwerfen<br />
(Risikoabschätzung).<br />
Die Kenntnis des Ausbreitungspotentials der Bachneunaugen eröffnet die Möglichkeit, anhand<br />
morphologischer Gewässerdaten (vor allem Vorhandensein potentieller Laichhabitate, Gefälle)<br />
die potentielle Besiedlungsstruktur von Gewässern und Gewässersystemen nachzuvollziehen.<br />
Insbesondere bei der Leitbilderstellung im Zuge der EU-Wasserrahmenrichtlinie oder <strong>für</strong> komplexe<br />
Renaturierungsvorhaben kann die Entwicklung ursprünglicher Besiedlungsmuster Bedeutung<br />
erlangen.<br />
Zusammenfassung<br />
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden Populationen des Bachneunauges (Lampetra planeri)<br />
in den Untersuchungsgewässern Nebel und Beke (Warnoweinzugsgebiet) untersucht.<br />
Ziel war die Beantwortung bislang offener Fragestellungen der Populations- und Autökologie<br />
der heimischen Neunaugenart mit den Schwerpunkten ‘Auswirkungen von Gewässerfragmentierungen<br />
sowie Mindestlebensraumgröße, Mindesthabitatausstattung und Mindestpopulationsgröße’.<br />
Zur Bearbeitung dieser Zielstellungen waren Untersuchungsschwerpunkte:<br />
• die Untersuchung der Reproduktionsökologie (Nutzung potentieller Laichhabitate, Verteilung<br />
der Laichgebiete im insgesamt genutzten Gewässerabschnitt)<br />
• die Untersuchung von Querderbeständen (Bestandsgrößen und -struktur, Verteilungsmuster)<br />
und<br />
• die Erfassung der Raumnutzung und Ausbreitungsdynamik von Neunaugenlarven.<br />
Die wichtigsten Ergebnisse sind:<br />
• Bei ungehinderten Ausbreitungsmöglichkeiten werden von Bachneunaugen große zusammenhängende<br />
Fließstrecken als Lebensraum genutzt (Laich- und Querderaufwuchshabitate;<br />
z. B. 32 km Bachlänge im oberen Bekesystem; Hauptstrom und Seitenbäche werden zu-<br />
29
sammenhängend besiedelt). Die maximale Ausbreitung von Querdern unterhalb von Laichplätzen<br />
wurde in der Beke mit ca. 12 km ermittelt.<br />
• Herausragende Bedeutung als Querderaufwuchshabitat haben die Bereiche unmittelbar unterhalb<br />
der Laichplätze, nach ca. 1,5-2 km war in mehreren Untersuchungsgewässern bereits<br />
eine starke Ausdünnung der Bestände zu verzeichnen.<br />
• Die erforderliche Mindestlebensraumgröße wird <strong>für</strong> isolierte Teilpopulationen des Bachneunauges<br />
bei entsprechender Ausstattung mit den erforderlichen Habitatparametern als relativ<br />
gering eingeschätzt und beträgt etwa 2.000-3.000 m Bachstrecke bei einer Gewässerbreite<br />
von > 1,5-2 m.<br />
Auf derart kurzen Abschnitten werden ca. 2.200 (KUBICEK 1993) bis ca. 14.000 Querder<br />
(LEMCKE 1999) angetroffen; kleinere Populationen sind vermutlich auf Dauer nicht überlebensfähig.<br />
• Die Ergebnisse zur Raumnutzung des Bachneunauges sind von erheblichem naturschutzfachlichen<br />
Interesse und können u. a. zur Abschätzung möglicher Risiken bei Neubauten<br />
in Gewässern oder zur Erstellung ursprünglicher Besiedlungsmuster (Leitbilderstellung<br />
<strong>für</strong> Ichthyozönosen) Bedeutung erlangen.<br />
30
Reproduktionsökologie des Bachneunauges (Lampetra planeri<br />
Bloch 1784) in Fließgewässern des nordostdeutschen<br />
Flachlandes -Verlauf des Laichgeschehens und Größe von<br />
Adultbeständen 2<br />
Lemcke, R.; Winkler, H. M.<br />
Abstract<br />
In this study we investigated populations of brook lampreys (Lampetra planeri) in several brooks<br />
and rivers in the tributaries of Warnow and Recknitz. The aim was to answer questions regarding<br />
the population ecology and autecology. We analysed the reproduction ecology (over time,<br />
influence of abiotic factors, size of spawning stock) as well as the morphological and substrate<br />
conditions of the rivers.<br />
Important findings were as follows:<br />
The spawning time of the brook lamprey was long (6 – 8 weeks), whereas the peak of the<br />
spawning was merely one ore a few days. The course of reproduction was highly specific to the<br />
river, the spawning within one brook had an almost identical time pattern each year, whereas<br />
differences between the individual rivers were often considerable despite the close spatial proximity<br />
and the fact that they belonged to the same water system (peak spawning times varied up<br />
to five weeks). It was shown that the beginning and the course of spawning time was controlled<br />
by a variety of abiotic factors. Air temperature and global radiation had significant impact, while<br />
water temperature had significant effect on the reproduction course only in some models, and<br />
cannot adequately explain the spawning activities. A general correlation could not be found; the<br />
influence of certain criteria was subjected to great water-specific and/or seasonal differences.<br />
The average stay of individual brook lampreys at their spawning site was two days. Marking<br />
experiments showed that at the peak of spawning activities it was possible to observe approximately<br />
26 % of all brook lampreys present. It was estimated that the spawning stocks were from<br />
80 – 100 (Korleputer Bach) to about 2,500 lampreys (Beke).<br />
Einführung<br />
Bisherige Untersuchungen zur Reproduktion von Bach- und Flussneunaugen beschreiben meist<br />
sehr detailliert Fragen der Laichethologie (z. B. HAGELIN & STEFFNER 1958; HAGELIN 1959;<br />
HUGGINS & THOMPSON 1969; LOHNISKY 1966; WÜNSTEL et al. 1996 u. v. a.).<br />
Angaben zu Individuenzahlen von reproduzierenden Beständen liegen jedoch bislang kaum vor;<br />
allenfalls als relative Häufigkeiten in Form von Beobachtungsreihen zum Laichgeschehen.<br />
Ziel der Untersuchungen war deshalb zunächst, die Zahl laichender Adulti ausgewählter Bestände<br />
des Bachneunauges zu bestimmen. Neben dem verbesserten Verständnis der Populationsökologie<br />
der Art sind derartige Angaben auch von großem naturschutzfachlichem Interesse,<br />
etwa bei der Beurteilung der Bestandssituation der Art in bestimmten Gebieten oder Gewässern<br />
und der entsprechenden Ableitung von Schutzmaßnahmen.<br />
Trotz zahlreicher Untersuchungen zur Fortpflanzungsökologie der Neunaugen (siehe oben)<br />
konnte der Einfluss abiotischer Parameter auf Beginn und Verlauf der Reproduktion bisher nicht<br />
zufriedenstellend geklärt werden. Es war daher ein weiteres Anliegen der vorliegenden Arbeit,<br />
Einflussfaktoren <strong>für</strong> das Laichgeschehens der Bachneunaugen zu ermitteln.<br />
Unterschiede im Verhalten von Beständen benachbarter Gewässer innerhalb gleicher Einzugsgebiete<br />
wurden vor Beginn der Arbeiten zunächst nicht erwartet. Im Laufe der Untersuchungen<br />
2 2 Die Untersuchungen erfolgten im Rahmen des vom Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung, Forschung und Technologie (BMBF) geförderten Verbundprojektes<br />
„Die Bedeutung unzerschnittener, störungsarmer Landschaftsräume <strong>für</strong> Wirbeltierarten mit großen Raumansprüchen“ (Förderkennzeichen<br />
0339541) im Zeitraum von 1995 - 1998 an der Universität Rostock.<br />
31
zeigte sich jedoch, dass Abweichungen im Fortpflanzungsmuster (Zuwanderung zum Laichplatz,<br />
Verlauf des Laichgeschehens) isolierter Populationen auftreten. Ziel war es deshalb weiterhin,<br />
das gewässerspezifische Verhalten der Tiere zu untersuchen und Unterschiede zwischen<br />
benachbarten Beständen herauszustellen.<br />
Untersuchungsgewässer, Material und Methoden<br />
Untersuchungsgewässer<br />
Entsprechend der Zielstellungen wurden vier Gewässer bzw. -systeme ausgewählt: Kösterbeck,<br />
Bekeeinzugsgebiet und Nebel im Warnoweinzugsgebiet und der Korleputer Mühlbach im<br />
Recknitzeinzugsgebiet (detaillierte Angaben zum Flussgebiet und einzelnen Gewässern sind<br />
LEMCKE 2001 - in diesem <strong>Heft</strong> - zu entnehmen; die Karte 1 im Anhang der Arbeit [ebd.] gibt<br />
Auskunft über die Lage der Untersuchungsgebiete).<br />
Zusätzlich zu den bei LEMCKE (2001) aufgeführten Fließgewässern wurden in der vorliegenden<br />
Untersuchung Kösterbeck und Korleputer Mühlbach berücksichtigt.<br />
Tabelle 1: Einzugsgebiete der Untersuchungsgewässer bzw. -systeme<br />
32<br />
Gewässer Kösterbeck<br />
Größe des Einzugsgebietes<br />
(km 2 )<br />
Beke-System<br />
(gesamt)<br />
Nebel<br />
Korleputer<br />
Mühlbach<br />
96,26 319,95 933,91 50,30<br />
Die Kösterbeck entspringt im Gebiet des Horster Moores und durchfließt sowohl Niedermoorbereiche<br />
als auch Strecken hohen Gefälles im Bereich der Moränenzüge. Von der Mündung in<br />
die Warnow an aufwärts bis zum Retentionsbecken (Mittel- Unterlauf) kann der Bach als naturnah<br />
eingeschätzt werden (Ausnahmen: zwei Durchlässe, Wehr Beselin). Der Oberlauf ist hingegen<br />
durch intensive Meliorationsmaßnahmen in extremer Weise verfremdet (Begradigung,<br />
Regelprofil).<br />
Der Korleputer Mühlbach entspringt bei Warnkenhagen (Bereich der Wasserscheide zwischen<br />
Peene- und Recknitzeinzugsgebiet) und durchfließt sowohl strukturell degradierte Niedermoorflächen<br />
(hier naturfremder Verbau mit Begradigung und Regelprofil - Oberlauf und Abschnitte in<br />
und unterhalb von Liessow) als auch ausgedehnte Bruchwälder und extensives Grünland (natürliche<br />
bis naturnahe Gewässermorphologie - Fließstrecke zwischen Dieckhof und Liessow; in<br />
diesem Abschnitt ist die Untersuchungsstrecke lokalisiert).<br />
Die an den untersuchten Gewässern vorherrschenden geomorphologischen, hydrographischhydrologischen<br />
und physikalischen Verhältnisse sowie die gewässerbegleitende Vegetation<br />
bedingen sehr unterschiedliche Substratverhältnisse und Ausprägungen bestimmter Strukturparameter.<br />
Vor Beginn der Feldarbeiten an Neunaugen wurde die Substratverteilung kartiert.<br />
Vereinfacht können Grob- und Feinkies als geeignete Laichsubstrate, Sand und Schlamm als<br />
Querderaufwuchshabitat bewertet werden; Bereiche mit größeren Steinen sowie frei anstehender<br />
Torf werden von Neunaugen nicht genutzt (WATERSTRAAT 1989). Demnach ergeben sich<br />
die in Tabelle 2 dargestellten Habitatverteilungen.<br />
Tabelle 2: Verteilung neunaugenrelevanter Habitate in den Untersuchungsgewässern<br />
(vereinfachte Zusammenfassung; ausgewählte Abschnitte)<br />
Parameter<br />
Kösterbeck- Nebel- Korleputer Beke*<br />
(% der besiedelten Strecken) Unterlauf Oberlauf Mühlbach<br />
Laichhabitat 52,5 4,2 1,5 > 7 km Länge<br />
Querderaufwuchshabitat 42,4 88,2 86,7 ca. 25 km Länge<br />
von Neunaugen nicht<br />
nutzbare Abschnitte<br />
5,1 7,6 11,8 (nicht erfaßt)<br />
* nicht quantitativ erfasst
Die Ergebnisse der Substratkartierungen bildeten die Grundlage <strong>für</strong> die Auswahl der Untersuchungsabschnitte<br />
zum Laichmonitoring (Einbeziehung aller potentiellen Laichplätze).<br />
Material und Methoden<br />
Die Untersuchungen zur Reproduktion der Bachneunaugen wurden im Zeitraum von 1995 -<br />
1997 realisiert. Da eine durchgängige Kontrolle aus Zeitgründen nicht auf allen potentiellen<br />
Laichhabitaten möglich war, wurde in der Beke nur ein Referenzabschnitt regelmäßig kontrolliert;<br />
darüber hinaus sind in anderen Gewässerabschnitten und in den Zuflüssen zur Beke Stichproben<br />
durchgeführt worden.<br />
Im Rahmen des Laichmonitorings wurden die Zahl laichender Tiere, die Laichgruben sowie deren<br />
räumliche Verteilung aufgenommen. Da keine Entnahme der laichenden Neunaugen erfolgte,<br />
konnten Angaben zu Längenverteilungen und Geschlechterverhältnissen nicht erhoben werden.<br />
Ziel der Beobachtungen war vor allem die Ermittlung der Größe von Laicherbeständen und<br />
möglicher Unterschiede im Laichgeschehen zwischen benachbarten, jedoch isolierten Gewässern.<br />
Die Erfassung des Laichgeschehens erfolgte durch direkte Beobachtung der Neunaugen mit<br />
Hilfe reflexmindernder Polarisationsbrillen. In der Regel war so die quantitative Ermittlung laichender<br />
Individuen auf den begangenen Gewässerabschnitten realisierbar. Infolge sprunghafter<br />
Anstiege der Abflussmenge durch hohe Niederschläge kam es gelegentlich zu Sichttrübungen,<br />
so dass sich im Verlauf der drei Laichsaisons jeweils Erfassungslücken von ca. 3-4 Tagen pro<br />
Jahr ergaben.<br />
In Stichproben wurde die Zuwanderung laichwilliger Bachneunaugen zum Laichplatz beobachtet<br />
und der Nachmittag als Zeit der höchsten Laichaktivitäten ermittelt (vergl. Abb. 1). Aufgrund<br />
dieses Befundes und der von anderen Autoren beschriebenen Methodik (WATERSTRAAT 1989,<br />
KRAPPE 1996, KUBICEK 1993) wurde das Laichmonitoring beim Bachneunauge von ca. 14.00-<br />
19.00 Uhr durchgeführt.<br />
Um Zusammenhänge zwischen verschiedenen abiotischen Faktoren und dem Beginn sowie<br />
Verlauf des Laichgeschehens zu ermitteln, wurden, neben der vor Ort gemessenen Wassertemperatur,<br />
weitere Daten zum Wettergeschehen in die Auswertung einbezogen. Dazu wurden<br />
vom Deutschen Wetterdienst (DWD) folgende Daten erworben:<br />
• Station Heiligendamm (DWD-Nr. 3015): Globalstrahlung<br />
• Station Neubrandenburg (DWD-Nr. 3042): Globalstrahlung<br />
• Station Teterow (DWD-Nr. 3031): Luftdruck (Tagesmittel), Lufttemperatur (Tagesmittel)<br />
• Station Bützow (DWD-Nr. 24320): Niederschlag (Tagessumme)<br />
Um längerfristige Effekte bzw. verzögertes Reagieren der Tiere auf bestimmte Einflüsse zu berücksichtigen,<br />
wurden die Faktoren Globalstrahlung und Lufttemperatur auch als kumulative<br />
Reihen <strong>für</strong> die statistischen Tests verwandt.<br />
Die Auswahl der Stationen erfolgte unter Berücksichtigung größtmöglicher Nähe zu den Untersuchungsgewässern.<br />
Da jedoch Messpunkte des DWD in unmittelbarer Nähe zu den bearbeiteten<br />
Bächen fehlen, sind Abweichungen zwischen den in der statistischen Auswertung verwandten<br />
Daten und dem realen Wetterverlauf an den Gewässern anzunehmen. Dies betrifft insbesondere<br />
die Angaben zur Globalstrahlung, da im Einzugsgebiet der Warnow kein Messpunkt <strong>für</strong><br />
diesen Faktor existiert.<br />
Ausgewertet wurden die Jahre 1996 und 1997, die statistische Bearbeitung erfolgte mit dem<br />
Softwarepaket „SAS“, Version 6.12.<br />
Im Rahmen des Laichmonitorings ist nur die Erfassung relativer Häufigkeiten möglich, da die<br />
genaue Aufenthaltsdauer des Einzeltieres auf dem Laichplatz nicht bekannt ist und von Mehrfachbeobachtungen<br />
gleicher Tiere auszugehen ist. Zusätzlich zur regelmäßigen Aufnahme der<br />
Zahl laichender Tiere war es daher notwendig, über quantitative Erhebungen ausgewählter<br />
Laicherbestände einen Bezug zwischen beobachtetem Laichgeschehen und tatsächlich vorhandenem<br />
Bestand an adulten Neunaugen zu finden.<br />
33
Zur Abschätzung von Laicherbestandsgrößen beim Bachneunauge erfolgte an zwei Abschnitten<br />
des Korleputer Baches die Markierung aller Laichtiere im Verlauf der Fortpflanzungssaison<br />
1997. Dazu wurden täglich bzw. im Zwei-Tage-Rhythmus alle Tiere auf den Laichplätzen gefangen<br />
(Handkescher, Maschenweite 4 mm) und gekennzeichnet. Als Markierung kam ein Faden<br />
(chirurgisches Nahtmaterial mit Nadel, Ethiobond Excel 2/0, 3 metric; Firma ETHICON) zum<br />
Einsatz, der im Rumpf unterhalb des vorderen Bereiches der Dorsalis befestigt wurde. Zum<br />
Anbringen der Markierung wurden die Tiere kurzzeitig betäubt (MS 222; ca. 65 ppm; Dosierung<br />
nach AGRIS 1967 u. a.; Anzeige entsprechend Tierschutz-recht ist erfolgt).<br />
Die Wiedererkennung erfolgte in der Regel an dem gut sichtbaren Faden; in einigen Fällen war<br />
nach Verlust der Markierung eine leichte Vernarbung zu erkennen, so dass die Wiedererkennung<br />
ebenfalls gewährleistet war.<br />
Für die Markierung wurden zwei Abschnitte im Korleputer Bach ausgewählt, die aufgrund der<br />
örtlichen Bedingungen die quantitative Erfassung aller zum Laichen erscheinenden Bachneunaugen<br />
garantierten: das zur Verfügung stehende Laichhabitat erstreckt sich über eine sehr kurze<br />
Strecke (ca. 20 m unterhalb des Sohlabsturzes Korleputer Mühle bzw. 40 m unterhalb des<br />
Sohlabsturzes Dieckhof), und die Aufwärtswanderung über diese leicht zu kontrollierenden Abschnitte<br />
hinaus ist durch die oberhalb befindlichen unüberwindbaren Sohlabstürze ausgeschlossen.<br />
Zur Markierung adulter Bachneunaugen wurden zunächst verschiedene Farbmarkierungen in<br />
Vorversuchen getestet (Alcian-Blue, Acrylfarben), die zur Kennzeichnung von Fischen gebräuchlich<br />
sind (GOLLMANN et al. 1986; JOHNSTONE 1980 u. a.). Ziel war das Vermeiden des<br />
erneuten Herausfangens aller Tiere. Es zeigte sich jedoch eine schlechte Haltbarkeit bzw. Erkennbarkeit<br />
der Farbstoffe auf dorsalen Hautschichten (rasche Abstoßung), so dass diese Marker<br />
ungeeignet erschienen. Daher fand die o. g. Methode der Markierung mit chirurgischem<br />
Nahtmaterial Anwendung; das tägliche Herausfangen war unumgänglich.<br />
Die Tiere erwiesen sich als sehr robust gegenüber dem Stress der Markierungsaktion. In mehreren<br />
Fällen konnte selbst im Hälterungsgefäß sofort nach dem Nachlassen der Betäubung die<br />
Wiederaufnahme des Laichgeschäftes beobachtet werden; nach dem Aussetzen verblieben die<br />
markierten Tiere in der Regel sofort auf dem Laichplatz.<br />
Um aus Daten des Markierungsversuchs im Korleputer Bach die Laicherbestandsgrößen in den<br />
vorhergehenden Untersuchungsjahren bzw. den anderen Gewässern abschätzen zu können,<br />
wurden zwei Ansätze genutzt:<br />
• die Beziehung zwischen ermitteltem Gesamtbestand und Maximum im beobachteten Laichgeschehens<br />
und<br />
• die durchschnittliche Aufenthaltsdauer des Individuums auf dem Laichplatz.<br />
Da eine individuelle Markierung der laichenden Bachneunaugen nicht durchführbar war, erfolgte<br />
die Ermittlung der Aufenthaltsdauer auf dem Laichplatz über Rechenmodelle.<br />
Ausgehend von der Kenntnis der täglich neu erscheinenden Adulti (Markierung), wurden Algorithmen<br />
<strong>für</strong> die Aufenthaltsdauer von ein bis vier Tagen erstellt, die Auskunft über die theoretisch<br />
am Laichplatz zu beobachtenden Tiere geben (Fehltage in der Erfassung wurden durch<br />
Mittelwerte aus den angrenzenden Tagen ergänzt). Der Vergleich mit den real beobachteten<br />
Laicherzahlen gibt Auskunft über die Güte der Anpassung des jeweiligen Algorithmus.<br />
Für die beiden Algorithmen mit der besten Anpassung wurden die Differenzen zwischen berechneten<br />
und real beobachteten Werten gebildet. Der Mittelwert dieser Differenzen über die<br />
gesamte Beobachtungssaison gestattet die Berechnung der genauen Aufenthaltsdauer des<br />
Einzeltieres <strong>für</strong> jeden Laichplatz (Mittelwert <strong>für</strong> die gesamte Laichsaison).<br />
Beispiel: Laichplatz Dieckhof:<br />
Für eine angenommene Aufenthaltsdauer von 2 Tagen ergibt sich eine mittlere Abweichung zu<br />
den jeweils beobachteten Laicherzahlen von -0,82 Tieren (Unterschätzung), <strong>für</strong> angenommene<br />
3 Tage von 1,59 (Überschätzung). Durch Darstellung dieser Wertepaare im „x-y-Diagramm“<br />
ergibt sich die Gleichung y = 2,41x-5,64; die Nullstelle der Gleichung ist die gesuchte mittlere<br />
Aufenthaltsdauer des Einzeltieres am Laichplatz und beträgt 2,<strong>34</strong>.<br />
<strong>34</strong>
Die ermittelte durchschnittliche Aufenthaltsdauer am Laichplatz gestattet nun Abschätzungen<br />
der Laicherbestandsgröße aus Daten des Laichmonitorings.<br />
Durch Anwendung der Aufenthaltsdauer des Individuums auf Jahresreihen von Beobachtungswerten<br />
zum Laichgeschehen kann die Zahl der jeweils neu auftretenden Tiere rückgerechnet<br />
werden. Die Summe aller „Neuankömmlinge“ ergibt den Laicherbestand <strong>für</strong> das jeweilige Untersuchungsjahr<br />
und den beobachteten Bach bzw. Abschnitt.<br />
Die Algorithmen zur Abschätzung der Bestandsgrößen an Laichern aus Daten der Markierung<br />
können mehrere Fehlerquellen aufweisen, die Ermittlung der Größenordnung ist jedoch möglich.<br />
Zur Bestimmung der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer des Einzeltieres auf dem Laichplatz<br />
ist es notwendig, <strong>für</strong> Tage ohne Beobachtungsergebnisse Mittelwerte in das Modell einzusetzen,<br />
so dass Abweichungen zur Realität anzunehmen sind.<br />
Bei der Nutzung der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer zur Hochrechnung von Bestandsgrößen<br />
aus Daten des Laichmonitorings zeigt sich, dass in einigen Fällen die tatsächliche Aufenthaltsdauer<br />
geringer gewesen sein muss (Auftreten negativer Werte <strong>für</strong> berechnete „Neuankömmlinge“<br />
auf dem Laichplatz). Diese Werte wurden durch Annahme einer kürzeren Aufenthaltsdauer<br />
im Modell abgeglichen.<br />
Ergebnisse<br />
Beobachtungen auf den Laichplätzen<br />
Es war zunächst die günstigste Tageszeit <strong>für</strong> das Laichmonitoring zu ermitteln (Ziel: Beobachtung<br />
maximaler Reproduktionsaktivität bzw. maximaler Individuenzahlen). In zwei Stichproben,<br />
durchgeführt zum Höhepunkt der Laichsaison, wurde die Zuwanderung laichwilliger Bachneunaugen<br />
zum Laichplatz im Verlauf eines Tages ermittelt (Abb. 1).<br />
Abundanz<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
8.°° 9.°° 10.°°11.°°12.°°13.°°14.°°15.°°16.°°17.°°18. °°<br />
Uhrzeit<br />
Korleputer Bach (Ausbaustrecke) Beke-Referenzstrecke<br />
Abb. 1: Abundanz von Bachneunaugen am Laichplatz im Tagesverlauf<br />
35
Es wird deutlich, dass jeweils erst in den späten Nachmittagsstunden die größte Laichaktivität<br />
zu beobachten war.<br />
Das in den einzelnen Untersuchungsgewässern zur Verfügung stehende Laichsubstrat variiert<br />
erheblich (vergl. Tabelle 2). In Abhängigkeit vom Substratangebot und der Zahl laichender Tiere<br />
waren Form und Größe der angelegten Laichgruben sehr unterschiedlich. So waren bei einem<br />
„Überangebot“ an geeignetem Laichsubstrat die Bachneunaugen meist auf viele kleinere Laichgruben<br />
im Gewässerlängsschnitt verteilt (Beke-Referenzstrecke, Kösterbeck-Unterlauf; meist<br />
weniger als 10 Tiere je Grube), während an Abschnitten mit geringem Anteil an geeignetem<br />
Laichsubstrat hohe Abundanzen in wenigen größeren Laichgruben ermittelt wurden (Nebel,<br />
Korleputer Bach; bis über 20 Tiere je Laichgrube). Ausnahmen bildeten die Phasen des maximalen<br />
Laichgeschehens; zu diesen Zeiten traten in allen Gewässern stärkere Konzentrationen<br />
an wenigen Laichgruben auf, oder es kam zu Verschmelzungen mehrerer kleiner Laichgruben<br />
zu einer größeren.<br />
Am Unterlauf der Kösterbeck nutzten Neunaugen auffallend häufig alte Laichgruben der Meerforelle<br />
(Salmo trutta trutta). Diese Salmonidenart reproduziert regelmäßig im Unterlauf der<br />
Kösterbeck im Zeitraum von Ende Oktober bis etwa Ende Dezember in erheblichen Individuenzahlen,<br />
so daß zahlreiche Laichgruben auf Kiesstrecken im Unterlauf angelegt werden. Offenbar<br />
bieten diese bereits bestehenden Vertiefungen den Neunaugen günstige Ansatzpunkte zur<br />
Anlage der <strong>für</strong> ihre Reproduktion erforderlichen Mulden.<br />
Verlauf des Laichgeschehens<br />
In Abb. 2 ist das Laichgeschehen beim Bachneunauge in den drei Untersuchungsjahren dargestellt.<br />
(In der Darstellung der Ergebnisse zum Reproduktionsverlauf wurde, obwohl es sich um<br />
diskrete Werte handelt, die Form der Liniendiagramme gewählt, um Tendenzen besser zu verdeutlichen.)<br />
36<br />
Adulti<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Adulti<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Kösterbeck / Unterlauf<br />
Laichgeschehen Bachneunauge<br />
15. 18. 21. 24. 27. 30. 3. 6. 9. 12. 15. 18. 21. 24. 27. 30. 2. 5. 8. 11. 14. 17. 20.<br />
April Mai Juni<br />
Nebel / Oberlauf<br />
Laichgeschehen Bachneunauge<br />
15. 18. 21. 24. 27. 30. 3. 6. 9. 12. 15. 18. 21. 24. 27. 30. 2. 5. 8. 11. 14. 17. 20.<br />
April Mai Juni<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
Adulti<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Adulti<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Beke / Groß Gischow<br />
Laichgeschehen Bachneunauge<br />
15. 18. 21. 24. 27. 30. 3. 6. 9. 12. 15. 18. 21. 24. 27. 30. 2. 5. 8. 11. 14. 17. 20. 23. 26.<br />
April Mai Juni<br />
Korleputer Mühlbach<br />
Laichgeschehen Bachneunaugen<br />
15. 19. 23. 27. 1. 5. 9. 13. 17. 21. 25. 29. 2. 6. 10. 14. 18. 22. 26. 30. 4. 8. 12.<br />
April Mai Juni Juli<br />
Abb. 2: Laichgeschehen beim Bachneunauge an den Laichplätzen Kösterbeck, Beke<br />
(Referenzstrecke), Nebel und Korleputer Bach (alle Laichplätze zusammengefasst)<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1995<br />
1996<br />
1997
Die untersuchten Bachneunaugenbestände lassen ein sehr charakteristisches Reproduktionsverhalten<br />
erkennen. Die Dauer der Gesamtlaichzeit ist an allen Gewässern und in den drei Beobachtungsjahren<br />
lang und umfasst ca. sechs bis acht Wochen. Die Maxima der Laichaktivität<br />
(höchste Abundanzen auf den Laichplätzen) sind hingegen sehr kurz und dauern nur ein bis<br />
wenige Tage.<br />
Der Verlauf der Laichzeit zeigt hohe Gewässerspezifität. Innerhalb eines Baches laichen die<br />
Neunaugen jährlich nach annähernd gleichem Zeitmuster, während die Unterschiede zwischen<br />
den Untersuchungsgewässern trotz räumlicher Nähe, Zugehörigkeit zum gleichen Gewässer-<br />
System (außer Korleputer Bach) und ähnlichem Temperaturregime erheblich sind (Verschiebung<br />
der Maxima im Laichgeschehen zwischen den Gewässern um bis zu fünf Wochen; z. B. in<br />
der Beke stets sehr früher Beginn Ende April und zweiter Höhepunkt Mitte Juni; in der Kösterbeck<br />
sehr später Beginn und Höhepunkt Ende Mai bis Anfang Juni).<br />
Tabelle 3 zeigt Eckdaten zur Wassertemperatur während des Reproduktionsverlaufs beim<br />
Bachneunauge (als „Laichgeschehen“ wurde gewertet, wenn mindestens zwei Tiere im Nest in<br />
Kopulation beobachtet wurden):<br />
Tabelle 3: Eckdaten zu Wassertemperatur (Tw) und Reproduktion des Bachneunauges<br />
Jahr Tw am 1. Tag<br />
mit Laichgeschehen<br />
(„Auslöser“)<br />
Tw zum Peak<br />
des Laichgeschehens<br />
maximale Tw<br />
bei beobachtetemLaich-<br />
geschehen<br />
minimale Tw<br />
bei beobachtetemLaich-<br />
geschehen<br />
Tw im Mittel über die<br />
gesamte Laichsaison<br />
(alle Tage mit Laichgeschehen)<br />
Kösterbeck (Unterlauf)<br />
1995 03. 5.: 13,5 °C 16,5 °C 18,0 °C 9,3 °C 14,1 °C<br />
1996 30. 4.: 12,0 °C 15,2 °C 18,5 °C 12,0 °C 15,1 ° C<br />
1997 25. 4.: 11,9 °C 17,5 °C 19,3 °C 10,0 °C 14,6 ° C<br />
Beke (Referenzstrecke)<br />
1995 30. 4.: 11,0 °C 11,0 °C 15,0 °C 10,5 °C 12,6 ° C<br />
1996 22. 4.: 15,2 °C 11,0 °C 19,7 °C 10,2 °C 13,5 ° C<br />
1997 16. 4.: 9,0 °C 11,5 °C 17,0 °C 7,0 °C 12,2 ° C<br />
Nebel (Oberlauf)<br />
1995 26. 4.: 12,1 °C 14,8 °C 14,8 °C 11,8 °C 13,0 ° C<br />
1996 19. 4.: 11,8 °C 14,7 °C 16,5 °C 11,8 °C 14,0 ° C<br />
1997 17. 4.: 10,8 °C 12,4 °C 15,4 °C 9,0 °C 12,3 °C<br />
Korleputer Bach<br />
1995 02. 5.: 11,1 °C 16,2 °C 16,2 °C 11,0 °C 12,9 ° C<br />
1996 19. 5.: 13,5 °C 15,5 °C 15,5 °C 12,5 °C 13,8 ° C<br />
1997 16. 5.: 16,5 °C 15,2 °C 16,8 °C 10,0 °C 13,4 ° C<br />
Sehr unterschiedlich sind die Wassertemperaturen zum Höhepunkt des Laichgeschehens, hier<br />
zeigen sich besonders deutlich die großen Differenzen zwischen den Gewässern im zeitlichen<br />
Ablauf der Reproduktion. Während in der Beke der Höhepunkt bereits Ende April bei Temperaturen<br />
um 11 °C stattfand, konnten an der Kösterbeck und am Korleputer Bach deutlich höhere<br />
Wassertemperaturen zum Maximum des Laichgeschehens Ende Mai bis Anfang Juni erfasst<br />
werden (15,5 bis 19,3 °C).<br />
Bemerkenswert sind die teilweise sehr niedrigen Wassertemperaturen, bei denen Lampetra<br />
planeri Laichaktivität zeigte, so bei 7 °C in der Beke, be i 9 °C in der Nebel und bei 9,3 °C im<br />
Unterlauf der Kösterbeck.<br />
Um den Einfluss weiterer abiotischer Faktoren auf den Verlauf der Reproduktion des Flussneunauges<br />
zu untersuchen, wurden, neben der Wassertemperatur, folgende Wetterdaten in<br />
statistische Auswertungen einbezogen (zu Datenquelle und Messpunkten vergl. Kap. 2):<br />
• Lufttemperatur (absolut und als kumulierte Reihe)<br />
37
• Luftdruck (Tagesmittelwerte)<br />
• Niederschlag (Tagessummen)<br />
• Globalstrahlung (absolut und als kumulierte Reihe)<br />
Durch schrittweise multiple Regressionen mit „Rückwärtselimination“ nicht signifikanter Faktoren<br />
wurden Modelle <strong>für</strong> die Abhängigkeit des Laichgeschehens erstellt. Es sollte sich <strong>für</strong> jeden<br />
Laichplatz und jedes Jahr eine Beziehung aus Faktoren mit signifikantem Einfluss auf das Reproduktionsgeschehen<br />
ergeben:<br />
38<br />
y Gewässer/Jahr = a + b x Faktor 1 + c x Faktor 2 + d x Faktor 3<br />
usw.<br />
Tabelle 4 umfasst die Abhängigkeitsstruktur des Faktors Laichgeschehen von der Konstellation<br />
signifikanter abiotischer Faktoren:<br />
Tabelle 4: Ergebnisse der statistischen Auswertung von Zusammenhängen zwischen<br />
abiotischen Faktoren und Laichgeschehen beim Bachneunauge<br />
Jahr<br />
(Zahl der<br />
Beobachtungen)<br />
1996<br />
(n = 28)<br />
1997<br />
(n = 18)<br />
1996<br />
(n = 19)<br />
1997<br />
(n = 17)<br />
1996<br />
(n = 12)<br />
1997<br />
(n = 17)<br />
1996<br />
(n = 11)<br />
1997<br />
(n = 13)<br />
signifikante abiotische Faktoren Parameter-<br />
Schätzung<br />
partielles<br />
Signifikanzniveau<br />
Kösterbeck-Unterlauf (getesteter Zeitraum: 25. 04.-12. 06.)<br />
- Lufttemperatur kumuliert<br />
- Globalstrahlung Neubrandenburg<br />
kumuliert<br />
- Lufttemperatur kumuliert<br />
- Wassertemperatur<br />
0,054<br />
-0,003<br />
p = 0,0008<br />
p = 0,0026<br />
0,013 p = 0,0001<br />
-2,280 p = 0,0930<br />
Beke/Referenzstrecke (getesteter Zeitraum: 15. 04.-25. 06.)<br />
- Lufttemperatur<br />
-0,220 p = 0,0059<br />
- Lufttemperatur kumuliert 0,080 p = 0,0131<br />
- Globalstrahlung Heiligendamm 0,014 p = 0,0126<br />
- Globalstrahlung Neubrandenburg<br />
kumuliert<br />
-0,006 p = 0,0107<br />
- Lufttemperatur kumuliert -0,070 p = 0,0427<br />
- Globalstrahlung Neubrandenburg<br />
kumuliert<br />
0,004 p = 0,0722<br />
Nebel-Oberlauf (getesteter Zeitraum: 15. 04.-25. 05.)<br />
- Lufttemperatur<br />
-0,200 p = 0,0376<br />
- Lufttemperatur kumuliert -0,005 p = 0,0326<br />
- Wassertemperatur<br />
7,380 p = 0,0065<br />
- Niederschlag<br />
0,120 p = 0,0905<br />
- Lufttemperatur kumuliert<br />
- Wassertemperatur<br />
- Niederschlag<br />
-0,010<br />
7,040<br />
-0,200<br />
p = 0,0049<br />
p = 0,0260<br />
p = 0,0807<br />
Korleputer Bach /alle Laichplätze (getesteter Zeitraum: 10. 05.-20. 06.)<br />
- Lufttemperatur kumuliert<br />
- Globalstrahlung Heiligendamm<br />
- Globalstrahlung Neubrandenburg<br />
kumuliert<br />
- Niederschlag<br />
- Wassertemperatur<br />
- Globalstrahlung Neubrandenburg<br />
- Globalstrahlung Neubrandenburg<br />
kumuliert<br />
0,110<br />
0,010<br />
-0,009<br />
0,510<br />
1,030<br />
0,004<br />
0,0003<br />
p = 0,0047<br />
p = 0,0016<br />
p = 0,0044<br />
p = 0,0044<br />
p = 0,0575<br />
p = 0,0244<br />
p = 0,0159<br />
R 2 des Gesamtmodells<br />
(„Erklärungsgehalt“)<br />
glob. Signifikanzniveau<br />
0,67<br />
p = 0,0001<br />
0,66<br />
p = 0,0003<br />
0,71<br />
p = 0,0011<br />
0,51<br />
p = 0,0065<br />
0,78<br />
p = 0,0178<br />
0,53<br />
p = 0,0172<br />
0,85<br />
p = 0,0115<br />
0,66<br />
p = 0,0157
Es wird deutlich, dass kein Parameter allein ausschlaggebend <strong>für</strong> den Verlauf der Reproduktion<br />
ist. Die Faktoren wirken in Kombination, wobei jedoch die Korrelation zwischen den abiotischen<br />
Faktoren verhältnismäßig gering ist.<br />
Um den auslösenden Charakter bestimmter Faktoren zu ermitteln, wurden in der Auswertung<br />
Reproduktionsverlauf und Entwicklung der Wetterdaten (einschließlich der o. g. kumulativen<br />
Reihen) gegenübergestellt (aus Platzgründen wird hier auf die graphische Darstellung verzichtet).<br />
Es ergaben sich keine allgemeingültigen Zusammenhänge; in der Diskussion wird aber auf<br />
mögliche Abhängigkeiten hingewiesen.<br />
3.3 Größe von Adultbeständen des Bachneunauges<br />
Abb. 3 zeigt den Verlauf des Laichgeschehens sowie die durch Markierung ermittelten Abundanzen<br />
an Laichtieren auf den Referenzstrecken im Korleputer Bach.<br />
Korleputer Mühlbach unterhalb Sohlabsturz Mühle<br />
Adulti<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
15. 19. 23. 27. 1. 5. 9. 13. 17. 21. 25. 29. 2. 6. 10. 14. 18. 22. 26. 30. 4. 8. 12.<br />
April Mai Juni Juli<br />
Laichgeschehen Anzahl Laichtiere (kumuliert)<br />
Korleputer Mühlbach oberhalb Dieckhof (Ausbaustrecke)<br />
Adulti<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
15. 18. 21. 24. 27. 30. 3. 6. 9. 12. 15. 18. 21. 24. 27. 30. 2. 5. 8. 11. 14. 17. 20.<br />
April Mai Juni<br />
Laichgeschehen Anzahl Laichtiere (kumuliert)<br />
Abb. 3: Korleputer Bach (Laichsaison 1997): Beobachtetes Laichgeschehen und Ergebnisse<br />
des Markierungsversuchs an adulten Bachneunaugen auf zwei Referenzstrecken<br />
Am Referenzabschnitt Sohlabsturz Mühle Korleput konnten insgesamt 141 adulte Bachneunaugen<br />
markiert werden. Die Beobachtung des Laichgeschehens ergab einen Maximalwert von 38<br />
Tieren am 13. Juni (= 26,9 % des Gesamtbestandes).<br />
Am Referenzabschnitt oberhalb von Dieckhof kamen im Verlauf der Laichsaison 1997 insgesamt<br />
54 Bachneunaugen zum Laichplatz; dabei waren maximal 14 Tiere am Laichplatz zu beobachten<br />
(30. Mai; 2. und 5. Juni; = 25,9 % des Gesamtbestandes). Es wird angenommen, dass<br />
die insgesamt markierten Tiere jeweils den Gesamtbestand an adulten Bachneunaugen im Gewässerabschnitt<br />
repräsentieren.<br />
Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Einzeltiere wurde <strong>für</strong> den Laichplatz Sohlabsturz<br />
Mühle Korleput mit 1,53 Tagen, <strong>für</strong> den Laichplatz Dieckhof mit 2,<strong>34</strong> Tagen ermittelt (zur Berechnung<br />
vergl. Kap. 2). Da die Feldbeobachtungen zum Reproduktionsgeschehen im Abstand<br />
von ein bzw. mehreren Tagen durchgeführt wurden, wird <strong>für</strong> Abschätzungen der Bestandsgrößen<br />
vereinfachend ein ganzzahliger Wert von 2 Tagen Aufenthaltsdauer zugrunde gelegt.<br />
Im Ergebnis der durchgeführten Markierungen besteht die Möglichkeit, aus Daten der Beobachtung<br />
des Reproduktionsgeschehens Laicherbestände beim Bachneunauge abzuschätzen<br />
(Hochrechnung unter Nutzung von Mittelwerten beider Modellabschnitte des Korleputer Baches):<br />
das Maximum im Laichgeschehen (höchste Abundanz auf dem Laichplatz) entspricht ca. 26 %<br />
des gesamten Laicherbestandes<br />
• die durchschnittliche Aufenthaltsdauer jedes Einzeltieres auf dem Laichplatz beträgt ca. 2<br />
Tage<br />
39
Demnach ergeben sich <strong>für</strong> die Untersuchungsgewässer folgende Laicherbestandsgrößen:<br />
Tabelle 5: Abschätzung von Laicherbestandsgrößen des Bachneunauges nach<br />
zwei Verfahren<br />
40<br />
abgeleitete Bestandsgröße<br />
aus durchschnittlicher<br />
Aufenthaltsdauer der Individuen<br />
abgeleitete Bestandsgröße<br />
aus Maximalwert des<br />
Laichgeschehens<br />
Gewässerabschnitt / Jahr 1995 1996 1997 1995 1996 1997<br />
Kösterbeck-Unterlauf<br />
- Abschnitt unterhalb Wehr<br />
- Abschnitt oberhalb Wehr<br />
- gesamt<br />
Nebel-Oberlauf<br />
(gesamter Abschnitt)<br />
Korleputer Bach (Laichplatz unterhalb<br />
Sohlabsturz Korleputer Mühle)<br />
Beke-Groß Gischow<br />
(nur Referenzstrecke)<br />
Beke-Oberlauf **<br />
(Abschätzung <strong>für</strong> alle Laichplätze)<br />
173<br />
33<br />
206<br />
174<br />
15<br />
189<br />
387<br />
69<br />
456<br />
177<br />
74<br />
251<br />
188<br />
15<br />
203<br />
331<br />
62<br />
393<br />
18 198 289 35 154 254<br />
23 36 189* 96 58 146*<br />
383 295 452 412 238 312<br />
2.623 2.020 3.096 2.820 1.630 2.137<br />
* <strong>für</strong> 1997 liegt <strong>für</strong> diesen Laichplatz ein Ergebnis des Markierungsversuchs vor (s. o.)<br />
** Im Rahmen einer einmaligen quantitativen Kontrolle aller Laichplätze im Oberlauf der Beke wurde ermittelt, dass<br />
der Laicherbestand auf der ständig untersuchten Referenzstrecke ca. 14,6 % der insgesamt in der Beke reproduzierenden<br />
Bachneunaugen umfasst. Die in der Tabelle vorgenommene Abschätzung des Laicherbestandes<br />
der Beke insgesamt geht von einer gleichbleibenden Verteilung der Neunaugen auf den Laichplätzen in den untersuchten<br />
Laichsaisons aus (vereinfachende Annahme).<br />
Diskussion<br />
Durch eigene Untersuchungen wurde gezeigt, dass die Zahl laichender Adulti im Tagesverlauf<br />
zunimmt und den Höhepunkt am frühen Abend erreicht.<br />
Nach WATERSTRAAT (1989) fanden Ablaichen und Balzen „überwiegend am Tage“ statt; KRAPPE<br />
1996 führte Laichbeobachtungen bei Bachneunaugen „aufgrund von Erfahrungswerten“ in den<br />
Nachmittags- und frühen Abendstunden durch. Auch KUBICEK (1993) ermittelte die höchsten<br />
Laichaktivitäten in den frühen Nachmittagsstunden. SOKOLOW et al. (1992) beobachteten das<br />
Einsetzen des Laichgeschehens in den Mittagsstunden und fanden am frühen Abend die<br />
höchste Aktivität. Im Ergebnis der o. g. Beobachtungen und verschiedener Literaturangaben<br />
fand die Erfassung des Reproduktionsgeschehens beim Bachneunauge am Nachmittag statt.<br />
Die Erklärung des Reproduktionsverlaufs erfolgt bisher in der Regel anhand der Wassertemperatur.<br />
Die von HARDISTY (1944, 1961) und anderen Autoren (z. B. LOHNISKI 1966; SCHADT 1993)<br />
publizierte Wassertemperatur von 10-11 °C als gener eller „Auslöser“ <strong>für</strong> Laichgeschehen bei<br />
Lampetra planeri konnte in der vorliegenden Untersuchung nicht bestätigt werden. Die hier als<br />
„auslösende“ Temperaturen ermittelten Werte umfassen ein relativ großes Spektrum und liegen<br />
zwischen 9,0 und 16,5 °C (Mittel 12,4 °C).<br />
Da jedoch diese Temperaturen vor Beginn des Laichgeschehens bzw. lange vor dem Höhepunkt<br />
der Reproduktion mehrfach überschritten wurden, ist die Wassertemperatur ohnehin nur<br />
als ein Faktor in Betracht zu ziehen, der den Beginn der Fortpflanzungsaktivitäten beeinflusst.<br />
Zweifellos bestimmt das Temperaturregime im Zeitraum vor der unmittelbaren Laichzeit den<br />
Beginn der Zuwanderung zum Laichplatz und kann so das „Gesamtverhaltensmuster Reproduktion“<br />
auslösen. MALMQUIST (1980) stellte fest, dass bei 7,5 °C Wassertempera tur die Laichwanderung<br />
begann, und zwar ein bis zwei Monate vor Beginn des eigentlichen Laichgeschehens.<br />
KRAPPE (1996) beobachtete den Beginn der Laichwanderung infolge eines Temperaturanstieges<br />
von 9,5 auf 14 °C ca. zehn Tage vor Begin n der Reproduktion. SOKOLOW et al. (1992)
fanden die ersten adulten Bachneunaugen bereits Ende April nach einem Hochwasser bei etwa<br />
4 °C Wassertemperatur, während das Laichgeschehen e rst ca. zwei Wochen später bei 10-11<br />
°C Wassertemperatur einsetzte.<br />
SEVERSMITH (1953) zeigte an Lampetra aepyptera, dass die Adulti das Sediment bereits bei<br />
11 °C verlassen, Laichgeschehen aber erst bei ca. 1 6 °C einsetzt. H ARDISTY (1961) konnte Zusammenhänge<br />
zwischen der Temperatur unmittelbar vor der Laichzeit und dem Einsetzen des<br />
Laichgeschehens finden; ein Langzeiteinfluss (Betrachtung mehrerer Wochen vor der Laichzeit)<br />
war nicht nachweisbar. Auch bei seinen Untersuchungen (ebd.) wurde jedoch im Vorfeld des<br />
Laichgeschehens die „auslösende“ Temperatur teilweise mehrfach überschritten, ohne dass<br />
dadurch Reproduktionsverhalten veranlasst wurde; ein im Rahmen der vorliegenden Untersuchung<br />
mehrfach beobachtetes Phänomen (besonders an Kösterbeck und Korleputer Bach, wo<br />
das Maximum vergleichsweise spät auftritt).<br />
KUBICEKS Beobachtungen (1993) zeigten ebenfalls, dass mehrfach vor der Laichzeit starke<br />
Wassertemperaturanstiege (> 15 °C) stattfanden, die die Reproduktion nicht auslösten, während<br />
später bei niedrigeren Temperaturen (11-13 °C) gelaicht wurde.<br />
LOHNISKY (1966) stellte zwar den Beginn der Laichaktivität bei 10 °C fest, doch konnte er im<br />
Verlauf der Reproduktion Aktivitäten bei bemerkenswert hohen Wassertemperaturen von bis zu<br />
26 °C beobachten.<br />
Die untersuchten Bestände des Bachneunauges reproduzieren nach sehr verschiedenem zeitlichem<br />
Muster. Es lässt sich ein „früher“ (Beke, Nebel) und ein „später Typ“ (Kösterbeck, Korleputer<br />
Bach) unterscheiden. Möglicherweise bedingt die bereits sehr lange wirkende Isolation<br />
der untersuchten Populationen die Herausbildung gewässer- bzw. populationsspezifischer Verhaltensweisen.<br />
Während bereits innerhalb des Warnowsystems erhebliche Differenzen zwischen den Laichterminen<br />
gefunden wurden, liegt die Spanne im Vergleich <strong>für</strong> Mitteleuropa noch weitaus größer.<br />
So beschrieb LAUTERBORN (1926) bereits <strong>für</strong> den März Laichgeschehen des Bachneunauges in<br />
Seitengewässern des Rheins; unter den klimatischen Bedingungen des Mittelgebirges fand die<br />
Reproduktion in slowakischen Bächen erst im Juli statt (HOLCIK 1970).<br />
Die Bachneunaugen in der Beke und im Nebel-Oberlauf reagierten unmittelbar auf Anstiege der<br />
Lufttemperatur über 10 °C. Auf Überschreiten eines Wertes der Globalstrahlung von ca. 2.200<br />
J/cm 2 wurde mit geringer Verzögerung reagiert. Für diese Bestände des „frühen Typs“ scheinen<br />
Werte in der genannten Größenordnung auslösenden Charakter zu besitzen.<br />
Unabhängig von hohen Werten der Lufttemperatur zeigten die Bachneunaugen im Unterlauf der<br />
Kösterbeck sowie im Korleputer Mühlbach zunächst kaum oder kein Laichgeschehen. Werte,<br />
bei denen später die Reproduktion begann, wurden bereits vorher erreicht. Hier scheint ein<br />
Summeneffekt vorzuliegen. Die Bachneunaugen des „späten Typs“ begannen mit der Fortpflanzung,<br />
nachdem die Temperatursumme von ca. 600 °C (Lufttemperatur) erreicht war (der<br />
subjektiv festgelegte Beginn der Kumulation ist dabei zu beachten). Diese Annahme wird dadurch<br />
bestätigt, dass die kumulierte Lufttemperatur in fast allen Modellen signifikanten Einfluss<br />
auf den Verlauf des Laichgeschehens hatte (s. o.).<br />
Möglicherweise besitzt aber die Globalstrahlung auch <strong>für</strong> den „späten Typ“ auslösenden Charakter;<br />
die Reproduktion fiel jeweils mit dem Erreichen von Globalstrahlungswerten um 3.000<br />
J/cm 2 zusammen.<br />
Interessanterweise scheint das zweite Maximum des Laichgeschehens in der Beke, welches<br />
jährlich zu beobachten war, ähnlichen Gesetzmäßigkeiten zu unterliegen, wie das Laichgeschehen<br />
in der Kösterbeck und im Korleputer Bach generell.<br />
Der Einfluss verschiedener abiotischer Faktoren auf Beginn und Verlauf des Laichgeschehens<br />
beim Bachneunauge ist nach wie vor nicht hinreichend geklärt. Zu auslösenden Faktoren bzw.<br />
der Größenordnung entsprechender Werte konnten ausgewählte Fallbeispiele vorgestellt werden<br />
(z. B. war die Eingrenzung eines Temperaturbereichs möglich). Ungeklärt blieb, warum<br />
zwischen räumlich benachbarten Beständen derart große Unterschiede im zeitlichen Verlauf<br />
der Reproduktion zu verzeichnen sind.<br />
Hier sollten weitere Untersuchungen ansetzen, um Mechanismen der externen (oder internen?)<br />
„Steuerung“ der Fortpflanzung aufzuklären. Günstige Vorraussetzungen zur Aufdeckung entsprechender<br />
Zusammenhänge existieren besonders in Jahren mit extremem Witterungsverlauf<br />
41
(besonders zeitige oder sehr späte Erwärmung), da dann Bindungen entweder an Absolutwerte<br />
oder an bestimmte Summen einzelner Faktoren offensichtlicher werden.<br />
Für die Reproduktion der Bachneunaugen am Korleputer Bach ergab sich eine mittlere Aufenthaltsdauer<br />
des Individuums auf dem Laichplatz von ca. 2 Tagen.<br />
Angaben zur Dauer des Aufenthaltes von Bachneunaugen auf dem Laichplatz finden sich bislang<br />
nur spärlich in der Literatur: BOHL & STROHMEIER (1992) unternahmen Experimente zur<br />
Fortpflanzung des Bachneunauges und berichteten, dass sich „der Laichakt einer Gruppe von<br />
Tieren über Tage hinzog“. Acht Tage nach der Paarung waren alle Tiere verendet (ebd.). Bei<br />
Aquarienversuchen von QUITTSCHAU (1987) trat der Tod der Tiere 3-5 Tage nach Beginn der<br />
Reproduktion ein. KUBICEK (1993) wies durch Videobeobachtung nach, dass die längste Aufenthaltsdauer<br />
auf dem Laichplatz 3 Tage betrug. SOKOLOW et al. (1992) schlossen aus Beobachtungen<br />
zur Nesterbelegung, dass die Aufenthaltsdauer der Adulti etwa zwei bis drei Tage<br />
beträgt.<br />
MALMQUIST (1983) berichtete aufgrund von Aquarienversuchen, dass Männchen länger am<br />
Laichgeschehen teilnehmen als Weibchen; gleiches gibt auch SALEWSKI (1991) an.<br />
Mit Hilfe der im Markierungsexperiment ermittelten Grundlagen wurden <strong>für</strong> die Untersuchungsgewässer<br />
Laicherbestände in ihrer Größenordnung abgeschätzt. Tabelle 5 zeigt, dass die Anzahl<br />
laichender Adulti im Vergleich aufeinanderfolgender Jahre stark schwanken kann. Die Bestände<br />
differieren etwa um den Faktor 1,6 (Beke) bis 11 (Nebel-Oberlauf; jeweils unter Verwendung<br />
von Mittelwerten aus beiden Methoden zur Bestandsgrößenschätzung abgeleitet). Diese<br />
Werte sprechen <strong>für</strong> eine relativ ausgeprägte Populationsdynamik. Um zu Aussagen über<br />
Trends in der Bestandsentwicklung zu gelangen, sind die untersuchten Intervalle jedoch zu<br />
kurz. Belege <strong>für</strong> jährlich fluktuierende Laicherbestände des Bachneunauges finden sich auch<br />
bei HARDISTY (1961) und KRAPPE (1996).<br />
Die Gegenüberstellung der Ergebnisse beider Methoden zur Bestandsgrößenschätzung ergibt<br />
teils relativ gute Übereinstimmungen der Werte (z. B. Kösterbeck-Unterlauf), in einigen Fällen<br />
aber auch größere Abweichungen (vor allem Korleputer Bach). Dies zeigt, dass die Angaben<br />
aus Tabelle 18 nur ein erster Versuch sein können, Laicherbestandsgrößen aufgrund der angenommenen<br />
Zusammenhänge abzuschätzen. Beide Verfahren berücksichtigen nicht ausreichend<br />
das Auftreten unterschiedlicher Laichphänologien.<br />
Die Basis-Werte der Abschätzungen (Aufenthaltsdauer und Anteil Maximum am Laicherbestand)<br />
wurden im Rahmen der Markierungsversuche im Korleputer Bach 1997 erhoben. Diese<br />
Laichsaison war lang und durch mehrere zeitliche Schwerpunkte gekennzeichnet (mehrgipflige<br />
Verteilung; vergl. Abb. 3). Damit entsprach sie dem <strong>für</strong> die Untersuchungsgewässer<br />
festgestellten typischen Verlauf der Reproduktion, so dass die Übertragung der Ergebnisse auf<br />
die anderen untersuchten Bestände des Bachneunauges gerechtfertigt erscheint. Mit den o. g.<br />
Verfahren ist zumindest eine Abschätzung der Größenordnung der Adultbestände möglich.<br />
Allein aus Daten des Laichmonitorings (= relative Häufigkeiten) war es bisher unmöglich, auf die<br />
Zahl der insgesamt am Laichplatz erschienenen Bachneunaugen zu schließen. Der von WA-<br />
TERSTRAAT (1989) angenommene Faktor von beobachteten 75 % des Bestandes am Tag der<br />
höchsten Laichaktivität erscheint im Ergebnis der vorliegenden Untersuchungen und in Auswertung<br />
der Literaturangaben zur Laichdauer als deutlich zu hoch.<br />
Zusammenfassung<br />
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden Populationen des Bachneunauges (Lampetra planeri)<br />
in den Untersuchungsgewässern Kösterbeck, Nebel und Beke (Warnoweinzugsgebiet)<br />
sowie Korleputer Mühlbach (Recknitzeinzugsgebiet) bearbeitet.<br />
Ziel war die Untersuchung bislang offener Fragestellungen zur Fortpflanzungsökologie an mehreren,<br />
teils isolierten Populationen mit den Schwerpunkten:<br />
• Bestandsgröße (Zahl der Adulti),<br />
• Einfluss abiotischer Parameter auf Beginn und Verlauf der Reproduktion und<br />
• Darstellung gewässerspezifischer Unterschiede in der Reproduktionsphase.<br />
42
Zur Bearbeitung dieser Zielstellungen wurden im Rahmen einer Substratkartierung zunächst<br />
alle potentiellen Laichplätze erfasst und im Verlauf von drei Laichsaisons die Reproduktion der<br />
Bachneunaugen in den Untersuchungsgewässern beobachtet. Im Rahmen eines Markierungsexperimentes<br />
wurden Grundlagen zur Abschätzung von Bestandsgrößen laichender Bachneunaugen<br />
ermittelt.<br />
Die wichtigsten Ergebnisse sind:<br />
• Die Dauer der Laichzeit beim Bachneunauge war stets sehr lang (6-8 Wochen); die Maxima<br />
im Laichgeschehen umfassen jedoch nur ein bis wenige Tage.<br />
• Der Verlauf der Reproduktion zeigte hohe Gewässerspezifität. Innerhalb eines Baches laichten<br />
die Bachneunaugen jährlich nach annähernd gleichem Zeitmuster, während die Unterschiede<br />
zwischen den Gewässern trotz räumlicher Nähe und Zugehörigkeit zum gleichen<br />
Gewässersystem teilweise erheblich waren (Verschiebung der Maxima um bis zu fünf Wochen).<br />
• Beginn und Verlauf der Laichzeit wurden durch einen Komplex verschiedener abiotischer<br />
Faktoren gesteuert (signifikanten Einfluss zeigten z. B. Lufttemperatur und Globalstrahlung).<br />
Die Wassertemperatur hatte nur in einigen Modellen signifikanten Einfluss auf den Reproduktionsverlauf<br />
und reicht zur detaillierten Erklärung des Laichgeschehens keinesfalls aus.<br />
Übergreifende Zusammenhänge konnten nicht ermittelt werden; der Einfluss bestimmter<br />
Faktoren war großen gewässerspezifischen bzw. saisonalen Unterschieden unterworfen.<br />
• Für Bachneunaugen wurde eine durchschnittliche Aufenthaltsdauer des Einzeltieres auf dem<br />
Laichplatz von 2 Tagen ermittelt. Markierungsexperimente ergaben, dass zum Höhepunkt<br />
des Laichgeschehens ca. 26 % der insgesamt zum Laichen erscheinenden Bachneunaugen<br />
beobachtet werden konnten.<br />
• Die Abschätzung der Laicherbestandsgrößen ergab <strong>für</strong> den Nebel-Oberlauf ca. 35-250 Individuen,<br />
<strong>für</strong> den Kösterbeck-Unterlauf ca. 200-400 Individuen, <strong>für</strong> den Korleputer Bach (nur<br />
Referenzstrecke unterhalb des Sohlabsturzes) ca. 80-100 Individuen und <strong>für</strong> die Beke (ohne<br />
Nebengewässer) ca. 2.200-2.600 Individuen, bezogen jeweils auf drei Untersuchungsjahre.<br />
43
Evaluierung der Hechtbesatzmaßnahmen im Peenestrom<br />
Dorow, M.<br />
Abstract<br />
The Peenestrom is the brackish water connection between the Greifswalder Bodden and Stettiner<br />
Haff in the north east of Germany with an area of about 17.500 ha.<br />
The stocking program started in the year 2000. Till the end of <strong>2004</strong>, about 113.000 individuals<br />
of pike (age: 1 + ) will be stocked.<br />
In the years 2000-2002, over 24.850 pikes were marked by injection of Alcianblue. With the help<br />
of 8 local commercial fishermen a recapture experiment was carried out. The recapture rates<br />
were 2,39% (2002) and 0,97% (2003).<br />
Our own investigations took place in the years 2003/<strong>2004</strong>. In addition to the data of commercial<br />
fishery, monthly sampling by set nets was carried out. Another aim of the study was to calculate<br />
the influence of recreational fishery (angling) on the pike population in the Peenestrom. A<br />
monthly roving creel survey was done. The total yield by both the commercial and recreational<br />
fishery for pike was found to be about 1, 15 kg/ha. The catch of pike by recreational fishery was<br />
in the same order of magnitude as by commercial fishery.<br />
It is concluded, that the stocking program should be stopped for ecological and economic reasons.<br />
An integration of the stocked pike into the native population was not found. The current<br />
exploitation does not exceed the potential yield estimated according to the model of GRIMM<br />
(1981, 1989).<br />
Einleitung<br />
Der Besatz mit Hecht hat eine lange Tradition in den Küstengewässern von Mecklenburg-<br />
Vorpommern. Zur Steigerung bzw. Absicherung der Hechterträge wurde schon um 1900 diese<br />
Managementmaßnahme durchgeführt (SUBKLEW, 1955). Mit Beginn der zweiten Hälfte des letzten<br />
Jahrhunderts kam es in Folge zurückgehender Erträge beim Hecht zu einem Ausbau der<br />
Besatzmaßnahmen. Eine Korrelation zwischen Besatzmenge und Hechterträgen war zumeist<br />
nicht feststellbar (JUNKER, 1988). Es gelang erst später, den Abfall der Hechtanlandungen mit<br />
der Eutrophierung der Küstengewässer zu erklären (WINKLER, 1990).<br />
Der Auslöser <strong>für</strong> ein erneutes Besatzprogramm im Peenestrom waren Klagen über zurückgehende<br />
Fänge im Zeitraum von 1997-1999. Daraufhin wurde auf Initiative der Landesregierung<br />
Mecklenburg-Vorpommern, welche das gesamte Projekt finanzierte, ein erneuter Besatz mit<br />
Hechten im Bereich des Peenestroms ab dem Jahr 2000 vorgenommen. Als Besatzmaterial<br />
wurden auf Vorschlag der <strong>Landesforschungsanstalt</strong> <strong>für</strong> Fischerei einjährige Hechte (H1) verwendet,<br />
da diese <strong>für</strong> ein Markierungsexperiment besser und einfacher zu handhaben sind. Die<br />
Erfahrungen zeigten weiterhin, dass die Verwendung von Hechtbrut bzw. Hechtsetzlinge sich<br />
scheinbar in der Vergangenheit nicht bewährt hatten.<br />
Eine Rechtfertigung der Besatzmaßnahmen wäre dann gegeben, wenn sich die Besatzhechte<br />
in die existierende Hechtpopulation eingliedern würden. Gleichzeitig müsste eine Bestandsübernutzung<br />
beim Hecht nachweisbar sein. Das Hauptaugenmerk des Untersuchungsprogramms<br />
lag bei der Beantwortung dieser beiden Fragen. Hierzu wurde folgendes übergreifendes<br />
Konzept erstellt:<br />
44
Markierungsexperiment Entnahmemengen<br />
Bestimmung von Wiederfangrate<br />
und Wanderungsverhalten<br />
Beurteilung des<br />
Integrationsvermögens<br />
Berufsfischerei<br />
Bewertung der<br />
Besatzmaßnahmen<br />
Managementempfehlung<br />
Abb. 1: Konzept zur Bewertung der Besatzmaßnahmen<br />
Freizeitfischerei<br />
Gesamtentnahme<br />
Sportfischerei<br />
Der Verbleib der Besatzhechte sollte über ein Markierungsexperiment mit einer Laufzeit von 3<br />
Jahren aufgeklärt werden, was letztendlich Aussagen über das Integrationsvermögen zulässt.<br />
Für die Bestimmung der Gesamtentnahme mussten zunächst die wirkenden Nutzergruppen<br />
identifiziert werden. Die Entnahme der Sportfischerei (Fang mit der Handangel) und der Freizeitfischerei<br />
(Fang mit kommerziellen Methoden zum Eigenbedarf) unterliegen keiner statischen<br />
Betreuung seitens der Landesregierung, so dass hier<strong>für</strong> eigene Herangehensweisen zur Bestimmung<br />
der Fangmenge entwickelt werden musste. Eine statistische Erfassung der Fänge lag<br />
lediglich <strong>für</strong> die Berufsfischerei vor (Landesamt <strong>für</strong> Fischerei, Rostock).<br />
Das eigene Befischungsprogramm im Jahr 2003 sollte die Auswertbarkeit des Markierungs-<br />
Experimentes absichern und zudem Daten zur Charakterisierung der Hechtpopulation im Peenestrom<br />
liefern.<br />
Material und Methoden<br />
Peenestrom<br />
Der Peenestrom und seine Randgewässer sind ein stark süßwasserbeeinflusstes Küstengewässer<br />
(LAUTERBACH, 2001) mit einer Gesamtgröße von rund 17.500 ha (Abb. 2). Die wichtigsten<br />
hydrographischen Eigenschaften des Gewässers sind in Tabelle 1 aufgelistet.<br />
Tabelle 1: Zusammenstellung der wichtigsten Gewässerparameter des Untersuchungsgebiets<br />
Gewässerparameter Peenestrom und Achterwasser<br />
Mittlere Tiefe Peenestrom 2,6 m; Achterwasser 3,0 m<br />
Maximale Tiefe Peenestrom 16 m; Achterwasser 4,0 m<br />
Primärproduktion 362 g C/m²*a<br />
Trophiestatus eutroph bis polytroph (WESTPHAL & LENK, 1997)<br />
Salzgehalt Nordteil: 3-8 ‰; Südteil 1-4 ‰<br />
45
Abb. 2: Besatzgebiete im Peenestrom, Gebiet 1: Freest; Gebiet 2: Rankwitz (Quelle LFA –<br />
Institut <strong>für</strong> Fischerei)<br />
Umfang der Besatzmaßnahmen und Markierungsexperiment<br />
Im Zeitraum von 2000 bis <strong>2004</strong> wurden rund 113.000 H1 mit einer Besatzdichte von 11.000 bis<br />
32.500 Stück pro Jahr ausgebracht. Die mittlere Länge der Beatzhechte betrug 27 cm. Das gesamte<br />
Besatzmaterial wurde durch Binnenfischereiunternehmen des Landes M-V erzeugt.<br />
Für die Bestimmung der Wiederfangrate wurden unterschiedliche Anteile der Besatzfische aus<br />
den Jahren 2000 bis 2002 durch eine subkutane Injektion mit Alcianblau in den Ansatz der paarigen<br />
Flossen markiert. Mit den beiden Markierungsvarianten (Brust- bzw. Bauchflossenansatz)<br />
war eine Unterscheidung der beiden Besatzgebiete (Abb. 2) möglich.<br />
Tabelle 2: Zusammenstellung der Besatzzahlen und Anzahl der markierten Hechte<br />
(2000-<strong>2004</strong>)<br />
Besatzjahr Besatzmenge [Stk.] Markierte Fische [Stk.] Anteil markierte Fische [%]<br />
46<br />
2000 11.000 3.735 <strong>34</strong><br />
2001 22.300 20.080 89<br />
2002 15.000 10.648 72<br />
2003 32.500 - -<br />
<strong>2004</strong> Geplant: 32.500 - -<br />
Um Wiederfänge im gesamten Untersuchungsgebiet zu garantieren, wurden <strong>für</strong> die Jahre 2002<br />
und 2003 acht Berufsfischer vertraglich gebunden, die sowohl Daten über den Hechtfang als<br />
auch Meldungen über markierte Fische lieferten.<br />
Entnahmemenge<br />
1<br />
2<br />
Berufsfischerei<br />
Für die Bestimmung der Fangmenge der Berufsfischerei lag die gebietsspezifische Fangstatistik<br />
des Landesamtes <strong>für</strong> Fischerei vor.
Freizeitfischerei<br />
Die Abschätzung der Entnahmemenge der Freizeitfischerei erfolgte auf drei Wegen:<br />
• Verwendung des Einheitsfanges (CPUE) der eigenen Stellnetzbefischung<br />
• Eine Telefonumfrage bei 10 Freizeitfischern<br />
• Daten aus einem Angelverein, in welchem auch Freizeitfischer organisiert sind<br />
Sportfischerei<br />
Zur Ermittlung der Fangmenge der Angler wurde eine monatliche zweitägige direkte Zählung<br />
des Angelaufkommens gekoppelt mit einer stichprobenartigen Befragung direkt vor Ort durchgeführt.<br />
Innerhalb der Interviews (N=115) wurden verschiedene Angaben bezüglich des Angelaufwandes,<br />
Fangerfolgs und den Besatzmaßnahmen erhoben. Aus diesen Angaben lassen sich<br />
zwei Basiswerte, die den Hechtfang pro Stunde wiedergegeben, berechnen. Ein Basiswert bezieht<br />
sich dabei auf die in den Interviews beobachteten Hechtfänge. Der andere nutzt die Daten<br />
zum jährlichen Hechtfang. Mit dem Gesamtaufwand der Angler (in Stunden), welcher sich aus<br />
dem Angleraufkommen und der durchschnittlichen Anglerdauer ergibt und der Multiplikation mit<br />
den jeweiligen Basiswert, kann der Hechtfang der Angler abgeschätzt werden. Als potenzielle<br />
Hechtfänger sind nur Sportfischer, welche mit Kunstködern angelten, berücksichtigt.<br />
Eigene Befischung<br />
Im Jahr 2003 (April bis Dezember) wurden 8 verschiedene Gebiete im Peenestrom monatlich<br />
mit Stellnetzen beprobt. Im Vordergrund standen dabei die Charakterisierung der Hechtpopulation<br />
(siehe hierzu DOROW & LEMCKE, <strong>2004</strong>) und der Fang von markierten Fischen zur Bewertung<br />
der Rückmeldungen der Vertragsfischer. Zusätzlich wurde im Oktober 2003 eine Zugnetzbefischung<br />
<strong>für</strong> die Ermittlung der Hechtdichte (kg/ha) in ausgewählten Habitaten durchgeführt.<br />
Ergebnisse<br />
Markierungsexperiment<br />
Um eine Auswertbarkeit der Rückmeldungen der Vertragsfischer zu gewährleisten, müssen<br />
folgende Annahmen und Einschränkungen getroffen werden.<br />
Die Markierung bleibt bei 75 % der Fische <strong>für</strong> ein Jahr erhalten. Weiterhin wird keine erhöhte<br />
Mortalität durch die Markierung hervorgerufen. Somit bleibt ein Besatzjahrgang <strong>für</strong> ein Jahr sicher<br />
verfolgbar.<br />
Hinsichtlich der Vertragsfischer gilt, dass diese 37 % der Fangmenge der Berufsfischerei beim<br />
Hecht ausmachen. Rückfänge kurz nach dem Besatz sind nicht berücksichtigt, um eine Vermischung<br />
der Besatzhechte mit der vorhandenen Population zu garantieren.<br />
Die Fängigkeit der Hechte ist nicht beeinflusst durch die Markierung, Herkunft der Hechte und<br />
dem Befischungsgebiet. Ein Vergleich des Verhältnisses von unmarkierten zu markierten Hechten<br />
bei der Stellnetzbefischung der Berufsfischerei und der eigenen Befischung zeigt, dass die<br />
Daten der Vertragsfischer als vertrauenswürdig anzusehen sind.<br />
Ausgehend von der Abb. 3 lassen sich folgende Aussagen bezüglich dem Wanderungsverhalten<br />
der Besatzhechte treffen:<br />
• Eine Konzentrierung der Wiederfänge im nördlichen Bereich liegt in beiden Jahren vor.<br />
• Zudem ist eine Abwanderung in Richtung Greifswalder Bodden dokumentiert.<br />
• Eine Vermischung der Besatzhechte aus den beiden Besatzgebieten ist im Bereich des<br />
Achterwassers zu beobachten.<br />
• Für den nördlichen Teil des Peenestroms sind in beiden Jahren mehr Rückmeldungen<br />
vorhanden.<br />
47
48<br />
2002<br />
Besatzgebiet 1<br />
Besatzgebiet 2<br />
Abb. 3: Orte der Wiederfänge <strong>für</strong> 2002 und 2003 (Ein Punkt gibt eine bestimmte Anzahl<br />
von Rückmeldungen <strong>für</strong> ein geographischen Ort wieder)<br />
Die Anzahl der Wiederfänge und die dazugehörige Wiederfangrate der Vertragsfischer sind in<br />
Tabelle 3 dargestellt. Dabei fällt die Wiederfangrate <strong>für</strong> das Besatzjahr 2002 niedrigerer aus als<br />
<strong>für</strong> das vorangegangene Jahr.<br />
2003<br />
Tabelle 3: Wiederfänge durch die Vertragsfischer<br />
Besatzjahr Stückzahl markierte Fische Wiederfangrate (%)<br />
2001 360 2,39<br />
2002 77 0,97<br />
Unter Berücksichtigung des Anteils der Vertragsfischer an der Anlandungsmenge beim Hecht<br />
lässt sich die Anzahl der Wiederfänge von Besatzfischen innerhalb des ersten Jahres durch die<br />
gesamte Berufsfischerei abschätzen (Tabelle 4).<br />
Tabelle 4: Anzahl der Wiederfänge durch gesamte Berufsfischerei<br />
Gesamtentnahme<br />
Besatzjahr Stückzahl<br />
2001 1.400<br />
2002 380<br />
Im Jahr 2003 lag die geschätzte Gesamtentnahme bei rund 19.700 kg Hecht, was einem Gesamtertrag<br />
bezogen auf die Fläche des Peenestroms von 1,15 kg/ha entspricht (Tabelle 5).<br />
Die Entnahme der Berufs- und Sportfischerei bewegt sich dabei im selben Bereich (8000-9000<br />
kg).
Tabelle 5: Gesamtentnahme, prozentualer Anteil und Ertrag der drei Gruppen im<br />
Jahr 2003<br />
Art der Entnahme Gesamtentnahme [kg]<br />
Anteil [%] an<br />
Gesamtentnahme<br />
Ertrag in kg/ha<br />
Berufsfischerei 8.168 41,52 0,48<br />
Freizeitfischerei 2.500 12,71 0,14<br />
Angelfischerei 9.000 45,75 0,53<br />
Gesamt 19.668 100 1,15<br />
Diskussion<br />
Verbleib der Besatzhechte<br />
Die Anzahl der Rückfänge legt die Vermutung nahe, dass eine Eingliederung der Besatzhechte<br />
nicht im gewünschten Umfang stattgefunden hat. Eine theoretische Überprüfung dieses Ergebnisses<br />
ist anhand eines Modellansatzes, welcher die jährliche Mortalität einer Kohorte zur<br />
Grundlage hat, durchführbar. Für verschiedene Hechtpopulationen konnte eine exponentielle<br />
Abnahme der Stückzahl der Individuen einer Altersklasse nachgewiesen werden (RAAT, 1988).<br />
Die Formel <strong>für</strong> die jährliche Mortalität (A) lautet:<br />
A<br />
= 1 −<br />
Z gibt dabei die augenblickliche Sterberate an und setzt sich <strong>für</strong> einen genutzten Bestand (ZN)<br />
aus der natürlichen (M) und fischereilichen (F) Mortalität zusammen.<br />
e Z −<br />
ZN =F+M<br />
Die jährliche Sterberate <strong>für</strong> adulte Hechte (ab 2 Jahren) liegt im Bereich von 40-70% (LE<br />
CREN, 1987; RAAT, 1988; TREASURER et al., 1992; ALLEN et al., 1998; PIERCE et al., 2003).<br />
Da neben der fischereilichen und natürlichen Mortalität sich eine Vielzahl anderer Faktoren negativ<br />
auf das Überleben der Besatzhechte auswirken, muss der Verlust der gesetzten Fische<br />
höher eingestuft werden. Hinsichtlich des Besatzes im Peenestrom konnten folgende mögliche<br />
Parameter identifiziert werden:<br />
• Abwanderung aus dem Peenestrom (U)<br />
• Markierungsbedingte Sterblichkeit (MM)<br />
• Besatzbedingte Faktoren (MF): Konkurrenzstärke der Besatzhechte, Umstellung auf neue<br />
Umgebung, Transportverluste, Qualität des Besatzmaterials, etc.<br />
Für Besatzhechte gilt demnach <strong>für</strong> die augenblickliche Mortalität:<br />
ZB = M + F + U + MF +Mm<br />
Vereinfachend lässt sich formulieren, dass die augenblickliche Sterberate derselben Altersklasse<br />
<strong>für</strong> die existierende Hechtpopulation niedriger einzuschätzen ist als <strong>für</strong> die Besatzhechte:<br />
ZN < ZB<br />
Somit ist jährliche Mortalität <strong>für</strong> den Besatz höher als <strong>für</strong> den vorhandenen Hechtbestand:<br />
AN < AB<br />
Die Entwicklung der Anzahl der verbleibenden Hechte aus dem Besatz im Peenestrom kann<br />
aufgrund der oben gemachten Annahmen theoretisch aufgezeigt werden (Tabelle 6). Im ersten<br />
Jahr wirkt auf die gesetzten Hechte eine geschätzte Sterblichkeit von 70 %. Aufgrund der Eingliederung<br />
in den vorhandenen Bestand liegt die Mortalität in den darauf folgenden Jahren bei<br />
rund 50 %.<br />
49
Tabelle 6: Anzahl Besatzhechte, angenommener Verbleib in Stück (Besatzmengen<br />
fett hervorgehoben<br />
50<br />
Besatzjahr 2000 2001 2002 2003 <strong>2004</strong><br />
2000 10.960 3.288 1.644 822 411<br />
2001 22.379 6.714 3.357 1.678<br />
2002 14.762 4.429 2.214<br />
2003 32.500 9.750<br />
Gesamt 14.054<br />
Von rund 80.600 gesetzten Hechten (2000-2003) würden unter der Richtigkeit der gemachten<br />
Annahmen Ende <strong>2004</strong> nur noch 14.000 Fische im Gewässer vorhandenen sein. Dies entspräche<br />
einer Bestandsdichte von rund 0,8 Besatzhechten pro Hektar.<br />
Bestandsgröße<br />
Um die Frage nach der möglichen Übernutzung des Hechtes zu beantworten, muss zunächst<br />
die Bestandsgröße abgeschätzt werden. Die Größe einer Hechtpopulation in einem Binnengewässer<br />
wird durch die möglichen Einstandsflächen bestimmt. Dieser Zusammenhang wurde<br />
erstmalig von GRIMM (1981, 1989) aufgezeigt. KNÖSCHE (1995) übernimmt dieses Modell <strong>für</strong><br />
hoch eutrophe norddeutsche Seen. Auf den entsprechenden Einstandsflächen reguliert sich der<br />
Hecht bezüglich seiner Bestandsgröße und Populationsaufbau selbst. Dabei stehen sich das<br />
hohe Reproduktionspotential und der artbedingte Kannibalismus gegenüber. Der Sättigungswert<br />
<strong>für</strong> den Hecht in den untersuchten Gewässern lag bei 100-150 kg/ha. Als maximal erntbarer<br />
Ertrag (MSY- Maximum Sustainable Yield) wird ⅓ der Bestandsgröße angenommen Bei<br />
einer nachhaltigen Nutzung wird in einem stabilen Ökosystem jedes Jahr die maximal mögliche<br />
Bestandsdichte erreicht.<br />
Für den Peenestrom wurde vereinfachend eine mögliche Einstandsfläche von 10.000 ha angenommen.<br />
Durch die Zugnetzbefischung konnte eine Bestandsdichte von 10 kg/ha im südlichen<br />
Peenestrom bestimmt werden. Diese Angabe muss aber als minimal Annahme verstanden<br />
werden, da durch die Methode keine 100 % Fangeffektivität gewährleistet ist.<br />
Tabelle 7: Mögliche Bestandsgrößen und potentielle Erträge bei unterschiedliche<br />
Annahmen <strong>für</strong> Bestandsdichte (Hinweis: Gültigkeit nur <strong>für</strong> Binnengewässer<br />
erwiesen, * eigene Befischung)<br />
Einstandsfläche<br />
[ha]<br />
Bestandsdichte<br />
[kg/ha]<br />
Bestand bezogen auf<br />
Einstandsfläche<br />
[kg]<br />
potentieller Ertrag<br />
absolut (MSY)<br />
[kg]<br />
potentieller Ertrag<br />
flächenbezogen<br />
[kg/ha]<br />
10.000 10 * 100.000 33.000 2<br />
10.000 50 500.000 165.000 10<br />
10.000 100 1.000.000 330.000 19<br />
Ausgehend von der Einstandsfläche und der Bestandsdichte (10, 50 und 100 kg/ha) sind in Tabelle<br />
7 die Größe der Hechtpopulation und der daraus resultierende maximal mögliche Ertrag<br />
(kg/ha) bezogen auf die Gesamtfläche des Peenestroms dargestellt. Unter der Gültigkeit der<br />
gemachten Annahmen kann eine derzeitige Übernutzung der Hechtpopulation ausgeschlossen<br />
werden (Gesamtertrag 1,15 kg/ha < minimal Abschätzung 2 kg/ha).<br />
Kosten - Nutzen - Analyse<br />
Wichtig <strong>für</strong> eine Bewertung der Besatzmaßnahmen ist die Gegenüberstellung der Kosten und<br />
Nutzen. Die Ausgaben belaufen sich <strong>für</strong> die Besatzjahre 2001 und 2002 allein <strong>für</strong> das Besatzmaterial<br />
auf rund 75.000 €, wenn ein Besatzhecht rund 2 € kostet.